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Thomas Schaffner
1.
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
Was ist Hinduismus / Begriffe
-
„Hindu“ – Hindustan
Sanatana (unvergänglich, ewig) Dharma (tragen, halten; „was leben trägt“, Ordnung) =
„ewige Religion“ (durch Rishis offenbart)
Rita = wörtlich: „Wahrheit“, „göttliche Ordung“, ist schon immer da, muss nicht erst
offenbart werden, da „kosmisches Gesetz“
Rishis = „Seher“
Exkurs: Mohenjodaro und Harappa: Ausgrabungen: Feststellung: Es muss eine indische Hochkultur
gegeben haben (vorarisch, nicht erst durch die Arier importiert), Herkunft/Sprache allerdings
unbekannt. Untergang dieser Hochkultur? Wahrscheinlich klimatisch bedingt. → Grosse
Völkerwanderungen
2.
Der vedische Hinduismus
2 Gruppen religiöser Texte:
Sruti (wörtlich: was offenbart wurde, hören. Alle Texte, die auf
unmittelbarer Offenbarung beruhen → hoher Wert, verbindlich,
absolut. Z.B. Veden, wurden von den Rishis direkt gehört,
Direktoffenbarung, Upanishaden, Urton?)
Smriti: alle auf Tradition beruhende Schriften; nur verbindlich,
falls sie auf eine Sruti zurückgehen, z.B. „Manu Samhita“ = Das Werk
des Manu, Mahasharata, Ramayana, Puranas, best. Sastras
Der Veda („Wissen“, oder sozusagen auch Magie, Götter beeinflussen; älteste Teile etwa 12.Jh. v.
Chr., heute: Veden spielen im alltäglichen Leben der Hindus keine Rolle mehr (trotzdem geistiges
Eigentum), nur noch Brahmanen kennen Veden gut) gegliedert in 4 Samhitas (Sammlungen), grosser
Teil in brahmanischen Sängerfamilien entstanden
-
-
Rigveda (Rig = Vers; Veda der Verse, 10580 Rigs, 1017 Suktas (Hymnen, Kapitel)
Einblick in Dorfkultur, darstellung beziehend aufs Diesseits (langes Leben, Ruhm, etc.)
Erst später werden Anschauungen philosophischer, Fragen wie Ursprung der Welt, Leben
nach dem Tode, Beschäftigung mit dem Jenseits ganz am Ende des Rigveda, Begegnung
mit den ältesten Göttern Indiens.
Samaveda (Veda der Opferlieder, viel aus Rigveda übernommen)
Yajurveda (Opfersprüche: Teils Prosa, Teils Rigs): Unterscheidung: 1. archaischer,
schwarzer Yajurveda, 2. bestehend aus Mantras (Anweisungen des Guru, meditieren
dieser Mantras führt zu „Erleuchtung“
Atharvaveda (Veda des Atharvan = mystischer Feuerpriester; Wissen von
Zaubersprüchen, viel später entstanden, trotzdem ältestes Dokument der indischen
Medizin: Viele Überlieferungen des Volksglaubens. Erst sehr spät im Hinduismus als 4er
Teil anerkannt
Diese vier Veden dienten zunächst den vier Hauptpriestern, diese Priester waren der „Hotar“ (rufen,
die Götter anrufen), der Udgatar (Sänger), der Adhvaryu (ausübender Priester), der Oberpriester.
Zusatz zu Atharvaveda:
Ayurveda (Das Wissen vom langen Leben; ätlestes medizinischnaturheilkundige System weltweit, bis heute gelehrt: Handelt von 3
dynamischen Prinzipien, die als Kräfte in uns sind: bei
Ungleichgewicht dieser drei Grundkräfte→Krankheit. Heilmittel wirken
stärkend oder schwächend, Organismus muss wieder ausgeglichen
werden); zwei Verfasser, beides Ärtzte. Atharvaveda war auch voller
Opfertexte.
Ziel (unabhängig von Ayurveda):
Gottbestimmte Lebenszeit von hundert Jahren, nicht das
ewige Leben sondern ein volles /langes Leben zu leben,
„carpe diem“ (siehe Blatt 3, Txt. mitte), Besitz, Wohlstand,
viele Kinder...
