NEWTONs Axiomatik

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Baudynamik und Zustandsanalyse
Eine Einführung in die Baudynamik mit Mathematica ®
Das vorliegende Skript wurde im Original mit dem Programmsystem MATHEMATICA® von WOLFRAM-Research [http://www.wolfram.com] geschrieben und erstmals auf den Webseiten der
Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (University of Applied Sciences) [http://www.htw-dresden.de] veröffentlicht. Die Schrift trägt den Charakter eines Arbeitskonzepts, so dass ich
für Hinweise und Anregungen aller Art, einschließlich zu Rechtschreibung, Grammatik und Druckbild sehr dankbar bin.
Mit meinem Beitrag erhebe ich keinen Anspruch auf irgendeine Vollständigkeit bzw. Allgemeingültigkeit.Ich möchte einzig und allein an exemplarischen Problemstellungen der Baumechanik logisch
einfache mathematisch-physikalische Lösungsmethoden zur Diskussion stellen.
Mirko Slavik, Dresden
◼ 5 NEWTONsche Mechanik
◻ 5.1 NEWTONsche Axiomatik
5.1.1 Unsere heutigen Ideen über die Bewegung der Körper datieren auf Galileo GALILEI (1564 1642) und Isaac NEWTON (1643 - 1727). GALILEIs Messungen beim Abrollen einer Kugel auf einer
geneigten Ebene wurden von NEWTON als Basis seiner Bewegungsgesetze verwendet. Diese
Gesetze und Prinzipien sind später von Jean d’ALEMBERT (1717 - 1783), Joseph de LAGRANGE
(1736 - 1813) und William HAMILTON (1805 - 1865) in modifizierte mathematische Formen transformiert und weiterentwickelt worden (vgl. hierzu auch den Abschnitt 2.6).
5.1.2 NEWTONs Mechanik galt in der Physik bis zur Formulierung der Relativitätstheorie im Jahre
1905 durch Albert EINSTEIN (1879 - 1955) als allgemeingültig. Solange die Geschwindigkeiten sehr
klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit bleiben, kann sie in den Ingenieurwissenschaften jedoch
nach wie vor uneingeschränkt angewendet werden (siehe Abschnitt 2.7).
5.1.3 Die Grundgrößenarten der Mechanik sind die Zeit, die Länge und die Masse. In der NEWTON schen Axiomatik stellen diese Grundgrößenarten ein absolutes Konzept dar. Sie werden als voneinander unabhängig angesehen. Dies gilt nicht in der relativistischen Mechanik, wo Zeit und Länge mit dem
Standort eines Betrachters und die Masse mit der Geschwindigkeit verknüpft sind.
5.1.4 Die maßgebende Wechselwirkungsgröße zur Beschreibung der Bewegung von Körpern ist die
Kraft. Sie repräsentiert die Wirkung eines Körpers auf einen anderen. Sie wird durch ihren Angriffspunkt, ihre Wirkungsrichtung und ihren Betrag charakterisiert. Das bedeutet, eine Kraft kann mathema tisch als Vektor beschrieben werden.
5.1.5 Um ein Ereignis zu erfassen, ist es nicht ausreichend nur die Position eines Körpers im Raum zu
identifizieren. Es muss auch der zugehörige Zeitpunkt angegeben werden.
5.1.6 Das Konzept der Masse dient der Charakteristik und der Vergleichbarkeit von Körpern auf der
Basis bestimmter fundamentaler Experimente. Die Masse ist das Maß der Trägheit eines Körpers,
seines Widerstandes gegenüber einer Beschleunigung (vgl. hierzu auch den Unterabschnitt 2.7.3).
5.1.7 In den Absätzen 5.1.8 bis 5.1.13 werden sechs fundamentale Prinzipien, die alle auf experimentellen Erfahrungen beruhen, angeführt.
5.1.8 Gemäß NEWTONs erstem Gesetz (Axiom) bleibt eine Punktmasse in Ruhe oder in gleichförmiger geradliniger Bewegung solange die Resultierende aller auf die Punktmasse wirkenden Kräfte
gleich null ist (Trägheitsprinzip).
5.1.9 Wenn jedoch laut NEWTONs zweitem Gesetz (Axiom) die Resultierende aller Kräfte nicht null
ist, dann erfährt die Punktmasse eine Beschleunigung, die proportional zum Betrag der Resultierenden
2
baudyn_05_newton.nb
ist und in deren Wirkungsrichtung weist. Dieses Gesetz, das auch als Aktionsprinzip bekannt ist, lautet
mathematisch:
F= ma
mit
F
m
- Resultierende oder Trägheitskraft in [N] ,
- Masse des Punktes (Punktmasse oder Massepunkt) in [kg],
a
- Beschleunigung des Massepunktes in [m s 2].
5.1.10 NEWTONs drittes Gesetz (Axiom) besagt, dass die resultierende Aktions- und Reaktionskraft
zwischen Körpern, die miteinander in Kontakt stehen, dieselbe Amplitude, dieselbe Wirkungslinie,
jedoch die entgegengesetzte Wirkungsrichtung besitzen (Wechselwirkungsprinzip).
