3. Schilddrüsenhormone

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Schilddrüsenhormone
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3. Schilddrüsenhormone
3.1. Die Schilddrüse
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) gehört zu einer der wichtigsten Hormondrüsen
im menschlichen Körper, weil sie lebenserhaltende Prozesse im Organismus steuert.
Die Schilddrüse befindet sich in der unteren Halsregion unter dem Kehlkopf. Die zwei schmetterlingsförmigen Schilddrüsenlappen sind durch ein
schmales Verbindungsstück, dem so genannten
Isthmus, vor der Luftröhre miteinander verbunden.
Mit einem Normalgewicht von ca. 20-80 g ist die
Schilddrüse eine verhältnismäßig große Hormondrüse. Form und Größe können jedoch von
Mensch zu Mensch variieren, da das Organ starken individuellen und ernährungsbedingten
Schwankungen unterliegt.
Schilddrüse (Vorderansicht)
Das Schilddrüsengewebe besteht aus einer Vielzahl von kleinen Hohlräumen, den Follikeln. Diese Hohlkörper werden von speziellen Zellen, den Thyreozyten, umschlossen,
welche die Schilddrüsenhormone T3 und T4 produzieren. Das Element Iod spielt für die
Herstellung dieser Hormone eine zentrale Rolle.
Die Feinstruktur der Schilddrüse
Follikel
C-Zellen
Calcitonin, das dritte Hormon der Schilddrüse, stammt nicht von den Thyreozyten, sondern aus den so genannten C-Zellen, die zwischen den Follikeln liegen. Es gilt zwar
nicht als eigentliches Schilddrüsenhormon, erfüllt aber eine Reihe wichtiger Aufgaben
im Organismus.
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3.2. Schilddrüsenhormone T3 und T4
3.2.1. Physiologie: Synthese der Schilddrüsenhormone
Ausgangsstoff der Schilddrüsenhormone ist die nicht-essentielle aromatische Aminosäure Tyrosin (4-Hydroxyphenylalanin), die in der Natur als regelmäßiger Bestandteil
der Proteine weit verbreitet ist (z. B. in Casein). Tyrosin wiederum entsteht aus der essentiellen Aminosäure Phenylalanin.
C
C
Hydroxylierung
COOH
C
HO
C
COOH
NH2
NH2
Hydroxyphenylalanin
Phenylalanin
Tyrosin Tyr: 2-Amino-3-(4-hydroxyphenyl)-propionsäure bzw. 3-(4-Hydroxyphenyl)-alanin
Tyrosin wird an der 3. und 5. Position zu 3-(4-Hydroxy-3,5-diiodphenyl)-alanin [Diiodtyrosin] iodiert.
I
HO
C
C
HO
COOH
NH2
C
C
COOH
NH2
I
Diiodtyrosin ist die Ausgangsstufe für die Biosynthese von Tetraiodthyronin (Thyroxin,
T4). Dabei kondensieren (verknüpfen sich) zwei Diiodtyrosin-Moleküle zu T4.
T4, Tetraiodthyronin
I
4-(4-Hydroxy-3,5-diiod-phenoxy)-3,5diiod-L-phenylalanin
HO
C
C
COOH
I
NH 2
I
I
HO
O
I
C
I
C
NH 2
COOH
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Werden je ein Molekül Diiodtyrosin und Monoiodtyrosin verknüpft, entsteht Triiodtyronin T3, das biologisch aktivere Schilddrüsenhormon.
I
I
HO
O
T3, 4-(4-Hydroxy-3-iod-phenoxy)-3,5diiod-L-phenylalanin,
C
I
C
COOH
NH 2
internationaler Freiname:
Liothyronin
Die Schilddrüsenhormone werden meistens nicht sofort, nachdem sie hergestellt wurden, vom Körper benötigt. Deshalb werden sie gemeinsam mit dem Eiweiß Thyreoglobulin im Inneren der Follikel gespeichert.
Sobald die Hormone in die Blutbahn gelangen, binden sie sich an Transportproteine.
Dabei handelt es sich hauptsächlich um das Thyroxin-bindende Globulin (TBG), aber
auch um Albumin und Präalbumin. Nur ungefähr 0,1% des T4 und T3 zirkulieren im Blut
als freie Hormone (FT4 und FT3), also in ihrer stoffwechselaktiven Form.
