12 Aderhaut (Chorioidea) 12.1 Anatomie,PhysiologieundPathophysiologie –190 12.1.1 AnatomieundPathophysiologie –190 12.1.2 Physiologie –190 12.2 Untersuchung –190 12.2.1 DiaskleraleDurchleuchtung –190 12.2.2 Ophthalmoskopie –190 12.2.3 Fluoreszenzangiographie –191 12.2.4 BildgebendeVerfahren –191 12.3 ErkrankungenderAderhaut –191 12.3.1 Entzündungen –191 12.3.2 Tumoren –197 12.3.3 Degenerationen –201 12.3.4 Missbildungen –201 Augenheilkunde: das neue Layout Fallbeispiel: das Stethoskop schärft den Blick für die Klinik Einleitung: thematischer Einstieg ins Kapitel 176 Kapitel 11 · Iris und Ziliarkörper > >Einleitung Unter den Erkrankungen der Iris und des Ziliarkörpers sind Entzündungen und Tumoren die wichtigsten. Eine Entzündung der Iris (Iritis) ist häufig mit einer Entzündung des Ziliarkörpers (Zyklitis) kombiniert: Iri­ dozyklitis. Folgen der Entzündung sind Verklebungen (Synechien) der Iris mit der Linse oder dem Kammer­ winkel, Katarakt und Sekundärglaukom. Die Iridozykli­ tis ist manchmal ein Teilsymptom einer Allgemeiner­ krankung, wie z. B. juvenile rheumatoide Arthritis und ankylosierende Spondylarthritis (M. Bechterew), oder es findet sich keine Ursache. Therapieprinzipien sind Mydriasis zur Ruhigstellung der Pupille und des Ziliar­ körpers und zur Prophylaxe von Synechien sowie Ent­ zündungshemmung durch Steroide. Der häufigste Tumor von Iris bzw. Ziliarkörper ist das maligne Melanom. Inhaltliche Struktur: klare Gliederung durch alle Kapitel Verweis auf Abbildungen, Kapitel und Tabellen: deutlich herausgestellt und leicht zu finden 11.1 11 Leitsystem: schnelle Orientierung über alle Kapitel und den Anhang Anatomische und funktionelle Grundlagen Die Iris (Regenbogenhaut, . Abb. 1.1 und 1.2) und das Corpus ciliare (Ziliar- oder Strahlenkörper, . Abb. 1.2) bilden zusammen mit der Chorioidea (Aderhaut, . Abb. 1.1 und 7 Kap. 12) die Uvea (Gefäßhaut, Tunica vasculosa), eine pigmentierte, gefäßreiche Schicht zwischen Sklera und Retina. Wegen ihres Pigmentgehaltes erinnert sie an eine dunkle Weinbeere (Uvea). Ihre drei sehr unterschiedlichen Komponenten gehören entwicklungsgeschichtlich und anatomisch zusammen, erfüllen aber unterschiedliche Funktionen. Fallbeispiel Eine 83­jährige Patientin stellt sich mit Schmerzen am rechten Auge beim Augenarzt vor. Das Sehen auf dem rechten Auge sei vor einigen Wochen schlechter ge­ worden, mit beiden Augen sehe sie aber ausreichend gut. Die Sehschärfe beträgt rechts nur Handbewe­ gungen, links 0,5. Bei der Spaltlampenuntersuchung zeigt sich eine Blutung in der Vorderkammer, die Horn­ haut ist trüb, der Augeninnendruck ist auf 45 mmHg erhöht. Bei genauer Untersuchung des Pupillarsaums sieht man eine Rubeosis iridis. Es handelt sich also um ein neovaskuläres Sekundärglaukom. Ein Diabetes mellitus liegt nicht vor. Die wahrscheinlichste Ursache ist also ein Zentralvenenverschluss, der vor einigen Wochen abgelaufen war. Dieser lässt sich auch nachweisen: Nach Pupillenerweiterung sieht man schemenhaft trotz schlechten Funduseinblicks streifige Blutungen über den ganzen Fundus ver­ teilt. Zunächst wird mit Atropin­ und Kortikosteroid­Augen­ tropfen behandelt, dann eine retinale Kryotherapie und eine drucksenkende Zyklokryotherapie durchge­ führt, da wegen des schlechten Einblicks keine panre­ tinale Laserkoagulation möglich ist. 26.6 Nichtsteroidale Antiphlogistika Sie dämpfen die Entzündung über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese und ersetzen Kortisontropfen in subakuten Phasen der Erkrankung. . Tabelle 26.3. Augenschäden bei Vergiftungen und Überdosierung von Medikamenten Substanzen Augenschädigung Arsen, Brom, Blei Optikusneuropathie, später Optikusatrophie, selten Augeninnendruckerhöhung Motorenöl (illegaler Zusatz zu Speiseöl in Entwicklungsländern) Papillenödem, Erhöhung des intraokularen Drucks, Sekundärglaukom mit Optikusatrophie Isonicotinsäurehydrazid, Ethambutol, Chlorquin . Tabelle 26.2 unter Einzelsubstanzen Chinin enge Netzhautarterien, Papillenödem, Optikusatrophie, Sehverschlechterung, Gesichtsfeldstörung Digitalisüberdosierung (Digitoxin) Gelbsehen (Xanthopsie), Augenflimmern (als Folge systemischer Wirkungen auf Herzrhythmus) Atropin Pupillenerweiterung, Akkommodationslähmung, Gefahr des akuten Winkelblockglaukoms bei engem Kammerwinkel, Augeninnendruckerhöhung bei chronischem Offenwinkelglaukom Tabelle: klare Über­ sicht der wichtigsten Fakten Navigation: Farbleit­ system, Seitenzahl und Kapitelnummer für die schnelle Orientierung Aufzählungen: Lern­ inhalte übersichtlich präsentiert 309 17.3 · Primäre Glaukome 11.3 17 Entzündungen der Iris und des Ziliarkörpers Einteilung der Uveitis. Die Entzündung der Uvea lässt sich einteilen nach der Lokalisation: 4 Vordere Uveitis. Sie betrifft entweder die Iris (Iritis) oder den Ziliarkörper (Zyklitis), häufiger jedoch sind beide Strukturen zusammen betroffen (Iridozyklitis). 4 Intermediäre Uveitis (Pars planitis). Entzündung der Pars plana des Ziliarkörpers mit Entzündung des mittleren Glaskörpers (Infiltrate) und der Pars plicata des Ziliarkörpers. 4 Hintere Uveitis (Chorioiditis, 7 Kap. 12). Hier ist meist auch die Netzhaut beteiligt (Chorioretinitis). 