5.1.11 NEWTONs Gravitationsgesetz stellt eine Beziehung zwischen zwei beliebigen Massekörpern
her. Diese werden durch zwei betragsmäßig gleichgroße Kräfte auf einer gemeinsamen Wirkungslinie
gegenseitig angezogen. Die Gleichung hierzu besitzt die Form:
Fgrav = - γ
mit
Fgrav
m1 m2
r2
- Gravitationskraft zwischen zwei Massen,
m 1, 2
- Massen in [kg],
r
- Abstand der Punktmassen in [m] ,
γ
- Gravitationskonstante; sie lautet γ = (6,6720 ± 0,0041) × 10 -11[m3kg -1 s -2].
5.1.12 Zwei Kräfte, die an einem Massekörper angreifen, können durch eine einzige Kraft, die Resultierende ersetzt werden. Zeichnerisch entspricht diese Kraft der Diagonalen eines Parallelogramms,
dessen Seiten den gegebenen beiden Kräften äquivalent sind. Dieser Zusammenhang bildet den
Ausgangspunkt der Addition beliebig vieler Einzelkräfte.
5.1.13 Solange die Verschiebung einer Kraft entlang ihrer Wirkungslinie erfolgt, ihr Betrag und ihre
Richtung jedoch gleich bleiben, ist die Wirkung, die sie auf einen Massekörper ausübt, unverändert.
5.1.14 Wenn auf eine Punktmasse m ein Kraftvektor F einwirkt, kann NEWTONs zweites Gesetz
(Absatz 5.1.9) mittels dem Geschwindigkeitsvektor v(t) auch in einer anderen Form ausgedrückt
werden:
F[t] = ∂t (m v[t])
Anmerkung: Die Zweckmäßigkeit Kräfte und Geschwindigkeiten mittels Vektoren zu beschreiben
erschließt sich, wenn man basierend auf einer ausreichenden Kenntnis der skalaren Mechanik (siehe
Abschnitt 5.2 f.) sich in die Symbolik der Vektorkinematik anhand numerischer Beispiele
“hineindenkt”. Hierzu sei insbesondere auch auf den Abschnitt 2.6 und auf die versteckte Zelle im
Anschluss an den Absatz 5.2.3 verwiesen. Im vorliegenden Abschnitt 5.1 haben wir auf eine
gesonderte vektorielle Schreibweise verzichtet.
5.1.15 Das Produkt p = m v stellt den Impuls der Punktmasse m dar. Multiplizieren wir in der obigen
Gleichung beide Seiten mit dt und integrieren von t 1 nach t2 , erhält man den Kraftstoß, der gleich
der Impulsänderung ist. Das Ganze wird als Impulssatz bezeichnet:
3
baudyn_05_newton.nb
t2

t1
∂t (m v[t]) ⅆ t = m v2 - m v1 = 
t2
F[t] ⅆ t
t1
5.1.16 Der Impulsvektor p = m v eines Massepunktes m ist folglich gleich dem Kraftstoß, der einen
ruhenden Massepunkt m auf eine Endgeschwindigkeit v ≢ 0 bringt.
Anmerkung: In der deutschen Fachsprache ist die Verwendung des Begriffes “Impuls” nicht einheitlich und somit leider auch hin und wieder irreführend. Für das Produkt (5.1.15) wäre der Terminus “Bewegungsgröße” (engl. “momentum”) geeigneter [28]. Im Englischen wird mit dem Wort
“impulse” der “Kraftstoß” bezeichnet. Eine ähnliche unglückliche Begriffswahl im Deutschen
kennen wir in der Festigkeitslehre mit dem Begriff des “Widerstandsmomentes” (siehe [58, Abschnitt
18.26]), wo die englisch-amerikanischen Fachbegriffe in ihrer semantischen Zuordnung logischer
sind.
◻ 5.2 Grundaussagen zur Kinematik und Kinetik von Punkten, Massepunkten und Körpern [66]
5.2.1 Die Berechnung der Geschwindigkeit und der Beschleunigung von mechanischen Gebilden, die
der Einwirkung NEWTONscher Kräfte ausgesetzt sind, ist Gegenstand des Lehrgebietes der Kinetik.
Hingegen widmet man sich in der Kinematik allein der funktionellen Zuordnung der Bewegungsgrößen
Zeit, Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung verschiedener idealisierter Objekte, wie Punkte,
Scheiben und Körper (vgl. hierzu die Berechnungsmodelle der Festigkeitslehre in [58]).
5.2.2 In der Kinematik unterscheidet man bahngeführte von nichtgeführten sowie gleichförmige von
ungleichförmigen Bewegungen. Die gleichförmigen Vorgänge sind beschleunigungsfrei, bei ihnen ist
die Bahngeschwindigkeit zeitlich konstant. Eine Beschleunigung verursacht eine ungleichförmige
Bewegung. Ist diese konstant, liegt der Sonderfall einer gleichförmig beschleunigten Bewegung vor.
5.2.3 Die skalare Kinematik ist auf die Analyse von Bewegungen entlang einer einzigen Koordinate
beschränkt. Liegen beliebige, allgemeine translatorische und rotatorische Bewegungen im Raum vor,
erweist sich die Einführung eines zeitabhängigen Ortsvektors als zwingend. Die Behandlung derartiger
Vorgänge erfolgt im Rahmen der Vektorkinematik (siehe unten sowie Absatz 5.2.7).
