Hommage à Roi Ubu - Kölner Philharmonie

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Kloing 2
Hommage à Roi Ubu
Samstag
1. Februar 2014
20:00
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Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben
Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses
Franz Sauer aus.
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schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus.
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen
Gründen nicht gestattet sind.
Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis,
dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie
möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens
in der Pause einnehmen.
Bitte warten Sie den Schlussapplaus ab, bevor Sie den Konzertsaal verlassen. Es
ist eine schöne und respektvolle Geste gegenüber den Künstlern und den anderen
Gästen.
Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr
Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt oder
veröffentlicht wird.
Kloing 2
Tony Arnold Sopran
Hélène Fauchère Sopran
Holger Falk Bariton
Ueli Wiget Klavier
Ensemble Modern
Beat Furrer Dirigent
Hommage à Roi Ubu
Samstag
1. Februar 2014
20:00
19:00 Einführung in das Konzert durch Stefan Fricke
Pause gegen 20:50
Ende gegen 22:00
PROGRAMM
Beat Furrer *1954
La bianca notte (2013)
für Sopran, Bariton und Ensemble
Tony Arnold Sopran
Holger Falk Bariton
Bernd Alois Zimmermann 1918 – 1970
Présence (1961)
Ballet blanc in fünf Szenen für Violine, Violoncello und Klavier
1ière scène,introduction et pas d’action (Don Quichote):
»wir jagen das wild, das uns opfert.«
2ième scène, pas de deux (Don Quichote et Ubu):
»die stählernen engel der dinge holen uns ein.«
ième
scène,solo (Pas d’Ubu): »Alle Wahrvögel nisten in einem
3
einzigen Baum.«
4ième scène,pas de deux (Molly Bloom et Don Quichote): »Flu­
tende Lippen umwogen den Grund …
unentblätterter Schlaf, atemloses Versprechen …
Insel der schwebenden Vögel.«
5ième scène,pas d’action et finale (Molly Bloom): »Im unaufhör­
lichen Tamtam deiner Haare dreht sich der Sarg der
umkehrenden Träume.«
Rafal Zambrzycki-Payne Violine
Jan-Filip Tupa Violoncello
Hermann Kretschmar Klavier
Pause
Hanspeter Kyburz *1960
Kaspars Tanz (2012)
für Klavier
Ueli Wiget Klavier
Vito Žuraj *1979
Übürall (2013)
Musikalische Possen für Sopran und Instrumentalgruppen
Text von Alexander Stockinger
Hélène Fauchère Sopran
2
Beat Furrer
La bianca notte (2013)
für Sopran, Bariton und Ensemble
Sopran
Ti ho sognato, eri tu … Tu che
m’avevi portata così lontano. …
Oasi serene … Tacere insieme tanto
… Stesi al sole d’autunno … Più a
fondo … Oasi serene … Siamo soli
sulla terra … bruceremo … Perché
tremo? … Se tu domani mi scrivessi
che è stato un sogno, che ti sei
svegliato, che non mi ami.
Ich habe von Dir geträumt, du
warst es … Du, der mich so weit
getragen hat … Inseln der Klarheit …
Zusammen so viel schweigen …
in der Herbstsonne … tiefer und
tiefer … Inseln der Klarheit … Wir
sind alleine auf der Erde … Wir
werden brennen … Warum zittere
ich? … Wenn Du mir morgen
schriebest, dass es ein Traum
gewesen ist, dass Du aufgewacht
bist, dass Du mich nicht liebst.
Bariton
Amore, primavera del sogno sei
sola sei sola che appari nel velo
dei fumi di viola. Come una nuvola
bianca, come una nuvola bianca
presso al mio cuore, o resta o resta
o resta! Non attristarti o Sole!
Liebe, Frühling des Traumes,
du bist allein, bist allein, die
du aufscheinst im Schleier der
Veilchendünste. Wie eine weiße
Wolke, wie eine weiße Wolke an
meinem Herzen, o bleib, o bleib, o
bleib! Traure nicht, Sonne!
Sopran
Non dovrei altro che tacere … È
vero che m’hai detto amore? … Son
tua. Sono felice … non posso più
dormire … Io non trovo più il sonno
e sono felice.
Ich sollte schweigen … Ist es wahr,
dass Du mir Liebe gesagt hast? …
Ich bin Dein. Ich bin glücklich …
ich kann nicht mehr schlafen … Ich
finde keinen Schlaf mehr und bin
glücklich.
Sopran/Bariton
Aprimmo la finestra al cielo
notturno. Gli uomini come spettri
vaganti: vagavano come gli
spettri: e la città (le vie le chiese le
piazze) si componeva in un sogno
cadenzato, come per una melodia
invisibile scaturita da quel vagare.
Non era dunque il mondo abitato
da dolci spettri e nella notte non
era il sogno ridesto nelle potenze
sue tutte trionfale? Qual ponte, muti
chiedemmo, qual ponte abbiamo
noi gettato sull’infinito, che tutto ci
appare ombra di eternità? A quale
sogno levammo la nostalgia della
nostra bellezza? La luna sorgeva
nella sua vecchia vestaglia dietro la
chiesa bizantina.
Wir öffneten das Fenster auf
den nächtlichen Himmel. Die
Menschen wie irrende Geister:
wie Geister irrten sie: und die
Stadt (die Gassen, die Kirchen, die
Plätze) erbaute sich im Gleichtakt
eines Traums, wie durch eine
unsichtbare Melodie jenem Irren
entsprungen. So war die Welt nicht
von sanften Geistern bewohnt, in
der Nacht nicht der Traum erwacht,
triumphierend in all seinen
Kräften? Welche Brücke, fragten
wir uns stumm, welche Brücke
haben wir über das Unendliche
geschlagen, dass uns alles ein
Schatten der Ewigkeit scheint? Zu
welchem Traum erhob sich uns die
Sehnsucht nach der Schönheit?
Der Mond stieg auf in seinem alten
Kleid hinter der byzantinischen
Kirche.
3
Quellen
(1) S
ibilla Aleramo / Dino Campana: Un viaggio chiamato amore. Lettere
1916 – 1918. A cura di Bruna Conti. Giangiacomo Feltrinelli Editore Milano
2000.
(2) D
ino Campana, Canti orfici, Ravagli, Marradi 1914. Deutsche Übersetzung
von Hanno Helbling in: Dino Campana, Orphische Gesänge. Canti orfici,
Carl Hanser Verlag, 1995 München, Wien.
Vito Žuraj
Übürall (2013)
Musikalische Possen für Sopran und Instrumental
Text von Alexander Stockinger
Entrée
Je suis Übü. Kann alles, sieht alles weiß alles.
Übü, übü, übürall bin ich gewesen, et je vous présente:
La musique!
La parole!
L’ ubiquité!
