Vorlesung 6
Lineare Gleichungssysteme
Gegeben sei eine lineare Gleichung uΜber β
5π₯ + 2 = 0.
Diese Gleichung ist eine Beschreibung des Elements π₯ = − 25 , denn genau dieses
erfuΜllt die Gleichung.
Oο¬enbar ist eine lineare Gleichung in einer Variablen π₯
ππ₯ + π = π, π β= 0
immer loΜsbar mit
π₯=
6.1
π−π
.
π
Gaußsches Eliminationsverfahren
In der Folge betrachten wir lineare Gleichungssysteme mit π Gleichungen und
π Variablen:
π11 π₯1 + π12 π₯2 + ... + π1π π₯π = π1
π12 π₯1 + π22 π₯2 + ... + π2π π₯π = π2
..
..
.
.
ππ1 π₯1 + ππ2 π₯2 + . . . + πππ π₯π = ππ
Hierbei sind die Koeο¬zienten durch πππ mit π = 1, 2, ..., π; π = 1, 2, ..., π, sowie
ππ mit π = 1, 2, ..., π gegeben.
Jedes π-Tupel π₯ = (π₯1 , ..., π₯π ), welches dem linearen Gleichungssystem genuΜgt,
heißt LoΜsung des LGS. Zur Bestimmung von π₯ benutzen wir das Gaußsche
Eliminationsverfahren.
Dabei fuΜhren wir wiederholt elementare Zeilenumformungen durch, die das Gleichungssystem in die sogenannte Zeilenstufenform uΜberfuΜhren (ErklaΜrung dazu
spaΜter). Die elementaren Umformungen veraΜndern die LoΜsungemenge nicht. In
34
der Zeilenstufenform laΜsst sich eine moΜgliche LoΜsung schnell ablesen.
Elementare Zeilenoperationen sind:
β das Addieren von Vielfachen einer Zeile zu einer Zeile
β Vertauschen von zwei Zeilen
Wir illustrieren das Gaußsche Eliminationsverfahren an einem Beispiel:
Vorgelegt sei das folgende LGS mit zwei Variablen π₯, π¦ ∈ β und zwei Gleichungen (D.h. π = π = 2):
(I)
(II)
3π₯ + 4π¦ = 12
9π₯ + 2π¦ = −14.
Wir ersetzen die (II). Zeile durch 3(I)−(II) und erhalten als neues LGS
(I)
(II)
3π₯ + 4π¦ = 12
0π₯ + 10π¦ = 50.
Damit haben wir bereits die sogenannte Zeilenstufenform erreicht. Ein LGS ist
in Zeilenstufenform, wenn jede Zeile mindestens eine Variable weniger hat als
die vorangegangene Zeile. Aus Zeile (II) lesen wir ab:
10π¦ = 50 ⇒ π¦ = 5.
Einsetzen von π¦ = 5 in (I) liefert:
8
3π₯ + 4 ⋅ 5 = 12 ⇒ 3π₯ = −8 ⇒ π₯ = − .
3
Damit ist π₯ = − 38 und π¦ = 5 LoΜsung des LGS.
Um den Schreibaufwand gering zu halten, ordnen wir die Koeο¬zienten in der
Form
(
)
3 4
.
9 2
Dies ist die Koeο¬zientenmatrix des LGS. Die erweiterte Koeο¬zientenmatrix
enthaΜlt daruΜber hinaus in der letzten Spalte die Werte der rechten Seite der
Gleichungen
(
)
3 4 12
9 2 −14
Die durchgefuΜhrten elementaren Zeilenoperationen werden dokumentiert:
)
)
(
(
(II)→ 51 (II)
3 4 12
3 4 12
(II)→3(I)−(II)
.
β
β
0 10 50
0 1 5
35
ZuruΜck zu einem beliebigen LGS mit π Gleichungen und π Variablen:
π11 π₯1 + π12 π₯2 + . . . + π1π π₯π = π1
π12 π₯1 + π22 π₯2 + . . . + π2π π₯π = π2
..
