Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung Prof. Dr. Klaus Zimmermann Wintersemester 2010 / 11 Westfälische Wilhelms - Universität Münster Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Semesterplan I. Einleitung (20.10.) II. Die konstantinische Dynastie (27.10.) [03.11.: entfällt wegen Kongressteilnahme] [10.11.: entfällt wegen Kongressteilnahme] III. Julian Apostata (17.11.) IV. Von Jovian bis Valentinian (24.11.) V. Theodosius der Große (01.12.) VI. Die Nachfolger des Theodosius (08.12.) VII. Theodosius II. (15.12.) VIII. Der Kaiser (22.12.) [24.12.-07.01.: Weihnachtspause] IX. Die Verwaltung (12.01.) X. Die Gesellschaft der Spätantike (19.01.) XI. Wirtschaft und Handel (26.01.) XII. Die Entwicklung des Christentums (02.02.) Konstantin der Große mit dem Stadtmodell Konstantinopels (Mosaik in der Hagia Sophia, um 1000 n. Chr.) (Bildquelle: Internet) 1 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzungen vom 20. und 27.10.2010 I. Einleitung 1. Rückblick – der Beginn der Spätantike Mit der Bezeichnung „Spätantike“ wird seit Jacob Burckhardt (1818-1897 / ein Schweizer Kulturhistoriker) und Max Weber (1864–1920 / ein deutscher Soziologe und Nationalökonom) das Zeitalter des Mittelmeerraumes während des Überganges von der Antike zum Mittelalter charakterisiert. Der österreichische Kunsthistoriker Alois Riegel (1858-1905) hat mit dem Begriff der „Römischen Spätantike“ diese Definition übernommen, wobei er sie an Funden kunstgewerblicher Gegenstände festmachte. Als Beginn dieser Epoche gilt nach allgemeiner Auffassung der Regierungsantritt des weströmischen Kaisers Diokletian (zwischen 236/245-313/316) im Jahr 284 n. Chr., während für ihr Ende unterschiedliche Daten diskutiert werden. Im Weströmischen Reich wird das Jahr 476 n. Chr. - Absetzung des letzten römischen Kaisers Romulus Augustulus (um 460-nach 476) – aber auch das Jahr 568 genannt, in dem die Langobarden in Italien einfielen. Im Osten des Reiches reicht die Epoche entweder bis zum Tod des oströmischen Kaisers Justinian I. (um 482-565), nach anderer Lesart bis zur arabischen Expansion im 7. Jahrhundert. Die Bezeichnung der Epoche als Spätantike bietet dabei den Vorteil, auf den gesamten Mittelmeerraum anwendKaiser Diokletian bar zu sein, während der ebenfalls gebräuchliche Terminus Frühbyzantinische Zeit nur den Osten dieses Gebietes charakterisiert. Die islamische Expansion im 7. Jahrhundert markierte für Ostrom das Ende der Antike 2 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die Spätantike ist gekennzeichnet „durch ein Nebeneinander antiker Traditionen und christlich - germanischer Überformung“. Was aber nicht einem Niedergang dieser antiken Traditionen gleichkommt, sondern eher ein Transformationsprozess war. Dabei war der Siegeszug des Christentums zur wichtigsten Religion im römischen Imperium mit der sog. Konstantinischen Wende das herausragende Ereignis, mit dem das langsame Verschwinden vorchristlicher Kulte und Traditionen verbunden war. Welche Ereignisse waren dieser Entwicklung vorausgegangen? Im Verlauf des 3. Jahrhunderts n. Chr. kam es im römischen Imperium zu einer Krise, die von der modernen Geschichtswissenschaft als „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ bezeichnet wird. Es geht um den Zeitraum zwischen 235 und 284/85 n. Chr. Die Expansion des Römischen Reiches bis zum Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. (aus Wikipedia) Die obige Karte zeigt die enorme geographische