arzneimittel CME-Fortbildung orientierungshilfe CME-Fortbildung: Pharmakotherapie der Demenz Im Februar 2011 veröffentlichte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung den Demenz-Report. Danach leben in Deutschland 1,3 Millionen Personen mit Demenz. Die Tendenz ist steigend. Bei etwa 65 Prozent der Betroffenen liegt die Alzheimer-Krankheit zugrunde (1). Ein Teil der verfügbaren Antidementiva kann kognitive und funktionelle Beeinträchtigungen verbessern. Die Antidementiva haben jedoch keinen sicher nachgewiesenen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Die Stärke ihrer symptomatischen Wirkung wird überwiegend als geringfügig bewertet (2). Eine Verminderung der mit der demographischen Entwicklung zunehmenden gesellschaftlichen Belastung durch die Demenz wird vom Einsatz dieser Medikamente nicht erwartet. Eine Beschäftigung mit ihrer Wirkweise, ihrem Nutzen und ihren unerwünschten Wirkungen ist dennoch für einen sinnvollen Einsatz erforderlich. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz der Demenz an, bei über 90-jährigen auf ungefähr 30 Prozent (3). Wegen ihrer Häufigkeit steht in den folgenden Ausführungen die senile Form der Alzheimer-Demenz im Vordergrund. Diagnose Die Diagnose einer Demenz wird gestellt, wenn eine erworbene und anhaltende kognitive Störung mit einer Beeinträchtigung sozialer und/oder beruflicher Funktionen einhergeht. Eine genauere Umschreibung der 52 niedersächsisches ärzteblatt 1 | 2012 nach DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4th. Edition) für die Diagnose einer Demenz geforderten kognitiven Störung ist im Kasten wiedergegeben (4). Die subjektive Verkennung der kognitiven Beeinträchtigung ist bei Alzheimer-Demenz typisch, aber weder regelhaft noch pathognomonisch (5). Differentialdiagnostische Erwägungen sollten auf potenziell reversible Ursachen fokussiert werden. Oft bieten zusätzliche Symptome oder atypische Konstellationen Anhaltspunkte: Depressive Symptome sind im Verlauf einer Demenz nicht ungewöhnlich. Bei der „Pseudodemenz“ im Rahmen einer Depression lassen sich jedoch die geklagten kognitiven Defizite weder fremdanamnestisch noch durch Testungen bestätigen (6). Weitere differentialdiagnostische Hinweise können sich aus einem plötzlichen Auftreten (z. B. Delir), Allgemeinsymptomen (z. B. Fieber), Bewusstseinsstörungen, Orientierungs- störungen, Gangstörungen (neben Inkontinenz charakteristisch bei Normaldruckhydrocephalus), fokalneurologischen Ausfällen und Auffälligkeiten im Routinelabor ergeben. Medikamente, die eine kognitive Störung fördern können, sollten nach Möglichkeit abgesetzt werden. Sedativa und Arzneimittel mit sedierenden Nebenwirkungen können zu Beeinträchtigungen der instrumentellen Alltagsfunktionen beitragen (7). In einer großen Fall-Kontroll-Studie waren insbesondere Benzodiazepine in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert, welches mit der Dauer des Absetzens zurückgeht (8). Kombinationen von Neuroleptika mit anderen zentralnervös wirkenden Medikamenten können zu einer deutlichen kognitiven Beeinträchtigung führen und das Vorliegen einer Demenz vortäuschen (9). Auch anticholinerg wirkende Medikamente können die kognitive Leistungsfähigkeit Komponenten der nach DSM IV für die Diagnose einer Demenz geforderten kognitiven Störung Gedächtnisstörung – Beeinträchtigung des Erlernens neuer Inhalte und/oder beim Abrufen gespeicherter Erinnerungen und mindestens eine weitere der folgenden Störungen: Aphasie – Störung des Benennens, der Phonologie, der Semantik, des Nachsprechens und/oder des Sprachverständnisses Apraxie – Störung der motorischen Ausführung einer verstandenen Aufgabe trotz erhaltener Sensomotorik Agnosie – beeinträchtigte (visuelle, akustische und/oder taktile) Erkennung vertrauter Objekte (auch Gesichter) Beeinträchtigung von Exekutivfunktionen – abstraktes Denken, Handlungsplanung, Antrieb, Aufmerksamkeit, Flexibilität CME-Fortbildung Für die medikamentöse Beeinflussung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei Demenz sind verschiedene Medikamente zugelassen. In den überwiegend von den Arzneimittelherstellern finanzierten Studien wurden signifikante Wirkungen nachge- Die differentialdiagnostische Abgrenzung der verschiedenen Demenzursachen kann hier nur skizziert werden. Im hohen Lebensalter kommen die vaskuläre Demenz nach ischämischen Insulten und die Demenz bei Morbus Parkinson sowie die Lewy Körper Krankheit (anfangs geringer ausgeprägte Gedächtnisstörung, häufig mit Fluktuation der kognitiven Leistungsfähigkeit und/oder visuellen Halluzinationen) am häufigsten vor (12). Eine Demenz mit Charakteristika der Alzheimer Erkrankung bei gleichzeitig bestehenden manifesten zerebralen Durchblutungsstörungen wird als gemischte Demenz bezeichnet. Unabhängig von der ätiologischen Zuordnung kann versucht werden, durch ein kognitives oder Verhaltenstraining die Ausprägung der Störungen und den Verlust der für die Alltagsbewältigung nötigen Fähigkeiten zu verzögern. Gelegentlich ermöglicht der Ausgleich von Hör- oder Sehstörungen die Aufrechterhaltung einiger Alltagsfunktionen trotz der reduzierten kognitiven Basis. Durch die Demenz verliert die Behandlung von Begleitkrankheiten nicht an Bedeutung. Die Gewichtung der Behandlungsziele verschiebt sich jedoch zu Gunsten funktioneller Verbesserungen. Beispielsweise wird häufig die 70 Punkte umfassende ADAS-cog-Skala verwendet, weil sie auch in fortgeschrittenen Stadien einer Demenz zur Erfassung von Veränderungen der kognitiven Leistungen geeignet ist. Unter (irrtümlicher) Berufung auf eine Expertenkonferenz der FDA (14, 15) wird als MCID ein Unterschied von vier Punkten auf dieser Skala angenommen. Die mittlere Differenz zwischen Verumund Placebo-Gruppe in den Testergebnissen der meisten Antidementiva-Studien und die in Metaanalysen geschätzten Effekte lagen unter dieser Schwelle. kvn vermindern und zur Manifestation einer Demenz beitragen (10). Eine Verstärkung des kognitiven Abbaus bei bestehender Alzheimer-Demenz durch Anticholinergika konnte in einer aktuellen prospektiven Kohortenstudie (18 Monate) dagegen nicht bestätigt werden (11). arzneimittel Cholinesterasehemmer wiesen. Deren klinische Relevanz ist jedoch umstritten. Für die Beurteilung der klinischen Relevanz wurde das Konzept der MCID, d. h. „minimum clinically important difference“, entwickelt (13). Das ist der Nutzen, der aus Patientensicht eine Therapieänderung angebracht erscheinen lässt, vorausgesetzt, sie geht nicht mit störenden Nebenwirkungen oder übermäßigen Kosten einher. Eine empirische Ermittlung der MCID aus der Patientenperspektive fehlt bisher für die in den Arzneimittelstudien zur Demenz ausgewerteten Parameter. Die Cholinesterasehemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin sind zur symptomatischen Behandlung der klinisch diagnostizierten leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Tacrin wurde vor sieben Jahren wegen seiner Hepatotoxizität aus dem Verkehr genommen. Das IQWiG kam 2007 in einem Abschlussbericht (16) zu dem Ergebnis, dass eine günstige Beeinflussung der Aktivitäten des täglichen Lebens und der Kognition in Studien mit einer Mindestdauer von 16 Wochen durch diese Wirkstoffe belegt ist. Das Ausmaß der im Mittel gegenüber Placebo erreichten Verbesserung war gering (bezüglich der kognitiven Parameter unter der oben dargestellten Schwelle der klinischen Relevanz) und wäre