Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Naturräume Lateinamerikas vom Feuerland bis in die Karibik 1 Geomorphologie, oder: Das Relief Lateinamerikas Die Geomorphologie (aus dem Griechischen „ge“ = Erde oder Land, „morphe“ = Form und „logia“ = Kunde) erfasst, beschreibt und erklärt die Erdoberfläche im Ganzen und in ihren Teilen, nach den vorkommenden Formen und Strukturen, den diese bildenden Kräften und der zeitlichen Entwicklung, die zu den gegenwärtigen Formen und Strukturen geführt hat. Je nach Erkenntnisziel kann die Geomorphologie als Morphographie (Messen und exaktes Beschreiben der Formen), Morphogenese (Erklärung der Formentstehung), Morphodynamik (Erforschen der derzeitig ablaufenden Prozesse) ausgebildet sein. Im Laufe der Wissenschaftsgeschichte haben sich eine strukturgeomorphologische Schule (Betonung der Bedeutung des Gesteins und der tektonischen Kräfte) und eine klimageomorphologische Schule (Betonung der Bedeutung des gegenwärtigen und früheren Klimas auf die Formungsprozesse) herausgebildet. Wie bei anderen Geowissenschaften auch, kann man schließlich zwischen Allgemeiner und Regionaler Geomorphologie unterscheiden: Die Allgemeine Geomorphologie stellt den nomothetischen Teil dar, der sich mit regelhaften Beziehungen zwischen Gestalt der Erde und den formenden Prozessen beschäftigt und zum Ziel hat, allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten zu ergründen. Die Regionale Geomorphologie untersucht die spezifischen (=idiomorphen) Eigenschaften einer Region und hat die Landformen individueller Gebiete zum Gegenstand. Wegen der von Ort zu Ort unterschiedlichen Zusammensetzung der einzelnen Geofaktoren in der Gegenwart und Vergangenheit ist auch die Kombination Landform und Prozeßgefüge unterschiedlich und einzigartig. Gerade in Lateinamerika ist die Reliefformung jedoch sowohl von den geologischen Grundstrukturen als auch von den jeweiligen klimatischen Verhältnissen abhängig. Der große Gegensatz zwischen dem jungen Gebirge der Anden, den alten Kratonen und den Tiefländern bestimmt das Großrelief des Kontinents. So wird die regionale Darstellung der Oberflächengestalt oft diese durch die Geologie vorgegebenen naturräumlichen Großeinheiten zurückgreifen. Dennoch ist das (Gesteins-) Substrat nur ein Faktor der Reliefgestaltung, mindestens ebenso wichtig sind Verwitterung und Abtragung, und diese werden durch das Klima determiniert. Viele heute noch erhaltene Formen gehen aber auf früher herrschende Klimabedingungen zurück. Demzufolge ist eine wichtige Aufgabe der Klimageomorphologie die Bestimmung von in unterschiedlichen Klimaepochen entstandenen Reliefgenerationen. Nur marginal haben auch Boden und Vegetation Einfluss auf die Reliefform. Sie sind zunächst wie das Relief als Resultierende aus Substrat (Gesteinsuntergrund) und Klima zu sehen, dennoch bestehen zum Teil auch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Geofaktoren (z.B. Unterschiede der Karstformen nach Vegetationsbedeckung: nackter und bedeckter Karst, Hangstabilität in Abhängigkeit von der Vegetationsbedeckung). 1 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1 Allgemeine Geomorphologie Die Gestaltung der Erdoberfläche ist ein ständiger Kampf zwischen endogenen (innenbürtigen) und exogenen (von außen einwirkenden) Kräften, und somit ein Wechselspiel zwischen tektonischen Bewegungen, Verwitterung, Abtragung (Erosion) und Sedimentation (Aufschüttung). Abgesehen von eben entstandenen vulkanischen Formen ist kein einziger Teil der Erdoberfläche in seiner endogenen Urform erhalten. Kaum "landfest" geworden, unterliegt jede auch noch so kleinste Reliefeinheit ständig exogenen Einflüssen. Um die Gestalt und Genese des Erdreliefs zu beschreiben, ist daher Wissen über das funktionale Kräftespiel von endogenen und exogenen Kräften notwendig. Bedeutend ist ebenfalls der räumliche und zeitliche Maßstab der Betrachtungsweise von Oberflächenformen. In der Allgemeinen Geomorphologie werden große maßstäbliche Bandbreiten verfolgt. So wird z.B. der augenblickliche Einschlag eines Regentropfens an einer spezifischen Stelle als zeitliche und räumliche Mikroform ebenso betrachtet und untersucht wie die Entstehung der Kontinente als Makroform. Lateinamerika ist aufgrund seiner immensen Diversität der Naturräume geomorphologisch äußerst vielgestaltig, in vielerlei Hinsicht einzigartig und hat manche „Weltrekorde“ zu bieten – von den höchsten Landvulkanen der Erde, über die größten Wasserfälle, dem längsten Gebirge, und vieles mehr. 1.1.1 Reliefbildende Prozesse Als Reliefgenese ist die Entwicklung und Gestaltung der Außenhaut der Erdkruste zu verstehen. Die Formung des Reliefs erfolgt infolge verschiedener Ursachen und wegen verschiedener Prozesse (siehe Tabelle). Die Reliefbildung geschieht durch Zufuhr (Aufschüttung, Sedimentation, Akkumulation), oder Abfuhr (Abtrag, Erosion) von Gestein, oder Bodensubstanz. Zwei große Kräftegruppen bestimmen den Ablauf aller morphologischen Erscheinungen auf (und auch in) der Erde, die in ständigem Wechselspiel zu einem fortwährenden Kreislauf der Stoffe führen. Endogen („endon“ = innen, „genes“ = stammend, bürtig) ist die Bezeichnung für Vorgänge und Erscheinungen. Die ihren Ursprung im Erdinneren haben. Dazu zählen Erdbeben, Vulkanismus, tektonische Vorgänge, Wanderung der Kontinente langandauernde Hebungen oder Senkungen, usw. Die Makrosysteme der Erde, wie die Anordnung der Kontinente, Gebirgsbildungen, Grabenbruchsysteme oder vulkanische Tätigkeiten, sind endogenen Ursprungs und im heutigen Relief erhalten, wenngleich sie ständiger exogener Bearbeitung ausgesetzt sind. Eine Vielzahl an Vulkanen und rezenter endogener Dynamik sind in Lateinamerika sichtbare Zeichen heute noch ablaufender endogener Reliefgenese. Exogen (griechisch "exo" = draußen, "genes" = stammend, bürtig) bezeichnet Vorgänge die von außen her auf die Erdkruste einwirken, wie etwa die Wirkung des Wassers, des Windes, der Schwerkraft, der Temperatur etc. Vorgänge wie Verwitterung, Abtragung und Sedimentation finden mehr oder weniger an oder nahe der Erdoberfläche statt. Verwitterung bewirkt eine Veränderung der Fest- und Lockergesteine infolge chemischer und physikalischer Vorgänge. Die Tiefgründigkeit der Verwitterung ist sehr stark vom Gestein des Untergrundes und von den klimatischen Umständen abhängig. In den tropischen Feuchtgebieten des Amazonas können Verwitterungsdecken sehr große Mächtigkeiten erlangen. Agenzien der Verwitterung sind vor allem Unterschiede in der Sonneneinstrahlung, der Durchfeuchtung, sowie anorganische und organische Säuren. Wichtige Verwitterungsfaktoren 2 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at sind somit Gesteinseigenschaften, thermische und hygrische Klimaeigenschaften und die Vegetation. Im Groben ist zwischen Physikalischer und Chemischer Verwitterung zu unterscheiden. Beide Arten sind miteinander Verbunden, eine strenge Trennung ist nicht möglich: Physikalische Verwitterung führt zur mechanischen Zerlegung und Zertrümmerung der Gesteine. Das Ergebnis ist ein Sediment unterschiedlichster Größe und Form. Diese Art der Verwitterung dominiert in arktischen, subarktischen und semiariden bis ariden Regionen Südamerikas, wie etwa im äußersten Süden, in den höchsten Teilen der Kordilleren oder innerhalb der ariden Diagonale. Physikalische Verwitterung herrscht den Hochgebirgszonen und subpolaren Regionen Lateinamerikas vor. Chemische Verwitterungsvorgänge zersetzen Bestandteile des Gesteins oder des Bodens und führen zur Bildung feinem Materials, bis hin zur Auflösung von Substanzen. Humide Klimate der gemäßigten und tropischen Breiten Lateinamerikas sind das bevorzugte Aktionsfeld der chemischen Verwitterung. Demnach haben • der tektonische Bau der Erdkruste • die stoffliche Zusammensetzung der Gesteine und der Böden • und deren Materialeigenschaften hohen Einfluss auf die morphologische Formung der Erdkruste. Eine wesentliche Komponente ist die Zeit. Manche Formen benötigen zur Entstehung wenige Minuten, oder Stunden (z.B. Erosionskerben, Erdrutschlandschaften), andere hingegen Jahrmillionen (z.B. Rumpfflächen, Tafellandschaften). •In machen Fällen entstehen Formen durch einen Prozess (monodynamisch, monogenetisch), oder in einem in sich geschlossenen Zeitraum entstanden. Meistens gehen sie aber auf mehrere Prozesse oder eine Prozessgruppe (polydynamisch, polygenetisch) zurück, oder haben mehrere Phasen der Landformung durchlaufen. Exogene Prozesse Agens Prozessgruppe Mensch Technogene, anthropogene Prozesse Tier, Pflanze Biogene Prozesse Wind Äolische Prozesse Meer Marine Prozesse Seen Limnsiche Prozesse Fluss, Bach Fluviale Prozesse Glaziofluviale Prozesse Diffus oder schichtflutartig abfließendes Oberflächenwasser Hangspülprozesse Korrasion (im Karst) Bodenerosion Unterirdisches Wasser Subterranische aquatische Prozesse Karstwasserprozesse Subglaziale Prozesse Grundwasserprozesse Schnee, Firn Niveogene Prozesse Gletschereis Glaziale Prozesse 3 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Bodeneis, Kammeis Kryogene Prozesse Gravitation Gravitative Prozesse Kryogravitative Prozesse (Solifluktion) Karstgravitative Prozesse Technogravitative Prozesse Endogene Prozesse Der Erde innenbürtige Kräfte Tektogene Prozesse Vulkanogene Prozesse Kosmogene Prozesse Meteoriten Kosmische Prozesse 1.1.1.1 Tektogene und vulkanogene Prozesse und Formen Tektogene und vulkanogene Prozesse bestimmen das Relief der Erdoberfläche in zweierlei Hinsicht: •Der unmittelbare tektonische Vorgang führt zu einer Reliefveränderung (Entstehen eines Vulkankegels, Risse nach einem Erdbeben) •Die Folgen der Vorgänge führen zu einer Reliefveränderung (Flutwellen nach einem Seebeben, Erdrutsche, Bergstürze, Versteilungen). Lahare, Tsunamis und Bergstürze als Reaktion auf Erdbeben waren in Lateinamerika öfters von katastrophaler Auswirkung. In Lateinamerika ist der Einfluss tektonischer und vulkanischer Reliefformung besonders hoch, denkt man an die unzähligen Vulkankegel der Anden und Kordilleren Mittelamerikas. Tektonische Strukturen, entstanden durch Bewegung der großen Lithosphärenplatten spielen im Bild der Gebirgsbereiche eine große Rolle. 1.1.1.1.1 Tektogene Prozesse Tektogene Prozesse dauern in der Regel über längere geologische Zeitraum hin an, und sie können von wechselnder Intensität sein. Entscheidend ist, ob die endogene Entwicklung nicht von exogener Dynamik soweit überlagert wird, sodass der endogene Formungsanteil heute kaum noch erkennbar ist. In Lateinamerika sind bruchtektonische Vorgänge häufig zu beobachten, sowohl in dem jungen Faltengebirgstyp der Anden, als auch in den alten Gebirgsteilen. Innerhalb der Anden folgen die großen Täler den markanten, bei der Faltung entstandenen Leitlinien. Fluviale, glaziale und periglaziale Vorgänge überformten des weiteren die Anden. 4 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Die älteren Gebirgsteile Lateinamerikas (alte Schilde, Pampine Sierren) sind ebenfalls durch mächtige Bruchsysteme beeinflusst. Die starren Körper reagierten auf Druck nicht mehr durch Faltungsvorgänge, sondern zerbrachen. Es entstanden Bruchschollengebirge, tektonische Gräben und Becken, sowie Bruchstufen. Auch in diesem Fall ist die Reliefbildung nicht abgeschlossen. Gleichzeitig mit der Bildung und bis zum heutigen Tag finden exogene und endogene reliefbildende Prozesse statt. Auch innerhalb der Tiefenzonen Lateinamerikas können tektonische Bewegungen, die zur Reliefgenese beitragen, beobachtet werden. Die relativ starren Krustenplatten des Untergrundes können durch epirogenetische Bewegungen beeinflusst sein – im Untergrund, und an der Oberfläche können ausgedehnte Becken und Aufwölbungen im Makromaßstab entstehen. 1.1.1.1.2 Vulkanogene Reliefbildung Vulkanische Aktivitäten sind in der Regel an tektonische Schwächezonen der Kruste gebunden. Nur so kann Material des Erdinneren aufsteigen. Nicht immer aber sind magmatische Erscheinungen vulkanogene Vorgänge. Erstarrt Magma in bereits innerhalb der Erdkruste (durch langsame Abkühlung, langsames Aufsteigen oder durch Intrusionen in anstehendes Gestein), so spricht man von Plutonen. Für die Reliefbildung von Bedeutung ist ein Pluton, wenn es zu bergartigen Aufwölbungen der Erdoberfläche kommt, oder wenn der verborgene Körper durch Erosion freigegeben wird. In vielen Teilen der Anden kommen Plutone zum Vorschein Von vulkanogenen Reliefformen spricht man erst, wenn Magma oder andere Stoffe des Erdinnern in flüssiger oder gasförmiger Konsistenz an die Oberfläche gelangt – oder ihr zumindest sehr nahe kommt. Nach dem geförderten Material – und dem daraus folgernden Ausbruchgeschehen lassen sichzwei Vulkantypen unterscheiden: Hochexplosive Vulkane fördern sehr zähe und saure (siliziumreiche) Magmen. Die Schmelzen stammen aus sehr großen Tiefen und steigen nur langsam empor und kühlen sich schon unter dem Förderschlot in Oberflächennähe ab. Während oben sich die Magma zu einem Pfropf versteift, dränge von unten immer weitere Schmelzen hinterher. Jahrhunderte kann dieser Pfropf dem Druck standhalten, bis eines Tages wie ein überdimensionaler Sektkorken Glut, Staub und Gase bis in Weltraumhöhe geschleudert wird. Die meisten Vulkane der Anden gehören diesem Typus an. Sanfte Vulkane mit dünnflüssiger, eher basischer (siliziumarmer) Lava strömen blubbernd und brodelnd in teilweise breiten Strömen langsam aus einem Schlot. Die Trappdecken im Grenzgebiet Argentinien und Brasiliens wurden durch diesen Fördermechanismus ebenso hervorgebracht, wie die Basaltformationen Patagoniens. Entsprechend der mannigfaltigen Art des Ausbruches von Vulkanen, sind auch vulkanogene Formen bei weitem nicht einheitlich: •Tritt dünnflüssiges Magma aus breiten Spalten aus, so entstehen tafelartige Plateaus, die als Schildvulkane bezeichnet werden. •Tritt Magma punktförmig aus, so entstehen Vulkanberge (Schichtvulkane). Der innere Bau besteht aus alternierenden Lagen von Lava und Tuffen. Die Lava stützt das gesamte Gebilde.Die Aschen und Tuffe mit ihren steilen Schüttwinkeln erreichen Hangneigungen von bis zu 30°, auf denen sich Runseln und Racheln als typische Abtragungsformen einstellen. Reine Aschenvulkane wirken ohne ihren Stützapparat aus Lava plump. •Stoß- oder Staukuppen gehören zu Erscheinungen des hochexplosiven Vulkanismus. Die turm- oder nadelartigen Gebilde sind entweder während der Eruption steckengebliebene Lavapfropfen, oder herauspräparierte Schlotfüllungen ehemaliger Vulkane. 5 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Breitflächige Schildvulkane entstehen bei dünnflüssiger Lava, während die für die Anden so typischen Vulkankegel aus saurem Material aufgebaut sind und steilere Bergflanken aufweisen. •Alle Vulkane besitzen einen Krater, aus dem das Fördermaterial aus der Erdoberfläche gelangt. Sie können aus ineinandergeschachtelten steilwandigen Kesseln bestehen. •Wenn sich der Magmenherd im Inneren des Vulkans leert, kann der Krater und der ihn umgebende Gipfel einstürzen. Die daraus entstandene große kesselartige Hohlform wird als Caldera bezeichnet. Bildet sich in einer solchen Caldera ein neuer Krater, spricht man auch vom „Monte-Somma-Typ“. • An den Vulkanhängen können sogenannte Parasitärkrater entstehen, aus denen ebefalls Lava ausströmt. •Durch explosionsartigen Auswurf entstehen die vulkanischen Explosionskessel der Maare, die aus denen zwar keine Lava ausfließt, deren Rand aber durch das vulkanische Auswurfmaterial gebildet wird. Häufig beinhalten sie Seen 6 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at •An Geysiren und Thermalquellen bilden sich durch Verdunstung des sedimentgesättigten Wassers durch Ausscheidung Sinterterrassen oder -kegel. Mindestens ebenso gefährlich und folgenschwer sind die Begleiterscheinungen, die ein Vulkanausbruch mit sich ziehen kann. Lateinamerika wurde vielfach von diesen tödlichen Begleiterscheinungen heimgesucht. Glutwolken bestehen aus einer Mischung glutflüssiger Lava und heißen Gasen, die sich mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern fortbewegen. Die von ihnen herangeführten Massen werden als Schmelztuff, oder Ignimbrit bezeichnet. Ein berühmtes Beispiel ist der Ausbruch des El Chichón der 1982, dessen Glutwolke eine große Katastrophe verursachte. In vorhistorischer Zeit wurden große Gebiete des Altiplano mit Ignimbritdecken überdeckt. Lahare sind hangabwärts gerichtete Schlammlawinen, die ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit an den Vulkankegeln zu Tal rasen. Sie bestehen aus wassergetränkten Aschen und Tuffen. Meist entstehen sie, wenn in einem Kratersee angestaute Wassermassen den Kraterrand durchbrechen, oder anlässlich einer Explosion zum Abfließen gebracht werden und dabei vulkanisches Aschenmaterial in die Tiefe reißen. Ebenfalls als Lahare, oder auch als Gletscherläufe werden plötzlich einsetzende Schmelzwasserausflüsse, wenn Vulkane unter ihnen Ausbrechen. Durch Lahare und Gletscherläufe sind besonders Siedlungsräume am Bergfuß der tätigen Andenvulkane und Vulkane Mittelamerikas gefährdet. 1.1.1.2 Reliefformung durch gravitative Massenbewegungen Massenbewegung werden im Prinzip durch das Einwirken der Schwerkraft auf bewegliche Fest- und Lockergesteine ausgelöst. Meist sind sie gebunden oder werden ausgelöst durch: •das Wirken von Gefrier und Auftauvorgängen im Gestein, bzw. im Lockermaterial •das Vorhandensein von gesteinsbedingten (tektogenen, karstbedingte) Inhomogenitäten (Tektonische Störungszonen, Karsthohlräume) •verschiedene Eigenschaften der Fest- und Lockergesteinsmassen (Gesteinsklüfte, Schwächezonen des Gesteins, Tonmineralgehalt, Wasseraufnahmefähigkeit, Kapillarität, Lagerungsform, Instabilität auf Druck und Zug) Weitere wichtige Einflussgrößen sind •das Relief der Erdoberfläche: die Hangneigung entscheidet über die Zug- und Druckrichtung •das Klima: viele Massenbewegungsvorgänge sind klimatisch gesteuert. Die wichtigsten klimatischen Komponenten sind Frostwechsel und Niederschlag. •die Vegetation: das Fehlen einer natürlichen Vegetationsdecke beschleunigt jede Art von Massenbewegung •die Landnutzung: inadäquate Landnutzung beschleunigt besonders Erosionsvorgänge im Boden •die Zeit: neben spontanen Massenversetzungen, wie etwa Felsstürzen, oder Murenabgängen, die nur wenige Augenblicke andauern, so dauern Vorgänge des Bodenfließens ("Solifluktion") sehr lange Zeit an. In bestimmten Klimabereichen Lateinamerikas spielt die Landformung alleine durch Massenbewegungen eine große Rolle, etwa ein den höchsten Bereichen der Anden. Dort bestimmen mancherorts nur mehr gravitative Mechanismen die morphologische Aktivität. 