Ausdehnung des römischen Reiches, dessen Grenzen seit den 220er Jahren der ständigen Bedrohung eines „Mehrfrontenkrieges“ ausgesetzt waren. Die Formierung germanischer Großverbände von Alemannen und Franken in der Rheinregion gegen Rom bedrohten diese Grenzen im Westen, das neupersische Sassanidenreich im Osten. Dazu kamen mehrere Usurpationen, die Abspaltung des Gallischen Sonderreiches zwischen 260 und 274 und wirtschaftliche und finanzielle Probleme - die außenpolitische Lage Roms verschlechterte sich dramatisch. Rom verlor an Bedeutung und musste durch Reformen im militärischen und im administrativen Bereich wieder stabilisiert werden. Diese Vorhaben ging Kaiser Diokletian an. 3 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Diokletian wurde am 20.11.284 zum römischen Kaiser ausgerufen und eine der von ihm eingeleiteten Reformen war die Einführung der sog. Tetrarchie. Bei dieser Regierungsform gab es 4 Herrscher im Kaiserrang. Diokletian war davon überzeugt, dass das von Feinden umgebene Riesenreich für einen einzelnen Herrscher unregierbar geworden sei. Die Größe des Imperiums machte eine Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern nötig. Von den 4 Kaisern waren Zwei Seniorkaiser – mit dem Titel Augustus und Zwei Juniorkaiser – mit dem Titel Caesar 293 von Diokletian „glänzend durchdacht“ eingeführt, scheiterte sie aber in der Praxis und wurde schon im Jahr 305, kurz nach seinem Rücktritt als Kaiser, wieder abgeschafft. Diokletian war ohne leiblichen Nachfolger und so erhob er 286 mit Maximian (um 240-310 / links) einen seiner Offiziere zu seinem Mitkaiser / Augustus. Dieser hatte sich - obwohl von einfacher Herkunft – bei Kämpfen gegen die Gallier ausgezeichnet. Bei zwei Kaisern spricht man zunächst von einer Dyarchie (Doppelherrschaft). Das Reich wurde in eine westliche und eine östliche Region aufgeteilt und im Jahr 293 werden die beiden Caesares ernannt – Galerius für Diokletian und Constantius Chlorus für Maximian Kopf des Maximian (Bildquelle: Internet) Den Osten des Imperiums behielt Diokletian für sich, die anderen Gebiete überließ er Maximian, ein weiteres dem als roh bezeichneten „Berufssoldaten“ aus Thrakien Galerius und das letzte dann dem Constantius Chlorus. Die Tetrarchie an sich stellte keine Neuerung dar, neu war dagegen, dass Diokletian keine leiblichen Söhne oder Verwandte zu Nachfolgern machte und eine dynastische Thronfolge damit ausschloss. Nur die Befähigung zum Amt und die Loyalität sollten entscheidend sein. Da es im Römischen Reich aber noch die leibliche Nachfolge gab, entstanden jetzt Probleme. Deshalb und um Usurpatoren von vornherein abzuschrecken, binden sich Diokletian und Maximian an die Götter Jupiter und Herkules an – eine domus divina (Herrschaft eines Geschlechts von Göttersöhnen) entsteht, wobei Diokletian den Namen Jovius annahm, Maximian den Namen Herculius. Damit wird eine „theokratische Ideologie“ eingerichtet, eine „allein religiös legitimierte Staatsgewalt“. Am 1. 05. 305 traten Diokletian und Maximian – letzterer nicht ganz freiwillig – zurück. „…ein Ereignis, das in der Geschichte des Römischen Reiches seinesgleichen sucht…“(Zitat John. J. Norwich in BYZANZ – „Aufstieg und Fall eines Weltreiches“). Jetzt wurden Galerius und Constantius Chlorus zu Augusti, also gleichberechtigten Kaisern, ausgerufen. Aber die Ausrufung ihrer beiden Caesares Severus († 16. September 307) und Maximinus Daia war umstritten. 