gegenüber bekannten Nebenwirkungen abzuwägen. Für einen Einfluss der Cholinesterasehemmer auf die Mortalität, die krankheitsbezogene Lebensqualität, die begleitende Psychopathologie oder Heimaufnahmen 1 | 2012 niedersächsisches ärzteblatt 53 arzneimittel CME-Fortbildung der begleitenden psychopathologischen Symptome erreichten nicht das für einen Nutzenbeleg erforderliche Ausmaß. Nebenwirkungen wie Schwindel, Erbrechen und Übelkeit und dadurch bedingte Behandlungsabbrüche waren unter Galantamin signifikant häufiger. Für die Patienten, die nach 12 Monaten unter Galantamin eine kognitive Verbesserung aufwiesen, ist der Nutzen einer Weiterbehandlung darüber hinaus laut IQWiG nicht belegt (17). Auch für die 10 cm2 Pflaster im Mittel erreichte Verbesserung liegt nach der Beurteilung der verfügbaren Studienergebnisse durch das IQWiG sowohl bei den Aktivitäten des täglichen Lebens als auch bei den kognitiven Leistungen im Vergleich zu Placebo unter der als klinisch relevant anzusehenden Schwelle. Die Auswertung der kognitiven Funktionsparameter erfolgte zusätzlich mit einer Responder-Analyse. Zunächst schien das Rivastigmin-Pflaster die Zahl der Responder signifikant zu erhöhen. In einer der beiden Studien war jedoch die Anzahl der nicht in die Auswertung einbezogenen Patienten in der mit dem Pflaster behandelten Gruppe um mehr als fünf Prozent größer als in der Placebo-Gruppe (18). NachÜberprüfung durch eine Sensitivitätsanalyse (Annahme schlechter Ergebnisse für die nicht ausgewerteten Patienten) konnten die durch das Pflaster erreichbaren kognitiven Verbesserungen nicht mehr als gesichert angesehen werden. Im Vergleich zu Placebo wurde die Bilanz von Nutzen und Schaden für das Pflaster somit negativ bewertet (17). Abbildung: Autoptische Klassifizierung der Demenzursachen bei über 70-jährigen, nach K. A. Jellinger und J. Attems, Dem Geriatr Cogn Dis 2011, 31, 309 - 316 Als einziger Cholinesterasehemmer ist orales Rivastigmin auch zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Demenz bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom zugelassen. Für die Demenz mit Lewy Körpern gibt es derzeit keine spezifisch zugelassenen Präparate. Die Behandlung der vaskulären Demenz zielt auf die verursachenden Gefäßschäden und ihre Risikofaktoren. fanden sich keine bzw. keine ausreichenden Belege (16). Die zu einem späteren Zeitpunkt mit Galantamin durchgeführten Studien wurden im Rahmen eines Ergänzungsauftrags vom IQWiG analysiert. Das Ergebnis wurde im Juli 2011 in Form eines Vorberichtes veröffentlicht (17). Das Problem der minimalen relevanten Änderung der kognitiven Leistungsfähigkeit wurde in den neuen Studien durch die sogenannte Responder-Analyse aufgenommen: Eine Besserung um vier Punkte gegenüber dem Ausgangsbefund auf der ADAS-cog-Skala wurde wiederum als relevant angesehen und der Definition der „Responder“ zugrundegelegt. Bei Einbeziehung der noch nicht veröffentlichten Studien trat eine Besserung um vier Punkte unter Galantamin bei 18 bis 36 Prozent der Patienten ein, unter Plazebo bei 15 bis 21 Prozent. Die Metaanalyse ergab eine signifikante Reduzierung des Risikos des Ausbleibens einer Verbesserung durch Galantamin. Die Effekte von Galantamin bezüglich der Aktivitäten des täglichen Lebens und 54 niedersächsisches ärzteblatt 1 | 2012 anderen Cholinesterasehemmer fehlen Daten zum Langzeitnutzen (2). Relevante Unterschiede in der Wirksamkeit oder den Risiken zwischen den drei verfügbaren Cholinesterasehemmern sind nicht belegt (2). Es gibt keine empirischen Belege aus kontrollierten Studien, die bei Unwirksamkeit eines Wirkstoffes ein Ansprechen auf einen alternativen Cholinesterasehemmer erwarten lassen. Rivastigmin ist