7 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1.1.2.1 Verschiedene Arten der Massenbewegung Man kann verschiedene Arten von Massenbewegungen unterscheiden, die nicht durchaus auch parallel ablaufen können: Bezeichnung Art der Massenbewegung Vorkommen in Lateinamerika Ablauf und Ergebnis 1. Fall- bzw. Sturzvorgänge: Felsstürze, Blockstürze, Ablösen von kleineren Gesteinsstücken (Abgrusen, Absanden) Hochgebirge, aride und semiaride, subarktische Gebiete Verwitterung (Frost-, Salzsprengung), Erdbeben, Sprengungen. Es bilden sich Schutthalden, Bergsturzlandschaften. Idealfall: Entstehung parallel zur Ausgangswand zurückverlegte Wände, am Wandfußpunkt setzen Lockersedimenthalden an. 2. Rutschungen Erdrutsche, Felsrutsche. Humide Klimabereiche, subarktisches Klima Wasser hat dominierende Rolle. Zustandsänderungen des Gesteins od. Lockersedimentsverband durch Durchnässung bei Regen oder Schneeschmelze, fluviale, glaziofluviale, künstliche Hangversteilung, Zerstörung stabiler Gefüge durch Erschütterung Breiige Rutschungen: urspr. Gefüge geht verloren Blockrutschungen: Ausgangsgefüge bleibt weitgehend erhalten Konsequente Rutschungen: Vorhandene Gleitflächen (Schichtung, Klüfte) begünstigen Rutschung 3. Erdfließen Muren, Schichtfluten, Fließerden Bergländer, Feuchtgebiete Durch extreme Wasserzufuhr Zustandsänderung der Lockersedimente oder Feinerden gehen breiige, wasserübersättigte Erdmassen zu Tal. Bei flächenhaftem Auftreten (in den Tropen mit hohem Angebot an tiefgründiger Verwitterungsdecke spricht man von Schlammströmen. 4. Sackung Infolge Verdichtung (nat. od. künstl) bildet sich durch Auflagerungsdruck des Hangenden flache Senkungshohlform 5. Hangkriechen Flächenhafter Abtrag der Lockersedimente und Verwitterungsdecken an Steil- oder Flachhängen Feuchtheiße Tropen, gemäßigte und subpolare Breiten Verschieden, oft gleichzeitig Wirkende Ursachen. - langsames Gleiten bindiger Substrate bei Durchfeuchtung - durch Gefrieren und Tauen, durch Quellen und Schrumpfen, durch Sackung gröberen Materials nach unterirdischer Abfuhr des Feinmaterials Besonders intensiv im trop. Regenwald mit dominierenden Feinerdedecken. Langsame Fließbewegung wird als „subsilvines“ (da unter Waldbedeckung) Bodenfließen bezeichnet. 6. Gravitative Prozesse in bi d i a. Kryokarst Periglazialbereich Senkungen über auftauendem Boden führen zu becken- oder grabenartigen Hohformen 8 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Verbindung mit anderen Prozessen b. Toteissenken Glazial/ Periglazial Schmelzen begrabener, vom Gletscher zurückgelassener Eisblöcke (Toteis) führt zu beckenartigen Senken c. Auslaugungssenken An bestimmtes Grundgestein gebunden Entstehen durch unterirdische Auslaugung von Salzlagern, oder durch Nachbrechen von Höhlendecken in Karstgebieten (Dolinen) d. Bergbausenken Bergbaugebiete Vertiefungen, oder Einbrüche über künstlich geschaffenen Hohlräumen 1.1.1.2.2 Kryogene Massenbewegungen Das Hauptagens von kryogenen Prozessen ist der Wechsel von Gefrieren und Wiederauftauen der oberen Gesteins- und Bodenschichten. Vielfältige Reliefveränderungen ergeben sich infolge Hebung und Pressung durch Eisdruck, Gefrieraustrocknung und Wiederdurchfeuchtung beim Tauen, in Verbindung mit gravitativen Vorgängen und Abspülprozessen des Wassers. Das Vorhandensein von Frostwechsel bedingt die Bindung von sogenannten Solifluktionsvorgängen an bestimme Klimabedingungen, die in Lateinamerika in subpolaren gemäßigt humiden Klimaten und im Hochgebirge der Anden und Mittelamerikas vorkommen. 1.1.1.3 Fluviatile Reliefformung Große Flusssysteme prägen die Landschaft Lateinamerikas, insbesondere Südamerikas. Bis auf die vollariden Gebiete der Atacama hat die fluviatile Reliefformung überall einen großen Anteil an der Gestaltung des Reliefs. Fluviatile Reliefformung hat zusammen mit den Massenbewegungen einen großen Anteil an der Gestaltung der Erdoberfläche. Fluviales Geschehen charakterisiert alle Klimabereiche wenn auch in unterschiedlicher Intensität, Art und Weise. Nach der Erscheinungsform oberflächenhaft abfließenden Wassers sind die unmittelbar mit Fließgewässern (von den kleinsten Bächen zu den größten Flüssen) verbundenen Formen und Prozesse von auf den Hängen ablaufende Spülprozesse (flächenhafte Abspülung, hangfluviale Prozesse, Bodenerosion) zu unterscheiden. Abtragend (erosiv) wirkt das Wasser infolge Seiten- und Tiefenerosion und flächenhaften Abtrag an den Hängen, aufschüttend (akkumulativ) über die Ablagerung der mitgeführten Transportfracht. 1.1.1.3.1 Fluss und Tal Laut Definition nach BÜDEL ist ein Tal eine "größere, langgestreckte Hohlform, entstanden durch eine der allgemeinen Breitenabtragung des Landes vorauseilende aktive Linienerosion eines Flusses und eine hiervon gesteuerte Hangdenudation." Der Ausbildung einer Talform können mehrere Perioden der Reliefformung vorangegangen sein. Täler können nur dann entstehen, wenn der lineare Abtrag der Flüsse größer ist, als die Akkumulationsrate der Flüsse und die allgemeine Landabtragung. Neben rein fluviatil gestalteten Tälern gibt es auch andere talgestaltende Kräfte. Trogtäler, (U-Täler) formt der Gletscher. Täler in Trockengebieten verlieren infolge Sandaus- und Einblasung ihre rein fluviatile Gestalt. Nicht als Täler sind offene Hohlformen zu bezeichnen, die nicht auf fluviatile Erosion zurückgehen, sondern infolge tektonischer Vorgänge entstandene Gräben, langgestreckte 9 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Hohlformen zwischen Längsdünen, durch Verkarstungsprozesse entstandene Hohlformen, Hohlformen zwischen Endmoränenwälle, Lavaströme, etc. darstellen. Sie sind in diesen Fällen als Talungen, Senken, Furchen, Mulden oder ähnliches zu bezeichnen. Täler sind imposante Elemente der Landschaft Lateinamerikas. Dem gegenüber stehen die weiten Talungen der Pampinen Sierren, deren Entstehung nicht primär auf fluviatile Dynamik, sondern auf bruchtektonische Vorgänge zurückgehen. Auch Kleinformen entstanden durch Wasser und erhalten eine andere Bezeichnung: Runseln, Racheln, werden in Lateinamerika vor allem auch als Formen der Bodenerosion als Barrancos, Arroyos oder Carcavas bezeichnet. Sie bezeichnen das Ergebnis auf kleine Räume begrenzter Erosionsvorgänge und können sich innerhalb kurzer Zeit verändern. Richtigerweise sind diese Kleinformen als Denudation, also flächenhaften Abtrag zu verstehen. Täler hingegen werden über längere Zeiträume hinweg als Leitwege des Wasserabflusses benutzt. Auch gibt es Flüsse ohne wirkliches Talsystem. Im südlichen Südamerika queren der Pilcomayo, Río Bermejo, Río Dulce und Río Salado ihre eigenen Aufschüttungseben fast ohne begrenzendes Bett oder Uferdämme. 1.1.1.3.1.1 Talformen •Talformen hängen der Art der hangbildenden Gesteine, von tektonischen Einflüssen, klimatischen Verhältnissen, der Stärke und Art der Wasserführung, dem Gefälle und der Menge und Art der transportierten Sedimente ab. •Morphologische Elemente eines Tales sind der Talhang, der Talboden (Talgrund, Talsohle) und das Flussbett. Nach dem Talquerprofil lassen sich folgende Typen unterscheiden: Klamm Täler mit über- Canyon wiegender Tiefenerosion Schlucht Täler mit starker Seitenerosion Talwände sehr steil bis überhängend. Tal sehr schmal und tief, Fluss nimmt volle Talsohle ein. Kennzeichnend sind eine Fülle von Kolken (Strudellöcher, durch Wasser ausgehöhlt). Erosives Einschneiden innerhalb relativ kurzer Zeit. Tritt in den Geländestufen des glazigen geformten Tallängsprofils auf. Aueloses Tal, in dem das Fließgewässer die ganze Talsohle einnimmt. Im Unterschied zur Klamm nicht glazial entstanden. Steile, felsdurchsetzte Hänge oder Wände, der Oberhangbereich meist durch Hangspülung zurückverlegt Kerbtal Tief eingeschnittene Erosionstäler mit keinem oder nur schmalen Talboden. Hänge steigen gleichmäßig in V-Form an. Hangform beweist gleichmäßig anhaltende Tiefenerosion. Sohlentäler Meist aus Kerbtälern hervorgegangen. Talsohle ist durch deutlichen Hangknick von Talhängen getrennt. Sohle besteht aus Gesteinsuntergrund, bzw. Schotterkörper. Sind die Hänge besonders steil ist es ein Kastental. Ein Sohlenkerbtal geht aus einem Kerbtal hervor, das jetzt mit Sedimenten gefüllt wird. Typische Beispiele in Lateinamerika sind der Unterlauf Río Negro, Río Colorado oder der Amazonas. Muldentäler Sind entweder aus Sohlentälern hervorgegangen, oder stellen flache offene Hohlformen in Rumpfflächenlandschaften wechselfeuchter Tropen dar (Flachmuldentäler, Spülmulden). Genese von Muldental steht im Zwiespalt zwischen tropischer Flächenbildung und außertropischer Talbildung. Spülmulden: sehr flache Hänge 10 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1.1.3.2 Mäander und Verzweigter Abfluß Bis auf wenige Ausnahmen haben fließende Gewässer keinen völlig geraden Abflussverlauf.. In frei fließenden Wassermassen pendelt der Stromstrichs, die Linie der schnellsten Fließgeschwindigkeit. Die Folge sind Auskolkungen und Sand- und Kiesanreicherungen. Infolgedessen werden aus geraden Fließstrecken windungsreiche Gewässer mit Prall- und Gleithängen. Eine Abfolge dieser Windungen nennt man Mäander (benannt nach dem Fluss Menderes in Kleinasien). Bei der Mäanderbildung konzentriert sich der Abfluss auf ein einziges Flussbett. Im Unterschied dazu steht der verwilderndeoder verzweigte Abfluss. Bei diesem fließt das Wasser zwischen vielen, sich laufend verändernden Sand-, Kies- und Schuttbänken in einer Vielzahl von Armen ab. Beide Vorgänge und Formen finden man weitgehend in Aufschüttungsgebieten eines Flusssystems. Bei den großen Tieflandflüssen (Amazonas, Rio Negro, etc.) bilden auf großen Aufschüttungsebenen und unzählige freie Mäander. Der Fluss fließt dort zum Teil entgegengesetzt der Hauptfließrichtung.. Bei geringem Gefälle kann der Fluss nicht mehr in die Tiefe erodieren, er wird sozusagen zur Laterialerosion (Seitenerosion) gezwungen. Dort ist auch zu beobachten, dass kontinuierliche Unterschneidungen der Ufer an Prallhängen und Sedimentation an Gleithängen zu einem weiteren Aushöhlen der Schwingungen führt. Als Folge berühren sich zwei aufeinanderfolgende Bögen, und der Mäanderhals wird durchbrochen. Der Fluss nimmt dabei also einen Abschneider, verkürzt seinen Lauf und bildet unzählige Altarme und Stillgewässer. Talmäander, auch als eingesenkte bzw. gebundene Mäander bezeichnet, beschreiben Windungen, die in ein Bergland eingeschnitten wurden. Ihre Entstehung geht nicht nur, wie bei freien Mäandern, auf Seitenerosion zurück, sondern auch auf gleichzeitige Tiefenerosion, oft auch ausgelöst durch Hebung des Gebietes bei gleichzeitiger Einschneidung des Tales. Am Innenbogen einer Schlinge entsteht ein Anlandungsstreifen (Gleithang), während der Außenhang immer mehr ausgekolkt und erodiert wird. Analog zu freien Mäandern kann es auch in diesem Fall, wenn sich zwei Schlingen berühren der Fluss durchbricht, zur Abschnürung einer Schlinge kommen. Umlaufberge heißen die dann entstandenen Inseln zwischen dem abgegschnürten Altarm und dem neuem Flussbett. 1.1.1.3.3 Flussmündungsformen Flüsse münden entweder als kleinere Gewässer in größere, in Binnenseen oder ins Meer. Gewässer arider Gebiete finden oft dem Weg zu einem großen Vorfluter oder Meer nicht, sie verlieren sich, ohne eigentliche Mündung. Münden Nebenflüsse in Hauptflüsse, geschieht dies meist ohne Gefällebruch. Die Sedimente des kleineren Zubringers werden vom größeren Gewässer abgeführt. Flüsse, die in Seen münden, bewirken ein kräftiges Vorrücken der Uferlinie des Sees. Die Strömung des Flusses geht zurück, die Sedimente werden unter dem Wasserspiegel abgesetzt. Es kommt zu einer allmählichen Verlandung des Sees. Mündet der Fluss in ein Meer kann sich ein Ästuar, oder Delta ausbilden. 1.1.1.3.3.1 Ästuar Ästuare sind infolge des postglazialen Meeresspiegelanstiegs ertrunkene, im Pleistozän übertiefte Flussunterläufe. Bei großem Tidenhub und geringer Schwebstoffführung der Flüsse bleibt ein offener Trichter, oder ein Mündungsschlauch erhalten. 11 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Während des Pleistozäns (beginnend etwa 2 Mio. Jahre vor heute), sank das Niveau des Meeresspiegels oft um mehr als 100m unter das heutige Niveau. Der Flache Schelfbereich der Kontinente, wie etwa im vor der Ostküste Südamerikas, fiel in weiten Teilen trocken und die Flüsse mündeten in großer Entfernung der heutigen Küste ins Meer. Die Tieferlegung der Erosionsbasis Meer gab der erosiven Tätigkeit der Flüsse einen starken Impuls. Abgelagerte Sedimente wurden meerwärts verfrachtet, die heutige Küstenlinie war Erosionszone. Im Postglazial (nach 10.000 J. v. heute), mit dem endgültigen Abschmelzen der riesigen pleistozänen Eismassen, drang das Meer in die neu geschaffenen Täler ein. Offene Ästuare blieben bis heute nur dort erhalten, wo eine geringe Schwebstoffführung der Flüsse eine Sedimentauffüllung der Mündungstrichter verhinderte. Die nördliche Amazonasmündung bildet eine kombinierte Form von Ästuar und sich bereits aufbauendem Unterwasserdelta. Beispiele für Ästuare in Lateinamerika ist die Trichtermündung des Río de la Plata und zum Teil des Amazonas, dessen Mündung eine Mischform zwischen Delta und Ästuar darstellt. 1.1.1.3.3.2 Delta Deltas stellen junge morphologische Erscheinungen dar, deren Entstehung meist vor nicht mehr als 5.000 - 10.000 Jahre begann. Die Wachstumsrate eines Deltas ist sehr unterschiedlich (bis zu 100m jährlich). Das Formenbild ist das Ergebnis das Zusammentreffen fluvialer und mariner Dynamik. Deltas entstehen häufig aus Ästuaren. Mit dem ersten Verbleib fluviatiler Sedimente in einer Trichtermündung setzt Deltabildung ein. Ungünstig für eine Deltabildung wirkt sich eine starke Küstenströmung, starker Gezeitenhub, ein starker untermeerischer Abfall des Festlandes und das Fehlen von bedeutenden Sinkstoffmengen in den Flusssedimenten aus. Günstige Bildungsbedingungen herrschen an tektonisch stabilen Flachlandküsten oder an gezeitenschwachen Binnenmeeren. Die Sedimente eines Deltas besitzen einen ganz bestimmten Aufbau. An der Deltabasis befinden sich noch grobe Schotter aus der in der Ästuarzeit vorherrschender Tiefenerosion, darüber bauen sich Sedimente geringerer Korngröße auf. Der Río de la Plata ist hingegen noch ein offener Trichter. In seinem innerstem Winkel schüttet allerdings der Río Paraná ein Delta vor. Der noch nicht aufgefüllte Bereich des Río de la Plata ist von Sand- und Schlammbänken erfüllt, was die Schifffahrt erheblich erschwert. Der Unterlauf des sedimentreichen Río Uruguay ist dagegen eher ein langgestreckter "Flusssee". 1.1.1.3.4 Talterrassen Verflachungen, die einen gleichmäßig geneigten Hang unterbrechen, werden bei größerer Breite als Terrassen bezeichnet. Die Entstehung kann •rein strukturbedingt sein, also durch das Ausstreichen widerstandsfähigerem Gestein unter leichter abzutragenden Schichten. Das Ergebnis sind Strukturkanten, bzw. Struktur- oder Denudationsterrassen. •erosionsbedingt sein. Man spricht in diesem Fall von Tal- oder Flussterrassen, die durch heute durch Tiefenerosion außer Kraft gesetzte, ehemalige Talböden darstellen. Sie begleiten Talzüge oft über mehrere Kilometer und liegen in mehr oder weniger großer Höhe 12 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at über dem Talboden. Ihr entstehen geht z.B. durch seitliche Erosion auf anstehendem Fels zurück, oder auf Akkumulation von Schottern in früheren Klimaperioden. Terrassen bezeichnen also ohne Zweifel Stillstandsphasen der Tiefenerosion und sind somit wichtige Zeitmarken in der Interpretation der Reliefgenese. Diese ehemaligen Terrassen werden durch die Wiederbelebung der Tiefenerosion außer Kraft gesetzt. Dies kann durch eine Vermehrung der Wasserführung, tektonische Hebung des Abtraggebietes, eustatischer Absenkung des Meeresspiegels, oder etwa durch Laufverkürzungen (z.B. Abschnürung von Mäanderbögen, künstl. Flussbegradigungen) hervorgerufen werden. 1.1.1.4 Hangformung durch Spülprozesse - Denudation - Bodenerosion Flächenhafte Abspülung tritt auf, wenn bei Starkregenereignissen oder Schneeschmelze das Wasserangebot die Wasseraufnahmekapazität des Untergrundes übersteigt. Die Aufnahmekapazität wird dann herabgesetzt, wenn alle Hohlräume bereits mit Wasser erfüllt sind, sich nicht mit Wasser füllen lassen (wie es in ariden Gebieten häufig der Fall ist), oder wenn der Boden unterhalb einer geringmächtigen Auftauschicht gefroren ist. Besonders verstärkt wird der flächenhafte Abtrag, infolge natürlicher oder anthropogener Einflüsse, besonders dann, wenn die schützende Vegetationsdecke entnommen wird. Der entblößte Boden ist den aufprallenden Regentropfen ausgesetzt. Der sogenannte "splasheffekt", die Aufprallwirkung jedes einzelnen Tropfens, zerschlägt Bodenkrumen, verschlämmt den Boden und verstopft die Poren. Die Wasserinfiltration wird stark verhindert, der Oberflächenabfluss verstärkt und viel Material für den Abtransport bereitgestellt. Diese Dynamik gilt besonders für semiaride und aride Gebiete Lateinamerikas, wo typische Formen von Spülprozessen zu beobachten sind Intensive Abspülung erfolgt ebenfalls in Bereichen der feuchten Tropen, sowie durch den Schmelzwasserabfluss in den Hochgebirgen und subpolaren Regionen. Formen der Hangspülung sind einerseits flächenhaft wirksame Spülprozesse, besonders bei tropischen Starkregen. Auch Rillenerosion wirkt in Summe flächenhaft abtragend. Dies kann mit menschlicher Hilfe katastrophale Ausmaße annehmen. Werden die wenige Zentimeter bis Dezimeter großen Formen der Rillenerosion durch nicht nachhaltige Bodenbearbeitung verstärkt, kommt es zur Graben- oder Gullybildung. Dies führt zur völligen Zerfurchung der Landschaft. Das traurige Endstadium nennt man "Badland"-Landschaft, in der eine Landnutzung nicht mehr möglich ist. Die Schäden der Bodenerosion sind irreversibel und leider vielerorts in Lateinamerika zu Beobachten 1.1.1.4.1 Flächenbildung Ein Großteil der exogenen Landformung geht auf Tal- oder Flächenbildung zurück. Klimagenetisch ist die Talbildung typisch für die Subarktis und Bereichen mit ganzjährigem oder jahreszeitlichem Niederschlag. Flächenbildung tritt vor allem in den wechselfeuchten bzw. trockenen Tropen und Subtropen auf. In humiden Klimabereichen können Täler und Flächen nebeneinander Auftreten. In zwei klimamorphologischen Zonen Lateinamerikas herrscht gleichzeitig Flächen- und Talbildung. - Polargebiete und Hochgebirgsbereiche: hier wirkt die sogenannte Kryoplanation, die Flächenbildung infolge periglazialer Solifluktion. Die Landschaft der Puna oder des Altiplanos sind sowohl durch Glatthänge, als auch durch Talbildung geprägt. - Semiaride Bereiche: Hier sind die Randbereiche von Bergländern von mächtigen Fußflächen (Pedimenten) umschlossen, die aber gleichzeitig durch größere Flusssysteme zerschnitten werden. Einerseits wirkt der ausschließlich als Starkregen fallende 13 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Niederschlag denudativ, andererseits auch tiefenerosiv, da sich das abfließende Wasser bei größerer Neigung, oder größerem Wasserangebot in Abflussrinnen konzentriert. 