Der ethnographische Film in Deutschland 1900-1930 Antrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2004 Inhalt: 1. Allgemeine Angaben 1.1 Antragsteller 1.2 Thema 1.3 Kennwort 1.4 Fachgebiet und Arbeitsrichtung 1.5 Voraussichtliche Gesamtdauer 1.6 Antragszeitraum 1.7 Gewünschter Beginn der Förderung 1.8 Zusammenfassung 2. Stand der Forschung, eigene Vorarbeiten 2.1 Stand der Forschung 2.2 Eigene Vorarbeiten / Arbeitsbericht 3. Ziele und Arbeitsprogramm 3.1 Ziele 3.2 Arbeitsprogramm 4. Beantragte Mittel 4.1 Personalkosten 4.2. Wissenschaftliche Geräte 4.3. Verbrauchsmaterialien 4.4. Reisen 4.5. Publikationskosten 5. Voraussetzungen für die Durchführung des Vorhabens 5.1. entfällt 5.2 Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern 5.3 Arbeiten im Ausland und Kooperation mit ausländischen Partnern 6. Erklärungen 7. Unterschrift 8. Verzeichnis der Anlagen 1 1. Allgemeine Angaben Antrag auf Gewährung einer Projektleiterstelle Neuantrag 1.1 Antragsteller Wolfgang, Fuhrmann, Dr. 03.07.1965, deutsch Kölnische Str.95 A 34119 Kassel Tel: 0561 / 774354 E-mail: [email protected] Lebenslauf siehe „Fragebogen für Antragsteller“. 1.2 Thema Film und Ethnographie in Deutschland, 1900-1930. 1.3 Kennwort Früher ethnographischer Film. 1.4 Fachgebiet und Arbeitsrichtung Medienwissenschaft / Filmgeschichte 1.5 Voraussichtliche Gesamtdauer 2 Jahre 1.6 Antragszeitraum 24 Monate 1.7 Gewünschter Beginn der Förderung mit Antragsbewilligung 1.8 Zusammenfassung In dem zunehmenden wissenschaftlichen Interesse an Bildern und Filmen und deren Aufwertung gegenüber sprachlichen Quellen der historischen Erkenntnis zeigt sich ein Paradigmenwechsel in der Wissenschaft, der „iconic turn“, der die eigenständige Historiographie des Bildes in das Zentrum interdisziplinärer wissenschaftlicher Forschung rückt. Eine Überprüfung und Neubewertung historischer Medienkontexte ist damit ebenfalls dringend erforderlich. Das Forschungsprojekt untersucht erstmalig aus einer medienhistorischen Perspektive den Beginn und die Entwicklung des ethnographischen Films im ersten Viertel seiner fast hundertjährigen Geschichte. Im Gegensatz zu bisherigen historiographischen Darstellungen, in denen der frühe ethnographische Film als das 2 Ergebnis der „Experimentierfreude“ vereinzelter Wissenschaftler beschrieben wird, geht das Projekt von einer organisierten und strukturierten Anwendung des Films in der ethnographischen Beobachtung aus. Im Kontext des Medienumbruchs am Anfang des 20 Jahrhunderts untersucht das Projekt, wie die ethnographische Medienlandschaft durch den Film nachhaltig verändert wurde. Von der Positionierung und Analyse des wissenschaftlichen Films in einem intermedialen Kontext von Photographie, Völkerschau und der Institution Kino erhofft sich das Projekt nicht nur neue Erkenntnisse über die Genese des ethnographischen Films und das kulturelle Selbstverständnis der Anwender und Zuschauer, sondern auch, in welcher Weise ethnographische Wirklichkeit im Film konstruiert wurde, diese sich im Verlauf des Untersuchungszeitraums veränderte und das „Bild“ von anderen Kulturen prägte. 2. Stand der Forschung, eigene Vorarbeiten 2.1 Stand der Forschung Die Frühgeschichte des deutschen ethnographischen Films ist bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Neben eigenen Untersuchungen zum ethnographischen Film im Kontext der deutschen Kolonialkinematographie (Fuhrmann 2003) wird die Frühgeschichte des ethnographischen Films in den wenigen existierenden Publikationen in der Regel nur in aller Kürze abgehandelt (Petermann 1984, Böhl 1985, Dehnert 1994). In keiner Arbeit findet sich ein auch nur annähernd differenziertes Bild der Entstehungsgeschichte des ethnographischen Films und seiner Entwicklung als neues Feldforschungsinstrument und Darstellungsmedium in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Diese „historiographische Lücke“ wird auch nicht durch das kürzlich abgeschlossene DFG Projekt Geschichte und Ästhetik des Dokumentarfilms 1895 bis 1945 geschlossen. Ein wesentlicher Grund für den unzureichenden Kenntnisstand in der Filmforschung über den frühen ethnographischen Film liegt in der fehlenden mediengeschichtlichen Kontextualisierung des Films. Ethnographen wie Museen waren bereits mit verschiedenen Medien vertraut, als man sich dem Film zuwandte: Ethnographen waren in der Regel erfahrene Fotografen waren und illustrierten nicht selten ihre Bücher mit eigenen Aufnahmen. Museen legten parallel zu ihren ethnographischen Sammlungen eigene Fotoarchive an und stellten den Besuchern Stereoskope in den Museumsausstellungen zur Verfügung. Neben der Fotografie stellten Völkerschauen ein leicht zugängliches Forschungspotential dar, das von Ethnographen ausgiebig genutzt wurde. Nicht selten wurden Völkerschauen Gegenstand von Filmaufnahmen, ohne dass der performative Charakter dieser Aufnahmen in den Filmtiteln betont wurde. Obwohl verschiedene Forschungsergebnisse zu „ethnographischen“ Medien wie Fotografie oder Völkerschau vorliegen (Thode-Arora 1989, Theye 1985 u. 1989), ist der Einsatz des Films in der ethnographischen Beobachtung kaum in bezug auf diese Medien reflektiert worden. Den ethnographischen Film in einem intermedialen Diskurs zu erschließen, bedeutet ihn auf dem Hintergrund zu den bereits vorhandenen Repräsentations- und Aufführungsformen zu untersuchen. Zu fragen wäre, inwieweit Ethnographen den Film im Vergleich zu anderen Medien diskutierten oder die Einführung des Films die ethnographische Arbeit beeinflusste und veränderte? In welcher Weise übernahm, modifizierte oder veränderte der Film konventionalisierte Darstellungsformen in der ethnographischen Aufzeichnung? 3 Auf Grund der fehlenden Kenntnisse über spezifische nationale Entwicklungslinien in der deutschen ethnographischen Filmgeschichte behilft sich die Fachliteratur mit filmhistorischen Allgemeinplätzen, wie Jules Etienne Mareys Reihenphotographie oder der Chronophotographie des französischen Physiologen und Anthropologen Felix Regnault. Als Beweis einer regen und frühen Filmtätigkeit in der „deutschsprachigen“ Ethnographie wird auf den österreichischen Anthropologen Rudolf Pöch verwiesen, der auf seiner Expedition nach Neu-Guinea zwischen 1904 und 1907 erfolgreich eine Filmkamera einsetzte. Steht die filmhistorische Bedeutung von Marey, Regnault oder Pöch in der Entwicklung des internationalen ethnographischen Films außer Frage, bleibt deren Einfluss auf die deutsche Ethnographie weitestgehend ungeklärt. Zu fragen wäre, wie deutsche Ethnographen auf Pöchs Filmaufnahmen reagierten und welchen Einfluss sie auf die Einführung des Films in der deutschen Ethnographie hatten? Obwohl Michael Böhl auf verschiedene frühe Filmdokumente verweist, wie Rudolf Pöch und Richard Neuhauss‘ Neu-Guinea Filme (1907-1909) sowie Aufnahmen von der Hamburger Südsee-Expedition (1908-1910), kommt er zu dem Schluss, dass man „den Wert der Filmarbeit“ in Deutschland nur theoretisch hoch einschätzte und „technische Kinderkrankheiten“ dafür sorgten, dass der ethnographische Film bis in die zwanziger Jahre keine Nachahmer fand (Böhl, S.70 u. S.77). Indem damit eine mögliche Kontinuität in der frühen ethnographischen Filmpraxis faktisch ausgeschlossen wird, unterlässt es Böhl, Fritz Krauses Forderung auf der Jahrestagung der Anthropologischen Gesellschaft in Hamburg im Jahre 1928 ein nationales ethnographisches Filmarchiv zu errichten, kritisch zu hinterfragen. Zu diesem Zeitpunkt kann die Ethnographie bereits auf fast fünfundzwanzig Jahre praktische Erfahrung zurückgreifen und den ethnographischen Film als eine eigenständige Filmgattung anerkennen, die einer gesonderten Archivierung bedarf. Darüber hinaus fragt Böhl nicht nach dem Motiv für Krauses Forderung zu diesem Zeitpunkt und übersieht damit, dass Krause ein langjähriger Assistent und Nachfolger des Leipziger Völkerkundlers Karl Weule war. Nach heutigem Kenntnisstand war Weule nicht nur der erste deutsche Ethnograph, der eine Filmkamera während seiner ethnographischen Studien im