Der Tod ist nicht zu fürchten, es gibt ein Drüben, eine schöne
Wohnstätte.
1
Thomas Schaffner
Götter:
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
- Varuna (Gott des wahren Wortes), Indra (Gott der Zerstörung), Soma (peronifizierter
Soma-Trank), Mitra (Gott des Vertrags): Indoarisch
- Agni (Feuergott, ältester Gott): Urindogermanisch
- Usas (Gott der Morgenröte), Parjanya (Gewittergussgott), Prithivi (vergöttlichte Erde,
personifizierte Fruchtbarkeit), Vata (Windgott)
Im ganzen 33 Götter, (11 im Himmel, 11 Erde, 11 Wasser), hier sind nicht nur Naturmachten dahinter,
sondern auch personifizierte Funktionen, ethische Aspekte. Zeit bis 4000 v. chr.: Zeit der lebendigen
Götter
Polytheismus? > abstrakter Monotheismus > personaler Monotheismus (Ishvara), Theopanismus,
Henotheismus, Pantheismus (siehe p. 4, Txt. 3/ p.3, Txt. 2)
Richtungsweisender Satz: Einsein nur gibt es, die Seher künden es mit vielen Namen
(Monotheismus)
Theopanismus: In meinem Gott ist alles drin. Pantheismus: Gott ist überall drin
Das WAHRE ist das Eine. Die Weisen benennen es verschieden. Oder: Ein Sein nur gibt es, die
Seher künden es mit vielen Namen.
Indra (Beiname Vritrahan); Vritra = „Einschliesser“ des segenspendenden Wassers; Wolkendämon;
Dreckskerl: Verdrängung des älteren indoeuropäischen Gewittergott, Indra hat Vritra mit Donnerkeil
(siehe Zeus, Thor) erschlagen, jetzt läuft das Wasser wieder. Er ist der Kämpfer wider den Dämonen
(diese verhindern Wachstum), Indra ist somit naturhaft, held, Schlachtengott der Arier, Abenteurer,
grosser Esser und Trinker (Soma), entwickelt riesige Kräfte, hat Riesenpenis.
3.
Brahmanismus ca. 1000 – 500 v. Chr.
Texte der „Brahmanas“
„Ein Mensch, der nicht opfert, ist kein Mensch!“
→
→
Denken vieler Hindus. Opfer dient zur Läuterung der Gesinnung, um den Opfernden
würdig zu machen (für die Erkenntnis Gottes)
Bestand der Menschen hängt allein vom Opfer ab
„Die Sonne würde nicht aufgehen, wenn man nicht morgens das Feueropfer vollzöge.“
→
Entstehung der Welt hängt von Opferhandlung ab (Purusha wird geopfert und „aufgeteilt“)
(Zu diesem Zusammenhang: Textblatt 3, Purusa-Sukta)
Purusa-Sukta: Purusha: kosmischer Urmensch, Urriese (Aus Arm wird Krieger, aus Mund Krieger etc.)
-
-
Opferung des purusha: Welt, Menschheit, soz. Ordnung entsteht.
Brahmanen: das welterhaltende Opfer: Brahmanen wichtigste soz. Gruppe (später oberste
Kaste), denn sie hielten die Macht der Götter in ihren Händen, dank des Wissens über das
Opferwesen. Brahmanen wurden höher gestellt als Rajas (Staatsführer?), es folgte
Hochmut. Dieser Hochmut wurde im Buddhismus abgelehnt (deshalb auch Atharvaveda
erst spät zu vier Veden)
Welt bloss 1/3 des Universums; 2/3 über- und ausserweltliche Wirklichkeit
Es entstehen Anweisungen, wann wo und wie die Opferhandlungen durchgeführt werden (Brahmanas
= „gelehrte Erläuterungen“). Brahmane = Priester, Brahmana = Opfertexte
Priester vollzieht das Opfer, setzt Kraft des Opfers frei, diese Kraft kommt zurück auf den Priester.
Deshalb muss der Priester „rein“ sein, er muss sich vor Unreinheit schützen.