1.1.1.5 Glaziale Reliefformung Als glazialer Formenschatz fasst man alle Formen zusammen die durch Abtragung und Aufschüttung durch die Tätigkeit von Gletschereis zurückgehen. Glazialformen treten nach dem Abschmelzen der Eisbeeckung frei zu Tage. Zu unterscheiden sind: •Formen als Ergebnis heute noch tätiger, "rezenter" Gletscherrückgänge. Es sind sehr frische und gut erhaltene Formen jungem Alters. •Formen früherer Vereisungsperioden, etwa aus dem Pleistozän, oder noch älteren kälteren Perioden (z.B.: Oberkarbon). Besonders in Patagonien spielt rezente glaziale Reliefformung eine große Rolle. Die Anden wurden während der vergangenen Eiszeiten mehrfach von Gletschern überprägt. subglazial Vorgänge und Erscheinungen unter dem Eis fluvioglazial, glazifluvial periglazial durch Schmelzwässer unter dem Eis oder vor dem Eisrand befindliche Prozesse und Formen klimabedingte Vorgänge und Formen ausserhalb vergletscherter Gebiete (z.B. Fließerden, Strukturböden, Dauerfrostboden, etc.) Windablagerungen, deren Substrat aus Geltschervorfeldern kommen (Löß, Flugsande, Binnendünen) Ablagerungen in Eisstauseen oder anderen gletscherbedingten Seebecken (Deltaschotter, Bändertone) von Gletschern, oder Schmelzwasserflüssen im Meer abgelagerte Materialien glaziäolisch glazilimnisch glazimarin Gletscherbildung setzt die klimatische Bedingung S (Schneeniederschlag) > A (Ablation durch Abschmelzen und Sublimation) im langjährigen Mittel voraus. Dieses war oder ist bei feuchtkaltem Klima der polaren Gebiete sowie Hochgebirgsbereichen der Fall. Gebiete der Gletscherbildung, wo S > A nennt man Nährgebiete, die von der Firngrenze, wo S = A, nach unten begrenzt werden. Diese liegt in polaren Bereichen zwischen 0 und 500m Seehöhe, in den Alpen zwischen 2500 und 3000m, in Feuerland bei etwa 1000m, in den tropischen Anden bei 5000m, im Bereich des Wendekreises sogar noch höher. Hier ist allerdings der limitierende Faktor weniger die Temperatur, sondern die große Trockenheit. Untenstehende Abbildung zeigt den Verlauf der Klimatischen Schneegrenze gemäß den Breitenkreisen der Erde Aus dem Nährgebiet kommend stoßen die Gletscher bis weit unterhalb der Schneegrenze vor. Diesen Bereich nennt man Zehrgebiet, da hier S < A. Ein Gletscher endet dort, wo A = S + Z (Gletschereiszufihr aus Nährgebiet). 14 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Schneegrenze Hohe in m. ü. d. M. 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 80-70 70-60 60-50 50-40 Nordhalbkugel 40-30 30-20 20 10 10-0 0-10 Breite in Grad 10 20 20-30 30-40 40-50 50-60 60-70 70-80 Südhalbkugel 1.1.1.5.1 Glaziale Formen Die glaziale Reliefformung geschieht durch Erosion, Transport des erodierten Materials und Akkumulation. 15 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1.1.5.1.1 Erosionsformen Gletscher erodieren infolge Detersion (korradierende [schleifende] Beanspruchung des Untergrundes durch die mitgeführten Feststoffe aller Korngrößen), Detraktion (Herausbrechen von Gesteinspartien an der Gletscherbasis) und/oder Exaration (Ausschürfen, Aufschuppen und Auffalten präexistenten Locker- und Festgesteins). Aus den vielen Erosionsformen sind Trogtäler, Kare und Zungenbecken die bedeutendsten. 1.1.1.5.1.1.1 Trogtäler und Hängetäler Bei Tal- und Kargletschern erodieren Gletscher sowohl in die Tiefen- als auch zur Seite. Die Intensität der Erosion hängt von der Fließgeschwindigkeit und der Mächtigkeit der Gletscher ab. Fluvial-denudativ entstandene Täler werden zu Trogtälern umgeformt. Aus den einstigen Talflanken werden Trogschultern, die nicht immer ausgeprägt sein müssen. Oft bildet sich eine einfach U-Form, die innerhalb der Anden häufig zu beobachten ist. sind jedoch meist nicht ausgeprägt. In den meisten Fällten sind die Tröge ganztalig in das präglaziale Relief eingekerbt. In den Haupttälern fließen Gletscher schneller und sind auch mächtiger als die Gletscher aus denen sie ernährenden Seitentälern. Nach dem Abschmelzen der Eismassen münden die Seitentäler daher hoch über dem Talboden der Haupttäler. Man spricht von "Hängetälern". 1.1.1.5.1.1.2 Kare Typische Abtragungshohlformen im Hochgebirge sind Kare. Sie bilden sich heute in genügend hohen Gebirgen mit Vergletscherung, sind aber auch in ehemals vergletscherten Gebieten zu finden und sind relativ leicht zu erkennende Zeugen ehemaliger Vergletscherung . Aus präglazialen Hang- oder Wandnischen entstehen im Bereich der größten Eismächtigkeit infolge glazialer Erosion, unter Mitwirkung starker Frostverwitterung und Hang- bzw. Wandabtragung oberhalb der Eismassen, ein mehrseitiger erosiver Angriff auf die höchsten Bereiche der Bergmassive. Das Ende eines Kares wird nicht selten von einem Moränenschleier gebildet, der Karboden wird häufig von Karseen ausgefüllt. 16 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Zur Ausbildung von Karen sind oft Vorformen entscheidend (Talschlüsse, Wandnischen, Quelltrichter, Hochtäler, etc.) Schließten sich mehrerer Kare, in Kombination mit Frostverwitterung und fluvialdenudativen Prozessen zusammen, entstehen die charakteristisch schroffen gratarigen Gipfelbereiche vergletscherter Hochgebirge, die besonders den Patagonischen Anden ihr imposantes, charakteristisches Aussehen verleihen. 1.1.1.5.1.1.3 Zungenbecken Exaratives und detersives Ausschürfen ist auch außerhalb der Kernbereiche in den Randzonen einer Vereisungszone oder an der "Zunge" von Gletschern wirksam. Vor den Endmoränen schürfte der Gletscher mehr oder weniger Tiefe Bereiche aus, die als Zungenbecken bezeichnet werden. Als bestes Beispiel dienen die großen Seen Patagoniens (Lago Argentino, Lago Viedma), oder die Seen auf chilenischer Seite der Südanden. Auch innerandin entstanden zahlreiche kleinere Zungenbecken. Der Perito-Moreno-Gletscher mündet in breiter Front in das Zungenbecken des Lago Argentino 1.1.1.5.1.1.4 Weitere Erosionsformen Rinnenseen sind langgestreckte, durch subglaziale Erosion (Schmelzwasserabtragung, also fluvioglazialbedingt) in subglazialen Tunneltälern enstandene Hohlformen, deren Richtung ehemaligen großen Gletscherspalten entspricht, in denen die Schmelzwässer der Eismassen in die Tiefe stürzen Gletschermühlen entstehen durch Schmelzwässer, die in Gletscherspalten bis zur Gletschersohle herabstürzen und in anstehendem Fels den Untergrund auskolkt (aushöhlt). Rundhöcker, oder Rundbuckeln sind das Ergebnis der abschleifenden Wirkung des Gletschereises auf das Festgestein. Alle kantigen Formen werden zugerundet, die dem Gletscher zugewandte Seite ist infolge Detersion abgeflacht, die Lee-Seite ist infolge Detraktion rauer gestaltet. Gerichtete Rundhöckerfluren entsprechen der Fließrichtung des Gletschers. 17 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Gletscherschliffe und Gletscherschrammen an Locker- und Festgestein sind ebenfalls Ergebnis schleifender Wirkung des Gletschers. In allen Gebieten Lateinamerikas, die von Gletschern direkt beeinflusst waren, sind eine ganze Palette an Erosionsformen zu beobachten. 1.1.1.5.1.2 Akkumulationsformen Zwei wesentliche Arten von Akkumulationsformen sind zu unterscheiden: • reine glazigene Ablagerungen: Moränen • glaziofluviale Ablagerungen 1.1.1.5.1.2.1 Moränen Moränen bestehen aus ungeschichteten, unsortierten Lockersediment verschiedener Korngröße. Die größeren Bestandteile kantig, oder kantengerundet und können durch Detersion gekritzt sein. Die Zusammensetzung reicht von Lehm bis zu groben Schottern und groben Gesteinsblöcken. Vom Gletscher besonders weit transportierte Blöcke, die in großer Entfernung vom Herkunftsort abgelagert werden, heißen Erratica oder Findlinge. Aus der Gesteinszusammensetzung von Moränen kann man auf die Herkunft und Bewegungsrichtung der Gletscher schließen. Als Geschiebelehm, oder Blocklehm werden die von Blöcken durchsetzte Grundmasse der Moränen bezeichnet Zu unterscheiden sind: Endmoränen sind Zeugen kräftiger Gletschervorstöße, bzw. Haltephasen für einige Zeit endgültigem Rückzug. Vorrückende Gletscher schieben z.T. Grundmoräne und im Vorfeld abgelagertes Material zu hohen Wällen zusammen. Moränenwälle können eine Höhe von einigen 100 m betragen. Grundmoränen bestehen aus dem vom Gletscher an seiner Sohle abgeschürftem Material, samt mitgeführtem fluvioglazialem Sediment. Seitenmoränen, auch Ufermoränen, kommen zwischen Gletscherrand und Festgestein zur Ablagerung und zeigen die Obergrenze des Gletschereises an, Somit dient sie der Rekonstruktion der ehemaligen Eishöhe in den Kältephasen. Im Idealfall geht eine Seitenmoräne in eine Endmoräne über. Rein morphologisch besteht die Gefahr einer Verwechslung mit Kamesterrassen. Der Unterschied liegt im inneren Bau: Weisen Kamesterrassen eine eindeutige Schichtung auf, so haben Seitenmoränen ein für Moränen typischen Aufbau (ungeschichtet, unsortiert) •Mittelmoränen: ehemalige Seitenmoränen, die durch die Vereinigung zweier Gletscher zu einer Mittelmoräne vereinigt haben. •Obermoränen: durch Steinschlag oder Lawinen auf Gletschern angesammelter Schutt, in abgeschmolzenen Zustand: Ablationsmoränen •Innenmoräne: in Gletscher eingebetteter Schutt 18 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Bei Abschmelzen der Gletscher bleiben aus zurückweichender Gletscherzunge wirre Haufenwerke zurück (Rückzugsmoräne), zwischen denen schüttet ein milchig-trüber (Gletschermilch) Schmelzwasserbach flache Schuttkegel fluvioglazialer Schotter, Kiese und Sande auf. Der Gletscherrückzug geschieht keineswegs homogen. Vom Gletscher isolierte Eismassen bleiben als Toteis zurück. Dieses Toteis ist von fluvioglazialen Ablagerungen verschüttet und schmilzt daher nur ganz langsam ab. Nach deren endgültiges Abschmelzen bleiben kesselartige Einsenkungen zurück die als. Man als Toteislöcher, Toteiskessel oder Sölle bezeichnet werden. Zwischen zurückschmelzendem Gletscher und jüngster Endmoräne bildet sich häufig ein Moränenstausee. Dieser kann entweder allmählich über kleine Durchbrüche in der Endmoräne, oder infolge zunehmendem Wasserdruck durch plötzliche Entleerung. Die Endmoräne wird weggerissen. Im anschließendem Talgebiet kommt es zu katastrophenartigen Überschwemmungen. Als Beispiel dient hier der Ausbruch von Moränenstauseen in der Weißen Kordillere Perus, wo die darunter liegenden Siedlungen im Santa-Tal komplett vernichtet wurden. 1.1.1.5.1.2.2 Drumlin Drumlins sind elliptische, walrückenartige Vollformen aus Grundmoränenmaterial und entstehen, wenn ältere glaziale oder fluvioglaziale Ablagerungen von erneut vorrückende Gletscher überfahren werden. Sie sind im Unterschied zu Rundhöckern mit der Steilseite gegen die Gletscherfließrichtung eingerichtet und erreichen Höhen von bis zu 30 m und Längen bis 2 km. 1.1.1.5.1.2.3 Fluvioglaziale Ablagerungen 19 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Als fluvioglaziale Ablagerungen bezeichnet man von Schmelzwässern beförderte Geschiebe. Im Unterschied zu Moränenmaterial sind diese besser gerundet und zudem geschichtet, allerdings weniger gerundet als rein fluviatil transportiertes Material. Schotterplatten, Sander Vor der gletscherabgewandten Seite von Endmoränen breiten sich fluvioglaziale Sande, bzw. Schotterflächen aus. In Hochgebirgen werden sie als Übergangskegel bezeichnet, der meist aus groben Schottern besteht, die talauswärts in Flussterrassen übergehen. Bei Inlandvereisungen, wo kein Hochgebirge im Hintergrund steht, ist das Material der Aufschüttungen feiner, sodass feine Kiese und Sande abgelagert werden. Das noch feinere Material, Feinsande und Schluffe, wird aus dem vegetationslosen Gletschervorfeld ausgeblasen, und in weiterer Entfernung als Flugsand oder Löss abgelagert. Oser Schmale, bahndammartige 5-30 m hohe Kiesrücken, die von Schmelzwässern in subglazialen Tunneltälern abgelagert wurden, heißen Oser. Kames, Kamesterrassen Wie Oser sind Kames auf fluvioglaziale Tätigkeiten zurückzuführen, sind aber im Unterschied dazu subaerische Bildungen. An verfallenden Gletscherzungen und am Eisrand entstehen einige Meter hohe Wälle oder flache Hügel aus geschichteten Kiesen und Sanden. An Talhängen bilden diese Schmelzwasserbildungen oft terrassenartige Stufen aus: man spricht von Kamesterrassen. 1.1.1.5.2 Typen von Gletschern Nach ihrer Lagebeziehung vor allem zum präexistenten werden folgende Typen von Gletschern unterschieden: •Talgletscher •Deck- und Plateaugletscher •Inlandeismassen Nach der Lage der klimatische Schneegrenze sind zu unterscheiden: •temperierte Gletscher •kalte Gletscher 1.1.1.5.2.1 Talgletscher Talgletscher sind für die meisten Hochgebirge, wie auch für die Anden, charakteristisch. Die Eismassen erfüllen präglazial durch fluviale Erosion vorgeformte Täler. Der Anteil der Talgletscher am vergletscherten Gebiet der Erde insgesamt ist mit 1,5% sehr gering, dennoch beeindrucken vergletscherte Hochgebirge. Die Anden tragen zum Teil sehr mächtige Talgletscher. Die stark vergletscherten Gebiete der Anden in Bolivien, peru, Ecuadors und Kolumbiens bieten wegen ihrer Eismassen beeindruckende Naturschauspiele. In Patagonien erreichen sie eine Länge von bis zu 80 km und gehören damit zu den längsten Gletschern der Erde (zum Vergleich: der größte Gletscher der Alpen, der Aletschgletscher in der Schweiz hat eine Länge von etwa 24 km). Die Fließgeschwindigkeit von Talgletscher in ist mit 30-über 200m/Jahr hoch. Das Nährgebiet großer Talgletscher sind oft den flache Firnmulden oder lehnsesselartige Bergflanken, sog. Kare, in den Hochlagen der Gebirge. Hier fällt auch während des 20 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Sommers Schnee, der unter Druck, wiederholtem Auftauen und Wiedergefrieren zu Firn, Firneis und in weiterer Folge zu Gletschereis metamorphisiert. Durch die ständige Produktion von Gletschereis fließen die Eismassen in Form von Gletschern talwärts, jenseits der klimatischen Schneegrenze, ins Zehrgebiet. Ein Eisstromnetz erfüllt das Eis ein Gebirgssystem, greift über Pässe und Kämme hinweg und vereint Haupt- und Nebentäler. Solch ein Eisstromnetz ist zum Teil noch in Südpatagonien zu finden. Kargletscher sind von geringer Größe, füllen ein Kar aus und entsenden keine Gletscherzunge ins Tal. Ebenfalls häufig in den Anden zu beobachten sind Wandgletscher und regenerierende Lawinengletscher. Wandgletscher hängen an Steilwänden und sind in Gletscherbrüchen aufgelöst und brechen in Eislawinen ab. Sie speisen häufig sich dadurch regenerierende Lawinengletscher, die an sich unter der klimatischen Schneegrenze liegen. Durch die stete Eiszuführ fließen sie weiterhin talauswärts (z.B. Vereisung des Tronadors, Argentinien). 1.1.1.5.2.1.1 Büßerschnee, Gletschertische und Kryokonitlöcher Ein typisches Merkmal für die Hochgebirge der trockenen Tropen und Subtropen ist Büßerschnee. Die mächtigen Schneelagen aus der feuchten Jahreszeit sind während der Trockenzeit intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Der sogenannte Büßerschnee wird aus einer an sich homogenen Schneebedeckung herausmodelliert. Infolge selektiver Ablation entstehende spitzen Zacken, die bis zu sechs Meter Höhe erreichen. Bereits kleinste Verunreinigungen der Schneebedeckung (kleine Gesteinsbruchstücke, Staub) können die differenzierende Wirkung der Sonnenstrahlung herbeiführen. Kryokonitlöcher lassen sich auf einen ähnliche Prozess zurückzuführen, ihre Genese entspricht allerdings genau dem Gegenteil. Kleine Gesteinsstücke, Hangschutt von den Felswänden, der auf den Gletscher gefallen ist, wird durch Sonneneinstrahlung erwärmt und sinkt somit in Gletscheroberfläche ein. Kleinere Teile bilden enge Röhren, Steine große Vertiefungen. Große Gesteinsplatten "wachsen" über der abschmelzenden Schneedecke empor. Für eine vollständige Erwärmung, als dass sie einsinken könnten, sind sie zu groß, also bleibt der Sockel durch die Schattenwirkung des Steins vor Ablation geschützt. 1.1.1.5.2.2 Deck- und Plateaugletscher Deckgletscher bedecken als geschlossene Eismassen Hochflächen und entsenden an ihren Rändern Talgletscher, oder einzelne Gletscherzungen (Outlets). Plateaugletscher werden auch oft als Übergang zwischen Talgletscher und Inlandeis angesehen. Das "Patagonische Inlandeis" besteht im Prinzip aus einzelnen zusammenfließenden Gebirgstalgletschern. 1.1.1.5.2.3 Inlandeis Heute bedecken nur mehr in subpolaren Breiten mächtige Eiskalotten die Landschaft. Die Antarktis stellt die größte gletscherbedeckte Fläche der Erde dar. Nur selten ragt festes Gestein der eisbedeckten Gebirge der Antarktis über die Eismassen heraus. Die wenigen Felsgipfel werden als Nunatakker gezeichnet. 21 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at In der Antarktis beträgt die Eismächtigkeit bis zu 4200m, im Mittel 2300 m! Das Inlandeis grenzt in breiter Front ans Meer und bildet dort Schelfeis, im Polarmeer schwimmende Eismassen (größtes Schelfeis um die Antarktis: Ross Schelfeis; 530.000 km²), oder bis 100 km lange, im Meer schwimmende Gletscherzungen. Zur Zeit des Pleistozäns bedeckte auch die Patagonischen Anden eine mächtige Inlandeismasse. 1.1.1.5.2.4 Blockgletscher Blockgletscher sind keine nur mit Schutt bedeckte Gletscher, sondern zungenförmige Anhäufungen von kantigem Blockwerk in ehemals glazialen, jetzt periglazialen Räumen der Hochgebirge. Das Innere von Blockgletschern kann mit Eis gefüllt sein (aktive Blockgletscher), muss aber nicht (inaktive Blockgletscher). Handelt es sich um Aktive Blockgletscher, so bewegt sich der unter Teil des Schuttkörper durch Schwerkraftwirkung talabwärts. In Lateinamerika sind Blockgletscher besonders in den chilenischen Anden zu finden. 1.1.1.5.2.5 Temperierte Gletscher Gletscher der mittleren Breiten und Tropen haben ihre Zunge unterhalb der Firnlinie. Die Eistemperatur ist nur wenig geringer als die Druckschmelztemperatur. Die Eismassen verhalten sich unter Druck plastisch. Die Eiskristalle unterliegen einer ständigen Neuund Umbildung. Temperierte Gletscher reagieren relativ schnell auf Klimaveränderung und führen am Boden auch ständig Schmelzwasserflüsse. Man kann sagen, dass sie morphologisch effizienter Sind als kalte Gletscher. 1.1.1.5.2.6 Kalte Gletscher Kalte Gletscher liegen oberhalb oder innerhalb der Firnlinie und sind in polaren und subpolaren Regionen zu finden. Deren Temperatur liegt weit unterhalb des Druchschmelzpunktes, daher führen sie auch keine permanenten Schmelzwässer, subpolare Gletscher führen sommerliche Schmelzwässer. Im Unterschied zu temperierten Gletschern brauchen Eiskristalle lange Zeit um sich zur Gletschereis umzukristallisieren. Daher reagieren sie auch weniger stark auf Klimaschwankungen und deren Bewegung ist eher als ruckaritg zu bezeichnen, neben Phasen langer Bewegungslosigkeit. Hingegen gilt als erwiesen, dass sehr tiefe Bereiche des Eises, in 1200-2000 m Tiefe, unter sehr hohem Druck vollplastisches Fließen aufweisen. 1.1.1.6 Äolische Reliefformung Äolische (durch den Wind) Reliefformung ist nur dort morphologisch wirksam zu beobachten, wo keine oder nur lückenhafte Vegetation den Boden bedeckt. Dies ist in Wüsten oder Halbwüsten (aride Diagonale Südamerikas, Teile Mexikos), trockenen Steppengebieten (aride Diagonale Südamerikas, Teile Mexikos), pflanzenlosen Flächen (Schotterbänke, -flächen an Flussläufen), vegetationslosen Gebieten der Hochgebirge (Hochgebirgsbereiche der Anden und Mittelamerikanischen Kordillere), in Bereichen (noch) unbewachsener lockerer vulkanischen Aufschüttungen (Vulkane der Anden und Kordillere) und in Küstenbereiche der Fall. 22 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Wind kann abtragend (Deflation), abschleifend (Korrasion), oder ablagernd wirken. 