4 Panuveitis (7 Kap. 12). Die Entzündung der gesam­ ten Uvea hat eine schlechte Prognose. nach Ein- oder Beidseitigkeit, nach der Entzündungsform: 4 granulomatös, 4 fibrinös, 4 unspezifisch. Am häufigsten kommt die vordere Uveitis in Form der (einseitigen und fibrinösen) Iridozyklitis vor. Über 700 größtenteils farbige Abbildungen: veranschaulichen komplexe Sachverhalte . Abb. 17.9. Filtrationsoperation (Goniotrepanation). a Über die Öffnung in die Vorderkammer wird ein kleines Skleradeckelchen gelegt, das ein übermäßiges Abfließen von Kammerwasser verhindert. b Die Bindehaut wird mit einer Naht verschlossen 11.3.1 Iridozyklitis Ätiologie Häufig ist die Iridozyklitis immunologisch bedingt, d.h. tritt als Begleitkrankheit auf. Deshalb ist der Pa­ tient stets dem Internisten bzw. dem Kinderarzt vor­ zustellen. Auch eine Erkrankung im HNO­Bereich soll ausgeschlossen werden. zen, indem er den Bulbus durch das Oberlid mit bei­ den Zeigefingern palpiert, während der Patient nach unten blickt (. Abb. 17.2). Bei normalem Augeninnen­ druck »fluktuiert« die Bulbuswand, wenn man sie ab­ wechselnd mit dem rechten und linken Zeigefinger eindrückt, bei stark erhöhtem Augeninnendruck ist der Bulbus »steinhart«. Rheumatische und immunologische Erkrankungen. 4 beim Kind: juvenile idiopathische Oligoarthritis, die Entzündung eines oder weniger Gelenke, die mit einem »blassen Auge« und früher Kataraktent­ wicklung einhergeht. ! Der Tastbefund »steinhart« findet sich bei aku­ tem Winkelblockglaukom oder Neovaskulari­ sationsglaukom, eine mäßige Drucksteigerung wie bei Offenwinkelglaukom ist palpatorisch nicht sicher erkennbar! In Kürze Grundlagen. Prinzipiell unterscheidet man Augenverletzungen ohne Bulbuseröffnung und Augenverletzungen mit Bulbuseröffnung. Häufig sind mehrere Augenabschnitte betroffen. Eine bulbuseröffnende Verletzung birgt immer auch die Gefahr einer intraokularen Entzündung. Orientierende Untersuchung. Der Wechselbelichtungstest zur Prüfung der afferenten Pupillenbahn ist Schlüsselbegriffe: sind fett hervor­ gehoben die wichtigste Untersuchungsmethode zum Nachweis einer Optikusschädigung, insbesondere wenn der Patient bewusstlos ist. Therapie. Die Versorgung sollte durch einen erfahrenen Augenchirurgen erfolgen, häufig sind hierzu Vitrektomietechniken erforderlich. Bei Polytrauma muss der Versorgungsplan interdisziplinär festgelegt werden. In Kürze: fasst ein Unterkapitel struktu­ riert zusammen Merke: Kernaussagen bringen das Wichtigste auf den Punkt 190 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) >>Einleitung DieAderhaut(Chorioidea)bildetdenhinterenAnteil derUvea(Gefäßhaut).Sieernährtdieihranliegenden PhotorezeptorenderNetzhautundhältdieTempera­ turdesAugeskonstant. Isolierte Entzündungen der Aderhaut (hintere Uveitis) treten im Rahmen von Infektionen, Auto­ immunerkrankungen oder aus ungeklärter Ursache auf. EineEntzündungdergesamtenUveitis(Panuvei­ tis)trittimRahmeneinerInfektiondesAugeninneren (Endophthalmitis) oder einer autoimmunologisch bedingtenEntzündungeinesAugesnachVerletzung desanderenAuges(sympathischeOphthalmie)auf. Der wichtigste bösartigeTumor des Augeninne­ renistdasAderhautmelanom. Degenerationen und Spaltbildungen der Ader­ hautsindselten. 12.1 Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie 12.1.1 Anatomie und Pathophysiologie 12 Die Aderhaut (Chorioidea, .Abb.1.1) bildet mit der Regenbogenhaut (Iris) und dem Ziliarkörper (Corpus ciliare) die Gefäßhaut (Uvea). Die Aderhaut grenzt innen an das Pigmentepithel der Netzhaut und die Photorezeptoren, und außen an die Lederhaut. Sie besteht aus Gefäßgeflechten und dazwischen liegendem lockeren Bindegewebe, das zahlreiche Melanozyten (Chromatophoren) enthält, und gliedert sich in mehrere Schichten: 4 Die dem Pigmentepithel nächstgelegene Schicht der Aderhaut ist die Bruch-Membran (Lamina elastica) aus elastischen und Kollagen-Fasern. 4 Nach außen hin folgt ein Geflecht aus fenestrierten Kapillaren mit zahlreichen Anastomosen, die Choriokapillaris (Lamina chorioidocapillaris) (.Abb.12.1). Diese Kapillaren werden durch das retinale Pigmentepithel und die Bruch-Membran abgedichtet und beginnen bei Degeneration der Bruch-Membran und des Pigmentepithels im Alter (Makuladegeneration) zu proliferieren. Wegen der innigen Beziehung zwischen Aderhaut und Netzhaut ist die Netzhaut bei der Aderhautentzündung praktisch immer mitbeteiligt (Chorioretinitis). 4 An die Choriokapillaris schließt sich außen die Lamina vasculosa an, die größere Gefäße, meist Venen, enthält. .Abb.12.1. RasterelektronenmikroskopischesBildder ChoriokapillarisdesMenschen(Prof.Dr.E.Lütjen­Drecoll, Erlangen) Das Blut erreicht die Aderhaut durch die Aa. ciliares post. breves (.Abb.1.4) und verlässt sie durch die 4–6 Vv. vorticosae, die Wirbelvenen (.Abb.1.4und1.5). Die Aderhaut besitzt keine sensiblen Nerven. 12.1.2 Physiologie Die sehr gefäßreiche Aderhaut dient der Ernährung der Photorezeptoren (die zum Glaskörper hin gelegenen inneren Netzhautschichten werden durch Äste der A. centralis retinae ernährt). Der Blutstrom ist sehr hoch, die Sauerstoffausnutzung dagegen nur relativ gering, was auf die zweite Funktion der Aderhaut hinweist: Sie hält die Temperatur des Auges konstant, indem sie die Wärmeenergie abführt, die beim photochemischen Prozess entsteht. 12.2 Untersuchung 12.2.1 Diasklerale Durchleuchtung Die diasklerale Durchleuchtung (7 Kap. 3.4.5) dient (u.a.) der Diagnose und Differentialdiagnose des Aderhautmelanoms. 12.2.2 Ophthalmoskopie Die Rotfärbung des Augenhintergrundes bei der Ophthalmoskopie rührt vom Durchscheinen des Blutes in den Aderhautgefäßen her. Meist lassen sich die Aderhautgefäße nicht abgrenzen, bei geringem Pigmentierungsgrad des Pigmentepithels (hohe Myopie, Albinismus) jedoch sind sie zuweilen erkennbar. 12.3·ErkrankungenderAderhaut 12.2.3 Fluoreszenzangiographie Bei Defekten des Pigmentepithels oder pathologischen Aderhautgefäßen (»chorioidale Neovaskularisationen«, CNV) zeigt die Fluoreszenzangiographie mit 10%igem Fluoreszein-Natrium (7Kap.3.4.4) einen Farbstoffaustritt aus den Aderhautgefäßen. Indozyanin-Grün stellt die Aderhautgefäße aufgrund seiner Molekülgröße selektiver dar als Fluoreszein (7Kap.3.4.4). 