Die Zeremonien wurden immer umfangreicher, das „Priesterhonorar“ erhöhte sich
Opferzeremonie: allmächtiges Zauberwort „brahman“ (wie ohmmm etc.), Schluss mit „svaha“ = so sei
es!
Parallelen: „Amen“ im alten Testament
2
Thomas Schaffner
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
Tapas = Glut, Hitze, Kasteiung, Askese (kann innere Kräfte mobilisieren)
Durch Askese könne man innere Hitze (tapas) erzeugen, eine Art mentale Energie zur Steigerung der
magischen Kraft.
Sinn des Opfers:
do ut des (ich gebe damit du gibst)
do ut possis dare (ich gebe damit du geben kannst)
Vergeistigung des Opfers, geht vom Geber aus, d.h. Empfänger ist abhängig vom Geber.
„Durch meine geistige Aufopferung gebe ich der Gottheit Kraft, damit mir die Gottheit auch etwas
geben kann“
4.
Vedische Mythologie zur Welt-Entstehung
(siehe Purusa-Sukta)
4 Typen der Weltentstehung:
-
-
durch Befruchtung des Urgewässers; Hiranyagarbha (Mischung zwischen Gottheit und AllEinheit) = „goldenes Ei“, schwebt über den Urgewässern (Hauptansicht. Ei muss
ausgebrütet werden, dies durch Tapas bzw. innere Hitze). Dieses goldene Ei beginnt
aufzugehen und durchdringt alle Urgewässer, so werden die Urgewässer befruchtet. Als
erstes jetzt Entstehung des Agni (Feuergott), dann alles andere (erst Götter, dann
Kosmos (griech.: Ordnung, Schönheit), sogenannte Theogonie (Schöpfungsmythen). Im
Christentum Kosmogonie, d.h. Kosmos war vor Gott da), siehe Seite 4, Text, Rede vom
Urkeim. Aus Chaos entsteht Kosmos
durch die Zerteilung des Purusha (siehe 3.)
durch Trennung von Himmel und Erde: Messschnur, die das Denken zwischen Oben und
Unten angibt. Das Urei halbiert sich, die untere Hälfte wird zum Universum. Allschaffender
Gott „Vishvakarman“ als Architekt.
Am Anfang was das Tad (siehe Text 3, Textblatt 4): Aus einer All-Einheit, die Sein und
Nichtsein umfasst. Emanation (Mensch entsteht als Ausfluss aus dieser All-Einheit).
Nochmals Spekulation vom goldenen Ei, Weltei, Brahma-Ei. „Vishvakarman“, „Brahma“
hier als Urkeim im Urgewässer, der dieses Gewässer befruchtet.
In Indien ist Schöpfergott und Schöpfung nicht ein Gegenüber, sondern inniges Verhältnis (das
Göttliche ist in allem drin). Durch die Fülle an Texten kann nicht eine eindeutige
Schöpfungsgeschichte hervorgehen, sondern eine Vielzahl verschiedener Ansichten.
Zum 1. Typus: Brahma (Schöpfergott, Demiurge, Handwerker, schlüpft sozusagen aus dem goldenen
Ei): Sagt ein Wort (skrt.: vak) in das Urgewässer hinein und die Welt ist da.
Analogien: Siehe Ansichten der 3 Vorsokraten Thales (Wasser am Anfang), Anaximenes (Luft) und
Anaximander , keine religionsmythologische-, sondern naturphilosophische- oder vorwissenschaftliche
Antwort (apeiron=unbestimmbar) auf Blatt 4; Johannes-Evangelium: „Am Anfang war das Wort“
5.
Die Upanishaden
Die Upanishaden drücken anders gelagertes Lebensgefühl als bisher (bei den Veden) aus. Es geht
hier nicht mehr nur ums Diesseits, das Lebensgefühl ist eher aufs Jenseits ausgerichtet, Tod wird zum
Problem, Frage was nach dem Tag ist. Der Mensch fühlt sich erlösungsbedürftig.
