Der Heilige Krieg Folge 5: Terror für den Glauben Ab 16. August 2011 dienstags um 20.15 Uhr und sonntags um 19.30 Uhr Materialien für den Unterricht 1. Inhalt des Films Der Film befasst sich mit der Hauptfigur der islamistischen Terrororganisation AlQaida, Osama bin Laden (1957-2011), und seinem ideologischen Hintergrund. Einleitung Zu Anfang werden zwei Szenen präsentiert, die Osama bin Laden zuerst am Tag des Attentats vom 11. September 2001 in seiner „Löwenhöhle“ in Afghanistan und darauf in einem Rückblick auf das Jahr 1991 im saudi-arabischen Dschidda jeweils im Gespräch mit Gefolgsleuten zeigen. Bin Ladens „Löwenhöhle“ 150 km östlich der afghanischen Hauptstadt Kabul diente ihm als Rückzugsort. Dort verfolgte er inmitten seiner engen Vertrauten 2001 die Nachrichten zum Terroranschlag auf die Doppeltürme des World Trade Center in New York. Im Film benennt er die Ziele des Mordanschlags mit über 3000 Toten: Rache an den USA für angebliche Verbrechen und Sünden an der muslimischen Welt. Im Januar 1991 begannen die USA und ihre Verbündeten nach dem Überfall des Diktators Saddam Hussein auf das Nachbarland Kuwait mit der Operation „Desert Storm“ von Saudi-Arabien aus einen Krieg gegen den Irak. Die Anwesenheit von USTruppen auf dem Boden des streng muslimischen Staates, in dem die beiden höchsten Heiligtümer Mekka und Medina liegen, bedeutete für islamische Fundamentalisten eine Bedrohung ihrer Religion. In ihren Augen stellten USAmerikaner, für sie Christen und Juden, als Beschützer der heiligen Stätten eine unerträgliche Provokation dar. Sie machten dafür das saudische Herrscherhaus verantwortlich, das durch Erdöl unermesslich reich, aber durch die teilweise übernommene westliche Lebensweise verdorben worden sei. Für Osama bin Laden, der selbst aus einer reichen Familie in Saudi-Arabien stammte, hatte sich das korrupte Königshaus mit den „Kreuzzüglern“ des Westens verbündet, was die heiligen Stätten gefährdete. Der damalige US-Präsident George Bush (senior) sprach nach dem Sieg über Saddam von einer „neuen Weltordnung“, die mit dauernder Stationierung von USTruppen nahe den saudi-arabischen Ölfeldern verbunden sei. Im Film sieht man Osama bin Laden in seinem Haus in Dschidda 1991 in traditioneller Kleidung mit seinen Anhängern sprechen. So klagt er das Unrecht an den Muslimen an, das er in der Fremdherrschaft über die heiligen Stätten des Islam erkennt. Dabei kündigt er eine weltweite Wiederherstellung muslimischer Herrschaft an. Glänzende Vergangenheit und machtlose Gegenwart des Islam Nach der Einleitung stellt der Film die Lebensgeschichte und einige ideologische Wurzeln des Terroristenführers dar. Die Religionsstiftung des Islam, dessen Zeitrechnung 622 n. Chr. einsetzt, durch den Propheten Muhammed (ca. 570 - 632 n. Chr.) wälzte den ganzen Orient und die Mittelmeerregion um: Die muslimischen Herrscher der Umayyaden und Abbasiden eroberten im 7. und 8. Jh. ein gewaltiges Reich von Vorderasien bis Spanien und bewirkten eine Blütezeit arabischer Kultur. Sie war dabei durch Offenheit für fremde Einflüsse gekennzeichnet, keineswegs durch Abschottung. Demgegenüber fällt die gegenwärtige Stellung des Islam für Fundamentalisten wie Osama bin Laden steil ab. Die weltweite Gesamtheit aller Muslime (Umma) lebt nicht mehr wie unter den Kalifen oder im Osmanischen Reich nahezu in einem einzigen Staat, sondern in einer Vielzahl mit willkürlichen Grenzen und diktatorischen Gewaltherrschern, die sich zudem häufig untereinander bekämpfen. Diesen Niedergang möchte die Bewegung der Islamisten durch Rückbesinnung auf den Glauben umkehren. Extreme Fundamentalisten wollen in den islamischen Ländern auch die inzwischen vielfach westlich geprägten modernen Lebensformen radikal abschaffen und ein Leben wie einst der Prophet Muhammed führen. Wahabismus in Saudi-Arabien Diesem fundamentalistischen Ziel am nächsten kommt der Wahabismus, eine Deutung des Islam, die in Saudi-Arabien im 18. Jahrhundert viele Anhänger fand und von der herrschenden Dynastie der Sauds im 20. Jh. zur Staatsdoktrin erhoben wurde. Danach liegt das Ideal in der einfachen Lebensweise der traditionellen Beduinen nach den harten Gesetzen der Scharia, der Rechtsordnung nach dem Koran. Schlagzeilen aus diesem Land melden immer wieder die häufige Verhängung der Todesstrafe durch Enthauptung mit dem Säbel oder das Handabschlagen bei Dieben sowie die strikte Geschlechtertrennung. Inzwischen bilden allerdings die Beduinen im heutigen Saudi-Arabien nur noch eine kleine Minderheit, während über vielfältige Kontakte mit dem Ausland und die modernen Bildungsanstalten westliche Ideen in das Land eindringen. Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina Ein Schlüsselerlebnis für den Niedergang islamischer Macht war für viele Muslime der Verlust des sog. „Sechs-Tage-Krieges“ 1967 gegen Israel. Die im Eiltempo geschlagenen verbündeten arabischen Staaten waren nicht in der Lage, Israel zu besiegen, die Besetzung von Ost-Jerusalem zu verhindern oder gar ganz Palästina zurückzuerobern. Millionen Palästinenser gerieten unter israelische Besatzung. Viele wurden in die arabischen Nachbarstaaten vertrieben oder flohen. Die Palästinenser, deren Sprachrohr der Führer der Befreiungsbewegung PLO, Yassir Arafat, wurde, antworteten mit Terroranschlägen wie 1972 in München während der Olympischen Spiele in ihrem Kampf für einen palästinensischen Staat. Sie stellten damit die Existenz Israels infrage. Zu diesem Zeitpunkt basierte ihre Ideologie allerdings weniger auf dem Islam, sondern war eher antikolonial, sozialistisch und vom Gedanken der „Befreiung“ geprägt. Manche Araber sehen die Palästinenser als Opfer einer angeblichen „christlich-jüdischen Allianz“ zwischen den USA und Israel, die oft polemisch als Bund von „Kreuzzüglern und Zionisten“ bezeichnet wird. Azzams Aufforderung zum Dschihad Ein theologischer Denker wie der Palästinenser Abdallah Azzam (1941-1989) setzte hier an, um den Dschihad auf neue Weise zu deuten. Er forderte eine „Basis“Organisation ideologisch gefestigter Kämpfer, um im Dschihad die islamischen Länder von den „Ungläubigen zu befreien und gegen die schlechten modernen Einflüsse auf die Muslime vorzugehen. Zuvor sei eine Rückbesinnung auf die alten Prinzipien des Islam notwendig. Azzam setzte dieses an sich noch defensive Konzept in die Tat um, indem er in Afghanistan gegen die Besatzung durch die atheistische Sowjetunion kämpfte. 