Bäääääh
Ich bin Übü, die Allwissenheit. Ich kenne das alltägliche Theater, alle eure
Rollen, euren schwächsten Punkt! Folgt mir in die finsteren Ecken der
menschlichen Seele und seht:
Wir sind Ungeheuer!
Doch was wären wir schon ohne unsere Abscheulichkeiten?
Also, auf zur ersten Station unserer Reise!
Station 1
Abgrund Nummer eins,
SELBSTMITLEID!
Wir sind auf Polarexpedition und greulich tobt es vor der Küste Feuerlands.
Sturmumtost schwanken die Luster im Salon der MS Timothea, als meine
Freundin – naja, Freundin wäre zu viel gesagt – als meine Bekannte sich im
Kapitän verkrallt und kreischt
Affonderemo! Affonderemo, come un nave in mezzo all’onde!
Diese Italiener! Sie hatte Recht, wir tranken und sanken wie die Titanic, na
gut, warum also das Theater?
Ave, maris stella, dei Mater alma, atque semper Virgo, Felix caeli porta.
Lamentieren, das konnte Sie
4
»Oh lasset mich sterben!
Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte!«
Lasciatemi morire!
E chi volete voi che mi conforte
in così dura sorte,
in così gran martire?
Lasciatemi morire!
Die war vielleicht zäh! Der Kapitän hatte schon längst absalutiert und die
Kapelle gurgelte bereits Pinguinpisse, doch diese, diese …
Ah! si schiude il ciel.
O terra, addio, addio,
valli di pianti, addio.
Nun rasch hinfort
zum nächsten Ort!
Station 2
Moskau,
die Zweite!
EGOMANIE
Sie kennen Sie doch auch, diese Narzissisten, Kapitalitisten, Kolonialilisten,
Globobali-isten, Milli-dari-disten, Flexbibabilasten, Omnipotentasten,
Numerikontoprasten, Investobenkokasten, Gigantomanoplasten,
Empathiopsychostasten, Spekulantitisten, Hektopentapesten
Homeostatotesten, Systemimanilisten, Immanobabelesten, jadiebestebeste-esten.
Ja die Besten, ja die Besten!
Wären wir nicht gerne so wie sie?
Und wie!
Ja chotschju tebja.
Er will mich. Ein Mann, eine Ansage.
Tii prenadleshisch mnje.
Ich gehöre ihm. Warum?
Patomuschto eto tak.
Weil es so ist.
Twoja grudj sswetiza kak zoloto.
Meine Brüste leuchten wie Gold!
Ja beru tolljko to, schto prenadleshiit mnje.
Er nimmt sich nur, was ihm gehört.
5
Mir gehören sieben Frauen: eine aus Litauen, englische zwei, aus Amerika drei.
Keine lieb’ ich, drum wasche, rasiere, wasche ich mich, rasiereturnoninvestmentaaah! Shareholder Equity und Off-shore-ka-pi-tal, mir gehören sieben Frauen!
Sieben an der Zahl. Cash overflow-oh. Oh! Oh! Overflow.
Drecksack! Dies ist der Kuss der Frau Übü!
Und tschüss, ab die Post, hinfort nach Caracas!
Station 3
Makel, der Dritte:
LEIBLICHKEIT, und was für eine!
In der schäbigsten Taqueria von Caracas sitzt neben mir ein Kugelmensch.
Er leckt sich die Finger, schleckt sich den Mund, ächzend, seufzend,
lechzend.
Hier ist es, sein Mittagsmenü: Syrische Schenkelsuppe; Rippen vom
Ratzodon; Faulbraten auf Trampelgelee; Hundepasteten und Putensteiße;
Charlotte nach Russenart; Schreißbombe, Schwalbenlippen und
Steinknötchen; Wellfleisch nebst Gammelkaprizen; Aschenknödel, Erdbirnen
und Hottentotenhaufen; siamesische Fettlamellen; Büffelhüften unter
Consommé vom Karibu; zartestes Geschwür vom Brillenbär, Spechtsuppe
im Feuertopf, abgehangenes Rosenfleisch und natürlich Knorpelquiche.
Potz Wampenhorn, welch Fett!
Deschde schiempre me he traschado el coraje.
Ich habe schon immer alles in mich hineingefressen.
Ich hatte eine schwere Kindheit.
Agí esdoy en casa. Me voy a schedar aquí para schiempre.
Er ist hier festgewachsen. Doch wohl eher »fettgewachsen«?!
Me conschumen las preocupaschiones. Si fuera delchado, quién sería, quíen me
amaría? Con orchullo tomo esda garga, aquí está grabado mi nombre:
LA GORDURA!
FEDERICO FETTWANST!
Te puedo comer? Que rico sabes, que rico sabes, todo el mundo!
Er möchte mich fressen!
Que rico sabes!
Letzter Stopp: Polen!
6
Station 4
Vater Übü! Die Krönung!
Auf der polnischen Seenplatte kocht der menschliche Morast auf kleiner
Flamme: FEIGHEIT! GRAUSAMKEIT!
Wer ist es, der sagt, ich sei ein Schurke?
Ich, du Schurke, verderbter! Zeige dich!
Ich bin der Geist, der stets vereint,
Ich ward geschaffen, Unheil anzustiften,
Zu locken, zu verführen, zu vergiften.
Er ist ein Scheusal, ein missratenes.
Da bist du endlich! Bring mir die Künstlerkasse, den Künstlerhaken, das
Künstlermesser und das dicke Künstlerbuch!
Wie er zittert dieser Leib, wissend, welchen Weges ich ihn führen werde.
Ich verkünde, zur Bereicherung der Ubiquität den gesamten Künstlerstand zu
exekutieren.
Die Kunst ist tot – es lebe die Künstlichkeit!
Jawohl, weg mit den Künstlern!
Wer bist du, elender Lump?
Kakakakafka, Franz, unglücklicher Jurist.
Recht so! Verurteilt, ins Künstlerloch mit ihm! Der nächste!
Van Gogogogogh, Vivivivincent, mittelloser Künstler.
Mittellos? Sogleich das Künstlermesser für diese Unverschämtheit! Einer noch!
Zizizizimmermann, Bernd Alois, zeitlebens veveverkannt.
Genug, genug. Sonst nichts? Alsdann, auf den Künstlerhaken mit ihm!
Ach, Mutter Übü, wie gut, dass wir einander haben. Alles was wir suchen ist
Wahrheit, Schönheit und rosiges Knabenfleisch!
Knabenfleisch, Scheusal! Satisfaktion!
Auch dir den Kuss der Madame Übü!
Man töte diesen Mann!
Bäääääh!
