Kloing 2 Hommage à Roi Ubu Samstag 1. Februar 2014 20:00 Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Bitte warten Sie den Schlussapplaus ab, bevor Sie den Konzertsaal verlassen. Es ist eine schöne und respektvolle Geste gegenüber den Künstlern und den anderen Gästen. Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt oder veröffentlicht wird. Kloing 2 Tony Arnold Sopran Hélène Fauchère Sopran Holger Falk Bariton Ueli Wiget Klavier Ensemble Modern Beat Furrer Dirigent Hommage à Roi Ubu Samstag 1. Februar 2014 20:00 19:00 Einführung in das Konzert durch Stefan Fricke Pause gegen 20:50 Ende gegen 22:00 PROGRAMM Beat Furrer *1954 La bianca notte (2013) für Sopran, Bariton und Ensemble Tony Arnold Sopran Holger Falk Bariton Bernd Alois Zimmermann 1918 – 1970 Présence (1961) Ballet blanc in fünf Szenen für Violine, Violoncello und Klavier 1ière scène,introduction et pas d’action (Don Quichote): »wir jagen das wild, das uns opfert.« 2ième scène, pas de deux (Don Quichote et Ubu): »die stählernen engel der dinge holen uns ein.« ième scène,solo (Pas d’Ubu): »Alle Wahrvögel nisten in einem 3 einzigen Baum.« 4ième scène,pas de deux (Molly Bloom et Don Quichote): »Flu­ tende Lippen umwogen den Grund … unentblätterter Schlaf, atemloses Versprechen … Insel der schwebenden Vögel.« 5ième scène,pas d’action et finale (Molly Bloom): »Im unaufhör­ lichen Tamtam deiner Haare dreht sich der Sarg der umkehrenden Träume.« Rafal Zambrzycki-Payne Violine Jan-Filip Tupa Violoncello Hermann Kretschmar Klavier Pause Hanspeter Kyburz *1960 Kaspars Tanz (2012) für Klavier Ueli Wiget Klavier Vito Žuraj *1979 Übürall (2013) Musikalische Possen für Sopran und Instrumentalgruppen Text von Alexander Stockinger Hélène Fauchère Sopran 2 Beat Furrer La bianca notte (2013) für Sopran, Bariton und Ensemble Sopran Ti ho sognato, eri tu … Tu che m’avevi portata così lontano. … Oasi serene … Tacere insieme tanto … Stesi al sole d’autunno … Più a fondo … Oasi serene … Siamo soli sulla terra … bruceremo … Perché tremo? … Se tu domani mi scrivessi che è stato un sogno, che ti sei svegliato, che non mi ami. Ich habe von Dir geträumt, du warst es … Du, der mich so weit getragen hat … Inseln der Klarheit … Zusammen so viel schweigen … in der Herbstsonne … tiefer und tiefer … Inseln der Klarheit … Wir sind alleine auf der Erde … Wir werden brennen … Warum zittere ich? … Wenn Du mir morgen schriebest, dass es ein Traum gewesen ist, dass Du aufgewacht bist, dass Du mich nicht liebst. Bariton Amore, primavera del sogno sei sola sei sola che appari nel velo dei fumi di viola. Come una nuvola bianca, come una nuvola bianca presso al mio cuore, o resta o resta o resta! Non attristarti o Sole! Liebe, Frühling des Traumes, du bist allein, bist allein, die du aufscheinst im Schleier der Veilchendünste. Wie eine weiße Wolke, wie eine weiße Wolke an meinem Herzen, o bleib, o bleib, o bleib! Traure nicht, Sonne! Sopran Non dovrei altro che tacere … È vero che m’hai detto amore? … Son tua. Sono felice … non posso più dormire … Io non trovo più il sonno e sono felice. Ich sollte schweigen … Ist es wahr, dass Du mir Liebe gesagt hast? … Ich bin Dein. Ich bin glücklich … ich kann nicht mehr schlafen … Ich finde keinen Schlaf mehr und bin glücklich. Sopran/Bariton Aprimmo la finestra al cielo notturno. Gli uomini come spettri vaganti: vagavano come gli spettri: e la città (le vie le chiese le piazze) si componeva in un sogno cadenzato, come per una melodia invisibile scaturita da quel vagare. Non era dunque il mondo abitato da dolci spettri e nella notte non era il sogno ridesto nelle potenze sue tutte trionfale? Qual ponte, muti chiedemmo, qual ponte abbiamo noi gettato sull’infinito, che tutto ci appare ombra di eternità? A quale sogno levammo la nostalgia della nostra bellezza? La luna sorgeva nella sua vecchia vestaglia dietro la chiesa bizantina. Wir öffneten das Fenster auf den nächtlichen Himmel. Die Menschen wie irrende Geister: wie Geister irrten sie: und die Stadt (die Gassen, die Kirchen, die Plätze) erbaute sich im Gleichtakt eines Traums, wie durch eine unsichtbare Melodie jenem Irren entsprungen. So war die Welt nicht von sanften Geistern bewohnt, in der Nacht nicht der Traum erwacht, triumphierend in all seinen Kräften? Welche Brücke, fragten wir uns stumm, welche Brücke haben wir über das Unendliche geschlagen, dass uns alles ein Schatten der Ewigkeit scheint? Zu welchem Traum erhob sich uns die Sehnsucht nach der Schönheit? Der Mond stieg auf in seinem alten Kleid hinter der byzantinischen Kirche. 3 Quellen (1) S ibilla Aleramo / Dino Campana: Un viaggio chiamato amore. Lettere 1916 – 1918. A cura di Bruna Conti. Giangiacomo Feltrinelli Editore Milano 2000. (2) D ino Campana, Canti orfici, Ravagli, Marradi 1914. Deutsche Übersetzung von Hanno Helbling in: Dino Campana, Orphische Gesänge. Canti orfici, Carl Hanser Verlag, 1995 München, Wien. Vito Žuraj Übürall (2013) Musikalische Possen für Sopran und Instrumental Text von Alexander Stockinger Entrée Je suis Übü. Kann alles, sieht alles weiß alles. Übü, übü, übürall bin ich gewesen, et je vous présente: La musique! La parole! L’ ubiquité! Bäääääh Ich bin Übü, die Allwissenheit. Ich kenne das alltägliche Theater, alle eure Rollen, euren schwächsten Punkt! Folgt mir in die finsteren Ecken der menschlichen Seele und seht: Wir sind Ungeheuer! Doch was wären wir schon ohne unsere Abscheulichkeiten? Also, auf zur ersten Station unserer Reise! Station 1 Abgrund Nummer eins, SELBSTMITLEID! Wir sind auf Polarexpedition und greulich tobt es vor der Küste Feuerlands. Sturmumtost schwanken die Luster im Salon der MS Timothea, als meine Freundin – naja, Freundin wäre zu viel gesagt – als meine Bekannte sich im Kapitän verkrallt und kreischt Affonderemo! Affonderemo, come un nave in mezzo all’onde! Diese Italiener! Sie hatte Recht, wir tranken und sanken wie die Titanic, na gut, warum also das Theater? Ave, maris stella, dei Mater alma, atque semper Virgo, Felix caeli porta. Lamentieren, das konnte Sie 4 »Oh lasset mich sterben! Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte!« Lasciatemi morire! E chi volete voi che mi conforte in così dura sorte, in così gran martire? Lasciatemi morire! Die war vielleicht zäh! Der Kapitän hatte schon längst absalutiert und die Kapelle gurgelte bereits Pinguinpisse, doch diese, diese … Ah! si schiude il ciel. O terra, addio, addio, valli di pianti, addio. Nun rasch hinfort zum nächsten Ort! Station 2 Moskau, die Zweite! EGOMANIE Sie kennen Sie doch auch, diese Narzissisten, Kapitalitisten, Kolonialilisten, Globobali-isten, Milli-dari-disten, Flexbibabilasten, Omnipotentasten, Numerikontoprasten, Investobenkokasten, Gigantomanoplasten, Empathiopsychostasten, Spekulantitisten, Hektopentapesten Homeostatotesten, Systemimanilisten, Immanobabelesten, jadiebestebeste-esten. Ja die Besten, ja die Besten! Wären wir nicht gerne so wie sie? Und wie! Ja chotschju tebja. Er will mich. Ein Mann, eine Ansage. Tii prenadleshisch mnje. Ich gehöre ihm. Warum? Patomuschto eto tak. Weil es so ist. Twoja grudj sswetiza kak zoloto. Meine Brüste leuchten wie Gold! Ja beru tolljko to, schto prenadleshiit mnje. Er nimmt sich nur, was ihm gehört. 5 Mir gehören sieben Frauen: eine aus Litauen, englische zwei, aus Amerika drei. Keine lieb’ ich, drum wasche, rasiere, wasche ich mich, rasiereturnoninvestmentaaah! Shareholder Equity und Off-shore-ka-pi-tal, mir gehören sieben Frauen! Sieben an der Zahl. Cash overflow-oh. Oh! Oh! Overflow. Drecksack! Dies ist der Kuss der Frau Übü! Und tschüss, ab die Post, hinfort nach Caracas! Station 3 Makel, der Dritte: LEIBLICHKEIT, und was für eine! In der schäbigsten Taqueria von Caracas sitzt neben mir ein Kugelmensch. Er leckt sich die Finger, schleckt sich den Mund, ächzend, seufzend, lechzend. Hier ist es, sein Mittagsmenü: Syrische Schenkelsuppe; Rippen vom Ratzodon; Faulbraten auf Trampelgelee; Hundepasteten und Putensteiße; Charlotte nach Russenart; Schreißbombe, Schwalbenlippen und Steinknötchen; Wellfleisch nebst Gammelkaprizen; Aschenknödel, Erdbirnen und Hottentotenhaufen; siamesische Fettlamellen; Büffelhüften unter Consommé vom Karibu; zartestes Geschwür vom Brillenbär, Spechtsuppe im Feuertopf, abgehangenes Rosenfleisch und natürlich Knorpelquiche. Potz Wampenhorn, welch Fett! Deschde schiempre me he traschado el coraje. Ich habe schon immer alles in mich hineingefressen. Ich hatte eine schwere Kindheit. Agí esdoy en casa. Me voy a schedar aquí para schiempre. Er ist hier festgewachsen. Doch wohl eher »fettgewachsen«?! Me conschumen las preocupaschiones. Si fuera delchado, quién sería, quíen me amaría? Con orchullo tomo esda garga, aquí está grabado mi nombre: LA GORDURA! FEDERICO FETTWANST! Te puedo comer? Que rico sabes, que rico sabes, todo el mundo! Er möchte mich fressen! Que rico sabes! Letzter Stopp: Polen! 6 Station 4 Vater Übü! Die Krönung! Auf der polnischen Seenplatte kocht der menschliche Morast auf kleiner Flamme: FEIGHEIT! GRAUSAMKEIT! Wer ist es, der sagt, ich sei ein Schurke? Ich, du Schurke, verderbter! Zeige dich! Ich bin der Geist, der stets vereint, Ich ward geschaffen, Unheil anzustiften, Zu locken, zu verführen, zu vergiften. Er ist ein Scheusal, ein missratenes. Da bist du endlich! Bring mir die Künstlerkasse, den Künstlerhaken, das Künstlermesser und das dicke Künstlerbuch! Wie er zittert dieser Leib, wissend, welchen Weges ich ihn führen werde. Ich verkünde, zur Bereicherung der Ubiquität den gesamten Künstlerstand zu exekutieren. Die Kunst ist tot – es lebe die Künstlichkeit! Jawohl, weg mit den Künstlern! Wer bist du, elender Lump? Kakakakafka, Franz, unglücklicher Jurist. Recht so! Verurteilt, ins Künstlerloch mit ihm! Der nächste! Van Gogogogogh, Vivivivincent, mittelloser Künstler. Mittellos? Sogleich das Künstlermesser für diese Unverschämtheit! Einer noch! Zizizizimmermann, Bernd Alois, zeitlebens veveverkannt. Genug, genug. Sonst nichts? Alsdann, auf den Künstlerhaken mit ihm! Ach, Mutter Übü, wie gut, dass wir einander haben. Alles was wir suchen ist Wahrheit, Schönheit und rosiges Knabenfleisch! Knabenfleisch, Scheusal! Satisfaktion! Auch dir den Kuss der Madame Übü! Man töte diesen Mann! Bäääääh! 