Nur das T3 hat eine Wirkung im Körper, die es nach seiner Aufnahme in die Zielzellen
durch Bindung an Rezeptoren des Zellkerns entfaltet. Dem T4 gelingt es nur dann in die
Zellen einzudringen, wenn es sich zuvor in T3 umgewandelt hat. Die Umwandlung von
T4 zu T3 erfolgt in verschiedenen Organen, besonders in Leber, Niere und Muskeln.
Spezielle Enzyme im Blut oder Gewebe spalten dabei ein Iodatom vom äußeren Ring
des Tetraiodthyronins ab, wodurch Triiodthyronin entsteht. Diesen Prozess nennt man
“Deiodierung von T4”.
3.2.2. Wirkung der Schilddrüsenhormone
Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 sind in erster Linie für den reibungslosen Ablauf
des Stoffwechsels verantwortlich. Sie regulieren unseren Eiweiß-, Fett-, Kohlenhydratund Muskelstoffwechsel. Die Hormone sind auch für die Temperaturregulation, also die
Erzeugung von Körperwärme, zuständig und beeinflussen unseren Energie- und Mineralhaushalt. Weiters haben sie einen Einfluss auf unsere körperliche und geistige Entwicklung im Wachstumsalter und später auf unsere körperliche und geistige
Leistungsfähigkeit.
Nicht zuletzt zeigen die Schilddrüsenhormone auch ihre Wirkung auf die Psyche des
Menschen. Ist die Schilddrüsenfunktion gestört, wirkt sich das auch auf unsere seelische Verfassung aus.
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3.2.3. Schilddrüsenfehlfunktionen
Hypothyreose
(Schilddrüsenunterfunktion)
Die Hypothyreose kann angeboren, als Therapiefolge oder
bei chronischer Thyreoiditis (Entzündung der Schilddrüse)
auftreten. Menschen mit einer Unterfunktion der Schilddrüse
klagen oft über Müdigkeit und Frösteln wegen ihres allgemein verlangsamten Stoffwechsels. Die schlechtere Verwertung der Nährstoffe führt meistens zu einer Gewichtszunahme der Patienten. Außerdem verlangsamt sich ihr Puls
und die Haut wird teigig und trocken.
Mit der Zeit lagert sich auch Wasser im Körper ein. Das Gesicht wirkt durch diese Wassereinlagerungen (Ödeme) aufgequollen. Ödeme an den Gelenken führen zu Problemen
mit der Beweglichkeit.
Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen hat auch eine negative Auswirkung auf das Wachstum und die Entwicklung des
Körpers. Gerade in den frühen körperlichen Entwicklungsphasen, also in der Embryonalzeit und im Kindesalter, kann
dies zu schwerer körperlicher und geistiger Unterentwicklung (Kretinismus) führen.
Bleibt eine Hypothyreose unbehandelt, kann sie sogar zum
Tod führen.
Hyperthyreose
(Schilddrüsenüberfunktion)
Bei einer Überfunktion der Schilddrüse steigt der Grundumsatz des Körpers stark an. Das führt in erster Linie zu einer
Gewichtsabnahme trotz gesteigertem Appetits. Eine Schilddrüsenüberfunktion beeinflusst auch die Nerven. Daher sind
viele Patienten mit Hyperthyreose leicht reizbar und angespannt. Als körperliches Symptom zeigt sich häufig ein Zittern der Hände. Weiters kommt es zu verstärktem
Schwitzen, Haarausfall und in schweren Fällen können sogar gefährliche Herzrhythmusstörungen oder Atemnot auftreten.
Bei vielen Patienten treten die
Augäpfel in charakteristischer Weise aus ihren Höhlen. Dies ist ein
besonderes Kennzeichen für die
Autoimmunerkrankung Morbus
Basedow, welche die häufigste Ursache einer Hyperthyreose ist.
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Struma
(Kropfbildung)
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Wie bereits deutlich wurde, ist das Spurenelement Iod für die
Herstellung von T3 und T4 unentbehrlich. Wenn die Iodzufuhr
des Körpers unzureichend ist, kann die Schilddrüse ihre Aufgabe nicht mehr richtig wahrnehmen. In der Folge vergrößert sie sich und es bildet sich ein Kropf (Struma).