.
(6.1)
ππ1 π₯1 + ππ2 π₯2 + . . . + πππ π₯π = ππ
Die Koeο¬zienten πππ mit π = 1, 2, ..., π und π
in der Form
β
π11 π12 . . .
β
β π21 π22 . . .
β
β .
β ..
β
ππ1 ππ2 . . .
= 1, 2, ..., π ordnen wir zweckmaΜßig
β
π1π
β
π2π β
β
.
.. β
. β
β
πππ
Ein solches Schema bezeichnen wir als Matrix. Genauer: (π × π)-Matrix bestehend aus π Zeilen und π Spalten. Wir betrachten die Spalten dieser Matrix
β
β
β
β
β
β
π11
π12
π1π
β
β
β
β
β
β
β π21 β
β π22 β
β π2π β
β
β
β
β
β
β
π£1 = β . β , π£2 = β . β , . . . , π£π = β . β .
β .. β
β .. β
β .. β
β
β
β
β
β
β
ππ1
ππ2
πππ
Diese Spalten koΜnnen wir als (π × 1)-Matrizen auο¬assen, kurz auch π-Tupel
von Zahlen genannt. Die Addition von π-Tupeln kann auf nahliegende Weise
deο¬niert werden:
β
β
β β β β
π 1 + π1
π1
π1
β
β
β . β β . β
..
β,
β . β + β . β := β
.
β
β
β . β β . β
π π + ππ
ππ
ππ
ebenso die Multiplikation eines π-Tupels mit einer reellen Zahl π ∈ β:
β β β
β
π1
π ⋅ π1
β . β β . β
. β β . β
π⋅β
β . β = β . β .
ππ
π ⋅ ππ
β
β
π1
β . β
. β
FuΜr das π-Tupel β
β . β schreiben wir kurz π. Das LGS (6.1) laΜsst sich kurz
ππ
schreiben als
π₯1 π£1 + π₯2 π£2 + ... + π₯π π£π = π.
36
(6.2)
PraΜgnante Redeweise: Wir nennen ein π-Tupel
β β
π₯1
β . β
. β
π₯=β
β . β
π₯π
fuΜr welches (6.1) oder (6.2) gilt, eine LoΜsung des LGS.
6.2
Matrizenmultiplikation
Das LGS laΜsst sich noch kuΜrzer schreiben. Dazu bedarf es der EinfuΜhrung der
Matrizenmultiplikation. Sei π΄ eine (π × π)-Matrix, π΅ eine (π × π)-Matrix:
π΄ = (πππ )1≤π≤π,1≤π≤π , π΅ = (πππ )1≤π≤π,1≤π≤π
Die Anzahl der Spalten von π΄ entspricht der Anzahl der Zeilen von π΅. Es
bezeichne ππ×π = (ππ×π , β) die Menge der (π × π)-Matrizen mit reellen
EintraΜgen.
Deο¬nition 6.2.1 (Matrizenmultiplikation). Wir deο¬nieren eine VerknuΜpfung
⋅ : ππ×π × ππ×π → ππ×π
(π΄, π΅) 7→ πΆ = π΄ ⋅ π΅
durch
πππ :=
π
∑
π=1
πππ ⋅ πππ .
Wir erhalten also πππ durch komponentenweise Multiplikation der π-ten Zeile von
π΄ mit der π-ten Spalte von π΅.
Beispiel:
β
7
β
β2
π΄=β
β6
β
9
β
3
(
β
5β
β, π΅ = 7 4
8β
8 1
β
0
)
9
5
π΄ ist eine (4 × 2)-Matrix und π΅ eine (2 × 3)-Matrix. Das Produkt von π΄ und π΅
ist eine (4 × 3)-Matrix πΆ. In diesem Beispiel ist die Multiplikation von π΅ und π΄
nicht deο¬niert, denn die Spaltenanzahl von π΅ stimmt nicht mit der Zeilenanzahl
37
von π΄ uΜberein.
