Der metaethische Relativismus, Philosophie

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Geisteswissenschaft
Julia Pech
Der metaethische Relativismus
Was spricht für/gegen eine relativistische Position in der
Moral?
Essay
Julia Pech
Universität Stuttgart
Proseminar: „Einführung in die praktische Philosophie“
8.5.2011
SS11
Was spricht für/gegen eine relativistische Position in der Moral?
Seit jeher scheint es so, als könnten persönliche moralische Überzeugungen je nach
Betrachtungsweise sowohl wahr, als auch falsch sein. Dies zeigt sich allein schon darin,
dass Menschen verschiedene Vorstellungen von Gerechtigkeit vertreten können,
weshalb sonst sollte es überhaupt „Ungerechtigkeit“ in der Welt geben?
Diese Theorie der Diversität von Moralvorstellungen vertritt der Relativismus. Was zu
tun richtig ist, hängt demnach von der jeweiligen Kultur des Handelnden ab, das heißt
konfligierende moralische Aussagen können sprecherabhängig gleichzeitig wahr sein.
Da es keine absolute moralische Wahrheit, und somit auch keine allgemeingültigen
Werte gibt, ist es laut der Relativisten richtig, kontextabhängig zu handeln.
„Eine relative Wahrheit ist nur innerhalb eines Bezugsrahmens eine Wahrheit,
außerhalb dieses Bezugsrahmens eventuell nicht.“ 1
Nun gibt es jedoch drei verschiedene Unterarten des Relativismus, die sich in ihren
Merkmalen deutlich unterscheiden: den deskriptiven, normativen und metaethischen
Relativismus.
Ein normativer Realativist würde beispielsweise sagen: “Es ist gut, das zu tun, was
deine Kultur dir vorschreibt.“
Die normative Ethik im Allgemeinen ist also eine
wertende, handlungsweisende Ethik, die uns vorgibt, was zu tun richtig ist, während die
zweite Art des Relativismus, nämlich die deskriptive, tatsächlich befolgte
Handlungspräferenzen beschreibt. Ein deskriptiver moralischer Relativist würde zum
Beispiel das „argument from cultural diversity“ wiedergeben, welches besagt, dass es
über alle Kulturen hinweg keine einheitliche, objektive Moral gibt, sondern diese von
Kulturkreis zu Kulturkreis variiert.2 Zum Einen lässt sich der ethische Relativismus
jedoch nicht mit solch einer deskriptiven Beschreibung stützen, da das bloße „Sein“
kein Indiz dafür ist, dass es auch so sein soll,es also richtig ist, noch ist diese empirische
1 http://www.philolex.de/relativi.htm Zeile 12/13
2 vgl Benn, Piers: Ethics, UCL Press, 1998 S. 16
Feststellung eine philosophische Position, und kann somit lediglich philosophischen
Überlegungen dienen.
Die dritte Herangehensweise des Relativismus ist die metaethische, mit welcher sich
dieser Essay befassen wird. Der metaethische Relativismus stellt Thesen über
moralische Urteile auf. So würde ein Relativist dieser Art sagen: „ Es ist richtig, so zu
handeln“ bedeutet „gemessen am Maßstab meiner Kultur ist es richtig, so zu handeln.“
Allgemein klärt die Metaethik also begriffliche Zusammenhänge der Ethik.
Doch liegen die Relativisten mit ihrer Annahme wirklich richtig? Kann man es sich
derart leicht machen, zu sagen, eine alles umfassende Moral gibt es eigentlich gar nicht,
alles hängt vom jeweiligen Standpunkt ab? Ist es richtig zu behaupten, man solle seine
Entscheidungen über moralische Angelegenheiten von den Vorgaben beziehungsweise
den Vorstellungen des eigenen Kulturkreises abhängig machen?