☺ Versteckte Zelle zur Einführung in die Vektorkinematik mit MATHEMATICA ® .
5.2.4 Wir schließen an die fundamentale Definition der Geschwindigkeit v(t) = Limit [
Δs
Δt
, Δt → 0 ]
eines Punktes bzw. einer Punktmasse aus dem Absatz 3.7 an. Eine Geschwindigkeitsänderung Δv
bezogen auf eine Zeitdifferenz Δt führt uns auf die Definition der Beschleunigung a(t) (vgl. Absatz
5.1.9). Hierbei muss beachtet werden, dass der Geschwindigkeitsvektor entweder infolge einer
Änderung seines Betrages oder einer Änderung seiner Richtung beeinflusst werden kann. Die
Betragsänderung bewirkt eine Bahnbeschleunigung. Sie ist tangential zur Bewegungsbahn gerichtet
(vgl. Absatz 5.1.9), weshalb man auch von einer Tangentialbeschleunigung spricht. Hingegen ist eine
Richtungsänderung Ergebnis einer Normalbeschleunigung in Richtung Krümmungsmittelpunkt der
erzwungenen Bahnkurve. Man spricht auch von einer geführten Bewegung. Es gilt:
4
baudyn_05_newton.nb
a[t] = Limit
Δv
Δt
, Δt → 0 = ∂t v[t] = ∂t,t s[t]
mit den Komponenten
at [t] = ∂t v[t]
an [t] =
v[t]
- Bahn -, bzw. Tangentialbeschleunigung
2
- Normalbeschleunigung
R
mit dem Krümmungsradius R
5.2.5 Dem Problem der geführten Bewegung kann man sich auch anders nähern. Damit eine Punktmasse sich beispielsweise mit einer konstanten Geschwindigkeit v auf einer Kreisbahn bewegt, muss
sie eine konstante Beschleunigung erfahren, die stets zum Bewegungszentrum, dem Kreismittelpunkt
gerichtet ist. Deshalb nennt man die Normalbeschleunigung auch Zentralbeschleunigung. Wir verdeutlichen uns den mathematisch-physikalischen Hintergrund anhand des Bildes 5.2.5. Für eine sehr
kleine Zeitspanne Δt ⪡ 1 kann die Bogenlänge der Sekantenlänge gleich gesetzt werden, also b ≏ s
= v Δt . Da in Richtung Bewegungszentrum eine gleichförmig beschleunigte Translation mit a = const.
vorliegt, beträgt die Teilstrecke q = ∫∫ a ⅆ Δt ⅆ Δt =
a Δt
2
2
(vgl. Absatz 5.2.7). Laut dem Kathetensatz
und dem Satz des THALES von MILET (um 625 v. Chr. - um 547 v. Chr.) folgt schließlich:
b2 = (p + q) q
⟶
(v Δt)2 = 2 R
a Δt2
2
⟶
a =
v2
R
w.z.b.w.
Bild 5.2.5: Geometrische Zusammenhänge zur Erläuterung der Zentralbeschleunigung
5.2.6 Arbeitet man mit den üblichen infinitesimalen Größen, dann besteht zwischen dem Mittelpunktswinkel dφ, der Bogenlänge ds und dem Abstand R zum Drehzentrum die Relation ds = R dφ
(siehe Bild 5.2.6). Somit lauten die noch fehlenden Basisbeziehungen der Rotationsbewegung:
5
baudyn_05_newton.nb
ds
dt
dv
dt
=
dφ
dt
R
⟶
v = ωR
mit der Winkelgeschwindigkeit
≏ at = R ∂t ω = R ∂t,t φ ≏ R α
an =
v2
R
⟶
ω = ∂t φ[t]
mit der Winkelbeschleunigung
α = ∂t,t φ[t]
an = ω2 R
Bild 5.2.6: Winkel, Winkelgeschwindigkeit und -beschleunigung
5.2.7 Eine nichtgeführte, allgemeine Bewegung wird in der Vektorkinematik mit einem Beschleunigungsvektor veka erfasst, dessen einmalige zeilenweise Integration liefert uns den Geschwindigkeitsvektor, die nochmalige Integration den Ortsvektor veks :
veka =
ax [t]
ay [t]
vx [t] = ∫ ax [t] ⅆ t
⟶ vekv =
az [t]
vy [t] = ∫ ay [t] ⅆ t
vz [t] = ∫ az [t] ⅆ t
sx [t] = ∫ vx [t] ⅆ t
⟶ veks =
sy [t] = ∫ vy [t] ⅆ t
sz [t] = ∫ vz [t] ⅆ t
Anmerkung: Die Bestimmung der Integrationskonstanten der obigen unbestimmten Integrale erfolgt
über die entsprechenden kinematischen Randbedingungen.