12.2.4 Bildgebende Verfahren Sonographie Eine Anschwellung der Aderhaut durch Ödem (»Aderhautamotio«) oder Blut (»subchorioidale Blutung«) sowie Tumoren der Aderhaut (Aderhautmelanom, Metastasen) lassen sich durch Sonographie (B-Bild) gut darstellen und unterscheiden. OptischeKohärenztomographie(OCT) Mit dieser Methode lassen sich Veränderungen von Netzhaut und Aderhaut im Schnittbild darstellen, sodass nicht immer ein Fluoreszenzangiogramm erforderlich ist (7Kap.3.4.4). Ergänzende Informationen liefern Computer- und Kernspintomographie. 12.3 Erkrankungen der Aderhaut 12.3.1 Entzündungen Hintere Uveitis (Chorioiditis, Chorioretinitis) Betrifft die Entzündung die Aderhaut allein, spricht man von Chorioiditis, ist auch die angrenzende Netzhaut betroffen (meistens), spricht man von einer Chorioretinitis. Ursachen Mögliche Ursachen der Chorioiditis bzw. Chorioretinitis sind: 4 Infektion mit Erregern, 4 immunologische Prozesse. Hierbei sind die Ursachen oft nicht zu ermitteln. Die Sarkoidose manifestiert sich als lokale Hyperimmunantwort häufig als Chorioiditis. Sympathische Ophthalmie 7S.196. Eine hintere Uveitis wird durch folgende Erreger ausgelöst: 191 12 4 Bakterien, z.B. Mycobacterium tuberculosis (Tuberkulose), Mycobacterium leprae, Treponema pallidum (Lues) und Borrelia burgdorferi (Borreliose, Lyme Disease), 4 Viren, z.B. Röteln-, Masernvirus. Das Herpes-simplex-Virus und Varicella-Zoster-Virus befällt dagegen zunächst die Netzhaut (»akute retinale Nekrose«), 7Kap.13, 4 Pilze, z. B. Histoplasma capsulatum (Histoplasmose, »Presumed-Ocular-Histoplasmosis«-Syndrom, POHS), 4 Protozoen und Parasiten, z.B. Toxoplasma gondii (Toxoplasmose), Cysticercus (Taenia solium), Toxocara canis und Onchocerca volvulus (Onchozerkose). SymptomeundallgemeineBefunde Da die Aderhaut keine sensiblen Nerven enthält, treten Schmerzen nur dann auf, wenn die Erkrankung nach vorne auf den Ziliarkörper übergreift oder wenn der Augeninnendruck ansteigt. Ob und wie stark Sehstörungen auftreten, hängt davon ab, an welcher Stelle des Augenhintergrundes sich der Entzündungsherd entwickelt. Selbst große Ausfälle in der Peripherie bleiben oft subjektiv symptomfrei und werden erst zufällig beim Augenspiegeln entdeckt. Ein winziger Herd in der Makula dagegen hat schwere Sehstörungen zur Folge. Bei Chorioretinitis finden sich bei genauer Untersuchung Entzündungszellen im Glaskörper, die eine Glaskörpertrübung verursachen. Diese führt häufig zu einer diffusen Sehverschlechterung. Die hintere Uveitis ist in vielen Fällen herdförmig »disseminiert«, d.h. es finden sich Entzündungsherde am gesamten Augenhintergrund (Chorioiditis bzw. Chorioretinitis disseminata). Bei einer floriden Entzündung stellen sich die Entzündungsherde ophthalmoskopisch als weiß-gelblich und unscharf begrenzt dar. Sie sind durch ein Ödem der Netzhaut und Aderhaut bedingt (.Abb. 12.2a). Meist sieht man außerdem Glaskörpertrübungen in der Gegend der Herde. Durch die Entzündung werden auch die Zellen des retinalen Pigmentepithels teilweise zerstört. Nach Abklingen der Entzündung erscheinen sie daher als scheckige Narbe, in der das Aderhautgewebe zum Teil verschwunden ist, die weiße Sklera sichtbar wird und die Ränder schwarz pigmentiert sind (. Abb.12.2b und12.3). FormendererregerbedingtenhinterenUveitis Toxoplasmose-Retinochorioiditis. Eine herdförmige Chorioretinitis ist meistens durch eine Toxoplas- 192 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) a .Abb.12.3. NarbennachausgedehnterschwererChorio­ retinitis,diezueinerZerstörungderPhotorezeptoren,aber z.T.auchderinnerenNetzhautschichtengeführthat.Auffäl­ ligePigmentierungderNarbenränderundPigmentverklum­ pungeninderEbenederAderhaut 12 b .Abb.12.2. RetinochorioiditisdurchToxoplasmose. aAkuteRetinochorioiditis.AmRandeeinesvernarbtenBe­ zirkeshatsicheinfrischer,flauschig­weißlicherHerdmiteiner kleinenBlutungentwickelt.bAlteToxoplasmosenarben.Eine großeNarbeliegtinderMakula,einekleinereperiphereNar­ benasalunterhalbderPapille mose verursacht. Da primär die Netzhaut betroffen ist, spricht man von einer Toxoplasmose-Retinochorioiditis (7Kap.13). Nicht selten findet sich bei Toxoplasmose ein einzelner Entzündungsherd im Bereich der Makula (Retinochorioiditis oder Chorioretinitis centralis, . Abb.12.2b). Eine hochgradige Visusminderung ist die Folge. Ein Herd neben der Papille (Retinochorioiditis oder Chorioretinitis juxtapapillaris Jensen, .Abb.12.4a) hat den Ausfall eines Nervenfaserbündels zur Folge und verursacht einen entsprechenden Gesichtsfeldausfall (.Abb.12.4b, .Abb.13.33). Uveitis bei Histoplasmose. Diese in Nordamerika häufige Pilzinfektion erzeugt zahlreiche kleine disseminierte Narben, wobei in Europa die Infektion durch Histoplasma capsulatum nicht belegt ist (»presumed ocular histoplasmosis syndrome«, POHS). Uveitis bei Tuberkulose. Bei der Tuberkulose finden sich – heute nur noch selten – chorioiditische, gelblich-weiße Herde, meist im Rahmen einer Miliartuberkulose (.Abb.12.5). Früher wurde die Tuberkulose als Hauptursache der Chorioiditis angesehen. Uveitis bei Lues. Die angeborene (durch pränatale Infektion erworbene) Lues zeigt eine kleinfleckige Vernarbung des gesamten Fundus, bei der helle mit dunklen Herden abwechseln (»Pfeffer-und-Salz«-Fundus). Daneben bestehen Taubheit, interstitielle Keratitis und tonnenförmige Zähne (Hutchinson-Trias). Ähnliche Fundusveränderungen kommen vor, wenn eine pränatale Virusentzündung (Röteln, Masern) abgelaufen ist. Bei der Lues II findet man manchmal disseminierte chorioiditische Herde. Häufig wird heutzutage die Ursache nicht sofort erkannt. Uveitis bei Borreliose. Die heutzutage häufige Borreliose, die durch Zeckenstich übertragen wird, kann ganz verschiedene Entzündungen des Auges, so