Jahre 1906/07 benutzte, sondern auch kontinuierlich an der Fortführung von ethnographischen Filmaufnahmen interessiert bzw. beteiligt. Im Gegensatz zu Böhl vermutet Werner Petermann in seinem Artikel ’Geschichte des ethnographischen Films’ eine sehr viel stärker ausgeprägte praktische Anwendung des Films in der frühen ethnographischen Feldforschung (Petermann 1984, S. 22). Obwohl auch Petermann keine Belege dafür liefern kann, weist er ausdrücklich auf das Fehlen einer Geschichte des deutschen ethnographischen Films hin und erwähnt in diesem Zusammenhang die bevorstehende Dissertation des Hamburger Ethnologen Martin Taureg über die Geschichte und Theorie des ethnographischen Films in Deutschland. Die Dissertation wurde nie beendet. Mit Ausnahme eines Artikels konnten weitere Artikel, die Entwürfe oder Ansätze des Dissertationsvorhabens vorstellen, nicht bibliographisch nachgewiesen werden. Der von Taureg veröffentlichte Artikel über sein Dissertationsvorhaben blieb nicht ohne Einfluss auf die Filmwissenschaft/Ethnologie, wie es insbesondere die englischsprachige ethnographische Filmliteratur zeigt (Toben Rony 1996, Oksiloff 2001, Griffiths 2002). In ’The development of standards for scientific films in German ethnography’ (Taureg, 1983) führt Taureg den Einsatz des Films in der deutschen 4 Feldforschung auf die besondere Bedeutung der Kulturkreislehre in der deutschen Völkerkunde sowie die Kinoreformbewegung zurück. Obwohl Taureg seinen Ansatz nur in aller Kürze darstellt, geht er, im Gegensatz zu Böhl, von der Annahme aus, dass eine Kontinuität in der Anwendung des Films in der deutschen Ethnographie bestand. Neuere Untersuchungen zur Entwicklung des amerikanischen ethnographischen Films scheinen Tauregs These indirekt zu bestätigen. Wie die amerikanische Filmwissenschaftlerin Alison Griffiths in ihrer Untersuchung Wondrous Differences darlegt, hielt gerade die Popularität des Films und seine Nähe zum kommerziellen Schaustellergewerbe amerikanische Ethnographen davon ab, sich intensiv mit dem neuen Medium auseinanderzusetzen (Griffiths 2002). Eine vergleichbare Diskussion hat nach bisherigem Kenntnisstand in der deutschen Ethnographie nicht stattgefunden. In der Vehemenz, mit der Kinoreformer den nicht-fiktionalen Film als Erziehungsmittel verteidigten, kann man jedoch geradezu eine Legitimation für die forcierte Anwendung des wissenschaftlichen Films sehen. Darüber hinaus bot das wissenschaftliche Interesse für die Verbreitung der Kulturen und der Vergleich der materiellen Kultur, wie es die Kulturkreislehre formulierte, wissenschaftliche Rahmenbedingungen, in denen sich der Film als Untersuchungsmittel etablieren konnte. Tauregs Artikel ist mittlerweile eine Standardreferenz in der englischsprachigen ethnographischen Filmliteratur geworden, die fälschlicherweise den Eindruck vermittelt, dass weite Teile der Geschichte des deutschen ethnographischen Films bereits erschlossen sind. Dies zeigt z.B. Assenka Oksiloffs Untersuchung zur Ethnographie im frühen deutschen Kino (Oksiloff 2001). Ohne das von ihr unterstellte gesteigerte Interesse der deutschen Völkerkunde für den Film empirisch nachzuweisen, wird Tauregs Artikel zum Ausgangspunkt einer Untersuchung, in der die „contractual nature of the exchange between cinema and ethnography“ in Deutschland nachgegangen wird (Oksiloff, S.4). Ähnlich wie Böhl übersieht auch Oksiloff die personellen wie institutionellen Verbindungen in der deutschen Ethnographie. In ihrem Kapitel über Leo Frobenius‘ Entwurf der Kinematographischen Karte erfährt der Leser weder etwas über Frobenius‘ Verhältnis zum Medium Film, das durch eine Reihe von Filmexpeditionen hätten belegt werden können, noch über die enge Zusammenarbeit zwischen Frobenius und Karl Weule. Dennoch, indem sich Oksiloff dem ethnographischen Film über die zeitgenössische Filmtheorie nähert, gelingt es ihr, den frühen ethnographischen Film diskursiv zu erschließen und somit eine neue Forschungsperspektive einzunehmen. Kennzeichnend für alle genannten Arbeiten zum frühen ethnographischen Film ist die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Filmen. Detaillierte Beschreibungen der Filme über Inhalt und Ästhetik fehlen ebenso wie Aussagen über Veränderungen und Entwicklungen in den Jahren. Detaillierte inhaltliche Analysen und Vergleiche könnten Aufschluss darüber geben, wie die Filme in der jeweiligen Zeit ethnographische Wirklichkeit konstruierten. Auf Grund diese Kenntnisse können Kontinuitäten und Brüche in der ethnographischen Filmproduktion und Filmästhetik herausgearbeitet werden. Ein weiterer wesentlicher Grund für den unzureichenden Kenntnisstand über den frühen deutschen ethnographischen Film besteht in dem methodischen Ansatz, den 5 Film ausschließlich auf seine Abbildfunktion hin zu untersuchen und spezifische Aspekte der Produktion, des Vertriebs, der Aufführung und der Rezeption zu vernachlässigen. Obwohl die Entwicklung der Kinematographie den wichtigsten Medienumbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts markiert, wurde dieser bisher nicht in seiner Bedeutung in bezug auf die moderne mediale Vermittlung der Ethnographie untersucht. Zu fragen wäre, in welcher Weise der Film als neues Darstellungs- und Aufführungsmedium die Präsentationsformen des Museums beeinflusste oder veränderte. Einen möglichen Anknüpfungspunkt, den Film auf dem Hintergrund der Wechselbeziehung von Öffentlichkeit und ethnologischen Museen zu untersuchen, bieten die Arbeiten von Michael Hog, Andrew Zimmerman und Glenn Penny (Hog 1982 u. 1990, Zimmerman 2001, Penny 2002). Insbesondere Pennys Arbeit, in der die verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Kräfte analysiert werden, die die deutsche ethnographische Museumslandschaft prägten, bietet einen innovativen methodischen Einstieg, von dem aus die spezifische Bedeutung des Films in der Ausstellungspraxis der Museen analysiert werden kann. Die kurze Skizzierung des filmhistorischen Forschungstandes zeigt, dass ein wesentlicher Grund für den geringen Kenntnisstand zur Geschichte des deutschen ethnographischen Films in den ungenutzten archivarischen Ressourcen sowie fehlenden diskursanalytischen Ansätzen liegt, die den Film medienhistorisch analysieren. Primärquellen, in denen filmende Ethnographen zu Wort kommen, sind bisher genauso wenig berücksichtigt worden, wie es unterlassen wurde, den Film intermedial zu erschließen. Ein solcher Ansatz würde demnach den Film im Kontext mit anderen populären Darstellungsformen wie Fotografie oder Völkerschau analysieren und den Ausstellungscharakter des Films in den Museen oder anderen Aufführungsorten zur Diskussion stellen. Aussagen über den frühen ethnographischen Film und seine historiographische Darstellung in der Literatur beruhen auf kaum gesicherten Erkenntnissen, sondern vielmehr auf Vermutungen und Annahmen, die dringend ihrer wissenschaftlichen Überprüfung bedürfen. Auswahlbibliographie zur Geschichte des ethnographischen Films: Barsam, Richard M.1992: Nonfiction Film: A Critical History. Bloomington.. Böhl, Michael, 1985: Entwicklung des ethnographischen Films. Die filmische Dokumentation als ethnographisches Forschungs- und universitäres Unterrichtsmittel in Europa. Götttingen. De Brigard, Emilie, 1976: The History of Ethnographic Film. In: Hockings, Paul (Hrsg.) Principles of Visual Anthropology. The Hague, S. 13-43. Dehnert, Walther, 1994: Fest und Brauch im Film. Der volkskundliche Film als wissenschaftlisches Dokumentationsmittel. Eine Analyse. Teil 1. Marburg. Diederichs, Helmut H., 1996: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie. Ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg. Frankfurt. Internetpublikation 2001: http://hb051.fh-muenster.de/subcollc/docs/fhdo/010402-000014-fruefilm.pdf. Edwards, Elizabeth/Lynne Williamson, 1981: World on a glass Plate. Early Anthropological Photographs from the Pit Rivers Museum. Oxford. Essner, Cornelia, 1986: Berlins Völkerkunde-Museum in der Kolonialära. