Friedrich Schiller Wichtige Anregungskontexte Reinhold

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Friedrich Schiller
Wichtige Anregungskontexte
Reinhold: Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (Prag und
Jena 1789)
Stoff- und Formtrieb
„Wie die Vorstellung überhaupt aus zwey wesentlich verschiedenen und wesentlich
verknüpften Bestandtheilen, Stoff und Form besteht, so läßt sich der Trieb nach Vorstellung
überhaupt in zwey wesentlich verschiedene und wesentlich verknüpfte Grundtriebe
unterscheiden, den Trieb nach Stoff, und den Trieb nach Form der Vorstellung. Der Eine hat
die Wirklichkeit desjenigen, was an der Vorstellung gegeben, der Andere, – was an ihr
hervorgebracht werden muß, zum Objekte.“ (561)
Kant: Kritik der Urteilskraft
Geschmacksurteil
„Um zu unterscheiden, ob etwas schön sei oder nicht, beziehen wir die Vorstellung nicht
durch den Verstand auf das Objekt zum Erkenntnisse, sondern durch die Einbildungskraft
(vielleicht mit dem Verstande verbunden) auf das Subjekt und das Gefühl der Lust und Unlust
desselben.“ (§ 1)
Freies Spiel der Vorstellungskräfte
„Die subjektive allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellungsart in einem Geschmacksurteile, da
sie, ohne einen bestimmten Begriff vorauszusetzen, statt finden soll, kann nichts anderes als
der Gemütszustand in dem freien Spiele der Einbildungskraft und des Verstandes (sofern sie
unter einander, wie es zu einem Erkenntnisse überhaupt erforderlich ist, zusammen stimmen)
sein“ (§ 9).
Schönheit und Erhabenheit
„Das Schöne kommt darin mit dem Erhabenen überein, daß beides für sich selbst gefällt. […]
Allein es sind auch namhafte Unterschiede zwischen beiden in die Augen fallend. Das Schöne
der Natur betrifft die Form des Gegenstandes, die in der Begrenzung besteht; das Erhabene ist
dagegen auch an einem formlosen Gegenstand zu finden, sofern Unbegrenztheit an ihm, oder
durch dessen Veranlassung, vorgestellt oder doch Totalität derselben hinzugedacht wird“
(…“kein Spiel, sondern Ernst in der Beschäftigung der Einbildungskraft…“). (§ 23)
„Nun sage ich: das Schöne ist das Symbol des Sittlichguten“ „…wobei sich das Gemüt
zugleich einer gewissen Veredlung und Erhebung über die bloße Empfänglichkeit einer Lust
durch Sinneseindrücke bewußt ist“ (§ 59).
Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
Bürgerlicher Staat und ethischer Staat
„Man kann eine Verbindung der Menschen unter bloßen Tugendgesetzen nach Vorschrift
dieser Idee eine ethische, und sofern diese Gesetze öffentlich sind, eine ethisch-bürgerliche
(im Gegensatz zur rechtlich-bürgerlichen) Gesellschaft, oder ein ethisches gemeines Wesen
nennen.“ (Anfang drittes Stück. AA VI, 94)
Schiller über Freiheit und Schönheit
Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung. Diejenige Freiheit, die erscheint ist, ist schön.