auch eine Chorioiditis verursachen. Deshalb sollten bei 12.3·ErkrankungenderAderhaut 193 12 .Abb.12.5. DisseminiertechorioiditischeHerdebeiakuter Miliartuberkulose .Abb.12.4. Retinochorioiditisjuxtapapillaris.aFundus­ befundbeiRetinochorioiditisjuxtapapillarisbeifloriderEnt­ zündung.bGesichtsfeldausfallbeiRetinochorioiditisjuxta­ papillaris.BogenförmigerGesichtsfeldausfallmitDurchbruch nachunten,NervenfaserbündeldefektähnlichwiebeiGlau­ kom jeder Uveitis neben einer Toxoplasmose, Tuberkulose und Sarkoidose auch eine Lues und eine Borreliose durch serologische Tests ausgeschlossen werden. !DieLueswirdheutehäufigübersehen,siemuss deshalbimmerindiedifferenzialdiagnostischen Überlegungenmiteinbezogenwerden.Siehat einsehrvariablesundvielfältigesklinischesBild. DasselbegiltfürdieBorreliose,dieebenfalls sehrunterschiedlicheokuläreSymptome(Kon­ junktivitis,Uveitis,Neuritisnervioptici)und Allgemeinsymptome(Arthritis,Meningoenze­ phalitis)hervorruft. Uveitis bei Toxocara-canis-Infektion. Es handelt sich um eine perorale Aufnahme der Parasiten bei Kleinkin- dern. Das Toxocara-Granulom kann peripher oder zentral liegen und geht mit einer deutlichen Glaskörpertrübung bis zu schwerer Entzündungsreaktion einher. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Bild, der Bluteosinophilie und dem manchmal positiven Titer. Uveitis bei Onchozerkose. Die Onchozerkose (»Flussblindheit«, weil die Simulium-Mücke, die den Parasiten Onchocerca volvulus überträgt, an Flüssen brütet) ist eine der häufigsten Erblindungsursachen in den tropischen Ländern Zentral- und Westafrikas. Die Onchozerkose verursacht außer einer Konjunktivitis, Keratitis und Iridozyklitis auch eine Chorioiditis, deren Narbenstadium ähnlich wie eine Retinopathia pigmentosa (7Kap.13.8.1) aussieht. TherapiedererregerbedingtenhinterenUveitis Bei Toxoplasmose gibt man über 4 Wochen Clindamycin 300 mg 4 × tgl. (seltene Nebenwirkung: pseudomembranöse Kolitis) oder Pyrimethamin (1–2 × 25 mg tgl., dazu Folinsäure!) plus Sulfadiazin (4 × 1 g tgl.), jeweils in Kombination mit Kortison. Wenn der Herd peripher liegt, muss man nicht unbedingt antibiotisch behandeln, es sei denn, die Glaskörpertrübung stört die Sehschärfe. Das Presumed Ocular Histoplasmosis Syndrom (POHS) muss meist nicht behandelt werden. Tuberkulose, Lues und Borreliose werden als Allgemeininfektion nach internistisch-infektiologischen Regeln behandelt. Die Toxocara-Infektion wird meist nur mit Kortison behandelt, da das gegen die Parasiten wirksame 194 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) Thiabendazol erhebliche systemische Nebenwirkungen haben kann. Die Onchozerkose wird heute in Endemiegebieten durch die Gabe von Ivermectin 1–2 × jährlich (per os) (7Kap.25.2.3) oder neuerdings mit Tetrazyklinen erfolgreich behandelt. ! DieToxoplasmose­Retinochorioiditishateinso typischesBild,dassdieDiagnoseunddieThera­ pieindikationalleinausdemFundusbefund gestelltwerdenkönnen. Fallbeispiel Ein63­jährigerPatientstelltsichwegeneinerSeh­ verschlechterungbeiderAugenvor.Zunächstfin­ detmanophthalmoskopischeineUveitisunklarer Genese,wobeiamFundusdisseminierteflauschige HerdeundeinemäßigeGlaskörperinfiltration zusehensind.Allgemeinerkrankungenwerden zunächstverneint.DieinternistischeDurchunter­ suchungergibteineflorideMiliartuberkulose,für diederFundusbefundtypischist(.Abb.12.5).Es erfolgteineDreiertherapiederTuberkulose,und derFundusbefundbildetsichinnerhalbvoneini­ genWochenzurück. 12 Formendernichterregerbedingtenhinteren Uveitis Der Uveitis bei Sarkoidose und M. Behçet liegen immunologische Prozesse zugrunde. Auch diese Formen der hinteren Uveitis sind herdförmig »disseminiert« oder weisen Zeichen einer Vaskulitis auf. Uveitis bei Sarkoidose. Bei Sarkoidose entstehen flauschige kleine chorioidale Entzündungsherde, aber auch granulomatöse Entzündungen der Aderhaut und Entzündungen der Netzhautvenen mit perivaskulären Exsudaten (»Kerzenwachsexsudaten«). ! DiechorioretinitischenHerdebeiSarkoidose sinddenenbeiMiliartuberkulosesehrähnlich. Uveitis bei M. Behçet. Bei M. Behçet kann der Augenvorderabschnitt (Hypopyon-Iritis, 7 Kap. 11.3.1) und der Augenhinterabschnitt betroffen sein. Am hinteren Augenabschnitt tritt eine okklusive Vaskulitis mit Gefäßeinscheidungen auf, die vorwiegend retinale und auch chorioidale Gefäße betrifft. Zu den Allgemeinsymptomen bei M. Behçet 7S.181. Weitere idiopathische hintere Uveitis­Formen. Die wichtigsten sind das Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom, das gehäuft bei der mongolischen Rasse, aber auch bei Europäern vorkommt, die akute posteriore multifokale plakoide Pigmentepitheliopathie (APMPPE) und die Chorioiditis serpiginosa. .Abb.12.6. AkuteposterioremultifokaleplakoidePigment­ epitheliopathie(APMPPE) Vogt-Koyanagi-Harada (VKH)-Syndrom. In Aderhaut und Pigmentepithel finden sich wolkige, leicht erhabene Herde. Häufig besteht auch eine hohe seröse Netzhautablösung. Nicht selten treten gleichzeitig Vitiligo und enzephalitische Symptome auf, wobei die Liquorzellzahl erhöht ist. Akute posteriore multifokale plakoide Pigmentepitheliopathie (APMPPE). Es handelt sich um eine disseminierte, meist beide Augen betreffende Entzündung des Pigmentepithels oder/und der Choriokapillaris (.Abb.12.6). Ist die Fovea befallen, besteht eine erhebliche Visusminderung. Die Erkrankung heilt in einigen Wochen aus und hinterlässt fleckige, pigmentierte Narben. Meist erholt sich auch die Sehschärfe wieder teilweise oder vollständig. In die Gruppe der »White-Dot-Syndrome« (weiße entzündliche Herde am Fundus) gehören außer dem VKH-Syndrom und der APMPPE das »MultipleEvanescent-White-Dot-Syndrom« (MEWDS), die »Schrotschussretinopathie« (Birdshot-Retinopathie) und