Ein prägnantes Beispiel, welches die Tragweite und Richtigkeit des Relativismus
anschaulich illustrieren möchte, ist folgendes: Es gibt viele Menschen, die farbenblind
sind. Dies kann durch ganz verschiedene Tests nachgewiesen werden. Angenommen,
der Anteil Rot-Grün-Blinder würde in der Gesellschaft stark ansteigen und bald hätte
ein großer Bestandteil der Bevölkerung diese Schwäche, würden wir diese Menschen
als abnormal bezeichnen?
Vielleicht würden wir sagen, diese Menschen sehen die Dinge anders, vielleicht würden
wir sogar sagen, diese Menschen sehen die Dinge nicht gleich wie wir, wir würden
jedoch nie sagen, sie sehen die Dinge falsch. Wir haben kein Recht dazu, anderen zu
sagen, dass sie nicht „richtig“ sehen, nur weil sie rot und grün nicht so unterscheiden
können, wie die Mehrheit der Menschen. Es gibt hier kein richtig oder falsch, nur ein
anders, und Anderssein ist ja nun nichts Schlechtes.
Etwas als Grün wahrzunehmen oder als rot zu sehen, ist also nicht unbedingt
unvereinbar, beide Ansichten sind lediglich relativ zur Person, die sie wahrnimmt, nicht
absolut.
Selbst wenn eine Hälfte der Menschen Gras als rot sehe und die andere Hälfte der
Menschheit es vielmehr als blau bezeichne, würden wir zu dem Schluss kommen, dass
Menschen Dinge verschieden sehen und es keinen eindeutigen Weg gibt, etwas
„richtig“ zu sehen. 3
Doch kann man diese Einsicht tatsächlich auf den Relativismus anwenden? Man könnte
hier einwenden, dass man es sich damit zu leicht macht. Hierbei handelt es sich um
reine Spekulation und ein Vergleich zwischen Farben und gut beziehungsweise böse ist
schon sehr gewagt.
Ein Gegenbeispiel zu dieser Farbentheorie ist leicht zu finden: Nehmen wir an, eine
große Anzahl an Menschen leide plötzlich an einem Hirnschaden und beurteile die
Größen und Formen von Gegenständen in der Umgebung völlig unkonventionell. Sagen
wir, ein Apfel sei für diese Menschen plötzlich größer als ein Flugzeug, eine Maus
größer als ein Elefant und ein Ball plötzlich eckig. Es würde uns absurd erscheinen,
einfach zu sagen, diese Menschen sehen die Dinge nur anders, nicht falsch, da wir von
dem Defekt wüssten. 4
Beide Beispiele könnte man auf den Relativismus anwenden und man würde jeweils auf
ein anderes Ergebnis kommen. Der Farbenvergleich ist also kein gutes Argument für
den Relativismus.
Wie sieht es nun mit einem weiteren Aspekt aus? Wenn der Relativismus davon
ausgeht, dass jede moralische Entscheidung relativ zum jeweiligen Kulturkreis richtig
sein kann, bedeutet das logischerweise auch, dass wir Menschen andere nicht für
etwaige Werte, Normen und Moralvorstellungen verurteilen sollen. Alles in allem soll
man anderen Kulturen und Überzeugungen also tolerant gegenüberstehen.
Um überhaupt tolerant sein zu können, muss im Prinzip Relativismus herrschen, denn
nur so kann es verschiedene Einstellungen geben. Gäbe es eine einzige absolute
Wahrheit über die Moral, bräuchte man keine Toleranz, denn alle würden dasselbe für
richtig halten.5
Doch an diesem Punkt widerspricht sich der Relativist selbst. Es wird einerseits
behauptet, jeder solle anderen Kulturen und Wertvorstellungen gegenüber tolerant sein,
andererseits jedoch gebe es keinen universellen moralischen Wert, der für jeden gelte.
Würde man einen Relativisten fragen, für wen Toleranz verpflichtend sei und dieser
3 vgl Benn, Piers: Ethics, UCL Press, 1998 S. 13/14
4 vgl Benn, Piers: Ethics, UCL Press, 1998 S. 14
5 vgl Benn, Piers: Ethics, UCL Press, 1998 S. 19
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