1989 kam er dort durch ein mysteriöses Attentat um. Osama bin Ladens Gründung der Al-Qaida in Afghanistan Zu den Hörern von Azzams Vorlesungen gehörte bereits 1980 im saudi-arabischen Dschidda der junge Osama und nahm den Gedanken des gewaltsamen Kampfes auf. Er folgte ihm nach Afghanistan und gründete eine kleine Gruppe, die etwa seit 1988 Al-Qaida („Basis“, auch „Militärcamp“) hieß. In ihr sammelte er vorwiegend arabische Freiwillige, um sie gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in den Kampf zu führen. Ihr Beitrag zum Krieg blieb bescheiden, Osama erhielt auch keine direkte US-Hilfe, wie später behauptet worden ist. Osama bin Ladens Wendung gegen Saudi-Arabien und die USA Mit der sowjetischen Niederlage 1989 fehlten zunächst weitere große Herausforderungen. Bin Laden sammelte Geld im wohlhabenden Saudi-Arabien, um einen islamistischen Aufstand im Jemen zu unterstützen. Doch erst im Zusammenhang mit dem Irakkrieg 1991 wandte er sich offen gegen das Regime in seinem Heimatland Saudi-Arabien und gegen dessen Verbündeten, die USA. Die heiligen Stätten in Mekka und Medina sollten wieder von „wahren“ Muslimen kontrolliert werden, nicht von den aus seiner Sicht korrupten Saudis und den angeblich nur am Öl interessierten Amerikanern. Aufruf zum Töten von US-Amerikanern vom Sudan aus Unter saudischen Druck geraten, ging Osama Bin Laden 1992 in den Sudan, wo Islamisten an der Macht waren und er zu beider Seiten Nutzen sein Vermögen investierte. Die USA griffen im gleichen Jahr in Somalia im Rahmen der UNOOperation „Restore Hope“ ein, um eine Hungerkatastrophe zu verhindern, und schienen – in der Weltsicht der Islamisten - die muslimische Welt weiter einzukreisen. Der Imam Abu Hadscher rief vom sudanesischen Khartum zum Dschihad gegen die USA auf. Obwohl nur ein gelernter Ingenieur, sprach dieser Anhänger Osamas zwei Fatwas aus, d.h. religiöse Rechtsgutachten. Sie riefen zum Töten amerikanischer Soldaten und Zivilisten auf, auch wenn zugleich unschuldige Muslime sterben müssten. Als wahre Gläubige kämen letztere ohnehin in das Paradies. Der Hintergrund dafür ist die sog. Takfir-Doktrin, nach der jeder zu töten ist, der nicht die wahre Auslegung des Islam teilt. Im Islam ist diese Lehre sehr umstritten, denn mit dem Anspruch, im Besitz der richtigen Auslegung zu sein, lässt sich willkürlich jede Tötung von Menschen anderer Auffassung rechtfertigen. Erster Anschlag in New York 1993 und Rauswurf aus dem Sudan 1996 Eine erste Vorstellung davon, was ein Anschlag in den USA selbst anrichten konnte, gab der Welt das Sprengstoffattentat auf die Tiefgarage des World Trade Center in New York am 23. Februar 1993, als 6 Menschen starben und über 1000 Opfer verletzt wurden. Angestrebt waren weit höhere Zahlen. Der Haupttäter Ramsi Jussef gab später an, aus Hass auf die Juden und für die Sache Palästinas gehandelt zu haben. In welchem genauen Verhältnis Al-Qaida zu seinem Plan stand, ist allerdings unklar. Jedenfalls war er in Afghanistan im Bombenbau ausgebildet worden, und sein Onkel gehörte zu den hochrangigen Führern der Gruppe. Im Jahr 1994 entzog Saudi-Arabien Osama Bin Laden die Staatsbürgerschaft und sein Vermögen. Er antwortete mit dem Vorwurf, der saudische König handle als Werkzeug Amerikas. Die USA unter Präsident Clinton übten Druck auf den Sudan aus, gegen den Terroristenchef vorzugehen. Er musste 1996 von dort seine Kämpfer wegschicken und nach seiner Enteignung fast mittellos mit 50 000 Dollar das Land verlassen. Rückkehr nach Afghanistan unter den Taliban Osama Bin Laden ging wieder nach Afghanistan, wo inzwischen die radikalislamischen Taliban herrschten. Er teilte ihre Lebensideale: strikte Geschlechtertrennung, völlige Verschleierung der Frauen, Bartpflicht für Männer, das harte Recht der Scharia. Ohne sein Geld war aber Osama Bin Laden für die Taliban nicht besonders interessant. Er zog sich in ein Höhlenversteck in den Bergen zurück, nach Tora Bora, wo er sich schon zu Zeiten des antisowjetischen Kampfes verborgen hatte. Mit geschickter Propaganda für seine Anhänger sah er darin eine Parallele zum Rückzug Muhammeds 622 n. Chr. ins Exil nach Medina. Die „Kriegserklärung“ an die USA 1996 und das CNN-Interview 1997 Ein wichtiges Dokument dieser Zeit war Osama bin Ladens sog. „Kriegserklärung“ an die USA 1996, in der er den terroristischen Kampf gegen diesen Hauptfeind ankündigte, der „das Land der heiligen Stätten besetzt“. Osama fordert, „den amerikanischen Feind zu vertreiben, der unser Land besetzt hält, das ist neben dem Glauben die erste Pflicht, nichts ist wichtiger“. Auf moderne Weise nahm er die Medien mit globaler Reichweite in seinen Dienst, indem er 1997 dem amerikanischen Nachrichtensender CNN ein Fernsehinterview gab und darin seine aggressiven Standpunkte weltweit verbreitete. So nutzte er die westliche Pressefreiheit für seine Zwecke. Der Ägypter Al-Zawahiri und der Anschlag auf Luxor 1997 Sein neuer Partner im Dschihad und Vizekommandeur der Al-Qaida wurde der Ägypter Ayman Al-Zawahiri (* 1951), ein belesener Arzt, dessen Ideologie und Schriften der Al-Qaida neue Anhänger zuführten. Sein Schwerpunkt lag erst im Kampf gegen das diktatorische Regime Präsident Mubaraks in Ägypten, der fest an der Seite der USA stand. Ein Terroranschlag islamischer Fundamentalisten richtete sich am 17. November 1997 auf das beliebte Touristenziel Luxor. 58 Ausländer und 4 Einheimische starben auf grausame Weise, die Attentäter schossen ihnen erst in die Beine und töteten sie dann. Wegen der Gefährdung der Einnahmen durch den Tourismus und des grausamen Vorgehens wurde der Anschlag aber ein Misserfolg für die militanten Fundamentalisten in Ägypten, weil er ihren Ruf schädigte und so Mubaraks Stellung festigte. Ob Zawahiri hinter dem Anschlag steckte, ist bis heute umstritten. Das Attentat in den USA vom 11.9.2001 Die nächste Stufe des Terrors galt nun nicht mehr einem einzelnen nationalen Regime im Dienst der USA, sondern die beiden Al-Qaida-Führer bereiteten große Anschläge auf der ganzen Welt gegen die USA selbst vor. 1998 gründeten sie die „Islamische Weltfront für einen Dschihad gegen die Juden und Kreuzzügler“, d.h. gegen den amerikanischen Feind. Neue blutige Anschläge trafen die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) sowie 2000 ein US-Kriegsschiff in Aden (Jemen). Ein erwarteter militärischer