7 Zu den Werken Hommage à Roi Ubu Das am 10. Dezember 1896 im Pariser Théâtre de L’Œuvre urauf­ geführte Theaterstück Roi Ubu des französischen Literaten Alfred Jarry (1873 – 1907) ist ein bitter-komisches Drama: Ein Hauptmann ergreift die polnische Krone, und er, der Usurpator, erweist sich als brutaler, geldgieriger Despot. Um seinen Reichtum zu meh­ ren, lädt er Adlige und wohlhabende Bürger zum Souper, ver­ urteilt sie währenddessen zum Tod, stößt sie durch eine Falltür und der Weg zu deren Habe ist frei. 1960 will eine Kölner Studen­ tengruppe diesen Vorläufer des absurden Theaters, der ein Jahr zuvor als König Ubu in deutscher Übersetzung durch die Ehe­ leute Marlis und Paul Pörtner erschienen ist, auf die Bühne brin­ gen. Man bittet den Komponisten Bernd Alois Zimmermann um eine passende Theatermusik, die schließlich – der Angefragte wird krank – dessen Schüler Manfred Niehaus realisiert. Aber das Thema lässt Zimmermann nicht los. Er schreibt etwas später die Musique pour les soupers du Roi Ubu, eine Ballettmusik, die auch ohne Tanz aufgeführt werden kann, eine einzigartige Musikcol­ lage, deren klingende Ingredienzien Kompositionen von der Renaissance über Berlioz und Wagner inklusive MussorgskyAnklängen bis zur Gegenwart entnommen und kombiniert sind: Arthur Honegger wird zitiert, Luigi Dallapiccola, Paul Dessau und Ernst Pepping sowie Karlheinz Stockhausen. Auch sich selbst ver­ gisst Zimmermann nicht. Seine Musik über Musik, eine Musik mit Musik vorwiegend von anderen, ist ein humorvolles wie bissiges, groteskes wie böses Unikat der Konzertsaalgeschichte. Gerade das Zusammentreffen von Wagners Walkürenritt und den häm­ mernden, im Original wie in der Übernahme durch Zimmermann hunderte Male sich wiederholenden Initialklängen aus Stockhau­ sens Klavierstück IX (1954/61) zeigt Parallelen, die in den sechziger Jahren – Bazi, wie man in Köln sagt, arbeitet von 1962 bis 1967 an diesem epochalen Zitatpotpourri – kaum jemand hat ahnen kön­ nen. Er antizipiert, was später, ab den achtziger Jahren oft in der Stockhausen-Rezeption zu lesen ist, die mythologischen und for­ malen Parallelen zwischen Wagners vierteiligem Ring-Monument und Stockhausens siebenteiligem LICHT-Universum. Sein Ballet noir en sept parties et une entrée, wie die Musique pour les soupers du Roi Ubu im Untertitel heißt, ist Bernd Alois 8 Zimmermanns Gegenstück zu dem Ballet blanc et cinq scènes pour violin, violoncelle et piano mit dem Haupttitel Présence, das er 1961 im Auftrag des Hessischen Rundfunks komponiert und das am 8. September 1961 bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt uraufgeführt wird. Das Premiere-Personal sind der Pianist Hans Priegnitz, der Geiger Bernhard Hamann und der Cellist Siegfried Palm. Zudem verlangt die Partitur, wie übri­ gens auch die der späteren »Ubu-Roi-Musique« einen von einem Tänzer verkörperten »speaker«, der »gemäß der Herrenmode um die Jahrhundertwende« korrekt gekleidet sein soll, mit Kopfbede­ ckung. Dieser »Tänzer/Sprecher«, der übrigens stets stumm bleibt, hat die Aufgabe, zu Beginn eines jeden Satzes Schriftbilder auf Tafeln zu zeigen, die die Funktion eines lettristischen Bühnenbil­ des haben. Es handelt sich dabei um Wortembleme, die Zimmer­ mann dem 1960 publizierten Gedichtband Wurzelwerk von Paul Pörtner entnommen hat. Die Darmstädter Uraufführung, die in Abwesenheit des Komponisten stattgefunden hat – Zimmermann brach kurz zuvor mit dem bis dahin von ihm regelmäßig besuch­ ten »Mekka der neuen Musik«, weil er sich dort nicht recht akzep­ tiert fühlte, was so übrigens nicht ganz stimmt –, ist nicht-sze­ nisch realisiert worden. Wegen der Rundfunkaufnahme ersetzte man die »speaker«-Aktionen durch zwei Sprecher, die die Pört­ ner-Worte rezitierten. Erst 1968 kommt es bei den Schwetzinger Festspielen zur ersten Choreografie durch John Cranko. Heute abend wird das Werk übrigens auch nicht szenisch aufgeführt. Présence, so notiert Zimmermann in seinem Werkkommentar, »ist die dünne Eisschicht, auf der der Fuß eben nur so lange ver­ weilen kann, bis sie einbricht; aber während der Fuß noch für den Bruchteil einer Sekunde auszuruhen vermeint, bricht sie schon, die dünne Decke, und zurück bleibt die Gewissheit des Pack­eises; voraus der Blick in die Zukunft mit der Gewissheit der immer wieder neu begonnenen Gegenwart des Splitterns der Eisschicht und die Absurdität, die in dem ständig unternom­ menen Versuch liegt, Fuß zu fassen. So erscheint Présence als jene Gegenwart, die Vergangenheit und Zukunft miteinander verbindet.« Diese Zeitkonzeption, diese, wie Zimmermann selbst sagt, »Kugel­ gestalt der Zeit«, realisiert er, wie so oft in seiner Musik, durch den 9 weidlichen Gebrauch von Zitaten. Neben Eigenreferenzen sind das in Présence Partikel und Fragmente aus Werken von Prokof­ jew, Richard Strauss, Mozart, Debussy und in der dritten Szene aus Karlheinz Stockhausens Zeitmasze (1955/56) für Holzbläserquintett, das Zimmermann hier seinem Klaviertrio anpasst. Und dieses Zitat hat der »speaker« anschließend zu kommentieren: Die Worttafeln künden von »le mot d’Ubu: merdre«. Diese krypto-französische Vokabel »merdre« hat der Jarry-Übersetzer Pörtner als »Schreisse« verdeutscht. Und Zimmermann hat die inhaltlich-persönliche Umgebung des Neologismus in Présence in einem Brief an seinen Verlag, Schott in Mainz, noch pointiert: »Schreisse also sprach der Knabe, schwang fröhlich den Physikstock und schritt, in Pfuinanz­ pferd hinter sich am Zügel ziehend, pfuieifend durch das Pfuinanz­ tor: ins Pfreie. Mit heiterem Pfuisikalgruß Ihr Bapfuizifal.