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin, vol. 5 (1986), S. 65-94. Fischer, Hans, 1981: Die Hamburger Südsee-Expedition. Über Ethnographie und 6 Kolonialismus. Frankfurt am Main. Friedrich, M., A. Hagemann-Doumbia, R. Kapfe, W. Petermann, R.Thomas, M.J van de Loo (Hrsg.), 1984: Die Fremde sehen: Ethnologie und Film. München. Frobenius, Leo, 1922:. Karten als Sinnbilder der Kulturbewegung: Einführung in den Atlas Africanus und in das Verständnis der Kinematographischen Karte. Sonderdruck aus dem Atlas Africanus. München. Gothsch, Manfred, 1983: Die deutsche Völkerkunde und ihr Verhältnis zum Kolonialismus. Ein Beitrag zur Kolonialideologischen und kolonialpraktischen Bedeutung der deutschen Völkerkunde in der Zeit von 1870 bis 1975 (1945). Baden-Baden. Griffiths, Alison M., 2002: Wondrous Difference: Cinema, Anthropology, and Turn of the Century Visual Culture. New York. Hertogs, Daan and Nico de Klerk (Hrgs.), 1994: Nonfiction from the Teens. The 1994 Amsterdam Workshop. London. Hog, Michael, 1981: Ziele und Konzeptionen der Völkerkundemuseen in ihrer historischen Entwicklung. Frankfurt am Main. ders., 1990: Ethnologie und Öffentlichkeit. Ein entwicklungsgeschichtlicher Überblick. Frankfurt am Main et. ali. Hooper-Greenhill, Eilean, 2001: Museums and the Interpretation of Visual Culture. London. Kirshenblatt-Gimblett, Barbara, 1998: Destination Culture. Berkeley, Los Angeles, London. Kiener, Wilma, 1997: Die Kunst des Erzählens. Narrativität in dokumentarischen und ethnographischen Filmen. Konstanz. Liesegang, Paul, 1920: Wissenschaftliche Kinematographie, einschließlich der Reihenphotographie. Leipzig. Mühlmann, Wilhelm E., 19682: Geschichte der Anthropologie. Frankfurt am Main. Müller, Corinna, 1994: Frühe deutsche Kinematographie. Formale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung 1907-19112. Stuttgart/Weimar. Oksiloff, Assenka, 2001: Picturing the Primitive. Visual Culture, Ethnography, and Early German Cinema. New York. Penny, H. Glenn, 2002: Ethnology and Ethnographic Museums in Imperial Germany. Chapel Hill/London. Petermann, Werner 1984: Geschichte des ethnographischen Films: Ein Überblick. In: Ders. / M. Friedrich, A. Hagemann-Doumbia, R. Kapfe, R. Thoms, M.J van de Loo (Hrsg.): Die Fremde Sehen. Ethnologie und Film. München, S. 17-53. Pöch, Rudolf, 1907: Reisen in Neu-Guinea in den Jahren 1904-1906. In: Zeitschrift für Ethnologie, no. 39 (1907), S. 382-400. Smith, Woodruff D., 1991: Politics and the Sciences of Culture in Germany 1840 – 1920. New York/Oxford. Taureg, Martin, 1983: Wissenschaftlicher Film und Ethnographie. Die Entwicklung von Standards. in: Zelluloid, Nr. 16/7, S. 26-42. ders., 1983: „The development of standards for scientific films in German ethnography”, in: Studies in visual communication, vol. 9, no. 1 (1983), S. 1929. Theye, Thomas (Hrsg.), 1998: Der geraubte Schatten: Eine Weltreise im Spiegel der ethnographischen Photographie. München/Luzern. Thode-Arora, Hilke, 1989: Für fünfzig Pfennig um die Welt: Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Frankfurt/New York. 7 Toben Rony, Fatima, 1996: The Third Eye: Race, Cinema, and Ethnographic Spectacle. Durham/London. Wiener, Michael, 1990: Ikonographie des Wilden, München. Zimmerman, Andrew, 2001: Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago/London. 2.2 Eigene Vorarbeiten / Arbeitsbericht Die Erforschung des frühen deutschen Kinos kennzeichnet einen wesentlichen Schwerpunkt der akademischen Arbeit des Antragstellers. Durch das spezielle Forschungsinteresse zur Historiographie des nichtfiktionalen Films ist der Antragsteller wiederholt auf die lückenhafte Quellenlage zur Frühgeschichte des deutschen ethnographischen Films aufmerksam geworden. Die Mitorganisation und Teilnahme an spezialisierten Fachtagungen zu diesem Thema wie der International Workshop ’The Eye of the Beholder’ 1998 am Nederlands Filmmuseum ermöglichte ihm, einen ersten Überblick über die internationale Forschungslage zu gewinnen. Ebenso konnte sich der Antragsteller während der Recherchen für seine Dissertation einen ersten Überblick über Bestände in den deutschen Archiven verschaffen. In der Dissertation ist der ethnographische Film als Teil des Kolonialfilmrepertoires analysiert worden. Mit der gewählten Kapitelüberschrift „Ethnographic filmmaking in the colonies: A provisional first case study“ wurde bewusst der vorläufige Charakter dieser Untersuchung betont und auf die unzulängliche historiographische Darstellung des frühen ethnographischen Films in der existierenden Filmliteratur hingewiesen. Das Kapitel basiert in weiten Teilen auf einen Archivaufenthalt am Museum für Völkerkunde zu Leipzig, wo die Expeditionsunterlagen des Völkerkundlers Karl Weule eingesehen wurden. Von der ethnographischen Filmliteratur kaum wahrgenommen, war Weule, wie bereit zuvor erwähnt, wahrscheinlich der erste deutsche Ethnograph, der eine Filmkamera zu Feldforschungszwecken im Jahre 1906/07 einsetzte. Die Recherchen wurden durch die Wiederentdeckung eines Teils der damals gemachten Filmen im Jahr 1999 zusätzlich bereichert. Die Filme sind mittlerweile auf Sicherheitsmaterial umkopiert und müssen als die frühesten Aufnahmen eines deutschen Ethnographen angesehen werden. Obwohl sich die Aktendurchsicht im Archiv des Museums auf Weules Expeditionsunterlagen beschränkte, scheinen sie Martin Tauregs These zu bestätigen. Die gesichteten Unterlagen weisen darauf hin, dass der Film zu Beginn des 20. Jahrhunderts in sehr viel stärkerem Ausmaße in der wissenschaftlichen Diskussion stand, als es in der bisherigen Literatur dargestellt ist. Geradezu diametral entgegen der bisherigen Auffassung, dass der Film in der Frühzeit der Kinematographie keine besondere Rolle in der Ethnographie spielte, steht eine Aussage Weules aus dem Jahre 1913, in der er von einer bevorstehenden Gründung eines ethnographischen „Filmkartells“ von deutschen und österreichischen Museen spricht. Neben der engen Zusammenarbeit mit der „Landeskundlichen Kommission zur Erforschung der deutschen Schutzgebiete“, die 1905 vom Reichskolonialamt eingerichtet wurde und in den Unterlagen teilweise dokumentiert ist, war Weule kontinuierlich daran interessiert, wissenschaftliche Mitarbeiter mit Filmaufnahmen zu beauftragen sowie seine Filme auf Vorträgen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In dem Projekt soll die provisorische Skizzierung des Beginns des ethnographischen Films durch weitere empirische Untersuchungen und diskursanalytischen Methoden 8 in eine fundierte Historiographie des frühen ethnographischen Films überführt werden. Zu diesem Zweck können die Ergebnisse der Leipziger Recherche für das Projekt in verschiedener Hinsicht genutzt werden. Die Untersuchung der Querverbindungen zwischen Museen, Wissenschaftlern und Ministerien soll im Projekt vertieft und eingehend untersucht werden. Die erlangten Hinweise auf Produktions-, Distributions- und Aufführungsbedingungen von Weules Filmen können methodisch auf das Arbeitsprogramm übertragen werden (vgl. 3.2.). Die Auswertung der Filme durch Weule deutet u.a. darauf hin, dass der Besitz seltener Filmaufnahmen einen Wettbewerbsvorsprung für das Leipziger Museum in der deutschen Museumslandschaft bedeutete. Ebenso scheint die Aufführung der Filme außerhalb des Wissenschaftskreises ein wesentlicher Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit des Museums gewesen zu sein, mit der es sich als eine moderne und fortschrittliche Bildungseinrichtung präsentieren konnte. Die Kontextualisierung von ethnographischen Filmen in Bildungs- bzw. Unterhaltungsdiskursen (Völkerschau, Variete, Abenteuer- und Kolonialliteratur, Kino) des frühen 20. Jahrhunderts bietet eine Möglichkeit, auf die historische Rezeption der Filme zu schließen. In Projekt kann auf verschiedene Ergebnisse der umfangreichen Recherche von kolonial-völkerkundlicher Literatur, die während der Dissertationsphase unternommen wurde, zurückgegriffen werden. Eigene Publikationen: Fuhrmann, Wolfgang, 1997: Hieroglyphische non-fiction. In: Jan Berg, Hans Otto Hügel und Hajo Kurzenberger (Hrsg.): Authentizität als Darstellung. Hildesheim, S. 175-184. ders., 1999: Bilder aus den deutschen Kolonien: Lichtbilder und kinematographische Aufnahmen. In: KINtop, Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, vol. 8, 1999, S. 101-116. ders., 2001: Was mir die Wildnis gab und was ich ihr abgerungen: Auf den Spuren des vergessenen pommerschen Filmemachers Robert Schumann. In: Die Pommersche Zeitung, Jahrg. 