auch in einer transdermalen Applikationsform (5 cm2 entsprechend 4,6 mg/24 Std. und 10 cm2 entsprechend 9,5 mg/24 Std.) verfügbar. Das 5 cm2 Pflaster dient zur Therapieeinleitung. Die mit dem Memantin Memantin ist für die Behandlung von Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz zugelassen. Das IQWiG kam 2009 in seinem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass ein ausreichender Nutzenbeleg nicht vorliegt. Die messbaren Effekte sind CME-Fortbildung Bezüglich der Aktivitäten des täglichen Lebens trat eine derart als relevant definierte Verschlechterung unter Memantin bei 26 bis 42 Prozent der Patienten ein, unter Placebo bei 34 bis 63 Prozent. Die Metaanalyse ergab eine signifikante Reduzierung des Risikos einer Verschlechterung durch Memantin. Bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit trat eine als relevant definierte Verschlechterung unter Memantin bei 18 bis 41 Prozent der Patienten ein, unter Placebo bei 22 bis 61 Prozent. Die Metaanalyse ergab eine signifikante Reduzierung des Risikos einer Verschlechterung durch Memantin. Für die Kombination aus Memantin und einem Cholinesterasehemmer war das Ergebnis bei den kognitiven Leistungen ähnlich, bei den alltagspraktischen Fähigkeiten war jedoch im Vergleich zur Monotherapie mit einem Cholinesterasehemmer kein Effekt nachweisbar (20). Sofern bei der Alzheimer-Demenz mittleren Schweregrades eine medikamentöse antidementielle Therapie erwogen wird, sollte nach der aktualisierten Empfehlung des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) wegen des besseren Nutzenbeleges bevorzugt ein Cholinesterasehemmer eingesetzt werden. Bei Unverträglichkeit kann Memantin in Betracht gezogen werden (22). Die Kombination von Memantin mit einem Cholinesteraseinhibitor wird seitens des NICE wegen des mangelhaften Nutzenbeleges nicht empfohlen. Die Richtlinie Mit der Neufassung der ArzneimittelRichtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) 2009 die Verordnung von Cholinesterasehemmern und Memantin zu Lasten der Krankenkasse auf einen Therapieversuch von 24 Wochen Dauer beschränkt (für andere Antidementiva 12 Wochen). Eine Weiterverordnung ist nur bei dokumentiertem Behandlungserfolg zulässig. Die für die Erfolgskontrolle anzuwendenden Verfahren sind nicht verbindlich vorgegeben. Nach der Darstellung in den „Tragenden Gründen“ des GBA ist die Therapie abzusetzen oder durch einen anderen Wirkstoff zu ersetzen, wenn nach sorgfältiger Analyse unter Einbeziehung der Patienten (soweit noch möglich), der Angehörigen und ggf. des Pflegepersonals bezüglich der kognitiven Defizite und des Alltagsverhaltens sowie in der globalen ärztlichen Beurteilung keine klinisch relevanten Effekte feststellbar sind (23). Sicher ist eine Beendigung der Therapie angebracht, wenn manifeste Nebenwirkungen den potentiellen oder den im Einzelfall angenommenen Nutzen aufwiegen oder eine adäquate Dosierung (auch bei verzögerter Aufdosierung) verhindern. Häufige Nebenwirkungen der Cholinestera- sehemmer sind Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel. Auch Verhaltensstörungen können ausgelöst oder verstärkt werden. Der im Allgemeinen gering ausgeprägte bradycardisierende Effekt kann gelegentlich zu Synkopen und Schrittmacherimplantationen beitragen (24). Unter Memantin treten insgesamt weniger und kaum schwerwiegende Nebenwirkungen auf. In der Fachinformation werden Schwindel, Kopfschmerzen, Verstopfung, Schläfrigkeit und erhöhter Blutdruck erwähnt. Bezüglich der Dosierung, weiterer Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Interaktionen der Antidementiva wird auf die Fachinformationen der einzelnen Präparate verwiesen. kvn in den Bereichen Aktivitäten des