Hören mit High-Tech HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover Hörzentrum Hannover Direktor: Prof. Dr. Th. Lenarz Mitarbeiter im Ideenpark: Prof. Dr. med. A. Lesinski-Schiedat, Dr. A. Büchner, S. Rose, P. Erfurt, Dr. Kinkel (KIND), T. Topp (COCHLEAR), H. Mojallal, Dr. J. Neuburger, Dr. S. Stolle, Dr. L. Haurisa, G. Joseph, Dr. M. Shikhaliyev, L. Gärtner, U. Rost, Dr. O. von Böhn, S. Rühl, A. Strauß-Schier, Dr. N. Ahmadi, Dr. M. Teschner, B. Krüger, R. Salcher, 1 Wie funktioniert Hören? Unser Ohr ist ein biologisches Mikrophon, das Schallwellen aufnimmt und daraus elektrische Nervenimpulse macht (Abb. 1). Wesentliches Element sind dabei die superempfindlichen Hörsinneszellen, so genannte Haarzellen (Abb. 2). Die empfindlichen Sinneshärchen werden durch Schallwellen bewegt. Bei Schwerhörigkeit kommt es zu einer Schädigung der Sinneshärchen, so dass der Schall nicht mehr richtig aufgenommen werden kann. Bei Taubheit sind die Sinneszellen total zerstört. Andere Formen der Schwerhörigkeit sind durch Löcher im Trommelfell oder Schädigung der Gehörknöchelchen bedingt (so genannte Schallleitungsschwerhörigkeit). Selten ist die neurale und zentrale Schwerhörigkeit durch Schädigung des Hörnerven (Kabel zum Gehirn) oder des Hörgehirns. Abb. 1: Ohraufbau Abb. 2: Elektronenoptische Aufnahme der Haarzellen 1. Ursachen von Schwerhörigkeit: • • • • • • • Häufigkeit der Schwerhörigkeit in Deutschland Schwerhörigkeit im Alter Lärm Chronische Entzündungen und Infektionen Durchblutungsstörungen Genetische Ursachen Unfälle Gehörschädigende Medikamente Sinneszellschwerhörigkeit Schallleitungsschwerhörigkeit Angeborene Schwerhörigkeit Taubheit Ca. 10 Mio. Ca. 2 Mio. Ca. 1,1-2 / 1000 Neugeborene Ca. 500.000 2. Diagnostik: Audiometrie Mithilfe von Audiometern kann das Gehör vermessen werden. Verschiedene Töne von tief nach hoch werden über Kopfhörer oder Lautsprecher angeboten und die benötigte Lautstärke für die Hörschwelle in ein Diagramm eingetragen (so genanntes Tonaudiogramm, Abb. 3). Sprachverstehen wird durch Sprachsignale getestet. Wo der Hörschaden sitzt, lässt sich durch Ableitung elektrischer Hörpotenziale aus dem Ohr und von der Schädeloberfläche bestimmen. Bei Neugeborenen kann das Hören mithilfe von so genannten otoakustischen Emissionen bereits am ersten Lebenstag gemessen werden. Es handelt sich um 2 Schallaussendungen, die von den intakten Hörsinneszellen im Innenohr gemacht werden und die mithilfe empfindlicher Messmikrophone registriert werden (Abb. 4). Testen Sie Ihr Gehör auf unserem Stand und erleben Sie, wie ein Schwerhöriger hört. Abb. 3: Tonaudiogramm Abb. 5: Theorie der Entstehung der Otoakustischen Emissionen Abb. 4: Neugeborenen-Hörscreening 3 Hilfe bei Schwerhörigkeit durch High-Tech Nur bei akuter Schwerhörigkeit ist eine medikamentöse Behandlung Erfolg versprechend, um die vorübergehende Störung der Funktion der Hörsinneszellen zu beheben (Hörsturz). Bei Schallleitungsschwerhörigkeit können durch Mikrochirurgie des Ohres Löcher im Trommelfell geschlossen und defekte Gehörknöchelchen ersetzt werden (Abb. 6). Moderne Forschung ist in der Lage, Gehörknöchelchen so zu rekonstruieren, wie sie der menschliche Körper vorgegeben hat. Diese biomimetische Synthese erlaubt den Aufbau knochenähnlicher Substanzen (Abb. 7). Abb. 7: oben: natürliche Gehörknöchelchen unten: synthetische Gehörknöchelchen Abb. 6: Mikrochirurgie des Ohres (hier sog. Stapesprothese), die eine defektes Gehörknöchelchen ersetzt Bei der häufigsten Form der Schwerhörigkeit, der Sinneszellschwerhörigkeit, ist z. Z. ein Ersatz der Hörsinneszellen noch nicht möglich. Leider wachsen diese Zellen nach Zerstörung nicht automatisch nach. Z. Z. wird versucht, diese Regeneration wieder zu erreichen, indem Stammzellen genetisch umprogrammiert werden. Bis dies klinisch einsetzbar ist, kommen Hörsysteme zum Einsatz. Darunter versteht man Hörgeräte und elektronische Implantate. 