„Errette mich, denn ich fühle mich in diesem Wettlauf wie der Frosch in einem wasserlosen
Brunnenloch....“
„Aus dem Nichtsein führe mich zum Sein,
aus der Finsternis führe mich zum Licht,
aus dem Tode führe mich zur Unsterblichkeit!“
3
Thomas Schaffner
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
„In blinde Finsternis gehen ein, die das Nichts-Wissen verehren. In noch grössere Finsternis, die am
Wissen sich genügen lassen.“
„Vom Schein lass mich gelangen zum Sein,
von der Finsternis lass mich gelangen zum Licht,
vom Tod lass mich gelangen zur Unsterblichkeit.“
Die Upanishaden geben nun Antwort, wie die angestrebte Erlösung zu Erfüllen ist (Erlösungsmysthik
der Upanishaden). Die Opferreligion mit ihren Priestern verliert real an Bedeutschaft, der Einzelne
fragt jetzt nach Erlösung. Das Opfer der Priester wird jetzt bestenfalls nur noch zu einer geistigen Tat,
daher jetzt Symbolcharakter. Der menschliche Geist durchlebt eine introspektive Wende (Auf inneres
Schauen ausgerichtet; Aus der Vielfalt in der wir leben fragen wir: Was ist etwas das bleibt? Wende
zum Ewigen / Absoluten; siehe Textblatt 5)
Parallel: Der grosse Kult und Ritual der Christen genügt auch nicht mehr (Hatten Upanishaden ev.
Einfluss auf eine „Privatisierung“ im Westen? Dichter und Entdecker Europas waren von Indischen
Texten beeinflusst. Gedankenstrom vom Indischen über Upanishaden z.B auch in Neuplatonismus
etc.).
5.1
Die literarische Positionierung der Upanishaden
-
die Samhitas (4 Veden)
die Brahmanas (gewissermassen Auslegungen der Veden)
die Aranyakas (aranyaka = Wildnis, Dschungel)
die Upanishaden
Abkürzungen: ChU: Chandogya-Upanishaden, BAU: Brhdaranyaka-Upanishaden
Aranyakas
Brahmanas
4 Veden
Upa (nahe bei) – ni (nieder) – sha (sitzen): Sich nahe zu den Füssen des Gurus setzen, um die
geheime Lehre zu erfahren (über Gott und über das Menschliche). Siehe Sruti: Höchster
Offenbarungsgrad, direkte Offenbarung. (Vedanta = das Ende der Veden)
5.2
Rigveda, älteste Hymnen, 1500 – 1200 v C
Brahmanas ab 1000 v C
Älteste Up ab 750 v C
Um 500 v C der grosse Teil der vedischen Literatur vorhanden
Jüngere Up bis ins 1. Jahrtausend n C
Inhalt der Upanishaden
Inhalt ist im Prinzip Religionsphilosophie, hauptsächlich zurückgreifend auf Rigveda und Atharvaveda.
Götter in den Upanishaden sind nicht mehr so menschennah, hier geht es eher um ein Philosophieren
und meditieren dessen, was man vielleicht auch göttlich nennen könnte, um die erste und letzte
Wirklichkeit (Wahrheit). Also ist hier eine Entdeckung der Metaphysik zu sehen. Die Upanishaden
bilden die Grundlage aller philosophischen Systeme und die der meisten religiösen Annahmen der
Hindus.
Die Hauptlehre der Upanishaden besteht aus zwei Gundlagen, dem atman und dem brahman (siehe
weiter unten, atman : Textblatt p. 8, brahman: Textblatt p. 7)
4
Thomas Schaffner
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
z.B. Shvetashvatara-Up
< Rgveda
<Atharvaveda
z.B. Shatapatha – Brahmanam <Brahmana-Texte
Hauptlehre:
der atman (das Selbst) //
Unsterbliches
transendentimmanentes
Selbst
das brahman
unsterbl. Absolute
höchste, nicht-duale Wirklichkeit
absolutes Bewusstsein
alles umgreifend, religiös konkretisiert
in der Gottheit, im Ishvara (ganz persönliche Gottheit)
In dieser Lehre kann man vom atman erleuchtet werden (Buddhismus hat genau diese Einstellung
übernommen). Brahman ist hier zu einer höchsten schöpferischen Potenz geworden.
