THEMEN DER ZEIT MEDIZINISCHE VERSORGUNG Ärztlich unterstützte Priorisierung ist notwendig und hilfreich Beim öffentlich-medialen Diskurs kommt es vor allem darauf an, die Verbindung Priorisierung = Rationierung zu lösen und der Priorisierung auf der Basis des schwedischen Beispiels ein positives Gesicht zu geben. Heiner Raspe, Jan Schulze* Universität zu Lübeck, Akademisches Zentrum für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung: Prof. Dr. med. Dr. phil. Raspe Präsident der Ärztekammer Sachsen, Dresden: Prof. Dr. med. habil. Schulze ie demografische Entwicklung in Deutschland sowie der medizinische Fortschritt werden zu einem Anstieg der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führen. Die Menschen in Deutschland werden weniger, aber dafür (glücklicherweise) immer älter. Damit steigen die altersbedingte Multimorbidität sowie der Pflegebedarf. Das Problem wird mit dem Eintritt der Geburtsjahrgänge 1955 bis 1968 (Babyboomer) in das Rentenalter in den nächsten Jahren noch verschärft. Um dann die medizinische Versorgung auf dem heutigen Niveau aufrechtzuerhalten, wären ohne Kostendämpfungsanstrengungen erhebliche Beitragssatzsteigerungen notwendig. Dies kann sich allerdings niemand, weder finanziell noch politisch, leisten. Darüber sind sich Politiker wie auch Wissenschaftler und die (gemeinsame) Selbstverwaltung einig. Nicht einig ist man sich dagegen über die Wege, die zu einer Lösung dieses nicht nur fiskalischen Problems führen können. Allein durch Beitragssatzerhöhungen, Einsparungen oder Steuerzuschüsse, wie es in zahlreichen Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte praktiziert wurde, ist das Trilemma zwischen Leistungsbedarf, Leistungsinanspruchnahme und dadurch entstehenden Kosten nicht zu lösen. Auch die Rationa- D *In Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Priorisierung im Gesundheitswesen“: Prof. Dr. Fritz Beske, Prof. Dr. Adele Diederich, Dr. Esther Freese, Prof. Dr. Christoph Fuchs, Prof. Dr. Dr. Dominik Groß, Dr. Simone Heinemann-Meerz, Rudolf Henke, Prof. Dr. Georg Marckmann, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel, Prof. Dr. Dr. Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. Heiner Raspe (Vorsitz), Dr. Bernhard Rochell, Prof. Dr. Jan Schulze (Vorsitz), Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 lisierung in der Medizin stößt an Grenzen, da Kliniken nicht wie Autofabriken gesteuert werden können. Eine stille Rationierung, wie wir sie bereits heute vorfinden, kann als Dauerzustand nicht akzeptiert werden. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) im Frühjahr 2012 eine Arbeitsgruppe „Priorisierung im Gesundheitswesen“ eingesetzt. Er folgt damit auch einer Bitte des Deutschen Ärztetages. Das Thema Priorisierung sollte aus Sicht der Ärzteschaft weiterentwickelt werden, um den gesellschaftlichen Diskurs voranzutreiben. Die Vorstandsarbeitsgruppe legt diesen Zwischenbericht als Diskussionsentwurf vor. Zu den Beratungsschwerpunkten zählte zunächst ein Konsens, was unter Priorisierung zu verstehen sei, und dies in Abgrenzung zur Rationierung. Im Kern geht es um die Klärung und Feststellung von Vor- und Nachrangigkeiten in der medizinischen Versorgung mit dem Ziel, Entscheidungen Dritter durch wissenschaftlich fundierte Versorgungsempfehlungen zu unterstützen. Priorisierung wird enttabuisiert, weil sie Potenziale zur Klärung zahlreicher Fragen entfaltet, die die Ärzteschaft und die Gesellschaft bewegen. Dazu zählt vor allem die Frage der Bedarfs- und Verteilungsgerechtigkeit bei der Allokation der (unvermeidlich immer) begrenzten Mittel in der medizinischen Versorgung. Priorisierung eröffnet Perspektiven zum rationalen Mitteleinsatz und zur Qualitätssicherung im Gesundheitssystem. Die Arbeitsgruppe empfiehlt in einem nächsten Schritt gezielte Veranstaltungen, um einen innerärztlichen Konsens zum Verständnis und zur Bedeutung der Priorisierung im Gesundheitswesen herbeizuführen. Dies ist das Fundament, um den so wichtigen gesellschaftlichen – ethischen wie politischen – Diskurs zu dieser Thematik vorzubereiten. Zum Hintergrund Das deutsche System der medizinischen Versorgung ist – im internationalen Vergleich – hoch entwickelt und leistungsfähig. Das Gesundheitswesen in Deutschland genießt offensichtlich das Vertrauen der Bevölkerung: 23 Prozent schätzen dieses System als „sehr gut“ und weitere 67 Prozent als „gut“ ein; 86 Prozent halten es für „eines der leistungsfähigsten der Welt“ (1). Nach einer anderen Stu- 1 die ist die positive Status-quo-Einschätzung („gut/sehr gut“) nach einem Tief 2008 (59 %) kontinuierlich auf den bisherigen Höchstwert von 82 Prozent (2012) gewachsen. Diese Entwicklung zeigte sich unabhängig davon, ob die Befragten gesetzlich oder privat versichert waren (2). Entsprechend stimmte eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung (76 %) vor kurzem noch der Aussage „voll und ganz“ oder A 1091 THEMEN DER ZEIT „eher“ zu: „Meine Krankenkasse bezahlt zurzeit alle notwendigen Leistungen, die ich benötige.