Gegenschlag der USA unterblieb allerdings im Wahlkampfjahr 2000, da Präsident Clinton keine Eskalation wollte. Osama bin Laden griff zu einer noch schärferen Provokation. Eine Gruppe um die Hamburger Studenten Mohammed Atta und Ziad Jarrah traf sich Ende 1999 und wieder 2000 im afghanischen Dschalalabad mit der Al-QaidaFührung: Die jungen Männer wollten als Märtyrer sterben, um direkt in den Himmel zu gelangen. Der Plan bestand darin, Flugzeuge zu entführen und auf symbolisch wichtige Gebäude in den USA abstürzen zu lassen. Sie bereiteten sich intensiv im Land vor, und insgesamt 19 Terroristen brachten am 11. September 2001 vier Linienflugzeuge in ihre Gewalt. Zwei davon stürzten in die Doppeltürme des Word Trade Centers in New York, eines auf das Pentagon in der Hauptstadt Washington, eines zerschellte auf freiem Feld, statt auf das Kapitol zu stürzen. Osama Bin Laden verfolgte das Attentat über den Radiosender der BBC. Die globale Wirkung der dramatischen Fernsehbilder gehörte zum Plan. Reaktion der US-Regierung Die Reaktion der US-Regierung unter Präsident George Bush (junior) erfolgte umgehend. Erst sprach der Präsident spontan (nur ein einziges Mal bei einer improvisierten Pressekonferenz) von einem bevorstehenden „Kreuzzug“ und Krieg gegen den Terror, in der Erklärung vor dem Kongress am 20. September 2001 betonte er aber, dass die große Mehrheit der Muslime den angeblichen Dschihad der Terroristen ablehne. Ab Oktober 2001 wurden die Lager der Al-Qaida durch die USLuftwaffe bombardiert, während verbündete afghanische Bodentruppen Osama Bin Laden in Tora Bora fassen sollten. Dies misslang, weil sie offensichtlich nur halbherzig ihre Aufgabe wahrnahmen. Viele weitere Anschläge der Al-Qaida kosteten immer wieder Menschenleben: auf der indonesischen Insel Bali 2002, im tunesischen Dscherba 2003, in Madrid 2004, in London 2005 und ständig im Irak. Erst fast ein Jahrzehnt später gelang es einem US-Kommandotrupp am 2. Mai 2011, Osama in Pakistan in einem befestigten Haus in Abbottabad zu stellen und zu töten. Der Leichnam wurde mitgenommen und im Meer versenkt. Der Partner Al-Zawahiri soll sein Nachfolger als Führer der Al-Qaida geworden sein. 2. Historisch-politische Einordnung 2.1 Moderner nationaler und internationaler Terrorismus Die Definition von Terrorismus ist umstritten. Nach dem hier zugrundegelegten Verständnis liegt Terrorismus vor, wenn eine Organisation, die in einer festen Ideologie begründete politische Ziele verfolgt, gewaltsame Anschläge verübt, die den Tod und die Verletzung von Menschen in Kauf nehmen, um auf sich aufmerksam zu machen und eine bestehende Herrschaft zu erschüttern. Die Motive für Terrorismus liegen oft in einem regionalen oder nationalen Befreiungskampf gegen eine als illegitim angesehene Macht. Beispiele dafür sind die baskische (ETA) oder die irische (IRA) Untergrundbewegung. Eine internationale Ausrichtung hatte dagegen der marxistisch inspirierte Terrorismus der 1970er Jahre, wie ihn die deutsche „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF) oder die italienischen „Brigade Rosse“ ausübten. Auch rassistischer Terrorismus überschreitet in der Gegenwart nationale Grenzen, wie im euro-amerikanischen Neonazismus. Religion und Terrorismus Religiös begründeten Terrorismus hat es im Christentum und Judentum (z. B. Attentat auf den israelischen Ministerpräsidenten Rabin durch Jigal Amir 1995), aber auch im hinduistischen Indien (Sikhs) gegeben. Entscheidendes Motiv ist der persönliche Glaube, das Attentat entspringe einer von Gott gebotenen Plicht (Bruce Hoffman). Der islamistische Terrorismus bildet insofern keine historische Ausnahme, doch ist er zurzeit besonders aktiv und medienwirksam. Im Islam rechtfertigen ihn militante Ideologen über den Dschihad. Dieser Begriff hat mehrere Bedeutungen, die wörtliche ist etwa „Anstrengung“. Der Einsatz für die Sache Gottes kann sich in verschiedenen Formen zeigen, von der geistigen Überwindung der eigenen Schwächen bis zur bewaffneten Verteidigung des Glaubens. Militante Islamisten fordern den Dschihad zur weltweiten Ausdehnung der wahren Religion und rechtfertigen so auch Terror (s.u). Häufig verbindet sich islamistischer Terrorismus mit fundamentalistischen Tendenzen, in denen der Koran wortwörtlich genommen und die Lebensform Muhammeds als Ideal gesetzt wird. Eine derartige Richtung prägte der ägyptische Koran-Kommentator Saiyed Qutb (1906-1966). Seine Schrift „Wegzeichen“ teilte die Menschheit in zwei Lager, das des Islam und das der „Unwissenheit“ (wie in der Zeit vor Muhammed). Diese Unwissenheit ergreife inzwischen auch von muslimischen Ländern wieder Besitz, die den Islam zunehmend nicht mehr ernst genug nähmen. Dagegen sei gewaltsames Vorgehen geboten, um Gott seine gebührende Macht zurückzugeben. Selbstmordattentate Im Islam ist der Selbstmord an sich verboten, in der sunnitischen Richtung noch stärker als in der schiitischen. Dennoch werden heute im islamischen Raum Selbstmordattentäter nicht selten als Märtyrer akzeptiert. Palästinenser verübten erste Selbstmordattentate in den 1970er Jahren gegen Israel. Die Veröffentlichung ihrer Testamente mit Anklagen gegen den Feind diente der Propaganda. Vom schiitisch dominierten Iran wurden Selbstmordeinsätze (selbst von Jugendlichen) eingesetzt im Krieg gegen den Irak 1980. Gleiches geschah durch die schiitische Hisbollah im Libanon gegen Truppen aus Israel (1982), den USA und Frankreich (1984). Seit 1994 setzte auch die sunnitische Hamas zahlreiche Selbstmordattentäter in der Intifada gegen Israel ein. Dem half die Absegnung als höchste Stufe des Dschihads durch Rechtsgutachten (Fatwas) in der Geistlichkeit (Ulema). Israel reagierte mit rigiden Sicherungsmaßnahmen wie einer kilometerlangen Mauer zum Schutz vor Grenzverletzungen. Der Einsatz von Frauen und Kindern als Attentätern folgte als weitere Eskalation. Im Irak bekämpfen sich Sunniten und Schiiten auf diese blutige Art bis heute. Mehr als 350 Selbstmordattentate in 24 Ländern sind bekannt. Terrorismus und Medien Zum Konzept des Terrorismus gehört es, Schrecken zu erzeugen und von den Medien global verbreiten zu lassen. Deshalb nutzen Terroristen die modernen Medien und globalen Nachrichtensender, um ein Millionenpublikum für ihre Zwecke erreichen. Zu den Mitteln gehören Bekennerschreiben und spektakuläre Inszenierungen vor den laufenden Kameras. Emotionale Berichte