β
7
β
β2
π΄⋅π΅ =β
β6
β
9
Wir haben
β
β
3
7⋅7+3⋅8 7⋅4+3⋅1
)
(
β
β
β
5β
β ⋅ 7 4 9 = β2 ⋅ 7 + 5 ⋅ 8 2 ⋅ 4 + 5 ⋅ 1
β6 ⋅ 7 + 8 ⋅ 8 6 ⋅ 4 + 8 ⋅ 1
β
8β
8 1 5
β
0
9⋅7+0⋅8 9⋅4+0⋅1
β
β
73 31 78
β
β
β 54 13 43β
β
=β
β106 32 94β .
β
β
63 36 81
{z
}
|
7⋅9+3⋅5
β
β
2 ⋅ 9 + 5 ⋅ 5β
β
6 ⋅ 9 + 8 ⋅ 5β
β
9⋅9+0⋅5
=πΆ
Beispiel:
Sei
β
π11
π12
...
π1π
β
β
β
β π21 π22 . . . π2π β
β
β
π΄=β .
.. β
...
β ..
β
.
β
β
ππ1 ππ2 . . . πππ
β β
π₯1
β . β
. β
eine (π × π)-Matrix, sei π₯ = β
β . β eine (π × 1)-Matrix (also ist π₯ ein π-Tupel)
π₯π
β β
π1
β . β
. β
und sei π = β
β . β . Wir deο¬nieren
ππ
ππ :=
π
∑
πππ π₯π .
π=1
Also ist π = π΄π₯, denn
β
π11
π12
...
π1π
β
β β
β
β
π₯
β π21 π22 . . . π2π β β 1 β
β β .. β
β
⋅β . β
π΄π₯ = β .
..
.. β
β ..
.
. β
β
β
π₯π
ππ1 ππ2 . . . πππ
β
β β β
π11 π₯1 + π12 π₯2 + ... + π1π π₯π
π1
β
β β . β
.
β = β . β.
..
=β
β
β β . β
ππ1 π₯1 + ππ2 π₯2 + ... + πππ π₯π
ππ
38
Mit der Matrizenmultiplikation laΜsst sich das LGS (6.1) also kompakt schreiben
als
π΄ ⋅ π₯ = π.
6.3
Addition von Matrizen
Deο¬nition 6.3.1 (Addition von Matrizen). Die Addition von Matrizen π΄, π΅ ∈
ππ×π deο¬nieren wir in naheliegender Weise
π΄ + π΅ := (πππ ) + (πππ ).
6.4
Matrizenring ππ×π
FuΜr π = π erhalten wir die Menge der quadratischen Matrizen ππ×π . Es gilt:
(ππ×π , +, ⋅) bildet einen Ring mit Einselement. Das neutrale Element bezuΜglich
der Addition ist die sogenannte Nullmatrix, deren EintraΜge alle Null sind. Das
additive Inverse von π΄ ∈ ππ×π ist −π΄. Die Addition ist aufgrund der Deο¬nition
oο¬enbar assoziativ und abelsch. Das neutrale Element bezuΜglich der Multiplikation (also das Einselement) ist die sogenannte Einheitsmatrix
β
1
β
β0
β
β
πΌπ := β0
β
β
β
0
β
0 0
...
0
1 0
...
0 1
...
..
.
0 0
...
β
0β
β
0β
β,
β
β
β
1
alle EintraΜge auf der Hauptdiagonalen sind gleich 1 und alle anderen EintraΜge
gleich 0. Insbesondere ist die Matrizenmultiplikation assoziativ in ππ×π , d.h.
fuΜr π΄, π΅, πΆ ∈ ππ×π gilt
π΄ ⋅ (π΅ ⋅ πΆ) = (π΄ ⋅ π΅) ⋅ πΆ.
Ein Beispiel fuΜr einen Ring ohne Einselement ist der Ring der geraden Zahlen
2β€.
39