7
Zu den Werken
Hommage à Roi Ubu
Das am 10. Dezember 1896 im Pariser Théâtre de L’Œuvre urauf­
geführte Theaterstück Roi Ubu des französischen Literaten Alfred
Jarry (1873 – 1907) ist ein bitter-komisches Drama: Ein Hauptmann
ergreift die polnische Krone, und er, der Usurpator, erweist sich
als brutaler, geldgieriger Despot. Um seinen Reichtum zu meh­
ren, lädt er Adlige und wohlhabende Bürger zum Souper, ver­
urteilt sie währenddessen zum Tod, stößt sie durch eine Falltür
und der Weg zu deren Habe ist frei. 1960 will eine Kölner Studen­
tengruppe diesen Vorläufer des absurden Theaters, der ein Jahr
zuvor als König Ubu in deutscher Übersetzung durch die Ehe­
leute Marlis und Paul Pörtner erschienen ist, auf die Bühne brin­
gen. Man bittet den Komponisten Bernd Alois Zimmermann um
eine passende Theatermusik, die schließlich – der Angefragte
wird krank – dessen Schüler Manfred Niehaus realisiert. Aber das
Thema lässt Zimmermann nicht los. Er schreibt etwas später die
Musique pour les soupers du Roi Ubu, eine Ballettmusik, die auch
ohne Tanz aufgeführt werden kann, eine einzigartige Musikcol­
lage, deren klingende Ingredienzien Kompositionen von der
Renaissance über Berlioz und Wagner inklusive MussorgskyAnklängen bis zur Gegenwart entnommen und kombiniert sind:
Arthur Honegger wird zitiert, Luigi Dallapiccola, Paul Dessau und
Ernst Pepping sowie Karlheinz Stockhausen. Auch sich selbst ver­
gisst Zimmermann nicht. Seine Musik über Musik, eine Musik mit
Musik vorwiegend von anderen, ist ein humorvolles wie bissiges,
groteskes wie böses Unikat der Konzertsaalgeschichte. Gerade
das Zusammentreffen von Wagners Walkürenritt und den häm­
mernden, im Original wie in der Übernahme durch Zimmermann
hunderte Male sich wiederholenden Initialklängen aus Stockhau­
sens Klavierstück IX (1954/61) zeigt Parallelen, die in den sechziger
Jahren – Bazi, wie man in Köln sagt, arbeitet von 1962 bis 1967 an
diesem epochalen Zitatpotpourri – kaum jemand hat ahnen kön­
nen. Er antizipiert, was später, ab den achtziger Jahren oft in der
Stockhausen-Rezeption zu lesen ist, die mythologischen und for­
malen Parallelen zwischen Wagners vierteiligem Ring-Monument
und Stockhausens siebenteiligem LICHT-Universum.
Sein Ballet noir en sept parties et une entrée, wie die Musique
pour les soupers du Roi Ubu im Untertitel heißt, ist Bernd Alois
8
Zimmermanns Gegenstück zu dem Ballet blanc et cinq scènes pour
violin, violoncelle et piano mit dem Haupttitel Présence, das er 1961
im Auftrag des Hessischen Rundfunks komponiert und das am
8. September 1961 bei den Internationalen Ferienkursen für Neue
Musik in Darmstadt uraufgeführt wird. Das Premiere-Personal
sind der Pianist Hans Priegnitz, der Geiger Bernhard Hamann und
der Cellist Siegfried Palm. Zudem verlangt die Partitur, wie übri­
gens auch die der späteren »Ubu-Roi-Musique« einen von einem
Tänzer verkörperten »speaker«, der »gemäß der Herrenmode um
die Jahrhundertwende« korrekt gekleidet sein soll, mit Kopfbede­
ckung. Dieser »Tänzer/Sprecher«, der übrigens stets stumm bleibt,
hat die Aufgabe, zu Beginn eines jeden Satzes Schriftbilder auf
Tafeln zu zeigen, die die Funktion eines lettristischen Bühnenbil­
des haben. Es handelt sich dabei um Wortembleme, die Zimmer­
mann dem 1960 publizierten Gedichtband Wurzelwerk von Paul
Pörtner entnommen hat. Die Darmstädter Uraufführung, die in
Abwesenheit des Komponisten stattgefunden hat – Zimmermann
brach kurz zuvor mit dem bis dahin von ihm regelmäßig besuch­
ten »Mekka der neuen Musik«, weil er sich dort nicht recht akzep­
tiert fühlte, was so übrigens nicht ganz stimmt –, ist nicht-sze­
nisch realisiert worden. Wegen der Rundfunkaufnahme ersetzte
man die »speaker«-Aktionen durch zwei Sprecher, die die Pört­
ner-Worte rezitierten. Erst 1968 kommt es bei den Schwetzinger
Festspielen zur ersten Choreografie durch John Cranko. Heute
abend wird das Werk übrigens auch nicht szenisch aufgeführt.
Présence, so notiert Zimmermann in seinem Werkkommentar,
»ist die dünne Eisschicht, auf der der Fuß eben nur so lange ver­
weilen kann, bis sie einbricht; aber während der Fuß noch für
den Bruchteil einer Sekunde auszuruhen vermeint, bricht sie
schon, die dünne Decke, und zurück bleibt die Gewissheit des
Pack­eises; voraus der Blick in die Zukunft mit der Gewissheit
der immer wieder neu begonnenen Gegenwart des Splitterns
der Eisschicht und die Absurdität, die in dem ständig unternom­
menen Versuch liegt, Fuß zu fassen. So erscheint Présence als
jene Gegenwart, die Vergangenheit und Zukunft miteinander
verbindet.«
Diese Zeitkonzeption, diese, wie Zimmermann selbst sagt, »Kugel­
gestalt der Zeit«, realisiert er, wie so oft in seiner Musik, durch den
9
weidlichen Gebrauch von Zitaten. Neben Eigenreferenzen sind
das in Présence Partikel und Fragmente aus Werken von Prokof­
jew, Richard Strauss, Mozart, Debussy und in der dritten Szene aus
Karlheinz Stockhausens Zeitmasze (1955/56) für Holzbläserquintett,
das Zimmermann hier seinem Klaviertrio anpasst. Und dieses Zitat
hat der »speaker« anschließend zu kommentieren: Die Worttafeln
künden von »le mot d’Ubu: merdre«. Diese krypto-französische
Vokabel »merdre« hat der Jarry-Übersetzer Pörtner als »Schreisse«
verdeutscht. Und Zimmermann hat die inhaltlich-persönliche
Umgebung des Neologismus in Présence in einem Brief an seinen
Verlag, Schott in Mainz, noch pointiert: »Schreisse also sprach der
Knabe, schwang fröhlich den Physikstock und schritt, in Pfuinanz­
pferd hinter sich am Zügel ziehend, pfuieifend durch das Pfuinanz­
tor: ins Pfreie. Mit heiterem Pfuisikalgruß Ihr Bapfuizifal.«
In Présence sind die Zitate nur recht schwer herauszuhören; sie
sind eher spür- als erkennbar. Man ahnt, dass hier durch die
Musikgeschichte geschlendert wird, zudem durch die Litera­
turgeschichte. Denn jedes der drei Instrumente verkörpert eine
berühmte literarische Figur: Die Geige repräsentiert Don Qui­
chotte aus dem Roman El ingenioso hidalgo Don Quixote de la
