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Wenn Hörgeräte nicht reichen
Manche Schwerhörigen können keine Hörgeräte tragen, zum Beispiel weil
ihre Gehörgänge chronisch entzündet sind oder weil der äußere Gehörgang
durch eine angeborene Fehlbildung verschlossen ist. Auch Folgeerscheinungen
vorausgegangener Mittelohroperationen oder Entzündungen können den Gebrauch konventioneller Hörgeräte unmöglich machen. Bei an Taubheit grenzender
Schwerhörigkeit sind selbst die Leistungen von sogenannten Hochleistungshörgeräten nicht ausreichend und bei angeborener oder später erworbener Gehörlosigkeit sind Hörgeräte nutzlos.
Für viele dieser speziellen Fälle gibt es heute andere Möglichkeiten der Hörverbesserung. Sie bedürfen jedoch einer Operation bei der verschiedene „technische
Hilfsmittel“ in den Kopf und in das Ohr eingesetzt werden (Implantate). Wir
unterscheiden:
•• die knochenverankerten Hörgeräte,
•• sogenannte aktive Mittelohrimplantate,
•• die Cochlea-Implantate (CI, Innenohrimplantate),
•• die Implantate für die kombinierte elektrisch akustische Stimulation (EAS)
und
•• die Hirnstammimplantate.
Knochenverankerte Hörgeräte
Seit mehr als 20 Jahren werden knochenverankerte Hörgeräte, sogenannte BAHA
(bone-anchored-hearing-aid) eingesetzt. Das System ist für Patienten mit angeborenem und operativ nicht zu behebendem Verschluss des Gehörgangs geeignet.
Es wird auch bei Patienten eingesetzt, die zum Beispiel als Folge von vielen
vorangegangenen Mittelohroperationen oder chronischen Entzündungen unter
chronischem Ohrfluss leiden und wegen des feuchten Gehörgangs kein konventionelles Hörgerät tragen können. Außerdem findet es Anwendung bei einseitiger
Ertaubung als Alternative zur CROS-Versorgung. Das BAHA wird auf der tauben
Seite eingesetzt und überträgt den Körperschall dann über den Knochen auf die
andere Seite. Das Hören im Störlärm und das Sprachverständnis wird wie beim
CROS-Gerät verbessert. Es gibt aber auch einseitig ertaubte Patienten, die wenig
Verbesserung mit dem BAHA empfinden. Um dies vor einer Operation zu prüfen,
simuliert man die spätere Situation zunächst nur und lässt den Patienten ein
BAHA-System mittels Stirnband einige Tage am Kopf tragen.
Bei der Operation wird dem Patienten zunächst eine Titanschraube in den
Schädelknochen eingesetzt. Es wird Titan verwendet, weil der Körper dieses
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Material gut verträgt. Nach Wochen der Einheilung wird auf die Schraube der
externe Teil des Systems aufgesetzt. Dieser besteht aus dem Mikrofon, der Batterie, dem Verstärker und dem Knochenleitungshörer. Das externe Gerät bringt
über die Titanschraube den Schädelknochen in Schwingungen, schüttelt über
Knochenleitung auch die Hörschnecke im Rhythmus des Schalls und lässt die
Hörsinneszellen ihre Signale an den Hörnerv abgeben.
Aktive Mittelohrimplantate
Im deutschsprachigen Raum werden bei den aktiven Mittelohrimplantaten seit
mehreren Jahren verschiedene Systeme eingesetzt. Bei den meisten erhältlichen
Geräten werden Teile des Systems operativ in das Mittelohr und in den Schädelknochen eingesetzt (implantiert), Mikrofon, Batterie und Klangprozessor werden
außen getragen. Diese Systeme heißen teilimplantierte aktive Mittelohrimplantate (Abb. 5-8). Im Gegensatz zu den konventionellen Hörgeräten wandelt
das aktive Mittelohrimplantat die verstärkten elektrischen Signale nicht in Luftschwingungen sondern in Vibrationen um, die auf die Gehörknöchelchen oder
Abb. 5-8 Von außen
sicht­barer Teil der Vibrant
Soundbridge® mit Magnet,
Klangprozessor und Akku
(Foto: MED-EL).
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Wenn Hörgeräte nicht reichen
das runde Fenster übertragen werden. Die dadurch entstehende Flüssigkeitsbewegung in der Hörschnecke bewirkt, dass die Hörsinneszellen angeregt werden.
Diese leiten die elektrischen Impulse an den Hörnerv weiter.
Es gilt als gesichert, dass mit den aktiven Mittelohrimplantaten eine bessere
Spracherkennung und Klangqualität als mit konventionellen Hörgeräten erreicht
werden kann. Schon wegen der hohen Kosten (pro Seite ca. 12 000 Euro) und
des erforderlichen Operationsaufwandes und Risikos kommen sie aber für einen
Patienten nur in Frage, wenn konventionelle Systeme versagen und auch durch
eine einfachere Operation am Mittelohr keine Verbesserung zu erwarten ist.
Im Folgenden wird das Prinzip an einem der am häufigsten in Europa eingesetzten Systeme erklärt.
