Prof. Dr. G. Wagner Kapitel 3 Ingenieurmathematik Begleittext Seite 1 Lineare Gleichungssysteme 3.1. Einleitung Beispiel 1: 3 Kinder haben eingekauft. Franz hat 4 Lakritzen, 2 Schokoriegel und 5 Kaugummis für 3,30 €. Petra hat 3 Lakritzen, 6 Schokoriegel und 10 Kaugummis für 6,70 €. Hugo hat 1 Lakritzen, 5 Schokoriegel und 2 Kaugummis für 4,50 €. Frage: Wie viel kostet je eine Lakritze, ein Schokoriegel bzw. ein Kaugummi? Das Problem muss nun mathematisch formuliert werden. Hierfür führen wir für die unbekannten Preise die Variable xi ein und formulieren damit aus den Aussagen Gleichungen. Es sei x1 der Preis für eine Lakritze, x2 der Preis für einen Schokoriegel und x3 der Preis für einen Kaugummi. Die drei Aussagen ergeben somit die drei Gleichungen: 4x1 + 3x1 + 1x1 + 2x2 + 6x2 + 5x2 + 5x3 10x3 2x3 = 3,30 = 6,70 = 4,50 (1) (2) (3) Diese drei Gleichungen fassen wir als Gleichungssystem auf. Jede der Gleichungen ist linear. d.h.: Die Unbekannten xi treten nur in der 1. Potenz auf und es gibt keine Produkte der Art xi·xj. Es liegt ein lineares Gleichungssystem vor. Als Lösung des Gleichungssystems werden die Wertepaare für x1, x2, x3 bezeichnet, für die alle Gleichungen erfüllt sind. Wir werden dieses Gleichungssystem gleich lösen. Zunächst noch eine Festlegung: Definition: Der folgende Satz von m Gleichungen mit n Unbekannten heißt lineares Gleichungssystem vom Typ (m,n): a11x1 + a21x1 + · · am1x1 + a12x2 + a22x2 + ··· + a1nxn ··· + a2nxn = c1 = c2 · · am2x2 + ··· + amnxn = cm Die Zahlen aik heißen Koeffizienten, die Ausdrücke ci bilden die sogenannte Rechte Seite des LGS. Sind alle ci = 0, so heißt das LGS homogen, sonst inhomogen. zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 2 3.2 Gaußsches Eliminationsverfahren Das Gauß-Verfahren ist das Standardverfahren zur Lösung von LGS’n. Die Lösung des LGS ändert sich nicht, wenn man jede einzelne Gleichung für sich mit einem konstanten Faktor (außer der Null) multipliziert. Dies liegt daran, dass sich der Wahrheitsgehalt der einzelnen Gleichungen durch diese Operation nicht ändert. Die Lösung des LGS wird durch äquivalente Termumformungen nicht verändert. Das gleiche gilt, wenn zu einer Gleichung des LGS eine andere Gleichung des LGS oder ein Vielfaches einer Gleichung hinzuaddiert wird. Diese Aussage wird verständlich, wenn man bedenkt, dass eine Gleichung wahr bleibt, solange auf beiden Seiten der Gleichung das gleiche addiert wird. Dies ist bei der beschriebenen Rechenoperation der Fall. Zur Auffindung der Lösung des LGS ist daher auch diese Rechenoperation zulässig. Ziel dieser Rechenoperationen ist es, so viele Unbekannte zu eliminieren, bis in einer der Gleichungen nur noch eine Unbekannte steht. Nach dieser Unbekannten kann dann aufgelöst werden. Ihr Wert kann nun in die nächste Gleichung eingesetzt werden usw. Im Idealfall erhält man so alle Unbekannten. Für das Verfahren ist es vorteilhaft, die Summanden in jeder Gleichung nach ansteigenden Indizes der Unbekannten zu ordnen. Man verwendet beim Rechnen meist die verkürzte Schreibweise, in der nur noch die Koeffizienten notiert werden. Kurzbeschreibung: Erlaubte Rechenschritte: 1. Gleichungen mit konstantem Faktor multiplizieren 2. Das Vielfache einer Gleichung zu einer anderen Gleichung addieren Ziel: Nullen erzeugen Verkürzte Schreibweise: statt 3x1 + 7x2 - 9x3 = 22 schreibt man: 3 7 - 9 : 22 Weiter mit Beispielen … : : : zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 3 3.3 Lösungsverhalten Wir fanden Genau eine für inhomogene LGS ergeben sich unendlich viele keine und für homogene LGS ergeben sich Lösungen unendlich viele Lösung nur