„Reine Selbstbestimmung überhaupt ist Form der praktischen Vernunft. […] Entdeckt nun die
praktische Vernunft bei Betrachtung eines Naturwesens, daß es durch sich selbst bestimmt ist,
so schreibt sie demselben (wie die theoretische Vernunft in gleichem Fall einer Anschauung
[im Falle einer regulativen Beziehung der Vernunftidee auf Anschauung, z. B. im Falle der
teleologischen Vernunft] Vernunftähnlichkeit zugestand) Freiheitsähnlichkeit oder kurzweg
Freiheit zu. Weil aber diese Freiheit dem Objekte von der Vernunft nur geliehen wird, da
nichts frei sein kann als das Übersinnliche, und Freiheit als solche nie in die Sinne fallen
kann – kurz – da es hier bloß darauf ankommt, daß ein Gegenstand frei erscheine, nicht
wirklich ist: so ist diese Analogie eines Gegenstandes mit der Form der praktischen Vernunft
nicht Freiheit in der Tat, sondern bloß Freiheit in der Erscheinung, Autonomie in der
Erscheinung.“ […] „Eine Beurteilung freier Wirkungen (moralischer Handlungen) nach der
Form des reinen Willens ist moralisch; eine Beurteilung nichtfreier Wirkungen nach der Form
des reinen Willens ist ästhetisch.“ […] „Übereinstimmung einer Handlung mit der Form des
reinen Willens ist Sittlichkeit. Analogie einer Erscheinung mit der Form des reinen Willens
oder der Freiheit ist Schönheit (in weitester Bedeutung). Schönheit also ist nichts anderes als
die Freiheit in der Erscheinung.“ Kallias-Briefe 1793 (Kallias oder über die Schönheit. Über
Anmut und Würde. Stuttgart 1971, Reclam, 17f.)
„Der Grund der Schönheit ist überall Freiheit in der Erscheinung. Der Grund unserer
Vorstellung von Schönheit ist Technik in der Freiheit.“ Kallias-Briefe 1793 (Kallias oder über
die Schönheit. Über Anmut und Würde. Stuttgart 1971, Reclam, 37)
Es ist davon auszugehen, „daß es nur die Freiheit in der Technik ist, was das Schöne vom
Vollkommenen unterscheidet.“[…] „Das Vollkommene, dargestellt mit Freiheit, wird
sogleich in das Schöne verwandelt.“ Kallias-Briefe 1793 (Kallias oder über die Schönheit.
Über Anmut und Würde. Stuttgart 1971, Reclam, 47)
Moralische Freiheit und schöne/ästhetische Freiheit. Kritik an Kants asketischer
Moralphilosophie. Positives Gegenbeispiel ist die schöne Seele, welche moralische Vernunft
und Sinnlichkeit miteinander zu vermitteln vermag. Moralische Freiheit ohne ästhetischen
Sinn ist unvollkommene Freiheit.
„Der sinnliche Ausdruck dieses Beifalls [Beifalls zur Pflicht] in der Grazie wird also für die
Sittlichkeit der Handlung, bei der er angetroffen wird, nie ein hinreichendes und gültiges
Zeugnis ablegen“ […] Bis hierher glaube ich mit den Rigoristen der Moral vollkommen
einstimmig zu sein.“ […] „In der Kantischen Moralphilosophie ist die Idee der Pflicht mit
einer Härte vorgetragen, die alle Grazien davor zurückschreckt und einen schwachen
Verstand leicht versuchen könnte, auf dem Weg einer finstern und mönchischen Asketik die
moralische Vollkommenheit zu suchen.“ […] „Er [Kant] ward der Drako seiner Zeit, weil sie
ihm eines Solons noch nicht wert und empfänglich schien.“ Über Anmut und Würde. 1793.
(Kallias oder über die Schönheit. Über Anmut und Würde. Stuttgart 1971, Reclam, 106-108)
„In einer schönen Seele ist es also, wo Sinnlichkeit und Vernunft, Pflicht und Neigung
harmonieren, und Grazie ist ihr Ausdruck in der Erscheinung. Nur im Dienste einer schönen
Seele kann die Natur zugleich Freiheit besitzen und ihre Form bewahren, da sie erstere unter
der Herrschaft eines strengen Gemüts, letztere unter der Anarchie der Sinnlichkeit einbüßt.“
Über Anmut und Würde. 1793 (Kallias oder über die Schönheit. Über Anmut und Würde.
Stuttgart 1971, Reclam, 111f.)