über Entführungsopfer und ihre Familien sollen öffentlichen Druck erzeugen, damit Regierungen zum Nachgeben bereit werden. Eine problematische Chance für Terroristen liegt in der Gewährung von Redezeit in Nachrichten und Dokumentationen. Allerdings kann dies auch zur Distanzierung der öffentlichen Meinung von ihnen führen. Daneben gibt es zahlreiche Homepages im Internet, deren Betreiber Kontakte zu Terroristen haben und gezielt Informationen und Materialien erhalten. Terrorismusbekämpfung Die in ihrer Sicherheit bedrohten Staaten greifen zu Gegenmaßnahmen. In den 1970er Jahren hat die Bundesrepublik im Kampf gegen die RAF die staatlichen Machtmittel trotz rechtsstaatlicher Bedenken erweitert (Aufbau der Anti-Terror-Einheit GSG 9, Verschärfung des Straf- und Strafprozessrechts, Kronzeugenregelung). USPräsident George Bush (junior) erklärte als Antwort auf den 11. September 2001 den „war on terrorism“. Mit Hinweis auf drohende terroristische Anschläge wurden die Einschränkung einiger bürgerlicher Freiheiten und der Aufbau spezieller Sicherheitsorganisationen (Heimatschutzbehörde DHS) ermöglicht. Militärische Operationen in Quellländern des Terrorismus wie der NATO-Einsatz in Afghanistan folgten. Die USA richten ihre Außenpolitik zunehmend gegen „Schurkenstaaten“, die selbst terroristische Aktionen verüben oder sie unterstützen, wie z.B. lange Zeit Libyen. Zu den Maßnahmen gehören Finanzkontrollen und Beschlagnahme von Geldern. Gegen die Terroristen selbst zeigten sie demonstrative Härte (GuantanamoGefängnis, folterähnliche Verhörmethoden). 2.2. Islamismus Der seit den 1970er Jahren verstärkt aufgekommene Islamismus stellte sich gegen den arabischen Nationalismus der vorangegangenen Epoche. Der traditionelle Islam strebt die Einheit aller Gläubigen (Umma) unter einer Herrschaft an, während die Einheit einer Nation dabei keinen besonderen Wert darstellt. Der arabische Nationalismus entwickelte sich, zunächst in kleinen Zirkeln, mit dem Untergang des Osmanischen Reiches und richtete sich zunächst gegen das Sultanat, später gegen die britische und französische Kolonialherrschaft. Im Ergebnis des Ersten Weltkriegs wurde 1920 die Türkei als Nationalstaat gegründet und wirkte als Vorbild auf den antikolonialen Kampf der Araber. Doch stießen dessen Führer wie der ägyptische Präsident Nasser unter tiefgläubigen Muslimen auf zunehmende Kritik. 2.2.1. Vorgeschichte – die Muslimbrüder Seit 1928 gab es in Ägypten die Bewegung der Muslimbrüder unter Hasan al-Banna, der 1949 in Kairo erschossen wurde. Sie vertraten im Gegenzug zur westlichen „Dekadenz“ strikt islamische Moralvorstellungen und eine Ausrichtung auf soziale Wohltätigkeit durch Sozialeinrichtungen und Schulen. Dazu kam die Forderung an die muslimischen Herrscher, die Scharia als Rechtsordnung wieder zum Maßstab zu machen. Ein wachsender Antisemitismus gegen die jüdische Zuwanderung nach Palästina wurde spürbar. Bis 1948 umfasste die Muslimbrüderschaft über 500.000 Mitglieder und bekämpfte die britische Herrschaft in Ägypten, die mit General Nassers Putsch an die Macht in Kairo 1952 endete. Vordenker des Islamismus Der neue Vordenker der Muslimbrüder wurde der Ägypter Saiyed Qutb (1906-1966), der 1954 unter Präsident Nasser zu 9 Jahren Haft verurteilt und 1966 sogar hingerichtet wurde. Seine Rückbesinnung auf den Ur-Islam zog viele an. Die heutige Verbreitung der Muslimbrüder umfasst u.a. Ägypten, Palästina (Hamas), Syrien, Saudi-Arabien, Sudan und Algerien. Ein wichtiger Vorreiter des Islamismus wurde auch der Pakistani Saiyid Maududi (1903-1979), einer der Väter Pakistans. Er sieht in der Politik einen notwendigen Bestandteil des Glaubens, die fünf Pfeiler des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten, Pilgerfahrt nach Mekka) als Vorbereitung für den geistigen Dschihad. Souveränität und Anbetung kommen nur Allah zu, nicht einem einzelnen Volk, einer Nation oder Partei; daher dürfe es einen Personenkult wie unter Nasser u.a. nicht geben. Im Westen am bekanntesten wurde der Iraner „Ayatollah“ (Ruhollah) Khomeini (1902-1989), dessen Rückkehr in den schiitischen Iran 1979 die Islamische Revolution zum Erfolg führte. Die islamistisch geprägte Verfassung stärkte den Einfluss der Geistlichen und stellte die Gesetzgebung unter rein korantreue Vorzeichen. Im Strafrecht hält der Iran z. B. an der Steinigung fest. Die USA galten seitdem wegen der Unterstützung für den gestürzten Schah als Erzfeind. Khomeini begeisterte die Massen und versprach ihnen eine gerechtere Gesellschaft. Einen Gegenpol dazu bildete allerdings im muslimischen Lager das gleichfalls glaubensstrenge und erzkonservative Saudi-Arabien, das in aller Welt die Ausbreitung des Islam finanziell erheblich unterstützt. Westliche Ausländer leben dort nur mit starken Einschränkungen ihrer Freiheit. Das Land legt aber Wert auf gute Beziehungen zu den USA und stillt den Ölbedarf der westlichen Staaten. 2.2.2. Die Bewegung des Islamismus Der Bewegung des Islamismus liegt daher kein einheitliches Selbstverständnis zugrunde. Eine breite Unterstützung fand die Bewegung in sozialer Hinsicht besonders bei der mittellosen städtischen Jugend und beim frommen Mittelstand. Die Islamische Revolution 1979 verstärkte die Debatten über die künftige Gesellschaftsform in der gesamten islamischen Welt. Attraktiv schien vielen eine „heile und gerechte Welt“ auf der Grundlage des Ur-Islams. Dagegen versuchten die Machthaber, die neue Bewegung möglichst schwach zu halten. Mit Zugeständnissen auf kulturellem und moralischen Gebiet wollten sie sich Ruhe verschaffen, so Pakistan 1979 mit der Einführung der Scharia und der Duldung von Koranschulen, aus denen etliche Taliban hervorgingen. Eine extreme Form des Islamismus entwickelte sich in der Bewegung des Dschihadismus. Der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan 1979 bot besonders militanten Islamisten die Gelegenheit des aktiven Dschihads in ihrem Sinne. Sie wurden unterstützt nicht nur von den arabischen Monarchen, die so auch Kritik von sich ablenkten, sondern ebenso von den USA. Den Dschihad erhob der palästinensische Muslimbruder Abdallah Azzam (19411989) zur Pflicht eines jeden Muslims, selbst zur Waffe zu greifen, ohne jemandem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen. Dazu sei er erst im Jenseits verpflichtet. Der Dschihad bleibe eine individuelle Verpflichtung, bis in jedem anderen