« In Présence sind die Zitate nur recht schwer herauszuhören; sie sind eher spür- als erkennbar. Man ahnt, dass hier durch die Musikgeschichte geschlendert wird, zudem durch die Litera­ turgeschichte. Denn jedes der drei Instrumente verkörpert eine berühmte literarische Figur: Die Geige repräsentiert Don Qui­ chotte aus dem Roman El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha (1605/15) von Miquel de Cervantes (1547 – 1616), das Cello die Molly Bloom aus dem Roman Ulysses (1922) von James Joyce (1882 – 1941) und das Klavier den Roi Ubu aus Jarrys gleichnami­ gem Drama. Überdies sollen die instrumentalen Protagonisten eigentlich auch kostümiert sein, um so wohl die literarischen Bezugnahmen etwas klarer zu markieren: Geiger(in) mit »Gold­ helm, Visier und Federbusch«, Cellist(in) mit »Tutu und Maske der Gaia-Tellus« (also Ballerina-Kostüm und Vermummung als grie­ chische bzw. römische Göttin der Erde) und Pianist(in) mit dem Kopf von einem Tapir (ein etwas schwerfälliges Rüsseltier, das äußerlich an ein Schwein erinnert, aber mit Pferd und Nashorn verwandt ist). Oft allerdings wird das Stück ohne diese Kostü­ mierungen aufgeführt. Die fünf Szenen von Présence sind: 1ière scène, introduction et pas d’action (Don Quichote): »wir jagen das wild, das uns opfert.« 2ième scène,pas de deux (Don Quichote et Ubu): »die stählernen engel der dinge holen uns ein.« 10 3ième scène,solo (Pas d’Ubu): »Alle Wahrvögel nisten in einem einzigen Baum.« 4ième scène,pas de deux (Molly Bloom et Don Quichote): »Flu­ tende Lippen umwogen den Grund … unentblät­ terter Schlaf, atemloses Versprechen … Insel der schwebenden Vögel.« 5ième scène,pas d’ation et Finale (Molly Bloom): »Im unaufhörli­ chen Tamtam deiner Haare dreht sich der Sarg der umkehrenden Träume.« Bernd Alois Zimmermann Présence ist wohl das experimen­ tellste und rätselhafteste Werk in seinem Œuvre, zugleich finden sich hier bereits angedeutete literarische Aspekte, die er später konkreter aufgegriffen hat, etwa den Schlussmonolog der Molly Bloom aus Joyces Ulysses in seinem Requiem für einen jungen Dichter (1969). Présence verlangt die Vorstellungskraft und die Krea­tivität der Zuhörer/Zuschauer. In seinem Werkkommentar notiert Zimmermann: »Vor allem der instrumentale Aspekt, von der trivialen Banalität der tausendmal Gesagten bis zur völlig neuen Sicht des Instruments reichend, tritt in dieser Komposition hervor, in welcher der Versuch unternommen wird, die szenische Aktion in eine sich gegenseitig bedingende Opposition zum Inst­ rumentalen zu bringen und dadurch als ein szenisches Ganzes in einem neuen Sinne zu entwickeln. Imagination und Abbreviatur im Szenischen setzen die Funktion dessen voraus, ohne die Kunst nicht realisiert werden kann: die Phantasie, nicht zuletzt die, an deren Adresse der Komponist sich wendet: des Publikums.« Vito Žuraj: Übürall (2013) Übürall – so nennt der 1979 geborene, slowenische Komponist Vito Žuraj seine 2013 entstandenen, im Untertitel als »musikali­ schen Possen« ausgewiesenen, indes völlig freie Referenz zu Zimmermanns Musique pour les soupers du Roi Ubu, das am 21. November 2013 durch das Ensemble Modern im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main uraufgeführt worden 11 ist. Žuraj, der bei Marko Mihvevc, Lothar Voigtländer und Wolf­ gang Rihm studiert und mehrere Preise wie Stipendien erhalten hat, hat für diese Komposition, eine veritable Raummusik für Sopran und Ensemble, das Konzept mit dem Wiener Librettisten und Dramaturgen Alexander Stockinger (*1986) erarbeitet, der auch den Text verfasste. Die Sängerin, wie bei der Uraufführung auch im heutigen Köln-Konzert ist das Hélène Fauchère, ist – so Stockinger – »die Moderatorin des Abends, Madame Übü, Polin. Sie weiß Bescheid, she’s seen it all. Sie kennt das alltägliche Theater, sie kennt die Rollen und Masken, die du an- und auf­ nimmst; sie kennt eure schlechtesten Facetten, sie kennt meinen schwächsten Punkt. Madame Übü thront über allem und gelei­ tet uns an unsere persönlichsten Orte. Übü ist eine Meisterin der Erzählkunst. Fünf kurze Geschichten, fünf verschiedene Sprech­ weisen, fünf menschliche Grundmuster.« Und diese sind »Selbst­ mitleid, Egomanie, Leiblichkeit, Feigheit, Grausamkeit«, und sie äußern sich in stimmlich-gesanglicher Vielfalt sowie teils auch szenischen Aktionen zudem als instrumentales Kaleidoskop mit variantenreichen Koloriten aus unterschiedlichen Richtungen und teils imposanten Vergrößerungen und Spreizungen, einer zupackenden wie bizarren Klanglichkeit. Im selben Frankfurter Konzert, der Eröffnungsveranstaltung der zweiten Biennale für Moderne Musik Frankfurt Rhein Main namens »cresc.«, in dem Vito Žurajs Übürall seine Premiere erlebte, ist auch das Stück La bianca notte von Beat Furrer durch das Ensemble Modern uraufgeführt worden. Es ist Teil seines gerade in Arbeit befindlichen Musiktheaters und ist eine Szene in der Nacht, in der sich ein Paar (Bariton und Sopran) begegnet, als kämen sie aus verschiedenen Räumen – eine traumhafte, irre­ ale Situation. Den Text dafür hat Furrer aus den 1914 publizierten Canti orfici, den »Orphischen Gesängen« des italienischen Dich­ ters Dino Campana (1885 – 1932) destilliert und ergänzt um Pas­ sagen aus Briefen der italienischen Schriftstellerin und Feminis­ tin Sibilla Aleramo (Klarname: Rina Faccio, 1876 – 1960) ergänzt, die sie 1916 an Campana geschrieben hat, den sie ein Jahr zuvor kennenlernte, und die von dem Unfassbaren einer neuen Liebe künden. »Interessant war für mich«, so hat der seit langem in Österreich lebende Schweizer Komponist und Dirigent Beat Furrer im Gespräch mit der Musikwissenschaftlerin Marie Luise 12 Maintz über seine »Weiße Nacht« gesagt, »das psychologische Ausgestalten der Figur, der Stimme zwischen Sprechgestus und Stilisierung. Es war wesentlich, zu einer Melodik zu kommen, die sich von dem spektral harmonischen Konzept befreit. Es ist die Stimmführung, die alles andere bestimmt und aus dem Gestus der verwendeten Texte resultiert.