“ Allerdings sank dieser Anteil auf 48 Prozent, wenn es um die Aussage geht: „Meine Krankenkasse wird in Zukunft alle notwendigen Leistungen bezahlen, die ich benötige.“ (3) Der Bertelsmann-Gesundheitsmonitor verzeichnet seit 2001 einen steigenden Anteil von Befragten, die „befürchten, ihre Krankenkasse (übernimmt) zukünftig nicht mehr die Leistungen, die für sie wichtig sind“. (2001: etwas mehr als 60 %, 2009 etwas mehr als 70 %) (4). Hier wird aufseiten der Bürger eine pessimistisch gestimmte Zukunftsunsicherheit deutlich, die sich auch in der Ärzteschaft selbst fassen lässt. In einer Befragung von circa 5 000 Klinik- und Praxisärzten in Schleswig-Holstein (5) (Antwortrate 58 %) lag die mittlere „Zufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit“ auf einer Skala von 0 = „überhaupt nicht zufrieden“ bis 10 = „voll und ganz zufrieden“ bei 6,7 Punkten (6). Nur 18 Prozent erwarteten keine „Verschlechterung meiner Arbeitssituation“. Auch in der jüngsten Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (n = 148 730; Antwortrate 53 %) stimmten 87 Prozent der Vertragsärzte und -psychotherapeuten „eher“ oder „voll und ganz“ der Aussage zu: „Meine Arbeit macht mir Spaß.“ Nur fünf Prozent empfanden ihre Arbeit nicht als „nützlich und sinnvoll“ (7). Dennoch wurde in der erstgenannten Studie die „ärztliche Arbeits- und Berufssituation insgesamt in der Zukunft“ auf einer Skala von –5 („generell schlechter“) über 0 („unverändert“) bis +5 („generell besser“) im Mittel bei –2,13 verortet. Die Beurteilung der aktuellen und der künftigen Situation fallen deutlich auseinander. 2 Ein zentraler Nenner dieser pessimistischen Einschätzung der ärztlich-beruflichen Zukunft scheint in der wahrgenommenen Gefährdung dessen zu liegen, was international unter dem Stichwort „Medical Professionalism“ disku- 3 A 1092 tiert wird. Eine knappe Definition gab im Dezember 2005 das Royal College of Physicians of London (8): „Medical professionalism signifies a set of values, behaviours, and relationships that underpins the trust public has in doctors.“ Auch der kurz vorher erschienenen Charter on Medical Professionalism (9) ging es um das öffentliche Vertrauen in die ärztliche Profession. Dieses Vertrauen sei die Basis eines – ungeschriebenen – „Vertrages zwischen Medizin und Gesellschaft“: Er verlange, die Interessen der Patienten über die des Arztes zu stellen, Standards für Kompetenz und Integrität zu setzen und aufrechtzuerhalten und der Gesellschaft fachlichen Rat dort zu geben, wo es um Fragen der Gesundheit gehe. Da die Charta sich ganz auf die ärztliche Situation fokussierte, ließ sie die Gegenleistungen der Gesellschaft unerwähnt, nämlich die Möglichkeit von selbstverantwortlicher Tätigkeit und autonomer Selbstregulierung des Berufsstandes, verbunden mit einem hohen gesellschaftlichen Ansehen. Auch solche Übereinkünfte zwischen „der“ Gesellschaft und „der“ Ärzteschaft unterliegen dem Risiko der Kündigung. Für die Gefährdung dieser Übereinkunft kommen unter anderem die mediale Öffentlichkeit, die Legislative und andere Normgeber, die Kostenträger im Gesundheitswesen, die Gesundheitsindustrie, die Patienten und schließlich auch die Ärzteschaft selbst infrage. In soziologischer Interpretation geht es der Ende der 1990er Jahre beginnenden und bis heute anhaltenden ärztlichen Diskussion um „Medical Professionalism“ darum, diese Übereinkunft und das sie tragende und durch sie getragene Vertrauen lebendig zu halten und zu stärken. Mit dieser Zielrichtung (nach außen und innen!) formulierte die genannte Charta drei zentrale Prinzipien (Patientenwohl, Patientenautonomie, soziale Gerechtigkeit) ärztlicher Arbeit und zehn Selbstverpflichtungen beziehungsweise Verantwortlichkeiten. 4 Ähnlich wie die Charta bildet die in ihrer Entwicklung wesentlich ältere (Muster-)Berufsordnung (MBO) (10) in Teilen vergleichbare Prinzipien und Selbstverpflichtungen ab. Sie gibt den Rahmen für die ärztliche Berufsausübung in Deutschland und füllt somit die Funktion aus, der vorab genannten Übereinkunft zwischen Ärzten und ihren Patienten beziehungsweise der Gesellschaft gerecht zu werden. Der folgende Text stellt die nationale Priorisierungsdiskussion ausdrücklich in den Kontext der internationalen Professionalismusdiskussion. Er fasst Priorisierung in der medizinischen Versorgung auch als eine professionelle Aufgabe. Der ärztlich-klinische Beitrag zur Priorisierung zielt auf den oben genannten „expert advice to society in matters of health“ ab. Priorisierung hat nach unserer Auffassung das Potenzial, zur Klärung einer ganzen Reihe von aktuell die Gesellschaft und insbesondere auch die Ärzteschaft beschäftigenden Fragen beizutragen: ● Was sind die zentralen Ziele der ärztlichen Tätigkeit? Was ist ihr zentraler Aufgabenbereich? In welchem Verhältnis stehen der in der MBO genannte Dienst für die Gesundheit des „einzelnen Menschen“ und der für die des „ganze(n) Volk(es)“ zueinander? Was sind die Grenzen einer „wunscherfüllenden Medizin“? ● Welche Krankheitszustände, Krankengruppen, Leistungen, Indikationen, Bedarfe sind als besonders wichtig und dringend anzusehen? ● Und nach welchen Werten und Kriterien soll dies von wem in welchen Verfahren beurteilt werden? ● Welche Bedeutung hat für die Medizin die Begrenztheit, in manchen ihrer Sektoren auch die (zunehmende) Knappheit wichtiger Ressourcen? ● Wo existieren welche Rationalisierungsreserven, und welche Leistungen sind aus welchen Gründen so verzichtbar, dass sie, sollte eine systematische Rationierung unvermeidlich werden, entfallen könnten? 