Erhöhung des Durchschnittsbons im Einzelhandel Branchenbezogene Forschung Gesa von Wichert und Ulf-Marten Schmieder Conomic Marketing & Strategy Consultants Weinbergweg 23, 06120 Halle an der Saale Telefon: +49 345. 55 59 652 Telefax: +49 345. 55 59 653 E-Mail: [email protected] Der Gesamteinzelhandelsumsatz ist in Deutschland zwischen 1995 und 2005 um ca. zwei Prozent gesunken. Zwar kann der Lebensmitteleinzelhandel noch leichte Umsatzzuwächse verzeichnen, muss aber ebenfalls mit der branchenweiten Reduzierung der Flächenleistung fertig werden. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche von 4.850 Euro/m auf 4.350 Euro/m gesunken. Gleichzeitig sind die flächenabhängigen Kosten kontinuierlich gestiegen. Der Druck auf die Ergebnisse der Händler wird folglich immer höher. Um diesem zu begegnen und die Gewinnspannen zu erhalten, greifen die meisten Handelsunternehmen zu Rationalisierungsmaßnahmen. Aber nicht nur Kosten beeinflussen den Gewinn. Auch die Umsatzseite bietet vielfältige Ansatzpunkte zur Ertragssteigerung, mit denen sich der mittelständische Einzelhandel bisher nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Als Ansatzpunkte sind hierbei insbesondere 2 2 die Optimierung der Sonderangebotspolitik, die Verbesserung des Pricings im Handelsalltag sowie die Erhöhung der Impulskaufraten von Interesse. Optimierung der Sonderangebotspolitik Bei der Festlegung der Sonderangebotspolitik eines Handelsunternehmens bestehen zwei gegensätzliche Möglichkeiten: Dauerniedrigpreise vs. Aktionsangebote. Obwohl sich viele Händler gezielt auf eine Seite des in Abbildung 1 dargestellten Kontinuums konzentrieren, können beide strategischen Prinzipien auch kombiniert eingesetzt werden. Die Herausforderung für das Handelsmanagement besteht dann darin, gleichzeitig den „Lockvogeleffekt“ der Aktionsangebote und die nachhaltige Kundenbindungswirkung der Dauerniedrigpreise zu realisieren. Abbildung 1: Grundprinzipien der Sonderangebotspolitik © Conomic Marketing & Strategy Consultants 1 Gerade bei der Planung der Aktionsangebote werden häufig Fehler gemacht. Die Auswahl der Aktionsartikel erfolgt oft aus dem Bauch heraus oder wird vom Einkauf aufgrund des Einstandspreisniveaus vorgenommen. Gerade bei der Planung der Aktionsangebote werden häufig Fehler gemacht. Die Auswahl der Aktionsartikel erfolgt oft aus dem Bauch heraus oder wird vom Einkauf aufgrund des Einstandspreisniveaus vorgenommen. Verbundbeziehungen der Artikel untereinander werden meist nicht berücksichtigt. Dies zeigt beispielhaft die in Abbildung 2 dargestellte Analyse aus einem Beratungsprojekt der Marketing- und Strategieberatung Conomic. Die zentrale Funktion von Aktionsartikeln, nämlich zum Kauf weiterer Artikel anzuregen, wird verfehlt. Aufgrund des Umfangs von Einzelhandelssortimenten ist die Ermittlung von Verbundbeziehungen relativ komplex und verlangt umfassende Rechnerkapazitäten. Sie erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden die Scannerdaten in Zweierbeziehungen aufgespaltet, so dass ersichtlich ist, wie oft ein Artikel mit allen anderen Artikeln gekauft wurde. In einem zweiten Schritt werden Mehrfachzählungen eliminiert. In einem dritten Schritt sind Korrelationskoeffizienten zu berechnen, die ein Maß für die Wahrscheinlichkeit angeben, wie oft ein Artikel mit einem anderen gemeinsam gekauft wird. Im Allgemeinen gelten Artikelkombinationen dann als prägnant, wenn sie in einer Million Einkäufen 15.000 mal vorkommen. Abbildung 2: Fehlende Berücksichtigung von Verbundbeziehungen © Conomic Marketing & Strategy Consultants Auch die Festlegung von Aktionspreisen erfolgt im Handel eher intuitiv und nicht auf Grundlage belastbarer quantitativer Daten, so dass die gewährten Rabatte teilweise zu hoch sind. Denn nicht ausschließlich das abgesenkte Preisniveau ist für eine Erhöhung der Absatzmenge verantwortlich, sondern auch dessen kreative Kommunikation und verbale Etikettierung. Wird dies richtig ausgeführt, können die gewünschten positiven Mengeneffekte teilweise auch durch relativ geringe Preisnachlässe erzielt werden. Abbildung 3 zeigt beispielhaft, dass trotz geringerer Preisreduzierung bei einem Aktionsangebot stärkere Absatzmengensteigerungen beobachtet werden konnten als bei einem anderen Angebot desselben Artikels mit einem weitaus höheren Preisnachlass. 