Mancha (1605/15) von Miquel de Cervantes (1547 – 1616), das Cello
die Molly Bloom aus dem Roman Ulysses (1922) von James Joyce
(1882 – 1941) und das Klavier den Roi Ubu aus Jarrys gleichnami­
gem Drama. Überdies sollen die instrumentalen Protagonisten
eigentlich auch kostümiert sein, um so wohl die literarischen
Bezugnahmen etwas klarer zu markieren: Geiger(in) mit »Gold­
helm, Visier und Federbusch«, Cellist(in) mit »Tutu und Maske der
Gaia-Tellus« (also Ballerina-Kostüm und Vermummung als grie­
chische bzw. römische Göttin der Erde) und Pianist(in) mit dem
Kopf von einem Tapir (ein etwas schwerfälliges Rüsseltier, das
äußerlich an ein Schwein erinnert, aber mit Pferd und Nashorn
verwandt ist). Oft allerdings wird das Stück ohne diese Kostü­
mierungen aufgeführt. Die fünf Szenen von Présence sind:
1ière scène, introduction et pas d’action (Don Quichote): »wir
jagen das wild, das uns opfert.«
2ième scène,pas de deux (Don Quichote et Ubu): »die stählernen
engel der dinge holen uns ein.«
10
3ième scène,solo (Pas d’Ubu): »Alle Wahrvögel nisten in einem
einzigen Baum.«
4ième scène,pas de deux (Molly Bloom et Don Quichote): »Flu­
tende Lippen umwogen den Grund … unentblät­
terter Schlaf, atemloses Versprechen … Insel der
schwebenden Vögel.«
5ième scène,pas d’ation et Finale (Molly Bloom): »Im unaufhörli­
chen Tamtam deiner Haare dreht sich der Sarg der
umkehrenden Träume.«
Bernd Alois Zimmermann Présence ist wohl das experimen­
tellste und rätselhafteste Werk in seinem Œuvre, zugleich finden
sich hier bereits angedeutete literarische Aspekte, die er später
konkreter aufgegriffen hat, etwa den Schlussmonolog der Molly
Bloom aus Joyces Ulysses in seinem Requiem für einen jungen
Dichter (1969). Présence verlangt die Vorstellungskraft und die
Krea­tivität der Zuhörer/Zuschauer. In seinem Werkkommentar
notiert Zimmermann: »Vor allem der instrumentale Aspekt, von
der trivialen Banalität der tausendmal Gesagten bis zur völlig
neuen Sicht des Instruments reichend, tritt in dieser Komposition
hervor, in welcher der Versuch unternommen wird, die szenische
Aktion in eine sich gegenseitig bedingende Opposition zum Inst­
rumentalen zu bringen und dadurch als ein szenisches Ganzes in
einem neuen Sinne zu entwickeln. Imagination und Abbreviatur
im Szenischen setzen die Funktion dessen voraus, ohne die Kunst
nicht realisiert werden kann: die Phantasie, nicht zuletzt die, an
deren Adresse der Komponist sich wendet: des Publikums.«
Vito Žuraj: Übürall (2013)
Übürall – so nennt der 1979 geborene, slowenische Komponist
Vito Žuraj seine 2013 entstandenen, im Untertitel als »musikali­
schen Possen« ausgewiesenen, indes völlig freie Referenz zu
Zimmermanns Musique pour les soupers du Roi Ubu, das am 21.
November 2013 durch das Ensemble Modern im Sendesaal des
Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main uraufgeführt worden
11
ist. Žuraj, der bei Marko Mihvevc, Lothar Voigtländer und Wolf­
gang Rihm studiert und mehrere Preise wie Stipendien erhalten
hat, hat für diese Komposition, eine veritable Raummusik für
Sopran und Ensemble, das Konzept mit dem Wiener Librettisten
und Dramaturgen Alexander Stockinger (*1986) erarbeitet, der
auch den Text verfasste. Die Sängerin, wie bei der Uraufführung
auch im heutigen Köln-Konzert ist das Hélène Fauchère, ist – so
Stockinger – »die Moderatorin des Abends, Madame Übü, Polin.
Sie weiß Bescheid, she’s seen it all. Sie kennt das alltägliche
Theater, sie kennt die Rollen und Masken, die du an- und auf­
nimmst; sie kennt eure schlechtesten Facetten, sie kennt meinen
schwächsten Punkt. Madame Übü thront über allem und gelei­
tet uns an unsere persönlichsten Orte. Übü ist eine Meisterin der
Erzählkunst. Fünf kurze Geschichten, fünf verschiedene Sprech­
weisen, fünf menschliche Grundmuster.« Und diese sind »Selbst­
mitleid, Egomanie, Leiblichkeit, Feigheit, Grausamkeit«, und sie
äußern sich in stimmlich-gesanglicher Vielfalt sowie teils auch
szenischen Aktionen zudem als instrumentales Kaleidoskop mit
variantenreichen Koloriten aus unterschiedlichen Richtungen
und teils imposanten Vergrößerungen und Spreizungen, einer
zupackenden wie bizarren Klanglichkeit.
Im selben Frankfurter Konzert, der Eröffnungsveranstaltung
der zweiten Biennale für Moderne Musik Frankfurt Rhein Main
namens »cresc.«, in dem Vito Žurajs Übürall seine Premiere
erlebte, ist auch das Stück La bianca notte von Beat Furrer durch
das Ensemble Modern uraufgeführt worden. Es ist Teil seines
gerade in Arbeit befindlichen Musiktheaters und ist eine Szene
in der Nacht, in der sich ein Paar (Bariton und Sopran) begegnet,
als kämen sie aus verschiedenen Räumen – eine traumhafte, irre­
ale Situation. Den Text dafür hat Furrer aus den 1914 publizierten
Canti orfici, den »Orphischen Gesängen« des italienischen Dich­
ters Dino Campana (1885 – 1932) destilliert und ergänzt um Pas­
sagen aus Briefen der italienischen Schriftstellerin und Feminis­
tin Sibilla Aleramo (Klarname: Rina Faccio, 1876 – 1960) ergänzt,
die sie 1916 an Campana geschrieben hat, den sie ein Jahr zuvor
kennenlernte, und die von dem Unfassbaren einer neuen Liebe
künden. »Interessant war für mich«, so hat der seit langem in
Österreich lebende Schweizer Komponist und Dirigent Beat
Furrer im Gespräch mit der Musikwissenschaftlerin Marie Luise
12
Maintz über seine »Weiße Nacht« gesagt, »das psychologische
Ausgestalten der Figur, der Stimme zwischen Sprechgestus und
Stilisierung. Es war wesentlich, zu einer Melodik zu kommen, die
sich von dem spektral harmonischen Konzept befreit. Es ist die
Stimmführung, die alles andere bestimmt und aus dem Gestus
der verwendeten Texte resultiert.« Irisierend, elegant, poetisch,
aber auch somnambul ist die gesamte Klangtextur dieser reinen
Hörtheater-Szene, die sich literarisch wie auch habituell aus zwei
Räumen speist, die sich allmählich annähern und dann zu einem
gemeinsamen wie geheimnisvoll-intimen Ort verschmelzen.
