Anleitung zum Physikpraktikum für Oberstufenlehrpersonen Kennlinien elektrischer Leiter (KL) Frühjahrssemester 2017 Physik-Institut der Universität Zürich Inhaltsverzeichnis 10 Kennlinien elektrischer Leiter (KL) 10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Ziel des Versuches . . . . . . 10.2 Theoretischer Teil . . . . . . . . . . 10.2.1 Metallische Leiter . . . . . . 10.2.2 Halbleiter . . . . . . . . . . . 10.2.3 Lichtabhängige Widerstände 10.3 Experimenteller Teil . . . . . . . . . 10.3.1 Aufgabenstellung . . . . . . . 10.3.2 Durchführung . . . . . . . . . 10.3.3 Auswertung . . . . . . . . . . 10.4 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Einfluss der Innenwiderstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Messinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 10.1 10.2 10.2 10.2 10.2 10.5 10.5 10.5 10.5 10.7 10.9 10.9 10 4.2 4.2.1 4.2.2 10.1 Kennlinien elektrischer Leiter (KL) Vorlesungsabschnitt 4, Elektrizität und Magnetismus Stationäre elektrische Ströme Bewegte Ladungen - Ströme Spannungsquellen, Strom - Spannungscharakteristiken, Kirchhoff’sche Gesetze Einleitung Legen wir an einen elektrischen Leiter eine Spannung V an, so fliesst ein Strom I. Als Widerstand des Leiters wird der Quotient aus Spannung und Strom definiert: R = V /I Einheit: 1 V/1A = 1 Ohm = 1 Ω (10.1) Der Widerstand hängt vom Material und von der Geometrie des Leiters ab. Im einfachsten Fall ist der Strom proportional zur angelegten Spannung, der Widerstand also konstant. In diesem Fall redet man von einem “Ohm’schen” Widerstand, es gilt das Ohm’sche Gesetz: R = konst. bei konstanter Temperatur T (10.2) In Wirklichkeit ist diese einfache Proportionalität nie exakt vorhanden, sondern der Strom hängt in viel komplizierterer Weise von der angelegten Spannung ab. Die Eigenschaften solcher Leiter werden grafisch, in Form von Kennlinien oder sog. Charakteristiken, welche den Strom als Funktion der Spannung darstellen, gegeben. I(V) I(V) I2 I1 V1 V2 V V Abbildung 10.2: Kennlinie für einen Leiter mit konstantem “Ohm’schen” Widerstand. Abbildung 10.1: Kennlinie eines elektrischen Leiters. In der in Abbildung 10.1 dargestellten Kennlinie ist R = V /I nicht konstant, es gilt R1 = V 1/I1 > R2 = V 2/I2. Der Widerstand nimmt mit zunehmender Spannung ab. Ist die Kennlinie eine Gerade durch den Nullpunkt, wie in Abbildung 10.2 dargestellt, so ist R = konstant (Ohm’sches Gesetz). 10.1 10.1.1 Ziel des Versuches In diesem Versuch wollen wir Kennlinien verschiedener Leitertypen kennen lernen. Ihre Form liefert Informationen über die dabei vorkommenden Leitungsmechanismen. Dabei geht es um: • Elektrische Stromkreise • die Regeln von Kirchhoff • den elektrischen Widerstand verschiedener Elemente • das Ohm’sche Gesetz • Messen von Spannung und Strom • Kennlinien verschiedener Elemente 10.2 10.2.1 Theoretischer Teil Metallische Leiter Die Leitfähigkeit von Metallen und ihren Legierungen kommt durch die freien Elektronen, die im Ionengitter leicht beweglich sind, zustande. Bei konstanter Temperatur ist der Widerstand unabhängig von der Spannung und es gilt das Ohm’sche Gesetz. Wird aber die Temperatur nicht durch Kühlung konstant gehalten, so bewirkt die beim Stromdurchgang erzeugte Wärme Q = I · V · t eine Temperaturerhöhung des Leiters (vgl. Toaster). Dabei nimmt der Widerstand im Allgemeinen zu. Im einfachsten Fall hängt R linear von der Temperatur ab. Ist T die absolute Temperatur, dann gilt: R R = R0 (1 + αT ) Der Temperaturkoeffizient α= 1 dR · R0 dT (10.3) gibt die relative Widerstandsänderung pro Grad Temperaturänderung an. T Abbildung 10.3: Lineare Abhängigkeit des Widerstandes von der Temperatur. Für reine Metalle ist α = 1/273 pro Grad ≃ 0.4% pro Grad. Durch Verwendung von Legierungen kann α auf etwa 0.002% pro Grad gesenkt werden. 10.2.2 Halbleiter Die Leitfähigkeiten von Halbleitern liegen zwischen denjenigen von Isolatoren und Metallen. Die moderne Technik der Herstellung von Halbleitern aus verschiedenen Materialien und Schichten ermöglicht es sowohl die Zahl der Leitungselektronen als auch ihre Beweglichkeit in weiten Grenzen zu variieren. Durch Zugabe von Fremdatomen (Verunreinigungen, Dotierungen) kann die Leitfähigkeit eines Halbleiters stark erhöht werden. 10.2 n-Material Ins Gitter eines aus 4-wertigen Atomen bestehenden Halbleiterkristalls (z.B. Silizium oder Germanium) werden Atome eines 5-wertigen Elementes eingebaut. In der äussersten Schale dieser Fremdatome ist ein Elektron zu viel vorhanden. Dieses Elektron ist fast frei beweglich und trägt zur Leitfähigkeit bei. Man nennt diese Fremdatome Donatoren. p-Material Ins Kristallgitter werden Atome eines 3-wertigen Elementes eingebaut. In der äussersten Schale der Fremdatome fehlt jetzt ein Elektron. Dieses “Loch” ist bestrebt, ein Elektron aufzunehmen. Wird das Loch durch ein Gitterelektron aufgefüllt, entsteht an anderer Stelle ein Loch; man spricht von Löcherwanderung. Diese Fremdatome nennt man Akzeptoren. Anwendungsbeispiele: Thermistoren Der Widerstand von Thermistoren ist stark temperaturabhängig. Die sog. NTC (Negative Temperature Coefficient)-Widerstände bestehen aus Oxiden von Cr, Mn, Fe etc.. In Fe2 03 z.B. ist ein Teil der Fe3+ -Ionen durch Fe2+ - oder Ti4+ -Ionen ersetzt. Mit zunehmender Temperatur wird das überzählige Elektron des Fe2+ -Iones frei und zum Leitungselektron (n-Material); der Widerstand des Materials sinkt. Solche Widerstände können zur Temperaturmessung verwendet werden, da ihre Temperaturkoeffizienten zwischen -2% und -6% pro Grad liegen. Abbildung 10.4 zeigt einige Kennlinien und die Temperaturabhängigkeit eines NTC-Widerstandes. I(V) R T3 T2 T1 T1 < T2 < T3 V T Abbildung 10.4: Linkes Bild: Kennlinien eines Thermistors für verschiedene Temperaturen. Rechtes Bild: Abhängigkeit des Widerstandes von der Temperatur. Halbleiter-Dioden Eine Halbleiterdiode besteht aus einer p-Material- und einer n-Material-Schicht. Der Kontakt zwischen p-leitendem und n-leitendem Halbleitermaterial erzeugt den pn-Übergang, welcher typisch ist für die grosse Gruppe der Halbleiterdioden. Diese finden ihren Einsatz ganz allgemein in der Gleichrichtung von Spannungen unterschiedlicher Polarität. Eine Kennlinie einer Halbleiterdiode zeigt Abbildung 10.5. Während der Strom in Durchlassrichtung schon bei kleiner Span10.3 I(V) nung rasch ansteigt, ist er in Sperrrichtung sehr klein, bis zur maximal zulässigen Sperrspannung, die je nach Bauart zwischen -10 V und -10 kV liegen kann. Vz V Abbildung 10.5: Kennlinie einer Diode. Vz ist die maximale Sperrspannung. Durchlassgebiet Sperrgebiet Erklärung: Durchlassrichtung _ +++_ _ __ _ ++ +p + _ n _ I + _ V0 Die Löcher des p-Materials werden in die n-Schicht, die freien Elektronen des n-Materials in die p-Schicht getrieben, d.h. es fliesst dauernd ein Strom durch die Grenzschicht. Der Widerstand der Trennschicht ist sehr klein. Abbildung 10.6: Diode in Durchlassrichtung. Löcher der p-Schicht und Elektronen der n-Schicht wandern von der Grenzschicht weg, d.h. Ladungsträger beider Vorzeichen werden aus der Grenzschicht entfernt. Es entsteht eine nichtleitende Zone. Nach dem Aufbau der sog. Sperrschicht fliesst kein Strom mehr. Sperrrichtung + + + __ __ __ + + p++ _ n _ _ + V0 Abbildung 10.7: Diode in Sperrrichtung. Für Dioden verwendet man die in der Abbildung 10.8 gezeichneten Symbole. Die Diode leitet, wenn die Dreiecksspitze in Richtung des Spannungsabfalls zeigt: + + Sperrrichtung Durchlassrichtung Abbildung 10.8: Symbol für Diode in Durchlass- und in Sperrrichtung. 10.4 V Anwendung: Dioden werden z.B. zur Gleichrichtung von Wechselströmen benützt. Abbildung 10.9: Diode als Gleichrichter. 10.2.3 t R ~ V = V0 sin ω t I I t Lichtabhängige Widerstände Lichtabhängige Widerstände bestehen z.B. aus CdS, einem Material in welchem einfallendes Licht Elektronen freisetzt und so eine Verkleinerung des Widerstandes bewirkt. 10.3 Experimenteller Teil 10.3.1 Aufgabenstellung 1. Die Kennlinien folgender Elemente sollen aufgenommen werden: • Ohm’scher Widerstand • Glühlampe • Diode 2. Qualitative Beobachtung der Widerstandsänderung an einem lichtempfindlichen Widerstand 3. Temperaturabhängigkeit des Widerstands eines Thermistors 10.3.2 Durchführung Bemerkung: Während einer Mess-Serie sollte der Messbereich der Instrumente nicht geändert werden. Achtung: Maximalstrom 200 mA nicht überschreiten, sonst brennt die Sicherung durch! Kennlinien Ohm’scher Widerstand: Berechnen Sie für den gegebenen Widerstand R den maximalen Strom Imax für die maximale Spannung Vmax und wählen Sie dann auf dem Ampèremeter den passenden Messbereich. Glühlampe: Die maximal zulässige Spannung und der maximale Strom sind angegeben. Wählen Sie die passenden Messbereiche der Instrumente. Bemerkung: Die Kennlinien des Ohm’schen Widerstandes und der Glühlampe werden in Schritten von 5 V aufgenommen. Zu jedem Spannungswert liest man den zugehörigen Strom ab. Diode: Die Kennlinie der Diode wird für positive und für negative Spannungen ausgemessen (Diode umpolen). Der Bereich, in dem die Diode zu leiten beginnt, wird in möglichst kleinen Schritten (0.02V) ausgemessen. 10.5 Achtung: Der Strom in der Diode steigt plötzlich an. Der maximal zulässige Strom ist angegeben. Eine Kennlinie wird mit der in Abbildung 10.10 skizzierten Schaltung aufgenommen. Am Potentiometer Rp kann eine Spannung zwischen 0 und V0 abgegriffen werden. (Das Potentiometer ist im Spannungsgerät eingebaut). I V0 RP RL = RL V - Ohm'scher Widerstand - Glühlampe - Diode Abbildung 10.10: Anordnung zur Messung der Kennlinien. Stellen Sie die Messwerte in einer übersichtlichen Tabelle zusammen. Fotowiderstand Prüfen Sie qualitativ, wie bei fester Spannung (V = 5 V) der Widerstand von der Intensität des einfallenden Lichtes abhängt, indem Sie den Widerstand verschieden stark mit der Hand abdecken und den Strom jeweils ablesen. Thermistor Bei fester Spannung (V = 10 V) soll der Widerstand aus Strom und Spannung als Funktion der Temperatur bestimmt werden. Die Versuchsanordnung ist in der Abbildung 10.11 skizziert. Thermometer I NTC V0 V Wasser Dewar Abbildung 10.11: Anordnung zur Messung der Kennlinie des Thermistors. Temperaturen: Wählen Sie 5 verschiedene Wassertemperaturen zwischen ca. 10◦ C und 90◦ C. Wichtig: Vor dem Ablesen des Thermometers muss das Temperaturgleichgewicht abgewartet werden. 