51, Folge 11, 17. März 2001, S. 7. ders., 2002a: Deutsche Kolonialkinematographie in Afrika: Eine Untersuchung zur Erforschung des frühen nichtfiktionalen Films. In: Markus A. Denzel, Horst Gründer, Hermann J. Hiery u. a. (Hrsg.): Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 2. Wiesbaden, S. 177-184. ders., 2002b: Nashornjagd in Afrika. Die frühe Kolonialfilmindustrie. In: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.) Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin, S. 184-187. ders., 2002c: Locating Early Film Audiences: voluntary associations and colonial film. In: Historical Journal of Film, Radio and Television, vol.22, no. 3, 2002., S. 291-304. ders., 2002d: Der Kinema in Afrika. In: Grüße aus Viktoria. Ansichten aus der Ferne, KINtop Schriften, no. 7, 2002, S. 117-138. ders., 2003a: Die Kinematographenkampagne der Deutschen Kolonialgesellschaft. In: Markus A. Denzel, Horst Gründer, Hermann J. Hiery u. a. (Hrsg.): Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 3. Wiesbaden, S. 115-136. ders., 2003b: Propaganda, Scienes, and Entertainment: German Colonial Cinematography in Africa. A case study in the history of early nonfiction cinema. Utrecht. ders., 2003c: Rezension -- Assenka Oksiloff: Picturing the Primitive. In: http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/fuhrmann.html. 9 ders., 2004: Der bewegte koloniale Blick. „Ansichten“ über frühe deutsche Filme aus den Kolonien. In: iz3w, no. 280, Oktober 2004, S. 36-39. ders., Der Kinematograph in Afrika: Filme aus den deutschen Kolonien. In: Uli Jung, Martin Loiperdinger (Hrsg.): Geschichte und Ästhetik des dokumentarischen Films in Deutschland 1895-1945, vol. I, 1895-1918. (Herbst 2005). 3. Ziele und Arbeitsprogramm 3.1 Ziele Eine Reihe existierender Filmdokumente belegen den frühen Einsatz der Filmkamera auf Forschungsreisen deutscher Wissenschaftler, doch ist bis heute die Frühgeschichte des ethnographischen Films ein weitgehend unerforschtes Gebiet in der Filmgeschichte und der Geschichte der Ethnographie. Ziel des Projekts ist die fundierte historiographische Aufarbeitung und Analyse des ethnographischen Films in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Im Gegensatz zu bisherigen filmethnographischen Untersuchungen, in denen die Frühgeschichte als eine lose Chronologie vereinzelter „primitiver“ Filmversuche betrachtet wird, beabsichtigt das Projekt den ethnographischen Film medienhistorisch im Kontext einer ethnographischer Medienpraxis zu erschließen. Im Fokus des Projekts steht die Frage, wie die Wissenschaft auf die Einführung des Films reagierte. Neben der inhaltlichen Analyse der Filme soll der Film sowohl im Kontext der ethnographischen Medienlandschaft analysiert werden als auch seine Produktions-, Distribution- und Aufführungsbedingungen untersucht werden, die die Geschichte des frühen ethnographischen Films strukturieren. Die empirische Grundlage des Projekts bildet die systematische Durchsicht kinematographischer, ethnologischer und wissenschaftshistorischer Primärliteratur sowie umfassende Quellenstudien zum ethnographischen Film in ausgewählten Museums- und Schriftgutarchiven. In der Aufarbeitung von bisher unbekannten Archivunterlagen erhofft sich das Projekt Auskunft darüber, welche Bedeutung dem Film innerhalb der Feldforschung und in der frühen Medien- und ethnographischen Museumslandschaft zukam. Filmbeschreibungen und Filmanalysen sollen Aufschluss darüber geben, wie ethnographische Realität zur jeweiligen Zeit konstruiert wurde und sich gegebenenfalls veränderte und entwickelte. Obwohl damit zu rechnen ist, dass während der Projektrecherchen weitere Filmexpeditionen „entdeckt“ werden, steht nicht deren chronologische Aufarbeitung und Katalogisierung im Vordergrund, sondern eine Historiographie des ethnographischen Films, in der die Filme über ihre reine Abbildfunktion hinaus untersucht und mediengeschichtlich erschlossen werden. Das Forschungsprojekt ist interdisziplinär kulturgeschichtlich angelegt und verbindet Forschungen der Medienwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Ethnologie und Museologie. Auf Grund des medienhistorischen Schwerpunkts des Projekts soll eine Einarbeitung in die Theoriegeschichte der Ethnographie nur in begrenztem Umfang erfolgen. Dies wird bereits durch die Archivarbeit gewährleistet, da erfahrungsgemäß Aussagen zum Film bereits auf ein mögliches Forschungsinteresse hin konkretisiert werden. Ergänzend dazu soll ethnologische und ethnographische Sekundärliteratur herangezogen werden. Methodisch folgt das Projekt dem filmhistoriographisch revisionistischen Ansatz der New Film History und der frühen Filmforschung, Early Film Studies. Im Gegensatz zu einem traditionellen teleologischen Geschichtsbild, in dem das frühe Kino lediglich 10 die Rolle eines primitiven Vorläufers einnimmt, wird im Projekt das frühe Kino als ein paradigmatisch „anderes Kino“ verstanden, das sich erst durch eine intensive Primärquellenforschung, interdisziplinäre Ansätze und kulturwissenschaftliche Methoden erschließen lässt. Die genaue Untersuchung von Produktions-, Distributions- und Aufführungsbedingungen des ethnographischen Films ermöglichen Rückschlüsse auf die frühe Herausbildung einer „wissenschaftlichen Filmkultur“, die sich parallel zum kommerziellen Kino entwickelte. Wichtige Ergebnisse werden insbesondere über den Beginn des ethnographischen Films in Deutschland erwartet, der bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung war. Die Kontextualisierung des Films in bezug auf verschiedene zeitgenössische Medien, die bereits vor dem Film in der Ethnographie genutzt wurden (Fotografie, Völkerschau), ermöglicht eine detaillierte medienhistorische Positionierung des Films. Von hier aus lassen sich Ähnlichkeiten, Veränderungen und Unterschiede in der Darstellung und Aufführung beschreiben und analysieren, die auf mögliche Motive für den Einsatz des Films sowie seine weitere Anwendung in der Ethnographie verweisen. Weitere Forschungsschwerpunkte, die für eine Neubewertung des frühen ethnographischen Films von Bedeutung sind und im Projekt eingehen untersucht werden sollen, betreffen die Analyse der Beziehung zwischen ethnographischer „Film-Forschung“ und kolonialer Administration sowie die Frage nach der Re-Organisation ethnographischer Forschung nach dem Verlust der Kolonien mit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Erwartet werden genaue Informationen, inwieweit die neuen politischen und wissenschaftlichen Verhältnisse die Produktion von ethnographischen Filmen in den Folgejahren beeinflussten bzw. die Forderung für ein nationales ethnographische Filmarchiv am Ende der zwanziger Jahre verstärkte. Die Frage nach der Bedeutung ethnographischer Filmvorführungen als Teil einer Ausstellungspraxis, mit der sich Museen der Öffentlichkeit präsentierten, ist bisher nicht erforscht worden und soll im Projekt eingehend untersucht werden. Eine besondere wissenschaftshistorische und gesellschaftspolitische Relevanz erhält das Projekt durch die geplante Archivarbeit in westdeutschen und ostdeutschen Archiven. Eine umfassende Untersuchung zur Geschichte des frühen ethnographischen Films wäre vor der Wiedervereinigung nur mit erheblichen Einschränkungen möglich gewesen. Das Projekt kann somit erstmalig auf Archive in der gesamtdeutschen Museumslandschaft zurückgreifen, um die Bedeutung des ethnographischen Films für die völkerkundlichen Museen und deren Organisationsstrukturen im Kaiserreich und der Weimarer Zeit zu untersuchen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Rolle des Leipziger Völkerkundemuseums und die historisch einzigartigen Bestände und Nachlässe im Archiv des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig. Darüber hinaus würde eine anvisierte Abschlusspublikation für das Jahr 2007 mit der 100-jährigen Geschichte des deutschen ethnographischen Films zusammenfallen, womit diese eine angemessene Würdigung erfahren würde. Das Forschungsprojekt leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der deutschen Wissenschafts- und Mediengeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Mit der Einbindung des Bundesarchiv-Filmarchivs und des IWF soll zugleich die Bestandssicherung und Zugangsmöglichkeit eines historisch einzigartigen und erhaltungswürdigen Filmkorpus gewährleistet werden. 