Hanspeter Kyburz: Kaspars Tanz (2012)
Für den in Berlin lebenden und lehrenden Schweizer Kompo­
nisten Hanspeter Kyburz beginnt mit jedem neuen Stück eine
eigene, durchaus auch langwierige, besonders aber akribische
und (selbst-)analytische »Forschungsarbeit«, die schließlich in
einer ausnotierten Komposition mündet. Diese detaillierten Son­
dierungstätigkeiten förderten auch einige Systematisierungen
der eigenen Ecriture zu Tage, etwa algorithmische Konstrukti­
onen für ganz verschiedene Parameter seines Komponierens.
Irgendwann wollte Kyburz dieses Verfahren nun loslassen, Neues
ausprobieren, einen anderen Weg gehen. Und diesen ging er, wie
so viele Komponisten, über sein Instrument, das Klavier, das ihm
seit der Kindheit vertraut ist, dessen Spielgesten ihm körperlich
eingeschrieben sind. Während des Schreibens an einem Klavier­
stück erinnerte er sich an Kaspar Hauser, an jenen rätselhaften,
über Jahre hinweg nahezu völlig isoliert und in einem winzigen
Raum eingesperrten Findling, der 1829 gefunden wurde und der
vier Jahre später in Ansbach wohl im Alter von 21 Jahren gestor­
ben ist. Auf die Frage nach seiner Herkunft soll er gesagt haben:
»Ein solcher Reiter möchte ich werden, wie mein Vater gewesen
ist.« Überdies berichtet man, er, der langjährig Außengestoßene
und deswegen Verstörte und Wortkarge, soll in den wenigen
Jahren seiner Zeit unter den Menschen gelernt haben, schön und
virtuos zu tanzen. Und während des Komponierens von dem nun
so genannten Klaviersolo Kaspars Tanz (2012) begegnete Hans­
peter Kyburz auch das Gedicht Der Knabe von Rainer Maria Rilke
13
(1875 – 1926), das dieser 1902/03 in Paris schrieb und das sich auf
das Schicksal Kaspar Hausers bezieht:
Ich möchte einer werden so wie die,
die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,
mit Fackeln, die gleich aufgegangenen Haaren
in ihres Jagens großem Winde wehn.
Vorn möchte ich stehen wie in einem Kahne,
groß und wie eine Fahne aufgerollt.
Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,
der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht
zehn Männer aus derselben Dunkelheit
mit Helmen, die wie meiner unstet sind,
bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.
Und einer steht bei mir und bläst uns Raum
mit der Trompete, welche blitzt und schreit,
und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,
durch die wir rasen wie ein rascher Traum:
die Häuser fallen hinter uns ins Knie,
die Gassen biegen sich uns schief entgegen,
die Plätze weichen aus: wir fassen sie,
und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.
Sein Klavierstück Kaspars Tanz, zu dem sich Rilkes Verse wie ein
parallele Poesie lesen lassen, hat Hanspeter Kyburz dem Pianis­
ten und Harfenisten Ueli Wiget, Mitglied des Ensembles Modern,
gewidmet, der das unruhige, stetig und forsch nach vorne pir­
schende Werk (mit gelegentlichen Stockungen) am 3. November
2012 in der Alten Oper Frankfurt uraufgeführt hat.
Stefan Fricke
14
Biographien
Tony Arnold
Tony Arnold zählt zu den führenden
Interpreten Neuer Musik. Sie begann
ihre musikalische Laufbahn als Dirigen­
tin und entdeckte mit Anfang Dreißig
ihre besonderen Fähigkeiten als Sän­
gerin. Seit ihren Wettbewerbserfolgen
2001 beim Gaudeamus-Wettbewerb
in den Niederlanden und beim Louise
D. McMahon Competition in den USA,
bei denen sie jeweils den Ersten Preis
gewann, arbeitet sie mit den interna­
tional renommiertesten Komponisten und Instrumentalisten
zusammen. Sie trat mit Ensembles wie dem Chicago Symphony
Orchestra’s MusicNOW, der Los Angeles Philharmonic New
Music Group, dem Talea Ensemble, dem Ensemble 21, eighth
blackbird, Contempo, dem Orchestra of St. Luke’s, dem New York
New Music Ensemble, Boston Modern Orchestra Project und Ful­
crum Point auf. Als Mitglied des George Crumb Ensemble hat
sie zahlreiche Tourneen durch die Vereinigten Staaten gemacht.
Mit dem International Contemporary Ensemble (ICE) hat sie über
25 für sie geschriebene Werke uraufgeführt. Mit der Urauffüh­
rung von Beat Furrers La bianca notte im Rahmen des Festivals
»cresc…2013« im vergangenen November in Frankfurt hatte sie
ihr Debüt beim Ensemble Modern.
Tony Arnold hat darüber hinaus Werke von Komponisten wie
Georges Aperghis, David Lang, Philippe Manoury, Pamela Mad­
sen, Fredrick Gifford, David Liptak, Christopher Theofanidis,
Gabriela Frank und David Gompper uraufgeführt. Mit dem Gei­
ger Movses Pogossian hat sie György Kurtágs Kafka Fragmente
weltweit in über 40 Spielstätten aufgeführt, u. a. beim Tongyeong
International Music Festival in Korea und beim Festival Perspec­
tives XXI in Armenien. Beim italienischen soundSCAPE Festival in
Maccagno ist sie jeden Sommer als Sängerin und Lehrerin tätig.
2008 war sie zu Gast bei den Internationalen Ferienkursen für
Neue Musik in Darmstadt. Dieses Jahr wird sie zum wiederhol­
ten Mal beim Cervantino Festival in Mexiko auftreten. Für 2014
steht beim Chamber Music Festival in Santa Fe die Uraufführung
15
eines Werkes von Brett Dean auf dem Programm, welches er für
sie und das Orion String Quartet schreibt.
Von Tony Arnold sind zahlreiche Einspielungen auf CD erschie­
nen, u. a. die Kafka Fragmente, Messiaens Liederzyklus Harawi,
Jason Eckardts Undersong mit dem Ensemble ICE, Berios
Sequenza III sowie alle Lieder von Webern. Ihre Aufnahme von
George Crumbs Ancient Voices of Children war 2006 für den
Grammy Award nominiert. Für 2009 erhielt sie eine Gastprofes­
sur an der Eastman School of Music in Rochester/New York. Seit
2003 unterrichtet sie an der Universität von Buffalo, wo sie auch
ein Ensemble für erweiterte Vokaltechnik, BABEL, gegründet hat.
Tony Arnold gibt Meisterklassen für Sänger, Komponisten und
Instrumentalisten weltweit. Bei uns ist sie heute zum ersten Mal
zu hören.