5.2.8 NEWTONs zweites Gesetz (5.1.9) wird in der Regel als dynamisches Grundgesetz bezeichnet.
In kartesischen Koordinaten geschreiben lautet es für eine allgemeine Bewegung, bei der Translation
und Rotation gleichzeitig auftreten können (vgl. hierzu auch [58, Absatz 9.9]):
vekF =
∑ Fx
∑ Fy
∑ Fz
= m
ax
ay
az
5.2.9 Im Falle der Bewegung in einer Ebene ist auch eine Beschreibung mit den beiden natürlichen
Koordinaten möglich. Diese erfassen die Tangential- und Normalrichtung. Folglich erhält man mit den
Beziehungen vom Absatz 5.2.4 die Ausdrücke:
6
baudyn_05_newton.nb
vekF =
∑ Ft
∑ Fn
= m
at
= m
an
∂t,t st
(∂t st )2  R
5.2.10 Die formale Umstellung der beiden Terme des NEWTONschen zweiten Gesetzes (5.1.9) auf
eine einzige Gleichungsseite führt uns auf ein Kräftegleichgewichtsproblem (vgl. hierzu auch [58,
Absatz 9.9 bzw. Absatz 16.13]). Dieser Gedanke geht auf Jean d`ALEMBERT (1717 - 1783) zurück,
was historisch zur Herausarbeitung des d`ALEMBERTschen Prinzips führte, das hinsichtlich seiner
praktischen Nutzung als quasistatisches Prinzip interpretiert werden kann. Die dynamische Auffassung
gemäß NEWTON und die quasistatische Auffassung nach d`ALEMBERT sind zwar völlig gleichwertig,
sollten jedoch nicht gleichzeitig angewendet werden, da dies zu logischen Fehlschlüssen führt [27].
∑ Fx
∑ Fy
∑ Fz
-m
ax
ay
az
=
0
0
0
Anmerkung: Das d`ALEMBERTsche Prinzip (siehe [58, Absatz 16.8 ff.]) kann man auch als Übergang von der NEWTONschen zur LANGRANGEschen Mechanik betrachten [67], auf die im
Abschnitt 2.6 “Analytische Mechanik” ausführlicher eingegangen wird.
5.2.11 Der Kraftvektor (blau) repräsentiert im d`ALEMBERTschen Prinzip die eingeprägte Kraft, das
negative Produkt von Masse mal Beschleunigungsvektor (rot) die d`ALEMBERTsche Kraft. Letztere
wird in der Technischen Mechanik in der Regel als Trägheitskraft (Trägheitswiderstand) bezeichnet,
die der Beschleunigungsrichtung entgegenwirkend angesetzt werden muss.
5.2.12 Wir wenden den d`ALEMBERTschen Formalismus auf den Absatz 5.2.9 an:
∑ Ft - m at
∑ Fn - m an
=
∑ Ft - m ∂t,t s
2
∑ Fn - m (∂t s)  R
=
0
0
0
Anmerkung: Ist die Beschleunigungsrichtung unbekannt, bedeutet ein negatives Vorzeichen im
Endergebnis einer Berechnung, dass der d`ALEMBERTsche Gleichungsansatz falsch war. Das
Berechnungsmodell muss nochmals mit verändertem Vorzeichen neu aufgestellt werden.
5.2.13
Die radiale Trägheitskraft - m an ≏ - m v 2 R bezeichnet man als Zentrifugalkraft (Fliehkraft).
Sie ist fiktiv und steht im “statischen” Gleichgewicht mit der Zentripetalkraft (Normalkraft), die als
Zwangskraft die eigentliche Ursache für die Bewegung auf gekrümmten Bahnen ist und stets zum
Drehzentrum gerichtet sein muss.
5.2.14 Ein starrer Körper besitzt sechs Freiheitsgrade, drei freie Verschiebungen (Translationen) und
drei freie Verdrehungen (Rotationen). Man vergleiche hierzu die bekannten Modellbildungen der
Festigkeitslehre (siehe u. a. [58, Absätze 4.11 und 9.9]). Die Translationsbewegungen eines Starrkörpers können auf die idealisierten Bewegungen einer Punktmasse zurückgeführt werden. Es bleibt
somit nur noch die Analyse der Drehungen offen.
5.2.15 Um uns das dynamische Grundgesetz der Rotation anschaulich auf Basis des dynamischen
Grundgesetzes der Translation (Absatz 5.19) herzuleiten, nutzen wir das ebene Modell einer homoge nen Kreisscheibe (Bild 5.2.15), deren feste Drehachse durch ihren Schwerpunkt geht, womit diese
eine Hauptachse ist (vgl. [58, Kapitel 17]).
7
baudyn_05_newton.nb
Bild 5.2.15: Kreisscheibe mit der z-Achse als fester Drehachse
5.2.16 Auf das differenzielle Masseelement Δm, das im Abstand r vom Drehpunkt entfernt ist, wirke
eine tangential angreifende Kraft ΔF. Diese Punktmasse erhalte auf ihrer geführten Kreisbahn eine
Tangentialbeschleunigung. Dann gilt mit den Beziehungen des Absatzes 5.2.6:
ΔF ~ Δm at
und mit
at = α r
⟹
ΔF ~ Δm α r
5.2.17 Wir erweitern beide Seiten mit r und summieren über alle Punkte der Kreisscheibe. Dann
entspricht die linke Seite dem angreifenden Gesamtmoment M und auf der rechten Seite kann α vor
das Integral gestellt werden, da alle Massepunkte der Kreisscheibe denselben Drehwinkel, also auch
dieselbe Winkelbeschleunigung haben.