2 Abbildung 3: Mengeneffekte bei verschiedenen Aktionsangeboten © Conomic Marketing & Strategy Consultants Ertragssteigerung durch Pricing im Handelsalltag Derzeit konzentriert sich der Einzelhandel vor allem auf das Aktionspricing. Dagegen vernachlässigen viele Handelsunternehmen das Pricing der dauerhaft im Sortiment angebotenen Artikel. So sind beispielsweise die Eckartikel, also diejenigen Artikel, von denen die Konsumenten bereits fest verankerte Preisvorstellungen besitzen, Einzelhändlern nur teilweise bekannt. Ihre Identifizierung ist von hoher Bedeutung, da aggressive Preise bei Eckartikeln zu Abverkaufssteigerungen von 15-25% führen können. Der entgangene Rohertrag bei Eckartikeln wird dank Verbundkäufen im Restsortiment dabei mehr als ausgeglichen. Im Gegensatz dazu haben zu hohe Preise bei diesen im Fokus des Konsumenten stehenden Waren extrem negative Wirkungen auf das Preisimage einer Handelsunternehmung. Bei der Bestimmung der Eckartikel sind neben der internen Perspektive sowohl die Kundensicht als auch die Wettbewerbsaktivitäten zu berücksichtigen (vgl. Abb. 4). Bei ca. 100 Artikeln ergab sich ein Preiserhöhungspotenzial, das einer geschätzten Umsatzsteigerung von 2,5% entsprach. Oftmals mussten Händler nach einer Analyse von Wettbewerbs- und Kundendaten bis zu 50% ihrer Eckartikel austauschen. Gerade die Berücksichtigung der Kundenperspektive bzw. die Ermittlung der Preiskenntnis kann neben der Identifikation von Eckartikeln auch die Aufdeckung von Kompensationsartikeln ermöglichen. Diese bieten Preiserhöhungspotenziale. Im Rahmen eines Beratungsprojektes für einen stark wachsenden, überregional agierenden Non-Food-Discounter konnten Berater der Marketing- und Strategieberatung Conomic feststellen, dass trotz eines sehr hohen Stammkundenanteils die Preiskenntnis der Konsumenten nur bei ca. 50% des Sortiments bestand. Bei ca. 100 Artikeln ergab sich ein Preiserhöhungspotenzial, das einer geschätzten Umsatzsteigerung von 2,5% entsprach. 3 Abbildung 4: Anhaltspunkte zur Eckartikelbestimmung © Conomic Marketing & Strategy Consultants Erhöhung der Impulskaufraten durch Sortiments- und Präsentationspolitik Das Sinken der Impulskaufraten muss nicht hingenommen werden. Vielmehr sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den Kunden wieder zum Impulskauf anzuregen. Einen weiteren zentralen Ansatzpunkt zur Umsatzsteigerung bietet die Erhöhung der Impulskaufrate. Impulskäufe sind sowohl für die Umsatzausweitung bei Stammkunden (Gewohnheitskäufer) als auch zur Gewinnung von Neukunden unverzichtbar. Dabei ist im Handel branchenübergreifend ein Sinken der Impulskaufrate zu beobachten. Die meisten Einzelhändler führen dies auf allgemeine umweltbedingte Ursachen wie Veränderungen im sozialen Klima und Einkommensverlust zurück. Eine weitere, jedoch häufig übersehene Ursache der sinkenden Impulskaufraten ist der „Lustverlust“ beim Kunden, dem aktiv entgegengewirkt werden muss. Der Langeweile, welche aus zunehmender Sortimentskenntnis und fehlenden Kaufanreizen resultiert, kann durch eine adäquate Warenpräsentation und die Aufnahme Impuls auslösender Neuprodukte ins Sortiment entgegengewirkt werden. Das Sinken der Impulskaufraten muss folglich nicht hingenommen werden. Vielmehr sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den Kunden wieder zum Impulskauf anzuregen. Beim Impulskauf wird das Verhalten des Käufers durch Emotionen („... gefällt mir, könnte ich verschenken...“) und Instinkte („...muss ich haben...“) geleitet. Diese Emotionen müssen durch Impulssortimente, die hohe Begehrlichkeiten hervorrufen, attraktive Neuheiten sowie durch präsentationspolitische Aktivitäten geweckt werden. Empirische Untersuchungen sind in diesem Zusammenhang unabdingbar. Es sollten das habituelle Kaufverhalten der Konsumenten und die Wertigkeit von Regalplätzen durch Kundenlaufstudien beobachtet, sowie die Akquisitionskraft unterschiedlicher Warengruppen im Sortiment ermittelt werden. Dieser Aufwand lohnt sich. Denn je höher die Anzahl der Impulskäufe, desto überlebensfähiger und erfolgreicher ist ein Handelsunternehmen. Für eine Erhöhung der Impulskaufrate um nur 5% konnte die Firma Conomic in verschiedenen Beratungsprojekten Umsatzsteigerungen von bis zu 3% nachweisen. Dr. Gesa von Wichert und Ulf-Marten Schmieder sind die Geschäftsführer der Marketing- & Strategieberatung Conomic. 4