1.1.1.6.1 Formen äolischer Abtragung Bei etwa 0,1-0,5 m/s Windgeschwindigkeit werden Schluffpartikel, ab etwa 5-6 m/s Mittelsand bewegt. Deflationshemmend wirkt Feuchtigkeit im Boden, da Adhäsions- und Kohäsionskräfte des Porenwassers im Boden einzelne Partikel stärker an den Bodenverband binden und gegen Ausblasung widerstandsfähig machen, Eine natürliche intakte Vegetationsbedeckung wirkt ebenfalls der Deflation entgegen, da sie durch ihr Wurzelwerk das Bodengefüge zusammenhält und die Windgeschwindigkeit verringert. Zudem verhindert eine Vegetationsdecke auch eine zu starke Austrocknung des Bodens. Das windbewegte Material wird je nach Windstärke und Korngröße schwebend, saltierend oder rollend weiterbewegt. Typische Effekte rezenter Abtragung sind •breite Abtragungen und Ausblasungen in flachen Mulden (Deflationswannen), •korrasives Ausblasen von Fußkehlen durch am Boden bewegten Sand (Pilzfelsen), •Ausblasen feinem Materials aus einem skelettreichen Boden - die groben Bestandteile bleiben Zurück, es entsteht ein Steinpflaster, bis hin zur Stein-, Fels- oder Geröllwüste, •korrasives Bearbeiten von Steinen (Windkanter entstehen), •Vollformen werden zugerundet (Yardangfelsen) 1.1.1.6.2 Formen äolischer Akkumulation Äolische Akkumulationsformen lagern sich dort ab, wo die Transportkraft des Windes nachlässt. Die kleinste Akkumulationsform sind Sandrippeln, die in gleichmäßiger Wellenlänge im cm-Bereich parallel angeordnet sind. Ihre äußere rhythmische Erscheinung geht auf das Helmholtzsche Gesetz bei Reibung zweier Medien unterschiedlicher Dichte zurück: Sand - Wasser; Sand - Luft. 1.1.1.6.2.1 Dünen Die bekannteste äolische Akkumulationsform sind Dünen. Hier ist zwischen an Hindernissen gebundene Dünen und freien Dünen zu unterscheiden. •Gebundene Dünen akkumulieren an Steinen, Felsen, Grasbüscheln oder Sträuchern. Bei kleineren Hindernissen erfolgt die Anhäufung im Lee, bei größeren durch den Windstau im Luv. •Freie Dünen entstehen ohne sichtbares Hindernis auf vegetationslosen Flächen. Sie bilden sich entweder quer oder parallel zur vorherrschenden Windrichtung aus. - Walldünen weisen einen sanften Anstieg auf, an der Sandpartikel heraufgeweht werden, die Leeseite ist wesentlich steiler. In Walldünenfelder sind oft - Parabeldünen zwischengeschaltet. Parabel- oder Bogendünen entstehen an schwachen Stellen, oder Winddurchbrüchen von Walldünen. Die offenen Seiten der hufeisenförmigen Dünen richten sich gegen den Wind. 23 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at - Barchane haben umgekehrten Grundriss wie Parabeldünen. Sie wölben sich konvex gegen den Wind, die Schwänze sind in Windrichtung langgestreckt. Sie entstehen als 24 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Einzeldünen und werden seitlich nicht durch ein Hindernis festgehalten, wie es bei Parabeldünen der Fall ist, die seitlich an den Walldünen hängen. Es kann zur Vergesellschaftung von Barchanen und zu lockeren oder geschlossenen Dünenfeldern, mit dazwischen geschalteten Dünentälern oder Dünenwannen, kommen. Ursprünglich anders gestaltete Dünen werden zu Pyramiden, Trichter oder Sterndünen umgestaltet. - Strichdünen verlaufen oft viele Kilometer lang parallel zueinander und parallel zur Windrichtung. Freie Dünen wandern. Trotzdem ist zu beobachten, dass sich konstante Dünenfelder entwickeln und sich Dünenfelder immer wieder in den gleichen Arealen bilden. 1.1.1.6.2.2 Löss Löss ist ein auf der ganzen Welt weit verbreitetes Sediment. Die bedeutendsten Ablagerungen kennt man aus China, aber auch in den weiten Ebenen der argentinischen Pampa sind mächtige Lösssedimente zu finden. In seiner klassischen Definition kommt Löss während trockenkalter Klimaphasen zur Ablagerung. Aus vegetationslosen Solifluktionsgebieten, Moränengebieten oder Flussbetten wird das feinere Material ausgeblasen. Das gröbere Material (Flugsande) kommt nach kürzerem Transport wieder zur Ablagerung, feinere (Schluffe) Bestandteile können viele Kilometer transportiert werden und lagern sich an besser bewachsenen Plateaus und Hängen, oder an Leelagen wieder ab. Der Löss der Pampa entstand durch die äolische Verfrachtung vulkanischer Asche. Er unterscheidet sich daher deutlich von Lössgebieten Mittel- und Osteuropas. Die Ablagerungen bestehen vorwiegend aus schluffigem Material. Es ist als lockeres Sedimentgestein anzusehen, und nicht als Boden. 1.1.1.6.3 Äolische Dynamik als Indikator für Desertifikation 25 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Äolische Prozesse können durch den Menschen verstärkt, ja sogar ausgelöst werden. In desertifikationsgefährdeten Gebieten hat die Beeinflussung äolischer Aktivität immense Auswirkungen auf die Landnutzung und Ertragfähigkeit einer Region. Bei Entnahme der Vegetationsdecke kommt es zu verstärkter äolischer Abtragung. Die Vegetation hat in Hinblick auf die Windwirkung viele Funktionen: •Verringerung der Windwirkung •Zusammenhalt der Sedimentdecke durch das Wurzelwerk •Schutz vor Austrocknung des Bodens durch Schattenwirkung (trockenes Sediment wird leichter von äolischer Deflation erfasst als feuchtes) Vielerorts hat die Ausblasung feinen Materials noch keine nennenswerten Auswirkungen, die Ablagerung dieser Sedimente hingegen schon. Zunächst kann ein verstärktes Auftreten von Staubstürmen beobachtet werden. Straßen, Häuser und Felder werden von einer Sedimentschicht überzogen. Hinter jedem Strauch bilden sich Nebkas, kleine Sandanhäufungen im Lee der Pflanze. Zunächst kann die Pflanze mit der Sandanhäufung mitwachsen, irgendwann erstickt sie und stirbt ab. An fast jedem Hindernis entstehen kleine, gebundene Dünen, die die Ertragsfähigkeit wesentlich herabsetzten. Nebka in den Bolsones der Pampinen Sierren/Argentinien Das frühzeitige Erkennen solcher Prozesse dient dazu, die Ursachen rechtzeitig zu erkennen. Will man den Ursachen entgegenwirken, steht man bereits mittendrin - im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Nutzen und ökologischer Nachhaltigkeit. 1.1.1.7 Marine und limnische Prozesse Die Reliefformung durch marine (durch das Meer) und limnische (durch Seen) Prozesse im Bereich der Küsten hängt vor allem von dem präexistenten Relief, den vorherrschenden Windverhältnissen und den Wasserströmungen ab. Die terrestrische Landformung im Küstenbereich wird zusätzlich beeinflusst von •terrestrischen exogenen Prozesse (Rutschungen, Spülprozesse, fluviatile Vorgänge im Küstenbereich), •biogenen reliefbeeinflussende Prozessen (im Falle von Korallenriffe, Mangrovenküsten) und 26 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at •tektogenen Prozessen (Bildung von tektonischen Gräben, vulkanische Vorgänge; Küsten entlang von tektonischen Strukturen) beeinflusst. Das Erscheinungsbild von Küsten kann sehr unterschiedlich sein und reicht von hohen Felsküsten (Steilküste) zu flachen und weiten Sandstränden (Flachküste). Im Detail hängt die Küstenform von der Widerständigkeit des Gesteins (morphologisch widerständige Gesteine fördern die Bildung steiler Kliffe, in leicht abtragbaren Gestein bildend sich unklarere Formen und nur niedrige Kliffe), der Wellen- und Windenergie (Küsten die häufig Sturmwellen ausgesetzt sind unterliegen stärkerer Abtragung und Zurückschneidung, als geschützte Küstenbereiche, die durch Akkumulationsformen gekennzeichnet sind) und schließlich dem Klima ab. Obwohl Küstenformen nicht primär von zonal angeordneten Klimaelementen abhängig sind, so gibt es gerade in Lateinamerika sehr wohl vom Klima beeinflusste Küstenbereiche, wie etwa Mangrovenküsten und Korallenriffe. 1.1.1.7.1 Küstenformen - Übersicht Wichtige Küstenformen Lateinamerikas nach Morphogenese, Formungsvorgang und Ausgangsrelief mit regionalen Beispielen. Morphogenetischer Küstentyp Zurückgewichene Küste, (Meeres-) Transgressionsküste Formungsvorgang Untergetauchte Küste Zerstörte Küste Aufgetauchte Küste Vorrückende Küste, (Meeres-) Regressionsküste Aufgebaute Küste Ausgangsrelief Küstenform Regionales Beispiel Glaziale Täler Fjordküste Westpatagonien Mittelgebirgstäler Riasküste Südchile Flußauen Ästuarküste Argentinien Steilhang Kliffküste Teile der Pazifikküste Festgestein Strandterrassenküste Pazifik bei Lima, Atlantik bei Havanna, Vulkaninseln Meeresströmung mit Strandversatz Ausgleichsküste Golfküste Mexikos Flachküste im tropischen Klima Mangrovenküste Karibikküste Südamerikas Flachmeer Korallenriffküste San Blas Inseln 1.1.1.7.2 Der Küstenbereich - Morphographie der Küsten Der Küstenbereich setzt auf dem Festland aus dem Uferbereich und der Schorre zusammen. Der Schelfbereich stellt die meerseitige Fortsetzung der Kontinentaltafel dar. Ein Schelf liegt max. 200 m unter dem Meeresspiegel und weist eine meerseitige Neigung von weniger als 1% auf. Zur Morphologie des Schelfbereiches zählen Täler, Deltas genauso wie Schichtstufen oder etwa Bruchstufen. Die Kontinentaltafeln werden von dem bis zu 20% geneigten Kontinentalabfall begrenzt. Die Sprunghöhen zwischen Schelf und Tiefsee betragen 3000-bis über 6000 m. 27 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1.1.7.3 Wellen Neben den Gezeiten sind die Wellen der wichtigste Motor mariner Abrasion und Akkumulation. Sie sind von der Windstärke, Wirkdauer und Wirklänge des Windes (Strecke auf die ein Wind wirkt) abhängig. Demnach haben die Wellensysteme der Westwindzone die maximale Wirkung, da diese Winde über eine lange Zeit anhalten. Monsunwinde und Wirbelstürme erreichen zwar mehr Energie, wirken aber über einen kürzeren Zeitraum. Kurzfristig können sie aber katastrophale Auswirkungen nach sich ziehen. Die niedrigste Brandungsenergie zeigen Binnen-, Rand- und Nebenmeere, sowie Meere unter Eisbedeckung. Winderzeugte Wellen bleiben auch dann bestehen, nachdem der Wind abgeflaut ist, oder nachdem sie aus dem Windgebiet herausgelaufen sind. Der Alterungsprozess einer Welle erzeugt eine langwellige (Wellenlänge = Distanz zwischen zwei Wellenkämmen) Dünung. Sie kann große Strecken überwinden und an weit entfernten Küsten schwere Brandung verursachen. Der Durchlauf einer Welle versetzt die Wasserteilchen in Bewegung. Sie beschreiben an Ort und Stelle kreisförmige Bahnen und bewegen sich nicht in Längsrichtung fort. Erreicht die Welle seichtes Gewässer, wird ihre Geschwindigkeit durch Reibung am Meeres boden gebremst. Die Wassermassen werden quasi aufgestaut und brechen in Bewegungsrichtung zur Strandseite über. In diesen Brechern verändert sich die Bewegung der Wasserteilchen in eine landeinwärts gerichtete Komponente und in einen Rückstrom von Wasser auf der schrägen Böschung des Strandes. Die gesamte Energie des Wassers wird dabei in Reibung und Arbeit umgesetzt. Die Brandungszone ist der geomorphologisch aktivste Bereich der marinen Formung. 28 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Die Brandung erzeugt eine Küstenströmung. Bei schrägem Auftreffen der Wellen auf die Küstenlinie verläuft der Wellenrückgang nicht schräg zurück, sondern der Schwerkraft folgend in Hangrichtung des Strandes. So wird das Material strandparallel versetzt, und es kommt zum Prozess der Strandversetzung. 1.1.1.7.4 Gezeiten Gezeiten sind periodische Wasserstandsschwankungen des Meeres in halb- oder eintägigen Rhythmus. Das Steigen und Fallen des Wassers von einem Tiefstand zum nächsten nennt man Tide. Der höchste Wasserstand einer Tide ist das Hochwasser, der niedrigste das Niedrigwasser. Die Differenz zwischen beiden heißt Tidenhub. Steigt das Wasser herrscht Flut, fällt es, herrscht Ebbe. Die Ursache für Ebbe und Flut ist die Anziehungskraft von Mond und Sonne, wobei die des Mondes, auf Grund der Nähe zur Erde, von größerer Wirkung ist. Die Dauer einer Tide ist durch die Position des Mondes beim Erdumlauf und die Rotation der Erde bestimmt. Bei halbtägigen Gezeiten beträgt eine Tide 12 Stunde. und 25 Minuten. Stehen Sonne, Mond und Erde in einer Linie so ist der Tidenhub am größten. Es entsteht das Maximum der Springtide. Bei Halbmond ist die Anziehungskraft am niedrigsten, es kommt zur Nipptide. Küstenformen, die von Gezeiten abhängen bzw. nur in gezeitenstarken Meeren anzutreffen sind, sind die Watten-, Marsch- und Dünenwallküsten.. Gezeitenströme haben zudem Auswirkung auf Erosion, Materialtransport und Akkumulation am Meeresboden und an der Küste, tragen zum Wasseraustausch an Buchten, Ästuaren und Lagunen bei und sind ein wichtiges Agens der Formung der Küste. Sturmfluten gehen auf besonders starke auflandige Winde zurück. In Verbindung mit Hochwasser können Sturmfluten verheerende Auswirkungen haben. Im Mündungsbereich des Amazonas herrscht im Mittel ein Tidenhub von zehn Metern. Spitzenwerte mit etwa 13 Metern erreicht die Küste Ostpatagoniens, ein Tidenhub der mit dem der Bretagne vergleichbar ist. An den übrigen Küstenbereichen Lateinamerikas liegen die Schwankungen der Gezeiten unter fünf Meter, im Karibischen Meer sogar unter einem Meter. 1.1.1.7.5 Marine Abrasion Unter mariner Abrasion ist die Abtragung infolge Brandung zu verstehen. Einerseits führt der Sedimenttransport in der Brandungszone zu Materialverlust, andererseits zerstört die Brandung Felsgestein im Küstenbereich. Das Lockermaterial der Küste fungiert als Schleifund Erosionsmittel. Die Druckschlag der Wellen selbst wirkt ebenfalls auf Spalten, Brüche, Klüfte und Risse des Gesteins und bricht ebenfalls Gesteinsstücke heraus. Die marine Abrasion kann durch Salzsprengung verstärkt werden. Dort, wo Kalke oder Salzgesteine vorliegen, kommt es Lösungsvorgängen, die ähnlich jenen in Karstgebieten sind. Die Leitformen der marinen Abrasion sind Kliffe und Abrasionsplattformen. 1.1.1.7.5.1 Kliffs Wichtigste Einflussgrößen für die Entwicklung von Kliffs sind •die Stärke der Brandung am Kliff-Fuß •die Beschaffenheit des Gesteins (morphologisch hart oder weich, klüftig, tektonisch beansprucht, geschiefert, gebankt etc.) 29 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at •das Relief der Küste. Zum Formenschatz von Kliffen gehören Brandungshohlkehlen, -höhlen, -gassen und tore. Sie entstehen infolge der ständigen Unterminierung des Kliffs aufgrund des Wellenangriffes. Drei Grundtypen an Kliffen sind zu unterscheiden: Brandungskliffe sind von steiler Beschaffenheit. ihre Formung geschieht vom Meer Zusammengesetzte Kliffe werden vom unteren Teil her vom Meer geformt, der obere Teil vom Land her, besonders dann, wenn Gestein für Massenbewegungen anfällig ist. Abtauchende Kliffe tauchen ins Meer ein und setzten sich dort bis in größere Tiefe fort. Aufgrund der Tiefe des Meeresbodens entstehen keine Brandungskliffe, Sand und Geröll als Stoßwaffen stehen ebenfalls nicht zur Verfügung - es herrscht weitgehende Formungsruhe. Ein aktives Kliff wird zu einem inaktivem Kliff, wenn die Brandung den Kliff-Fuß nicht mehr erreicht (infolge anwachsender Abrasionsplattform, Meeresspiegelschwankungen, Eingriffe des Menschen). Die marine Formung fehlt nun und die weitere Entwicklung ist durch terrestrische Hangdenudation gesteuert. 1.1.1.7.5.2 Abrasionsplattformen Abrasionsplattformen (auch: Brandungsschorre, Abrasionsterrasse) sind bis zu 3° geneigte, gleichmäßig abgedachte Felsbereiche, die der marinen Abrasion unterliegen und bis zu 10m unter der Wasseroberfläche liegen. Sie können bis zu einem Kilometer breit werden, für gewöhnlich sind sie aber schmäler. Je härter das Gestein, umso steiler die Neigung, je höher die Wellenenergie und der Tidenhub, desto breiter die Abrasionsplattform. Die bei Ebbe trockenfallenden Teil weisen eine Vielzahl von Kleinformen auf. Durch Meeresspiegelschwankungen können verschiedene Niveaus von Abrasionsplattformen entstehen, die dann Strandterrassen genannt werden. 1.1.1.7.6 Marine Akkumulation Die wichtigsten Formen der marinen Akkumulation sind Strände, Nehrungen und Strandhaken, Dünenwallinseln sowie Watten. 1.1.1.7.6.1 Der Strand Strände sind wohl die bekanntesten Akkumulationskörper des Meeres. Sie bestehen aus Sedimenten, die mittels Wellen und Küstenlängsströmungen angeliefert wurden. Der Großteil besteht aus Sanden oder Geröllen. Untermengt können auch organische Bestandteile, wie Muschel- oder Korallenbruchstücke, sowie Treibholz o.ä. sein. Elemente des Standes sind •Strandwälle. Sie werden entlang der Uferlinie von den auflaufenden Wellen aufgebaut. Strandwälle, die auf Sturmfluten zurückgehen und sich in höherer Lage befinden, sind oft gut erhalten. •Sandriffe. Dies sind niedrige Unterwasserwälle im Bereich der Schorre, die durch aufgewirbelte Sedimente entstehen, wo sich die Wellen vor Küste brechen. Bei bewegter See befindet sich dort eine Brandungszone, bei Niedrigwasser fallen sie trocken. Zwischen Strand und Sandriffe liegt ein tieferer Bereich, der Sandpriel. 30 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at •Küstendünen. Sie befinden sich in höheren Bereichen des Strandes und formen sich aus Sand, der bei Niedrigwasser aus dem trockengefallenen Strand- und Schorrenbereich ausgeblasen wird. Obwohl sie oft sehr schnell durch eine Vegetationsdecke befestigt werden, schützt nur ein Baumbestand vor neuerlicher Aktivierung der Dünenwanderung. Derartig bewachsene Sandkörper werden fossile Dünen genannt. Sie sind in Lateinamerika sehr selten. Großartige Dünenlandschaften sind dagegen an den ariden und semiariden Küsten anzutreffen, so im Kleinen Norden Chiles, an der Karibikküste Mexikos. 1.1.1.7.6.2 Nehrung und Strandhaken Starke Brandung kann dazu führen, dass Sandriffe über den Meeresspiegel hinaus zu einer langgestreckten Nehrung auferhöht wird. Bei strandparallelen Materialtransport stößt ein länglicher Akkumulationskörper ins Meer vor - es bildet sich ein Strandhaken. Liegt eine mehr oder weniger geschlossene Barriere vor einer Bucht, so bezeichnet man dies als Nehrung. Sie entstehen meist aus Strandhaken, aber auch aus Sandriffen. Der innere Teil wird zur Lagune, die Verbindung zum Meer ist für gewöhnlich nur ein schmaler Auslass für einmündende Flüsse. Zu einem sog. Tombolo kommt es, wenn eine vorgelagerte Insel durch Sandanhäufung mit dem Festland verbunden wird. 31 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.1.1.8 Karst Die Bezeichnung "Karst" geht ursprünglich auf eine steinige, wasserarme Landschaft nördlich von Triest zurück. Heute bezeichnet Karst das Relief, den Wasserhaushalt und Landschaftscharakter von Gebieten mit löslichen, meist karbonatischen (Kalk - CaCO3 ; Dolomit - CaMg[CO3]2) oder sulfatischen Gesteinen (Gips - CaSO4), sowie Salzgesteine (Sylvinit - KCl, Steinsalz - NaCl). Konvergenzprozesse und -formen in nicht, oder nur schwer löslichen Gestein werden als Pseudokarst bezeichnet (z.B. Thermokarst in periglazialen Gebieten, oder Verwitterungshohlformen in Graniten). Die Genese eines Karstreliefs beruht auf den löslichen Eigenschaften der Gesteine. Den Vorgang der Lösung nennt man Korrasion. Niederschlags- und unterirdisches Wasser enthält in der Regel Kohlensäure. Diese geht mit schwer löslichen Karbonaten etwa eines Kalksteins in leichter lösliche Bicarbonate über, die mit Wasser weggeführt werden. Maximale Verkarstungsintensität findet man im feuchtheißem Klima vor, wo die höchsten CO2-Gehalte vorzufinden sind. Zudem werden die chemischen Reaktionen bei zunehmender Temperatur beschleunigt. Kälteres Wasser kann dagegen mehr aggressives (ungebundenes) CO2 aufnehmen. Bei ausreichendem Angebot von CO2 vermag daher auch kälteres Wasser Kalk zu lösen. Die Intensität der Lösung ist ferner von der Reinheit der Gesteine abhängig. Eine weitere Eigenschaft von verkarstungsfähigen Gesteinen ist die karsthydrographische Wegsamkeit der Gesteine. Das Wasser versinkt der Schwerkraft folgend in miteinander verbundene Hohlräume, die durch Lösungsvorgänge erweitert werden. Unlösliche Bestandteile bleiben als Rückstandslehme zurück und unterliegen weiteren verwitterungsund bodenbildenden Prozessen. In ariden Klimaten ist die Lösungsintensität am geringsten, daher bleiben nur hier die am leichtesten löslichen Salzgesteine reliefbildend. 