 ΔF r ~  Δm α r2
⟶
r2 ⅆ m
M = α 
(m )
= α J
mit
r2 ⅆ m
J =
(m )
5.2.18 Der Buchstabe J steht für das Massenträgheitsmoment mit der Dimension [kg m 2 ≏ N m s 2 ].
Durch den Schwerpunkt eines Körpers lassen sich beliebig viele Drehachsen anordnen. Für zwei
bestimmte, senkrecht aufeinander stehende Achsen findet man einen Größt- und einen Kleinstwert des
Massenträgheitsmomentes. Zusammen mit einer dritten, auf beiden ebenfalls orthogonal stehenden
Achse bezeichnet man sie als Hauptträgheitsachsen (man vgl. hierzu die Problematik der Hauptspannungen in einem Raumpunkt [58, Kapitel 9]). Die Methodik zur Berechnung der Massenträgheitsmomente für beliebige andere Drehachsen entspricht der aus der Festigkeitslehre bekannten Vorgehensweise bei den Flächenmomenten. So gelten u. a. auch die Sätze von STEINER für die Massenträgheitsmomente [58, Absatz 17.10].
Anmerkung: Analog zum Spannungstensor am Raumpunkt [58, Absatz 9.16] besitzt ein Starrkörper
bei allgemeiner Betrachtung neun Massenträgheitsmomente, die in einem symmetrischen Trägheitstensor zweiter Stufe zusammengefasst werden [37].
5.2.19 Als ein Anwendungsbeispiel bestimmen wir das Massenträgheitsmoment einer Kreisscheibe mit
der Einheitsdicke dz = 1 um die Schwerachse z, die senkrecht auf der Kreisfläche steht (siehe Bild
5.2.15). Dazu müssen wir die differenzielle Masse dm mittels der Dichte ρ [ kg/m 3] und dem Volu-
8
baudyn_05_newton.nb
men dV= dx dy dz ausdrücken:
r2 ⅆ m
J =
⟶
(m )
(V)
R
J ⩵ 1 ρ 
-R -
J⩵
1
2
r2 ρ ⅆ x ⅆ y ⅆ z
J =
π R3
R 2 -x2
R 2 -x2
⟶
R
R
-R
-R
J = 1 ρ 
x2 + y2  ⅆ x ⅆ y
x2 + y2  ⅆ y ⅆ x
R2 ρ
5.2.20 Da das Produkt π R 2 ρ ≏ m der Masse der Kreisscheibe entspricht, verbleibt für ihr Massenträgheitsmoment der Ausdruck J = 0,5 m R 2 .
5.2.21 Die z-Achse ist übrigens eine Hauptachse, da sie eine Symmetrieachse darstellt. Hinsichtlich
dieser Achse gilt die Kreisscheibe als dynamisch ausgewuchtet. Bei Drehung um eine gegen die zAchse geneigte Gerade spricht man in der Angewandten Mechanik von einer Taumelscheibe, weil die
Fliehkräfte ein “aufrichtendes Moment” erzeugen, das die Hauptachse in Richtung Drehachse zu
verlagern versucht (Bild 5.2.21).
Bild 5.2.21: Taumelscheibe
5.2.22 Der d`ALEMBERTsche Ansatz für die Rotation um eine feste Drehachse hat die Form (vgl.
Absatz 5.2.10 f.):
 M = 0 = Mres - J ∂t,t φ[t]
mit
Mres - resultierendes äußeres Moment
Anmerkung: Analog zur Translation ist die Summe der tangential wirkenden Trägheitskräfte bei der
Rotation (rot) der tatsächlichen Winkelbeschleunigung entgegengerichtet, weshalb sie in der dynamischen Gleichgewichtsbeziehung mit einem negativen Vorzeichen einzusetzen ist.
5.2.23 Neben der Zentrifugalkraft (Absatz 5.2.13) als radiale Trägheitskraft, existiert bei der Rotation
noch eine zweite Trägheitskraft, die CORIOLISkraft F C . Diese nach Gaspard Gustave de CORIOLIS
(1792-1843) benannte Trägheitswirkung, die ein in einem rotierenden Bezugssystem bewegter Körper
mit der Masse m erfährt, ist ursächlich mit der Problematik gegeneinander beschleunigter Bezugssys-
9
baudyn_05_newton.nb
teme verknüpft (siehe hierzu auch
“Physikalische Ausfllüge”. ).
Abschnitt 2.6 “Analytische Mechanik”
bzw.
Abschnitt 2.7
5.2.24 Die CORIOLISkraft steht auf der Ebene, die die Drehachse (Vektor vekω D ) und die Bewegungsrichtung des Körpers (Geschwindigkeitsvektor vekv) einschließen, senkrecht. Vektoriell
geschrieben bedeutet dies (siehe Abschnitt 2.6):
vekF C = 2 m vekv × vekω D = 2 m vekv  vekω D  Sin[v; ωD ]
(v; ωD )
vekFc
mit
- Winkel zwischen den Vektoren vekv und vekω D ,
- CORIOLISkraft .