die triviale Triviale Lösung nennt man die Lösung, in der sämtliche Koeffizienten Null sind. Sie existiert für homogene LGS immer. Ich werde im Folgenden mit den Begriffen der Vektorrechnung argumentieren. Die Koeffizienten-Zeilen können als Vektoren aufgefasst werden. Das Umformen der Gleichungen durch die 2. Rechenoperation entspricht dann dem Bilden von Linearkombinationen der Vektoren. Zu Beispiel 2: Die Linearkombination der Vektoren erzeugte einen Nullvektor. (Durch die Umformungen entsteht eine Koeffizientenzeile mit Nullen). d.h. nur zwei Koeffizientenzeilen sind linear unabhängig. Zu Beispiel 1: Hier sind alle drei Koeffizientenzeilen linear unabhängig. (Es gelingt nicht eine Koeffizientenzeile mit Nullen zu erzeugen.) Sind sämtliche Koeffizientenzeilen linear unabhängig so gibt es genau eine Lösung. (Bsp. 1) Dies gilt für jede rechte Seite, die nicht überall Null ist. Ist die Rechte Seite überall Null (homogenes LGS) so gibt es nur die triviale Lösung. (Bsp. 4) Die Lösbarkeit des LGS hängt neben der Frage ob es linear abhängige Koeffizientenzeilen gibt, von der Rechten Seite des LGS ab. Sind nicht alle Koeffizientenzeilen linear unabhängig, (d.h. mindestens eine Zeile lässt sich „nullen“, d.h. sie lässt sich als Linearkombination der übrigen Zeilen darstellen,) und „passt“ die rechte Seite, so gibt es unendlich viele Lösungen. (Bsp 2) „Passt“ sie nicht, so gibt es einen Widerspruch und das LGS besitzt keine Lösung. (Bsp. 3) Ist die Rechte Seite überall Null (homogenes LGS) so gibt es ebenfalls unendlich viele Lösungen. (Bsp. 5) Auf der nächsten Seite sind diese Aussagen in einer Grafik zusammengefasst. zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 4 Lösungsverhalten Linearer Gleichungssysteme Lineares Gleichungssystem mit n Unbekannten und r linear unabhängigen Koeffizientenzeilen (Die Anzahl der Gleichungen spielt keine Rolle) System widerspruchsfrei System mit Widerspruch (nur bei inhomogenen LGS möglich) Keine Lösung (Bsp. 3) r=n genau eine Lösung r<n unendlich viele Lösungen mit n-r Parametern (gilt für homogene und inhomogene LGS) (Bsp. 2 und 5) LGS homogen nur die triviale Lösung (Bsp. 4) LGS inhomogen genau eine nichttriviale Lösung (Bsp. 1) zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik 4. Matrizen und Determinanten 4.1 Matrizen Begleittext Seite 5 Definition: Unter einer Matrix oder Matrize versteht man ein Zahlenschema aus m mal n Zahlen. Schreibweise: a11 a12 .... a1k .... a1n a 21 a 22 .... a 2 k .... a 2 n : : .... : .... : A= i − te Zeile ai1 ai 2 .... aik .... ain ← : : .... : .... : a m1 a m 2 .... a mk .... a mn ↑ k-te Spalte Die reellen Zahlen aik mit i = 1, 2,.....,m , k = 1, 2, .....,n heißen Elemente der Matrix A. Ist m = n , so heißt A eine n-reihige quadratische Matrix. Die Elemente ai1, ai2, ....,ain bilden die i-te Zeile, die Elemente a1k, a2k,.....,amk bilden die k-te Spalte. Anmerkung: 1) i heißt Zeilenindex, k heißt Spaltenindex des Elementes aik. 2) Eine (m, n)-Matrix heißt auch Matrix vom Typ (m, n). Schreibweise: A = A(m, n) = (aik)(m, n) 3) Matrizen vom gleichen Typ heißen gleichartig. 4) Eine Matrix vom Typ (1, n) heißt Zeilenmatrix oder Zeilenvektor. Eine Matrix vom Typ (m, 1) heißt Spaltenmatrix oder Spaltenvektor. 5) Für quadratische Matrizen: Die Elemente a11, a22, a33,......ann bilden die Hauptdiagonale. Die Elemente an1, a(n-1)2, a(n-2)3,.......,a1n bilden die Nebendiagonale. 