Shri Ramakrishna: „Keine Zunge hat brahman je befleckt!“
brahman: „Das Eine ohne ein Zweites“
kham brahm = „alles ist brahman“
brahman ist satchidananda: sat = Sein ; chid = Bewusstsein; ananda = Seligkeit
für atman oft prana (Ersatzwort) = Atem, Hauch, Lebensodem
Jedes vergängliche individuelle Dasein (jiva) ist eine winzige Erscheinungsform des allumfassenden
und alles durchdringenden brahman / atman. Ohne das brahman ist ein Dasein nicht möglich, alles ist
brahman. Angesichts dieser Wirklichkeit wird das, was wir Realität nennen, zur Scheinwirklichkeit
(Illusion)
In vielen Upanishaden sind brahman und atman fast Wechselworte geworden, eine identische
Bedeutung schlägt durch.
→
Alles ist brahman und brahman ist atman
Brahman / atman bezieht sich nicht nur auf den Menschen, sondern ist in allen Lebewesen
gegenwärtig. Ein häufig gebrauchtes Bild für das brahman ist der Ozean. Er besitzt eine
unerschöpfliche Riesenkraft, Wellen stellen Leben dar, das eben sehr kurzfristig lebt und dann wieder
in den ewigen Ozean eingeht.
maya
OM
prakriti
Im heutigen Hinduismus spricht man gelegentlich auch vom Brahmanismus, da eben dieses brahman
so eine starke Bedeutung hat.
5.3
Ist brahman erfahrbar?
-
5.4
zu erkennen (zu wissen, Textblatt p. 5)?
Voraussetzung: Innerer Friede, Läuterung des Geistes
Gnade? (Mundaka-Up)
Erweckung? (Kathaka-Up, Kena-Up)
Kraft der Erkenntnis in jedem angelegt? (Brahmabindu-Up)
Erlebbar in Silbe und Laut OM
Zusammenfassung
Dimensionen der neuen (religions)philosophischen „Entdeckung“:
1.
2.
3.
Die neu definierte Wirklichkeit – brahman – meint: Quelle allen seins, alles durchdringende
Kraft, schöpferischer Urpsrung in der All-Einheit des Absoluten (phil.) oder Göttlichen (theol.)
Die zweite „Entdeckung“ der Up: der atman, das Selbst, nach westl. Lesart die unsterbliche
Seele.
brahman und atman in vielen Variationen gedeutet. Schliesslich sind brahman und atman
identisch, d.h. die Erst- und Letztwirklichkeit ist das Absolute und das Selbst in allen Dingen.
5
Thomas Schaffner
4.
5.
6.
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
Im Wechsel der Erscheinungen (als maya) erkennt der Mensch sein Selbst, das identisch ist
mit dem Absoluten: tat tvam asi (das da bist du). Damit die Antwort auf die Frage nach dem
Sinn des Lebens und dem Selbstverständnis des Menschen. Keine Angst vor dem Tod =
Übergang vom Nicht-Sein (maya) zum Sein (brahman / atman).
Neue Ethik:
Erkenntnis und Entsagung
ahimsa (das Nicht-Verletzen)
letztes Ziel: Erlösung (moksa)
Für die ganze Vedanta-Philosophie sind die „Grundsätze“ 1.-5. von höchster Bedeutung.
Gebet:
Vom Schein lass mich gelangen zum Sein,
von der Finsternis lass mich gelangen zum Licht,
vom Tod lass mich gelangen zur Unsterblichkeit.
6.
Vedanta: Shamkara und Ramanuja (2 bedeutende Philosophen)
Hier wird wieder auf die Veden zurückgegriffen, nur werden sie jetzt interpretiert. Die Upanishaden
sind jetzt die Grundlage für vedantische Philosophien.
Vedanta-Sutra (Basis für Vedanta-Philosophie) von Badarayana (400 v C – 200 n C)
1.
2.
3.
6.1
Der Advaita-Vedanta, (Advaita = nicht-zweiheit, nicht dual, nicht subjekt-objekt-Teilung etc.),
Beispiel: Shamkara (788 – 820 n C?)