« Irisierend, elegant, poetisch, aber auch somnambul ist die gesamte Klangtextur dieser reinen Hörtheater-Szene, die sich literarisch wie auch habituell aus zwei Räumen speist, die sich allmählich annähern und dann zu einem gemeinsamen wie geheimnisvoll-intimen Ort verschmelzen. Hanspeter Kyburz: Kaspars Tanz (2012) Für den in Berlin lebenden und lehrenden Schweizer Kompo­ nisten Hanspeter Kyburz beginnt mit jedem neuen Stück eine eigene, durchaus auch langwierige, besonders aber akribische und (selbst-)analytische »Forschungsarbeit«, die schließlich in einer ausnotierten Komposition mündet. Diese detaillierten Son­ dierungstätigkeiten förderten auch einige Systematisierungen der eigenen Ecriture zu Tage, etwa algorithmische Konstrukti­ onen für ganz verschiedene Parameter seines Komponierens. Irgendwann wollte Kyburz dieses Verfahren nun loslassen, Neues ausprobieren, einen anderen Weg gehen. Und diesen ging er, wie so viele Komponisten, über sein Instrument, das Klavier, das ihm seit der Kindheit vertraut ist, dessen Spielgesten ihm körperlich eingeschrieben sind. Während des Schreibens an einem Klavier­ stück erinnerte er sich an Kaspar Hauser, an jenen rätselhaften, über Jahre hinweg nahezu völlig isoliert und in einem winzigen Raum eingesperrten Findling, der 1829 gefunden wurde und der vier Jahre später in Ansbach wohl im Alter von 21 Jahren gestor­ ben ist. Auf die Frage nach seiner Herkunft soll er gesagt haben: »Ein solcher Reiter möchte ich werden, wie mein Vater gewesen ist.« Überdies berichtet man, er, der langjährig Außengestoßene und deswegen Verstörte und Wortkarge, soll in den wenigen Jahren seiner Zeit unter den Menschen gelernt haben, schön und virtuos zu tanzen. Und während des Komponierens von dem nun so genannten Klaviersolo Kaspars Tanz (2012) begegnete Hans­ peter Kyburz auch das Gedicht Der Knabe von Rainer Maria Rilke 13 (1875 – 1926), das dieser 1902/03 in Paris schrieb und das sich auf das Schicksal Kaspar Hausers bezieht: Ich möchte einer werden so wie die, die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren, mit Fackeln, die gleich aufgegangenen Haaren in ihres Jagens großem Winde wehn. Vorn möchte ich stehen wie in einem Kahne, groß und wie eine Fahne aufgerollt. Dunkel, aber mit einem Helm von Gold, der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht zehn Männer aus derselben Dunkelheit mit Helmen, die wie meiner unstet sind, bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind. Und einer steht bei mir und bläst uns Raum mit der Trompete, welche blitzt und schreit, und bläst uns eine schwarze Einsamkeit, durch die wir rasen wie ein rascher Traum: die Häuser fallen hinter uns ins Knie, die Gassen biegen sich uns schief entgegen, die Plätze weichen aus: wir fassen sie, und unsre Rosse rauschen wie ein Regen. Sein Klavierstück Kaspars Tanz, zu dem sich Rilkes Verse wie ein parallele Poesie lesen lassen, hat Hanspeter Kyburz dem Pianis­ ten und Harfenisten Ueli Wiget, Mitglied des Ensembles Modern, gewidmet, der das unruhige, stetig und forsch nach vorne pir­ schende Werk (mit gelegentlichen Stockungen) am 3. November 2012 in der Alten Oper Frankfurt uraufgeführt hat. Stefan Fricke 14 Biographien Tony Arnold Tony Arnold zählt zu den führenden Interpreten Neuer Musik. Sie begann ihre musikalische Laufbahn als Dirigen­ tin und entdeckte mit Anfang Dreißig ihre besonderen Fähigkeiten als Sän­ gerin. Seit ihren Wettbewerbserfolgen 2001 beim Gaudeamus-Wettbewerb in den Niederlanden und beim Louise D. McMahon Competition in den USA, bei denen sie jeweils den Ersten Preis gewann, arbeitet sie mit den interna­ tional renommiertesten Komponisten und Instrumentalisten zusammen. Sie trat mit Ensembles wie dem Chicago Symphony Orchestra’s MusicNOW, der Los Angeles Philharmonic New Music Group, dem Talea Ensemble, dem Ensemble 21, eighth blackbird, Contempo, dem Orchestra of St. Luke’s, dem New York New Music Ensemble, Boston Modern Orchestra Project und Ful­ crum Point auf. Als Mitglied des George Crumb Ensemble hat sie zahlreiche Tourneen durch die Vereinigten Staaten gemacht. Mit dem International Contemporary Ensemble (ICE) hat sie über 25 für sie geschriebene Werke uraufgeführt. Mit der Urauffüh­ rung von Beat Furrers La bianca notte im Rahmen des Festivals »cresc…2013« im vergangenen November in Frankfurt hatte sie ihr Debüt beim Ensemble Modern. Tony Arnold hat darüber hinaus Werke von Komponisten wie Georges Aperghis, David Lang, Philippe Manoury, Pamela Mad­ sen, Fredrick Gifford, David Liptak, Christopher Theofanidis, Gabriela Frank und David Gompper uraufgeführt. Mit dem Gei­ ger Movses Pogossian hat sie György Kurtágs Kafka Fragmente weltweit in über 40 Spielstätten aufgeführt, u. a. beim Tongyeong International Music Festival in Korea und beim Festival Perspec­ tives XXI in Armenien. Beim italienischen soundSCAPE Festival in Maccagno ist sie jeden Sommer als Sängerin und Lehrerin tätig. 2008 war sie zu Gast bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt. Dieses Jahr wird sie zum wiederhol­ ten Mal beim Cervantino Festival in Mexiko auftreten. Für 2014 steht beim Chamber Music Festival in Santa Fe die Uraufführung 15 eines Werkes von Brett Dean auf dem Programm, welches er für sie und das Orion String Quartet schreibt. Von Tony Arnold sind zahlreiche Einspielungen auf CD erschie­ nen, u. a. die Kafka Fragmente, Messiaens Liederzyklus Harawi, Jason Eckardts Undersong mit dem Ensemble ICE, Berios Sequenza III sowie alle Lieder von Webern. Ihre Aufnahme von George Crumbs Ancient Voices of Children war 2006 für den Grammy Award nominiert. Für 2009 erhielt sie eine Gastprofes­ sur an der Eastman School of Music in Rochester/New York. Seit 2003 unterrichtet sie an der Universität von Buffalo, wo sie auch ein Ensemble für erweiterte Vokaltechnik, BABEL, gegründet hat. Tony Arnold gibt Meisterklassen für Sänger, Komponisten und Instrumentalisten weltweit. Bei uns ist sie heute zum ersten Mal zu hören. 