5 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 THEMEN DER ZEIT ● Welche Verantwortung hat die Ärzteschaft für die finanzielle Stabilität der solidarisch verfassten GKV und die bedarfsgerechte und gleichmäßige Allokation, eventuell auch Umverteilung ihrer Mittel? ● Wie ist in Hinblick des rascher werdenden medizinischen Fortschritts zu unterscheiden, was mit welcher Priorität in die klinische Praxis und in den Leistungskatalog der GKV einzubringen ist? ● Wie verhalten sich traditionelle ärztliche Pflichten und Tugenden zu der zunehmenden Ökonomisierung und Verrechtlichung (11) der medizinischen Praxis? ● Welche Antwort hat die Medizin auf die (häufig ökonomisch getriebene) Medikalisierung weiter(er) Lebensbereiche? Es wird eine Aufgabe der Arbeitsgruppe sein, wenigstens auf einige dieser Fragen im Kontext einer ärztlichen Priorisierungsdiskussion Antworten zu finden. Legt man Bürgern die Frage vor: „Wie groß sollte Ihrer Meinung nach der Einfluss [der Ärzte und ihrer Verbände] auf die Gesundheitspolitik sein?“, dann antworten 78 Prozent mit „sehr groß“ oder „eher groß“. Dies wird nur noch von der Zustimmung zum Einfluss von „Patientenverbänden“ (84 %) übertroffen (12). 6 Ein mitbestimmender Einfluss der Ärzteschaft auf die Gestaltung des Leistungskatalogs der GKV wird von 84 Prozent unserer Mitbürger befürwortet (13). Dabei dürfte den meisten Befragten unbekannt sein, dass jedenfalls die Vertragsärzte schon jetzt diese Möglichkeit haben und über ihre „Bank“ im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wahrnehmen. Würde sich die gesamte Ärzteschaft an einer transparenten und partizipativ gestalteten nationalen Priorisierungsdiskussion aktiv beteiligen, könnte dies – unter bestimmten Voraussetzungen (siehe unten) – das oben genannte öffentliche Vertrauen erhalten und stärken. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand der Bundesärztekammer im Frühjahr 2012 die Arbeitsgruppe „Priorisierung im Gesundheitswesen“ eingesetzt. Sie soll sich „mit der inhaltlichen Weiterentwicklung des Themas aus der Sicht der Ärzteschaft auf Basis der Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) aus den Jahren 2000 und 2007 sowie dem im Ulmer Papier geforderten Gesundheitsrat befassen, die bereits zur Diskussion gestellten Inhalte zum Thema konkretisieren sowie den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs vorantreiben“. (14) 7 Priorisierung – unser ärztliches Grundverständnis Die Arbeitsgruppe folgt in ihrem Verständnis von Priorisierung der Definition der zweiten Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) aus dem Jahr 2007 (15) – mit geringen Präzisierungen und Erweiterungen (hier in [] eingefügt): „Die ZEKO versteht unter Priorisierung die ausdrückliche Feststellung einer Vorrangigkeit [einer vorab definierten Menge] von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden [oder anderen Objekten] vor anderen. Ihr Gegenteil wird mit Posteriorisierung bezeichnet. 8 Grundsätzlich führt Priorisierung zu einer mehrstufigen Rangreihe. An deren oberen Ende steht, was [im Rahmen gesellschaftlich geklärter Ziele, Werte, Normen und Kriterien] nach Datenlage und fachlichem wie öffentlichem Konsens als unverzichtbar beziehungsweise wichtig [und dringlich] erscheint, am Ende das, was wirkungslos ist beziehungsweise mehr schadet als nützt. Nicht nur Methoden, sondern auch Krankheitsfälle, Kranken- und Krankheitsgruppen, Versorgungsziele und vor allem Indikationen (das heißt Verknüpfungen bestimmter gesundheitlicher Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 Problemlagen mit zu ihrer Lösung geeigneten Leistungen) können priorisiert werden.“ Priorisierung lebt somit von einem methodisch-systematischen Nahvergleich ihrer Objekte. Dabei kann erst einmal offenbleiben, ob der Vergleich sich einer in jedem Fall identischen Metrik bedient oder ob diese die Besonderheiten unterschiedlicher Kontexte zu berücksichtigen hat. Priorisierung ist ein sehr viel anspruchsvolleres Unternehmen als Prioritätensetzung: Bei dieser bleibt die Menge der zu vergegenwärtigenden Objekte im Dunkeln. Prioritätensetzung zielt generell darauf ab, wenige ausgewählte Objekte (zum Beispiel Politikziele einer neuen Regierung), oft freihändig und in werbender Absicht, als besonders wichtig und dringlich herauszuheben. 