Lyme-Borreliose – Diagnostik und Therapie

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w w w. b i o s c i e n t i a . d e
Labor bericht
Diagnostik und Therapie
der Lyme-Borreliose
Stand:
M a i 2 013
Die Lyme-Borreliose ist eine infektiöse Multisystemerkrankung, die sich am häufigsten an Haut,
Gelenken und Nervensystem manifestiert.
Erreger sind Schraubenbakterien der Gattung
Borrelia, die durch Schildzecken übertragen
werden.
Erreger und Infektionsweg
Klinik
Der Begriff der Lyme-Borreliose geht auf die Stadt Lyme in Connecticut/USA zurück, in der Mitte der 70er
Jahre gehäuft Kinder mit rheu­matischen Beschwerden beobachtet wurden. Der Schweizer Zeckenforscher Willy Burgdorfer entdeckte als auslösendes
Agens 1982 eine Borrelienspezies, die ihm zu Ehren
als Borrelia burgdorferi bezeichnet wurde.
Der natürliche Verlauf der Lyme-Borreliose (d. h. ohne
antibiotische Therapie) kann sehr variabel sein. Die klinischen Bilder werden in Früh- (Stadium 1 und 2) sowie Spätmanifestationen (Stadium 3) eingeteilt. Die
Lyme-Borreliose kann in jedem Stadium erstmalig
symptomatisch werden und muss nicht zwangsläufig
alle Folgestadien durchlaufen.
Borrelien sind Gram-negative, etwa 10–30 µm lange,
0,2–0,25 µm breite, gewundene und bewegliche Bakterien, die wie die Erreger der Syphilis und der Leptospirose zu den Spirochäten gezählt werden.
Grundsätzlich kann jedes der klinischen Bilder isoliert,
aber auch in unterschiedlichen Kombinationen auftreten. In den meisten Fällen ist die Infektion selbstlimitierend. Auf der anderen Seiten hat B. burgdorferi
sensu lato eine ausgeprägte Fähigkeit – selbst nach
antibiotischer Therapie – im Gewebe zu persistieren,
wobei klinische Symptome fehlen können.
Die Lyme-Borreliose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung, die durch eine Infektion mit verschiedenen Spezies des Genus Borrelia verursacht wird, die
zum Komplex B. burgdorferi sensu lato gehören.
Die Erkrankung ist in den gemäßigten Klimazonen der
Nordhalbkugel endemisch verbreitet und tritt in Höhenlagen unter 1000 m in Europa flächendeckend auf.
In Nordamerika wird die Lyme-Borreliose nur durch
die Spezies B. burgdorferi sensu stricto ausgelöst,
während in Europa die mit Hautmanifestationen bzw.
neurologischer Symptomatik assoziierten Spezies B.
afzelii und B. garinii, seltener B. burgdorferi sensu
stricto sowie in Einzelfällen B. spielmannii, B. valaisiana, B. lusitaniae und B. bisetti gefunden werden.
Die Übertragung der Lyme-Borreliose erfolgt in der
Regel durch den Stich einer Zecke (in Deutschland
durch den „Holzbock“, Ixodes ricinus), sehr selten
durch den Stich fliegender Insekten wie Stechmücken
oder Bremsen.
Das Infektionsrisiko für den Menschen steigt mit zu­
nehmender Saugdauer der Zecke; bei nur kurzzeitigem Anhaften (< 8 h) ist die Gefahr einer Borrelieninfektion gering. Die Zecke muss in der Regel 16–24
Stunden Blut saugen, um Borrelien zu übertragen.
1
Zecken sind gebietsabhängig zu 5–35 % infiziert, wobei adulte Zecken im Durchschnitt zu 20 %, Nymphen
zu 10 % und Larven nur zu etwa 1 % Borrelien aufweisen. Nach dem Stich einer Borrelien-infizierten Zecke
ist in 0,3–1,4 % mit einer klinischen Manifestation zu
rechnen, während in 2,6–5,6 % eine Serokonversion
(inapparente Infektion) auftritt. Borrelienspezifische
Antikörper finden sich je nach Region und Altersgruppe in Deutschland bei 5–25 % der gesunden
Personen.
Frühmanifestationen finden sich gehäuft von
Frühsommer bis Herbst, Spätmanifestationen treten
dagegen ganzjährig auf. Die häufigste Frühmanifestation und Leitsymptom der Lyme-Borreliose ist das
Erythema (chronicum) migrans (Stadium 1). Gelegentlich kommt es wenige Tage bis Wochen nach der Borrelieninfektion zu Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen, subfebrilen Temperaturen oder Nachtschweiß.
Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich (das Erythema migrans tritt nur in etwa 50 % der akuten Neuroborreliosefälle auf) kann eine Ausbreitung der Borrelien in andere Organe, am häufigsten in das ZNS, die
Gelenke oder den Herzmuskel, folgen (Stadium 2).
In seltenen Fällen kommt es nach Monaten bis Jahren
zu einer späten bzw. chronischen Manifestation mit
Beteiligung der Haut, des Nervensystems und der Gelenke (Stadium 3). Seltener sind andere Organe betroffene wie z. B. die Augen (Uveitis, Panophthalmitis,
retinale Blutungen, Keratitis), die Muskulatur (Myositis, Enthesopathie) oder die Leber (Hepatitis).
Die Entität eines „Post-Lyme-Disease-Syndroms“
mit unspezifischen Beschwerden ist nicht belegt. Aufgrund der hohen Prävalenz positiver Borrelienserologien in Endemiegebieten und der Häufigkeit unspezifischer Symptome ist eine entsprechende Koinzidenz
vorgezeichnet.
Gegen einen kausalen Zusammenhang sprechen sowohl klinische Verlaufsuntersuchungen als auch epidemiologische Studien, die darauf hinweisen, dass
unspezifische Beschwerden nach einer Lyme-Borreliose nicht häufiger auftreten als bei Kontrollpersonen
bzw. nach anderen Erkrankungen.
Manifestationen
Notwendige Hauptkriterien
Unterstützende Kriterien
Erythema
(chronicum)
migrans
Sich vergrößernder, rötlicher oder bläulich-roter Fleck,
häufig mit zentraler Abblassung; Rand deutlich abgesetzt,
intensiver gefärbt aber nicht merklich erhaben;
um die Inokulationsstelle lokalisiert oder (selten) disseminiert
Zeckenstich in der Regel
an gleicher Stelle
vorausgehend
BorrelienLymphozytom
(seltene
Manifestation)
Schmerzlose bläulich-rote Knoten oder Plaques, gewöhnlich
an Ohrläppchen, Ohrmuschel, Brustwarze oder Skrotum lokalisiert
(häufiger bei Kindern – insbesondere am Ohr – als bei Erwachsenen
Gleichzeitig bestehendes
oder vorangegangenes
Erythema (chronicum)
migrans
Acrodermatitis
chronica
atrophicans
Lange bestehende rote oder bläulich-rote Hautveränderung,
gewöhnlich an den Streckseiten von Extremitäten.
Anfänglich teigige Hautschwellungen, die später atrophieren.
Über Knochenvorsprüngen Hautindurationen möglich.
Lyme-Karditis
Akut einsetzender AV-Block (II.–III. Grades), Rhythmusstörungen,
manchmal Myokarditis oder Pankarditis.
(Eine Zeckenexposition wird vorausgesetzt unabhängig davon
ob ein Zeckenstich nachweislich vorausgegangen ist)
Frühe
Neuroborreliose
Gleichzeitig bestehendes
oder vorangegangenes
Erythema (chronicum)
migrans
Schmerzhafte Meningo-Radikuloneuritis mit oder ohne
Fazialislähmung oder Lähmung anderer Hirnnerven
(Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom).
Bei Kindern meist Meningitis, isolierte einseitige (manchmal
beidseitige) Fazialis-Lähmung oder Lähmung anderer Hirnnerven
Chronische
Neuroborreliose
(sehr selten)
Lange bestehende Enzephalitis, Meningoenzephalitis,
Enzephalomyelitis, Radikulomyelitis
Lyme-Arthritis
1. Wiederkehrende, kurze Attacken von objektiver Gelenkschwellung
in einem oder wenigen großen Gelenken, gelegentlich zu chronischer
Arthritis führend und Vorgeschichte einer anderen Manifestation der
Lyme-Borreliose während des vorausgegangenen Jahres und Ausschluss anderer Ursachen der klinischen Symptomatik
oder
2. Wiederkehrende, kurze Attacken von objektiver Gelenkschwellung
in einem oder wenigen großen Gelenken, gelegentlich zu chronischer
Arthritis führend ohne Vorgeschichte einer gesicherten klinischen
Manifestation der Lyme-Borreliose
Tab.1
Klinische Kriterien für die Diagnose der Lyme-Borreliose unter Berücksichtigung der „EUCALB clinical case definitions for Lyme borreliosis“
2
Außerdem hat die Lyme-Borreliose, abgesehen von
wenigen Ausnahmen, eine günstige Prognose. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass diese unspezifischen Beschwerden nach behandelter akuter Lyme-Borreliose nicht auf eine erneute Antibiotikabehandlung ansprechen.