16
Hélène Fauchère
Die französische Sopranistin Hélène
Fauchère studierte zunächst Flöte, bevor
sie zum Gesangsunterricht wechselte.
Früh interessierte sie sich für Ensem­
ble- und Kammermusik. Als Teil eines
Projektes von Jean-Marie Cottet sang
sie 2007 den Pierrot Lunaire und 2009
mit Claude Delangle Lagunes et Lucanes VI-X von Alain Louvier. Während
der letzten sechs Jahre arbeitete sie
regelmäßig mit den Solistes XXI unter
Rachid Safir und gastierte mit ihnen an der Opera de Paris, dem
Amphithéâtre Bastille und am IRCAM. Darüber hinaus arbeitete
sie mit Sequenza 9.3, mit La Chapelle Rhénane und mit Les Siè­
cles unter François-Xavier Roth. Als Solistin arbeitete sie mit dem
Klangforum Wien, dem Ensemble Modern, Contrechamps sowie
dem Münchener Kammerorchester und war zu Gast am Theater
Basel, dem Theater an der Wien, der Akademie der Künste und
der Schaubühne Berlin, in der Kölner Philharmonie und im Studio
Ansermet Genf. Sie wurde zur Akademie Acanthes eingeladen,
zum Festival Arcus Temporum Pannonhalma (Ungarn), dem Fes­
tival Jazzlines in München, dem Tongyeong International Music
Festival in Korea, den Wiener Festwochen, Musica Strasbourg und
zu cresc… Biennale für Moderne Musik in Frankfurt a. M. Hélène
Fauchère arbeitete dabei mit Dirigenten wie Sylvain Cambreling,
Beat Furrer, Jean Deroyer, Szolt Nagy, Alexander Liebreich, Emi­
lio Pomarico, Léo Warynski, Kanako Abe und Stefan Schreiber
zusammen.
2010 verkörperte sie eine der beiden Hauptrollen in der Oper
Wüstenbuch von Beat Furrer mit dem Klangforum Wien in einer
Inszenierung von Christoph Marthaler am Theater Basel. Im Sep­
tember 2012 war sie die Junge Blonde Frau in der Oper Thanks
to my eyes von Oscar Bianchi mit dem Ensemble Modern unter
der Leitung von Franck Ollu bei Musica Strasbourg. Bei uns war
Hélène Fauchère zuletzt im Mai 2012 im Rahmen des Festivals
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln zu Gast.
17
Holger Falk
Holger Falk startete seine Sängerlauf­
bahn bei den Regensburger Domspat­
zen und studierte daraufhin in Würz­
burg und in Mailand bei Sigune von
Osten, Franco Corelli und Neil Semer.
Engagements führen ihn u. a. an das
Théâtre de Champs-Elysées in Paris,
das Teatro Real Madrid, das Theatre
de la Monnaie Brüssel, die Bayerische
Staatsoper München, das Theater an
der Wien, die Nationaloper Warschau,
das Boston Early Music Festival, die Oper Frankfurt und andere
deutsche Opernhäuser.
Holger Falk hat neben barockem und klassischem Repertoire
einen Schwerpunkt auf das zeitgenössische Musiktheater gelegt.
In den letzten Jahren sang er Rihms große Hauptpartien – Jakob
Lenz in Warschau, Dionysos in Heidelberg und Cortez in Madrid.
Er hat Opern von Benoit Mernier (Frühlings Erwachen in Brüssel),
Miroslav Srnka (Make no Noise in München), Steffen Schleierma­
cher, Jan Müller-Wieland, Hans Gefors und Vladimir Tarnopol­
ski uraufgeführt und konzertierte mit Ensembles wie Ensemble
Modern, Ensemble Kontraste, Ensemble Avantgarde und Ensem­
ble musikFabrik sowie den Ensembles für Barockmusik wie
Elyma Genéve, Elbipolis Hamburg oder Concerto Köln.
Als Konzertsänger und Liedinterpret singt Holger Falk u. a. an
Häusern wie dem Gewandhaus Leipzig, dem Palais de BeauxArts Bruxelles und der Franz-Liszt-Akademie Budapest, beim
Rheingau Musik Festival, bei den Berliner Festspielen, dem
Dresdner Musiksommer, dem Schleswig-Holstein Musik Festival
und dem Steirischen Herbst Graz.
In der Saison 2013/14 debütiert Holger Falk als Cortez in Rihms
Die Eroberung von Mexico am Teatro Real Madrid. Er singt die
Titelrolle in Monteverdis L’Orfeo an der Oper Lausanne, den
Nunte in Hasses Oper Leucippo mit Concerto Köln unter Konrad
Junghänel bei den Schwetzinger Festspielen, »Ein Mann« in der
18
Uraufführung der Oper Der Goldene Drache von Peter Eötvös mit
dem Ensemble Modern an der Oper Frankfurt und den Cimarron
von Henze bei den Tagen Neuer Musik Würzburg. Liederabende
führen ihn an das Gewandhaus Leipzig, das Künstlerhaus Mün­
chen und das Mendelssohn-Haus Leipzig. In Frankfurt sang er
die Uraufführung von Beat Furrers La bianca notte.
Auf CD erschienen u. a. eine Gesamtaufnahme aller 115 Mélo­
dies für Männerstimme von Francis Poulenc, Hölderlin-Lieder
von Josef Matthias Hauer, eine Hommage à August Stramm sowie
Schuberts »Schwanengesang« und Sinnig zwischen beiden Welten mit dem Ensemble Hafez. 2014 erscheint außerdem eine CD
mit Liedzyklen von Wolfgang Rihm sowie eine Aufnahme der Lie­
der von Hans Jürgen von der Wense bei Deutschlandradio Kul­
tur. Bei uns war er zuletzt im März 1992 zu Gast.
19
Ueli Wiget
1957 in Winterthur geboren, erhielt Ueli
Wiget mit zehn Jahren den ersten Kla­
vierunterricht bei Klaus Wolters. Von
1978 bis 1983 studierte er Klavier und
Harfe in den Klassen von Hans Leygraf
und Ruth Konhäuser in Hannover und
schloss beide Fächer mit dem Konzert­
examen ab. Von 1983 bis 1986 setzte er
seine Studien bei György Kurtág und
Zoltán Kocsis an der Budapester LisztAkademie fort. Ueli Wiget gewann den
1. Schweizer Jugendmusikwettbewerb sowie den Wettbewerb
der BRD-Musikhochschulen, ebenso ist er Träger internationaler
Preise (Sydney, Monza, Leipzig).
Seit 1986 ist Ueli Wiget Pianist des Ensemble Modern und dort
mit vielfältigen Aufgaben und Stilrichtungen betraut; solistisch
ist er bei den großen Festivals aufgetreten, ebenso als Solopart­
ner namhafter Orchester. Auch als Kammermusiker ist er häufig
präsent, regelmäßig mit dem Vermeer- und dem Carmina-Quar­
tett. Seine 2009 bei Ensemble Modern Medien erschienene Por­
trät-CD enthält ausschließlich Kammermusik des griechischen
Komponisten Nikos Skalkottas.