täglichen Lebens und kognitive Leistungsfähigkeit zwar signifikant, aber so gering ausgeprägt, dass ihnen keine klinische Relevanz zukommt (19). Vom Hersteller wurden weitere bisher nicht publizierte Studien und eine nachträglich berechnete Responder-Analyse vorgelegt, die eine erneute Bewertung durch das IQWiG in Form eines im März 2011 veröffentlichten Schnellberichtes zur Folge hatten (20). Das Ansprechen auf die Therapie wurde als Ausbleiben einer Verschlechterung definiert, die den angenommenen minimalen bedeutsamen Unterschied überschreitet: z. B. vier Punkte im ADAS-cog oder drei Punkte für die ADCS-ADL-19. Bei der ADCS-ADL-19 handelt es sich um eine 54-Punkte-Skala zur Erfassung der Einschränkungen in 19 basalen Alltagsfunktionen bei mittelschwerer und fortgeschrittener Alzheimer Erkrankung (21). arzneimittel Eine Verbesserung um vier oder mehr Punkte auf der ADAS-cog-Skala unter Therapie mit einem Cholinesterasehemmer entspricht in 15 bis 21 Prozent dem Spontanverlauf (in den Placebogruppen der Galantamin-Studien) und beweist somit nicht den therapeutischen Effekt beim einzelnen Patienten. Die Kontrolle des Behandlungserfolgs könnte sich trotzdem hilfsweise an den in den ResponderAnalysen angewandten Kriterien orientieren: Das Ausbleiben einer kognitiven Verbesserung in der Größenordnung von vier oder mehr Punkten auf der ADAS-cog-Skala könnte als fehlendes Ansprechen auf den Cholinesterasehemmer aufgefasst werden. Eine Beendigung der Therapie mit einem Cholinesterasehemmer ist außerdem angebracht, wenn das Stadium der schweren Demenz (MMSE < 10) erreicht wird, da diese Präparate hierfür nicht zugelassen sind. Auch die Erfolgskontrolle einer Behandlung mit Memantin kann an die Responder-Analysen angelehnt werden: Eine kognitive Verschlechterung, die mindestens vier Punkten 1 | 2012 niedersächsisches ärzteblatt 55 arzneimittel > CME-Fortbildung MMSE (Mini Mental State Examination): 30 Punkte Skala für kognitive Testung, siehe Anhang des ICD-10, wird auch als Orientierung für die Stadieneinteilung der Alzheimer-Demenz verwendet: > MMSE 20 bis 26 Punkte: leichte Alzheimer-Demenz > MMSE 10 bis 19 Punkte: moderate/mittelschwere Alzheimer-Demenz > MMSE weniger als 10 Punkte: schwere Alzheimer-Demenz (26). In der S3-Leitlinie Demenzen der deutschen Fachgesellschaften werden Ginkgo-Präparate wegen des unzureichenden Wirksamkeitsbelegs nicht empfohlen (26). Arzneimittel mit den Wirkstoffen Pyritinol, Nicergolin und Piracetam sind zur Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen auch im Rahmen von dementiellen Syndromen zugelassen. Ihre Anwendung bei Alzheimer-Demenz wird mangels überzeugender Wirksamkeitsnachweise in aktuellen Leitlinien nicht empfohlen (6, 26). Patienten kann die Manifestation psychiatrischer Begleitsymptome reduzieren und – im Zusammenwirken mit dem Aufbau von Kompetenzen und psychischer Stabilität auf Seiten der Betreuenden – die Notwendigkeit der Institutionalisierung hinauszögern (28) sowie dem Verlust an Lebensqualität entgegenwirken. Die Entwicklung von strukturierten Programmen, die die Versorgungsrealität diesem Ziel näher bringen könnten, verdient Priorität. Dr. med. Rainer Burkhardt Beratender Arzt der KVN Bezirksstelle Oldenburg < Fazit auf der ADAS-cog Skala entspricht, oder eine Verschlechterung der Alltagsfunktionen, die mindestens drei Punkten auf der ADCS-ADL-19 entspricht, nach 24 Behandlungswochen kann als ausbleibendes Ansprechen auf Memantin aufgefasst werden. Eine zukünftige empirische Validierung von Kriterien einer MCID könnte eine Änderung dieser Kriterien nach sich ziehen. Aufgrund der Aufnahme in die Anlage I der Arzneimittelrichtlinie kann auch Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakt (Aceton-Wasser-Auszug, standardisiert 240 mg Tagesdosis) zur Behandlung der Demenz zu Lasten der GKV verordnet werden. Nur für die 240 mg-Dosierung konnte das IQWiG Nutzenbelege finden. Diese betrafen ausschließlich die Aktivitäten des täglichen Lebens. Es wird allerdings einschränkend festgehalten, dass das positive Ergebnis durch zwei in einem besonderen osteuropäischen Versorgungskontext durchgeführte Studien mit einem ausgeprägt psychopathologisch affizierten Patientengut dominiert war und die Übertragbarkeit auf die Situation in Deutschland nicht gewährleistet ist (25). 56 niedersächsisches ärzteblatt 1 | 2012 Patienten mit Alzheimer-Demenz und ihre Angehörigen sollten über das zu erwartende weitere Nachlassen der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Alltagsbewältigung aufgeklärt werden. Das Fehlen einer medikamentösen Möglichkeit, diesen Prozess aufzuhalten, sollte nicht beschönigt werden. Die beschränkte Wirksamkeit der zur symptomatischen Behandlung verfügbaren Medikamente sollte dargestellt werden, um eine von den Betroffenen mitgetragene Therapieentscheidung zu finden. Im Hinblick auf den zu erwartenden weiteren Verlauf sollten notwendige Vorkehrungen sozialer und rechtlicher Art frühzeitig erörtert und geplant werden, um die Berücksichtigung einer Willensäußerung des Erkrankten zu ermöglichen. Dem Erkrankten sollte vermittelt werden, dass sich alle Maßnahmen, soweit möglich, am Ziel seines Wohlbefindens und eines respektvollen Umgangs mit seiner Person orientieren. Stigmatisierungen des Erkrankten und der Rolle des Betreuenden sollten vermieden werden. Der Betreuungsperson sollte vermittelt werden, dass ein auch für sie tragfähiges Arrangement gefunden werden muss und dass dafür Unterstützung in Anspruch genommen werden kann (27). Eine achtsame Gestaltung der Umgebung des Anregungen zu dieser Darstellung wurden im Rahmen einer Honorararzttätigkeit in der Akutgeriatrie des St. Marien-Hospitals Lüdinghausen gewonnen. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis. Es ist beim Verfasser erhältlich und online unter www.kvn.de in der Rubrik Praxis verfügbar. Auf der folgenden Seite finden Sie die für die Teilnahme an der Fortbildung zu beantwortenden Fragen. Teilnehmer mit mindestens 9 richtigen Antworten bekommen 3 Fortbildungspunkte, Teilnehmer mit 7 oder 8 richtigen Antworten bekommen 2 Fortbildungspunkte. Die Teilnahme ist auch online unter www.kvn.de in der Rubrik Praxis möglich. Einsendeschluss ist der 29. Februar 2012. Eine Gutschrift der Fortbildungspunkte durch die KVN erfolgt bei korrekter und lesbarer Angabe der EFN nach Einsendeschluss. Die richtigen Antworten werden unter www.kvn.de in der Rubrik Praxis und im niedersächsischen ärzteblatt veröffentlicht. < CME-Fortbildung Antwortbogen arzneimittel Absender: Name Vorname Straße Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen Bezirksstelle Oldenburg z. Hd. Fr. Erichsen Huntestr. 14 26135 Oldenburg Fax Nr. (04 41) 21 00 62 51 11 Ort Bitte EFN eintragen. Bei Postversand Barcode verwenden. 1 Die gesellschaftliche Bedeutung der senilen Form der Alzheimer Demenz a kann durch konsequente medikamentöse Behandlung deutlich reduziert werden b ist aufgrund des verzögerten Auftretens von Alterungserscheinungen rückläufig c nimmt aufgrund der demographischen Entwicklung weiter zu d ist aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung rückläufig e ist ein regional begrenztes Phänomen 2 Welche Art von Störungen ist obligat für die Diagnose einer Demenz? a Sehstörung b Hörstörung c Inkontinenz d Gedächtnisstörung e Gangstörung 3 Was ist falsch? Die folgenden Begleiterscheinungen weisen auf Differentialdiagnosen der Demenz