Manifestationen
Bei einem vermeintlichen „Post-Lyme-Disease-Syndrome“ oder bei Verdacht auf eine chronische LymeBorreliose mit unspezifischen Beschwerden sollte in
erster Linie eine ausführliche Differenzialdiagnostik
erfolgen (DD depressive Störung, Autoimmunerkrankung, chronische Infektion anderer Ätiologie, andere
internistische chronische Erkrankung, Alkohol- oder
Drogenabusus).
Notwendige Hauptkriterien
Unterstützende Kriterien
Erythema
(chronicum)
migrans
Keine
Kultureller oder Nuklein­säureNachweis von B. burgdorferi aus
einer Hautbiopsie, signifikanter
Anstieg spezifischer Antikörper
oder Nachweis spezifischer
IgM-Antikörper
BorrelienLymphozytom
(seltene Manifestation)
Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi im Serum
(IgG- und/oder IgM) oder signifikanter Anstieg des
IgG-Antikörpertiters gegen B. burgdorferi
Histologischer Nachweis eines
B-Zell-Pseudolymphoms
Acrodermatitis
chronica
atrophicans
Hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im Serum
oder charakteristischer histologischer Befund und kultureller
oder Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus einer
Hautbiopsie
Lyme-Karditis
Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern gegen B. burgdorferi
im Serum oder signifikanter Anstieg des IgG-Antikörpertiters
gegen B. burgdorferi oder kultureller oder Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus einer Herzbiopsie
Frühe
Neuroborreliose
Lymphozytäre Pleozytose im Liquor plus entweder Nachweis
intrathekal gebildeter spezifischer Antikörper oder kultureller
oder Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi aus Liquor
Spezifische oligoklonale Banden
im Liquor, signifikanter Anstieg
spezifischer Antikörper im Serum
Chronische
Neuroborreliose
(sehr selten)
Lymphozytäre Pleozytose im Liquor und Nachweis
intrathekal gebildeter sowie peripherer B. burgdorferi
spezifischer Antikörper
Spezifische oligoklonale
Banden im Liquor
Lyme-Arthritis
1. Hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im Serum
oder
nur zusammen mit dem klinischen Hauptkriterium 2:
2. Hohe Konzentration spezifischer IgG-Antikörper im Serum
und kultureller oder Nukleinsäure-Nachweis von B. burgdorferi
aus Synovialflüssigkeit und/oder Synovia
Tab.2
Labordiagnostische Kriterien für die Diagnose der Lyme-Borreliose unter Berücksichtigung der „EUCALB clinical case definitions for
Lyme borreliosis“
3
Diagnostik
Die Lyme-Borreliose ist eine klinische Diagnose. Die
Labordiagnostik ist indiziert bei allen klinischen Verdachtsbefunden, d. h. bei Vorliegen von Symptomen,
die mit einer Borreliose assoziiert sein können. Je unspezifischer die Symptomatik ist, desto geringer ist
der prädiktive Wert der labordiagnostischen Verfahren.
„„
Die Veranlassung einer Borrelien-Serologie bei (noch)
asymptomatischen Patienten kann z. B. bei einem Zeckenstich im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit oder
bei einer aus der Anamnese bekannten Borrelien-Infektion zur Bestimmung der Ausgangssituation zum
Vergleich mit einer nach 4 Wochen durchgeführten
Verlaufskontrolle erwogen werden.
Der Kontakt mit Borrelien wird üblicherweise indirekt
durch den Nachweis spezifischer IgG- und IgM-Anti­
körper im Patientenserum bestätigt. Im Rahmen einer
vom Robert Koch-Institut, der Deutschen Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene und dem Center
of Disease Control empfohlenen Zweistufenstrategie
wird als Suchtest zunächst ein Enzymimmunoassay
mit hoher Sensitivität eingesetzt.
Positive und grenzwertige Reaktionen sollten mittels
Immunoblot (hohe Spezifität) bestätigt werden. Durch
die Verwendung immundominanter, rekombinanter
Antigene wie dem VLsE-Antigen und DbpA wurde die
Sensitivität und Spezifität des Antikörpernachweises
in den letzten Jahren deutlich verbessert.