1.1.1.8.1 Karstformenschatz In Lateinamerika gibt es zahlreiche Karstlandschaften. Anders als in Europa werden die meisten Karstgebiete durch (tropischen) Vollformenkarst charakterisiert, während die (mediterranen) Hohlformen und Lösungsformen weniger stark ausgeprägt sind. Karstvollformen sind Kuppen, Kegel und Türme (auf Kuba: Mogotes), die sich nach einer Karstrandebene anordnen. Sie treten vergesellschaftet mit Karsthöhlen auf. Vielfach sind Kegel und Türme von Sintertapeten überzogen. Derartige Versinterungen finden sich auch an Stromschnellen, Katarakten und Wasserfällen der Gewässer, die durch Karstregionen fließen. Sie bilden übereinandergeschachtelte, natürliche Becken. Der mediterrane Karst tritt in den humiden Tropen nur sekundär in Erscheinung. In ariden Regionen einiger Karibikinseln (jeweils leeseitig) und etwa auf der Halbinsel Yucatan und in Chiapas finden sich jedoch Trockentäler, Dolinen, Poljen, Sonore, sowie küstennah auch überflutete Karstrinnen. Auch Kleinformen des nackten Karstes sind vor allem in den ariden Gebieten zu finden (Karrenkarst). 32 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.2 Regionale (Struktur-)Geomorphologie Vor allem in der Regionalen Geomorphologie wirken sich die sogenannten "Schulen" mit ihren unterschiedlichen Perspektiven besonders aus. Die strukturmorphologische Sicht betont die Unterschiede des Untergrundes als reliefbestimmende Kräfte. 33 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Lateinamerika lässt sich daher großräumig in Einheiten untergliedern, die von der regionalen Struktur, also von der Art, der Lagerung und Verformung der vorhandenen Gesteine maßgeblich beeinflusst werden. Die Struktur-Geomorphologie beschreibt den durch das Einwirken von Abtragung und Ablagerung mehr oder weniger stark modifizierten Formenschatz des Reliefs. Der Vorteil des morphostrukturellen Ansatzes ist, dass sich Teilräume der Erdoberfläche im kleinen Maßstab, also etwa für das gesamte Lateinamerika, in relativ wenige Großeinheiten des Reliefs untergliedern lassen. Die Raumeinheiten verleihen Lateinamerika infolge deren Ausdehnung, Kombination und räumlicher Anordnung seinen individuellen morphologischen Charakter. Die Abgrenzung ist für solche Großeinheiten unscharf, da zwischen den Einheiten Übergänge und räumliche Überlagerungen auftreten. Aus der Definition der Strukturmorphologie ergibt sich eine enge Beziehung zur räumlichen Verteilung des geologischen Großformenschatzes. 1.2.1 Strukturmorphologische Großformen Im Großen und Ganzen lassen sich in Lateinamerika drei morphostrukturelle Einheiten unterscheiden: es sind dies die alten Gebiete des Urkontinents (Schilde oder Kratone genannt) mit ihren Altflächen, die aus dem Erdmittelalter oder der Erdneuzeit stammenden magmatischen oder Sedimentgesteine der Kordilleren mit den jungen Formen rezenter Gebirgsbildung und die ganz jungen Lockergesteine, die als fluviale Sedimente die Tiefländer bedecken Die Schilde sind die ältesten an der Erdoberfläche zugänglichen Teile Lateinamerikas und bestehen aus präkambrischen kristallinen Gesteinen, die häufig im Untergrund präkambrischer Faltengebirge entstanden und seitdem nahezu ständig der Abtragung ausgesetzt sind. Das uralte Gestein liegt bei entblößten Schilden an der Erdoberfläche, und bei bedeckten Schilden unter einer meist geringmächtigen Schicht von Sedimenten oder jungen vulkanischen Decken begraben. Die alten Schilde sind im Hochland von Guayana und im Brasilianischen Schild zu finden Morphologisch sind die Schilde als Mittelgebirgslandschaften zu kennzeichnen. Neben den kristallinen Mittelgebirgen, in Europa etwa der Harz, das Rheinische Schiefergebirge oder das Mühl- und Waldviertel, gibt es aber noch zwei weitere Grundtypen des Mittelgebirges, nämlich die Schichtstufen- und Tafelländer, deren Gesteine meist aus dem Mesozoikum stammen (in Europa etwa die Schwäbische und Fränkische Alb, das lothringische Schichtstufenland, die North und South Downs in Südwestengland oder die Causses in Südfrankreich), sowie die vulkanogenen Mittelgebirge, oft jüngerer, d.h. neozoischer Entstehung (in Europa die Eifel, der Habichtswald, das Siebengebirge oder die Puys im französischen Zentralmassiv). Auch in Lateinamerika gibt es solche Mittelgebirgslandschaften, die jünger als die alten Schilde sind. Es sind dies einerseits die sedimentäre Plateaus, Tafel- und Schichtstufenländer, die durch den Wechsel zwischen weitgespannten Ebenheiten und Steilhängen charakterisiert sind. Strukturmorphologen erklären die Schichtstufen aus der charakeristischen Abfolge weicher und harter Gesteinspakete. Obwohl eine solche Erklärung in der Schichtstufentheorie längst widerlegt ist, muss freilich konzidiert werden, dass ohne diese Wechsellagerung Rumpfflächen entstehen würden. Mortensen spricht daher auch von „Austauschlandschaften“. In Wahrheit sind die Landterrassen auf den harten Gesteinspaketen keine Schichtflächen, sondern Kappungsflächen, sie unterliegen daher den gleichen Entstehungsbedingungen wie Rumpfflächen. 34 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at In Patagonien bildeten sich echte Schichttafelländer, denen Zeugenberge vorgelagert sind. Derartige Mesas und Zeugenberge bilden sich bei ungestörter horizontaler Lagerung Vulkanische Plateaus sind Gebiete großer Deckenergüsse, deren Tätigkeit lang genug anhielt, um Mächtigkeiten über 1000 m und mehr zu schaffen. Ihnen verdanken wir die vielleicht großartigsten Wasserfälle der Erde: die Iguacú-Fälle im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Brasilien. Sie entstanden auf den großen kreidezeitlichen Plateaubasaltdecken des Paraná-Gebietes. Im Unterschied zu sedimentären Plateaus, die aus unterschiedlich widerstandsfähigen Gesteinen aufgebaut sind, bestehen vulkanische Plateaus aus Lavadecken mit annährend gleicher Widerstandsfähigkeit, die eventuell von Tufflagen unterbrochen sein können. Die Oberflächengestaltung ist daher weniger differenziert, als auf sedimentären Plateaus. Die Gebirge Lateinamerikas gehören zu den faszinierendsten Landschaften der Erde und zeigen eine ungeheure Vielfalt in ihrem Erscheinungsbild. Überwältigend wirken manche tiefe Schluchten und Täler, dennoch wirkt es manchmal fast enttäuschend, wenn die Landschaft selbst auf 4500 m Höhe einem Mittelgebirge, freilich mit gigantischen Dimensionen gleicht. Während es in Europa durchaus auch alte Faltengebirge gibt (Skanden, schottische Highlands), sind die jungen FaltengebirgeLateinamerikas erst während des Tertiärs als morphostrukturelle Einheiten entstanden. Alt sind dagegen die den mittleren und südlichen Anden vorgelagerten Pampinen Sierren. Dies sind alte kratonische Bruchschollen, die durch junge tektonische Aktivitäten aktiviert wurden. Sedimentäre Ebenen und Tiefländer können in Lateinamerika sehr vielgestaltig sein. Sie bilden entweder Küstenebenen, breite Flussmündungen oder große Binnensenken, wie etwa Amazonien, das Río de la Plata- oder die Llanos des Orinoccos. Große junge Vulkangebiete gehören in Lateinamerika, von den Trappdecken einmal abgesehen, zu den Hochgebirgen. Wegen ihrer morphologische Eigenständigkeit, ihrer besonderen Entstehungsbedingungen und ihrer formalen Charakteristika können sie aber innerhalb dieser gesondert betrachtet werden. Zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die Galápagos-Inseln und die ebenfalls noch Lateinamerika zuzurechnende Osterinsel, die mitten im Pazifischen Ozean als Vulkaninseln herausragen. 35 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.2.2 Formenschatz des Hochgebirges Dass im tropischen Teil der Anden selbst auf Höhen über 4000 m das Relief nicht als hochalpin empfunden wird, hat klimatische Ursachen. Nur wo, wie in den Südanden und sonst nur in den allerhöchsten Gipfelregionen der Kordilleren, niedrige Durchschnittstemperaturen, häufiger Frostwechsel sowie Schnee und Eis herrschen, können sich die Formen so zuschärfen, dass der uns gewohnte Eindruck eines (alpinotypen) Hochgebirges entsteht. Vielfach sind daher die Kordilleren zwischen den Wendekreisen als ein "ins Gigantische gesteigertes Mittelgebirge" bezeichnet worden. Die Gebirge geben der zweidimensionalen Zonierung der Geosphäre eine dritte Dimension. Das bedeutet, dass der Formen-, Klima- und Vegetationswandel sich nicht nur nach der quasizonalen Anordnung des Tieflandes richtet, sondern sich zusätzlich mit der Höhe ändert. Neben der polar-äquatorialen Veränderung kommt eine vertikale Höhenstufung hinzu. Was definiert eigentlich ein Hochgebirge? Eine absolute Höhenangabe reicht nicht zur alleinigen Kennzeichnung aus. Der Altiplano stellt bis 4800 m ebene Flächen dar, während die Südanden selbst mit Höhen von 2000 m, in Südpatagonien bereits ab 1000 m absoluten 36 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Hochgebirgscharakter haben. Egal was man unter Hochgebirge auch versteht – charakteristisch ist eine vertikale Abfolge verschiedener Höhengrenzen, die in der Regel über die Vegetation definiert werden. In Lateinamerika ist dies nicht immer so eindeutig möglich wie etwa in den Alpen, wo überall eine obere Waldgrenze (natürliche Grenze einer geschlossenen Waldbedeckung) existiert. Da die Anden von der Trockendiagonale geschnitten werden, die bei ariden Bedingungen keinen Waldwuchs zulässt, sind dort die Höhengrenzen durch andere Vegetationsformationen bestimmt. In den humiden und semihumden Regionen stellt dagegen die Waldgrenze eine markante Höhnenstufengrenze dar. Dies gilt in gleicher Weise für die rezente Schneegrenze. Die Anden Südamerikas warten in vielerlei Hinsicht mit Weltrekorden auf. Auf dem Altiplano mit 4700 m liegt die höchste (konstruierte) Baumgrenze der Erde (Bäume wachsen dort natürlich nur aufgrund menschlicher Kulturtätigkeit) und in den subtropischen Anden Argentiniens verläuft die Schneegrenze auf rekordverdächtigen 6000 m. Das erklärt sich nicht allein durch klimatische Umstände, auch die Trockenheit verhindert dort die Ausbildung von Eismassen. Nach Süden verlieren alle Grenzen deutlich an Höhe. Ein jedes Gebirge ist durch das Nebeneinander von Vollformen und Hohlformen definiert, zwischen denen sich je nach Höhendifferenz eine unterschiedliche Reliefenergie ausbildet. In den Anden und Kordilleren befinden sich im Gebirgsinneren und an ihren Rändern ausgedehnte Flächensysteme. Dabei handelt es sich z.T. um Altflächen, den Raxflächen der Alpen vergleichbar, z.T. um aufgefüllte intramontane Becken, z.T. aber auch um Gebirgsfußflächen (Pedimente und Glacis). 1.2.2.1 Vollformen Jedes Gebirge wird durch seine "Vollformen", die Berge, Ketten, Grate und Kämme charakterisiert. Zu ihrer Formung tragen endogene und exogene Kräfte in gleicher Weise bei. 1.2.2.1.1 Gebirgsketten Die Anden mit ihrer nördlichen Fortsetzung in der Kordillere Mittelamerikas sind das längste Gebirge der Erde. Auf dem südamerikanischen Kontinent reicht der ununterbrochene Gebirgszug von der Südspitze Feuerlands bis zur 9000 km entfernten 37 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Nordostecke von Trinidad vor der Küste Venezuelas. Aktive Erdbebenzonen und junge bis heute tätige Vulkane machen die Anden zum Prototyp eines kontinentalen, jungen Randgebirges. Die Orogenese begann im Tertiär, doch erst im Pleistozän erfolgte die Heraushebung der Anden bis hin zur Mächtigkeit eines Hochgebirges. Der innere Bau der Anden unterliegt keiner einheitlichen Struktur. Bauelemente verschiedenen Alters sind schon für die Geologie der Gebirges charakteristisch, unter strukturgeomorphologischen Gesichtspunkten resultiert daraus auch ein unterschiedlicher Formenschaft. So ist etwa die Ostkordillere der Nordanden durch ältere Sedimente charakterisiert, die nicht nur Karstformen hervorbringen, sondern auch halokinetische (das sind Formungsvorgänge infolge der Plastizität von Salz) Formen. Dagegen herrschen in der jüngeren Zentral- und Ostkordillere jüngere – vulkanische – Formen vor. Die morphologische Formung ist in den Einzelabschnitten unterschiedlich und hängt mit den klimatischen Gegebenheiten zusammen. Die physikalische Verwitterung der Gesteine dominiert in den ariden Gebieten und in großen Höhen infolge des hohen Temperaturunterschiedes zumindest zwischen Tag und Nacht (in den Tropen) und zwischen Winter und Sommer (in den Ektropen) sowie von Frostvorgängen In niederen Gebirgsstockwerken tritt die chemische Verwitterung hinzu, an der ariden Küste (Tafonisierungen) und in den humiden und semihumiden Tropen ist sie sogar die dominante Verwitterungsform. Massenbewegungen in Form von Bergstürzen, Felsstürzen, Ausbildung von Schuttkegeln und Schotterfächern am Unterhang charakterisieren weite Teile der Gebirge, freilich auch hier wieder in unterschiedlicher Form, je nachdem, in welcher Klimazone der spontane Massenversatz stattfindet. In den trockenen Gebieten der Puna und des Altiplanos ersticken die Gebirge förmlich in ihrem eigenen Schutt. In semihumiden Regionen transportieren Schichtfluten diesen Schutt dagegen sofort ab, in vollhumid-warmen Bereichen dagegen findet aktive Flächenbildung statt. Fluviale Morphodynamik, sei es durch Erosion (Talbildung) oder Akkumulation (Terrassen- Fußflächenbildung) spielt eine Hauptrolle in der Landformung. Am deutlichsten wird dies in den feucht-tropischen Bereichen am östlichen Andenrand zum Amazonas und an der feuchte Westseite Kolumbiens. Hier findet man tief eingeschnittene Täler mit übersteilten Hängen. Jedem, der einmal von La Paz aus in die Yungas gefahren ist, wird unvergesslich bleiben, wie die Straßen in den Fels gesprengt wurde und die talwärtige Sicht teilweise durch Wasserfälle versperrt wird, während Bus oder LKW in einem talseitig offenen Halbtunnel fahren. Die Auswirkungen glazialer Tätigkeiten prägen vor allem die höchsten Stockwerke der Anden. Sie werden nach Süden immer intensiver und erreichen ihr Maximum in den Patagonischen Anden - hier thronen heute noch mächtige und äußerst beeindruckende Eisschilde. 1.2.2.1.2 Vulkane und vulkanogene Formen Die Anden und die mittelamerikanischen Kordillere sind als Teil des zirkumpazifischen Gebirgssystems ein Raum stärkster seismischer und vulkanischer Aktivität. Die Vulkanologen unterscheiden zwischen Schicht- und Schildvulkanen. Diese Typologie geht auf Unterschiede in der Genese, der Zusammensetzung des Magmas und des Ausbruchsgeschehens zurück. All dies hat aber auch unterschiedlichen Formen zur Folge, so dass die eigentlich genetische Klassenbildung auch eine geomorphologische Komponente hat. Die aus sauren Magmen aufgebauten Schildvulkane sind viel flacher als die oft ebenmäßig, aber steil aufragenden Strato- oder Schichtvulkane, die aus basischem Material in Wechsellagerung von Lava und Asche aufgebaut werden und deren Kegelform sich durch die Materialsortierung beim Ausbruch erklärt. In den Kordilleren Lateinamerikas sind in erster Linie Stratovulkane verbreitet. Sie bilden die ebenso 38 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at typischen und zugleich imposanten höchsten Erhebungen in vielen Teilen der gesamten Anden und Kordilleren. In Mittelamerika sind besonders die Gebiete südlich des mexikanischen Hochlandes, also die Cordillera Volcánica Transversal (herausragend: Pico de Orizaba, 5653 m; Popocatepetl, 5452 m) und beinahe die gesamte mittelamerikanische Landbrücke durch Vulkane geprägt. Von den etwa 88 Vulkanen waren 44 noch bis in jüngste Zeit aktiv. Vulkanische Landschaften sind hier von ausgesprochener Schönheit. Lavaströme dämmen Seen ab, kleinere Kraterseen bilden sich auf erloschenen Vulkanen. Während die Großen Antillen frei von vulkanischer Tätigkeit sind, sind die Kleinen Antillen bis auf wenige Ausnahmen zum Großteil vulkanogener Entstehung. Die nördlichsten Andenketten Kolumbiens und Venezuelas sind völlig frei von jungen Vulkaniten. Erst bei 6° nördl. Breite setzt in der Zentralkordillere Kolumbiens mit dem Nevado del Ruíz eine Reihe herausragender Stratovulkane ein. Diese Zone reicht bis etwa 2° südl. Breite in Ecuador. Im Vergleich zu den anderen ist dieser Bereich noch schlecht erforscht, erst seit der Katastrophe von 1985 bemüht man sich intensiver um die genauere Untersuchung der Vulkane. Die herausragendsten Vulkangipfel in Kolumbien neben dem Nevado de Ruiz sind: Nevado Tolima 5215 m Nevado de Huila 5752 m Puracé 4756 m Galeras 4264 m In Ecuador sitzen die Vulkane auf den Flanken der Ostkordillere und in der tektonischen Depression von Quito (die mit * gekennzeichneten Vulkane waren in historischer Zeit aktiv): Chimborazo 6310 m *Cotopaxi 5897 m Cayambe 5790 m *Antizana 5705 m El Altar 5320 m *Sangay 5230 m *Tungurahua 5016 m *Pichincha 4787 m …um nur einige zu nennen. 