11 Das Projekt soll der IAG-Kulturforschung der Universität Kassel (Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Kulturforschung) angegliedert werden (siehe Zusage der Universität/IAG 8.3). Die IAG ist ein Zusammenschluss verschiedener Kulturwissenschaften Germanistik/Literatur und Medien), Soziologie, Semiotik und Geschichte, in der regelmäßig Projekte und gemeinsame Themenschwerpunkte erarbeitet und diskutiert werden. Es bietet somit ein Forum, in dem Teilergebnisse des Forschungsprojekts vorgestellt und diskutiert werden können. Der Standort Kassel zeichnet sich durch seine unmittelbare Nähe zum IWF, der ethnologischen Bibliothek der Göttinger Universitätsbibliothek und des DITSL in Witzenhausen, in dem die Bibliothek der ehemaligen Kolonialschule mit seltenen Jahrgängen zur Ethnographie u. Völkerkunde archiviert ist, aus. Die günstige ICEAnbindung bietet die Möglichkeit, kurzfristig Bibliotheks- und Archivbestände in Frankfurt, Berlin und Leipzig einzusehen. 3.2 Arbeitsprogramm Das Arbeitsprogramm des Projekts gliedert sich in drei Teilbereiche, die chronologisch aufeinander aufbauen, aber sich im Projekt zeitweise überschneiden. Am Anfang des Projekts, Phase I, steht die systematische Sichtung relevanter Primärliteratur der Themenbereiche: Ethnographie, Völkerkunde/Kolonialwissenschaft, Geographie, Anthropologie, Museumskunde, Fotografie und Kinematographie. In Phase II erfolgt die Archivarbeit in verschiedenen Museums- und Schriftgutarchiven. Phase III ist eine abschließende Analyse der Ergebnisse der empirischen Arbeit aus einer medienhistorischen sowie wissenschaftshistorischen Perspektive. Eine studentische Hilfskraft soll in der ersten und zweiten Projektphase für bibliographische und organisatorische Hilfsdienste, EDV-Eingabe und Literaturbestellung und Sichtung eingesetzt werden. Zeitplan: Phase I: Literaturerfassung, Bibliographierung und Filmographie, (12 Monate). Phase II: Archive, Korrespondenzen (Besuch mit Vor- und Nachbereitung 3 Monate). Überschneidet sich mit Phase I und Phase III. Phase III: Ethnographie und Film: Auswertung, Analyse und Geschichte (12 Monate). Phase I: Literaturerfassung, Bibliographierung und Filmographie (12 Monate) Die fehlende Primärquellenforschung ist ein wesentlicher Grund für das bestehende Forschungsdefizit zum frühen ethnographischen Film. Am Anfang des Projekts steht daher die Erstellung einer Filmdatenbank sowie die systematische Durchsicht relevanter Primärliteratur. Alle weiteren Arbeitsschritte bauen auf den methodischen Vorarbeiten auf. a) Anhand der überlieferten Filme im Archiv des Bundesarchivs, des IWF und der Nachfrage in deutschen ethnologischen Museen sollen die verschiedenen ethnographischen Filmdokumente aus dem Zeitraum 1900-1930 in einer Filmdatenbank erfasst werden. Ziel ist es, einen vorläufigen Überblick über die Zahl und den Umfang früher Filmexpeditionen zu erlangen, die jeweils beteiligten Museen/Institutionen und die filmemachenden Wissenschaftlern biographisch zu erfassen. Eine vollständige detaillierte Datenbank zum frühen ethnographischen Film soll nach Abschluss des Projekts als online-version ins Internet gestellt werden. 12 Mit Hilfe der durch die Filmographie erworbenen Daten wird das Auffinden von Aktenbeständen in den jeweiligen Museen/Archiven erleichtert. Zugleich ermöglicht es die gezielte Bild– und Textrecherche, um Expeditionsberichte, Biographien, Monographien und Artikel im nationalen Leihverkehr zu bestellen. a.1) Es ist davon auszugehen, dass die in den Filmarchiven vorhandenen Filme nur einen Teil des frühen ethnographischen Filmrepertoires ausmachen. In der methodisch-praktischen Vorarbeit soll daher die systematische Durchsicht von relevanter völkerkundlicher, anthropologischer und geographischer Literatur (Periodika, Monographien, Expeditionsberichte etc.) erfolgen. Auf Grund der Dissertationsrecherchen des Antragstellers haben sich die Zeitschriften Petermann’s Mitteilungen, Geographischer Anzeiger und Zeitschrift für Ethnologie als wertvolle Primärquellen erwiesen, da sie regelmäßig über geplante, laufende und durchgeführte Expeditionen berichteten. Vermerke über Vorführungen ethnographischer Filme aus den deutschen Kolonien finden sich in den Abteilungsnachrichten der Deutschen Kolonialzeitung bzw. den Jahresberichten völkerkundlicher und geographischer Vereine. b.) Um in der abschließenden Phase III den ethnographischen Film medienhistorisch innerhalb der visuellen Kultur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu verorten, soll bei der Durchsicht der jeweiligen Fachpublikationen Artikel und Berichte über die Anwendung von modernen Reproduktionsmitteln in der Ethnologie (z.B. Photographie und Stereographie) und Aufführungsformen wie die Völkerschau bzw. musealen Ausstellungspraxis bibliographiert werden. Von besonderem Interesse sind Reaktionen und Reflektionen seitens der deutschen Völkerkunde auf filmische „Vorläufer“ wie die Arbeiten von Jules Marey und den ethnographischanthropologischen Filmexperimenten von Alfred Cort Haddon, Walter Baldwin Spencer und Felix Regnault. c) Tagungs- und Kongressberichte von Völkerkundlern, Anthropologen und Geographen stellen ein weiteres Publikationsportal dar, das am Anfang des Projekts systematisch durchgesehen werden muss. Tagungsberichte der Anthropologischen Gesellschaften und die Veröffentlichungen der verschiedenen völkerkundlichen und geographischen Vereine können relevante Informationen beinhalten, da hier Themen auf informeller Ebene verhandelt wurde, die sich nicht unbedingt in den abschließenden offiziellen Veröffentlichungen wiederfinden. d) Ein wichtiger Untersuchungspunkt in dem Projekt ist die Rolle des Films in der Ausstellungspraxis der Museen. In der vorhandenen Sekundärliteratur wird wiederholt auf die Jahrgänge der Museumskunde und die Jahresbücher der verschiedenen Museen verwiesen. Aus der Überprüfung dieser Periodika, in denen ausstellungsrelevante Fragen erörtert wurden, lassen sich allgemeine wie spezifische Diskurse der Museumsarbeit diskutieren: Welche Rolle kam einer besucherorientierten Ausstellungspraxis zu? Nach welchen Kriterien wurden Ausstellungen organisiert? Welche Rolle kam den neuen Medien Fotografie, Stereoskopie und dem Film in der Ausstellungspraxis zu? e) Die frühe Filmpresse sowie die Veröffentlichungen der Kinoreformbewegung stellen einen weiteren Publikationskorpus dar, der in der Primärquellenforschung zum frühen ethnographischen Film gesichtet werden soll. In den verschiedenen Filmpublikationen finden sich Artikel zu völkerkundlichen oder geographische 13 Filmaufnahmen und/oder deren Rolle im frühen Kino. In diesem Punkt kann das Projekt auf die intensive Literaturrecherche für die Dissertation zurückgreifen. Ein großer Teil der benötigten Literatur kann problemlos in jeder größeren Universitätsbibliothek direkt eingesehen oder über den Fernleihverkehr bestellt werden. Einzelexemplare, die nicht über den Fernleihverkehr zu beziehen bzw. gesperrt sind, können in der Bibliothek der ehemaligen Kolonialschule Witzenhausen, heute DITSL, der Frankfurter Universitätsbibliothek oder dem Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig eingesehen werden. Zusagen des Leibniz-Instituts und der