Da Mitteleuropa ein iodarmes Gebiet ist, sind früher entsprechend viele Fälle von Struma aufgetreten. Heute ist der Kropf
kaum mehr ein Problem, da das Speisesalz iodiert wird.
3.2.4. Der Regelkreis der Schilddrüsenhormone
Kontrolliert wird die Aktivität der Schilddrüse durch die Hormone TRH (Thyroliberin) aus
dem Hypothalamus und TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) aus
der Hypophyse.
Wenn die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut zu gering ist, ergeht sofort
eine Rückmeldung an den Hypothalamus. Dieser erhält den Impuls, die Freisetzung
von TRH zu erhöhen. TRH sorgt für eine vermehrte Ausschüttung von TSH aus dem
Hypophysenvorderlappen in das Blut. Bei Stimulation der Schilddrüse durch TSH werden die beiden Schilddrüsenhormone durch Proteolyse1 aus den Peptidketten des Thyreoglobulins freigesetzt und in die Blutbahn abgegeben. Dadurch steigt die
Konzentration von T3 und T4 im Blut an. Ist allerdings ein bestimmter Blutwert der Hormone erreicht, wird die TRH- und TSH-Ausschüttung wieder eingestellt. Die Herstellung und Freisetzung der Schilddrüsenhormone wird somit ebenfalls gehemmt. Auf
diese Weise schließt sich der Regelkreis.
1
Proteolyse: Abbau von Proteinen und Peptiden durch hydrolytische Spaltung der Peptidbindung
mittels Säuren oder Enzymen.
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3.3. Labormedizinische Schilddrüsendiagnostik
Besteht der Verdacht auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung, so wird zunächst die Gesamt-T4-Konzentration des Serums bestimmt. Als Ergänzung dazu wird auch der Spiegel vom Thyroxin-bindenden Globulin (TBG) im Blut gemessen. Der Anteil des
gebundenen T4 im Serum ändert sich nämlich prozentual mit dem des TBG. Eine
TBG-Vermehrung kann die Folge von Hepatitiden oder von Östrogenwirkung während
der Schwangerschaft sein, eine Verminderung kann zum Beispiel durch Leberzirrhose
hervorgerufen werden.
In weiterer Folge wird ein TSH- und TRH-Test durchgeführt. Ein erhöhter TSH-Spiegel
bei Hypothyreose ist nämlich ein Indiz für eine T4-Bildungsstörung, die ihre Ursache in
der Schilddrüse selbst hat. Beim TRH-Test wird dem Patienten eine TRH-Injektion verabreicht und die Konzentration des TSH vor und 30 Minuten nach der Injektion gemessen. Normalerweise wird durch die Zufuhr von TRH der TSH-Spiegel über seinen
Ausgangswert angehoben. Steigt die TSH-Konzentration jedoch kaum an, kann von einer Störung der Hypophysenfunktion ausgegangen werden, welche in diesem Fall für
die Schilddrüsenfehlfunktion verantwortlich ist.
Da die T3-Konzentration normalerweise gemeinsam mit der T4-Konzentration ansteigt,
ist die T3-Bestimmung nur von sehr geringer Bedeutung. In etwa 10 % der Fälle wird jedoch eine isolierte T3-Hyperthyreose beobachtet. Bei klinisch begründetem Verdacht
auf diese Art der Hyperthyreose wird demnach auch der T3-Spiegel im Serum gemessen.
3.4. Calcitonin und der Calciumhaushalt
Das aus 32 Aminosäuren bestehende Peptidhormon Calcitonin hat für den Calciumspiegel im Blut eine große Bedeutung. Bei einer Erhöhung der Calcium-Konzentration
im Blutplasma wird das Hormon vermehrt ausgeschüttet. Calcitonin bewirkt eine Senkung der Calcium-Konzentration im Blut, indem es den Einbau von Calcium und
Phosphat in die Knochen fördert.
Weiters sorgt Calcitonin für eine verstärkte Ausscheidung von Calcium in den Nieren
und für seine Aufnahme über den Darm. Während des Wachstums hemmt Calcitonin
außerdem die Aktivität der Osteoklasten, die im Knochengewebe für den Abbau von
Knochensubstanz zuständig sind.