„So wie die Anmut der Ausdruck einer schönen Seele ist, so ist Würde der Ausdruck einer
erhabenen Gesinnung.“ Über Anmut und Würde. 1793 (Kallias oder über die Schönheit. Über
Anmut und Würde. Stuttgart 1971, Reclam, 113)
[Zu Kants Antwort siehe Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. AA VI,
23: „Ich gestehe gern: daß ich dem Pflichtbegriffe gerade um seiner Würde willen keine
Anmuth beigesellen kann.“]
Drei Triebe, der Spieltrieb, freies Spiel. Der Mensch ist Mensch, wo er spielt
„Der erste dieser Triebe, den ich den sinnlichen [auch Stofftrieb] nennen will, geht aus von
dem physischen Dasein des Menschen oder von seiner sinnlichen Natur und ist beschäftigt,
ihn in die Schranken der Zeit zu setzen und zur Materie zu machen […] Der zweite jener
Triebe, den man den Formtrieb nennen kann, geht aus von dem absoluten Dasein des
Menschen oder von seiner vernünftigen Natur und ist bestrebt, ihn in Freiheit zu setzen,
Harmonie in die Verschiedenheit seines Erscheinens zu bringen…“ (Über die ästhetische
Erziehung des Menschen. 1795, 12. Brief)
„Derjenige Trieb also, in welchem beide verbunden wirken (es sei mir einstweilen, bis ich
diese Benennung gerechtfertigt haben werde, vergönnt, ihn Spieltrieb zu nennen), der
Spieltrieb also würde dahin gerichtet sein, die Zeit in der Zeit aufzuheben, Werden mit
absolutem Sein, Veränderung mit Identität zu vereinbaren.“ (14. Brief)
„Der Spieltrieb also, als in welchem beide verbunden wirken, wird das Gemüt zugleich
moralisch und physisch nötigen; er wird also, weil er alle Zufälligkeit aufhebt, auch alle
Nötigung aufheben und den Menschen sowohl physisch als moralisch in Freiheit setzen.“ (14.
Brief)
„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller
Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (15. Brief)
„Sowohl der materielle Zwang der Naturgesetze als der geistige Zwang der Sittengesetze
verlor in ihrem [den Künsten der Griechen] höheren Begriff von Notwendigkeit, der beide
Welten zugleich umfaßte, und aus der Einheit jener beiden Notwendigkeiten ging ihnen erst
die wahre Freiheit hervor.“ (15. Brief) [Jetzt also nicht mehr ästhetische Freiheit als
notwendige Ergänzung zur moralischen Freiheit, sondern ästhetische Freiheit als höhere
Freiheit]
Durch den ästhetischen Staat zur Freiheit
Um das politische Problem der Zeit zu lösen, ist der Weg über das ästhetische Problem
einzuschlagen, „weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert.“ (2.
Brief)
„Wenn in dem dynamischen Staat der Rechte der Mensch dem Menschen als Kraft begegnet
und sein Wirken beschränkt – wenn er sich ihm in dem ethischen Staat der Pflichten mit der
Majestät des Gesetzes entgegenstellt und sein Wollen fesselt, so darf er ihm im Kreise des
schönen Umgangs, in dem ästhetischen Staat, nur als Gestalt erscheinen, nur als Objekt des
freien Spiels gegenüberstehen. Freiheit zu geben durch Freiheit ist das Grundgesetz dieses
Reichs.“ (27. Brief)
[Ein junger Denker/eine junge Denkerin im Banne von Schillers Freiheitsauffassung?
„Die erste Idee ist natürlich die Vorstellung von mir selbst, als einem absolut freien Wesen.
„Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also auch über den Staat
hinaus! Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und
das soll er nicht; also soll er aufhören.“
„Ich bin nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft, der, indem sie alle Idee umfaßt, ein
ästhetischer Akt ist, und daß Wahrheit und Güte, nur in der Schönheit verschwistert sind. –
Der Philosoph muß eben so viel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter.“
(Zitate aus dem sog. Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus)]
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