Bibliothek des DITSL liegen vor. Phase II: Archive, Korrespondenzen (3 Monate) Frühe ethnographische Filmaufnahmen entstanden während wissenschaftlicher Expeditionen, die von Völkerkundlern, Anthropologen oder Geographen im Auftrag eines Museums oder einer wissenschaftlichen Institution durchgeführt wurden. Die geplanten Archivaufenthalte in Museen und Schriftgutarchiven sollen bisher unbekannte Primärquellen zum ethnographischen Film erschließen und die verschiedenen Produktions- und Auswertungsmodi der Filme dokumentieren. Auf Grund der unbekannten Quellenlage müssen die Aufenthalte individuell gestaltet werden. Das Arbeitsprogramm in den Archiven folgt jedoch den bereits gewonnenen Erkenntnissen aus Leipzig: Die Durchsicht der jeweiligen Film-Expeditionsunterlagen soll Aufschluss darüber geben, welche Bedeutung dem Film als Forschungsinstrument beigemessen wurde und in welchem Rahmen die Filme in der Museumsarbeit eingesetzt wurden. Die Archivarbeit lässt sich in drei Arbeitsteilbereiche gliedern: a) Planung und Vorbereitung, b) Durchführung, c) Auswertung und Aufführung. Der letzte Teilbereich schließt die Analyse und Diskussion des ethnographischen Films als Teil der Öffentlichkeitsarbeit und Museumspraxis ein. a) Planung und Vorbereitung: Bei der Durchsicht von Filmexpeditionsakten kommt der Vorbereitungsphase eine besondere Bedeutung zu. Es ist wahrscheinlich, dass die Motive, die für den Gebrauch einer Filmkamera sprachen, in der Vorbereitungsphase einer Expedition erläutert wurden. Aufschluss darüber geben eventuell vorhandene Korrespondenzen mit anderen Ethnographen oder, während der Kolonialzeit, mit der „Landeskundlichen Kommission“. In der Korrespondenz während der Vorbereitungsphase werden wichtige Erkenntnisse über die Organisation der frühen Filmindustrie vermutet. Akten privater Filmproduktionsfirmen bzw. Film- und Kamerahersteller aus der Frühzeit der Kinematographie sind nur in sehr geringer Zahl überliefert — Firmenarchive sind oft mit der Liquidation einer Firma aufgelöst worden. Existierende Korrespondenzen zwischen Museen und Firmen können daher Auskunft über die Produktionsbedingungen früher ethnographischer Filmexpeditionen geben. Belege und Rechnungen sind wichtige Indizien, welche Kameramodelle, Objektive und Zubehörartikel gebraucht bzw. angeboten wurden und welche technischen Veränderungen speziell für die Expedition seitens des Herstellers vorgenommen wurden. Die mögliche Rekonstruktion der Korrespondenzen kann ein 14 differenzierteres Bild der frühen Filmindustrie geben, als es bisher bekannt ist. Im Gegensatz zum weitverbreiteten „Image“ des Films, ein minderwertiges Unterhaltungsmedium zu sein, kann eine genaue Überprüfung des Schriftverkehrs den intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Filmindustrie belegen. Die Beziehung zwischen Museen und Filmindustrie hat einen weiteren wichtigen Aspekt, der während der Archivarbeit berücksichtigt werden muss. In seiner Argumentation für die Errichtung eines nationalen ethnographischen Filmarchivs erwähnt Krause die Bedeutung des sogenannten „Verschnitts“. Mit dem Verschnitt bezeichnet Krause die Teile des Films, die aus ästhetischen oder kommerziellen Gründe nicht in der Endfassung eines Films, z.B. Robert Flahertys NANOOK DER ESKIMO oder MOANA, erscheinen. Um sich diese interessanten Teile für die Wissenschaft zu sichern, unterstreicht Krause die enge Zusammenarbeit zwischen Ethnographie und der Filmindustrie. Aktenbestände sollen auf entsprechende Geschäftskorrespondenzen durchgesehen werden. b) Durchführung: Anhand der Primärquellen soll detailliert untersucht werden, mit welchen technischen Problemen die Filmemacher vor Ort zu kämpfen hatten und in welcher Weise sie die Probleme lösten. Ethnographen berichteten den eigenen Museen/Institutionen in unregelmäßigen Abständen über ihre Arbeit vor Ort. Expeditionsberichte sollen daraufhin überprüft werden, in welcher Weise der Film in der Forschungsarbeit eingesetzt wurde und welche Erfahrungen die Ethnographen mit dem Film machten. Da die Fotokamera bereits als wissenschaftliches Forschungsinstrument etabliert war, ist zu fragen, welche neuen Möglichkeiten der ethnographischen Beobachtung durch die Filmkamera erschlossen wurden? Folgt man der ethnographischen Filmliteratur, so war die unzureichende technische Ausstattung für das Scheitern des Films in der frühen Feldforschung verantwortlich. Da Ethnographen normalerweise nicht im Umgang mit einer Filmkamera geübt waren, ist generell zu klären, ob Filmaufnahmen eventuell von ausgebildeten Kameramännern gemacht wurden, die die Expeditionen begleiteten. In dem Fall, dass Ethnographen selbst für die Filmaufnahmen verantwortlich waren, soll gefragt werden, mit welchen Mitteln sie ihre Filmexperimente erfolgreich durchführen konnten und ob ihre Erfahrungen an die Filmfirmen weitergeleitet wurden? Während der Dreharbeiten mussten Ethnographen eine Reihe praktischer Probleme lösen: Filmaufnahmen im Innern von Gebäuden oder bei Nacht waren nicht möglich. Jahreszeitabhängige Rituale waren nicht immer mit dem Forschungsaufenthalt der Ethnographen identisch. Um andere Kulturen zu dokumentieren, mussten Ethnographen ethnographische Realität inszenieren. Expeditionsberichte sollen Aufschluss darüber geben, ob die dramaturgischen Eingriffe während der Arbeit reflektier wurden. c) In der Auswertung der Expedition soll der Distributions- und Aufführungsmodus der ethnographischen Filme untersucht werden. Methodisch erforderlich ist die Unterscheidung zwischen einer internen und einer externen Auswertung der Filme. Die interne Auswertung untersucht die Aufführung im Rahmen der Museums- oder Institutionsarbeit. Hier ist zu prüfen, ob und in welcher Weise die Filme in die Museumsarbeit integriert wurden. Gab es ähnliche Bemühungen wie in Leipzig, den Film in internen Museumskursen für die lokale Bevölkerung einzusetzen? 15 Externe Auswertung bezieht sich auf Aufführungen, die im Rahmen von kleinen Rundreisen durch Museen und volksbildenden Vereinen unternommen wurden. Existieren Aufzeichnungen über solche Vortragsveranstaltungen? Wenn ja, wurden diese in Eigenregie oder in Kooperation mit erfahrenen, kommerziellen Produktionsoder Aufführungsgesellschaften durchgeführt? Gab es Unterschiede in der Aufführungsanordnung? Denkbar wären hier spezifische publikumsorientierte Aufführungen (Familien-, Kinder-, Erwachsenen- oder Lehrervorstellungen). Da erst im Jahre 1928 ein Konsens ethnographischen Filmarchivs bestand, ist besonderem Interesse. Hier ist zu prüfen, zu zur Archivierung der Filme gab und nach erfolgen sollte. zur Errichtung eines nationalen die Frage der Archivierung von welchem Zeitpunkt es Überlegungen welchen Kriterien eine Archivierung Phase III: Ethnographischer Film: Analyse und Geschichte (12 Monate) In der abschließenden Projektphase III sollen die Ergebnisse der vorausgegangenen historischen Untersuchungen mit Hinblick auf eine Geschichte des frühen ethnographischen Films ausgewertet und analysiert werden. Zu diesem Zweck soll insbesondere Martin Tauregs These, dass die deutsche Kulturkreislehre und die Kinoreformbewegung zur verstärkten Anwendung des Films in der deutschen Ethnographie führten, auf ihre Gültigkeit hin untersucht werden. Begleitend dazu, soll der Untersuchungszeitraum von 1900 bis 1930 in drei Perioden unterteilt werden, die für signifikante historische Entwicklungsphasen in der Geschichte des ethnographischen Films stehen. a) Eines der wichtigsten Untersuchungsfelder in dem Projekt ist der Beginn des ethnographischen Films in Deutschland. Mit Hilfe der Ergebnisse aus der Primärquellenforschung soll der Stellenwert optischer Medien (Illustration, Fotografie, Stereoskopie) und Aufführungsformen (Völkerschau) zum Zeitpunkt der ersten Einsätze des Filmes in der Völkerkunde untersucht werden. Mit der intermedialen Erschließung des Films soll anschließend detailliert auf die ersten Einsätze des Films eingegangen werden. Mit der Auswertung des Archivaufenthalts im Wiener