hin: a Plötzlicher Beginn b Keine Bestätigung der geklagten Gedächtnisstörungen im Test c der Patient klagt nicht über Gedächtnisstörungen d kognitive Beeinträchtigung gepaart mit Inkontinenz und Gangstörung e keine Beeinträchtigung berufl./sozialer Funktionen 4 Welche Beobachtung ist typisch für die AlzheimerDemenz? a Der Patient verkennt die vorliegenden Gedächtnisstörungen b eine Hemiparese c extrapyramidale Bewegungsstörungen d starke Fluktuation des kognitiven Leistungsniveaus e visuelle Halluzinationen im Frühstadium 5 Welche Maßnahme ist zeitnah nach Diagnosestellung einer Alzheimer-Demenz angebracht? a Heimunterbringung b vorsorgliche Vorkehrungen sozialer und rechtlicher Art c Absetzen aller Dauermedikamente d künstliche Ernährung e prophylaktische Sedierung 6 Was trifft für Cholinesterasehemmer zu? a Sie verhindern sicher eine weitere kognitive Verschlechterung b Sie sind so gut wie nebenwirkungsfrei c Sie sind für alle Arten der Demenz zugelassen d Sie sind für die leichte und mittelschwere Alzheimer-Demenz zugelassen e Der Nutzen einer mehrjährigen Dauerbehandlung ist durch Studien belegt 7 Was trifft für Memantine (M.) zu? a M. führt immer zu deutlichen Verbesserungen der kognitiven Leistungen b M. führt nur in Kombination mit einem Cholinesterasehemmer zu Verbesserungen der Alltagsfunktionen c M. hat mehr Nebenwirkungen als andere Antidementiva d M. ist für alle Schweregrade der Alzheimer-Demenz zugelassen e M. ist für die moderate bis schwere Alzheimer-Demenz zugelassen 8 Nach der Arzneimittelrichtlinie ist die Verordnung von Antidementiva zu Lasten der GKV a ohne Ausnahme ausgeschlossen b auf einen Therapieversuch von 12 bzw. 24 Wochen und die Weiterverordnung bei dokumentiertem Behandlungserfolg beschränkt kvn Fortbildungspunkte: c auf pflanzliche Mittel beschränkt d auf rezeptpflichtige Mittel beschränkt e auf die in häuslicher Umgebung versorgten Patienten beschränkt 9 Die Dokumentation des Erfolgs einer Behandlung mit Antidementiva a ist in der Arzneimittelrichtlinie in allen Einzelheiten verbindlich geregelt b muss online an die Krankenkasse übermittelt werden c muss auf dem vereinbarten Vordruckmuster erfolgen d kann sich hilfsweise an den in den Arzneimittelstudien verwendeten „responder“-Definitionen orientieren e erfordert zwingend die wiederholte Durchführung der MMSE-Testung 10 Welcher Wirkstoff kann nach der ArzneimittelRichtlinie für einen Therapieversuch von 24 Wochen verordnet werden? a Ginkgo-Biloba-Blätter-Extrakt b Rivastigmin c Piracetam d Nicergolin e Pyritinol CME-Fortbildung zum Thema: Betablocker, September 2011: Antworten: Die richtigen Antworten waren: 1b, 2c, 3e, 4d, 5a, 6c, 7b, 8a, 9b, 10d. CME-Fortbildung zum Thema: ACE-Hemmer, Oktober 2011: Antworten: Die richtigen Antworten waren: 1d, 2c, 3e, 4d, 5e, 6d, 7d, 8b, 9a, 10b. 1 | 2012 niedersächsisches ärzteblatt < 57 Literaturangaben: 1. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Demenz-Report. www.berlininstitut.org/studien/demenz-report 2. P. Raina und andere: Effectiveness of cholinesterase inhibitors and memantine for treating dementia: Evidence review for a clinical practice guideline. Ann Intern Med 2008, 148, 379 – 397 3. S. Weyerer: Alterdemenz. Gesundheitsberichtserstattung des Bundes 2005, 28 4. Saß, Henning, Wittchen, Hans-Ulrich, Zaudig, Michael, Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen. DSM IV. Göttingen 1998, 174ff 5. E. Ecklund-Johnson und I. Torres: Unawareness of deficits in Alzheimer’s disease and other dementias: operational definitions and empirical findings. Neuropsychol Rev 2005, 15, 147 – 165 6. DEGAM-Leitlinie Nr. 12: Demenz. 2008 7. H. T. 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