Land, das muslimisch war, wieder der Islam regiere. Er sieht zwei Nahziele: „Unsere jetzige Präsenz in Afghanistan [...] bedeutet nicht, dass wir Palästina vergessen haben. Palästina ist unser schlagendes Herz, es kommt in unserem Geist, unseren Gefühlen, unserem Glauben vor Afghanistan." (vgl. M 2) 1989 erreichte die islamistische Bewegung einige Erfolge: Die Hamas begann die PLO im palästinensischen Gaza zu verdrängen, in Algerien gewann die „Islamische Heilsfront“ (FIS) die Wahlen, im Sudan errang der Islamist Turabi die Macht. Der iranische Führer Khomeini rief nach der Niederlage im Krieg mit dem Irak mit einer Fatwa gegen den in London lebenden Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen „Lästerungen“ weltweit zum Mord auf. Der Experte Gilles Kepel sieht an dieser Stelle den Höhepunkt des Islamismus bereits erreicht, während andere wie Olivier Roys den Wendepunkt noch nicht für überschritten halten. Der 11. September 2001 war ohne Zweifel ein neuer Gipfel, doch zeigt sich in den Aufständen der jüngsten Zeit im arabischen Raum, dass die Faszination des US-feindlichen Islamismus dort abnimmt. Dafür wächst die Sympathie für westliche Demokratie und Grundrechte. 2.2.3. Radikale islamistische Gruppen Die Invasion Kuwaits durch Saddam Hussein 1990 zerbrach die Einigkeit im muslimischen Lager, die bisher die Führungsmacht Saudi-Arabien trotz des Iran gewahrt hatte. Die radikalen „Dschihadisten“ gerieten nun zunehmend außer Kontrolle der Regierungen. Großer und kleiner Dschihad Nach dem Sieg in Afghanistan 1989 entzogen sich die Anhänger eines Dschihads gegen alle Ungläubigen weiterer Fremdsteuerung und suchten sich neue Ziele, auch unter den herrschenden Regimen in muslimischen Ländern. Dschihad bedeutet eigentlich „Anstrengung“. Jeder Muslim ist zum „großen Dschihad“ aufgerufen, was zunächst nichts anderes bedeutet als die eigene umfassende Anstrengung, ein guter Gläubiger zu werden. Der „kleine Dschihad“ meint den davon abgeleiteten Kampf für den Islam, der auch bewaffnet sein kann, wie er z. B. in der Zeit der islamischen Landnahme oder der Kreuzzüge notwendig schien. Die „Dschihadisten“ wie Maududi oder Azzam (vgl. M 2) erheben den kleinen Dschihad aber zum Kern des islamischen Glaubens, zum sechsten Pfeiler. Der ägyptische Theologe Scheich Omar AbdelRahman steigerte dies sogar zu einer Pflicht zur Waffengewalt bis zum Terror. „Islamische Gruppe“ (Ägypten) Seit den 1970ern war die führende radikalislamische Bewegung in Ägypten die „Islamische Gruppe“ (auch „Islamische Gesellschaft“ = gamaa islamiyya) unter Karam Zuhdi. Sie genoss den Schutz des blinden Kairoer Gelehrten und Geistlichen Omar Abdel-Rahman und steuerte das Attentat auf Präsident Sadat 1981. AbdelRahman ist in amerikanischer Haft seit dem ersten Attentat 1993 auf das New Yorker World Trade Center. Nach dem Attentat in Luxor 1997 wurden Tausende Anhänger inhaftiert. Ab 2002 spaltete sich die Gruppe in einen Al-Qaida-nahen Teil und einen Teil, der sich von der Gewalt distanziert hat. „Islamischer Dschihad“ Unter diesem Namen gibt es mehrere Gruppen. Vielen als „Hizbollah-Miliz“ bekannt ist die vom Iran unterstützte schiitische Terrorgruppe im Libanon, die vorwiegend gegen Israel gerichtet ist, aber auch die Schiiten im Libanon stärkt. Eine andere Organisation bestand zuerst in Ägypten unter dem Arzt Ayman al-Zawahiri. Nach dem tödlichen Attentat der „Islamischen Gruppe“ auf den ägyptischen Präsidenten Sadat 1981 kam auch der unbeteiligte Al-Zawahiri im Gefängnis und wurde gefoltert. 1984 freigelassen, ging er nach Pakistan/Afghanistan und rang dort um die Gunst und das Geld Osama bin Ladens. In Afghanistan stieß er mit seiner Gruppe zu AlQaida, doch blieb sie immer noch auf Ägypten als Gegner konzentriert. 1995 verübte sie ein Attentat auf Präsident Mubarak in Addis Abeba (Äthiopien). Al-Zawahiri unterzeichnete 1997 das Manifest „Internationale Front“ (vgl. M 3). Seine wichtige Schrift „Ritter unter dem Banner des Propheten“ (vgl. M 4) rechtfertigte 2001 den Anschlag vom 11. September 2001. Er folgte nach dem Tod Osama bin Ladens als Führer der Al-Qaida. 3.Didaktisch-methodische Überlegungen Das Thema des modernen Terrorismus gelangt zunehmend in die Lehrpläne des historisch-politischen Unterrichts. War für die 1970er und 1980er Jahre eher noch der RAF-Terrorismus für die Bundesrepublik von Bedeutung, der international mit dem Terror palästinensischer Gruppen eng verknüpft war, so ist in der Gegenwart vorwiegend der Terrorismus islamistischer Extremisten didaktisch relevant. Das Attentat des 11. September 2001 steht daher im Mittelpunkt des Films. Es soll dabei darum gehen, zentrale Phänomene des Terrorismus zu kennen und einige Ursachen und Motive zu verstehen. Als historisch-politische Handlungskompetenz ergibt sich daraus, eine begründete Haltung zu den Risiken des modernen Terrorismus einzunehmen sowie mögliche staatliche Gegenmaßnahmen differenziert zu beurteilen. Zwar beginnt der Terrorismus nicht erst im 20. Jahrhundert – im 19. Jh. könnten z.B. in einem tieferen Längsschnitt die russischen Anarchisten zum historischen Vergleich herangezogen werden - , doch dürfte sich die Behandlung im Unterricht auf die Zeit seit 1970 konzentrieren. Sowohl der Geschichts- als auch der Politikunterricht kommen dafür infrage, sinnvoll ist fachübergreifendes Arbeiten. Zur Motivation der Heranwachsenden ist anhand aktueller Beispiele deutlich zu machen, dass auch ihr Leben durch globalen Terror bedroht ist. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und an weiteren Orten im Nahen Osten sollte problematisiert werden, etwa über eine Diskussion zum Satz des Verteidigungsministers Struck, die Freiheit Deutschlands sei am Hindukusch zu verteidigen. Für das gesellschaftliche Zusammenleben ist wichtig, dass pauschale Schuldzuweisungen und Vorurteile verfehlt sind, sondern genaue Kenntnisse zum Islam und Islamismus notwendig sind. Völlig verkehrt ist es, ganze Völker oder den Islam an sich pauschal für den Terrorismus verantwortlich zu machen. Daher ist eine ausreichende Komplexität in der Wahrnehmung muslimischen politischen und theologischen Denkens in der Gegenwart unumgänglich. Dem Bedürfnis nach didaktischer Reduktion sollte entsprochen werden, indem die Fülle der Aktionen auf wenige zentrale Ereignisse und Schauplätze konzentriert wird. Auch ist die Konzentration auf Osama bin Laden als Hauptfigur zu empfehlen, da viele Motive und Ursachsen sich in seiner Biografie widerspiegeln. Der Film entspricht diesem Anliegen. Unter den Schülerinnen und Schülern ist nicht nur mit Ablehnung Osama bin Ladens zu rechnen, da manche Heranwachsende, insbesondere mit einem Migrationshintergrund aus dem Nahen Osten, unter Umständen zu einer Rechtfertigung seiner Bewegung tendieren bzw. auch Verständnis für Terrorismus zeigen könnten. Ein diskussions- und ergebnisoffener Unterricht darf aber keine Billigung von Gewalt stehen lassen. Die Lehrkraft muss das Unrecht terroristischer Politik und dessen fehlende Legitimation klar herausstellen. Auch sollten die Menschenrechte als normatives Ziel politischen Handelns auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes klar werden. Damit sind Gegensätze zu vielen politischen Zielen des Terrorismus zwangsläufig verbunden. Über den Film als Zugang hinaus lassen sich verschiedene Materialien nutzen. In der Sekundarstufe I wird es auf einer vordergründigen Ebene zunächst um eine Rekonstruktion von Ereignisketten sowie vertiefend eine vereinfachte Analyse von Ursachen und Motiven des Terrorismus gehen. In der Regel wird auch ein unbestimmbares Vorwissen aus den Medien vorhanden sein, das in den Unterricht einzubinden ist. Methodisch werden hier einige Arbeitsaufträge und Material geringen Umfangs (M 1) vorgeschlagen. In der Sekundarstufe II könnte die Komplexität der Materialien gesteigert werden, auch sollten genauere Differenzierungen möglich sein, z.B. in den islamistischen Gruppierungen und regionalen Tendenzen. Der Film selbst enthält bereits einige zentrale Dokumente zum Terrorismus, die genauer zu analysieren sind. Einige Texte werden dazu ergänzt (M 2 – M 4). Ein wichtiger Aspekt ist auch die Visualisierung des Terrors und die Nutzung der modernen Medien. Speziell dazu lassen sich ausgesuchte Filmszenen auswerten. Nicht zu unterschätzen ist die Nutzung des Internets durch die Schülerinnen und Schülern mit Informationen in sehr diffuser Qualität, insbesondere wenn es um Geheimdienste etc. geht. Gerade in diesem Feld bietet sich eine kritische Medienerziehung an, um die Herkunft von vorgeblichem Wissen zu hinterfragen. Für die Beurteilung möglicher Gegenmaßnahmen bedrohter Staaten sollten diese zunächst vorgestellt und ansatzweise in ihren ambivalenten Wirkungen auf die Grundrechte deutlich werden, so dass den Schülerinnen und Schülern eine politische Abwägung ermöglicht wird. 4. Quellen, Literatur und Internetadressen Quellen Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, Piper München-Zürich 2006 (französisch 2005) Fachliteratur Johannes Dillinger: Terrorismus. Wissen was stimmt, Herder, Freiburg/Br. 2008 Gisbert Gemein/ Hartmut Redmer: Islamischer Fundamentalismus, Aschendorff, Münster 2005 Gisbert Gemein (Hg.): Kulturkonflikte – Kulturbegegnungen. Juden, Christen und Muslime in Geschichte und Gegenwart, Bundeszentrale für politische Bildung in Verbindung mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands, Bonn 2011 darin: Gisbert Gemein: Der Dschihad-Begriff im Wandel der Zeit, S. 221 ff darin: Gisbert Gemein: Muslimische Märtyrer oder Selbstmordattentäter, S. 254 ff Bruce Hoffmann: Terrorismus. Der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt, erw. Neuauflage, Fischer, Frankfurt/M. 2006 Gilles Kepel: Das Schwarzbuch des Dschihad, Piper, München-Zürich 2002 Guido Steinberg: Das Netzwerk des islamistischen Terrorismus. Der nahe und der ferne Feind, Beck, München 2005 Guido Steinberg: Im Visier von al-Qaida: Deutschland braucht eine Anti-TerrorStrategie, Körber-Stiftung, Hamburg 2009 Charles Townshend: Terrorismus. Eine kurze Einführung, Reclam, Stuttgart 2005 Didaktische Literatur Geschichte lernen Nr. 120 (2007) „Kreuzzüge“ mit Beiträgen zu „Kreuzzüge und moderner Dschihad“, dem amerikanischen „Krieg gegen den Terrorismus“ u.a.m. Praxis Geschichte 04/2006 „Islamische Welt“ mit Beiträgen zur Scharia, zum Dschihad u.a.m. ZDF-Begleitbuch Guido Knopp, Stefan Brauburger, Peter Arens: Der Heilige Krieg - Mohammed, die Kreuzritter und der 11. September, 2011 (Bertelsmann) Internetadressen www.heiligerkrieg.zdf.de http://www.1001-idee.eu/ 4.Arbeitsaufträge und Materialien a. Arbeitsaufträge für die Sekundarstufe I Fragen und Aufgaben zum Film (in Einzel- oder Gruppenarbeit) • Stellt in chronologischer Reihenfolge die Lebensphasen und Aufenthaltsorte von Osama bin Laden zusammen. Welche Entwicklung lässt sich erkennen? • Ermittelt, was im Film über die religiösen Hintergründe Osama bin Ladens und seiner Anhänger gesagt wird. • Sammelt – auch mit Hilfe des Internets – Informationen zu den heiligen Stätten des Islam und zum Wahabismus in Saudi-Arabien. • Sammelt – auch mit Hilfe des Internets – Informationen zu den Muslimbrüdern. • Schreibe eine kurze Geschichte des Afghanistan-Konflikts von 1979 bis heute. • Begründet, warum radikale Muslime wie Osama bin Laden sich für den Terrorismus und tödliche Anschläge entschieden haben. • Haltet fest, was der Film über die Motive eines Selbstmordattentäters (z. B. am 11.9.2011) aussagt. • Erklärt, was im Film zum sog. Dschihad oder „heiligen Krieg“ ausgesagt wird. • Untersucht im Film, welches Bild radikale Muslime von den Vereinigten Staaten haben. Was verbindet ihr mit dem Begriff „Kreuzzügler“? • Die Zwillingstürme des World Trade Center in New York waren zweimal das Ziel von Anschlägen der Al-Qaida (1993, 2001). Begründet die Wahl dieses Objekts. • Analysiert, welche Rolle der Staat Israel im islamischen Terrorismus spielt. Was genau meint das Wort „Zionisten“? • Erörtert, welche Gegenmaßnahmen gegen den Terrorismus möglich und sinnvoll sind. Unterscheidet nach globalen und lokalen Maßnahmen. • Beurteilt, in welchem Maße der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus bisher erfolgreich gewesen ist. • Diskutiert, ob ihr die Gefahr seht, dass durch den Terrorismus alle Muslime oder alle Araber in Deutschland ein schlechteres Ansehen haben. M 1 Osama bin Laden im Fernsehinterview Interview mit Osama bin Laden von Peter Arnett vom US-Nachrichtenkanal CNN, ausgestrahlt am 12. Mai 1997 Herr Bin Laden, können Sie uns sagen, was die Hauptpunkte Ihrer Kritik an der saudischen Königsfamilie sind? Unsere Kritik an dem Regime, das in Saudi-Arabien an der Macht ist, und an den Regimen auf der Arabischen Halbinsel allgemein hängt mit ihrer Unterwerfung