Völkerkundemuseum erhofft sich das Projekt vor allem einen detaillierten Einblick in die Rolle Rudolf Pöchs in bezug auf die erste Anwendung des Films in der deutschen Ethnographie und die Frage, ob seine Filmarbeit wirklich zu einem wachsenden Interesse am Einsatz der Filmkamera zu Feldforschungszwecken in Deutschland führte. Wie die Durchsicht von Verhandlungsprotokollen der Deutschen Kolonialgesellschaft zeigen, wurde der Ankauf von Pöchs Filmen für kolonialpolitische Werbezwecke mit der Begründung abgelehnt, dass Pöch kein „Reichsdeutscher“ sei. Das Projekt kann Aufschluss darüber geben, inwieweit nationales Prestigedenken den Einsatz moderner Technik förderte und ob sich nationale Wissenschaften im Wettbewerb befanden. b) Der Beginn des ethnographischen Films während der deutschen Kolonialzeit fragt nach dem Verhältnis zwischen Ethnologie und Kolonialismus. Das Projekt kann hier auf verschieden Untersuchungen zurückgreifen. Die deutschen Kolonien erleichterten deutschen Wissenschaftlern den Zugang zu fremden Kontinenten. Zur Koordinationsstelle für die Erforschung der Kolonien wurde die „Landeskundliche Kommission zur Erforschung der deutschen Schutzgebiete“, die in ihrer Funktion bisher kaum näher untersucht wurde. Erste Anzeichen deuten 16 daraufhin, dass die Kommission den Einsatz moderner Aufzeichnungsmedien befürwortete: Drei der ersten vier Expeditionen, die mit Hilfe der Kommission organisiert wurden, konnten bereits als „Filmexpeditionen„ nachgewiesen werden. Die Auswertung der Archivarbeit soll klären, ob der Film bereits in seiner Frühzeit zum Standard ethnologischer Forschung in den Kolonien gehörte, um die hochgesteckten Ziele der Kommission, die systematische Erforschung der Kolonien, zu erfüllen. c) Eine Zäsur in der Geschichte der Ethnographie stellt der Erste Weltkrieg dar. Mit dem Verlust der Kolonien wurde der deutschen Ethnographie das wichtigste Forschungsfeld entzogen. Obwohl zu vermuten ist, dass damit auch die ethnographische Filmtätigkeit zurückging, eröffnete sich mit der Internationalisierung des Filmmarktes nach dem Ersten Weltkrieg auch die Möglichkeit ethnographische Filme käuflich zu erwerben. Parallel dazu richtete die neu gegründete UFA eine eigene Kulturfilmabteilung ein. In der dritten Periode des Untersuchungszeitraums scheint eine besondere Wettbewerbssituation entstanden zu sein, in der sich ethnographische Museen in einer strategisch benachteiligten Position glaubten. Die Entwicklung des ethnographischen Films soll in diesem Teilbereich auf dem Hintergrund der Konkurrenz zum kommerziellen Film untersucht werden, der auch ethnographische Produktionen einschloss. Als Arbeitshypothese für diesen Teilbereich soll Krauses Forderung für ein eigenständiges ethnographisches Filmarchiv als eine Bündelung der wissenschaftlichen Kräfte verstanden werden, um die Position des „wissenschaftlich-ethnographischen“ Films gegenüber dem „populärethnographischen“ Film zu stärken. d) Alle drei Perioden werden von Analysen der einzelnen Filme begleitet. Im Gegensatz zu der bisherigen Literatur, in der der frühe ethnographische Film als ein homogener Filmkorpus begriffen wird, sollen die Filmanalysen dazu beitragen, innerhalb der ethnographischen Filmproduktion zu differenzieren. Auf Grund der fast drei Jahrzehnte umfassenden Anwendung des Films, ist zu vermuten, dass auch der ethnographische Film bestimmten ästhetischen Einflüssen unterlag und ethnographische Realität unterschiedlich konstruiert wurde. Fitz Krauses Erwähnung von Filmen wie NANOOK DER ESKIMO oder MOANA zeigt, dass kommerzielle Dokumentarfilme durchaus von der Wissenschaft rezipiert wurden. Genaue Filmanalysen sollen dazu beitragen, zu klären, welche ästhetischen Entwicklungen der ethnographische Film durchlief. Neben der Untersuchung der drei signifikanten Perioden, die den Untersuchungszeitraum gliedern, sollen parallel drei Teildiskurse analysiert werden, in denen die in der Archivarbeit berücksichtigten Aspekte der Produktion, Distribution, Aufführung und Rezeption einfließen. d) Kulturkreislehre, Rettungsgedanke und Film (Produktion/Rezeption) Martin Taureg nennt die Kulturkreislehre, das besondere Interesse an der materiellen Kultur anderer Ethnien, als einen der Hauptgründe für den verstärkten Einsatz des Films in der deutschen Ethnographie. Da der Begriff der materiellen Kultur in bezug auf seine filmische Darstellung nicht näher definiert wird, soll im Projekt eingehend die Beziehung zwischen dem Film, der in der Wissenschaft als ein objektives Medium zur Abbildung der Realität angesehen wurde, und der wissenschaftlichen Dokumentation materieller Kultur untersucht werden. 17 Neben dem Interesse an der materiellen Kultur betonten Ethnographen wiederholt den Rettungscharakter des Films, demzufolge der Film einen unverfälschten Einblick in das Leben aussterbender Ethnien gewähren soll (salvage ethnography). Wie zuvor bereits erwähnt, war ein „unverfälschter Einblick“ nur durch Eingriffe in die ethnographische Wirklichkeit zu haben. Anhand existierender Filme und überlieferter Filmbeschreibungen soll geklärt werden, wie und welche Bereiche der materiellen Kultur dargestellt wurden. Schließlich ist zu untersuchen, in welcher Weise der Film „ethnographische Realität(en)“ konstruierte, warum genau diese, und ob alternative Realitätsentwürfe denkbar gewesen wären. In welcher Weise wurde die „Inszenierung“ einer „unverfälschten“ Aufnahme gerechtfertigt bzw. authentifiziert? e) Kinoreformbewegung (Distribution/Rezeption) Martin Taureg sieht in der Kinoreformbewegung einen weiteren Grund für die exponierte Rolle des Films in der deutschen Ethnographie. Unter der Kinoreformbewegung versteht man eine heterogene Gruppe aus Pädagogen, Juristen, Lehrern, Pfarrern und Medizinern, die gegen die „Verrohung des menschlichen Geistes“ durch das Kino, vornehmlich dramatische Filme, argumentierte. Dagegen setzten Reformer auf lehrreiche, bildende nicht-fiktionale Filme wie Naturaufnahmen und völkerkundliche Filme. Trotz ihres Engagements hatte die Reformbewegung nachweislich kaum Einfluss auf die kommerzielle Filmproduktion. Im Projekt soll eingehend überprüft werden, ob der geringe Einfluss eine verstärkte Bindung an nicht-kommerzielle Produzenten wie Museen und Ethnographen zur Folge hatte. f) Film als Aufführungsereignis (Vorführung/Rezeption) Wie neuere Untersuchungen zur deutschen Völkerkunde bzw. zu den ethnographischen Museen im deutschen Kaiserreich zeigen, machte das Überangebot von ethnographischen Sammlungen in den Museen eine adäquate Präsentation für die Öffentlichkeit nahezu unmöglich. Es ist denkbar, dass der Film als eine Art ethnographischer Datenträger betrachtet wurde und Museen in ihrer Aufgabe der Gestaltung ihrer Schausammlungen entlastete. Im Ausstellungsdiskurs kommt der Wettbewerbssituation unter den deutschen Museen eine besondere Bedeutung zu. Ein Bundesratsbeschluss aus dem Jahre 1889 verschaffte dem Berliner Völkerkundemuseum ein Vorgriffsrecht auf neue ethnographische Sammlungen. Erste Anzeichen deuten daraufhin, dass Filme von diesem Beschluss unberührt blieben. Es ist somit denkbar, dass Filme eine Möglichkeit darstellten, einen einzigartigen Sammlungsbestand zu eröffnen, der nicht der Berliner Bestimmung verpflichtet war. Das Projekt erhofft sich, Informationen darüber zu gewinnen, ob dadurch Museen motiviert wurden, die Produktion ethnographischer Filme zu fördern. Das Hauptaugenmerk gilt dem Film in der musealen Ausstellungspraxis. Ein Unterpunkt soll jedoch die unter e) formulierte Untersuchungsfrage aufgreifen. Obwohl Reformer ethnographische Filme als wertvolle Beiträge in der Bildungspolitik verstanden, lässt die Auswertung der Leipziger Unterlagen vermuten, dass Filmproduktionsfirmen ein ganz anderes Interesse an wissenschaftlichen ethnographischen Filmen hatten: Aufnahmen unbekleideter Frauen bedienten z.B. das voyeuristisch Bedürfnis männlicher Zuschauer. Hier ist zu untersuchen, inwieweit 18 ethnographische Aufnahmen eine Pornographie/Erotik darstellten. „legitimierte“ Form der Rezeption von Zum Abschluss des Projektes ist eine Publikation geplant, in der die Forschungsergebnisse vorgestellt werden. Denkbar ist, die Publikation zusammen mit einem digitalen Datenträger (Cd-Rom, DVD) zu veröffentlichen, die dem Leser die Möglichkeit gibt, den Text anhand von Filmen/Filmausschnitten zu überprüfen und zu begleiten. Die Filmdatenbank kann als link auf existierenden wissenschaftlichen wep-pages (evtl. IWF) in das World Wide Web gestellt werden. 