„„
In den ersten 2 Wochen nach Infektion fällt der
Nachweis spezifischer Antikörper trotz möglicherweise schon bestehender Symptomatik im Allgemeinen negativ aus.
„„ Stadium 1:
20–50 %
„„ Stadium 2:
70–90 %
„„ Stadium 3:
90–100 %
In den Stadien 1 und 2 sind bei kurzer Krankheitsdauer zunächst Antikörper der Klasse IgM, bei längerer Krankheitsdauer Antikörper der Klasse IgG
vor­herrschend. Im Stadium 3 findet man in der Regel nur noch Borrelien-spezifische IgG-Antikörper,
ein zusätzlicher Nachweis von IgM-spezifischen
Antikörpern schließt das Sta­dium 3 jedoch nicht
aus. Ein isolierter IgM-Befund spricht gegen das
Stadium 3.
„„
Bei Reinfektionen dominiert die IgG-Antwort während die IgM-Antwort sehr variabel ist. Die Höhe
der Antikörpertiter korreliert weder mit der Schwere noch mit der Dauer der Erkrankung!
Falsch-positive IgM-Antikörperbefunde sind im
Rahmen einer polyklonalen Stimulation z. B. im
Rahmen einer aktiven EBV-, CMV-, oder HSV-Infektion zu beobachten. Auch Antikörper gegen Treponemen können zu einer falsch-positiven Borrelienserologie führen.
„„
Im Immunoblot finden sich als Ausdruck der zunächst oligoklonalen Immunantwort initial nur wenige Banden, in fortgeschrittenen Stadien dann ein
breitgefächertes Bandenmuster. Für die Auswertung wurden Interpretationskriterien für GanzzellLysat-Immunoblots wie für Immunoblots mit rekombinanten Antigenen von der DIN und der Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie
festgelegt.
„„
Bei früh einsetzender Therapie kann die Bildung
von spezifischen Antikörpern vollständig unterdrückt werden. Andererseits können bereits gebildete Antikörper (auch IgM-Antikörper) nach sanierender antibiotischer Therapie zum Teil über Jahre
persistieren. Da zudem die individuellen Titerverläufe beträchtlichen Schwankungen unterliegen,
kann der Erfolg einer antibiotischen Therapie nur
klinisch, nie serologisch beurteilt werden.
Bei diagnostisch unklaren Fällen (z. B. bei Immundefizienz, in atypische Hautläsionen, im Liquor bei Ver­
dacht auf Neuroborreliose ohne Nachweis intrathekaler Antikörper oder im Gelenkpunktat bei Verdacht auf
Lyme-Arthritis) kann jedoch auch der aufwändigere
direkte Erregernachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Anzucht erfolgen.
Folgende Punkte sind bei der Interpretation
von Enzymimmunoassay und Immunoblot
zu beachten:
Die Sensitivität eines positiven Antikörpernachweises steigt abhängig vom klinischen Erkrankungsstadium an:
4
1. Stufe Suchtest: IgG- und IgM-ELISA
(Verdacht auf Neuroborreliose: Tagesgleich entnommenes Liquor/Serum-Paar zur Beurteilung von
IgG- und IgM-Antikörperspezifitätsindizes, Blut/Liquorschrankenstörung und Pleozytose)
positiv
grenzwertig
negativ
2. Stufe Bestätigungstest: IgG- und IgM-Immunoblot
positiv
grenzwertig
negativ
positiver
serologischer
Befund
grenzwertiger
serologischer
Befund
negativer
serologischer
Befund
Hauptkriterium
Labor erfüllt
Abb. 1
Stufendiagnostik Borreliose
5
Negativer serologischer Befund
Bei weiter bestehendem klinischen Verdacht:
„„
serologische Verlaufskontrolle
„„
zusätzliche serologische Verfahren
Bei kurzer Krankheitsdauer
serologische Verlaufskontrolle
Neuroborreliose
Borrelien-DNA-Nachweis in Zecken
Der Verdacht auf eine Neuroborreliose wird durch das
Vorliegen typischer klinischer Symptome gestellt und
sollte durch die serologische Untersuchung eines tagesgleich entnommenen Liquor-/Serum-Paares und
klinisch-chemische Laboruntersuchungen zum Nachweis einer Pleozytose und/oder einer Schrankenstörung untermauert werden.