4 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Follis des Flavius Valerius Severus als Caesar (Follis ist eine um 294 von Diokletian im Rahmen einer Währungsreform eingeführte Münze/Bildquelle: Internet) Follis des Maximinus Daia In den „Bürgerkriegen“, die jetzt folgten, setzte sich Konstantin I. letztendlich durch und konnte nach seinem Sieg über seinen ehemaligen Verbündeten und späteren letzten Rivalen Licinius im Jahr 324 allein regieren – was immer sein Ziel war! Aber vorher geschah noch viel… II. Die Konstantinische Dynastie 2. Das Römische Reich zur Zeit Konstantins Bei der Ausrufung der beiden neuen Caesares fühlte Konstantin sich übergangen, er fürchtete um sein Leben und floh 306 vom Hof des Galerius zu seinem Vater nach Bononia. Dieser bereitete gerade eine weitere Expedition nach Britannien vor, der sich Konstantin anschloss. Constantius Chlorus starb aber kurz darauf am 25. Juli 306 in York und die dortigen Legionen erhoben Konstantin spontan zum neuen Kaiser. Er wurde aber von den anderen Tetrarchen nicht akzeptiert. So weigerte sich Galerius, den Konstantin sofort von seiner Proklamation unterrichten ließ, den „jungen Rebellen“ anzuerkennen. Lediglich den Titel Caesar durfte er tragen, was Konstantin zunächst auch genügte. Er blieb deshalb in den nächsten Jahren in Britannien und in Gallien. Porphyrstatue der römischen Tetrarchen in Venedig (Bildquelle: Internet) 5 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Konstantin war inzwischen mit Fausta, der Tochter des Kaisers Maximian verheiratet (seine erste Frau Minervina hatte er 307 verstoßen). Maximian seinerseits hatte die vor zwei Jahren von Diokletian erzwungene Abdankung widerrufen, den Purpur wieder angelegt und zusammen mit seinem Sohn Maxentius ganz Italien für sich gewonnen. Durch die heirat mit Fausta konnten beide jetzt mit der Unterstützung durch Konstantin rechnen und der hatte jetzt die familiäre Bindung an zwei Kaiser. Galerius starb im Jahr 311 und jetzt teilten sich drei Augusti die Gewalt im Reich: Licinius, der über Illyrien, Thrakien und die Donauprovinzen herrschte Maximin Daia übernahm die östlichen Provinzen und Konstantin in Gallien und in Britannien. Maxentius, der Sohn des Maximian und Schwiegersohn des Galerius, war ein vierter Anwärter, der aber keinen kaiserlichen Rang beanspruchen konnte. Trotzdem fühlte er sich übergangen und seiner Thronrechte beraut. Aus diesem Grund und weil er ihm die Schuld am gewaltsamen Tod seines Vaters gab, hasste und beleidigte er Konstantin. Eine kriegerische Auseinandersetzung war unausweichlich und so kam es am 28. Oktober 312 nördlich von Rom zur Schlacht an der Milvischen Brücke. Hier nun soll Konstantin die berühmte Vision des Kreuzzeichens gehabt haben, von der Eusebius berichtet: „Während der Kaiser aber so betete…, erschien ihm ein ganz unglaubliches Gotteszeichen… Um die Mittagszeit habe er, so sagte der Kaiser, mit eigenen Augen oben am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes aus Licht gebildet und dabei die Worte gesehen: „Durch dieses siege!“. Staunen aber habe bei diesem Gesichte ihn und das ganze Heer ergriffen“. Soweit die Legende. Raffael: „Die Vision des Konstantin“ In hoc signo vinces, 1520 – 1525 (Sala di Constantino im Vatikan) (Bildquelle: Internet) Konstantin gewann diese Schlacht und hatte damit den Westen des Reiches für sich gewonnen. Das Datum markiert auch den Zeitpunkt, an dem er sich zu Beschützer seiner christlichen Untertanen machte – die sog. Konstantinische Wende. Anfang des Jahres 313 begab sich Konstantin dann von Rom, wo er noch einige Kirchen gestiftet hatte, nach Mailand, wo er Licinius (um 265-325) traf. Dieser akzeptierte nicht nur die Gebietseroberungen Konstantins, beide erließen auch gemeinsam ein Edikt, das den Christen im Reich volle rechtliche Gleichstellung garantierte (Mailänder Vereinbarung). 