Der Vishistaadvaita, (Vishista = Besonderheit, hier: Pluralität) Beispiel: Ramanuja (1055 –
1137 n C)
Der Dvaita-Vedanta, (dvaita = Zweiheit, Dualismus, Aufteilung nach Subjekt und Objekt
natürlich), Beispiel: Madhva
Shankara / Shamkara (Advaita-Vedanta-Vertreter)
(siehe Texte auf Rückseite Blatt 8)
Das all-eine brahman bzw. der atman
Alle Vielfalt ist maya (Scheinmanifestation)
Satchidananda:
sat = absolutes Sein
chid = absolutes Bewusstsein
ananda = absolute Wonne
berühmte Gleichnisse: z.B. Schlange – Seil
„In einem Satz sei es verkündet,
Was man in tausend Büchern findet:
Nur Brahman ist wirklich,
Die Welt ist Schein,
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.“
6.2
Ramanuja („Das Wahre ist das Eine. Aber die Weisen benennen es verschieden.“)
Ramanuja lebte bis zum Tod in Südindien, die Liebe zu Gott war sein höchstes Lebensideal.
anthropomorphe und nicht-anthropomorphe Gottesvorstellung
analog zwei Modi des Brahman:
nirguna-brahman
das eigenschaftslose Br.
(Shankara)
><
saguna-brahman
Br. mit Eigenschaften
ishvara (Herr des Universums, höchstmögliche Lesart:
Brahman wird zum Göttlichen)
(Ramanuja)
Seine Erkenntnis: Alle Wesen und alle unbelebten Dinge sind „Formen Gottes“.
6
Thomas Schaffner
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
In uns ist Gott der „innere Führer“, barmherzig und gnädig.
Er ist Schöpfer (transzendent), Erhalter und Zerstörer (immanent) des Seienden.
Shamkara kennt den „Weg der Erkenntnis“ (jnana-marga)
Ramanuja glaubt den „Weg der Gottesliebe“ (bhakti-marga)
7.
Die sechs Darshanas = philosophische Lehrsysteme
Die religiösen Schriften Indiens sind in der Sprache der Poesie zu lesen. In Mythen und Legenden, in
Lehrgedichten und Epen, in Liedern und Mantras vermitteln sie ihre Botschaft. Offensichtlich kann die
Transzendenz, vermag das Göttliche in der Sprache der Dichter besonders gut zum Ausdruck
gelangen. Daneben treten immer auch Philosophen auf, denen es wichtig ist, in der religiösen
Dichtung eine Ordnung zu finden; d.h. jene in einen systematischen Kontext zu bringen. Dabei wird oft
Bildhaftigkeit durch Begrifflichkeit, Schönheit durch Klarheit, Konkretisierungen durch Abstraktion
ersetzt. Das ist in monotheistischen Religionen ebenso der Fall wie in den Religionen Ostasiens.
Im Hinduismus gibt es sechs zum Teil sehr alte Lehrsysteme, die zw. 500 v C und 500 n C entstanden
sind. Alle gelten als orthodox, weil sie mindestens formal die Autorität der Veden anerkennen.
„Das Darshana“ bedeutet „Sicht“, „Vision“, „Perspektive“, „Ansicht“, hat also etwas mit „Sehen“ zu tun.
Da wird versuucht, Welt-Natur-Mensch in den Blick zu bekommen und Wege zur Erlösung
aufzuzeigen. Einige Darshanas verdanken Lehrern wie Shamkara oder Ramanuja ihren Rang, deren
Gedanken bis heute lebendig geblieben sind. Im Unterschied zur westlichen Philosophie stützt sich
die indische mehr auf Intuition als auf Reflexion.
Die sechs Darshanas sind:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Mimamsa („Erörterung der heiligen Veden“). Die Opfer und Rituale der Veden werden
untersucht. Intuition und Überlegungen der Vernunft führen zur richtigen Interpretation der
Veden.
Vedanta („Betrachtungen über das Ende der Veden“). Die Upanishaden stehen im Mittelpunkt.
Die Lehre von brahman/atman wird weiter entwickelt. Sie ist ein monistisches System, nach
der alles, vor allem auch die „Seele“ (atman) aus dem ewigen Urgrund (brahman) kommt und
letztlich damit identisch ist.
Samkhya (siehe Blatt: Die Samkhya - Lehre)
Yoga (siehe Kap. 10.)