die »Multifokale Innere Chorioidopathie« (MIC), bei denen jeweils innere Chorioidea, Pigmentepithel und Retina fokal entzündet sind, ohne dass eine genaue Ätiologie bekannt ist. Chorioiditis serpiginosa. Diese Erkrankung befällt den hinteren Pol beider Augen und schreitet von der Papille ausgehend zungenförmig zum Netzhautzentrum fort (.Abb.12.7). Alte Herde sind durch eine atrophische, depigmentierte Fläche mit unregelmäßigem, scharf abgegrenztem Rand gekennzeichnet (ähnlich der Darstellungsweise von Kontinenten in historischen Landkarten). Die frischen Herde sind grauweißlich und entstehen am Rand der alten Narbe. Der Erkrankungsprozess »kriecht« wie eine Schlange (da- 12.3·ErkrankungenderAderhaut 195 12 4 weiterhin bei Sarkoidose, Tuberkulose und M. Behçet (7o.) .Abb.12.7. Chorioiditisserpiginosamitlandkartenartiger Narbeundfrischem,grau­weißlichemHerdimMakulabereich her der Name) über das gesamte Netzhautzentrum und zerstört dadurch auch die zentrale Sehschärfe. Therapiedernicht­erregerbedingtenUveitis Die systemische Therapie der Sarkoidose mit oralen Steroiden hilft insbesondere gut bei disseminierten chorioidalen Herden. Bei vorderer Uveitis gibt man zusätzlich Kortison-Augentropfen. Bei M. Behçet wird zunächst mit systemischen Steroiden behandelt, in schweren Fällen mit Ciclosporin A, Azathioprin u.a. oder mit Plasmaaustausch. Das VKH-Syndrom wird über mehrere Wochen mit systemischen Steroiden behandelt und hat eine gute Prognose. Die APMPPE heilt meist ohne Therapie mit guter Prognose aus. Die therapeutische Wirkung von Steroiden ist nicht bewiesen. Eine effektive Therapie der Chorioiditis serpiginosa ist nicht bekannt. Panuveitis Eine Entzündung der gesamten Uvea tritt auf bei 4 Endophthalmitis (7u.) und Panophthalmie (Panophthalmitis), einer eitrigen Entzündung des gesamten Augapfels, die meist nach einer perforierenden Verletzung, selten nach Augenoperation auftritt, 4 sympathischer Ophthalmie (7S.196). 4 Borreliose: Manchmal, aber nicht häufig, sind hierbei mehrere Abschnitte des Auges betroffen: Hinweise sind ein scheinbar grippaler Infekt und ein Erythema migrans an der Einstichstelle der Zecke. Die Diagnose wird serologisch gestellt. Endophthalmitis Definition,Ursachen Unter Endophthalmitis versteht man eine intraokulare Entzündung des gesamten Augeninneren unter Einbeziehung des Glaskörpers. Die Augenhüllen (7Kap.1) sind nicht betroffen. Nach der Pathogenese unterscheidet man eine endogene (metastatische) und eine exogene Endophthalmitis. Insbesondere die exogene bakterielle Endophthalmitis ist eine äußerst bedrohliche, foudroyant fortschreitende Augeninfektion, die nicht selten zur Erblindung oder zum Verlust des Auges führt. Endogene (metastatische) Endophthalmitis. Sie entsteht durch hämatogene Verschleppung von Keimen, z.B. bei Allgemeininfektionen mit Staphylokokken oder Streptokokken, insbesondere bei Erkrankungen wie Pyelonephritis, Endokarditis, Furunkulose oder bei lang liegenden arteriellen und venösen Kathetern. Eine Candida-Endophthalmitis entsteht nach abdominaler Operation, bei i.v.-Dauerkatheter, während einer lang dauernden antibiotischen oder einer immunsuppressiven Therapie oder bei AIDS. Exogene Endophthalmitis (7auchKap.11.5). Die Keime werden im Zuge einer intraokularen Augenoperation (meist pathogene Hautkeime des Patienten) oder bei einer perforierenden Augenverletzung eingeschleppt. Symptome,Befunde Die bakterielle Endophthalmitis (endogen oder exogen) äußert sich durch einen tiefen, dumpfen, kaum auf Analgetika ansprechenden Augenschmerz, reduzierten Allgemeinzustand, rotes Auge, Chemosis und eine akute Visusminderung. Die Entzündung schreitet im hinteren Augenabschnitt oft foudroyant fort, so dass es schnell zu einer Eiteransammlung im Glaskörperraum kommt (.Abb.12.8). Die Candida-Endophthalmitis zeigt weiße, der Netzhaut aufsitzende Infiltrate, die in den Glaskörper vorragen. Sie fällt durch die Sehverschlechterung infolge Glaskörpertrübung oder zentrale Lage des Pilz-Herdes auf. Therapie Bei bakterieller Endophthalmitis (endogen oder exogen) muss der infizierte Glaskörper notfallmäßig operativ entfernt und der Eiter aus Glaskörperraum und Vorderkammer herausgespült werden (Vitrektomie, 7 Kap. 14.5). Bei dieser Operation wird Antibiotikalösung in speziell geeigneter Verdünnung (Vancomy- 196 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) uvealen und retinalen Zellen normalerweise intraokular der Immuntoleranz unterliegen (7Kap.1.2.2ACAID), werden sie vom Immunsystem außerhalb des Auges bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Entzündung mit Eindringen von dendritischen Zellen als Fremdantigen interpretiert. Diese Immunreaktion richtet sich dann auch gegen uveales Gewebe des gesunden Auges. .Abb.12.8. GlaskörperabszessundHypopyonbeimetas­ tatischerEndophthalmitis 12 cin, Ceftriaxon, Gentamicin) in das Augeninnere eingegeben. Während der Operation wird aus dem Glaskörper eine Probe für verschiedene bakteriologische Untersuchungen (aerobe und anaerobe Nährmedien, Direktausstrich mit Gramfärbung) entnommen und notfallmäßig untersucht. Trotzdem ist das Auge bei dieser Erkrankung zuweilen verloren, oder es bleibt eine schwere Sehstörung zurück. Bei Candida-Endophthalmitis können Vitrektomie und Gabe von Amphotericin B in den Glaskörperraum das Auge retten. !BeiEndophthalmitismussderinfizierteGlas­ körpersoschnellwiemöglichdurcheineVitrek­ tomieentferntwerden,umeineSchädigungder NetzhautundderanderenintraokularenStruk­ turenzuverhindern. Sympathische Ophthalmie Definition,Ursachen Es handelt sich um eine beidseitige, granulomatöse Panuveitis nach einer perforierenden Verletzung eines Auges (der Name kommt von sympathein = mitleiden). Sie