Zur Prävention einer Borreliose gehört auch die abendliche Inspektion der Haut nach Aufenthalt in einem Endemiegebiet für Zecken. Die mit Pinzette, einer Zeckenschlinge oder -karte entfernten Zecken lassen
sich mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) auf ihren
Borrelien-DNA-Gehalt untersuchen.
Entzündliche Liquorveränderungen sind bei jeder
Neuroborreliose zu erwarten, wobei die Detektionsrate der intrathekalen Immunantwort ansteigend mit zunehmender Krankheitsdauer bei 80–90 % liegt. In
Ausnahmefällen (z. B. immunsupprimierte Patienten)
kann die Infektion durch den kulturellen oder molekularen (PCR) Nachweis der Borrelien gesichert werden,
wobei die Sensitivität dieser Verfahren bei der akuten
Neuroborreliose nur bei 10–30 % liegt. Bei kurzer
Krankheitsdauer (oft noch seronegative Patienten) ist
von einer höheren Sensitivität des Erregernachweises
auszugehen als bei langer Krankheitsdauer.
Die Sicherung der spezifischen intrathekalen Antikörpersynthese erfolgt durch Ermittlung des so genannten Antikörper-Spezi­fitäts-Index (ASI), der den erregerspezifischen Immunglobulinanteil am Gesamtimmunglobu­lin in Liquor und Serum vergleicht. Dafür
werden tagesgleich entnommene Liquor- und Serumproben benötigt.
Die Konstellation einer positiven Borrelien-spezifischen intrathekalen Antikörperproduktion ohne Liquorpleozytose oder Blut-/Liquor-Schrankenstörung
spricht für eine früher durchgemachte Neuroborreliose ohne aktuelle Krankheitsaktivität.
Bei kurzer Krankheitsdauer oder isolierter Fazialisparese kann die intrathekale Immunantwort fehlen. Umgekehrt sind jedoch auch Fälle mit intrathekaler IgMSynthese ohne systemische Antikörperproduktion beschrieben. Ein negativer Serumbefund schließt also
eine Neuroborreliose nicht aus.
Durch diese Untersuchung kann bereits direkt nach
dem Zeckenstich das Risiko einer möglichen Infektion
durch die fragliche Zecke abgeschätzt werden. Bei einem negativen Untersuchungsergebnis sollte man jedoch daran denken, dass bei bestehendem Verdacht
einer Borrelieninfektion die sorgfältige klinische Beobachtung erforderlich ist, denn es können weitere unbemerkte Stiche durch andere Zecken stattgefunden
haben.
Insbesondere sollte bei einem positiven Testergebnis
auf klinische Manifestationen in den kommenden Wochen geachtet werden. Eine Übertragung von Borrelien und die immunologische Auseinandersetzung des
Körpers kann in der Regel nach 4 Wochen durch eine
Verlaufskontrolle anhand einer Serokonversion festgestellt werden. In Hochendemiegebieten in den USA
reduzierte eine Postexpositionsprophylaxe mit Doxycyclin (1 x 200 mg oral innerhalb von 72 Stunden nach
Zeckenstich) die Inzidenz des Erythema (chronicum)
migrans.
Weitere Verfahren
Der Antigennachweis aus Körperflüssigkeiten, die
PCR aus Serum oder Urin, die komplementbindungsreaktion (mangelnde Sensitivität), der Lymphozytentransformationstest (LTT) oder der „Visual Contrast
Sensitivity Test“ (VCS-Test) werden weder von der
Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie noch von der Expertenkommission Neuroborreliose befürwortet.
„„
Beim LTT wird die Stimulierbarkeit von Lymphozyten durch Borrelienantigene gemessen, wobei insbesondere Bedenken bezüglich der Spezifität dieses Tests (falsch-positive Befunde) bestehen.
„„
Im VCS-Test soll durch die Messung des Erkennens von Grautönen indirekt ein lipophiles Neurotoxin von Borrelien nachgewiesen werden. Weder eine Rationale noch ein Nutzen des VCS sind
belegt.
6
Therapie
Jede klinische Manifestation der Lyme-Borreliose
sollte antibiotisch behandelt werden. Je früher die
Therapie erfolgt, desto wahrscheinlicher werden
Spätmanifestationen verhindert. Der klinische Therapieerfolg fällt in den frühen Stadien am deutlichsten
aus, auch die Antikörpertiter sinken – nach erfolgreicher Therapie – bei Frühmanifestationen üblicherweise rascher als bei Spätmanifestationen.