16 Hélène Fauchère Die französische Sopranistin Hélène Fauchère studierte zunächst Flöte, bevor sie zum Gesangsunterricht wechselte. Früh interessierte sie sich für Ensem­ ble- und Kammermusik. Als Teil eines Projektes von Jean-Marie Cottet sang sie 2007 den Pierrot Lunaire und 2009 mit Claude Delangle Lagunes et Lucanes VI-X von Alain Louvier. Während der letzten sechs Jahre arbeitete sie regelmäßig mit den Solistes XXI unter Rachid Safir und gastierte mit ihnen an der Opera de Paris, dem Amphithéâtre Bastille und am IRCAM. Darüber hinaus arbeitete sie mit Sequenza 9.3, mit La Chapelle Rhénane und mit Les Siè­ cles unter François-Xavier Roth. Als Solistin arbeitete sie mit dem Klangforum Wien, dem Ensemble Modern, Contrechamps sowie dem Münchener Kammerorchester und war zu Gast am Theater Basel, dem Theater an der Wien, der Akademie der Künste und der Schaubühne Berlin, in der Kölner Philharmonie und im Studio Ansermet Genf. Sie wurde zur Akademie Acanthes eingeladen, zum Festival Arcus Temporum Pannonhalma (Ungarn), dem Fes­ tival Jazzlines in München, dem Tongyeong International Music Festival in Korea, den Wiener Festwochen, Musica Strasbourg und zu cresc… Biennale für Moderne Musik in Frankfurt a. M. Hélène Fauchère arbeitete dabei mit Dirigenten wie Sylvain Cambreling, Beat Furrer, Jean Deroyer, Szolt Nagy, Alexander Liebreich, Emi­ lio Pomarico, Léo Warynski, Kanako Abe und Stefan Schreiber zusammen. 2010 verkörperte sie eine der beiden Hauptrollen in der Oper Wüstenbuch von Beat Furrer mit dem Klangforum Wien in einer Inszenierung von Christoph Marthaler am Theater Basel. Im Sep­ tember 2012 war sie die Junge Blonde Frau in der Oper Thanks to my eyes von Oscar Bianchi mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von Franck Ollu bei Musica Strasbourg. Bei uns war Hélène Fauchère zuletzt im Mai 2012 im Rahmen des Festivals ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln zu Gast. 17 Holger Falk Holger Falk startete seine Sängerlauf­ bahn bei den Regensburger Domspat­ zen und studierte daraufhin in Würz­ burg und in Mailand bei Sigune von Osten, Franco Corelli und Neil Semer. Engagements führen ihn u. a. an das Théâtre de Champs-Elysées in Paris, das Teatro Real Madrid, das Theatre de la Monnaie Brüssel, die Bayerische Staatsoper München, das Theater an der Wien, die Nationaloper Warschau, das Boston Early Music Festival, die Oper Frankfurt und andere deutsche Opernhäuser. Holger Falk hat neben barockem und klassischem Repertoire einen Schwerpunkt auf das zeitgenössische Musiktheater gelegt. In den letzten Jahren sang er Rihms große Hauptpartien – Jakob Lenz in Warschau, Dionysos in Heidelberg und Cortez in Madrid. Er hat Opern von Benoit Mernier (Frühlings Erwachen in Brüssel), Miroslav Srnka (Make no Noise in München), Steffen Schleierma­ cher, Jan Müller-Wieland, Hans Gefors und Vladimir Tarnopol­ ski uraufgeführt und konzertierte mit Ensembles wie Ensemble Modern, Ensemble Kontraste, Ensemble Avantgarde und Ensem­ ble musikFabrik sowie den Ensembles für Barockmusik wie Elyma Genéve, Elbipolis Hamburg oder Concerto Köln. Als Konzertsänger und Liedinterpret singt Holger Falk u. a. an Häusern wie dem Gewandhaus Leipzig, dem Palais de BeauxArts Bruxelles und der Franz-Liszt-Akademie Budapest, beim Rheingau Musik Festival, bei den Berliner Festspielen, dem Dresdner Musiksommer, dem Schleswig-Holstein Musik Festival und dem Steirischen Herbst Graz. In der Saison 2013/14 debütiert Holger Falk als Cortez in Rihms Die Eroberung von Mexico am Teatro Real Madrid. Er singt die Titelrolle in Monteverdis L’Orfeo an der Oper Lausanne, den Nunte in Hasses Oper Leucippo mit Concerto Köln unter Konrad Junghänel bei den Schwetzinger Festspielen, »Ein Mann« in der 18 Uraufführung der Oper Der Goldene Drache von Peter Eötvös mit dem Ensemble Modern an der Oper Frankfurt und den Cimarron von Henze bei den Tagen Neuer Musik Würzburg. Liederabende führen ihn an das Gewandhaus Leipzig, das Künstlerhaus Mün­ chen und das Mendelssohn-Haus Leipzig. In Frankfurt sang er die Uraufführung von Beat Furrers La bianca notte. Auf CD erschienen u. a. eine Gesamtaufnahme aller 115 Mélo­ dies für Männerstimme von Francis Poulenc, Hölderlin-Lieder von Josef Matthias Hauer, eine Hommage à August Stramm sowie Schuberts »Schwanengesang« und Sinnig zwischen beiden Welten mit dem Ensemble Hafez. 