DIAGNOSE & THERAPIE Strahlen gegen Krebs Viele Patienten fürchten diese Therapiemöglichkeit, dabei lässt sich ihr Erfolg heute ganz genau berechnen. Die Dosierung kann deswegen so schonend wie möglich passieren E Inzwischen gibt es moderne Bestrahlungsgeräte, sogenannte Linearbeschleuniger, die auch in der Tiefe des Körpers gelegene Tumoren bestrahlen können. Nachbarorgane und Hautoberfläche werden dabei weitgehend geschont. Einer der Gründe dafür ist, dass das Zielgebiet immer von verschiedenen Richtungen aus bestrahlt wird. „Im Gegensatz zur Chemotherapie, die systemisch wirkt, ist die Strahlentherapie eine lokale Maßnahme“, erklärt Strahlen wirken lokal Prof. Dr. Belka. „Das heißt, sie wirkt nur im Tumorgebiet nur im Bereich des Bestrahlungsfeldes, was für die Wirkung, aber auch Bei der Strahlenbehandlung kommen für die unerwünschten Nebenwirkunimmer sogenannte ionisierende gen gilt.“ Ähnlich exakt wie sich der Strahlen zum Einsatz, denn nur sie Effekt einer Bestrahlung vorsind in der Lage, die kleinsten Bauhersagen lässt, ist auch die steine unseres Körpers (Atome Prognose für die Nebenwirund Moleküle) in ihrer Struktur kungen. „Wir sagen jedem zu verändern. In der Mehrzahl Patienten bei der Therapiesind die Strahlen Röntgen- oder planung, womit er rechnen Gammastrahlen. „Viele Patienten muss“, so Belka. „Häufige denken, eine Strahlentherapie beNebenwirkungen sind kommen nur Schwerstkranke, z.B. Müdigkeit und Abbei denen sonst nichts geschlagenheit sowie mehr hilft“, sagt Prof. individuelle BeschwerDr. Claus Belka. „Aber „Viele Patienten den im Behandlungsdas ist ein Irrtum, der werden gebiet.“ So muss man mit der Realität nichts bei einer Bestrahlung zu tun hat. Viele unserer vollständig des Kehlkopfes mit Patienten können vollgeheilt“ Schluckbeschwerden ständig geheilt werProf. Dr. Claus Belka rechnen, außerdem den.“ Strahlen kann mit einer Rötung und man zwar nicht sehen, Entzündung der Haut. aber ihr Effekt lässt sich „Je näher der Tumor an der Hautoberheute exakt messen. „Wir können fläche liegt, desto größer ist das Risigenau berechnen, welche Strahko, dass diese in Mitleidenschaft gezolendosis vom Tumor aufgenommen gen wird. Die meisten Veränderungen wird, so dass wir die Patienten nur mit klingen aber wieder ab.“ der für sie nötigen Dosis belasten.“ in großer Teil aller Krebspatienten erhält im Laufe der Behandlung eine Strahlentherapie. Bei einigen bösartigen Tumoren ist sie sogar die einzige Behandlungsform. Trotzdem hat diese Therapiemethode einen schlechten Ruf, viele Patienten fürchten sie mehr als ihre eigentliche Erkrankung. KLINIKUM aktuell sprach mit Prof. Dr. Claus Belka, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie über die Möglichkeiten und Risiken seines Faches. Der Linearbeschleuniger wird für die Therapie vorbereitet Späte Nebenwirkungen fallen viel geringer aus In Abhängigkeit vom Tumorstadium kann z.B. beim Kehlkopfkrebs durch die Behandlung mit Strahlen die Funktion der Stimme erhalten bleiben. Doch wie sieht es mit den Spätfolgen aus? „Vor 20 Jahren, als noch mit Kobald bestrahlt wurde, war das Risiko für Spätnebenwirkungen als Folge der Strahlentherapie in der Tat sehr hoch“, erklärt Belka. „Heute ist durch die neuen Geräte das Risiko für Spätfolgen deutlich geringer. Die vielfach geäußerte Befürchtung, durch die Strahlentherapie Tumoren auszulösen, ist unbegründet. Das Risiko dafür ist nur geringfügig höher als bei gesunden Menschen. An der Strahlentherapie stirbt man in der Regel nicht, weder während der Behandlung, noch als Spätfolge.“ Ein weiterer Vorteil der schonenden Behandlung ist, dass viele Patienten ganz oder teilweise ambulant behandelt werden können. „Ich habe Brustkrebspatientinnen, die nach der Bestrahlung gleich in die Arbeit fahren und ihr normales Pensum arbeiten. Andere sind danach müde und ruhen sich lieber aus, beides ist in Ordnung.“ KLINIKUM aktuell 1/09 17 DIAGNOSE & THERAPIE Wie lange dauert überhaupt ein Behandlungszyklus? „Eine Strahleneinheit dauert circa 15 Minuten“, berichtet Belka. „In verschiedenen Fällen geben wir zehn Behandlungen innerhalb von zwei bis drei Wochen. Bei einigen Tumorerkrankungen kann es aber auch deutlich länger dauern.“ Wichtig: Die Häufigkeit der Sitzungen steht nicht im Zusammenhang mit dem Schweregrad der Erkrankung. Deswegen Belkas Rat an alle Patienten: „Wenn Sie im Warteraum sitzen und Berichte anderer Kranker hören, vergleichen Sie sich nicht damit. Jede Krankengeschichte ist anders.“ Vitamin C und Vitamin E schmälern den Effekt Für alle Patienten gleich ist der Ratschlag, während der Behandlung einigermaßen vernünftig mit sich selbst umzugehen, das heißt eine gesunde Mischkost und genügend Ruhe helfen dem Körper bei der Bewältigung der Erkrankung, auf Nikotin und reichlich Alkohol sollte man verzichten. Besonders Nikotin schädigt die ohnehin belasteten Schleimhäute zusätzlich. Unterlassen sollte man auch die Einnahme von Vitamin C- und Vitamin EPräparaten. Diese klassischen Radikalenfänger schmälern nämlich die Wirkung der Strahlentherapie. Und wie sieht die Zukunft der Strahlentherapie aus? „Wir wissen heute, dass eine Veränderung in der Abfolge der Therapiebausteine Operation, Chemotherapie und Strahlen eine Verbesserung bringen kann, ohne dass man an den einzelnen Komponenten etwas ändert“, sagt Belka. „Wir arbeiten daran, für möglichst viele Tumoren die optimale Abfolge zu finden. Außerdem ist ein Thema die noch präzisere Definition des Zielvolumens eines Tumors, hier helfen neue integrative Bildgebungsverfahren.“ Ansprechpartner Prof. Dr. Claus Belka Tel. 089/70 95-45 21 E-Mail: [email protected] 18 KLINIKUM aktuell 1/09