„„
Tetrazykline sind bei Kindern unter 10 Jahren,
sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit
kontraindiziert.
„„
Ceftriaxon und Cefuroxim sollten mit Vorsicht
im ersten Schwangerschaftsdrittel verabreicht
werden. Mittel der Wahl sind hier Amoxicillin
und Penicillin.
„„
„„
Die Dosierung sollte generell gewichtsadaptiert
erfolgen.
Wenn möglich sollte Doxycyclin eingesetzt werden
(Ausnahmen: Kinder unter 8 Jahren und Schwangere).
Bei Vorliegen einer Allergie gegen Doxycyclin und
Amoxicillin ist Cefuroximaxetil als Mittel der 3. Wahl
und Erythromycin oder andere Makrolide als Mittel
der 4. Wahl anzusehen.
„„ Frühe Manifestationen
bei Kindern unter 8 Jahren
z. B. Erythema (chronicum) migrans
Medikament
Amoxicillin
Langzeit- und Dauerbehandlungen mit Antibiotika
sind nicht zu empfehlen.
Dosierung
[mg]
3 x 250
oder
50 pro kg
in 3 Dosen
Gabe
Dauer
oral
14–21 Tage
Bei Allergie gegen Amoxicillin:
„„ Frühe Manifestationen
z. B. Erythema (chronicum) migrans
(AV-Block Grad 1, P-R-Intervall > 0,3 Sekunden)
Medikament
Doxycyclin
Amoxicillin
Dosierung
[mg]
2 x 100
3 x 500
Gabe
oral
oral
Dauer
2 x 125
oral
14–21 Tage
Erythromycin
3 x 250
oder
30 pro kg
in 3 Dosen
oral
14–21 Tage
14–21 Tage
14–21 Tage
Bei Allergie gegen Doxycyclin oder Amoxicillin:
7
Cefuroximaxetil
Cefuroxi­maxetil
2 x 500
oral
14–21 Tage
Erythromycin
4 x 250
oral
14–21 Tage
Bei Vorliegen einer Allergie gegen Amoxicillin ist Cefuroximaxetil als Mittel der 2. Wahl und Erythromycin
oder andere Makrolide als Mittel der 3. Wahl
anzusehen.
„„ Neurologische Manifestationen
(Früh- und Spätsymptomatik)
„„ Arthritis
„„ Lyme-Karditis, höhergradiger AV-Block
„„ Acrodermatitis chronica atrophicans
Medikament
Dosierung
[mg]/d
Gabe
Dauer
Medikament
Dosierung
[mg]/d
Gabe
Dauer
Ceftriaxon
1 x 2000
i. V.
14–28 Tage
Doxycyclin
2 x 100
oral
30–60 Tage
Cefotaxim
3 x 2000
i. V.
14–28 Tage
Amoxicillin
3 x 500
oral
30–60 Tage
Penicillin G
4 x 5 Mio E
i. V.
14–28 Tage
Ceftriaxon
1 x 2000
i. V.
14–28 Tage
Cefotaxim
3 x 2000
i. V.
14–28 Tage
Penicillin G
4 x 5 Mio E
i. V.
14–28 Tage
Bei Allergie gegen Cephalsporine
oder gegen Penicillin:
Doxycyclin
„„
„„
„„
3 x 100
oral
Chronische Neuroborreliose:
Dauer der i. V. Therapie 28 Tage
Neurologische Manifestationen:
Optimale Therapiedauer oder
Dosierung für Doxycyclin unklar
Höhergradiger AV-Block:
Dauer der i. V. Therapie 28 Tage
keine Therapie mit Doxycyclin
14–28 Tage
Prophylaxe
„„
Vermeidung von Zeckenstichen durch geeignete
Kleidung.
„„
Nach Aufenthalt in Endemiegebieten Absuchen
des Körpers nach Zecken und ggf. rasches Entfernen der Zecken.
„„
In Deutschland keine routinemäßige Antibiotikaprophylaxe bei asymptomatischen Patienten nach
Zeckenstich. (Für Einzelfälle kann eine Doxycyclingabe erwogen werden, z. B. bei multiplen Zeckenstichen, sehr ängstlichen Menschen oder nach Zeckenstich in Hochendemiegebieten).
„„
Beobachtung der Stichstelle auf Hautveränderungen über mehrere Wochen.
8
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Redaktion
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