9 Es gehört zu den bei uns lange gepflegten Fehlwahrnehmungen, Priorisierung und Rationierung miteinander zu identifizieren und Priorisierung höchstens für ein euphemistisch-verschleierndes Synonym von Rationierung zu halten. Hingegen verwirklicht Priorisierung ein eigenes und von Rationierung klar abgrenzbares Reflexions- und Handlungsprogramm, wenn man unter Rationierung das systematische tatsächliche Vorenthalten medizinisch notwendiger beziehungsweise wenigstens überwiegend nützlicher (verfügbarer) Leistungen aus Knappheitsgründen versteht. Dabei ist der Begriff Rationierung in Deutschland ausschließlich – und einseitig – negativ konnotiert. Diese Auffassung übersieht, dass Rationierung immer auch ein intentional gerechtes Zuteilen knapper „Rationen“ (lebens)wichtiger Güter möglichst oberhalb des Existenzminimums beinhaltet, durchaus unter Anerkennung unterschiedlicher Bedarfe (man denke an unterschiedliche Lebensmittelrationen für Kinder, Schwangere, Schwerarbeiter, Senioren). Priorisierung ist dagegen nicht mehr und nicht weniger als die vor- 10 A 1093 THEMEN DER ZEIT gängige gedankliche Klärung und Feststellung von Vor- und Nachrangigkeiten in der medizinischen Versorgung. Es wird eine zentrale Aufgabe der Arbeitsgruppe sein, die nahezu reflexhafte Verbindung Priorisierung = Rationierung zu lösen. Während sich in jeder Rationierung Allokationsentscheidungen mehr oder weniger schmerzhaft verwirklichen, zielt Priorisierung darauf ab, die zu solchen Entscheidungen Legitimierten zu informieren. Priorisierung kann verschiedene Ziele verfolgen und verschiedene Funktionen erfüllen: ● sich der eigenen gesellschaftlichen, professionellen et cetera Moralität zu vergewissern, ● das eigene Berufsfeld einzugrenzen und zu bewahren, es vor Überbeanspruchung und Ausfransung zu schützen, ● sich am objektivierbaren Versorgungsbedarf zu orientieren, ● sich gegen simple Ökonomisierung zu stellen, ● eine gleichmäßige Versorgung zu fördern, ● auf Forschungslücken und -erfordernisse hinzuweisen, ● begründete und transparente Rationierung zu ermöglichen und ● die Einordnung neuer Methoden zu unterstützen. Priorisierung führt zu wert-, zielund kriterienbasierten Versorgungsoder allgemeinen Allokationsempfehlungen, die den Entscheidungsspielraum der jeweils Legitimierten respektieren und schützen. Sie nimmt deren Entscheidungen nicht vorweg. 11 Priorisierung trägt somit auch zu einem rationalen Mitteleinsatz und zur Qualitätssicherung im Gesundheitssystem bei. Bereits heute werden im Rahmen der Entwicklung von Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) von BÄK, Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) vertikale Priorisierungsmethoden angewandt (16). Nicht zuletzt vor dem Hinter- 12 A 1094 grund der zunehmenden Diskussion über den nachhaltigen Ressourceneinsatz in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist es einmal mehr geboten, neue Instrumente für eine transparente und vernünftige Ressourcenverteilung im deutschen Gesundheitssystem in die gesellschaftspolitische und ärztliche Diskussion einzubringen. Zur europäischen Geschichte von Priorisierung Während sich in Dänemark eine etwas erratische Priorisierungsdiskussion bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen lässt (17), begann diese – auf hohem institutionellem und theoretischem Niveau – in Norwegen 1985 mit der Einsetzung einer Staatskommission durch die Sozialministerin einer damals konservativen Regierung (18). Ihre Führung wurde Inge Lønning, einer Professorin für Systematische Theologie der Universität Oslo, übergeben. Die Einsetzung erfolgte zu einer Zeit, in der Norwegen im Begriff war, infolge der Förderung des Nordseeöls eines der reichsten Länder der Erde zu werden. Dennoch war das Komitee in seiner 1987 veröffentlichten Stellungnahme der Ansicht, „that the guidelines for prioritizations in the health service should be formulated in such a way that they may be applied independently of whether the health sector’s total financial resources increase, are reduced or remain stable“. Diese „Guidelines for prioritizations in the Norwegian health service“ betonten ausdrücklich: „In its discussion of objectives, principles and guidelines for the future process of prioritization within the Norwegian health service, the committee has based its work on generally-accepted values in Norwegian society . . . (the) social responsibility for socially-deprived and underpriviledged individuals in the health sector should manifest itself as a prioritized obligation in respect of the weakest individuals in society.“ Priorisierung erschien hier als Anlass und Chance, sich erneut der nationalen Moralität zu versichern und diese zu bekräftigen. Ein zweites Lønning-Komitee arbeitete von 1995 bis 1996; es stellte ernüchtert fest, dass es in der vergangenen De- 13 kade zu keinen wesentlichen Weiterentwicklungen gekommen sei. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Niederlande. Auch hier wurde – im Jahr 1990 – eine Staatskommission eingerichtet, das sogenannte Dunning-Komitee. Dessen Bericht erschien 1992 unter dem Titel „Choices in health care“ (19). Auch hier ging es unter anderem um eine ethische Grundlegung von Priorisierung – und auch in diesem Land versandete die Diskussion in den folgenden Jahren. 