5.2.25 Um die obige Beziehung in vereinfachter Form herzuleiten, bedienen wir uns des Sonderfalles
(v;ω D ) = 90°, d. h., der Körper bewegt sich auf einer Drehscheibe radial nach innen oder nach außen
(Bild 5.2.25). Dann erfährt er infolge der senkrecht anreifenden CORIOLISkraft eine tangentiale
CORIOLISbeschleunigung aC , die der Rotation entgegen gerichtet ist. Unter Beachtung von Absatz
3.11 findet man schließlich:
R = vR t ⟶ Δs = R ωD t = vR t ωD t = vR ωD t2 ⟶
Δs =
1
2
a C t 2 ⟶ F C = m a C = 2 m vR ω D
Bild 5.2.25: Bewegter Körper auf rotierender Scheibe
5.2.26 Die Erweiterung des Scheibenmodells auf die Oberfläche einer rotierende Kugel (Erde)
erfordert eine räumliche Transformation der Bezugssysteme (siehe Abschnitt 2.6). Die sich daraus
ergebenden Beziehungen spielen sowohl in der Meteorologie (vgl. hierzu u. a. den Unterabschnitt
21.2.2) als auch in der Ballistik eine wichtige Rolle. Solange sich Wasser- und Luftströmungen oder
Geschosse nicht entlang eines Breitengrades bewegen, werden sie infolge der CORIOLISkraft auf der
Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, und auf der Südhalbkugel entgegen des Uhrzeigersinns abgelenkt.
Da die CORIOLISKRAFT nur für einen mit dem Bezugssystem rotierenden Betrachter relevant ist, stellt
sie eine scheinbare Trägheitskraft dar. Für einen raumfesten Beobachter tritt sie nicht auf.
Anmerkung: Eine sehr beeindruckende Manifestation der CORIOLISkraft stellt der FOUCAULTsche
Pendelversuch dar. 1851 erbrachte Léon FOUCAULT (1819 - 1868) im Pariser Panthéon mittels
eines Pendels (Pendelmasse 28kg, Pendellänge 67m) den sichtbaren Nachweis der Erdrotation.
10
baudyn_05_newton.nb
◻ 5.3 Arbeit, Energie, Leistung und Drehimpuls [37][66]
5.3.1 Nur die Tangentialkomponente einer Kraft, die in Richtung eines vorgegeben Weges weist,
verrichtet Arbeit:
W =
W
Ft
s
sa , se
se
sa
Ft [s] ⅆ s
mit
- mechanische Arbeit in [Nm]
- tangentiale Kraftkomponente in Richtung von s
- Wegstrecke längs der Kraftrichtung von Ft
- Anfangs- bzw. Endpunkt des Weges
5.3.2 Wenn man nach Absatz 5.2.4 für das Differenzial ds = v dt setzt und das Arbeitsintegral
formal unbestimmt lässt, eröffnet sich uns die Möglichkeit einer interessanten Umformung:
W =  v Ft [t] ⅆ t
⟶
∂t W = v Ft ≏ Pt [t]
⟶
W =
te
ta
Pt [t] ⅆ t
5.3.3 Das Produkt der Momentangeschwindigkeit mit der zugehörigen Tangentialkraft bezeichnet man
als die mechanische Leistung Pt (t) in [Nms -1]. Die “geleistete” mechanische Arbeit entspricht dem
Zeitintegral über die Leistung.
5.3.4 Wird eine Punktmasse m in einem Schwerefeld mit der konstanten Beschleunigung g vom
Punkt A zum Punkt B bewegt, so ist die dazu erforderliche Arbeit unabhängig vom Weg. Egal ob
man die Masse im Bild 5.3.4 über den Weg s 1 , s2 oder s3 führt, die Schwerkraft F = m g leistet
laut Definition (5.3.1) nur in Richtung h Arbeit. Sie beträgt W pot = m g h. Wäre z. B. die Strecke s 2
als Zwangsweg vorgegeben, dann betrüge die Strecke s 2 =
h
sin α
und die zugehörige tangentiale Kraft
Ft = m g sin α, was wiederum die Arbeit W pot = m g h zum Ergebnis hat.
Bild 5.3.4: Punktmasse im Schwerefeld
5.3.5 Das Schwerefeld stellt ein Potenzial- bzw. konservatives Kraftfeld dar. Für konservative Kräfte ist
das Arbeitsintegral unabhängig vom Weg. Durch Verschieben einer Masse im Schwerefeld entgegen
11
baudyn_05_newton.nb
dessen Wirkrichtung oder durch das Dehnen einer Zugfeder (vgl. [58, Kapitel 16]) werden deren
Potenziale, sprich die Fähigkeiten der Systeme Arbeit zu verrichten, erhöht. Um einem derart veränderten Zustand Rechnung tragen zu können, wurde der Begriff der Energie eingeführt. Im Gegensatz
dazu soll mit dem Terminus der Arbeit der Vorgang erfasst werden.