39 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Riesige pyroklastische Massen füllen ganze Täler aus, viele tausend Meter mächtige Serien wurden gefördert, Bimssteine (aus gasreicher Lava entstandenes vulkanisches Glas) und Lahare vermischen sich mit Ablagerungen der pleistozänen Vergletscherung. In den Zentralen Anden sind besonders zwischen 15° und 27° südl. Breite im Grenzbereich Südperu/Bolivien/Chile/NW-Argentinien Vulkane auf den Hochplateaus aufgebaut. Die Morphologie beherrschen vor allem rhyolithische Ignimbrite, die in Form von Decken bis zu 1000 m Mächtigkeit in der Hoch- und Westkordillere und auf dem westlichen Altiplanos abgelagert wurden. Etwa 200.000 km² werden von diesen Glutwolkenabsätzen bedeckt. Über diesen vulkanischen Decken erheben sich Hunderte Stratovulkane, die Höhen von 5000 bis knapp 7000 m einnehmen. Einen Weltrekord bietet diese Landschaft: die größte Konzentration an Landvulkanen. Die aus andesitischem Material zusammengesetzten Vulkane dürften jünger sein (vor 1-4 Mill. Jahren) als die Ignimbrit-Decken (25 Mill. Jahre). Noch einen Weltrekord hat dieser Raum zu bieten: vom tiefsten Bereich des Peru-ChileGrabens im Pazifik bis zu den Fast-Siebentausendern der Anden sind es nur 300 km, bei einem vertikalen Höhenunterschied von fast 14 km! Zudem findet man die höchsten Landvulkane der Erde – ein weiterer Weltrekord: Ojos de Salado (Arg) 6870 m Llullaillaco (Arg/Chi) 6723 m Coropuna (Peru) 6426 m Uturunco (Bol) 6010 m Die gegenwärtige Tätigkeit der Vulkane ist jedoch gering. An nur wenigen Vulkanen sind Tätigkeiten zu beobachten (Ubinas, 6572 m; Lascar, 5670 m; Licancabur, 5921 m). Hingegen sind postvulkanische Erscheinungen, wie Solfatare, Geysire und Fumarolen weit verbreitet. Große Lagerstätten von Schwefel können in Bolivien und Chile abgebaut werden. Setzt der Vulkanismus zwischen 27° und 33° auf der chilenisch-argentinischen Hochkordillere aus, beginnen auf der Höhe Mendoza/Santiago wieder vulkanische Aktivitäten, die eine deutliche Konzentration zwischen 33° und 44° aufweisen. Isoliert kommen einzelne Vulkankegel bis weit in den Süden vor. Von N nach S seien einige Vulkanbauten genannt (*rezent noch aktiv): 40 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Tupungato *Tupungatito *Descabezado Lanín Tronador 6550 m 5913 m 3830 m 3776 m 3554 m Am Riñihue bei 40° s.Br. entstand erst 1955 nach einem gewaltigen Explosivausbruch ein Maar. 1.2.2.1.3 Glazigene Formen Obwohl der Anteil der vom Gletscher beeinflussten Gebiete in Lateinamerika verhältnismäßig gering ist, so kommt ihnen in der Forschung große Bedeutung zu, einerseits, weil die Anden das größte zusammenhängende Gebiet tropischer Gletscher bilden, andererseits aber auch, weil sich die Wissenschaft Aussagen über die klimatische Entwicklung der Vergangenheit erhofft. In Lateinamerika kann man analog zu den klimatischen Umständen drei glaziale Regime unterscheiden: Das tropische Regime reicht bis etwa 12° nördlicher und südlicher. Breite. Die Schneegrenze liegt aufgrund der hohen Niederschläge niedriger als in den Subtropen zwischen 4800 und 5000 m und nahe der 0°C-Isotherme. Das subtropische Regime reicht bis etwa 23° n. bzw. s.Br.. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung und der geringen Niederschläge liegt die Schneegrenze etwa 1000 m über der 0°C-Isotherme auf einer Höhe von knapp an die 6000 m – die höchste Schneegrenze der Welt. Selbst die über 6000 m hohen Vulkanriesen tragen nur kleine Schneekappen. Die Eiszeiten führten anders als in den Alpen und anderen ektropischen Hochgebirgen nicht zur Ausbildung gewaltiger Eisstromnetze, einerseits, weil die Anden noch nicht bis auf ihr heutiges Niveau gehoben waren, andererseits auch wegen der auch im Pleistozän wirksamen tropischen Klimabedingungen. Dennoch waren in einigen wenigen Teilen der Anden größere Areale vergletschert, was die Ausbildung von Karen in Höhen unter 5000 m (Sierra de Velasco, NW-Argentinien) belegen. Im temperierten Regime liegt die Schneegrenze nahe oder unter der 0°C-Isotherme bei etwa 3000 bis 2000 m, ganz im Süden liegt sie nur mehr bei 450 m (Westseite der Kordillere) (Ostseite – geringere Niederschläge).Gebiet liegt im Einflussbereich der stetigen Westwinde liegen und Richtung Süden die Temperaturen zurückgehen. Der Einfluss der glazialen Tätigkeit reichte in diesen ektropischen Teilen der Anden weit über die heutigen Gebiete mit Gletscherbedeckung hinaus. Gletscherflächen nahmen im Pleistozän, insbesondere während des Spätglazials, ja sogar noch im Holozän weitaus größere Areale ein. Das belegen Moränen, die weit vom heutigen Gletscherrand entfernt liegen. Andere heute noch zu erkennende Vollformen sind Drumlinfelder, die von Schmelzwässern gebildeten glaziofluviale Terrassen, oder erratische Blöcke, d.h. Gesteine, die vom Gletscher vom Gebirge hinaus ins Vorland transportiert wurden, und heute dort als Fremdlingsgestein zu finden sind. Die Eisfelder Patagoniens und ihr Umland zeigen diese Formen am deutlichsten, aber auch die glazial beeinflussten Gebiete der Nordanden bieten Anschauungsunterricht zum glazialen Formenschatz. Andere Auswirkungen glazialer Tätigkeit sind in einer noch größeren Entfernung vom heutigen Gletscherrand zu beobachten. Bei Abschmelzen der Eismassen wurde das von den 41 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Gletschern erodierte Material aus den Gebirgen heraustransportiert und entlang der Flüsse in weiten Schotterfluren abgelagert. Diese Schotter bedecken weite Teile Patagoniens 300.000 km² sind von den Anden bis zum Atlantik von der PatagonsichenSchotterformation (Rodados Patagonicos) eingenommen. Hohlformen, die auf glazialen Tätigkeit zurückgehen, sind vielleicht das noch imposantere Erbe der Gletscher. In vielen ehemals vergletscherten Bereichen Lateinamerikas entstand als Folge glazialer Erosion tiefe U-förmige Täler. Sie haben sich vor allem unter ariden Bedingungen nahezu idealtypisch konserviert und bilden das zentrale Erlebnis eines Überflugs über die Anden zwischen Mendoza und Santiago de Chile Die Berggipfel der höchsten Gipfel sind in vergletscherten Gebieten von Karen umgeben. Den größten Einfluss der Gletscher kann man in Patagonien beobachten, wo heute noch weite Teile unter dem nördlichen und südlichen Patagonischen Eisfeld begraben sind. Die Gletscher nahmen die Gebiete bis zu den von ihnen selbst geschaffenen Seen ein (z.B. die Lagos Nahuel Huapi, Buenos Aires, Viedma, Argentino). In Chile münden heute noch einige Eisloben in die Zungenbecken der reich gegliederten Küste Südchiles. Dort mündet auch der San Rafael Gletscher als äquatornächster Gletscher der Welt, der das Meer erreicht, in den Canal de los Elephantes. 1.2.2.1.4 Tropischer Vollformenkarst Lösungsverwitterung zeigt in den tropischen Gebieten Lateinamerikas maximale Effizienz und wird von keiner anderen klimamorphologischen Zone übertroffen.Unter diesen Voraussetzungen findet besonders intensive Lösungsverwitterung statt, vor allem wegen den hohen Niederschlagsmengen und der hohen Zufuhr von freiem CO2 aus der üppigen Vegetation, einem wichtigen Agens zu Lösung des Kalksteins. Nicht nur Karbonatgesteine, sondern auch Silikatgesteine werden durch gleichbleibend hohe Boden- und Wassertemperaturen intensiv korrasiv angegriffen. Im Itatiáia-Gebirge Brasiliens etwa sind an Steilhänge Karren als echte Karstformen zu deuten. Das Wasser in sogenannten Opferkesseln (kleine Hohlformen = Wasseraufen) erreicht in Granitgebirgen einen pH-Wert von 7,6-8,2 (!) und wird 50°-60°C warm. Die charakteristischen Formenerscheinungen intensiver Verkarstung bilden sich freilich in Karbonatgesteinen. In feucht-heißen Gebieten prägt auf reinen Massenkalken typischer Kuppen- Kegel und Turmkarst die Landschaft. Liegen unreine Kalke vor (Mergelkalke, Dolomit) oder unzureichende Höhenlage über dem Vorfluter, kennzeichnen weniger Vollformen, als Hohlformen die Landformen. Die nur wenige Meter über dem Meeresspiegel gelegene Kalktafel Yucatáns ist von Dolinen (dort Cenotes) durchsetzt und geht erst landeinwärts mit zunehmender Höhe in Kuppen- und Kegelkarst über. An tropischen Küsten kommt es hingegen zu rascher Verkarstung gehobener Korallenriffe, wo sich modellhaft Karren ausbilden. Besonders gute Kegelkarst-Beispiele sind auf den Westindischen Inseln, insbesondere Kuba, Puerto Rico und Jamaica, in Chiapas und Tabasco, oder auch am Ostrand der peruanischen Anden zu finden. Entgegen früheren Meinungen gehen jüngere Karstforschungen von einer eigenen klimazonalen Typenreihe aus und nicht von einem Normalzyklus der Karstentwicklung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zur vollen Entfaltung kommt: Auftreten von Massenkalken Ausreichende Höhenlage An feuchten Basisebenen wirksame Erosion - Die Karstkegel haben verschiedene lokale Bezeichnungen, so werden sie in Kuba „mogotes“ (Heuhaufen), oder in Puerto Rico „pepinos“ (wörtl. Gurken) genannt. In anderen 42 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at tropischen Gebieten Mittelamerikas ist auf verkarstungsfähigen Gesteinen der sogenannte Cockpitkarst) die charakteristische Erscheinung. Der englische Begriff stammt aus Jamaica und wurde aus den dort traditionellen, runden, allseitig geschlossenen Hahnenkampfgruben abgeleitet – natürlich geht der Name auch auf Cockpits alter Flugzeuge zurück. Cockpits haben Durchmesser von einigen Zehnern von Metern. Ihr Boden ist meist flach und kann von eingeschwemmten Sedimenten bedeckt sein, im Vergleich zur reinen Dolinenform ist der Boden deutlich ausgeweitet. Cockpits entwickeln sich aus Dolinen auf verschiedener Art. Erreicht das Grundwasserniveau des verkarsteten Gebietes den Dolinenboden, kann sich der Boden nicht weiter eintiefen. Die Lösung des Kalkes breitet infolge dessen sich nach allen Seiten der umschließenden Doline aus. Auch eingeschwemmte Sedimente können die Ausweitung des Cockpitbodens verursachen. Die Sedimente haben häufig einen hohen Tongehalt und stauen das Regenwasser im Cockpitboden. Dieses Wasser löst den Kalk am Fuß der umgebenden Hänge. Eine dritte Möglichkeit der Cockpitbildung ist, wenn die fortschreitende Lösung des Untergrundes eine wasserundurchlässige, nicht lösliche Schicht freilegt. 1.2.2.2 Flächensysteme Immer wieder überrascht die Existenz weitgespannter Ebenen im Gebirge. Sie können in großen Höhen liegen, sich in niedrigeren Niveaus befinden, in den Gebirgsbau als Becken eingeschaltet sein, linear als Terrassen angeordnet sein oder an den Gebirgsfuß angegliedert sein. Auch bei der Entwicklung von Flächen wirken endogene und exogene Kräfte mit. Innenbürtig sind tektonische Vorgänge (Graben- und Beckeneinbrüche) und vulkanische Vorgänge (Laharbildungen ). Weitaus bedeutender sind jedoch klimageomorphologisch zu erklärende Einrumpfungsvorgänge und Pedimentierungen (Fußflächenbildung) oder morphodynamisch herzuleitende Terrassenbildungen. Aus klimageomorphologischer Sicht sind Flächenbildungsprozesse in keiner anderen Zone so dominant, wie in den wechselfeuchten Tropen. Bereits J. Büdel bezeichnete sie als Randtropische Zone exzessiver Flächenbildung. 1.2.2.2.1 Altflächen Altflächen sind Verebnungen, deren Entstehung auf vergangene Zeitalter zurückgehen. Sie können in großer Höhe zu finden sein, wenn sie bereits vor der Heraushebung der Anden zum Hochgebirge gebildet wurden. Hinweise auf Altflächen können auch sogenannte Gipfelfluren sein, wenn in einem bestimmten Bereich alle Gipfel auf ungefähr der gleichen Höhe zu finden sind. Eindrucksvolle Altflächen finden sich in der Zentralkordillere Kolumbiens und unterhalb der Gipfelregion der nord- und zentralchilenischen Anden. 1.2.2.2.2 (Intramontane) Beckenböden Die wohl bekanntesten Verebnungen innerhalb der Anden stellen die Puna und der Altiplano dar, deren Entstehung und ihr heutiges morphologisches Bild stark von der geologischen Struktur abhängen. Auch das Hochland von Mexiko ist zwischen der Sierra Madre Occidental und der Sierra Madre Oriental als intramontane Hochebene zu bezeichnen. Alle Hochebenen sind heute Aufschüttungsebenen und vielfach durch abflusslose Salzseen oder Salare gekennzeichnet. Innerhalb der Pampinen Sierren liegen ebenfalls intramontane Becken. Die hochgehobenen Bruchschollen werden von tal- oder beckenartigen Hohlformen voneinander getrennt, die 43 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at man je nach Ausprägung als Valles (Täler) oder Bolsones (Becken) bezeichnet. Auch hier findet man in den tiefsten Bereichen Salare und abflusslose Salzseen. 1.2.2.2.3 Gebirgsfußflächen Gebirgsfußflächen begleiten besonders in seimariden und ariden Klimabereichen Lateinamerikas die Gebirge. Gebirgsfußflächen begrenzen scharfrandig ein höheres Gebirgsrückland und leiten unter allmählicher Abflachung in eine beckenartige Fußregion über. Man unterscheidet zwischen einem oberen schuttfreien, oder nur von einem dünnen Schuttschleier bedeckten Pediment und einem unteren, aus einem z.T. mächtigen Schotterkörper aufgebauten Glacis, das häufig in eine Salztonebene übergehen kann. Das Material wird vom Gebirgsrand bis in die Tiefenzone immer feiner, die Neigung immer geringer. Idealtypisch und besonders eindrucksvoll sind Gebirgsfußflächen in den Pampinen Sierren in Argentinien ausgebildet und bilden quasi Scharnierzonen zwischen Hebungs- und Senkungsfeldern. Sie setzten gleichsam einer riesigen schiefen Ebene auf etwa 1500 - 2000m Seehöhe am Gebirgsrand an und führen in mehr oder weniger gleichmäßigen Gefälle bis auf 500 – 700 m hinab in die Tiefenzonen der Bolsones oder Valles. Gewöhnlich bilden Glacisflächen das Mittelstück zwischen höherem Pediment und tiefer gelegenen Salztonebenen oder gebirgsparalleler Talung, in denen die gesamte Formenreihung ausklingt. Bei fehlender echter Kappungsfläche des anstehenden Gesteins, den Pedimenten also, können Glacis bis an den Gebirgsrand reichen Fußflächenbildung ist an semiaride und aride Klimabedingungen gebunden. Bei fehlender geschlossener Vegetationsdecke und periodisch-episodischen und gleichzeitig heftigen Niederschlägen, wie es für aride Gebiete typisch ist, kommt es Flächenspülung und somit zu (flächenhafter Abtragung) und flächenhafter Akkumulation. Die Gesteinsbeschaffenheit ist zur Ausbildung von Gebirgsfußflächen eher sekundär. Die Flächen können in semiariden Gebieten im Bereich größerer Abflussrinnen durchaus zerschnitten und durch ein Netz von kleineren Gerinnen geprägt sein. 1.2.2.2.4 Terrassen Terrassen sind Verebnungen in einem Hang, nach oben und unten durch steilere Böschungen begrenzt. Flussterrassen sind Reste ehemaliger Talböden, die nach neuerlicher Eintiefung des Tals zurückblieben. Flussterrassen begleiten das Gewässer nicht im gesamten Verlauf begleiten. Wichtig vielmehr ist, dass sie im Tallängsprofil an mehreren Stellen in gleicher Höhe über dem Talboden und in vergleichbarer Ablagerung vorkommen. Die Ursachen liegen in Bewegungen der Kruste, eustatischen Veränderungen des Meeresspiegels, Klimaschwankungen und Flussanzapfungen. Sie entstehen immer dann, wenn das Verhältnis zwischen Akkumulation und Erosion gestört wird. Besonders in den tektonisch aktiven Bereichen Lateinamerikas sind tektonische Bewegungen, etwa lang anhaltende Hebungsphasen die Ursache der Terrassenbildung. In diesem Falle bilden sich Terrassen auf dem Krustenstück, das gehoben wurde, da hier der Fluss zur Eintiefung gezwungen wird, um wieder das Niveau seines Vorfluters zu erreichen. Tektonisch bedingte Terrassen sind in allen tektonisch beeinflussten Gebieten Lateinamerikas, besonders daher in den Anden und Kordilleren, verbreitet. Eustatische Meeresspiegelschwankungen wirken sich direkt auf das Erosionsverhalten der Flüsse aus. Fällt der Meeresspiegel, kommt es von der Küste landeinwärts zu rückschreitender Tiefenerosion. Pausen bieten durch verstärkte Seitenerosion Gelegenheit 44 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at zur Talsohlenerweiterung. Steigt der Meeresspiegels, schüttet der Fluss Sedimente auf. Diese Terrassen findet man besonders in de küstennahen Bereichen Lateinamerikas.. Im Inneren des Kontinentes sind vielmehr Krustenbewegungen und Klimaschwankungen die ausschlaggebenden Faktoren der Terrassenbildung. Die Einflüsse von Klimaschwankungen betreffen vor allem die Wasserführung der Flüsse. Variiert der Abfluss, die Korngrößenzusammensetzung und die Menge der mitgeführten Flussfracht, verändert sich auch die morphologische Wirksamkeit. Innerhalb der Anden sowie in den Andenvorländern bildeten sich in den Eiszeiten große Schotterebenen, in die sich in wärmeren Perioden (Zwischeneiszeiten) die Flüsse einschnitten. Das von den Gletschern erodierte Material wurde von den Flüssen in den Schotterebenen wieder abgelagert. Dort war die Flusskraft infolge des geringen Gefälles zu gering, um das mitgeführte Material weiter zu transportieren. In Warmzeiten gingen die Gletscher weit zurück, ein Großteil des Lockermaterials der Moränen war mit Vegetation bedeckt, und war vor Erosion geschützt. Wegen der zurückschmelzenden Gletscher hatten die Flüsse mehr Wasser und somit mehr Kraft, also schnitten sich die Flüsse in die Schotterkörper ein. Zahlreiche Terrassen sind daher klimatisch bedingt, da viele Flüsse mit rezent oder ehemals vergletscherten Gebieten in Verbindung stehen. Den Río Mendoza etwa begleiten auf seinem Weg aus den Anden idealtypisch deutlich ausgebildete Terrassen. 1.2.2.3 Hohlformen Erst durch die Bildung von Hohlformen wird ein Gebirge zum Gebirge. Derartige Formen sind Täler, abflußlose Hohlformen, in denen sich Wasser (Seen) oder Salz (Salare) sammelt, sowie intramontane Becken, die durchaus entwässert sein können. 1.2.2.3.1 Intramontane Becken Die Gebirgsketten sind durch teilweise sehr tiefe Täler und Schluchten von einander getrennt. Meistens tektonischen Ursprungs, waren sie in den höchsten Lagen im Pleistozän Abflussbahnen der Gletscher, die inzwischen fluviatil überformt wurden. In den tropischen Anden zerschneiden unzählige Schluchten die Gebirgshänge, darunter u.a. der tiefste Canyon der Welt, der Cañon de Colca bei Chivay in den peruanischen Anden. In den Südlichen Anden ist das zentralchilenische Längstal eine tektonisch angelegte Talung, die im Süden bereits in den Kanälen ab etwa 47°südl. Breite beginnt. Zwischen 33° und 27° fehlt dagegen die deutliche morphologische Depression zwischen Küsten- und Hochkordillere. Erst ab Copaipó kommt es bis zur Andenbiegung bei Arica zu einer markanten Senke, die zum Teil durch deutliche Störungen begrenzt ist und deren zentraler Teil als Pampa del Tamarugal bezeichnet wird. Auch diese Senke ist tektonisch angelegt und bis in große Tiefen zu verfolgen. Intramontane Tiefenzonen trennen auch die Gebirgsketten der Zentralkordillere. So trennt eine durchgehende Depression mit zahlreichen Salaren (Salar de Atacama) in Höhen zwischen 2500 und 3500 m die Präkordillere von der Hochkordillere. Sie stellt vermutlich ein abgesunkenes Krustenstück dar. Markante Depressionen teilen die Gebirgsketten der Nordanden. In Peru verläuft das breite Tal des Río Marañon zwischen Westkordillere und Zentralkordillere. In Ecuador liegt auf einer Höhe von 2500 bis 3000 m, umgeben von Westkordillere und Ostkordillere, die grabenartige Senke von Quito. Sie ist von mächtigen pyroklastischen Sedimenten erfüllt, im Wechsel mit glazio-vulkanischen Ablagerungen der Lahare, mächtigen Schlammströmen 45 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at aus glazialen Sedimenten und vulkansicher Asche. Entlang dieser Tiefenzone bauen sich riesige Vulkanbauten auf. In Kolumbien unterteilen die imposanten, als tektonische Gräben gebildeten Täler des Cauca und des Magdalena die einzelnen Gebirgsketten. Mächtige Sedimentpakete füllen die Täler zum Teil wieder auf, die dementsprechend durch gewaltige (Schotter-)Terrassen charakterisiert werden. Dass auch heute noch die Akkumulation der mitgeführten Sedimentfracht gewaltig ist, wird jeder, der – auf den Spuren Humboldts oder García Marquez`einmal auf dem Río Magdalena unterwegs war, bestätigen können. Wer dieses Glück noch nicht hatte, findet in dem großartigen Roman über die Liebe in den Zeiten der Cholera sehr farbige Schilderungen. Die Gliederung in Gebirgsketten und intramontane Becken ist in Mittelamerika nicht so ausgeprägt wie in Südamerika, zumindest fehlen die großen Dimensionen. Die hohen Niederschlagsmengen und der daraus bedingte Abfluss zerschneiden allerdings die Gebirgshänge stark und durchsetzten sie mit zahlreichen kleinen Tälern und Schluchten. Die markanteste Störung ist das Tal des Río Balsas: es trennt geologisch Mexiko vom restlichen Mittel- bzw. Zentralamerika. 