4. Beantragte Mittel 4.1 Personalkosten a) Wolfgang Fuhrmann. Promotion: 10.06.2003. Universität Utrecht, Niederlande. BAT IIA für 24 Monate. b) 1 studentische Hilfskraft, 80h pro Monat, 18 Monate. Das Forschungsprojekt beruht auf intensiven Quellenstudien und Archivarbeit. Eine studentische Hilfskraft würde für bibliographische und organisatorische Hilfsdienste sowie für die EDV-Eingabe eingesetzt. 4.2. Wissenschaftliche Geräte Laptop: Der Einsatz eines Laptops ist für die Archivarbeit ein unverzichtbares Hilfsmittel. Unvollständige Korrespondenzen können vor Ort ergänzt und überprüft werden. Eine zeitintensive zweite Transkribierung der eigenen handschriftlich Notizen entfällt. Eigene Text- oder Bilddatenbanken können mit den zuständigen Experten in den Museen diskutiert werden. An- und Abreise zu den Archiven können sinnvoll für Vor- und Nachbearbeitung genutzt werden. Die standardmäßige Ausstattung mit einem Modem erlaubt es, Informationen kurzfristig per e-mail zu versenden bzw. anzufordern. Modell: Dell Inspiron 510 M. Anschaffungskosten 4.2. Preis 1199 €. Scanner: Mit Hilfe eines (portablen) Scanners können Skizzen, Grafiken und Abbildungen aus Publikationen und Archiven digital gespeichert werden, um sie später in Publikationen und Präsentationen zu verwenden. Kostenaufwendige Reproduktionen, die nur durch die Inanspruchnahme Dritter möglich wären, würden entfallen. Model: Hewlett Packard, Scanjet 3690 Anschaffungskosten: Preis ca. 119€. Digitale Camera: Nicht alle archivierten Dokumente dürfen auf Grund ihres Zustandes kopiert oder gescannt werden. Mit Hilfe einer digitalen Camera können Kopien geschützter Dokumente erstellt werden, um sie später in Publikationen und Präsentationen zu verwenden. Auch in diesem Fall würde kostenaufwendige Reproduktionen, die nur durch die Inanspruchnahme Dritter möglich wären, entfallen. 19 Model: Canon Digital INUX 500 Anschaffungskosten: Preis ca. 429€. 4.3. Verbrauchsmaterialien Pauschal: 400 € pro Jahr (Cd’s, Disketten, Druckerpapier, Druckerpatronen s/w und farbig, Fernleihgebühren (1, 50€ pro Medium), Kopierkosten normal, Kopierkosten f. Mikrofilm-Readerprinter (0,25€ pro Kopie), Reproduktionskosten von Archivunterlagen). Gesamt: 800€. 4.4 Reisen Die Erforschung des frühen ethnographischen Films erfordert die Durchsicht von Primärquellen, wie sie nur durch eine intensive Archivarbeit geleistet werden kann. Für den beantragten Zeitraum sind sechs bis sieben Archivaufenthalte zwischen 1-2 Wochen geplant. Die geschätzten Kosten errechnen sich aus Anreise mit der Deutschen Bundesbahn (2. Klasse) bei Erwerb einer Bahncard 50 (BC 50), Unterbringung in einer Pension/Hotel und Tagegeld. a) Wien: Museum für Völkerkunde. Aufenthalt: 7 Werktage. Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt mit Ermäßigung BC 50 mit der DB: 223,- €. 9 Übernachtungen: 720 €. Tagegeld: 124 €. b) Berlin: Ethnologisches Museum, Bundesarchiv- Schriftgut, Bundesarchiv Filmarchiv. Aufenthalt: 15 Werktage. 3 x Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt mit Ermäßigung BC 50 mit der DB. 204,- €. 18 Übernachtungen: 1620 €. Tagegeld: 280 €. c) Hamburg: Museum f. Völkerkunde. Aufenthalt: 5 Werktage. Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt mit Ermäßigung BC 50 mit der DB: 57,- €. 7 Übernachtungen: 630 €. Tagegeld: 84 €. d) Frankfurt: Frobenius Archiv. Aufenthalt: 5 Werktage. Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt mit Ermäßigung BC 50 mit der DB. 41 €. 7 Übernachtungen: 630 €. Tagegeld: 84 €. e) Leipzig: Museum für Völkerkunde und Leibniz-Institut. Aufenthalt: 10 Werktage. Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt ohne Ermäßigung mit der DB. 58,- €. 10 Übernachtungen: 800 €. Tagegeld. 184 €. f) München: Aufenthalt 5 Werktage. Normalfahrpreis für Hin- und Rückfahrt mit Ermäßigung BC 50 mit der DB. 80 €. 6 Übernachtungen: 540 € Tagegeld: 84 €. 20 Bahncard 50 (2 Jahre): 400 €. Zwischensumme: 6843 €. Abrechnung erfolgt gegen Vorlage der Belege Kongressreisen Neben der Teilnahme an nationalen Tagungen und Konferenzen wie dem Freiburger Film Festival im Mai 2005, ist die Teilnahme an einer internationalen Tagungen pro Jahr geplant. Dabei soll sowohl das Projekt selbst als auch erste Teilergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Flugpreise sind ca. Preise, da genaue Tarife bei Antragstellung noch nicht vorlagen. 1) 104. Jahrestagung der American Anthropological Association: 30.11. – 4.12.2005. Marriott Wardman Park Hotel, Washington, DC, USA. Flug: ca. 600 €. 6 Übernachtungen: 600 €. Tagegeld: 7 Tage à 41 €: 287€. 2006: 1) DOMITOR, Jahrestagung. voraussichtlich Juni 2006, Ann Arbor, Michigan, USA. Flug: ca. 600 €. 6 Übernachtungen: 600 €. Tagegeld ca. 7 Tage à 41 €: 287 €. Zwischensumme: 2974€. Summe 4.4: ca. 9817 € (Abrechnung erfolgt gegen Vorlage der Belege). 4.5 Publikationskosten Für das Projekt werden Publikationskosten in Höhe von 750 pro Jahr beantragt. 5. Voraussetzungen für die Durchführung des Vorhabens 5.1. entfällt 5.2 Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern Für das Projekt konnten zwei ausgewiesene Experten aus den Bereichen Visuelle Anthropologie und Filmgeschichte gewonnen werden, mit denen im Verlauf des Projekts (Teil)-Ergebnisse diskutiert werden sollen. Für den Bereich Visuelle Anthropologie: Frau Dr. Beate Engelbrecht, IWF Wissen und Medien gGmbh, Göttingen. Für den Bereich Filmgeschichte: Herr Prof. Dr. Martin Loiperdinger, Institut für Medienwissenschaft, Universität Trier. Um das Forschungsprojekt erfolgreich durchzuführen, ist die enge Zusammenarbeit mit Archiven von besonderer Bedeutung. Durch die geplante Einbindung des Bundesarchiv-Filmarchivs und des IWF sind zwei nationale Filmarchive am Projekt beteiligt, die die Bestandssicherung des Filmmaterials und die weiter wissenschaftliche Nutzung bzw. Vertrieb gewährleisten. Eine informelle Information über das Projektvorhaben und Anfrage für eine mögliche Zusammenarbeit an verschiedene Museen und Archive ist auf eine breite positive Resonanz gestoßen: Museum für Ethnologie, Berlin; Übersee-Museum Bremen; 21 Museum für Völkerkunde zu Leipzig; Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig; IWF, Wissen und Medien Göttingen; Haus des Dokumentarfilms, Stuttgart. 5.3 Arbeiten im Ausland und Kooperation mit ausländischen Partnern Folgende Personen/Institutionen im Ausland haben sich bereit erklärt, imVerlauf des Projekts die Teil-(Ergebnisse) mit dem Antragsteller zu diskutieren. Prof. Dr. Frank Kessler. Instituut voor Media/Representatie, Utrecht, Holland. Prof. Dr. Robert Gordon, Department of Anthropology, University of Vermont, USA. Neue filmographische Angaben über bereits archivierte oder wieder-entdeckte Filme sollen dem ethnographischen online-Projekt „Haddock Catalogue“ unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Banks (Visual Anthropology, University of Oxford, Großbritanien) zur Verfügung gestellt werden. 6. Erklärungen Ein Antrag auf Finanzierung dieses Vorhabens wurde an keiner anderen Stelle eingereicht. Wenn ich einen solchen Antrag stelle, werde ich die Deutsche Forschungsgemeinschaft unverzüglich benachrichtigen. 7. Unterschrift 8. Verzeichnis der Anlagen Ethnographic filmmaking in the colonies: A provisional first case study. Kapitel 4. der Dissertation: Propaganda, Sciences, and Entertainment: German Colonial Cinematography in Africa. A case study in the history of early nonfiction cinema (Universität Utrecht, 2003), S. 138-176. Auf die Rücksendung der Anlagen wird verzichtet. 22