10.6 10.3.3 Auswertung Kennlinien • Die drei Kennlinien werden auf Millimeterpapier aufgezeichnet. • Für jeden Messpunkt (V ,I) wird der Widerstand R = V /I berechnet und R in Funktion von V grafisch dargestellt (10.12). I R V Ri = i Ii Ii Ri Vi Vi V V Abbildung 10.12: Auswertung der Kennlinien. Thermistor • Aus den Strom- und Spannungswerten wird für die 5 Temperaturen der Widerstand berechnet und in Funktion der Temperatur auf Millimeterpapier aufgezeichnet. • Der Widerstand des verwendeten Thermistors berechnet sich aus B R(T ) = Ae T A und B sind Konstanten (10.4) T = Temperatur in Kelvin Bestimmung von A und B: Wir logarithmieren obigen Ausdruck (Vergleiche auch Versuch Kapazitäten (C)) : B (10.5) T Diese Gleichung stellt eine Gerade mit der Steigung B dar, wenn man ln R gegen 1/T aufträgt. Der Achsenabschnitt ist dann ln A. ln R = ln A + ln A kann aus der Abbildung 10.13 herausgelesen oder, bei bereits bestimmtem B, an einem Punkt R(T ) aus Gleichung (10.4) berechnet werden. Man bestimmt B mit: ln R ln A ∆ 1/T ∆ ln R B= 1/T ∆ ln R ∆1/T Abbildung 10.13: Steigung der Geraden. 10.7 Bestimmen des Temperaturkoeffizienten α: Der Temperaturkoeffizient α entspricht der relativen Widerstandsänderung pro Grad Temperaturänderung. Er kann aus dem Widerstand für den Thermistor (10.4) berechnet werden (siehe auch Gleichung 10.3). Durch Ableiten nach der Temperatur T folgt aus: B R = Ae T dR dT 1 dR · R dT = Ae = − B T ( ) 1 ·B· − 2 T B T2 Für den Temperaturkoeffizienten α gilt also: α= 1 dR · R dT = − Diese Grösse α soll für T = 300 K berechnet werden. 10.8 B T2 (10.6) 10.4 10.4.1 Anhang Einfluss der Innenwiderstände von Messinstrumenten Jedes Messinstrument hat einen Innenwiderstand. Unter Berücksichtigung dieser Innenwiderstände erhält man für die Aufnahme einer Kennlinie von kleinen Widerständen, d.h. wenn RiA gegen R nicht zu vernachlässigen ist, die folgende Schaltung: RiA K I V0 RP I Der gemessene Strom teilt sich im Punkt K in I1 und I2 auf: I2 I1 RL V RiV I = I1 + I2 V = I1 RiV = I2 RL Also: I1 = I2 RL →0 RiV falls RiV ≫ RL Abbildung 10.14: Anordnung zur Messung kleiner Widerstände RL . Damit I2 ≃ I wird, muss I1 sehr klein sein, d.h. der Innenwiderstand des Voltmeters muss viel grösser als R sein. Ein gutes Voltmeter hat einen grossen Innenwiderstand (107 − 108 Ω). Um grosse Widerstände zu messen, d.h. wenn RiV gegen R nicht zu vernachlässigen ist, verwendet man eine andere Schaltung: RiA RL = Element für Kennlinie I I V0 RP V RL RiV Abbildung 10.15: Anordnung zur Messung grosser Widerstände RL . Die gemessene Spannung setzt sich aus dem Spannungsabfall am Ampèremeter und dem Spannungsabfall an RL zusammen: V = IRiA + IRL Also: V V − RiA ≃ für RiA ≪ RL I I d.h. der Innenwiderstand des Ampèremeters soll möglichst klein sein. Beim verwendeten Instrument beträgt er etwa 1Ω bei 200 mA Messbereich. RL = 10.9