Mit dem Ensemble Modern war er bei uns schon häufig zu Gast,
zuletzt im Mai 2013.
20
Ensemble Modern
Die Gründung des basisdemokratisch organisierten Ensemble
Modern war eine Initiative von StudentInnen der Jungen Deut­
schen Philharmonie im Jahr 1980 mit dem Ziel, Neue Musik zu
fördern und angemessen aufzuführen. Seit 1985 ist das Ensemble
Modern in Frankfurt am Main beheimatet. Es zählt zu den welt­
weit führenden Ensembles für Neue Musik.
Seit 1987 ist das Ensemble Modern eine Gesellschaft bürgerli­
chen Rechts (GbR) mit den MusikerInnen als Gesellschaftern.
Zurzeit vereint das Ensemble 19 Solisten verschiedener Natio­
nalitäten: Argentinien, Bulgarien, Deutschland, Großbritannien,
Indien, Japan, Polen und die Schweiz bilden den kulturellen Hin­
tergrund dieser Formation.
Das Ensemble Modern ist bekannt für seine weltweit einzigar­
tige Arbeits- und Organisationsweise: Es gibt keinen künstleri­
schen Leiter; Projekte, Gastmusiker, Koproduktionen und finan­
zielle Belange werden gemeinsam entschieden und getragen.
Jeder Gesellschafter bringt seine persönlichen Erfahrungen
21
und Vorlieben in die Planung ein, woraus eine einzigartige und
unverwechselbare programmatische Bandbreite resultiert. Diese
umfasst Musiktheater, Tanz- und Videoprojekte, Kammermu­
sik, Ensemble- und Orchesterkonzerte. So entstanden außer­
gewöhnliche und oftmals langjährige Zusammenarbeiten u. a.
mit John Adams, George Benjamin, Peter Eötvös, Heiner Goeb­
bels, Hans Werner Henze, Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann,
György Kurtág, György Ligeti, Benedict Mason, Karlheinz Stock­
hausen, Steve Reich und Frank Zappa.
Tourneen führten das Ensemble Modern nach Afrika, Australien,
China, Indien, Japan, Korea, Südamerika, Taiwan, Russland und
in die USA. Regelmäßig tritt es bei renommierten Festivals auf,
u. a. bei den Salzburger Festspielen, den Klangspuren Schwaz,
den Festwochen Wien, dem Musikfest Berlin, bei ACHT BRÜ­
CKEN | Musik für Köln, dem Lincoln Center Festival in New York,
settembre musica in Turin, dem Festival d’Automne à Paris, dem
Festival Ars Musica in Brüssel, dem Holland Festival in Amster­
dam und dem Lucerne Festival. Das Ensemble Modern gastiert
auch in Deutschland an herausragenden Spielstätten. An der
Alten Oper Frankfurt gibt es seit 1985 eine Abonnementreihe
und in Kooperation mit der Oper Frankfurt finden regelmäßig
Opernproduktionen sowie unter dem Titel ›Happy New Ears‹
Werkstattkonzerte statt, innerhalb derer zentrale Werke der zeit­
genössischen Musik vorgestellt und erläutert werden. Eine enge
Zusammenarbeit verbindet das Ensemble Modern mit zahlrei­
chen deutschen Veranstaltern, darunter die Kölner Philharmonie,
die Konzerthäuser Berlin und Essen und das Festspielhaus
Baden-Baden. Jährlich gibt das Ensemble Modern etwa 100
Konzerte. In enger Zusammenarbeit mit den Komponisten, ver­
bunden mit dem Anspruch nach größtmöglicher Authentizität,
erarbeiten die Musiker jedes Jahr durchschnittlich 70 Werke neu,
darunter etwa 20 Uraufführungen.
Seit 2000 erscheinen unter dem Label Ensemble Modern Medien
(EMM) Audio- und Video-Produktionen des Ensemble Modern.
Mit der Internationale Ensemble Modern Akademie, die im ver­
gangenen Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feierte, fördert das
Ensemble mit unterschiedlichsten Programmen junge Nach­
wuchskünstler. Bei uns war das Ensemble Modern zuletzt im Mai
22
vergangenen Jahres im Rahmen des Festivals ACHT BRÜCKEN |
Musik für Köln zu Gast.
Das Ensemble Modern wird gefördert durch die Kulturstiftung
des Bundes, die Stadt Frankfurt sowie über die Deutsche Ensem­
ble Akademie e.V. durch das Hessische Ministerium für Wis­
senschaft und Kunst, die Deutsche Bank Stiftung und die GVL.
Ausgewählte Projekte werden gefördert durch den Kulturfonds
Frankfurt RheinMain. Die Musikerinnen und Musiker des Ensem­
ble Modern danken der Aventis Foundation für die Finanzierung
eines Sitzes in ihrem Ensemble. hr2-kultur – Kulturpartner des
Ensemble Modern.
In Köln war das Ensemble Modern zuletzt im Mai 2013 im Rah­
men des Festivals Acht Brücken | Musik für Köln zu hören.
23
Die Besetzung des Ensemble Modern
Dietmar Wiesner Flöte, Piccoloflöte
Marieke Franssen Flöte, Bassflöte
Christian Hommel Oboe
Antje Thierbach Oboe
Nina Janßen-Deinzer Klarinette
Jaan Bossier Klarinette, Bassklarinette
Udo Grimm Klarinette, Bassklarinette, Saxophon, Tuba
Christine Rall Sopransaxophon
Johannes Schwarz Fagott, Kontraforte
Alexander Hadjiev Fagott, Kontraforte
Saar Berger Horn
Gerda Wind-Sperlich Horn
Valentín Garvie Trompete
Sava Stoianov Trompete
Uwe Dierksen Posaune, Tenorbassposaune
Mikael Rudolfsson Posaune
Hermann Kretzschmar Klavier, Orgel
Ueli Wiget Klavier
Christoph Prendl Cembalo cromatico, Clavichord
Rumi Ogawa Schlagzeug
Rainer Römer Schlagzeug
David Haller Schlagzeug
Ellen Wegner Harfe
Stefan Hussong Akkordeon, Vierteltonakkordeon
Jagdish Mistry Violine
Rafal Zambrzycki-Payne Violine
Yutaka Shimoda Violine
Patrick Jüdt Viola
Aida-Carmen Soanea Viola
Erik Borgir Violoncello
Jan-Filip Tupa Violoncello
Peter Schlier Kontrabass
Christian Brühl Kontrabass
Norbert Ommer Klangregie
24
Beat Furrer
Der Komponist und Dirigent Beat Furrer
wurde 1954 in Schaffhausen geboren
und erhielt an der dortigen Musikschule
seine erste Ausbildung (Klavier). Nach
seiner Übersiedlung nach Wien im Jahr
1975 studierte er an der Hochschule für
Musik und Darstellende Kunst Dirigie­
ren bei Otmar Suitner sowie Komposi­
tion bei Roman Haubenstock-Ramati.