unter die Vereinigten Staaten und ihrem Bündnis mit den Vereinigten Staaten zusammen, und unser Hauptproblem mit den Vereinigten Staaten ist, dass sie das saudische Regime als einen Lakaien betrachten. Mit der Unterwerfung des saudischen Regimes unter die Vereinigten Staaten und seiner Allianz mit ihnen wurde eine große Sünde gegen den Islam begangen, denn die Regierung der Menschen hat die Regierung Gottes ersetzt, wohingegen man doch einzig und allein nach dem geoffenbarten Gesetz regieren darf. Ganz zu schweigen von den anderen Sünden, die das Regime begangen hat, wenn es das Gesetz Gottes verletzt und auf diese Weise alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche des Staates verdirbt. [...] Haben Agenten des saudischen Geheimdienstes versucht, Sie zu beseitigen? [...] Auf dem Weg zu Gott zu sterben ist eine Ehre, die alle Kämpfer aus meiner Gemeinschaft wollen; wir lieben den Tod auf dem Weg zu Gott genauso, wie ihr das Leben liebt, wir fürchten nichts, wir hoffen auf einen solchen Tod … Wenn Sie Gelegenheit hätten, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten eine Botschaft zukommen zu lassen, was würden Sie ihm sagen ? Wenn der amerikanische Präsident erwähnt wird oder die Regierung, weckt das bei mir Ärger, Abscheu und Empörung, denn für uns verbinden sich damit die Bilder von zehnjährigen Kindern, denen der Kopf abgeschlagen wurde, und von Kindern im Irak, denen Gliedmaßen fehlen, und von Waffen in israelischen Händen, die unsere Kinder töten. Deshalb verabscheuen die Muslime die Vereinigten Staaten und den amerikanischen Präsidenten, dessen Herz gegen solche Bilder verhärtet ist. [...] Und unser Volk auf der Arabischen Halbinsel wird ihm eine Botschaft schicken ohne Worte, denn Worte versteht er nichts. Aber wenn ich durch Ihre Vermittlung eine Botschaft schicken sollte, wäre das eine Botschaft an die Mütter der amerikanischen Soldaten, die aus freien Stücken gekommen sind und in Uniform auf unserem Boden schreiten, während die Ulema [die Religionsführer] dieser Nation im Gefängnis sitzen. Ich betrachte das als eine Provokation für die 1,25 Milliarden Muslime auf der ganzen Welt, und ich sage diesen Müttern, wenn ihre Söhne ihnen etwas bedeuten, sollen sie aufstehen und sich der amerikanischen Politik und dem amerikanischen Präsidenten widersetzen. Sie dürfen sich nicht täuschen lassen, wenn er vor den sterblichen Überresten der gefallenen Soldaten salutiert und dabei die Verteidiger der Freiheit in Saudi-Arabien beschuldigt, Terroristen zu sein. Sie müssen zu ihm sagen, dass er der Terrorist ist und ihren Söhnen dieses Schicksal bereitet hat, um die israelischen Interessen zu verteidigen. Denn wir wissen ganz genau, dass die amerikanische Armee nach Saudi-Arabien gekommen ist, um die Muslime und das Volk zu spalten, damit nicht nach dem Gesetz Gottes regiert werde, und auch um die israelischen Streitkräfte im besetzten Palästina zu unterstützen ... Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 80-82, © der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006 Aufgaben 1. Ermittle, warum US-Truppen 1991 in Saudi-Arabien stationiert worden sind. 2. Stellt die Vorwürfe Osama bin Ladens an die USA zusammen. Wie steht ihr dazu? 3. Analysiere, wie Osama bin Laden den Tod der Opfer bei Terroranschlägen rechtfertigt. 4. Diskutiert, wieso Osama bin Laden einem US-Sender ein Interview gibt. b. Arbeitsaufträge für die Sekundarstufe II Fragen und Aufgaben zum Film (in Einzel- oder Gruppenarbeit) • Schreiben Sie eine kleine Biografie Osama bin Ladens. • Erörtern Sie mögliche Folgen seiner Erschießung 2011 für die islamistische Terrorbewegung. • Halten Sie ideologische Einflüsse aus verschiedenen Richtungen auf Osama bin Laden fest, die sein Weltbild geprägt haben. • Erklären Sie, worin sich Sunniten und Schiiten im Islam unterscheiden. In welchen Ländern gibt es mehr Schiiten? Welche politischen Folgen hat das? • Unterscheiden Sie die Epoche des muslimischen Nationalismus vom Islamismus. • Erörtern Sie: Stellen Terroristen für Weltmächte wie die USA eine ernsthafte Bedrohung dar? • Stellen Sie die Maßnahmen verschiedener Staaten (USA, Deutschland, Israel ...) gegen die terroristische Gefahr zusammen (Recherche auch mithilfe des Internets) und setzen Sie sich mit den Folgen für die Gesellschaft auseinander. M 2 Abdullah Azzam – „Die Verteidigung der muslimischen Gebiete ist die oberste Pflicht des Einzelnen“ Der palästinensische Geistliche und Professor an der Universität von Dschidda Abdullah Azzam (1941-1989) legt in seiner Schrift die Gründe für die Pflicht zum Dschihad dar. Mit Dschihad meint er den bewaffneten Krieg. Osama bin Laden gehörte zu seinen Hörern. Es gibt zwei verschiedene Arten des Dschihads gegen die Ungläubigen: - den offensiven Dschihad, also der Angriff auf die Ungläubigen in ihren Ländern. Wenn die Ungläubigen nicht gegen die Muslime in den Kampf ziehen, ist der Dschihad eine kollektive Pflicht, und das mindeste, was man tun kann, besteht darin, die Grenzen der islamischen Welt zu bewachen, und, um die Feinde Gottes abzuschrecken, mindestens einmal jährlich eine Streitmacht zu entsenden. Der Imam soll ein- oder zweimal jährlich eine Streitmacht in das Kriegsgebiet entsenden, und das Volk soll ihn dabei unterstützen, und wenn es dies nicht tut, ist es in Sünde ... - den defensiven Dschihad, also die Vertreibung der Ungläubigen aus unseren Ländern. Er ist eine höchstpersönliche Verpflichtung und in folgenden Fällen sogar die wichtigste persönliche Pflicht: a) wenn Ungläubige in ein muslimisches Gebiet einfallen, b) wenn die beiden Armeen aufeinandertreffen und es zu Kampfhandlungen zwischen ihnen kommt, c) wenn de Imam einzelne oder eine Gruppe zu den Waffen ruft, müssen sie sich zusammenschließen, um gemeinsam zu kämpfen, d) wenn die Ungläubigen Muslime gefangen nehmen… […] Wir müssen unsere Anstrengungen auf Afghanistan und Palästina konzentrieren, denn dies sind die zentralen Fragen, weil die feindliche Besatzungsmacht dort äußerst gefährlich ist und sich in der gesamten Region ausbreiten möchte […] Jeder Araber, der die Pflicht zum Dschihad in Palästina erfüllen möchte, kann dort beginnen, wer dies aber nicht kann, soll nach Afghanistan gehen. Was die anderen Muslime anlangt, so bin ich der Ansicht, dass sie ihren Dschihad in Afghanistan beginnen müssen. Nicht weil Afghanistan wichtiger wäre als Palästina, denn Palästina ist die heilige Sache des Islam, das Herz der islamischen Welt und eine gesegnete Erde, aber mehrere Gründe sprechen dafür, in Afghanistan anzufangen. Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 179-180, © der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006 Aufgaben 1. Klären Sie die Rolle, die Palästina und Afghanistan im Denken Azzams spielen. 2. Geben Sie die Begründung Azzams für die Pflicht zum Dschihad wieder und nehmen Sie dazu Stellung. 3. Schätzen Sie ein, wie die Aussagen des Textes zur politischen Rolle des Islam in der gegenwärtigen Welt passen. M 3 „Erklärung der Internationalen Islamischen Front für den Dschihad gegen die Juden und Kreuzfahrer“ Manifest vom 23. Februar 1998, unterzeichnet durch ein Bündnis von kleinen islamistischen Terrorgruppen unter der Führung von Osama bin Laden Seit mehr als sieben Jahren besetzt Amerika das heiligste der muslimischen Gebiete (die Arabische Halbinsel), plündert seine Reichtümer, erteilt seinen Regierungen Befehle, demütigt seine Bewohner, versetzt seine Nachbarn in Angst und macht seine Stützpunkte zu Speerspitzen im Kampf gegen benachbarte muslimische Völker. Trotz der gewaltigen Zerstörungen, die das irakische Volk durch die Koalition der Juden und Kreuzfahrer erlitten hat, und trotz der riesigen Zahl von Opfern, die an eine Million heranreicht, trotz all dem versuchen die Amerikaner immer noch, diese schrecklichen Massaker zu wiederholen. Soweit die Kriegsziele der Amerikaner religiös und wirtschaftlich sind, nützen sie auch dem kleinen Staat der Juden und der Besetzung Jerusalems, ganz zu schweigen von den Morden an Muslimen. All diese Ereignisse und Verbrechen sind Teil einer Kriegserklärung der Amerikaner an Gott und Seinen Propheten … Die Amerikaner und ihre Verbündeten zu töten, ob Zivilisten oder Soldaten, ist eine Pflicht für jeden Muslim, der es tun kann, in jedem Land, wo er sich befindet, bis die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem und die große Moschee in Mekka von ihnen befreit sind… Osama bin Laden, Anführer der Organisation Al-Qaida Ayman al-Zawahiri, Anführer der ägyptischen Organisation Al-Dschihad und 4 weitere Namen Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 86-89, © der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006 Aufgaben 1. Erklären Sie den Titel der Erklärung. 2. Erarbeiten Sie das Bild Amerikas, das der Text zeichnet. 3. Begründen Sie den Tötungsaufruf der Erklärung. Führen Sie dazu Hintergründe aus. 4. Durch die terroristischen Attentate sterben auch viele Muslime. Welche Rechtfertigung könnte es dafür in der Denkweise von Terroristen geben? M 4 Ayman Al-Zawahiri – „Ritter unter dem Banner des Propheten“ Auszug aus einer Artikelserie des Vizechefs der Al-Qaida ab 2. Dezember 2001 in der panarabischen Tageszeitung Al-Sharq al-Awsat Die dem Islam feindlich gesinnten westlichen Kräfte haben klar ihren Gegner ausgemacht, den sie den islamischen Fundamentalismus nennen. Sogar ihr einstiger Gegner Russland ist ihrer Koalition beigetreten. Um den Islam zu bekämpfen, haben sie sich diverser Instrumente bedient: der UNO, der dienstbaren Regierungen der muslimischen Völker, der multinationalen Konzerne, der internationalen Kommunikationssysteme, der internationalen Nachrichtenagenturen und Satellitensender sowie der Nichtregierungsorganisationen, die dazu benutzt werden, um Spionage zu betreiben, Komplotte zu schmieden, missionarisch tätig zu werden und Waffen zu schmuggeln. Gegenüber dieser Koalition hat sich eine fundamentalistische Allianz gebildet, bestehend aus den Dschihad-Bewegungen verschiedener muslimischer Länder und Staaten, die durch den Dschihad befreit wurden, so Afghanistan und Tschetschenien. Auch wenn diese Allianz erst am Anfang steht, so zeigt sie ein rapides und bedeutendes Wachstum. Ihre Größe muss nicht mehr bewiesen werden. Ihre Aktionen sprechen für sich selbst. Sie flößt dem Westen eine Angst ein, die sein Denken beherrscht, ihn beunruhigt und ihn in Atem hält. Denn eine wachsende Streitmacht versammelt sich unter dem Banner des Dschihads gegen das Gesetz der neuen Weltordnung. Frei von jeder Knechtschaft gegenüber dem herrschenden westlichen Imperialismus, birgt sie die Verheißung, den neuen Kreuzzug gegen die Gebiete des Islam vernichtend zu schlagen. Sie dürstet danach, an den Anführern der Bande der internationalen Gottlosigkeit (den USA, Russland, und Israel) Rache zu nehmen, und sie brennt darauf, das Blut der Märtyrer, die Verzweiflung der Mütter, das Elend der Waisen, die Leiden der Gefangenen ... auf dem gesamten Gebiet der Muslime von Ostturkestan bis nach Andalusien zu rächen. Heute wohnen wir einem Phänomen bei, das neu, aber beständig und im Auftrieb begriffen ist, dem Phänomen der jungen muslimischen Kämpfer, die ihrer Familie und ihrer Heimat den Rücken kehren, auf das Geld pfeifen und auf ihre Studien und ihre Arbeit verzichten, um auf die Schlachtfelder des Heiligen Krieges zu ziehen. Mit dem lang ersehnten Auftauchen dieser neuen Art Muslime entwickelt sich unter allen Söhnen des Islam, die bestrebt sind, ihm den Sieg zu sichern, ein neues Bewusstsein, das sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: Es gibt keine andere Lösung als den Dschihad. Was zur Entwicklung dieses Bewusstseins beigetragen hat, ist das Scheitern sämtlicher anderer Mittel, die einen Ausweg aus der schweren Bürde des Dschihads hätten sein sollen. Dazu stellen die algerischen Erfahrungen eine bittere Lektion dar: Sie haben den Muslimen vor Augen geführt, dass der Westen nicht nur gottlos, sondern auch verlogen und heuchlerisch ist, denn die Prinzipien [der Demokratie mit Wahlen], mit denen er sich aufplustert, sind nur für ihn gut. Die muslimischen Völker profitieren von ihnen nur gerade so wie der Sklave, der von der Mahlzeit seines Herrn die Brosamen aufpickt. Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 353-354, © der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006 Aufgaben 1. Analysieren Sie den Artikel auf seine Absichten. 2. Stellen Sie die beiden Lager gegenüber, von denen der Autor spricht. 3. Vermuten Sie, warum Al-Zawahiri sich im Text über die jungen Muslime äußert. 4. Nehmen Sie Stellung zu den geäußerten Gründen für Terrorismus. Autor der didaktischen Materialien: Ulrich Bongertmann www.zdf.de (2011) - 23 - ZDF/Verband der Geschichtslehrer Deutschlands e.V