14 Ein anderes Bild bietet Großbritannien mit einer wenigstens bis in die 1960er Jahre zurückreichenden Diskussion (20): Hier wurden und werden die Begriffe Priorisierung und Rationierung annähernd synonym gebraucht. Und da Rationierung (im oben definierten weiten Sinn) die britische Bevölkerung bis weit in die 1950er Jahre begleitet hat und im Nationalen Gesundheitsdienst bis heute erfahrbar ist, gilt Rationierung dort nicht als „hässliches“ Tabuwort (21). Im Gegenteil: Rationierung wird als unvermeidlich („inevitable“) angesehen. Und so gibt es in vielen Regionen des National Health Service (NHS) „priority-setting boards or forums“ (22), wobei ethische Fragen nur vereinzelt behandelt werden. Priorisierung wird im NHS als Entscheidungswerkzeug verstanden, der sich Rationierung im oben genannten Sinne unmittelbar anschließen soll (23). 15 In Deutschland kam die Priorisierungsdiskussion nur schwer in Gang. Jedenfalls fand die erste Publikation zum Thema (24) ebenso wenig Resonanz wie die Stellungnahmen der ZEKO 2000 (25) und 2007 sowie der Arbeitsbe- 16 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 THEMEN DER ZEIT richt der Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Ethik und Recht der modernen Medizin“ 2005 (26). Eine heftige Bewegung kam erst im Mai 2009 in die Diskussion, nachdem der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, in Mainz zur Eröffnung des 112. Deutschen Ärztetages über „Verteilungsgerechtigkeit durch Priorisierung – Patientenwohl in Zeiten der Mangelverwaltung“ sprach. Es dauerte nur Tage, bis sich ein jahrelanges aktives Schweigen in einen Sturm der Entrüstung verwandelte. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien, Spitzenvertreter der GKV und auch eine „linke“ Ärzteopposition waren sich in ihrer Ablehnung einig. Priorisierung sei unethisch, grundgesetzwidrig, unnötig beziehungsweise vermeidbar, gefährlich, hinterhältig (27). Erst seit 2010 ist die nationale Diskussion in zunehmend ruhiges Fahrwasser gekommen, wohl auch durch die Aktivitäten einer Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihre Veröffentlichungen (28). Seither ist Priorisierung Thema verschiedener Zeitschriftensonderhefte und diverser Fachkongresse geworden. In Schweden begann es mit einem Seitenblick in Richtung Norwegen mit einer auf Betreiben des Reichstags 1992 eingesetzten Parlamentskommission, sie legte 1995 ihren Abschlussbericht vor (29). Auch er verdeutlicht, dass jede Priorisierung eine ethische Basis braucht. Diese muss nicht vor einem philosophischen Oberseminar bestehen können – sondern in der Lage sein, die Moralität des Gesundheitssystems (30), in dem und für das priorisiert werden soll, nach innen überzeugend in wenigen Grundprinzipien zusammenzufassen. Dies sichert dem Priorisierungsprojekt einen Teil seiner sozialen Legitimation und gibt den schließlich gewählten Priorisierungskriterien und -verfahren einen plausiblen moralischen Rahmen. Und so zeigen sich, vergleicht man die Grundprinzipien und Kriterien verschiedener Länder, durchaus 17 Unterschiede zwischen zum Beispiel Dänemark, Schweden und Großbritannien. In Schweden soll Priorisierung „in ranking order“ auf drei ethische Prinzipien gegründet werden: Menschenwürde und Diskriminierungsverbot, Bedarf und Solidarität sowie Kosteneffizienz. Schweden ist nach unserer Kenntnis das einzige europäische Land, in dem die nationale Priorisierungsdiskussion bis heute nie abriss, sondern im Gegenteil zu einem sehr handfesten Werkzeug der Versorgungssteuerung, den nationalen Priorisierungsleitlinien, führte. Dieser besondere Typus von Leitlinie ist ein gemeinsames Produkt einer staatlichen Agentur (Socialstyrelsen), der schwedischen Ärzteschaft, der schwedischen Regionen und des 2001 gegründeten nationalen Priorisierungszentrums an der Universität Linköping. Die erste Leitlinie erschien 2004 und widmete sich der Versorgung Herzkranker. Inzwischen existiert ein rundes Dutzend solcher Leitlinien, manche schon in dritter Überarbeitung. Sie betreffen Krankheitsgruppen oder Versorgungsbereiche von herausgehobener klinischer, epidemiologischer und ökonomischer Bedeutung mit umstrittenen Leistungen und hoher Praxisvariation. Innerhalb dieser Bereiche priorisieren sie – „vertikal“ – sogenannte Condition-Intervention Pairs (CIPs), das heißt feste Koppelungen bestimmter klinischer Zustände mit zu ihrer Behandlung mehr oder weniger geeigneten Interventionen. Diese können diagnostische, präventive, kurative, rehabilitative oder palliative Ziele verfolgen. Im Laufe der letzten Dekade ist so ein „Nationales Modell für eine transparente Priorisierung im schwedischen Gesundheitsdienst“ (31) entwickelt und schrittweise konsolidiert worden. In jüngster Zeit ist es in verschiedenen Regionen und Einrichtungen auch zur Vorbereitung von Rationierungen genutzt worden. Wie die deutschen NVL haben auch die schwedischen Priorisierungsleitlinien nur empfehlenden Charakter. Sie dienen aber im Gegensatz zu den NVL der „Unterstützung der Steuerung und Leitung“ vor allem von regionalen Einrichtungen und Versorgungsprogrammen und von vielfältigen Allokationsentscheidungen typischerweise oberhalb der klinischen Ebene. Die NVL zielen demgegenüber in erster Linie auf das klinische Handeln an und mit Patienten ab. Trotz dieses deutlichen Unterschieds in der Zielsetzung gibt es Gemeinsamkeiten: Beide Leitlinientypen sind systematisch und im Rückgriff auf die bestverfügbare Evidenz – partizipativ – entwickelt worden und kennen abgestufte Empfehlungen. Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie beide Leitlinientypen zusammengeführt werden könnten. 18 Überlegungen zum weiteren Vorgehen Zur „Weiterentwicklung des (Priorisierungs-)Themas aus Sicht der Ärzteschaft“ und um „den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs voranzutreiben“, wird man zuerst die Ärzteschaft selbst gewinnen müssen. Aus der Arbeit von Schröder und Raspe (5) geht auch hervor, dass die befragten Ärzte „eine Beteiligung an der Rationierungs-/ Priorisierungsdebatte“ eher als wenig wichtig einstufen. Es war dieses Item, das unter 39 vorgegebenen „ärztlichen Aufgaben“ den letzten Rang einnahm. Um diese Einschät- 19 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 zung zu ändern, könnten gezielte Veranstaltungen in allen (interessierten) Landesärztekammern unter aktiver Unterstützung seitens der Bundesärztekammer organisiert werden. Sie sollten auf die regional unterschiedliche Entwicklung des Themas Rücksicht nehmen und doch einige klare Botschaften (Wertungen, Fakten, Verfahrensvorschläge) präsentieren. Um in die Problematik einzuführen, haben sich im Ausland und in der Lübecker Bürgerkonferenz verschiedene „Priorisierungsspiele“ (32) bewährt. A 1095 THEMEN DER ZEIT Daneben wird der öffentlich-mediale Diskurs weiterzuführen sein. Hier wird es vor allem darauf ankommen, die Verbindung Priorisierung = Rationierung zu lösen und Priorisierung auf der Basis des schwedischen Beispiels ein positives Gesicht zu geben: Ärztlich unterstützte Priorisierung ist notwendig und hilfreich – auch als vertrauensbildende Maßnahme. Daneben ist eine Reihe weiterer Potenziale ins Bewusstsein zu bringen (siehe 11). 20 Dieser Diskurs dürfte erheblich von einem organisierten Forum profitieren. Hierzu hatte die deutsche Ärzteschaft in ihrem Ulmer Papier 2008 die Einrichtung eines Gesundheitsrats gefordert (33), der gesundheitspolitische Priorisierungsentscheidungen vorbereitet, sich also im „vorpolitischen Raum“ bewegen soll. Diese Forderung ist von Hoppe mehrfach aufgenommen und präzisiert worden (34). Alternative Foren sind denkbar: Anknüpfung an den G-BA, Enquetekommission des Deutschen Bundestages, gesonderte Regierungskommission, Deutscher Ethikrat. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Kontext die Erarbeitung einer ethischen Plattform unter Einbeziehung aller relevanten Akteure. Hierzu sind neben der Ärzteschaft auch andere Gesundheitsfachberufe, Epidemiologen, Patienten- und Bürgervertreter, Ethiker und Juristen, Psycho- und Soziologen, Ökonomen und Politologen zu zählen. Auch Politiker sollten, folgt man dem Ulmer Papier, einbezogen werden. Dieses betont auch, dass die Allokationsentscheidungen (35) „transparent und öffentlich nachvollziehbar“ „von der Politik“ getroffen werden müssen. 21 Erst danach scheint es möglich, sich mit der Priorisierung konkreter Objekte zu beschäftigen. Hierzu macht das schwedische Modell verfolgenswerte Vorschläge. Aber auch bei uns gibt es Beispiele gelungener Priorisierung, etwa im Bereich der Allokation knapper Organe zur Transplantation. Hier werden Krankheitsfälle 22 A 1096 priorisiert. Eine spontane Priorisierung und Rationierung wurde 2009 unausweichlich, als sich weltweit und damit auch in Deutschland plötzlich die Verfügbarkeit des damals einzigen Enzymersatzpräparats zur Behandlung von Morbus Gaucher (Cerezyme®) auf 20 bis 50 Prozent reduzierte; auch hier wurden noch Einzelfälle, aber auch schon Fallgruppen (zum Beispiel schwangere Patientinnen) priorisiert (36). Als man im Herbst 2009 eine Impfstoffknappheit zur Bekämpfung der neuen Influenza A (H1N1) wähnte, veröffentlichte die Ständige Impfkommission eine Liste zur Priorisierung der zeitlich gestaffelt zu impfenden Bevölkerungsgruppen (37). In Schweden steht zurzeit die Priorisierung der genannten Condition-Intervention Pairs (siehe 17) im Kontext der Leitlinienentwicklung im Zentrum der Aktivitäten. Hierzu werden von der staatlichen Agentur drei Gruppen gebildet: eine Steuerungsgruppe, eine Faktgruppe und eine Priorisierungsgruppe. In jeder dominiert die medizinisch-professionelle Perspektive; an der ersten und dritten ist Socialstyrelsen beteiligt. Die erstgenannte Gruppe legt das zu behandelnde Versorgungsfeld und Krankheitenspektrum (zum Beispiel Kardiologie mit koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Klappenfehler, Rhythmusstörungen, kindliche Herzfehler) fest und schlägt die zu priorisierenden CIP vor. Die zweite Gruppe sammelt und sichtet die für sie einschlägige Evidenz aus klinischer Forschung und Versorgungsforschung. Parallel