JATROS Infektiologie 4 I 2008 Antimykotische Prophylaxe bei Hochrisikopatienten „Ohne gute Diagnostikmöglichkeit kommt oft die beste Therapie zu spät oder es werden Patienten therapiert, die dies eigentlich nicht benötigen. Bei der Prophylaxe hingegen kommt man nie zu spät, therapiert allerdings noch mehr Patienten, die diese vielleicht gar nicht benötigen.“ Mit diesem prägnanten Statement begann Dr. Oliver Cornelly von der Universitätsklinik Köln seinen Vortrag im Rahmen des Symposiums „Neue Strategien bei Pilzinfektionen“, das am 10. 10. 2008 im AKH Wien stattfand. Vor allem hämatologisch-onkologische Hochrisikopatienten mit lang andauernder Neutropenie unter Therapie haben ein erhöhtes Risiko, an schweren Pilzinfektionen zu erkranken. Die pilzbedingte Letalität bei diesen immunkom- promittierten Patienten kann bei invasiven Kandidosen und Aspergillosen bei 40–50%, bei Fusarien und Zygomyceten sogar bei 70% und mehr liegen. Besonders anfällig sind Patienten, die eine Induktionschemotherapie erhalten oder ein Rezidiv der Erkrankung erleiden. Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht ebenfalls für Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation in der neutropenischen Phase sowie für Empfänger von Hochdosis-Immunsuppressionsthe- Invasive Mykosen unter Therapie Invasive fungale Infektion Posaconazol (n=304) Fluconazol oder Itraconazol (n=298) Fluconazol (n=240) Itraconazol (n=58) p-Wert 95% CI Anzahl in % Gesichert od. wahrscheinlich 7 (2) 25 (8) 19 (8) 6 (10) <0,001 –9,7 bis –2,5 Invasive Aspergillose 2 (1) 20 (7) 15 (6) 5 (9) <0,001 –9,1 bis –3,1 Aspergillus fumigatus 0 2 1 1 Aspergillus flavus 0 2 2 0 Aspergillus species* 2 16 12 4 Rhizopus species 0 1 1 0 Pseudoallescheria boydii 0 1 1 0 Schimmelpilz, nicht weiter spezifiziert 1 0 0 0 3 (1) 2 (<1) 2 (<1) 0 Candida glabrata 2 1 1 0 Candida krusei 0 1 1 0 Candida parapsilosis 0 1 1 0 Candida tropicalis 1 0 0 0 1 1 0 1 Invasive Kandidose Andere Pneumocystis jirovecii Die Therapiedauer wurde als Periode von der Randomisierung + 7 Tage nach Einnahme der letzten Prophylaxemedikation während des letzten Chemotherapiezyklus definiert. *Mikrobiologische Kriterien für gesicherte bzw. wahrscheinliche Infektionen mit Aspergillus-Spezien beinhalten einen positiven Galaktomanan-Test, nicht zwingend eine positive Blutkultur oder vergleichbare histopathologische Ergebnisse; Quelle: N Engl J Med 356; 4 Tab.: gesicherte oder wahrscheinliche Pilzinfektionen I 24 universimed.com | kongress Prüfarzt geleiteten randomisierten, kontrollierten, mul0,15 tizentrischen Studie wurden insgesamt 602 Patienten mit 0,10 vorwiegend akuter myeloischer Leukämie (AML) sowie 0,05 myelodysplastischem Syndrom während mehrerer Therapie0,00 zyklen untersucht. Alle Pati0 20 40 60 80 100 enten zeigten eine ChemotheTage nach der Randomisierung rapie-induzierte Neutropenie. 0,25 Es wurde die prophylaktische 0,20 Wirkung von Posaconazol (n= 0,15 304) mit der von Standardantimykotika (n=298) (Flucona0,10 zol und Itraconazol) ver0,05 glichen. Alle in diese Studie eingeschlossenen Patienten er0,00 0 20 40 60 80 100 hielten als Therapie InduktiTage nach der Randomisierung onschemotherapien. Die Pa0,15 tienten erhielten die Prophylaxe mit jedem Therapiezyk0,10 lus entweder bis zum Zeitpunkt einer kompletten 0,05 Remission, bis zum Auftreten Zwei große randomisierte einer invasiven Mykose oder 0,00 Studien, die 2007 im New bis zu 12 Wochen danach. 