6 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Waren die Beiden jetzt noch Freunde (313 heiratete Licinius sogar Constantia, eine Halbschwester Konstantins), währte die Eintracht hingegen nicht lange – Konstantin wollte Diokletians Reichsteilung beenden. Er wollte die Alleinherrschaft ! So begann zwischen den beiden Augusti ein Tauziehen um die Macht. Der „Dritte im Bunde“ – Maximin Daia – hatte sich, von Licinius vernichtend geschlagen, inzwischen selbst gerichtet. Konstantin und Licinius zerstritten sich 314, als Konstantin seinen Schwager Bassianus zum Mitregenten über Italien einsetzen wollte. Als seine Aktivitäten bekannt wurden, entbrannte ein Bürgerkrieg, in dem Licinius zweimal schwer geschlagen wurde. Neun Jahre später erklärte Konstantin ihm erneut den Krieg und schlug seine Armee 324 bei Adrianopel in Thrakien. Licinius geriet in Gefangenschaft, während der man ihn im Jahre 325 umbrachte. Jetzt hatte Konstantin sein Ziel erreicht, er war Alleinherrscher im Reich und baute jetzt die Reformen des Diokletians weiter aus. In der Verwaltung schuf er neue Hofämter, wandelte den praefectus praetorio in den höchsten Zivilbeamten um und führte zusätzliche Steuern ein. Im militärischen Bereich gehen das Amt des magister militum (Heermeister) und die endgültige Teilung des Heeres in ein Bewegungs- und ein Grenzheer auf ihn zurück. Außenpolitisch gelang ihm eine weitere Stabilisierung der Grenzen. Unter seiner Herrschaft erfolgte auch der am weitesten reichende Schritt eines römischen Kaisers seit Augustus: Die Förderung des nur Jahre zuvor noch verfolgten Christentums als staatlich anerkannte und privilegierte Religion - die Konstantinische Wende. Wobei das Christentum aber noch nicht zur Staatsreligion erhoben wurde, denn die „Heiden“ durften weiterhin ihre Kulte ausüben und ihren Göttern opfern. Um innerchristliche Streitigkeiten (arianischer Streit) beizulegen, rief er 325 das erste Konzil von Nicäa ein. Auch Konstantin war sich bewusst darüber, dass das Reich von Rom aus nicht mehr effektiv zu regieren und zu kontrollieren sei. Hier in Rom ging der Kontakt zu dem hellenistisch-fortschrittlichen Denken zusehends verloren und für die altrömischen Traditionen war im neuen christlichen Reich kaum noch Platz. Auch konnten die römischen Akademien und Bibliotheken sich mit denen von Alexandria, Antiochia oder Pergamon nicht messen. Außerdem hatte Rom Nachteile in strategischer Hinsicht. Konstantin verlegte deshalb 324/326 die Hauptstadt des Reiches nach Osten, in die Region mit den größten Problemen und wählte das fast tausend Jahre alte Byzantion aus. Von den Völkern im Osten – den Sarmaten am Unterlauf der Donau, den Ostgoten nördlich des Schwarzen Meeres und vor allem vom Sassanidenreich (es erstreckte sich inzwischen von den römischen Provinzen Armenien und Mesopotamien bis zum Hindukusch) – gingen die größten Gefahren aus. „Das Zentrum des Imperiums, ja der ganzen zivilisierten Welt, hatte sich unwiderruflich und unübersehbar nach Osten verlagert. Italien war tiefste Provinz geworden…“ - Zitat John. J. Norwich in BYZANZ – „Aufstieg und Fall eines Weltreiches“. 