5.3.6 Da in den beiden genannten Beispielen nur die Anfangs- und Endpunkte von Bedeutung sind,
spricht man in Sonderheit von potenziellen Energien. Im ersten Fall benutzt man hierfür auch den
Ausdruck der Lageenergie. Bei der Feder bezeichnet man diese als Energie der elastischen Deforma tion, hingegen wird der Begriff der Formänderungsarbeit [58, Kapitel 16] benutzt, wenn man mehr den
Vorgang des Dehnens vor Augen hat.
5.3.7 Die Arbeit, die zur Beschleunigung einer Masse auf eine bestimmte Geschwindigkeit gebraucht
wird, bezeichnet man als kinetische oder Bewegungsenergie W kin . Um deren allgemein bekannte
Form, die unten rot hervorgehoben ist, herzuleiten, gehen wir wieder den heuristischen Weg:
t2
B
Wkin =  Ft ⅆ s = 
A
ⅆ
mit
m
2

ⅆt
2
=2
ⅆt
t2

ⅆs
t1
ⅆ
ⅆs
ⅆt
ⅆt

t1
Ft
ⅆs
ⅆt
ⅆt = 
ⅆ2 s
ⅆs
ⅆ t (ⅆ t)2
2
ⅆt =
m
2
v2 = v

t2
ⅆ2 s
m
(ⅆ t)
t1
folgt
ⅆ v2 =
v1 =0
m
2
ⅆs
2
ⅆt
ⅆt ,
schließlich
v2 2 - v1 2  =
m
2
v2 = W kin
5.3.8 Aus der obigen Ableitung ergibt sich, dass die einer Punktmasse auf dem Weg von A nach B
eingeprägte potenzielle Arbeit (blau) der Differenz der kinetischen Energien (rot) in diesen beiden
Punkten äquivalent ist.
5.3.9 Die in den drei oben angeführten Beispielen aufgewendeten Arbeiten können vollständig zurückgewonnen werden, indem die Masse im Schwerefeld zurückgesetzt, die Feder entspannt bzw. die
beschleunigte Masse vollkommen abgebremst wird.
5.3.10 In einem konservativen System besteht für jeden Zeitpunkt eines Bewegungsvorganges die
fundamentale Bezeihung:
- W pot,B - W pot,A  = Wkin,B - Wkin,A
⟹ Wpot,A + Wkin,A = Wkin,B + Wpot,B = const.
5.3.11 Die obige Aussage repräsentiert das Gesetz von der Erhaltung der Energie in einem
abgeschlossenen System, das auf Robert von MAYER (1814 - 1878) zurückgeht. In dieser Form
besitzt der Energieerhaltungssatz jedoch eine sehr hohe Idealisierung, da es im Prinzip keine Bewegungen ohne Energieverluste gibt. So treten bei der Mehrzahl sich bewegender technischer Systeme
Verluste infolge von Reibungskräften auf. Diese Kräfte sind bahnabhängig und können nicht zurückge wonnen werden, weshalb sie auch als Nichtpotenzialkräfte W nonpot bezeichnet werden.
5.3.12 Für reale technische Anwendungen verwendet man deshalb eine modifizierte Form des
Energieerhaltungssatzes, wobei sowohl Translations- als auch Rotationsbewegungen erfasst werden
(siehe Absatz 5.3.15):
W pot,A + W kin,A ± Wnonpot = W kin,B + W pot,B
Anmerkung: Wenn die Nichtpotenzialkraft mit der Bewegungsrichtung übereinstimmt, wird ihr
Energiebeitrag mit einem positiven Vorzeichen berücksichtigt (z. B. die Reibungskraft beim Anfahren
12
baudyn_05_newton.nb
eines Fahrzeuges). Eine Verlustarbeit ist negativ.
5.3.13 Als klassische Beispiele für den zeitabhängigen Wechsel der Anteile zwischen potenzieller und
kinetischer Energie gelten der Einmassenschwinger (Kapitel 7) bzw. das mathematische Pendel
(Kapitel 25). In den beiden maximalen Auslenkungspunkten besitzen die Massepunkte keine kinetische
Energie (v ≡ 0 !), dafür aber ihre größte potenzielle Energie. Im Moment des Kreuzens der statischen
Ruhelage haben sie ihre größte Bahngeschwindigkeit, die kinetische Energie ist maximal, die potenzielle Energie des schwingenden Systems jedoch null. Die Summe beider Energiearten bleibt konstant,
insofern ein reibungsfreier (ungedämpfter) Vorgang angenommen wird.
5.3.14 Bei den bisherigen Überlegungen zur Problematik von mechanischer Arbeit und Energie wurde
die für Translationen übliche Formelsprache verwendet. Die Beziehung für die kinetische Energie bei
der Rotation einer Masse um eine feste Achse ergibt sich als einfache Analogie. Arbeit und Leistung
eines Drehmomentes lassen sich aus den bekannten translatorischen Gleichungen entwickeln:
J ω2
Kinetische Energie :
Wrot,kin =
Arbeit und Leistung :
Wt =  Ft [s] ⅆ s
2
Wrot =  M[φ] ⅆ φ
⟺
folgt
und
m
2
v2 = Wt,kin
mit
ⅆs = r ⅆφ
und
M = Ft [s] r
∂t Wrot ≏ Prot = M ω
Anmerkung: Um Energie und Leistung hinsichtlich ihrer Ursache zu unterscheiden, führe ich im Falle
einer Rotation den Index rot und bei einer Translation das kleine t hinzu.