4 3. Hörgeräte Hörgeräte verstärken und modifizieren den Schall, so dass der Schwerhörige besser Sprache verstehen kann. Dadurch wird die Hörschwelle wieder künstlich verbessert, so dass auch leise Töne wieder gehört werden können. Abb. 8: Verschiedene moderne Hörsysteme, die in sehr geringer Größe eine sehr differenzierte Verstärkung bieten. Einige Hörsysteme können durch eine minimal-invasive Implantation hinter dem Ohr versteckt werden, ohne den Gehörgang zu verschließen (mit freundlicher Genehmigung der Firmen KIND und AURIC) Bei manchen Patienten bieten diese Hörgeräte keine ausreichende Hörleistung, so dass implantierbare Hörgeräte zum Einsatz kommen. Diese haben kleine Elektromotoren, die die Gehörknöchelchenkette direkt antreiben (Abb. 9). Dadurch kann die Hörleistung deutlich gesteigert werden. Abb. 9: Mittelohrimplantat (Vibrant Soundbridge) mit FMT („Elektromotor“) an den Gehörknöchelchen (mit freundlicher Genehmigung der Firma Vibrant MedEl) 5 Cochlea-Implantate und Hirnstammimplantate Sind die Hörsinneszellen komplett oder weitgehend zerstört, kann ein Hörgerät nicht mehr helfen, da keine Sinneszellen mehr vorhanden sind, die den Schall aufnehmen können. Hier ist die Wiederherstellung des Hörens durch eine elektronische Reizprothese möglich, das so genannte Cochlea-Implantat. Bei der Sinneszelltaubheit bleibt der Hörnerv noch erhalten. Dieser kann elektrisch gereizt werden und vermittelt darüber Höreindrücke. Abb. 11: Schema der Cochlea-Implantat-Elektrode in der Schnecke mit dem elektrischen Impuls, der abgegeben wird (mit freundlicher Genehmigung der Firma Cochlear) Abb. 10: Gesamtsystem eines Cochlea-Implantates (mit freundlicher Genehmigung der Firma Cochlear) Die elektronischen Reizprothesen haben einen äußeren Teil zur Aufnahme des Schalls und zur Energieversorgung. Die in elektrische Impulse umgewandelten Signale werden durch die Haut auf den einoperierten Empfänger übertragen, der diese Impulse dann auf die einzelnen Elektroden in der Hörschnecke übermittelt. Dadurch können verschiedene Tonhöhen wahrgenommen und Sprache verstanden werden. Nicht nur ertaubte erwachsene Patienten, die früher schon einmal gehört haben, können davon profitieren. Auch Kinder, die von Geburt an taub sind, können damit Sprache erlernen und Hören für ihre Kommunikation benutzen. An der Medizinischen Hochschule Hannover sind bisher mehr als 3.000 Patienten, Erwachsene und Kinder, mit einem solchen Implantat versorgt worden. Weltweit sind damit die Klinik und das Hörzentrum führend. Dies betrifft auch die Weiterentwicklung der Systeme mit verbessertem Leistungsvermögen bis hin zu einem praktisch normalen Sprachverstehen. Ist der Hörnerv zerstört, ist ein Cochlea-Implantat nicht möglich. Dann muss die Reizelektrode direkt an den Hirnstamm angebracht werden, wo der Hörnerv endet. Auch darüber ist die Vermittlung des Hörens mithilfe des so genannten Auditorischen Hirnstammimplantates möglich. Neuentwicklungen benutzen auch Elektroden, die in das Hörgehirn im Bereich des Mittelhirns eingestochen werden (Abb. 12). 6 Abb. 12: Es sind alle Möglichkeiten der Elektrodenimplantation schematisch dargestellt. 4. Ausblick Die stetige Verbesserung der verschiedenen Hörsysteme, nämlich Hörgeräte und Hörimplantate, hat dazu geführt, dass den meisten Patienten mit Schwerhörigkeit heute wirksam geholfen werden kann. Entscheidend ist die frühzeitige Diagnose, insbesondere bei kleinen Kindern bereits in den ersten Lebenstagen, um die wirksame Therapie möglichst frühzeitig beginnen zu können. Dadurch können die Kinder normale Sprache erlernen und eine normale Schule besuchen. Bei Erwachsenen steht die Vermeidung der Isolation durch nicht ausreichendes Hören im Vordergrund. Immer mehr Menschen sind heute in Kommunikationsberufen tätig und deswegen auf ein gutes Hörvermögen angewiesen. Nur durch konsequente Aufklärung über die möglichen Ursachen von Hörschäden, insbesondere Lärm, durch die frühzeitige Diagnostik und die adäquate Behandlung lassen sich diese schwerwiegenden Folgen, die u. a. im Verlust der Berufsfähigkeit und der sozialen Integration gipfeln können, vermeiden. Medizinische Hochschule Hannover Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Tel.: 0511/532-6565 Fax: 0511/532-5558 E-Mail: [email protected] www.mhh-hno.de Hörzentrum Hannover Karl-Wiechert-Allee 3 30625 Hannover Tel.: 0511/532-6603 Fax: 0511/532-6833 E-Mail: [email protected] www.hoerzentrum-hannover.de 7