7 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Arianischer Streit Die Kontroverse begann 318 in Alexandria während einer Diskussion über die Dreieinigkeit. Einer der Ältesten, Arius, warf dem Bischof in der Diskussion Sabellianismus vor. Sabellianismus sieht Gott als eine Person, die sich auf dreifache Weise manifestiert. Die von Arius vertretene Lehre, dass Jesus Christus als Sohn Gottes ganz klar Gott untergeordnet, also „subordiniert“ sei, wurde einmütig als Irrlehre verurteilt. Arius verbreitete jedoch seine Lehre weiter, und die Kontroverse dehnte sich innerhalb kurzer Zeit auf den gesamten christlichen Osten aus. Kaiser Konstantin persönlich appellierte an Bischof Alexander und Arius, sie sollten sich in der christologischen Frage um die Beziehung zwischen Gott und Jesus Christus einigen. Als er sah, dass eine gütliche Schlichtung nicht möglich war und der Streit auch in der Bevölkerung eskalierte, so dass er die Stabilität im Reich gefährdet sah, berief er 325 über 1800 Bischöfe zu einem allgemeinen Konzil nach Nicäa bei Konstantinopel ein. Jedoch kamen nur 318 Bischöfe zusammen, und nach hitzigen Diskussionen setzte sich die Position des Alexander gegen die Anhänger des Arius, die Arianer, durch. Innerhalb weniger Jahre war die Christenheit des Ostens tief gespalten. Konstantin I. (der Große) Flavius Valerius Constantinus wurde an einem 27. Februar zwischen 272 und 285 in Naissus geboren. Er starb am 22. Mai 337 bei Nikomedia. Er war auch bekannt als Konstantin der Große und war von 306 bis 337 römischer Kaiser. Allein, das heißt ohne Mitherrscher oder Konkurrenten, herrschte er jedoch erst ab 324. 324/26 verlegte Konstantin seine Residenz in den Osten des Reiches, nach Konstantinopel („Stadt des Konstantin“). Neben den historisch belegten Tatsachen gibt es viele Einzelheiten bezüglich Konstantin, die bis heute umstritten sind, besonders wie sein tatsächliches Verhältnis zum Christentum war. Kurz vor dem Beginn eines geplanten Feldzugs gegen das Sassanidenreich verstarb Konstantin in der Nähe von Nikomedia. Er ließ sich, wie zur damaligen Zeit keineswegs unüblich, erst kurz vor seinem Tod taufen. 8 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die neue Hauptstadt sollte seinen Namen tragen, also Konstantinopel – „Stadt des Konstantin“ – heißen und als das Neue Rom zum Zentrum der spätrömischen Welt werden. Nach der Grundsteinlegung im Jahre 326 wurde die Stadt 330 feierlich eingeweiht. Stammbaum der Konstantinischen Dynastie (Bildquelle: Materialien zur Vorlesung) Es folgte eine – gemessen an den vergangenen Jahren - eher friedliche Phase, in der Fausta fünf Kinder gebar: Konstantin II. Constantius II. Constantina Constans und Helena (benannt nach ihrer Großmutter) Konstantin ernannte seine vier Söhne Crispus (er war der Sohn Konstantins und der Minervina, die jedoch vermutlich nicht mit ihm verheiratet war. Sein Geburtsjahr wird allgemein auf das Jahr 305 geschätzt), Konstantin II., Constantius II. und Constans noch im Kindesalter zu Caesares. Die Dynastie vergrößerte sich auch durch die Familien von Konstantins Halbbrüdern: 9 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Julius Constantius heiratete Galla und zeugte drei Kinder: Constantius Gallus (* 325/26) und einen weiteren namentlich nicht bekannten Sohn sowie ein Mädchen, das später die erste Frau Constantius II. wurde. Nach dem Tod Gallas heiratete Julius Constantius eine Frau