5.3.15 Wie bereits im Absatz 5.3.12 angedeutet worden ist, können im Energiesatz sowohl die kinetischen Rotations- als auch die Translationsenergien ohne Einschränkungen überlagert werden. Dasselbe gilt für die infolge Verschiebung bzw. Verdrehung gespeicherten potenziellen Energieanteile.
5.3.16 Wegen des Schwerpunktsatzes der Mechanik ist das dynamische Grundgesetz der Rotation
gemäß Absatz 5.2.15 ff. auch gültig, wenn keine feste Drehachse vorliegt. Das der Winkelbeschleuni gung proportionale Moment entspricht dem Moment, welches die auf den Schwerpunkt eines Körpers
bezogene resultierende Kraft erzeugt. Somit ist das auf den Schwerpunkt bezogene Massenträgheitsmoment der Proportionalitätsfaktor. Der Schwerpunktsatz besagt, dass der Schwerpunkt
(Massenmittelpunkt) eines Systems sich so bewegt, als ob die gesamte Masse des Systems in ihm
vereinigt wäre und die resultierende äußere Kraft in ihm angriffe. Das gilt auch, wenn die tatsächliche
Wirkungslinie außerhalb des Schwerpunktes liegt. Da der senkrechte Abstand zwischen den parallelen
Geraden, fiktive Schwerpunktlinie und tatsächliche Wirkungslinie, dann ungleich null ist, entsteht um
den Schwerpunkt eine Drehbewegung, die sich der Translationsbewegung überlagert.
☺ Versteckte Zelle mit Beispielaufgaben , wie z. B. die rollende Scheibe auf einer horizontalen bzw.
schiefer Ebene.
5.3.17 Multiplizieren wir die differenzielle Masse dm gemäß dem Bild 5.2.15 mit der zugehörigen
momentanen Bahngeschwindigkeit, erhalten wir laut Absatz 5.1.15 das Differenzial des Impulses dp
= v dm. Bewerten wir dieses Produkt wieder mit dem Abstand r zur Drehachse und integrieren über die
gesamte rotierende Masse des betreffenden Körpers, erhält man den Drehimpuls oder Drall L um die
feste Drehachse z:
13
baudyn_05_newton.nb
L=
r ⅆp = 
(m )
r v ⅆ m = ω Jzz
⟶
∂t L = Jzz ∂t ω ≏ Mz
(m )
5.3.18
Im Sinne der Vektorkinematik sind sowohl die Bahngeschwindigkeit, als auch die
Winkelgeschwindigkeit zwei Vektoren, die über Vermittlung des Ortsvektors zueinander senkrecht
stehen (siehe versteckte Zelle nach dem Absatz 5.2.3). Findet eine Rotation um die Trägheitshauptachse statt, dann sind der Vektor der Winkelgeschwindigkeit und der Drallvektor gleichgerichtet und
mit der Drehachse deckungsgleich.
5.3.19 Wenn bei einem rotierenden System das resultierende äußere Moment null ist, gilt ∂t L ≡ 0,
also L = const., das heißt, der Drehimpuls bleibt erhalten. Diese Tatsache stellt den Drehimpulserhal tungsatz dar. Analog kann dies für die Translation (siehe Absatz 5.1.15) formuliert werden, was uns auf
den Impulserhaltungssatz ∂t p ≡ 0 mit p = const. führt, womit wir wieder bei den NEWTONschen
Axiomen des Abschnittes 5.1 angekommen sind.
5.3.20 Weiterführende Ausführungen sollen vorerst nicht Gegenstand dieses Abschnittes sein. Dazu
sei auf den Abschnitt 2.6 “Prinzipien der kanonischen Mechanik” sowie auf die obigen versteckten
Zellen zur Vektorkinematik und zu den Beispielen verwiesen. Abschließend werden die wichtigsten
Aussagen in Form eines Analogievergleiches zwischen Translation und Rotation zusammengefasst
(nach [37]):
14
baudyn_05_newton.nb
Translation
Rotation
Ortsvektor
Rotationswinkel
Sonderfall :
s (t)
φ (t)
Geschwindigkeit
v = ∂t s
Winkelgeschwindigkeit
ω = ∂t φ
Beschleunigung
a = ∂t v
Winkelbeschleunigung
α = ∂t ω
Masse
m
Trägheitstensor
J
Impuls
p=mv
Drehimpuls
L = Jω
Kraft
F = ∂t p
Moment
M = ∂t L
konstante Masse
F = m a
Impulserhaltungssatz
 F =0
p = const.

Kinetische Energie
1
1
pv =
m v2
Wt,kin =
2
2
Translationsarbeit
Wt = 
se
sa
F ⅆs
feste Drehachse z
M z = Jzz ω
Erhaltungssatz des Drehimpulses
M = 0
L = const.

Rotationsenergie
1
1
Lω=
J ω2
Wrot,kin =
2
2
Rotationsarbeit
Wrot = 
ϕe
M ⅆφ
φa
◻ 5.4 Ausgewählte Beispiele der traditionellen Technischen Mechanik [143][144]
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