Im Jahr 1985 gründete er das Klang­
forum Wien, das er bis 1992 leitete
und dem er seitdem als Dirigent verbunden ist. Im Auftrag der
Wiener Staatsoper schrieb er sein erstes Musiktheaterwerk Die
Blinden (nach Maeterlinck). Die Oper Narcissus wurde 1994 beim
steirischen herbst an der Oper Graz uraufgeführt. 1996 war Beat
Furrer »Composer in residence« bei den Internationalen Musik­
festwochen Luzern. 2001 wurde das Musiktheater Begehren in
Graz uraufgeführt, 2003 die Oper invocation in Zürich und 2005
das Hörtheater FAMA in Donaueschingen. Seit Herbst 1991 ist
Furrer Professor für Komposition an der Hochschule für Musik
und Darstellende Kunst in Graz. Eine Gastprofessur für Kompo­
sition nahm er von 2006 bis 2009 an der Hochschule für Musik
und Darstellende Kunst in Frankfurt a. M.wahr. 2004 erhielt er den
Musikpreis der Stadt Wien, seit 2005 ist er Mitglied der Akade­
mie der Künste in Berlin. 2006 wurde er für FAMA mit dem Gol­
denen Löwen bei der Biennale in Venedig ausgezeichnet. 2010
wurde sein Musiktheater Wüstenbuch am Theater Basel uraufge­
führt. Als Dirigent war Beat Furrer zuletzt im Januar 2003 bei uns
zu Gast.
25
KölnMusik-Vorschau
Februar
SO
16
11:00
SO
02
Peter Eötvös im Gespräch
mit Stefan Fricke
16:00
Martin Grubinger Schlagzeug
Van Baerle Trio
Maria Milstein Violine
Gideon den Herder Violoncello
Hannes Minnaar Klavier
Peter Eötvös
New Psalm.
In memoriam Frank Zappa
Thunder
für Basspauke solo aus »Triangel«
Nominiert von Het Concertgebouw
Amsterdam und BOZAR Brussels
Im Gespräch mit dem Musikjourna­
listen Stefan Fricke entsteht, ergänzt
durch Solo-Werke von Peter Eötvös, ein
lebendiges Porträt des Musikers, der am
2. Januar 2014 siebzig Jahre alt wurde.
Joseph Haydn
Sonate für Klavier, Violine und
Violoncello es-Moll Hob. XV:31
Johannes Brahms
Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87
Frank Martin
Trio sur des mélodies populaires
irlandaises
SO
16
Antonín Dvořák
Trio für Klavier, Violine und Violoncello
Nr. 4 e-Moll op. 90 B 166
»Dumky«
15:00
Filmforum
Der Lieblingsfilm von
Peter Eötvös
Gefördert durch die
Europäische Kommission
Das Pferd von Torino (A torinói ló)
Béla Tarr / Ágnes Hranitzky Regie
Ungarn, 2011, 146 min.
Familiensache – Zu diesem Konzert
bieten wir eine Kinderbetreuung an.
Medienpartner: choices
15:00 Einführung in das
Konzert durch Bjørn Woll
KölnMusik gemeinsam mit
Kino Gesellschaft Köln
Rising Stars –
die Stars von morgen 3
Karten an der Kinokasse
26
Ihr nächstes
Abonnement-Konzert
SO
SA
16
22
18:00
März
20:00
Martin Grubinger Schlagzeug
Julia Bauer Sopran
Mahler Chamber Orchestra
Peter Eötvös Dirigent
WDR Rundfunkchor Köln
Igor Strawinsky
Symphonies d’instruments à vent
Ensemble intercontemporain
Peter Eötvös Dirigent
Peter Eötvös
Speaking Drums
for percussion solo and orchestra
Thierry Coduys Klangprojektion
Karlheinz Stockhausen
MOMENTE (1972)
Europa-Version für Solosopran, vier
Chorgruppen und 13 Instrumentalisten
Claude Debussy
Jeux L 126
Poème dansé für Orchester
Als Peter Eötvös 1966 seine ungarische
Heimat verließ, um in Köln weiterzu­
studieren, führten ihn die Wege bald
zu Karlheinz Stockhausen. Von 1969
bis 1976 war Eötvös bei ihm Instrumen­
talist und Tontechniker, bevor er zum
Chefdirigenten des Ensemble inter­
contemporain berufen wurde. Bei der
Aufführung von Stockhausens epocha­
ler, 1998 überarbeiteter Komposition
»MOMENTE« mit eben diesem Pariser
Ensemble schwingen daher bei Eötvös
viele Erinnerungen mit.
Olivier Messiaen
Chronochromie
für großes Orchester
Dieses Konzert wird auch live auf
philharmonie.tv übertragen. Der
Livestream wird unterstützt durch JTI.
15:00 Tanzschule lindig.art
Blickwechsel Musik und Tanz: »Poème
dansé«
Kölner Sonntagskonzerte 3
19:00 Einführung in das Konzert
durch Stefan Fricke
DO
Kloing 3
20
20:00
Midori Violine
Radio Filharmonisch Orkest
Peter Eötvös Dirigent
Zoltán Kodály
Tänze aus Galánta
Peter Eötvös
DoReMi
Konzert für Violine
und Orchester Nr. 2
György Ligeti
Melodien
für Orchester
Béla Bartók
Konzert für Orchester Sz 116
extra mit Deutschlandfunk 3
Philharmonie für Einsteiger 4
27
Philharmonie-Hotline 0221 280 280
­koelner-­philharmonie.de
Informationen & Tickets zu allen Konzerten
in der Kölner ­Philharmonie!
Kulturpartner der Kölner Philharmonie
Herausgeber: KölnMusik GmbH
Louwrens Langevoort
Intendant der Kölner Philharmonie
und Geschäftsführer der
KölnMusik GmbH
Postfach 102163, 50461 Köln
­koelner-­philharmonie.de
Redaktion: Sebastian Loelgen
Corporate Design: hauser lacour
kommunikationsgestaltung GmbH
Textnachweis: Der Text von Stefan Fricke
ist ein Original­­­beitrag für dieses Heft.
Fotonachweise: Vincent Blocquaux S. 17;
Penelope Messidi S. 25; Katrin Schilling S. 21;
Manu Theobald S. 20
Gesamtherstellung:
adHOC ­Printproduktion GmbH
Berliner
Philharmoniker
Sir Simon
Rattle
Dirigent
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Claude Debussy
La mer L 109
koelner-philharmonie.de
0221 280 280
Foto: Jim Rakete
Georg Friedrich Haas
dark dreams
Donnerstag
06.03.2014
20:00
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