namens Basilina, mit der er den späteren Kaiser Julian (* 331) zeugte. Konstantins Halbbruder Flavius Dalmatius zeugte ebenfalls zwei Söhne, Dalmatius und Hannibalianus. Über die Nachkommenschaft des dritten Halbbruders, Flavius Hannibalianus, ist nichts bekannt. Anfang des Jahres 326 brach Konstantin zusammen mit mehreren Mitgliedern seiner Familie nach Rom auf, um dort die Feierlichkeiten der Vicennalia – dem zwanzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung – nachzufeiern. Bei dieser Reise kam es in Serdika (dem heutigen Sofia) zu einer Tragödie. Crispus und Licinianus (ein Stiefsohn der Constantia) wurden in Haft genommen und kurz darauf hingerichtet. Und die Kaiserin Fausta soll im Calidarium, dem Wärmeraum eines Bades, zu Tode gekommen sein. Ob sie durch kochendes Wasser verbrüht, im Dampf erstickt oder erstochen wurde – wir werden es niemals erfahren. Am 22. Mai 337 starb Kaiser Konstantin in Nikomedia, nachdem er vom dortigen Bischof Eusebius getauft worden war. Am 9. September 337 wurden seine drei Söhne zu Augusti ernannt und jetzt ließ vor allem der junge Constantin „die Maske der Milde fallen“ - so John. J. Norwich in BYZANZ – „Aufstieg und Fall eines Weltreiches“. Und weiter liest man da: „Nun wurde gezielt das Gerücht in Umlauf gesetzt, der tote Konstantin habe in seiner zusammengekrampften Hand ein Stück Pergament gehalten, auf dem er seine Halbbrüder Julius Constantius und Delmatius des Giftmordes beschuldigt und sein drei Söhne zur Rache aufgerufen habe. Die Geschichte klingt reichlich unwahrscheinlich, doch waren die Folgen entsetzlich… (Zitat Ende). Julius Constantius und sein ältester Sohn wurden ermordet, ebenso Delmatius und seine Söhne und auch Hannibalianus, Flavius Optatus und Popilius Nepotianus überlebten das Massaker nicht. Lediglich Julian und Constantius Gallus, die Söhne des Julius Constantius und der Sohn des Nepotianus, überlebten – vielleicht, weil sie zu jung waren, um eine ernsthafte Gefahr darzustellen. Die drei regierenden Augusti waren ansonsten die einzigen Angehörigen der Kaiserfamilie, die überlebten Es war offensichtlich, dass diese Morde den Herrschaftsanspruch der Konstantinssöhne zementieren sollten und schon bald wurden diese – vor allem Constantius II. – verdächtigt, die Säuberung befohlen zu haben. Ob dies zutrifft, ist jedoch heute nicht mehr zuverlässig zu rekonstruieren. 10 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Constantius II. Constantinus II. Constans (Bildquelle: Materialien zur Vorlesung) Konstantin II., Constantius II. und Constans teilten im Frühsommer des Jahres 338 das riesige Reich unter sich auf: Konstantin II. übernahm den Westen mit Gallien, Britannien und Spanien Constantius erhielt den Osten einschl. Kleinasien und Ägypten Constans wurde mit Afrika, Italien, dem Donauraum, Makedonien und Thrakien nicht nur das größte Gebiet zugesprochen, sondern theoretisch auch die Herrschaft über die Hauptstadt. Constans überließ aber schon 339 die Hauptstadt seinem Bruder Constantius gegen das Versprechen, dass dieser ihn gegen Konstantin II. unterstützen sollte – so gab es wegen der Hauptstadt keinerlei Konflikte. Nachdem nun das Reich unter den drei Brüdern aufgeteilt war, konnten alle verbannten Bischöfe zurückkehren. Für Eusebius – einem Arier - brachte die neue Regierung Vorteile: Constantius II., der über den Osten des Reiches verfügte, war gerade zwanzig Jahre alt und ließ sich kirchenpolitisch leicht von Eusebius