6) (aik) ist eine Matrix, aik ist eine reelle Zahl! Definition: Gleichheit A = (aik) und B = (bik) seien gleichartige Matrizen. A und B heißen gleich, wenn aik = bik für alle i, k gilt. Schreibweise: A = B. zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 6 Definition: Transponierte Matrix A = (aik) sei eine (m , n) Matrix. Unter der Transponierten Matrix von A versteht man die (n, m) Matrix, B = (bik) mit bik = aki für alle i, k. Schreibweise: B = AT. Anmerkung: 1) Zeilen und Spalten werden vertauscht. Ist A quadratisch, so erhält man AT durch Spiegelung an der Hauptdiagonalen. 2) Für jede Matrix gilt: (AT)T = A. : : : Definitionen: A = (aik) sei eine n-reihige, quadratische Matrix. A heißt: a) symmetrisch, wenn aik = aki für alle i, k ist. b) schiefsymmetrisch, oder antisymmetrisch, wenn aik = -aki für alle i, k ist. c) obere (untere) Dreiecksmatrix, wenn aik = 0 für alle i > k (i < k) ist. d) Diagonalmatrix, wenn aik = 0 für all i ≠ k ist. Anmerkung: 1) Ist A symmetrisch, so gilt A = AT. 2) Ist A schiefsymmetrisch, so muss wegen aii = -aii aii = 0 für alle i gelten. d.h. die Hauptdiagonale ist Null. : : : zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 7 Definition: Addition A = (aik) und B = (bik) seien gleichartige Matrizen. Unter der Summe von A und B versteht man die (m, n) Matrix S = (sik) mit: sik = aik + bik für alle i, k. Schreibweise: S = A + B. Rechengesetze: Sie unterscheiden sich nicht von den Gesetzen der Addition mit reellen Zahlen. 1) Die Lösung ist eindeutig und eine Matrix gleichen Typs. 2) A + B = B + A Kommutativgesetz 3) (A + B) + C = A + (B + C) Assoziativgesetz 4) Es existiert genau eine Matrix N, so dass A + N = A für alle A gilt. 5) Zu jeder Matrix A existiert genau eine Matrix D mit A + D = N. Schreibweise: D = -A. Existenz und Eindeutigkeit des Neutralen Elementes. Existenz und Eindeutigkeit des Inversen Elementes Anmerkung: 1) N ist die Nullmatrix. Sämtlichen Elemente von N sind Null. 2) Differenz: B + (- A) = B - A Definition: Produkt mit einer reellen Zahl A = (aik) sei eine (m, n)-Matrix und λ ∈ R. Dann ist das Produkt λ·A die (m, n)-Matrix C = (cik) mit cik = λ·aik für alle i, k. Schreibweise: λ·A = λA = Aλ. Anmerkung: Jedes Element wird mit λ multipliziert. (-1)·A = -A : : : zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 8 Rechengesetze: Es gelten die bekannten Grundgesetze der Multiplikation mit einer reellen Zahl. Daraus folgen die weiteren Gesetze: A und B seien gleichartige Matrizen und λ, µ ∈ R. Dann gilt: 1) λ(µA) = (λµ)A Assoziativgesetz 2) (λ + µ)A = λA + µA Distributivgesetz 3) λ(A + B) = λA + λB Distributivgesetz Definition: Produkt von Matrizen A = (aik) sei eine (m, l)-Matrix und B = (bjk) eine (l, n)-Matrix. Unter dem Produkt der Matrizen A und B versteht man die (m, n)-Matrix P = ( p ik ) mit l p ik = ∑ a ij b jk j =1 i = 1,2,...m für j = 1,2,...n Schreibweise: P = A·B = AB. Anmerkungen: 1) Das Produkt AB ist nur dann definiert, wenn die Anzahl der Spalten von A gleich der Anzahl der Zeilen von B ist. 2) Ist A vom Typ (m, n) und B vom Typ (n, m), so existiert AB und BA Aber: AB ≠ BA weil AB vom Typ (m, m) und BA vom Typ (n, n) ist. 3) pik = ai1b1k + ai2b2k + .......+ ailblk für alle i = 1, 2...,m und k = 1, 2,....,n bedeutet: Multipliziere die Elemente der i-ten Zeile von A mit der k-ten Spalte von B paarweise und summiere die Produkte. : : : zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00 Prof. Dr. G. Wagner Ingenieurmathematik Begleittext Seite 9 Lösungsverhalten Linearer Gleichungssysteme A⋅ x = c (Mit n Unbekannten) Rg ( A) = Rg ( A c) = r Rg ( A) ≠ Rg ( A c) Keine Lösung r=n genau eine Lösung c =0 nur die triviale Lösung r<n unendlich viele Lösungen mit n-r Parametern (gilt für homogene und inhomogene LGS) c≠0 genau eine nichttriviale Lösung zuletzt geändert 04.04.2016 10:32:00