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3.5. Der Gegenspieler in der Nebenschilddrüse
3.5.1. Die Nebenschilddrüse
Auf der Rückseite der beiden Schilddrüsenlappen liegen
die vier Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyreoideae).
Diese linsengroßen Knötchen, die auch Epithelkörperchen genannt werden, produzieren ihr eigenes Hormon,
das sogenannte Parathormon.
Histologisch lassen sich drei Zelltypen unterscheiden. Die
Nebenschilddrüse besteht aus hormonaktiven, hellen
(wasserklaren) Zellen, aus dunklen Hauptzellen und aus
oxyphilen1 Zellen. Das Parathormon wird überwiegend
von den Hauptzellen sezerniert.
1
oxyphil: mit sauren Farbstoffen anfärbbar
3.5.2. Das Parathormon
Das Parathormon, auch Parathyrin oder PTH genannt, ist eigentlich eine Familie aus
unterschiedlichen Bruchstücken eines 84 Aminosäuren langen Peptids. Die unterschiedlichen Bruchstücke haben dabei jeweils leicht verschiedene Wirkungen. Allen ist
jedoch gemeinsam, dass sie die Konzentration von Calcium im Blut erhöhen. Das Parathormon versteht sich somit als der Gegenspieler (Antagonist) von Calcitonin.
Eine erniedrigte Calciumkonzentration im Blut steigert die Produktion und Freisetzung
vom Parathormon, eine erhöhte Konzentration von Calcium bewirkt das Gegenteil. Das
Parathormon entmineralisiert die Knochen, indem es die knochenabbauenden Zellen
(Osteoklasten) aktiviert und damit Calcium- und Phosphationen aus den Knochen löst.
Da Calcium und Phosphat zusammen, also als Calciumphosphat, schlecht löslich
wären, sorgt das Parathormon an der Niere dafür, dass Phosphat vermehrt mit dem
Urin ausgeschieden wird, während die Resorption von Calcium gesteigert wird. Auf diese Weise erhöht sich der Calciumspiegel im Blut.
Würde die Konzentration der Calcium- und Phosphationen im Blutplasma aus dem
Gleichgewicht geraten, bestünde die Gefahr, dass an allen möglichen Stellen Calciumphosphat-Kristalle ausfallen. Diese würden wiederum zu Schädigungen der Mikrozirkulation in zahlreichen Organen führen.
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Neben seinem direkten Einfluss auf die Mineralisation bewirkt das Parathormon in den
Nieren die Bildung einer Hydroxylase1, die Calcifediol2 in Calcitriol3 umwandelt und damit Vitamin D3 als Hormon aktiviert, das ebenfalls den Calcium-Spiegel im Blut reguliert.
1
Hydroxylasen: Enzyme, die zur Gruppe der Oxygenasen gehören. Sie bewirken die Hydroxylierung von organischen Verbindungen.
Oxygenasen sind eine Gruppe von Enzymen, welche den Einbau von molekularem Sauerstoff katalysieren (Oxygenierung). Sie gehören zu den Oxidoreduktasen und enthalten oft Eisen, z.T.
auch Kupfer. Man unterscheidet Monooxygenasen und Dioxygenasen.
2
Calcifediol ist der biologisch aktive Metabolit des Colecalciferols (Vitamin D3).
3
Calcitriol ist ein steroidähnliches Hormon des Calcium- und Phosphatstoffwechsels, das zusammen mit Calcitonin und dem Parathormon die Calciumresorption reguliert.
3.5.3. Fehlfunktionen
Eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen wird als Hypoparathyroidismus bezeichnet.
Sie tritt in den meisten Fällen nach einer versehentlichen operativen Entfernung oder
Schädigung der Nebenschilddrüsen auf. Nur äußerst selten ist sie autoimmunisch
bedingt. Die verminderte oder fehlende Produktion des Parathormons führt infolge Absinkens der Calciumkonzentration im Serum zu Muskelkrämpfen (Tetanie) und nervöser Erregbarkeit. Hypoparathyroidismus wird mit einer Dauersubstitution mit
Colecalciferol oder Calcitriol behandelt.
Hyperparathyroidismus, also eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen, führt hingegen
zu einer Entkalkung der Knochen und zum Ansteigen des Blutcalciums. Hyperparathyroidismus tritt meist infolge eines Nebenschilddrüsenadenoms auf, das operativ entfernt werden muss.
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