tritt insbesondere auf, wenn Ziliarkörper und Iris verletzt wurden, sehr selten auch nach intraokularen Operationen. Pathogenese Bei chronischer Entzündung eines schwer verletzten Auges kommt es mit einer Latenz von einigen Wochen, selten auch noch nach vielen Monaten zu einer akuten Mitentzündung des anderen, bisher gesunden Auges. Pathogenetisch handelt es sich wahrscheinlich um eine Autoimmunreaktion gegen uveales oder retinales Gewebe, die vom verletzten Auge ausgeht. Während die Symptome,Befunde Der Patient klagt über Sehstörungen und dumpfe Schmerzen. Die Akkommodationsfähigkeit ist herabgesetzt (ein bei jungen Patienten wichtiges Zeichen!). Typischerweise besteht anfangs eine Papillitis mit Papillenschwellung und ein erhöhter Augeninnendruck, später eine disseminierte Chorioretinitis mit weißgelblichen Infiltraten (Dalen-Fuchs-Knötchen), die sich leicht durch fokalen Farbstoffaustritt im Fluoreszenzangiogramm nachweisen lassen. Langfristig entstehen retinale Narben. Im Bereich der Makula verursachen sie eine schwere Sehstörung. Wurde das verletzte Auge entfernt (7u.), kann die Diagnose auch histologisch aus dem Entzündungsbild dieses Auges gestellt werden (nicht-nekrotisierende Infiltration der Chorioidea mit mononukleären und Epitheloid-Zellen). ProphylaxeundTherapie Als Prophylaxe sollte das verletzte Auge, wenn es blind ist, frühzeitig entfernt werden. Dadurch lässt sich die Entzündung am 2. Auge vermeiden. Hat die Entzündung bereits auf das 2. Auge übergegriffen, so muss sofort eine Therapie mit hochdosierten Steroiden und Immunsuppressiva erfolgen. Die Entfernung eines noch sehenden verletzten Auges zu diesem Zeitpunkt wird unter den heutigen therapeutischen Möglichkeiten kontrovers beurteilt, da die Mitentzündung des anderen Auges wahrscheinlich durch die Enukleation nicht aufgehalten werden kann und das verletzte Auge später das potentiell bessere Auge sein könnte. !EinesympathischeOphthalmiekannzubeid­ seitigerErblindungführen.BeischwererVer­ letzungmitErblindungeinesAugesmussman beieinerUveitisdesanderenAugesunbedingt aneinesympathischeOphthalmiedenken. Einverletztes,chronischentzündetesblindes Augemussrechtzeitigentferntwerden,um eineMitentzündungdesanderenAugeszuver­ meiden. Prognose Früher war die Prognose vor allem deshalb schlecht, weil Verletzungen mit Zerreißung von uvealem Gewebe ohne die heutigen mikrochirurgischen Techniken 12.3·ErkrankungenderAderhaut 197 12 nur schlecht versorgt werden konnten und insbesondere in Kriegszeiten schwerste Verletzungen der Augen auftraten. Heute kann man durch die modernen Immunsuppressiva und durch hochdosierte Steroidbehandlung die Situation oft beherrschen, wenn man früh an das (heute seltene) Krankheitsbild denkt und die Diagnose rechtzeitig stellt. 12.3.2 Tumoren Aderhautmelanom Definition,Ursachen Das maligne Melanom der Aderhaut geht von den neuroektodermalen Melanozyten in der Aderhaut aus. Möglicherweise spielt ätiologisch eine übermäßige Lichtexposition (wie beim Hautmelanom) eine Rolle. Epidemiologie Das Aderhautmelanom ist der häufigste und wichtigste bösartige primäre Tumor des Augeninneren beim Erwachsenen (Inzidenz 1:2500). Es kommt bei Weißen bis zu 50-mal häufiger vor als bei Schwarzen. Ca. 30– 50% der Patienten versterben später an den Metastasen (häufig Leber- oder Lungenmetastasen). Symptome,Befunde Das Aderhautmelanom macht zunächst keine Beschwerden, so dass der Tumor oft eine erhebliche Größe erreicht, bevor er entweder durch eine Routineuntersuchung beim Augenarzt auffällt oder der Patient eine Sehstörung bemerkt, nämlich dann, wenn das zentrale Sehen durch Vorwölbung des Tumors in die Sehachse oder durch eine Netzhautablösung gestört ist. Das typische Aderhautmelanom erscheint ophthalmoskopisch als eine rundlich geformte, prominente, meist pigmentierte Vorwölbung am Augenhintergrund mit unregelmäßiger Oberfläche (. Abb. 12.9, 12.10 und 12.11). Auf dem Tumor findet man häufig Ablagerungen von orangefarbenem Pigment (Lipofuszin). Typisch ist weiterhin eine tumorferne, seröse Netzhautablösung ohne Netzhautloch (.Abb.3.27b). Etwa 20 % der Tumoren durchbrechen die BruchMembran, wobei dann ein Teil des Tumors innerhalb der Bruch-Membran unter Pigmentepithel und Netzhaut liegt (»Kragenknopf-Melanom«, .Abb.12.10). Diagnostik Entscheidend für die Diagnose ist das ophthalmoskopische Bild. Sehr wichtig ist ferner die Ultraschalluntersuchung, durch die sich solides Gewebe von einer serösen Abhebung (Aderhautamotio), einem Nävus (Prominenz weniger als 2 mm) oder einer Blutung ab- .Abb.12.9. GroßesAderhautmelanom,dasbisandiePupil­ leheranreicht.HöckerigeOberfläche.Derimrechtenunteren BildteilgelegenegeringpigmentierteundprominenteTu­ moranteilweistgroßeTumorgefäßeanderOberflächeauf. WegenderTumorgröße/­höhemussdasAugeenukleiert werden.DiePapille(amBildrandbei3Uhr)istz.T.vomTumor überdeckt .Abb.12.10. Aderhautmelanom,dieNetzhautvordrän­ gend.DurchbruchdurchdieBruch­Membran(→»Kragen­ knopf«).WegenderScharfstellungaufdieTumorkuppeistdie Papillenurunscharfzusehen 198 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) grenzen lässt. Mit Hilfe der Fluoreszenzangiographie (7Kap.3.4.4) lässt sich ein tumoreigenes Gefäßsystem erkennen. Bei sehr kleinen Tumoren kann man durch wiederholte Photographie und Ultraschalluntersuchung zunächst den Befund dokumentieren und ein Wachstum rechtzeitig erkennen, wenn anfangs nicht klar ist, ob es sich um ein Melanom oder einen Nävus handelt. Die diasklerale Durchleuchtung (.Abb.3.11) zeigt eine Abschattung im Bereich des Tumors, kann aber auch täuschen, da sich auch bei einer Blutung eine Verschattung zeigt und andererseits auch ein Aderhautmelanom wenig Pigment enthalten kann. a 12 b Für ein