wird die gesundheitsökonomische Evidenz vergegenwärtigt. Die dritte Gruppe diskutiert auf der Basis der Arbeiten der Gruppe 2 die Ränge und legt sie (einvernehmlich) fest. An ihr sind jeweils ein Ethiker und ein Gesundheitsökonom (aber kein Jurist) beteiligt. Die Aufgabe des Ethikers ist es, auf die Einhaltung der moralischen Standards zu achten. Eine Bürger- und Patientenbeteiligung ist möglich. Die Ergebnisse der Arbeit der Steuerungsgruppe 23 und der Priorisierungsgruppe werden in einem breiten Konsultationsprozess abgestimmt. Über fertiggestellte Priorisierungsleitlinien wird systematisch und intensiv in der Öffentlichkeit wie in der Fachwelt informiert und diskutiert. Von den Leitlinien existieren auch Versionen für Patienten und Regionalpolitiker. Auch dieser Typ Leitlinie gibt wie gesagt „nur“ Empfehlungen. Deren Berücksichtigung wird dort, wo es möglich ist, im Lichte der zahlreich vorhandenen schwedischen Register (zum Beispiel der zur interventionellen Kardiologie) verfolgt. Auffällige und unplausible interregionale Variationen und intraregionale Veränderungen werden identifiziert, öffentlich gemacht und selbst von den regionalen Medien diskutiert. Es gilt die „Methode des offenen Vergleichs“. Hiermit wird einerseits die professionelle Ehre angesprochen, andererseits arbeitet das System mit dem Steuerungsmechanismus der sozialen Verstärkung – wohingegen sich das deutsche System ganz überwiegend deprofessionalisierend auf die Mechanismen Geld und Recht verlässt. Die Arbeitsgruppe hält das schwedische Modell in seinen Grundintentionen, Grundlegungen und Verfahren für vorbildlich und schlägt vor, es mit angemessenen Modifikationen unter Berücksichtigung der ZEKO- und Ärztetags-Vorarbeiten zur Basis des Priorisierungsprojekts der BÄK zu machen. Vorbereitend ist die Ärzteschaft für ein deutsches Priorisierungsprojekt zu gewinnen. Schon auf dieser Stufe ist über angemessene Formen der Beteiligung weiterer Gesundheitsberufe, von Patientenund Verbraucherorganisationen sowie Bürgern nachzudenken. 24 █ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2013; 110(22): A 1091−6 Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Dr. phil. Heiner Raspe Universität zu Lübeck Akademisches Zentrum für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck [email protected] @ Literatur im Internet www.aerzteblatt.de/lit2213 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 22 | 31. Mai 2013 THEMEN DER ZEIT LITERATURVERZEICHNIS HEFT 22/2013, ZU: MEDIZINISCHE VERSORGUNG Zur Weiterentwicklung des Priorisierungsthemas Das schwedische Modell wirkt in seinen Grundintentionen, Grundlegungen und Verfahren zur Priorisierung auch für Deutschland vorbildlich. Heiner Raspe LITERATUR 1. Continentale-Studie 2012: Positive Dualität: PKV und GKV aus Sicht der Bevölkerung. September 2012. Siehe: http://www.continentale.de/cipp/continen tale/lib/pub/tt,oid,2102/lang,1/ticket,guest#2012 – 25.2.13 2. MLP Gesundheitsreport 2012/13, S. 7; siehe dazu eine ppt-Präsentation unter http://www.mlp-ag.de/homepa ge2010/servlet/contentblob/534846/data/praesentation.pdf /15.3.13 3. Diederich A und M. Schreier: Einstellungen zu Priorisierungen in der medizinischen Versorgung: Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung. FOR655 – Nr. 27/2010. Zugänglich über: http://www.priorisierung-in-der-medizin. de/index.php?option=com_content&view=article&id=22&Itemid=21&lang=de / Tabelle 3.1.2, 3.3.2013 4. Bertelsmann Stiftung: Vertrauen ins Gesundheitssystem: Bei Kassenpatienten Fehlanzeige. Health Policy Monitor 1/2010, Abbildung 1 5. Schröder, Th.H. und H. Raspe: Ärztliche Einstellungen und Werthaltungen vor aktuellen Herausforderungen der Profession – Ergebnisse einer postalischen Befragung von Ärztinnen und Ärzten in SchleswigHolstein. In F.W. Schwartz und P. Angerer (Hrsg.): Arbeitsbedingungen und Befinden von Ärztinnen und Ärzten. Report Versorgungsforschung Band 2. Köln (Deutscher Ärzte Verlag) 2010, 83–100 6. Zum Vergleich: die höchste mittlere Zufriedenheit erreichte in dieser Studie mit 7,5 Punkten die Auswahlmöglichkeit „Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt.“ 7. Siehe: http://www.kbv.de/befragung.html – 25.2.13 8. Royal College of Physicians: Doctors in society. Medical professionalism in a changing world. London 2005, S. 14 9. Medical Professionalism Project: Medical Professionalism in the new millennium. A physicians’ charter. Lancet 2002;359:520–2 10. In ihrer Fassung aus dem Jahr 2011: http://www.bundesaerztekammer.de/ downloads/MBO_08_20111.pdf – 25.2.13 11. Unter „Ökonomisierung“ wird hier ein marktgesellschaftlicher Vorgang verstanden, in dem vorher nicht-ökonomische Sachverhalte zunehmend in rein ökonomischen Begriffen und Modellen diskutiert und in v.a. betriebswirtschaftlicher Logik als ökonomische Größen wahrgenommen und behandelt werden. Analog kann der Begriff „Medikalisierung“ definiert werden. 12. Bandelow, N.C., F. Eckert und R. Rüsenberg: Wie möchte die Wähler verarztet werden? Gesundheitspolitische Entscheidungsprozesse im Urteil der Bevölkerung. In: Böcken, J, B. Braun und U. Repschläger (Hrsg.): Gesundheitsmonitor 2012. Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 2013:14–27 13. Diederich A und M. Schreier: Einstellungen zu Priorisierungen in der medizinischen Versorgung: Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung. FOR655 – Nr. 27/2010. Zugänglich über: http://www.priorisierung-in-der-medizin. de/index.php?option=com_content&view=article&id=22&Itemid=21&lang=de / Tabelle 3.10.1, 14. So die Formulierung des Einladungsschreibens des Hauptgeschäftsführers der BÄK und Prof. Schulzes (Dresden) zur 1. und konstituierenden Sitzung der AG vom 29.3.2012 15. Zentrale Ethikkommission: Priorisierung medizinischer Leistungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Deutsches Ärzteblatt 2007;PP6 November 2007:531–5 16. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien. Methoden-Report. 4. Auflage. 2010 [cited: 30.07.2010]. Available from: http://www.versorgungsleitlinien.de/me thodik/reports; DOI: 10.6101/AZQ/000061 17. Siehe Pornak, S., Th. Meyer und H. Raspe: Priorisierung in der Medizin- Verlauf und Ergebnisse der dänischen Priorisierungsdebatte. Gesundheitswesen 2011;73:1–8. 1997 veröffentlichte der dänische Ethikrat einen Bericht in englischer Sprache: Priority setting in the health service. A report. The Danish Council of Ethics. 1997. Seit 2012 beschäftigt er sich wieder mit diesem Thema. 18. Raspe, H. und Th. Meyer: Priorisierung in der medizinischen Versorgung: Norwegen und seine Parlamentskommission. Gesundheitswesen 2012;74:45–8. 19. Government Committee on Choices in Health Care: Choices in Health Care. Ministry of Welfare, Health and Cultural Affairs(Rijswijk) 1992. Siehe Clemens. T.: Transparenz und fundierte Entschediungsfindung. Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin 2012;N. 1:24–6 20. Butterfield, W.J.H.: Priorities in medicine. Nuffield Provincial Hospital Trust 1968 (198 S.) 21. „Ärzte und ein hässliches Wort“ Süddeutsche Zeitung Nr. 126 vom 1./2.6.2011, S. 4 22. Nuffiled Trust: Setting priorities in health. Research Summary. September 2011. http://www.nuffieldtrust.org.uk/publicati ons/setting-priorities /3.3.2013 23. Primary Care Trust Network: Priority setting: an overview. London (The NHS Confederation) 2007,http://www.nhsconfed. org/Publications/Documents/Priority%20setting%20an%20overview.pdf / 3.3.2013 24. Fleischhauer, K.: Probleme der Kostenbegrenzung im Gesundheitswesen durch Prioritätensetzung – ein Blick über die Grenzen. Jahrbuch Wissenschaft Ethik 1997;2:137–153. In einer älteren Publikation aus dem Jahr 1988 widmete sich bereits A. Schmidt den „Prioritäten im Gesundheitswesen“. Er sah die „Notwendigkeit prioritärer Gesundheitsziele“ (Ortskrankenkasse 1988;17–18:496–500) 25. Zentrale Ethikkommission: Prioritäten in der medizinischen Versorgung im System THEMEN DER ZEIT der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Müssen und können wir uns entscheiden? Deutsches Ärzteblatt 2000;97:A-1017–23 26. Über den Stand der Arbeit. Bericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin. 15. Wahlperiode 06. 09. 2005. Deutscher Bundestag Drucksache 15/5980. http://dip21.bundestag.de/ dip21/btd/15/059/1505980.pdf /15.3.13 27. Siehe Liesching, F., Meyer, Th. und Raspe, H.: Eine Analyse des nationalen öffentlichen Priorisierungsdiskurses in deutschen Printmedien. Zeitschrift Evidenz Fortbildung Qualität Gesundheitswesen 2012;106: 389–96 28. Es handelt sich um die Forschergruppe 655 “Priorisierung in der Medizin”. http://www.priorisierung-in-der-medizin. de/index.php?option=com_content&task=view&id=3&Itemid=1&lang=de – 25.2.13 29. The Ministry of Health and Social Affairs: Priorities in health care. Ehtics, economy, implementation. SOU 1995:5 30. Oder auch die priorisierende Organisation oder Profession … 31. Broqvist, M., M. Brantig Elgstrand, P. Carlsson, K. Eklund and A. Jakobsson: National Model for Transparent Prioritisation in Swedish Health Care. Revised Version. National Centre for Priority Setting in Health Care 2011 32. Hier wurden die Mitglieder eingangs gebeten, zuerst einzelne Patienten(vignetten) auf einer Warteliste zu priorisieren, es sei überraschend ein Platz frei geworden. Danach ging es um die Priorisierung verschiedener Versorgungsprogramme durch die Freigabe zusätzlicher Mittel. 33. Siehe: http://www.bundesaerztekammer. de/downloads/UlmerPapierDAET111.pdf / 3.3.2013 34. Hoppe, J-D.: Priorisierung in der medizinischen Versorgung – Was bedeutet das. Zeitschrift Evidenz Fortbildung Qualitätssicherung Gesundheitswesen 2010; 104: 418–25 35. Im Text des Ulmer Papiers ist – aus heutiger Sicht – missverständlich von „Priorisierungsentscheidungen“ die Rede. 36. Ähnlich verfährt die European Medicines Agency, wenn sie vor bevorstehenden Medikamentenengpässen warnt. Auch hier stehen Patientengruppen im Vordergrund. 37. Ständige Impfkommission: STIKO-Empfehlungen zur Impfung gegen die neue Influenza (H1N1). Epidemiologisches Bulletin 2009; Nr. 41 vom 12. Oktober, 403–26