Vom Münzwurf zur Poissonverteilung (Stand 29.05.2008) Die folgenden Stichpunkte fassen kurz das in der Vorlesung KND zum Thema gebrachte zusammen. Münzwurf Der Wurf einer Münze ist ein (zeit-)diskretes Ereignis – ebenso die Folge mehrerer Münzwürfe. Auf die Uhr schauend könnte man im realen Experiment den einzelnen Würfen zwar Zeitpunkte zuordnen und dem Experiment so eine Zeitachse hinzufügen, für die Ergebnisse wäre das jedoch belanglos. Interessant und wichtig zu protokollieren wäre lediglich, ob es sich jeweils um den ersten Wurf, den zweiten Wurf, etc. gehandelt hat. Der Ausgang des Zufallsexperiments Münzwurf”wird durch die Zufallsvariable X beschrieben. 1 , Erfolg bzw. Kopf X= 0 , Misserfolg bzw. Zahl Die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Erfolg einstellt ist p, die Wahrscheinlichkeit für einen Misserfolg ist q = (1 − p). Im Falle der fairen Münze gilt p = q = 0, 5. Hier soll jedoch jede Wahrscheinlichkeitsverteilung zulässig sein. Besteht nun ein Experiment aus insgesamt n Würfen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, daß von den n Würfen gerade k erfolgreich sind? Die Zahl erfolgreicher Würfe ist mit der Zufälligkeit des Ausgangs jedes einzelnen Wurfes ebenfalls zufällig und wird durch die Zufallsvariable X beschrieben. X kann alle Werte zwischen 0 und n annehmen. X ∈ {0, . . . , n} Soll X den Wert 0 annehmen, dann muß der erste Wurf erfolglos bleiben, ebenfalls der zweite und jeder weitere. Die Wahrscheinlichkeit jedes individuellen Wurfs erfolglos zu bleiben beträgt q (s.o.). Die Wahrscheinlichkeit, daß der erste und der zweite Wurf erfolglos bleiben beträgt q · q = q 2 (die Wahrscheinlichkeiten der logisch undverknüpften, unabhängigen Ereignisse multiplizieren sich). Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß alle n Würfe erfolglos bleiben P (X = 0) = q n . Auf gleiche Weise berechnet sich die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der erste Wurf erfolgreich ist und die verbleibenden n − 1 Würfe erfolglos zu p · q n−1 . Dieselbe Wahrscheinlichkeit ergibt sich auch für den Fall, daß nur der zweite Versuch erfolgreich ist. Insgesamt gibt es bei n Würfen genau n verschiedene Fälle, in denen ein Wurf erfolgreich ist und die übrigen n − 1 nicht. Damit folgt für die Wahrscheinlichkeit, daß im Experiment (irgendein) Wurf erfolgreich ist P (X = 1) = n · p · q n−1 (die Wahrscheinlichkeiten, daß der erste Wurf oder der zweite Wurf, usw. erfolglos ist addieren sich) 1 Die Wahrscheinlichkeit, daß der erste und der zweite Wurf erfolgreich ist und die übrigen n − 2 Würfe erfolglos sind beträgt p2 · q n−2 . Bei n Stellen gibt es insgesamt n2 Möglichkeiten, die beiden erfolgreichen Würfe anzuordnen: n P (X = 2) = · p2 · q n−2 2 Für die Wahrscheinlichkeit, daß im allgemeinen k von insgesamt n Würfen erfolgreich sind gilt daher n P (X = k) = · pk · q n−k k Diese Verteillung heißt Binomialverteilung. Für den Fall n = 20 Würfe sind die Werte für vier verschiedene Einzelerfolgswahrscheinlichkeiten p = 0, 05, 0, 1, 0, 2, 0, 5 in Abbildung 1 dargestellt1 . Abbildung 1: Binomialverteilung für n = 20 und p = 0, 05, 0, 1, 0, 2, 0, 5 Für den Erwartungswert bzw. Mittelwert der Zufallsvariable X gilt E{X} = n · p 1 Die Werte P (X) sind mit der Zahl der Erfolge k diskret. Die Kurvenverläufe sind lediglich abgebildet, um den Zusammenhang der einzelnen Punkte zu verdeutlichen, liefern aber keine kontinuierlichen Werte. 2 d.h. führt man mehrere der jeweils n Würfe umfassenden Experimente durch, so wird man im Mittel je Experiment n · p Erfolge verzeichnen. Zeitleiste Den Würfen eines Experiments wird nun eine Zeitleiste unterlegt. Beginnend mit dem Zeitpunkt t = 0 für den ersten Wurf werden die weiteren Würfe im Abstand ∆t und damit zu den Zeitpunkten t = i · ∆t, i = 0, . . . , n ausgeführt. Das Experiment erstreckt sich damit über den Gesamtzeitraum T T = n · ∆t Von n Würfen sind im Mittel n · p erfolgreich. Bezieht man die Zahl der im Mittel erfolgreichen Würfe auf die Experimentdauer, so ergibt sich die Rate λ λ= erfolgreiche Würfe n·p p = = Zeitdauer T ∆t Schrumpfen der Zeitabstände Nun werden die Abstände ∆t zwischen den Würfen eines Experiments verringert, wobei die für das Experiment charakteristische Rate erfolgreicher Würfe λ und die Experimentdauer T konstant gehalten werden. Im Falle der Halbierung der Zeitbstände ergibt sich n0 =2 · n ∆t0 =∆t/2 p0 p0 = const. λ= 0 = ∆t ∆t/2 Außerdem gilt T · λ = 2n · → p0 = p/2 p = n · p = const. 2 Poisson Die ursprüngliche Frage Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß k Würfe von n erfolgreich sind? kann nun hinsichtlich der Experimentdauer umformuliert werden in Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß k Würfe innerhalb des Zeitraums T erfolgreich sind? Außerdem werden die Zeitabstände infinitesimal klein geschrumpft. Daher gilt n P (X) = lim · pk · q n−k n→∞ k 3 wobei die Zufallsvariable X mit n → ∞ nun ebenfalls beliebige positve, ganzzahlige Werte annehmen kann. Für die einzelnen Komponenten des dem Grenzübergang unterworfenen Ausdrucks gilt k Terme z }| { n n! n · (n − 1) · (n − 2) · · · · · (n − k + 1) = = k (n − k)! · k! k! k λ·T pk = n (1 − p)n q n−k = (1 − p)n−k = −→ (1 − p)n (1 − p)k −→ nk k! Insgesamt ergibt sich damit n λ·T nk (λ · T )k 1− P (X) = lim n→∞ k! nk n n k λ·T (λ · T ) = lim 1 − k! n→∞ n k (λ · T ) = · e−λ·T k! Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung heißt Poisson-Verteilung. Für die Raten λ = 1, 3, 5, 10 und T = 1 sind die Werte in Abbildung 2 dargestellt2 . Der Erwartungswert bzw. Mittelwert der poissonverteilten Zufallsvariable X beträgt E{X} = λT (vgl. Erwartungswert der Binomialverteilung und n · p = λ · T ) 2 Auch hier sind die Werte P (X) mit der Zahl der Erfolge k diskret (s.o.). 4 Abbildung 2: Poissonverteilung für T = 1 und λ = 1, 3, 5, 10 5