2014 erscheint außerdem eine CD mit Liedzyklen von Wolfgang Rihm sowie eine Aufnahme der Lie­ der von Hans Jürgen von der Wense bei Deutschlandradio Kul­ tur. Bei uns war er zuletzt im März 1992 zu Gast. 19 Ueli Wiget 1957 in Winterthur geboren, erhielt Ueli Wiget mit zehn Jahren den ersten Kla­ vierunterricht bei Klaus Wolters. Von 1978 bis 1983 studierte er Klavier und Harfe in den Klassen von Hans Leygraf und Ruth Konhäuser in Hannover und schloss beide Fächer mit dem Konzert­ examen ab. Von 1983 bis 1986 setzte er seine Studien bei György Kurtág und Zoltán Kocsis an der Budapester LisztAkademie fort. Ueli Wiget gewann den 1. Schweizer Jugendmusikwettbewerb sowie den Wettbewerb der BRD-Musikhochschulen, ebenso ist er Träger internationaler Preise (Sydney, Monza, Leipzig). Seit 1986 ist Ueli Wiget Pianist des Ensemble Modern und dort mit vielfältigen Aufgaben und Stilrichtungen betraut; solistisch ist er bei den großen Festivals aufgetreten, ebenso als Solopart­ ner namhafter Orchester. Auch als Kammermusiker ist er häufig präsent, regelmäßig mit dem Vermeer- und dem Carmina-Quar­ tett. Seine 2009 bei Ensemble Modern Medien erschienene Por­ trät-CD enthält ausschließlich Kammermusik des griechischen Komponisten Nikos Skalkottas. Mit dem Ensemble Modern war er bei uns schon häufig zu Gast, zuletzt im Mai 2013. 20 Ensemble Modern Die Gründung des basisdemokratisch organisierten Ensemble Modern war eine Initiative von StudentInnen der Jungen Deut­ schen Philharmonie im Jahr 1980 mit dem Ziel, Neue Musik zu fördern und angemessen aufzuführen. Seit 1985 ist das Ensemble Modern in Frankfurt am Main beheimatet. Es zählt zu den welt­ weit führenden Ensembles für Neue Musik. Seit 1987 ist das Ensemble Modern eine Gesellschaft bürgerli­ chen Rechts (GbR) mit den MusikerInnen als Gesellschaftern. Zurzeit vereint das Ensemble 19 Solisten verschiedener Natio­ nalitäten: Argentinien, Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Indien, Japan, Polen und die Schweiz bilden den kulturellen Hin­ tergrund dieser Formation. Das Ensemble Modern ist bekannt für seine weltweit einzigar­ tige Arbeits- und Organisationsweise: Es gibt keinen künstleri­ schen Leiter; Projekte, Gastmusiker, Koproduktionen und finan­ zielle Belange werden gemeinsam entschieden und getragen. Jeder Gesellschafter bringt seine persönlichen Erfahrungen 21 und Vorlieben in die Planung ein, woraus eine einzigartige und unverwechselbare programmatische Bandbreite resultiert. Diese umfasst Musiktheater, Tanz- und Videoprojekte, Kammermu­ sik, Ensemble- und Orchesterkonzerte. So entstanden außer­ gewöhnliche und oftmals langjährige Zusammenarbeiten u. a. mit John Adams, George Benjamin, Peter Eötvös, Heiner Goeb­ bels, Hans Werner Henze, Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann, György Kurtág, György Ligeti, Benedict Mason, Karlheinz Stock­ hausen, Steve Reich und Frank Zappa. Tourneen führten das Ensemble Modern nach Afrika, Australien, China, Indien, Japan, Korea, Südamerika, Taiwan, Russland und in die USA. Regelmäßig tritt es bei renommierten Festivals auf, u. a. bei den Salzburger Festspielen, den Klangspuren Schwaz, den Festwochen Wien, dem Musikfest Berlin, bei ACHT BRÜ­ CKEN | Musik für Köln, dem Lincoln Center Festival in New York, settembre musica in Turin, dem Festival d’Automne à Paris, dem Festival Ars Musica in Brüssel, dem Holland Festival in Amster­ dam und dem Lucerne Festival. Das Ensemble Modern gastiert auch in Deutschland an herausragenden Spielstätten. An der Alten Oper Frankfurt gibt es seit 1985 eine Abonnementreihe und in Kooperation mit der Oper Frankfurt finden regelmäßig Opernproduktionen sowie unter dem Titel ›Happy New Ears‹ Werkstattkonzerte statt, innerhalb derer zentrale Werke der zeit­ genössischen Musik vorgestellt und erläutert werden. Eine enge Zusammenarbeit verbindet das Ensemble Modern mit zahlrei­ chen deutschen Veranstaltern, darunter die Kölner Philharmonie, die Konzerthäuser Berlin und Essen und das Festspielhaus Baden-Baden. Jährlich gibt das Ensemble Modern etwa 100 Konzerte. In enger Zusammenarbeit mit den Komponisten, ver­ bunden mit dem Anspruch nach größtmöglicher Authentizität, erarbeiten die Musiker jedes Jahr durchschnittlich 70 Werke neu, darunter etwa 20 Uraufführungen. Seit 2000 erscheinen unter dem Label Ensemble Modern Medien (EMM) Audio- und Video-Produktionen des Ensemble Modern. Mit der Internationale Ensemble Modern Akademie, die im ver­ gangenen Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feierte, fördert das Ensemble mit unterschiedlichsten Programmen junge Nach­ wuchskünstler. Bei uns war das Ensemble Modern zuletzt im Mai 22 vergangenen Jahres im Rahmen des Festivals ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln zu Gast. Das Ensemble Modern wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, die Stadt Frankfurt sowie über die Deutsche Ensem­ ble Akademie e.V. durch das Hessische Ministerium für Wis­ senschaft und Kunst, die Deutsche Bank Stiftung und die GVL. Ausgewählte Projekte werden gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Die Musikerinnen und Musiker des Ensem­ ble Modern danken der Aventis Foundation für die Finanzierung eines Sitzes in ihrem Ensemble. hr2-kultur – Kulturpartner des Ensemble Modern. In Köln war das Ensemble Modern zuletzt im Mai 2013 im Rah­ men des Festivals Acht Brücken | Musik für Köln zu hören. 