Aderhautmelanom sprechen: 4 orangefarbenes Pigment auf der Tumoroberfläche, 4 starke, z.T. höckerige Vorwölbung des Tumors, 4 solides Gewebe unter der Vorwölbung bei der Ultraschalluntersuchung, 4 seröse Netzhautablösung unten. Gegen ein Aderhautmelanom sprechen: 4 intensive schwarze Farbe (entgegen den Erwartungen!). Bei einer derartigen Pigmentierung handelt es sich meist um eine (nicht prominente!) Pigmentepithelhypertrophie (7u.und.Abb.12.12), 4 geringe Prominenz (<2 mm); wahrscheinlich liegt dann ein Aderhautnävus (7u.) vor. 4 Fehlen von orangefarbenem Pigment auf der Tumoroberfläche, 4 ausgedehnte Blutungen (dann handelt es sich häufig um eine Junius-Kuhnt-Makula-Degeneration, 7Kap.13.7.1), 4 Beidseitigkeit, 4 entzündliche Infiltration des Glaskörpers. Eine Aussaat von Tumorzellen muss ausgeschlossen werden! Allgemeine Basisuntersuchung. Zum Ausschluss von Metastasen sind indiziert: Röntgen-Thorax, Ultraschall der Bauchorgane, besonders der Leber, Untersuchung der Leberenzyme, bei Verdacht auf Metastasen CT und Kernspintomographie. Die überwiegende Zahl der Patienten hat zum Diagnosezeitpunkt keine Metastasen. »Staging« und Nachkontrollen wie beim Hautmelanom erforderlich. c 9 .Abb.12.11. EntwicklungeinesanderPapillegelegenen Aderhautmelanoms.aMelanozytärerTumoranderPapille. bProgressionmitVerdachtaufEntartung4Jahrespäter. cAderhautmelanomvonderPapilleausgehend7Jahre später 12.3·ErkrankungenderAderhaut 199 12 .Abb.12.12. MultiplePigmentepithelhypertrophien (»Bärentatzen«) .Abb.12.13. QuerschnittdurcheinenukleiertesAugemit Aderhautmelanom Differenzialdiagnose Nävus der Aderhaut: Die Photodokumentation zeigt kein fortschreitendes Wachstum. Meist finden sich Drusen auf der Oberfläche und eine Prominenz <2 mm. Eine Pigmentepithelhypertrophie ist eine auffällige, flache Pigmentverdichtung, die einzeln oder in Gruppen (dann als »Bärentatzen« bezeichnet) in der Fundusperipherie vorkommt (.Abb.12.12) und meist harmlos ist. Sie kann aber auch mit familiärer Polyposis des Darms (Gardner-Syndrom, Entartungsrisiko!) vergesellschaftet sein. Weitere Differentialdiagnosen des Aderhautmelanoms sind Aderhautmetastase (7 u.), subchorioidale Blutung, senile feuchte Makuladegeneration (CNV 7 Kap. 13), exsudative Aderhautamotio, Hämangiom der Aderhaut, rhegmatogene Netzhautablösung. schlechter als nach Entfernung des Augapfels. Eine externe Bestrahlung mit Protonen kann man bei größeren Tumoren erwägen, wenn es sich um das einzige Auge handelt oder wenn das andere Auge schwachsichtig ist. Die Protonenbestrahlung wird nur an wenigen Zentren ausgeführt und ihre lokalen Nebenwirkungen (Strahlenretinopathie, neovaskuläres Glaukom) sind nicht genau vorhersagbar. Bei flachen kleinen Tumoren ist eine transpupillare Thermotherapie (TTT) mit einem Infrarotlaser (Hyperthermie) möglich, bei grenzwertiger Tumorhöhe häufig in Kombination mit Strahlenträgeraufnähung von außen. Die Photokoagulation ist nur bei kleinen Tumoren geringer Höhe sinnvoll. Lokale Resektion. Mittelgroße Tumoren bis maximal 16 mm Basisdurchmesser und besonders prominente Aderhautmelanome können bei günstiger Lage im Auge mit einem speziellen Operationsverfahren von außen reseziert werden. Eine transretinale Resektion mittels Vitrektomie von innen ist technisch möglich, es ist aber noch nicht geklärt, ob der Tumor dadurch nicht stärker streut. Enukleation. Bei sehr ausgedehnten Tumoren muss das Auge entfernt werden (. Abb.12.13). Dies muss schonend geschehen, um keine Tumorzellen in die Blutbahn zu befördern. Nur äußerst selten wächst der Tumor durch die Sklera in die Augenhöhle ein. In diesen Fällen muss man das angrenzende Gewebe der Orbita ausräumen und nachbestrahlen. Eine intraorbitale Ausbreitung kann man vor der Operation durch Computertomographie und Kernspintomographie nachweisen. Therapie Bei einer Prominenz von 2–3 mm sind eine wiederholte Verlaufskontrolle und exakte Dokumentation (Photo, Ultraschall, Angiographie) nötig. Erst bei nachgewiesenem Wachstum ist eine eingreifende Therapie anzuraten. Bestrahlung. Bei einer Prominenz von 4–8 mm wird heute eine lokale Bestrahlung empfohlen. Man näht einen Strahlenträger (106Ruthenium, einen hochenergetischen Betastrahler, oder 125Jod, einen niederenergetischen Gammastrahler) auf die Sklera und belässt ihn für eine genau vorausberechnete Zeit, die der erforderlichen Strahlendosis entspricht. Limitierender Faktor ist die Höhe des Tumors (die Applikation von Ruthenium-Strahlern ist nur bis zu einer Prominenz von ≤ 8 mm möglich). Die Prognose nach lokaler Strahlentherapie ist bei dieser Tumorgröße nicht Prognose Auswirkungen auf die Prognose haben der histologische Typ (spindelzellig, epitheloidzellig oder gemischtzellig) 200 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) und die Größe des Aderhautmelanoms: Die Prognose ist bei großen Melanomen, bei epitheloidzelligen oder gemischtzelligen Melanomen schlechter als bei kleinen und bei spindelzelligen Melanomen. Die Hälfte der Patienten mit gemischt- oder epitheloidzelligen Melanomen stirbt innerhalb von 5 Jahren nach der Enukleation an hämatogen entstandenen Metastasen. Noch nicht sicher geklärt ist die Frage, ob die Enukleation durch Tumorzellaussaat selbst zur Metastasierung beiträgt. !DurchSpiegelndeszentralenundperipheren FundusbeijederaugenärztlichenRoutine­ Untersuchung(z.B.Brillenverordnung)kannein asymptomatischesAderhautmelanomfrühzeitig entdecktwerden. .Abb.12.14. Aderhautmetastase.Prominenter,fleckiger Tumor,meistamhinterenPoldesAuges(Tumorgrenzen→) Weitere Aderhauttumoren Aderhautnävus. Er ist durch geringe Prominenz (<2 mm), kleinen Basisdurchmesser und fehlendes Wachstum (Fotokontrollen) gekennzeichnet. Häufig finden sich auf