1.2.3 Formenschaft der Tiefländer Südamerika wird durch drei große Tiefländer charakterisiert, das Orinoco-, Amazonas- und La-Plata-Tiefland. Während die Llanos des Orinoco und Amazonien jeweils von einem großen Strom beherrscht werden, so gehören zur La-Plata-Ebene unterschiedliche Flüsse (Uruguay, Paraguay, Paraná), aber auch abflußlose Becken (Pantanal, Mato Grosso, Gran Chaco) und die Pampa bis zum Río Negro. Die Formen werden durch die Intensität des fließenden Wassers, Wassermenge, Fließgeschwindigkeit, Abflussregime und Sedimentführung bestimmt (Hydologie). Hier werden weniger die bildenden Kräfte und Prozesse, als vielmehr die Formen beschrieben. In Mittel- und Zentralamerika fehlen die großen fluvial geprägten Tiefebenen. Dort sind es eher Küstentiefländer, die im Kontrast zu den Kordilleren, Mittelgebirgen und Karstlandschaften stehen. Sie unterliegen den Bildungsgesetzen der Küste. 46 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.2.3.1 Das Amazonastiefland: Varzea und Terra firme Das Amazonasbecken ist reich an Rekorden: •Mit 4,5 Mill km² ist das Amazonastiefland das größte tropische Tiefland der Welt. •6518 km machen den Amazonas nach manchen Berechnungen zum längsten Fluss der Erde, nur der Nil macht ihm den Titel streitig. •Das Einzugsgebiet umfasst unfassbare 7,2 Mill km² •Der Mittlere jährliche Abfluss beträgt etwa 180.000 m³/sec. Der Amazonas führt dem Atlantik unglaubliche 37 Mill. km³ Süßwasser zu (Hydrologie). Die Abgrenzung des Amazonastieflandes nimmt man dort an, wo an den Unterläufen der Nebenflüsse die ersten Stromschnellen auf anstehendem Gestein auftreten. Das einheitliche Waldkleid reicht weit über diese Abgrenzung hinaus. In diesem Fall liegt die Grenze dort, wo der geschlossene immergrüne Regenwald in lichtere, laubabwerfenden Pflanzengesellschaften übergeht. Die Gestalt des Amazonastieflandes hatte in der Erdgeschichte eine wechselvolle Entwicklung. Bereits im Paläozoikum bestand hier eine weite Senke zwischen den alten Gebirgsbereichen des Guayana-Schildes und des Brasilianischen Schildes, die von einer breiten Meeresbucht des pazifischen Ozeans eingenommen wurde. Vom Silur bis zum Karbon wurden verschiedene Sedimente abgelagert. Im Tertiär riegelte der neu entstehende Gebirge der Anden den alten Meeresraum ab. Es entstand an der Ostseite der Schwelle ein Binnensee, in dem sich mächtige Ablagerungen der Kreide und des Tertiärs niederschlugen. Erst im Tertiär entwässerte der Binnensee zum Atlantik. Daher besteht heute das Amazonastiefland im Unterlauf aus einem relativ schmalen Streifen jungtertiärer und quartärer Seimente und greift zum Teil auf die brasilianische Masse über. „Oberhalb“ von Manaus weitet sich das Amazonasbecken aus und erstreckt sich von Nord nach Süd über 2000 km. Die Morphologie des Amazonasbeckens wird aus dem Zusammenwirken von Relief, Klima und Vegetation bestimmt. Trotz der ständigen Niederschläge sind die Wasserschwankungen erheblich. Am Unterlauf betragen die Unterschiede zwischen 6 und 10 m, im mittleren Abschnitt zwischen 10-15 m. Der Strom bildet bei Hochwasser ein Vielzahl an Verzweigungen und nach jedem Hochwasser ergeben sich Veränderungen in einzelnen Flussarmen, an den Flussufern und in den Wassertiefen. Infolge dessen entsteht eine großer 47 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Unterschied zwischen der eigentlichen Amazonasniederung, quasi der Flussaue, die als Várzea bezeichnet wird, und den weiten Flächen, die vom Hochwasser des Stroms nie erreicht werden, der Terra firme. Das riesige Mündungsgebiet bildet mit dem Wasser des Tocantins und des Rio Para ein riesiges Delta. Dort sind die Gezeitenströme stärker als die Flusströmungen. Oft setzt die Flut zu einer gefährlichen Flutwelle an, der berüchtigten Pororocá. Über 600 km, bis etwa Obidos, dringen die Gezeiten stromaufwärts vor. Das Gefälle des Amazonas ist gering. Manaus, etwa 1600 km von der Mündung des Stromes entfernt liegt auf einer Seehöhe von 26 m! 3500 km flussaufwärts verlässt der Amazonas die Anden. Die Quellflüsse erreichen das Tiefland etwa in einer Höhe von 150 bis 200 m. Infolge des Wasserreichtums und der Tiefe des Fahrwassers können Hochseeschiffe Manaus erreichen, selbst nach Iquitos in Nordostperu fahren noch Schiffe mit mehreren tausend Tonnen. Möglich ist dieses geringe Gefälle aus dem günstigen Verhältnis von Wasserreichtum zur Schuttlast. Der Amazonas führt zwar gewaltige Mengen an Flusslast (bestehend aus gelösten und festen Stoffen), infolge der intensiven chemischen Zersetzung besteht das Material zum Großteil aus gelösten Stoffen und feinsten Partikeln, die selbst bei geringen Gefällen transportiert werden können. 1.2.3.2 Dammufer und Umlaufseen Die Stromlandschaft des Amazonas und seiner Nebenflüsse wird von Wasserstandschwankungen bestimmt. Der Strom schüttet Uferdämme auf, die aus Ablagerungen der höchsten Hochwässer gebildet werden und von normalen Hochwässern nicht mehr erreicht wird. Die Hochwasserdämme sind vor Hochwasser geschützt und sind für Ansiedlungen im Stromgebiet von großem Wert. Dorthin wird das Vieh zur Hochwasserzeit getrieben. Schwere Schäden treten dann auf, wenn extreme Hochwässer auch die Uferdämme 48 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at überschwemmen. Vor den langgestreckten Uferdämmen dehnen sich die ausgedehnte Flussalluvialfläche der Várzea aus, die alljährlich von Hochwässern überflutet wird. An manchen Stellen halten sich Várzeaseen nach dem Hochwässer wochenlang. Várzeaflächen sind fruchtbar, da sie alljährlich von nährstoffreichen Schlammmengen versorgt werden. In der hochwasserfreien Zeit dient sie als wichtige Wirtschaftsfläche. Die Terra firme wird nie von Hochwässern betroffen und erhält daher auch keinerlei mineralische Düngung. Die Sedimentgesteine sind nährstoffarm. Werden sie unter Kultur genommen, verarmen sie schnell. 1.2.3.3 Küstenenbenen, Deltas und Ästuare Im Nordosten des Guayana-Schildes ist dem Bergland eine breite Küstenebene vorgelagert, die im Bereich der Orinoco-Mündung 100 km breit ist. Gegen Südosten verschmälert sich die Küste und wird von einigen Gebirgsspornen unterbrochen (bei Cayenne). Hinter einer breiten Nehrungszone erstrecken sich ausgedehnte Niederungen, die von Flüssen durchzogen werden und intensiv wirtschaftlich genutzt werden. Das Delta des Orinoco umfasst ungefähr 40.000 km². Der wasserreichste Mündungsarm ist der südliche verlaufende Brazo Imataco, der in den geschützten Golf von Paria mündende Nordarm der wirtschaftlich wichtigste, da in seiner Nähe Eisenerzlager auftreten und der Schifffahrt dient. In den zahlreichen Flussarmen des Deltas kommen in weiten Teilen Mangrovenwälder vor. Das Karibische Küstengebiet zieht sich längs der karibischen Küste Nordvenezuelas bis zu den Küstengebieten Kolumbiens. Die Cordillera de Mérida (über 5000 m) trennt das Orinoccotiefland von der Bucht von Maracaibo. Das tief zerschnittene Gebirge setzt sich längs der Küste als Karibisches Küstengebirge fort. An der Plattengrenze der südamerikanischen und karibischen Platte gelegen, gilt es als eines der tektonisch unruhigsten Bereiche der Erde. Als Folge der Krustenbewegungen besteht die Landschaft aus einem schroffen Nebeneinander zwischen hochaufragendem Gebirge und tief abgesunkenen Becken. In den Hohlformen, vor allem im Maracaibo-Becken, lagern große Mengenan Erdöl, die Venezuela zu einem der führenden erdölproduzierenden Ländern machten. Der Amazonas ist an seiner Mündung 300 km breit. Das Amazonasdelta entwickelt sich durch die Einwirkung der Gezeiten zu einem riesigen Ästuar und ist ein Gewirr von in alle Himmelsrichtungen fließende Wasserläufe. Die grünen dicht bewaldeten Inseln verändern des öfteren ihre Form, immer wieder ändert sich die Grenze zwischen Land und Wasser. In diesem Bereich liegt auch die größte Flussinsel der Welt. Die Ilha de Marajó umfasst 42.000 km². Im Nordosten grenzt sie an den offenen Atlantik. Im Norden und Nordwesten wälzt sich der Amazonas, der mit seinen drei Hauptarme braugraue Wassermasse über das blaue Atlantikwasser legt. Im Süden fließt der Rio Pará, der alle rechtsseitigen Zuflüsse des Deltas in sich vereinigt. Die Gezeiten machen sich hier sehr kräftig bemerkbar. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut erreicht an der Küste vier Meter. Durch den steilen Abbruch der Anden zum Pazifik entwickeln sich nur kurze Küstenabschnitte, wenn sie nicht direkt ins Meer abrechen. Zwischen dem Peru-ChileTiefseegraben in 8000 m Tiefe und dem Vulkan Ojos del Salado (6880 m) liegt innerhalb von 300 km der größte Höhenunterschied der Erde. Das atlantische Küstenland Brasiliens bildet einen schmalen Streifen der nur an wenigen Stellen mehr als 80 km Breite erreicht und immer wieder durch Bergsporne und Kaps unterbrochen ist. Hinter einer Reihe von Riffen, gebildet aus Sandsteinen oder Korallen folgt eine breite Nehrungszone, die Restinga, einem flachen Sandstrand mit Strandwällen und ausgedehnten Dünenfeldern. Hinter diesem Bereich nehmen die Flüsse oft nicht den kürzesten 49 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Weg zum Meer. Zahlreiche Flussarme und Verzweigungen sowie lagunenartige Seen bauen ein amphibisches Land auf, dessen tiefere Teile aus Mangrovenwäldern eingenommen werden. Die fruchtbaren tiefen Ebenen werden von 60 bis 80 m höher gelegenen ebenen Platten überragt, die aus pliozänen mineralarmen Sedimenten gebildet werden. Mittelamerika ist nicht besonders reich an weiten Küstenebenen. Ein schmaler teilweise versandeter Tieflandstreifen säumt die wenig gegliederte pazifische Küste Zentralamerikas. Steil steigt das von zahlreichen gefällereichen Flüssen scharf zerschnittene Gebirge an. Die Atlantikküste hingegen erscheint sanfter als die Pazifische. Weite Tiefländer umgrenzen das Meer in Guatemala, Honduras und Nicaragua. 1.2.4 Formen der alten Schilde, der Trappdecken und Mittelgebirge Der Osten Südamerikas wird von den ältesten Gliedern der Erdkruste aufgebaut, die schon in vorkambrischer Zeit gebildet wurden. Wichtigstes Element ist die Brasilianische Masse, die das Hochland von Guayana und das Brasilianische Bergland aufbaut. Die Patagonische Masse liegt zum Großteil im Schelfmeer vor der argentinischen Küste versenkt und bildet die Basis der Patagonischen Tafelländer. Es herrschen metamorphe Gesteine (Glimmerschiefer, Quarzite und Gneise vor. Gesteine und Tektonik weisen auf einen Zusammenhang mit Afrika, Vorderindien und der Ostantarktis auf, die einst den Kontinent Gondwana bildeten. An den Rändern der alten Massen haben sich während verschiedener Gebirgsbildungsphasen Faltenund Bruchstrukturen gebildet. Auf jüngere Krustenbewegungen reagierte das alte Gestein starr und mit zahlreichen Brüchen. Die Zerrüttung der Erdkruste führte zur Förderung vulkanischen Materials, das den Gesteinssockel durchbrach und in Südbrasilien, Uruguay und Nordargentiniens während der Trias eine 800.000 km² große Basalttafel aufbaute und uns die bizarren Felsstöcke an der Brasilianischen Küsten bescherte. Als Trappdecken werden flächenhaft ausgebildete Ergussgesteinsschichten bezeichnet, die in z.T.treppenartig angeordneten Decken von mehreren hundert Metern Mächtigkeit übereinander lagern. 50 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Seit dem Ende des Mesozoikums bildete das Brasilianische Bergland und das Bergland von Guayana die Randschwelle zum Atlantischen Ozean. Das aus jungen Sedimenten aufgebaute Küstenland (Litoral) steigt bald an mehreren Bruchstufen schroff zum Bergland auf. Der Scheitel der Schwelle liegt nahe der Küste. Nach Westen entstand eine lange Binnenabdachung, der die Gewässer folgen und auf denen die jüngeren Sedimentschichten als Schichtstufenländer oder Tafelländer erhalten haben. Dem unruhigen Relief der Küste steht somit ein recht eintöniges Bild der Hochflächen gegenüber. Schichtstufenlandschaften sind hier ein weitverbreiteter morphologischer Formentyp. Die Schichtpakete sind aus verschieden widerständigen Gesteinen aufgebaut und werden infolge Denudation in unterschiedlicher Weise abgetragen. Widerständigere Gesteine werden weniger rasch abgetragen und fungieren als Stufenbildner, morphologisch weiche Gesteine bilden die flacheren Teile der Stufen. Bei kräftiger Zerschneidung ragen die Stufen markant aus der Landschaft heraus. Humide Klimabereiche fördern die Ausbildung und Zurückverlegung der Stufen, trockene Klimate verlangsamen die Prozesse und wirken daher Formenerhaltend. Von Tafelländern spricht man bei horizontaler Lagerung der Gesteine, wie es in Ostpatagonien der Fall ist. In der Jura entwickelte sich durch heftige Vulkantätigkeit eine dicke Lavadecke, die sogenannte Seria Porfirica, auf die später marine Sande abgelagert wurden. Als Tafelberge, die hier „Mesas“ genannt werden, bezeichnet man durch Zerschneidung von Tafellandschaften entstandene Restberge. Auch in Guayana findet man Tafelberge, die dort als Tepuis bezeichnet werden. Sie ragen 1500 bis knapp 3000 m aus dem Regenwald heraus und sind Reste des Guayana-Schildes. Hier findet durch das tropische Klima mit den starken Regenfällen an den Steilkanten intensive morphologische Aktivität. Im Westen lagern Sandsteintafel die den höchsten Teile des Schildes einnehmen (Roraima, 2772 m). Zum Orinocotal bricht das Tafelland nach dem Gipfel des 2395 m hohen Cerro Duida jäh ab. 51 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.2.4.1 Katarakte und Wasserfälle Als Wasserfall bezeichnet man den senkrechten Absturz des Wassers über eine Stufe im Flussbett. Die Stufe kann durch eine Verwerfungen, durch Zurückverlegungen von Gefällsbrüchen, oder durch glaziale Erosion entstanden sein. Jeder Wasserfall wandert rückwärts, da die Erosion ständig Material abführt. Am Fuß des Falls entsteht ein tiefer Kolk, in dem eine gegen die Wand gerichtete Wasserbewegung (Grundwalze) die Stufe permanent unterwäscht. Stromschnellen bezeichnet man als Katarakte. Besonders in den alten Schilden von Guayana und den Trappdecken der Basaltformation im Grenzgebiet Argentinien/Brasilien findet man gewaltige Wasserfälle. Der atemberaubende Salto Angel in Venezuela stürzt über eine Schichtstufe fast 1000 m in die Tiefe. Noch immer gehört der Bereich des Guayana-Schildes zu den unberührtesten Landstriche der Erde. Auch die Roraimafälle und die Kaiteurfälle (Guyane) sind nicht minder spektakulär. Die Iguazú-Wasserfälle im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Brasilien gehören zu den imposantesten Naturschauspielen dieses Planeten. Knappe 100 m stürzen dort die Wassermassen in breiter Front in die Tiefe. 52 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.3 Regionale (Klima-)Geomorphologie Vor allem in der Regionalen Geomorphologie wirken sich die sogenannten "Schulen" mit ihren unterschiedlichen Perspektiven besonders aus. Die klimageomorphologische Schule betont die Wirkung des gegenwärtigen Klimas und früher wirksamer Klimate auf die Reliefformung. Jedes Klima hat seine spezifische Verwitterung. Unter warmen und feuchten Bedingungen überwiegt die chemische Verwitterung, unter heiss-trockenen oder sehr kalten Bedingungen die physikalische, wobei die verschiedensten Intensitätsstufen und Mischungsverhältnisse beider Verwitterungsarten beobachtet werden können. Jedes Klima bringt aber auch unterschiedliche Abtragungsformen hervor. Diese hängen u.a. auch von den Transportmedien (Eis, Wasser, Wind, Schwerkraft) ab. In ariden (trockenen) Klimaten gibt es kaum Transport, Landschaften ertrinken in ihrem Schutt. Wechselfeuchte Klimate weisen dagegen oft zu Beginn der Regenzeiten Schichtfluten auf, die alle Lockermaterialien davonschwemmen und scharfe Hangknicke hervorbringen. Immerfeucht tropische Klimate dagegen lösen das Gestein so tiefgründig auf und schwemmen Reliefunterschiede so gründlich zu, dass es sowohl an der Erdoberfläche als auch an der weit darunter liegenden Gesteinsoberfläche zu Einebnungen kommt (sog. "doppelte Einebnungsfläche", die Ursache für die Rumpfflächenbildung). Und schließlich führen die klimatischen Grundbedingungen auch zur Ausprägung spezifischer Akkumulationsformen (Aufschüttungs- oder Ablagerungsformen). Hochgebirge arider (trockener) Regionen haben häufig ausgedehnte Gebirgsfußflächen, in denen die in das Gestein modellierten Pedimente unmerklich in die Schotterflächen der Glacis übergehen. Semiaride Gegenden sind dagegen durch die in ihren Schottermassen ertrinkenden Flüsse (Torrenten) charakterisiert, wo das Eis regiert bilden sich schließlich Moränen und im Vorland weite Schotter- und Sanderflächen. Im Gegensatz zu der durch endogene Prozesse geprägten Strukturmorphologie wird die Skulpturmorphologie im wesentlichen vom Klima und exogenen Kräften gesteuert. 53 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.3.1 Grundlagen der Klimageomorphologie nach Büdel Im Gegensatz zu der Überzeugung der Strukturgeomorphologie, dass die Reliefformung primär durch endogene Prozesse gesteuert wird, , geht die Skulpturmorphologie davon aus, dass exogene Faktoren einen großen Einfluss auf die Oberflächenformen haben. Innerhalb dieser Schule sind aber auch wieder Richtungen entstanden, etwa die der Morphodynamik, und schließlich entstand in der unmittelbaren Nachkriegszeit unter maßgeblichem Einfluss von Büdel (1950) und Wilhelmy (1955) die Klimageomorphologie. Sie geht davon aus, dass das Klima (Klimavarianz) neben dem Gestein (Petrovarianz), dem Boden (Pedovarianz) und der Vegetation (Phytovarianz) den stärksten Einfluss auf die Reliefformung hat. Nach den heutigen Klimaregionen der Erde sind daher klimamorphologischen Zonen zu unterscheiden, in denen bei unterschiedlichen Klimabedingungen auch je spezifische Formungsprozesse ablaufen. Die Klimageomorphologie konzidiert aber, dass im Laufe der Erdgeschichte sich die klimatischen Bedingungen immer wieder entscheidend verändert haben. Sie unterschiedet daher verschiedene Reliefgenerationen und spricht von Vorzeit- und Jetztzeitformen. Oft verschneiden sich die in früheren Klimaten gebildeten Formen mit jenen, die heute heranreifen. Büdel hat 1950 die erste klimamorphologische Zonierung der Erde gewagt. Er unterscheidet acht Teilräume, die im Überblick wie folgt gekennzeichnet werden: Die Gletscherzone mit gletschernahen Vorfeldern , in der ein subglaziales Relief durch die Wirkung der Gletscher, des Frostes und der unter dem Eis abfließenden Schelzwasser geformt wird. Diese Zone ist in Lateinamerika vor allem um die Eisfelder der Hochgebirge zu finden. Man findet alle typischen Formen die zu einer glazialen Serie zählen. 