Nyaya („Lehre“). Hier werden die Regeln des Denkens und Erkennens untersucht. Eine Art
Logik und Erkenntnistheorie.
Vaishesika („Sich auf die Unterschiede beziehen“, d.h. eine Lehre über die Kategorien der
Welt). Die atomistische Naturphilosophie geht auf Distanz zu den alten shruti-Texten, wenn
deren Autorität nicht grundsätzlich angetastet wird.
Nicht zu den Darshanas zählt nicht von ungefähr die materialistische Lehre Carvakas. Es handelt von
einer scharfen Kritik an allen religiösen und idealistischen Konzepten Indiens. Nur Erde, Wasser,
Feuer, Luft gelten als letzte Wirklichkeit. Carvaka leugnet alles Göttliche und Absolute, spottet über
die Brahmanen und deren Riten, hält an der Realität des Ich fest und empfiehlt eine hemmungslos
hedonistische Lebensweise. Glück und Vollendung gibt es im Hier. Sein angebliches Hauptwerk (ca.
600 v C) ist verloren gegangen. Buddhistische und jainistische Texte (8. Jhd n C) zitieren aber daraus.
8.
Karma und Reinkarnation
8.1
Was wird wiedergeboren?
Nicht das „Selbst“ (atman), auch nicht der „Lebenskern“ (jiva). Atman ist ja geistig, das Absolute, das
Unveränderliche, Dimensionslose. Er kann weder sterben noch geboren werden.
a.)
b.)
c.)
der grob-materielle Leib (sthula-sharira)
der „Feinkörper“ (suksha-sharira), ev. „Person“ innerhalb eines „Feinkörpers“ ist eingelagert
der „Ursachenkörper“ (karana-sharira)
7
Thomas Schaffner
8.2
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
Wie kommt es, dass der „Feinkörper“ (und gegebenenfalls „Ursachenkörper“) wieder
physisch inkarniert?
Innerhalb dieser Körper ist das karma(n) (d.h. „Wirken“) als die zur Wiedergeburt antreibende Kraft
eingelagert. „Wirken“ als Tun und dessen Konsequenz. Karma ist demnach Ursache-Folge-Ursache.
8.3
Wie und wann ist karma entstanden?
Nie „entstanden“, sondern „anfangslos“ (an-adi). Die den Kosmos wie die Lebewesen bewegende
immerwährende Energie.
8.4
Wie kann die karma-Energie Ursache sein?
Und zwar für verschiedenartige Inkarnationen und Reinkarnationen?
Zwei Pole:
Der positive Pol (punya = Gunst, Verdienst, gute Tat) der guten Bedingungen
und der
günstigen Geburt
Der negative Pol (papa = Fehltritt, Schuld, Ungunst) der unangenehmen
Bedingungen
und ungünstigen Geburt.
Der Anteil der beiden Karma-Seiten bleibt grundsätzlich unbestimmbar. Gegenseitig: stärken oder
schwächen.
8.5
Wie ist das karma im „Feinkörper“?
karmische „Eindrücke“ od. „Spuren“ (vasana). Dazu kommen karmische „Wirkfaktoren“ (samskara,
abgeleitet von „machen“, „bewirken“), welche aufgrund des vorhandenen karma ein weiteres Leben
bestimmen und bewirken. Der Feinkörper wird vom angehäuften Karma zur Reinkarnation
gezwungen.
8.6
Karma-Energie näher beschreibbar?
Das Karma wird nie in einem Leben ganz aufgebraucht, es kommt eher neues dazu.
a.) das „angehäufte karma“ (sancita-karman): ...das schon immer da war...
b.) das „begonnene karma“ (prarabha-karman): bestimmt vieles, trotzdem sind Einflüsse von aussen
und gewisse Freiheit möglich, nicht völlige
Abhängigkeit von begonnenem karma.
c.) das „hinzukommende karma“ (agami-karman): karma, das während des Lebens aufgebaut wird
8.7
Karma-Energie übertragbar
Ja! Prinzip der Karma-Übertragung: Gutes Karma kann bewusst auf andere übertragen werden, z.B
im Einfluss voneinader aufeinander (Im Buddhismus noch stärker als im Hinduismus)
8.8
Erlösung von Karma und samsara
Das Karma muss im begonnen Leben zur Reife kommen (positives aufbauen, negatives abbauen).