23 Die Besetzung des Ensemble Modern Dietmar Wiesner Flöte, Piccoloflöte Marieke Franssen Flöte, Bassflöte Christian Hommel Oboe Antje Thierbach Oboe Nina Janßen-Deinzer Klarinette Jaan Bossier Klarinette, Bassklarinette Udo Grimm Klarinette, Bassklarinette, Saxophon, Tuba Christine Rall Sopransaxophon Johannes Schwarz Fagott, Kontraforte Alexander Hadjiev Fagott, Kontraforte Saar Berger Horn Gerda Wind-Sperlich Horn Valentín Garvie Trompete Sava Stoianov Trompete Uwe Dierksen Posaune, Tenorbassposaune Mikael Rudolfsson Posaune Hermann Kretzschmar Klavier, Orgel Ueli Wiget Klavier Christoph Prendl Cembalo cromatico, Clavichord Rumi Ogawa Schlagzeug Rainer Römer Schlagzeug David Haller Schlagzeug Ellen Wegner Harfe Stefan Hussong Akkordeon, Vierteltonakkordeon Jagdish Mistry Violine Rafal Zambrzycki-Payne Violine Yutaka Shimoda Violine Patrick Jüdt Viola Aida-Carmen Soanea Viola Erik Borgir Violoncello Jan-Filip Tupa Violoncello Peter Schlier Kontrabass Christian Brühl Kontrabass Norbert Ommer Klangregie 24 Beat Furrer Der Komponist und Dirigent Beat Furrer wurde 1954 in Schaffhausen geboren und erhielt an der dortigen Musikschule seine erste Ausbildung (Klavier). Nach seiner Übersiedlung nach Wien im Jahr 1975 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Dirigie­ ren bei Otmar Suitner sowie Komposi­ tion bei Roman Haubenstock-Ramati. Im Jahr 1985 gründete er das Klang­ forum Wien, das er bis 1992 leitete und dem er seitdem als Dirigent verbunden ist. Im Auftrag der Wiener Staatsoper schrieb er sein erstes Musiktheaterwerk Die Blinden (nach Maeterlinck). Die Oper Narcissus wurde 1994 beim steirischen herbst an der Oper Graz uraufgeführt. 1996 war Beat Furrer »Composer in residence« bei den Internationalen Musik­ festwochen Luzern. 2001 wurde das Musiktheater Begehren in Graz uraufgeführt, 2003 die Oper invocation in Zürich und 2005 das Hörtheater FAMA in Donaueschingen. Seit Herbst 1991 ist Furrer Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Eine Gastprofessur für Kompo­ sition nahm er von 2006 bis 2009 an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt a. M.wahr. 2004 erhielt er den Musikpreis der Stadt Wien, seit 2005 ist er Mitglied der Akade­ mie der Künste in Berlin. 2006 wurde er für FAMA mit dem Gol­ denen Löwen bei der Biennale in Venedig ausgezeichnet. 2010 wurde sein Musiktheater Wüstenbuch am Theater Basel uraufge­ führt. Als Dirigent war Beat Furrer zuletzt im Januar 2003 bei uns zu Gast. 25 KölnMusik-Vorschau Februar SO 16 11:00 SO 02 Peter Eötvös im Gespräch mit Stefan Fricke 16:00 Martin Grubinger Schlagzeug Van Baerle Trio Maria Milstein Violine Gideon den Herder Violoncello Hannes Minnaar Klavier Peter Eötvös New Psalm. In memoriam Frank Zappa Thunder für Basspauke solo aus »Triangel« Nominiert von Het Concertgebouw Amsterdam und BOZAR Brussels Im Gespräch mit dem Musikjourna­ listen Stefan Fricke entsteht, ergänzt durch Solo-Werke von Peter Eötvös, ein lebendiges Porträt des Musikers, der am 2. Januar 2014 siebzig Jahre alt wurde. Joseph Haydn Sonate für Klavier, Violine und Violoncello es-Moll Hob. XV:31 Johannes Brahms Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87 Frank Martin Trio sur des mélodies populaires irlandaises SO 16 Antonín Dvořák Trio für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 4 e-Moll op. 90 B 166 »Dumky« 15:00 Filmforum Der Lieblingsfilm von Peter Eötvös Gefördert durch die Europäische Kommission Das Pferd von Torino (A torinói ló) Béla Tarr / Ágnes Hranitzky Regie Ungarn, 2011, 146 min. Familiensache – Zu diesem Konzert bieten wir eine Kinderbetreuung an. Medienpartner: choices 15:00 Einführung in das Konzert durch Bjørn Woll KölnMusik gemeinsam mit Kino Gesellschaft Köln Rising Stars – die Stars von morgen 3 Karten an der Kinokasse 26 Ihr nächstes Abonnement-Konzert SO SA 16 22 18:00 März 20:00 Martin Grubinger Schlagzeug Julia Bauer Sopran Mahler Chamber Orchestra Peter Eötvös Dirigent WDR Rundfunkchor Köln Igor Strawinsky Symphonies d’instruments à vent Ensemble intercontemporain Peter Eötvös Dirigent Peter Eötvös Speaking Drums for percussion solo and orchestra Thierry Coduys Klangprojektion Karlheinz Stockhausen MOMENTE (1972) Europa-Version für Solosopran, vier Chorgruppen und 13 Instrumentalisten Claude Debussy Jeux L 126 Poème dansé für Orchester Als Peter Eötvös 1966 seine ungarische Heimat verließ, um in Köln weiterzu­ studieren, führten ihn die Wege bald zu Karlheinz Stockhausen. Von 1969 bis 1976 war Eötvös bei ihm Instrumen­ talist und Tontechniker, bevor er zum Chefdirigenten des Ensemble inter­ contemporain berufen wurde. Bei der Aufführung von Stockhausens epocha­ ler, 1998 überarbeiteter Komposition »MOMENTE« mit eben diesem Pariser Ensemble schwingen daher bei Eötvös viele Erinnerungen mit. Olivier Messiaen Chronochromie für großes Orchester Dieses Konzert wird auch live auf philharmonie.tv übertragen. Der Livestream wird unterstützt durch JTI. 15:00 Tanzschule lindig.art Blickwechsel Musik und Tanz: »Poème dansé« Kölner Sonntagskonzerte 3 19:00 Einführung in das Konzert durch Stefan Fricke DO Kloing 3 20 20:00 Midori Violine Radio Filharmonisch Orkest Peter Eötvös Dirigent Zoltán Kodály Tänze aus Galánta Peter Eötvös DoReMi Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 György Ligeti Melodien für Orchester Béla Bartók Konzert für Orchester Sz 116 extra mit Deutschlandfunk 3 Philharmonie für Einsteiger 4 27 Philharmonie-Hotline 0221 280 280 ­koelner-­philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner ­Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln ­koelner-­philharmonie.de Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Der Text von Stefan Fricke ist ein Original­­­beitrag für dieses Heft. Fotonachweise: Vincent Blocquaux S. 17; Penelope Messidi S. 25; Katrin Schilling S. 21; Manu Theobald S. 20 Gesamtherstellung: adHOC ­Printproduktion GmbH Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle Dirigent Johannes Brahms Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 Claude Debussy La mer L 109 koelner-philharmonie.de 0221 280 280 Foto: Jim Rakete Georg Friedrich Haas dark dreams Donnerstag 06.03.2014 20:00