Vibrant Soundbridge®
Das System war ursprünglich für Patienten mit reinen Innenohrschwerhörigkeiten vorgesehen. Inzwischen gilt es aber auch bei Patienten mit reiner Schallleitungsstörung oder kombinierter Hörstörung (Schallempfindungsstörung und
Schallleitungsstörung) als geeignet und effektiv. Der externe Teil der Vibrant
Soundbridge®, der einen Magneten enthält, sitzt hinter dem Ohr am Kopf des
Patienten (Abb. 5-8). Er wird durch einen zweiten Magneten fixiert, der zu dem
implantierten internen Systemanteil gehört (Abb. 5-9). Der Klangprozessor im
Abb. 5-9 Komponenten des Mittelohr-Implantatsystems Vibrant Soundbridge®
(Foto: MED-EL).
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äußeren Implantatteil wandelt die Schallwellen in elektrische Signale um, verstärkt sie und überträgt sie induktiv auf den inneren Implantatteil. Dieser innere
Empfänger leitet die elektrischen Signale zu einem elektrischen Wandler weiter,
der aus dem schwankenden Strom mechanische Vibrationen macht. Sie werden
mit dem sogenannten Schwinger auf eines der Gehörknöchelchen oder direkt auf
das runde Fenster der Hörschnecke übertragen (Abb. 5-10).
Es gibt auch vollimplantierbare Systeme, die allerdings in Deutschland bisher
nur in Einzelfällen Anwendung finden. Ein Grund für das Einsetzen eines vollimplantierbaren Systems kann sein, dass der Schwerhörige in einer sehr feuchten
oder staubigen Umgebung arbeitet. Hier könnte ein teilimplantierbares System
beschädigt werden. Ein Vollimplantat ist von außen nicht sichtbar, hat aber auch
den Nachteil, nicht ohne Weiteres erreichbar zu sein. Da die Stromversorgung
über einen Akku im Implantat unter der Haut erfolgt, muss dieser über eine spezielle Ladeeinrichtung täglich ein bis zwei Stunden induktiv aufgeladen werden.
Wenn der Akku nach maximal 9 bis 12 Jahren ausgetauscht werden muss, muss
der Patient für den Zugang zum Implantat wieder unters Messer.
Spule
Implantat
Gehörknöchelchen
Hörnerv
Audioprozessor
Hörschnecke
Trommelfell
Schwinger
Abb. 5-10 Sitz des Vibrant–Soundbridge®-Systems (teilimplantiertes aktives MittelohrImplantat) nach Implantation.
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Wenn Hörgeräte nicht reichen
Cochlea-Implantat (Innenohrimplantat)
Das Cochlea-Implantat, abgekürzt CI, gilt als bahnbrechende technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte für die apparative Hörverbesserung von Gehörlosen
und hochgradig Schwerhörigen. Mit der Entwicklung des CI wurde eine neue
Tür aufgestoßen, denn es ersetzt die nicht funktionierenden Hörsinneszellen.
Das elektrische Signal geht direkt zum Hörnerv! Damit können hochgradige
Innenohrschwerhörigkeiten und Taubheit operativ behandelt werden. Ertaubte
können wieder hören, taub geborene Kinder können sprechen lernen. Von allen
implantierbaren Systemen ist deshalb das CI das Wichtigste und am häufigsten
angewendete.
Das Prinzip des Cochlea-Implantats ist, dass Schall in elektrische Impulse
umgewandelt wird und diese an verschiedenen Stellen der Hörschnecke die Hörnervenfasern anregen. Der so entstehende Höreindruck ist zwar anders als der
des Normalhörenden, erlaubt aber, verschiedene akustische Muster bestimmten
Handlungen und Geschehnissen zuzuordnen. Auch Sprache hat einen anderen
Klang. Im Vergleich zur Cochlea mit ihren vielen tausend Sinneszellen hat das
CI nur eine geringe Frequenzauflösung, die nur einen kleinen Bereich des natürlichen Hörspektrums wiedergeben kann.
Nicht alle Gehörlosen können mit Hilfe eines Cochlea-Implantats hören. Voraussetzung dafür ist, dass der Hörnerv funktioniert und die Hörschnecke nicht
verknöchert ist. Dies wird in verschiedenen Voruntersuchungen überprüft.
Das Risiko bei einer Cochlea-Implantation ist dank der modernen mikrochirurgischen Operationstechniken relativ gering. Doch Gleichgewichtsorgan und
Hörorgan liegen räumlich nahe beieinander, und auch der Gesichtsnerv (Facialis)
und der Geschmacksnerv liegen in der Nähe des Operationsbereiches und können, wenn auch nur in seltenen Fällen, beschädigt werden.
Da das Cochlea-Implantat immer noch die innovativste Entwicklung im Bereich der hörverbessernden Operationen von hochgradig Schwerhörigen und Gehörslosen darstellt, verdient es, dass wir uns mit den technischen und praktischen
Details einer Cochlea-Implantation näher befassen (s. auch Abb. 5-11 und 5-12).
Bei der Operation wird ein Teil des Implantats in die Hörschnecke, die
Cochlea, eingesetzt – daher der Name Cochlea-Implantat. Der außen getragene
Teil, der sogenannte Audioprozessor, nimmt den Schall auf und wandelt ihn
in elektrische Impulse um. Er verarbeitet sie weiter, regelt die Lautstärke und
sendet sie an eine flache, auf der Haut hinter dem Ohr sitzende Spule. Mittels
Induktion werden die elektrischen Impulse durch die Haut auf den Empfänger
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