Befreiung vom „angehäuften karma“: Auf dem spirituellen Weg zu den letzte Wahrheiten gelangen.
Andere Wege: z.B. bhakti (Hingabe, Liebe an den Ishvara) = Gleichzeitige Verhinderung von
„hinzukommendem Karma“
8.9
Führt die Karma-Lehre zum Fatalismus
Befreiung vom Karma ist Ziel des Hochhinduismus (eher im esoterischen Kreis), dies ist aber nicht
Ziel aller Inder, das Grundsätzliche Prinzip zeigt eher, wie man im Leben (erfolgreich) zurecht
kommen kann. Positive Lebensführung, die einem guten Karma entspricht. Also nicht unbedingt
fatalismus-verdächtig.
8
Thomas Schaffner
9.
Hinduismus
U. Meyer
WS 04/05
Uni Fribourg
Leben nach dem Tode? Eine Antwort des Hinduismus
Wurde ausgelassen!
10.
Was ist Yoga?
Sanskrit „yug“ = anjochen, anspannen, anschirren (an Gott, Vereinigung mit Gott)
Yoga im Sinne von „Ins-Werk-Setzen, Handeln, Praxis“ oder „Verbindung (von Seele und Gott),
Andacht“
Yoga-marga = Yoga Weg
Samsara: ganze Reihe von Wiedergeburten, keine Seelenwanderung
Jeder Weg zur Gotteserkenntnis kann als Yoga bezeichnet werden, deshalb verschiedene Yoga
Wege:
1. Karma-Yoga:
karma als selbstlose „Tat“ im Zentrum. Oft im Sinne einer Pflichtethik. Das
Tun als Opfer an die Gottheit.
2. Bhakti-Yoga:
Liebe zu Gott und Aufgehen in Gott. Hingeben zu Gott. Weg zur Erlösung
3. Raja-Yoga:
(der königliche Yoga), auch Dhyana-Yoga (Meditations-Yoga). Der Yoga des
Patanjali (2. Jh. v C) basiert auf Samkhya (dualistisch). Durch Meditation
völliges Aufgehen in Gott oder im Absoluten (samadhi).
4. Kundalini-Yoga:
auch bekannt als „Schlangenkraft-Yoga“. Ziel: samadhi, 7 Chakren (siehe
Kap. 11)
5. Jnana-Yoga:
intellektuelle Erkenntnis führt zu Gott / brahman.
Maya > < brahman / atman
6. Hatha-Yoga-Pradipika: als „Leuchte des strengen Yoga“, von Svatmara (16. Jh.) Körper- und
Atemübungen (asana und pranayama). Verbundung mit Raja-Yoga. Bei uns
bekannt!
Stufen nach Patanjali: 1.+2.:
3.:
4.:
5.:
6.:
7.:
8.:
ethische und moralische „Übungen“
Körperhaltung, so dass die Konzentration nicht gestört wird
Atemübungen, weil Einfluss aufs Denken und Gemüt
Lösen der Sinne von Sinnes-Objekten, weil sonst das Denken
abgelenkt wird
Konzentration: Denken bei einem Objekt verweilen lassen ohne
abzuschweifen
Meditation: Das Denken nicht mehr auf das Objekt der Meditation
richten, sondern mit ihm verschmelzen
Samadhi: (wörtl. Fixieren, Festmachen). Denken hört auf. Völliges
Aufgehen im meditierten Objekt (Gott oder das Absolute).
Relevante Traditionen des Yoga in der Bhagavadgita (siehe Rückseite Blatt 11)
11.
Tantra und die Tantriker
Tantra: sanskrit: tan- = erweitern
Substantiv: Gewebe, Zusammenhang, Kontinuum, Erweiterung, Fortführung
Gemeint Methoden zur Erweiterung des Bewusstseins
Ziel: Ausgleich von Gegensätzen weibl./männl., Geist/Materie
Genuss (bhoga) + von hier an keine Notizen mehr!!! Siehe Blätter.
9
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