54 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Die subpolare Zone exzessiver Talbildung im Permafrostbereich bei vorherrschender physikalischer Verwitterung. Geprägt durch Zertalung und kräftigen Materialtransport während der Tauperiode. In Lateinamerika ist diese Zone als Höhenstufe ausgeprägt und liegt unterhalb der gletscherbedeckten Gebiete. Die Landschaft wirkt durch die Glättung des Bodenfließen weich und gar nicht wie ein Hochgebirge, abgesehen von den allerhöchsten Bereichen und hartem Felsgestein. Die ektropische Zone retardierter Talbildung wirkt die Landabtragung bei nur mäßiger physikalischer und chemischer Verwitterung nicht besonders stark, vor allem wegen der unter natürlichen Bedingungen vorhandenen Vegetationsecke. Die Abtragung folgt vorwiegend durch Flusstransport, in geringem Umfang durch Hangbewegungen. Dieser Bereich ist in Lateinamerika nicht weit verbreitet, eigentlich nur in Mitte- und Südchile. In der subtropischen Zone gemischter Reliefbildung überlagern sich räumlich wie zeitlich nördliche und südliche Einflüsse. In der winterkalten Zone mit Flächenüberprägung sind das kennzeichnende Bild in Schutt ertrinkende Gebirge. Es überwiegt die physikalische Verwitterung. Dadurch fallen erhebliche Schuttmengen an, die durch zeitweilig fließende Gewässer auf geneigten Ebenen ausgebreitet werden. Es bildet sich das System der Gebirgsfußflächen. Die warme Trockenzone der Flächenerhaltung und –weiterbildung stellt die Zone der Passatwüsten dar, bei vorherrschender physikalischer Verwitterung. Ältere Flächen bleiben weitgehend erhalten. Äolische Tätigkeiten sind in der Oberflächengestaltung bedeutend. Chemische Prozesse stehen auf Ebenen und auf Talsohlen sogar im Vordergrund (Salzverwitterung), insgesamt sind aber Produkte der physikalischen Verwitterung allgegenwärtig, da das Material durch den fehlenden Niederschlag kaum abgeführt werden kann. Die randtropische Zone exzessiver Flächenbildung ist geprägt durch chemische Verwitterung. Bei flächenhaften Abtragung durch periodisch abfließende Gewässer kommt es langfristig zur Ausbildung von Rumpfflächen. In der innertropischen Zone partieller Flächenbildung herrscht chemische Verwitterung vor. Starke Durchfeuchtung erschwert eine Flächenbildung infolge der dichten Vegetation. Das dichte Blätterdach fängt den Regen ab, die morphologische Wirkung ist entschärft. Rutschungen und Erdfließen gewinnen durch die hohe Durchfeuchtung des Bodens schon bei geringer Hangneigung an Bedeutung. Auch andere Wissenschaftler nahmen zonale Gliederungen der Erdoberfläche nach typischen rezenten Prozesskombinationen vor (Wilhelmy, Hagedorn & Poser). 1.3.2 Grundlagen der Klimageomorphologie nach Wilhelmy Durch tektonische Bewegungen, also endogene Kräfte, wird eine Ausgangssituation für alle formverändernden Prozesse definiert, die nicht nur graduellen, sondern prinzipiellen Veränderungen unterworfen sind. Als Beispiel sollen hier Hangprofile in Massengesteinen dienen, die sich von Klimazone zu Klimazone ändern, entsprechen hingegen innerhalb jeder Klimazone dem klimageomorphologischen Normalprofil, wie es auch Hängen aus anderen Gesteinsarten entspricht. In den immerfeuchten Tropen entsteht ein konkaver Hangfuß aus tiefgründig, von Regenwald bedeckter Verwitterungsdecke. In wechselfeuchten Tropenklima bildet sich nach einem markanten Hangknick ein konvexes Hangprofil aus. Der angefallene Schutt wurde in Regenzeiten weitertransportiert. 55 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at In vollaridem Klima ist wiederum ein konkaves Hangprofil zu beobachten, wo der Fußbereich der Inselberge ständig innerhalb ihrer Schutthülle verbleibt. Der Klimageomorphologischen Formenwandel ist in vier Richtungstypen zu untergliedern: Planetarischer, hypsometrischer, peripher-zentraler, und west-östlicher Formenwandel. In diesen Formenwandel verändern sich fünf Teilfaktoren des Gesamtsystems: Verwitterung, Bodentypus, Abtragungstypus, Transportart, und Ablagerungsart. 1.3.2.1 Planetarischer Formenwandel Planetarischer Formenwandel beschreibt die klimabedingte Veränderung morphologischer Vorgänge von Pol zum Äquator. Von Klimazone zu Klimazone können sich fünf Teilfaktoren des Gesamtsystems verändern. 1.3.2.1.1 Verwitterung Die Verwitterung variiert im Verhältnis von chemischer zu physikalischer und von Oberflächen- zu Tiefenverwitterung in Abhängigkeit von Temperatur und Niederschlag. Dominiert in ariden Gebieten und Frostwechselklimaten die physikalische Verwitterung, so herrscht in warm-humiden Gebieten die chemische Verwitterung vor. Ähnlich, jedoch nicht zur Gänze verhält es sich mit Oberflächen- und Tiefenverwitterung. Aus dem Vorherrschen der jeweiligen Verwitterungsart verändert sich auch die morphologische Wertigkeit der Gesteine. Verhält sich Granit in Gebieten überwiegender Oberflächenverwitterung als morphologisch hartes Gestein, so reagiert es in den Tropen unter Einfluss starker Tiefenverwitterung als sich stark zersetzendes Gestein. Ähnliche Unterscheidungen sind auch bei anderen Gesteinsarten zu treffen. Das Ergebnis unterschiedlicher Verwitterungsarten- und -intensitäten ist im Extremfall auf der einen Seite Scharfkantiger Blockschutt, der durch überwiegende mechanische Verwitterung entsteht, überwiegt in polaren Klimaten, der Frostwechselzone hoher Gebirge sowie in ariden Gebieten. In Wüsten ist die chemische Verwitterung aufgrund Wassermangels herabgesetzt. In polaren Gebieten mag ausreichend Wasser vorhanden sein, niedrige Temperaturen nehmen seine chemische Wirksamkeit. Daher dominiert in ariden Gebieten Salz- und Hitzesprengung in polaren Bereichen die Frostsprengung. Gerundete wollsackähnliche Blöcke entstehen infolge chemischer Verwitterung in den feuchten Tropen. Die Verwitterung wirkt entlang von Klüften im Gestein, greift abgesonderte Quader flächenparallel von innen nach außen an. In verwittertem Detrius schwimmen daher kernfrische Blöcke. In wechselfeuchten Klimaten mit überwiegender Regenzeit sind die Blöcke ebenfalls in Grus eingebettet, jedoch sind sie von Brauneisensteinkrusten umgeben. Im Grenzgebiet zwischen vollariden und nur jahreszeitlich aridem Klima entsteht durch nächtliche Befeuchtung des Gesteins mit täglicher extremer Erhitzung eine Kernverwitterung, im Gegensatz zur Bockverwitterung. In ariden Gebieten entstehen sich durch kapillaren Aufstieg mineralischer Lösungen und anschließender Ablagerung an der Gesteinsoberfläche Hartrinden, im Gegensatz zur von außen nach innen vorgehenden Verwitterung. 56 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 1.3.2.1.2 Bodentypus Der Bodentypus ist in erster Linie von Klima und Pflanzendecke sowie vom Ausgangsgestein abhängig. So entsteht über Kalkböden in feucht-gemäßigtem Klima ein brauner Waldboden, in warm-feuchten Regionen Roterde („terra rossa“). Auf der anderen Seite verwittern verschiedenartige Ausgangsgesteine innerhalb gleicher Klimate zu Böden gleicher Farbe. Tropischer Rotlehm ist das Ergebnis maximaler chemischer Verwitterung unter Einfluss ständig hoher Temperatur und Feuchtigkeit. Absteigender Grundwasserstrom führt zur Abfuhr dunkler mineralischer Nährstoffe, die Rotfärbung entsteht durch Anreicherung von Aluminium- und Eisenoxid und –hydroxid. Bei reichlich vorhandenem Wasser verhält sich auch Kieselsäure mobil und aktiv. Wandert in heiß-humiden Klima der größte Teil freier Kieselsäure über das Grundwasser und Flüsse ins Meer, bleibt sie in semiariden Klima in folge kapillaren Bodenwasseraufstiegs in nahen Bereichen ihres Ursprungsort. In lockeren Ablagerungen kommt es daher zu Abscheidung von Kieselzement, zu Verkieselung eingelagerter organischer Substanzen (versteinerte Hölzer), oder zur Bildung von Kieselkrusten an der Landoberfläche. 1.3.2.1.3 Abtragung, Transport und Ablagerung Die Art der Abtragung unterliegt einer planetarischen Veränderung. In polaren und subpolaren Frostwechselklima wird starke Tiefenerosion begünstigt. Gleichzeitig kommt es infolge periglazialer Solifluktion zu intensiver flächenhafter Abtragung (nach Büdel die Zone „exzessiver Talbildung“). In winterkalten Waldklimaten treten Solifluktions-Erscheinungen zurück, ebenso die Tiefenerosion. Es kommt zu starker Seitenerosion. In feucht-gemäßigten Klimaten kommt es zwar zu linearer Abtragung, wenn auch weniger intensiv, als in (sub-) polaren Bereichen (nach Büdel: „Ektropische Zone retardierter Talbildung“) In Winterregen- und außertropischen Monsunklimaten dominieren weder erosive noch denudative Vorgänge. Das Wirkungsgefüge beider Abtragungsarten nannte Büdel „Subtropische Zone gemischter Reliefbildung“. In semiariden subtropischen Bereichen dominiert die Flächenspülung und Seitenerosion bei gleichzeitiger starker linienhafter Zerschneidung im Bereich großer Flusssysteme. (nach Büdel: Zone der Flächenerhaltung und –überprägung sowie Fußflächenbildung. In Wüstenklimaten tritt allgemein die linienhafte oder flächenhafte Abtragung durch Wasser zurück. Äolischer Abtrag gewinnt an Bedeutung. In wechselfeuchten Tropenklimabereichen, einschließlich tropischer Monsunklimate dominiert der flächenhafte Abtrag. Büdel bezeichnet es als die „Zone exzessiver Flächenbildung“. In den immerfeuchten Tropen kommt es besonders in den Gebirgsländern zu starker linienhafter Zerschneidung. Flächenhafte Erosion tritt zurück (nach Büdel: „Innertropische Zone partieller Flächenbildung“) Die Transportart wird ebenfalls weitgehend von klimatischen Faktoren bestimmt. In ganzjährig humiden Klimabereichen werden in perennierenden Flüssen kontinuierlich alle Stoffe (Gelöstes, Schweb, Sand, Geröll) transportiert, während in wechselfeuchten Tropen Schichtfluten und sanft in die Flächen eingemuldete geröllarme Flüsse fließen. In außertropischen wechselfeuchten Klimaten geschieht der Transport durch periodisch fließende Gewässer ruckartig. In semiariden und ariden Gebiete wird nur mehr episodisch durch Flüsse oder durch flächenhaft abströmendes Wasser transportiert. 57 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at In Wüsten gewinnt die Transportkraft des Windes an Bedeutung, in Vereisungsgebieten die der Gletscher. In Periglazialgebieten ist das Bodenfließen ein wichtiger Faktor. Die Ablagerungsart ist dagegen weniger Klimaabhängig als durch das von Ort zu Ort unterschiedliche Relief bestimmt. Sind Moränen zwar an Glazialgebiete und Solifluktionsschuttmassen an Frostwechselklimate gebunden, so findet man Dünen nicht nur in Wüstengebieten, sondern in allen Klimabereichen entlang der Küsten. Ebenso sind Schwemmlandebenen, Schotterfluren, Schuttfächer, etc. auf der ganzen Welt verbreitet. 1.3.2.2 Hypsometrischer Formenwandel Es wäre falsch hypsometrischen Formenwandel planetarischem Formenwandel gleichzusetzen. Auf täglichen Frostwechsel beruhende Strukturböden unterscheiden eines tropischen Hochgebirges unterscheiden sich von denen jahreszeitlichen Frostwechsels in polaren Regionen. Die elementaren Unterschiede des Jahres- und Tageszeitenklimas wirken sich auch in der Morphodynamik aus. Ähnlichkeiten sind zwar zu erkennen, aber keinen Übereinstimmungen. Der Hypsometrischer Formenwandel wird besonders im unterschiedlichen Ablauf von Verwitterungs- und Bodenbildungsprozessen augenscheinlich. Das Ergebnis ist ein nach Höhenstufen differenzierter Kleinformenschatz. Die Anzahl der klimamorphologischer Höhenstufen wächst von den Polen zum Äquator (Schema): Klimabereich Polar Höhenstufen Meeresniveau-Gipfelregion Frostsprengung und Solifluktion in allen Höhenbereichen. 1. Untere Stufe Morphodynamik unterhalb der Waldgrenze Feucht-gemäßigt 2. Obere Stufe Es dominiert Frostverwitterung und kryoturbate Dynamik. Mit Meereshöhe zunehmende Intensität der Schuttbildung 1. Untere Stufe Tiefgründige Vergrusung mit rotbrauner Verfärbung Winterregeklima 2. Mittlere Stufe Verwitterungszone mit Blockmeeren, Glockenberge und Vergrusung 3. Obere Stufe Schmal entwickelte Zone rezenter Frostverwitterung mit schroffen, zackigen Firsten, Pfeilern und Türmen 1. Tiefgründige Rotverwitterung im Tiefland Wechselfeuchte immerfeuchte Tropen 2. Gelbverwitterung 3. Prallwölbige Felshänge und Glockenberge 4. Durch Frostsprengung scharfkantige Nadeln, Türme und Felsblöcke 1.3.2.3 Peripher-Zentraler Formenwandel Ein Formenwandel zwischen Peripherie und Zentrum ergibt sich aus der morphologischen Prägekraft ozeanischen und kontinentalen Klimas. Feuchte maritime Luft begünstigt chemische Verwitterung, bringt geringe tägliche Temperaturschwankungen und reduziert die 58 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Bedeutung physikalischer Verwitterung in küstennahen Bereichen. Im Gegensatz dazu kommen in kontinentalen Gebieten Insolation und Spaltenfrost besser zur Geltung. Aus dem Gegensatz zwischen Küstenland und Binnenland ergibt sich häufig auch ein Gegensatz zwischen jüngeren und älteren Formen, die kürzere oder längere Zeit morphodynamischen Prozessen ausgesetzt sind. Als Beispiel dient die Kalktafel der erst im Pleistozän landfest gewordenen Küstenebene Yucatáns. Nahe der Küste bildeten sich flache Schüsseldolinen und steilwandige Einsturzdolinen, landeinwärts geht der Dolinenkarst bei zunehmenden Niederschlägen in höher herausgehobenen alt-tertiären Kalken in Kuppenkarst und letztendendes in einen voll ausgebildeten Kegelkarst über. Andere Beispiele zum Gegensatz Zentrum – Peripherie ist der Formenwandel zwischen •Hochgebirge, Mittelgebirge und Tiefland •Abtragungsgebiet und Aufschüttungsgebiet •Flussoberlauf – Mittellauf – Unterlauf. 1.3.2.4 West-Östlicher Formenwandel Der West-Östliche Formenwandel beruht auf planetarischen Windsystemen mit dominierenden Winden aus östlicher oder westlicher Richtung (Westwinddrift, tropischer Ostwind, äquatorialer Westwindgürtel). Liegen Gebirge oder Kontinetalränder im Luv dieser Winde, so sind sie meist Niederschlagsbringer, die Lee-Seite ist meist trockener. Die Winde bestimmen den Verlauf von Meeresströmungen und bringen vielerorts kühle Küstenströme an den Westseiten der Kontinente (Humboltstrom) und warme an den Ostseiten (Brazilstrom). Auf sie ist die Existenz von Küstenwüsten an den Westseiten und starke polwärtige Verschiebung von Korallenbauten an den Ostseiten zurückzuführen. 1.3.2.5 Vorzeitformen In der Klimageomorphologie sind planetarischer und hypsometrischer Formenwandel ein Ausdruck für eine regionale Differenzierung des Formenschatzes nach Klimazonen und Klimastufen. In manchen Gebieten entspricht die vertikale oder horizontale räumliche Abfolge einem Zeitlichen Formenwechsel am gleichen Ort. In der Regel entsprechen die niederen und hohen Breiten konservativen Räumen, in denen seit langem keine grundsätzliche Änderung der Verwitterungs- und Abtragungsbedingungen erfolgte. Oberflächenformen wurden dort nach einem einheitlichen Prinzip geprägt. Dagegen sind in subpolaren und semiariden Klimabereichen ausgedehntem auf mehrere Klimazonen verbreitete Areale auszumachen, in denen sich wesensverschiedene Vorzeit- und Gegenwartsformen mischen. In manchen Fällen spiegelt sich nahezu der gesamte klimageomorphologischer Formenwandel als zeitlicher Formenwechsel wider. Grundsätzlich ist zwischen fossilen Formen und Vorzeitformen zu unterscheiden. Betrachtet Fossile Formen fasst man als Reliktformen der geologischen Vergangenheit auf, die heute im wesentlichen Ruheformen darstellen, wie etwa fossile Kliffe oder Brandungsplattformen, die durch Hebungen oder eustatische Meeresspiegelabsenkungen außer Kraft gesetzt worden sind, oder Flussterrassen als Relikte alter Talböden. Vorzeitformen dagegen sind zwar ebenfalls fossil, jedoch nur im klimageomorphologischen Sinn. Sie werden vom heutigen Klima umgeformt, zerstört oder nur kaum, oder gar nicht angegriffen. Wesentliches Merkmal von Vorzeitformen im Gegensatz zu fossilen Formen ist, 59 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at dass sie infolge heute andersartiger Morphodynamik nicht im „alten Stil“ weitergeformt wurden. Dem entsprechend ist zwischen klimageomorphologischer Ein (nur Oberflächenformen adäquat, Vorzeitformen fehlen, z.B. immerfeuchte Tropen)- und Mehrschichtigkeit (eindeutig erkennbare Vorzeitform verzahnt sich mit rezentem Formenschatz; Vorzeit- und Jetztzeitformen treten nebeneinander auf) unterscheiden. Wo mehrere verschiedenartige Klimate nacheinander an der Bildung des Formen beteiligt sind, ist von Mehrzeitformen, oder polygenetischen Formen zu sprechen. Als Beispiel dienen Schichtstufenlandschaften, die als morphologische Einheit in zwei Formenglieder aufgespalten werden. Nach der nicht unumstrittenen Theorie nach Büdel und Mortensen entspricht die erste Phase der Flächenbildung in wechselfeuchtem, tropischen Klima. In einer zweiten Phase werden durch verstärkte linienhafte Erosion die Stufen herausgearbeitet. Weit verbreitet sind Formen die als Ganzes zwei oder mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen haben. Dafür dienen Ästuare als Beispiel. Innerhalb der ersten Phase erfolgt in den pleistozänen Kaltzeiten durch eustatische Absenkung des Meeresspiegels eone erosive Tieferlegung der Flussunterläufe. In der zweiten Phase, durch postglazialen Meeresanstieg werden die übertieften Flussunterläufe überflutet und zu weit landeinwärts reichenden Trichtermündungen umgewandelt. In gezeitenschwachen Meeren baut sich seewärts ein Delta vor, in Gezeitenmeeren bleiben sie erhalten. Als Reliefgenerationen sind alle durch gleichartige klimamorphologische Prozesse Reliefglieder zu bezeichnen, die trotz Zerstörung oder Weiterformung mit rezenten Formen ein Gefüge mehrerer Reliefgenerationen bilden. 1.3.2.6 Klimamorphologische Zonierung nach Wilhelmy Unter Berücksichtigung aller morphologisch wirksamer Faktoren und aus den heutigen Klimaverhältnissen lassen sich zwölf Formenkomplexe zusammenfassen: Zone 1: Arktische und Antarktische Gletscherzone Zone 2: Polare und subpolare Frostwechselzone a) Polare Frostschuttzone b) Subpolare Tundrenzone Zone 3: Zone winterkalter (borealer) Waldklimate Zone 4: Zone feucht-gemäßigter Waldklimate Zone 5: Zone winterkalter Waldsteppen-, Steppen-, Halbwüsten-, Wüsten und Hochwüstenklimate Zone 6: Zone außertropischer wechselfeuchter Klimate a) Mediterrane Winterregengebiete b) Außertropische Monsungebiete Zone 7: Zone feuchter Subtropen (subtropisch-wechselfeuchte Klimate mit überwiegender Regenzeit, einschließlich subtropischer Monsunklimate) Zone 8: Zone trockener Subtropen (subtropisch-wechselfeuchte Klimate mit überwiegender Trockenzeit) Zone 9: subtropisch-tropische Wüstenklimate Zone 10: Zone trockener Randtropen (tropisch-wechselfeuchte Klimate mit überwiegender Trockenzeit) Zone 11: Zone wechselfeuchter Tropen 60 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at Zone 12: Zone immerfeuchter Tropen. Der Formenschatz von Hochlandklimaten wird in die zwölf Hauptzonen einbezogen. Nach H. Wilhelmy hat Lateinamerika an allen klimageomorphologischen Zonen Anteil, ausgenommen Zone 1, Zone 2a und Zone 3. 61 Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert http://www.lateinamerika-studien.at 62