0 20 40 60 80 100 Tage nach der Randomisierung England Journal of Medicine Verglichen wurde dann, ob publiziert wurden, konnten Abb.: Kaplan-Meier-Kurve – Zeitraum bis zum Auftreten invasiver Myko- und in welchem Ausmaß es zeigen, dass Posaconazol, sen (Panel A), Tod des Patienten aus einem nicht näher definierten Grund zum Auftreten einer gesicher(Panel B), invasiver Mykose oder Tod innerhalb von 100 Tagen nach Randodas seit 2006 zur antimyko- misierung; Quelle: N Engl J Med 356; 4 ten oder wahrscheinlichen intischen Prophylaxe zugelasvasiven Mykose unter Therasen ist, die Inzidenz an invasiven Myko- „Am Uniklinikum Köln setzen wir daher pie (primärer Endpunkt) kam. Bis zu 2/3 sen bei hämato-onkologischen Hochrisi- Posaconazol bereits seit 2006 prophylak- der Patienten erreichten mit der ersten kopatienten gegenüber Standardantimy- tisch ein“ so Dr. Cornelly. Bei Patienten Induktionschemotherapie einen Endkotika reduziert. Posaconazol reduziert mit AML/MDS in der ersten Indukti- punkt. Posaconazol schnitt im Bezug auf bei Patienten mit Hochdosis-Immun- onschemotherapie reduzierte sich gegen- die Inzidenz gesicherter oder wahrscheinsuppression bei Graft-versus-Host-Di- über dem Vergleichszeitraum 2003 bis licher invasiver Mykosen unter Therapie sease (GvHD) nach hämatopoetischer 2005 ohne systemische Prophylaxe die signifikant besser ab im Vergleich zu den Stammzelltransplantation auch signi- Rate gesicherter oder wahrscheinlicher Standardantimykotika. Die Durchbruchsfikant die mykosebedingte Mortalität invasiver Mykosen signifikant von 18% rate unter Posaconazol-Prophylaxe betrug (Ullmann AJ et al, N Engl J Med 2007; auf 3% (Cornelly et al, ICAAC 2007; 2% (entsprach 7 Patienten), die unter 356: 4), bei Patienten mit akuter mye- M-1174). In der von Dr. Cornelly als Fluconazol/Itraconazol 8% (entsprach 25 loischer Leukämie (AML) oder Patienten). Vor allem die myelodysplastischem Syndrom Schutzwirkung von Posaconazol (MDS) unter Remissions-ingegen Aspergillus war eindeuduzierter Chemotherapie sogar tig besser, hier lag die Durchdie Gesamtmortalität. (Corbruchsrate unter Posaconazol nelly OA et al, N Engl J Med bei 1% gegenüber 7% in der 2007; 356: 4). Daher ist bei Vergleichsgruppe (Tab.). diesen Hochrisikopatienten bei den genannten IndikatiDie Kaplan-Meier-Analyse onen eine antimykotische Prozeigte für Patienten, die Posaphylaxe eine sinnvolle Option, conazol als Prophylaxe erhielum invasive Mykosen zu verten, eine signifikant geringere hindern und die ÜberlebensMortalität innerhalb von 100 chancen der Patienten somit Tagen nach Randomisierung zu erhöhen. Candida albicans verglichen mit der Therapie mit universimed.com Todes-Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit einer invasiven Mykose Kaplan-Meier-Kurve Wahrscheinlichkeit einer invasiven Mykose od. Tod rapie. Die pilzbedingte Letalität ist bei diesen Patientenkollektiv mit 90% besonders hoch. „Wir haben leider nach wie vor keine zufriedenstellende Diagnostik, daher wird die Pilzinfektion oft nicht rechtzeitig erkannt, zu spät mit der Therapie begonnen oder überhaupt erst post mortem die endgültige Diagnose gestellt. Wenn Sie zum Beispiel als behandelnder Arzt eine mögliche Kandidainfektion vermuten und mit einer Therapie an dem Tag beginnen, an dem Sie die Blutkultur abnehmen, liegt die Mortalität in diesem Patientenkollektiv bei 15%, warten Sie mehr als 3 Tage mit einer Therapie, liegt die Mortalität bereits bei über 40%“, so Dr. Cornelly. 25 I