der Oberfläche Drusen. Differentialdiagnose 7»Aderhautmelanom«. Aderhautmetastasen 12 EpidemiologieundÄtiologie Aderhautmetastasen sind relativ häufig. Bei Frauen ist das Mammakarzinom der häufigste Primärtumor, bei Männern das Bronchialkarzinom. Die Aderhaut ist die häufigste Lokalisation dieser Metastasen im Auge, andere Lokalisationen sind Ziliarkörper, Iris, N. opticus, Netzhaut und Orbita. Symptome,Befunde Der Patient klagt über eine Sehstörung, wenn die Metastase das Netzhautzentrum betrifft. Typischerweise sieht man einen etwas gefleckten, meist gelblich-rötlichen, mäßig prominenten Tumor am Hinterabschnitt des Auges (. Abb. 12.14), häufig mit Begleitablatio ohne Netzhautloch. Manchmal wird der Primärtumor erst aufgrund der Aderhautmetastase gefunden. .Abb.12.15. Aderhautosteom.ProminenteKalkspangen mitKnochenbälkcheninderAderhaut,diediedarüberliegen­ deNetzhautzerstören Therapie Eine externe Bestrahlung beseitigt fast immer die Metastase und erhält das Sehvermögen für die restliche Lebenszeit. und kommt meist beidseitig vor. Die Diagnose wird durch Ultraschalluntersuchung (Reflektivität sehr hoch) und CT (zeigt Kalk) gestellt. Durch den progredienten Verlauf kann es zu einseitigem oder beidseitigem Visusverlust kommen. Frauen sind häufiger betroffen. Aderhautosteom. Es handelt sich um ein Choristom (eine Wucherung versprengten Gewebes) der Aderhaut, das vor allem in Phasen hormoneller Umstellung Kalkspangen in der Aderhaut bildet (.Abb.12.15) und dadurch zu einem Untergang der darüberliegenden Netzhaut führt. Das Aderhautosteom ist sehr selten Aderhauthämangiom. Es handelt sich um einen fla chen Gefäßtumor der Aderhaut, der idiopathisch oder in Zusammenhang mit dem Sturge-Weber-Syndrom vorkommt. Er wird durch Photokoagulation, transpupillare Thermotherapie oder Bestrahlung mit Ruthenium behandelt. 201 12.3·ErkrankungenderAderhaut 12 .Abb.12.16. Aderhautamotio.Überderbräunlichen,kis­ senartigenVorwölbungderAderhautistdieNetzhautanlie­ gend,diekissenartigeEinschnürungisttypisch .Abb.12.17. KolobomderAderhaut Aderhautamotio. Hierbei handelt es sich um eine Schwellung der Aderhautkapillaren und Abhebung der Aderhaut, die als hoch vorgewölbter, dunkler »Tumor« mit glatter Oberfläche erscheint (. Abb.12.16). Die Aderhautamotio kommt bei sehr niedrigem Augeninnendruck (z. B. nach Bulbusruptur oder Glaukomoperation) oder als Begleiterscheinung bei hinterer Skleritis vor (7Kap.8.4.3). Die Aderhautamotio darf nicht mit einem Aderhautmelanom verwechselt werden. 12.3.3 Degenerationen Drusen Es handelt sich um hyaline Einlagerungen in der Basalmembran des Pigmentepithels. Diese sind beim älteren Menschen häufig und werden hier nur zur Differentialdiagnose erwähnt. Sie erscheinen als kleine helle Herdchen in der Makula und sind als Vorstufe der Makuladegeneration anzusehen (7Kap.13.7.1). Chorioideremie Diese sehr seltene Erkrankung gehört in den Formenkreis der tapetochorioidalen Degenerationen. Sie tritt bei Männern in den mittleren Lebensjahren auf und wird X-chromosomal vererbt. Man sieht rundliche, weiß-gelbe Flecken, die größer werden und konfluieren. Das Pigment der Aderhaut verschwindet, die obliterierten Aderhautgefäße werden gegen die weiße Sklera sichtbar, die Choriokapillaris geht zugrunde. Die Erkrankung beginnt am hinteren Pol und erfasst schließlich die ganze Retina. Die Erkrankung ist progredient. Eine Therapie ist nicht möglich. Atrophia gyrata Es handelt sich um eine langsam progrediente tapetochorioidale Degeneration, die autosomal-rezessiv vererbt wird. In der mittleren Fundusperipherie entwickeln sich ringförmige Atrophiezonen der Aderhaut, die nach zentral fortschreiten. Durch Mangel an Ornithinketoaminotransferase ist der Ornithin-Spiegel erhöht. Eine Arginin-freie Diät kann möglicherweise das Fortschreiten aufhalten. Degenerationen bei hoher Myopie Bei hoher Myopie treten Aderhautveränderungen auf, die Narben nach Chorioiditis sehr ähnlich sehen. Es handelt sich jedoch um Degenerationen, die durch die Dehnung der Bulbuswand entstanden sind (. Abb. 19.5). 12.3.4 Missbildungen Ein Kolobom der Aderhaut liegt immer unterhalb der Papille. Man sieht eine ausgedehnte weiße Zone, oft mit pigmentierten Rändern, manchmal mit Ausbuchtung der Bulbuswand nach hinten (.Abb.12.17). Zuweilen ist gleichzeitig ein Iriskolobom vorhanden. Die Störung entsteht durch eine Fehlentwicklung beim Schluss der Augenbecherspalte, betrifft also primär die Netzhaut, so dass man besser von einem Netzhaut-Aderhaut-Kolobom spricht. In diesem Bezirk fehlen Netzhaut und Aderhaut vollständig. 202 Kapitel12·Aderhaut(Chorioidea) In Kürze Physiologie. DieAderhaut(Chorioidea)ernährtdie ihranliegendenPhotorezeptorenderNetzhautund hältdieTemperaturdesAugeskonstant. Entzündungen. EineherdförmigeChorioiditisist häufigFolgeeinerToxoplasmose(Retinochorioiditis). SchwereSehstörungenentstehenbeiChorioiditis centralis,bogenförmigeGesichtsfeldausfällebei Chorioiditisjuxtapapillaris. DasVogt­Koyanagi­Harada­Syndrom,dieakute posterioremultifokaleplakoidePigmentepithelio­ pathieunddieserpiginöseChorioiditissindseltene AderhautentzündungenunklarerÄtiologie. 12 GlücklicherweiseseltenistdiePanuveitisbei Endophthalmitis,dieeineschlechtePrognosehat. Tumoren. MaligneMelanomederAderhautsinddie häufigstenprimärenTumorendesAugeninnerenbeim Erwachsenen.DieAbgrenzunggegenüberNävusoder Blutunggelingtmeisteindeutigdurchdasklinische Bild,zusätzlicheInformationenliefernEchographie undFluoreszenzangiographie.ZurKontrolledesVer­ laufsistdiewiederholtePhotodokumentationnützlich. DieBehandlungerfolgtbeikleinerenAderhautme­ lanomenmitStrahlenträgern,dievonaußenaufdie Skleragenähtwerden,beigrößerendurchlokale ResektionoderdurchdieEnukleationdesAuges.