beeinflussen, so dass er für den Rest seines Lebens die Trinitarier bekämpfte. Des Weiteren war Eusebius die Aufgabe zugeteilt, als Vormund für die Erziehung des späteren Kaisers Julian zu sorgen, der ein Vetter des Constantius II. und Überlebender der Morde nach dem Tod Konstantins war. Schon 340 kam es dann auch zu Konflikten zwischen Konstantin II. und Constans. Konstantin II. konnte als Ältester seine Mitregenten nur schwer als ebenbürtig anerkennen und als sich Constans seinem Willen, die Vorherrschaft zu gewinnen, widersetzte, marschierte er 340 in Italien, dem Reichsteil des Constans, ein und wurde von seinem jüngeren, aber ihm überlegenen Bruder getötet. Nun gab es nur noch zwei Augusti und Constans hatte mit nur siebzehn Jahren die Oberherrschaft im gesamten Westen inne. Zehn Jahre später fiel Constans, der sich im Heer durch seine Lebensweise unbeliebt gemacht hatte, dem Usurpator Magnentius zum Opfer, der sich in Gallien erhob. Magnentius tötete Constans und übernahm den Westen, konnte 11 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann sich aber nicht lange halten. Denn jetzt zog Constantius II. gegen Magnentius, nachdem er seinen Vetter Constantius Gallus – ein Bruder des Julian Apostata – zum Caesar im Osten gemacht und damit diese Grenzen gesichert hatte. Im September 351 besiegte er Magnentius; dieser richtete sich selbst und „stürzte sich in sein Schwert“ (Norwich). Constantius II. war jetzt alleiniger und unangefochtener Herrscher des Römischen Reiches! Münze mit dem Kopf des Magnentius (Bildquelle: Internet) Musste jetzt aber auch feststellen, dass sich Gallus im Osten nicht loyal verhielt - er hatte die Bürger seiner Residenzstadt Antiochia gegen sich aufgebracht und stand im Verdacht, gegen Constantius zu intriegrieren. Dieser ließ ihn 354 hinrichten, nachdem kurz zuvor dessen Frau Constantina gestorben war. Die germanischen Verbündeten jenseits des Rheins nutzten die Vernachlässigung dieser Grenzen und begehrten immer häufiger auf. Auch im Osten war der Konflikt mit Persien keineswegs vorüber – es musste ein neuer Caesar ernannt werden; das geschah im Jahr 355. Münze mit dem Kopf des Gallus (Bildquelle: Internet) Der neue Caesar sollte, das war klar, ein Mitglied der Familie sein und deshalb machte Constantius seinen Vetter Flavius Claudius Julianus (331-63) 355 zum neuen Caesar in Gallien. Julian bekam als Residenzstadt Lutetia (Paris) zugewiesen und wurde mit Constantius’ Schwester Helena verheiratet. Julian wurde später unter dem Namen Julian Apostata (der Abtrünnige) römischer Kaiser. Julian Apostata (Bildquelle: Internet) 12 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 17.11.2010 III. Julian Apostata 1. Zusammenfassung Flavius Claudius Julianus (331 - 26. Juni 363) war von 360 bis 363 römischer Kaiser. Christliche Polemiker nannten ihn Iulianus Apostata - Julian der Apostat, d. h. der Abtrünnige), da er den christlichen Glauben aufgegeben hatte. Selten bezeichnet man ihn als Julian II. Seine abstinente, asketische Lebensweise prägte seinen Charakter. Er sah in Alexander d.Gr. und Marc Aurel seine großen Vorbilder Julians kurze Regierungszeit von nur drei Jahren war innenpolitisch durch seinen vergeblichen Versuch geprägt, das durch Konstantin den Großen im Reich eingeführte Christentum zurückzudrängen. Er wollte der römischen, besonders aber der griechischen Religion durch staatliche Förderung wieder eine Vormachtstellung verschaffen. Constantius II. ernannte ihn zum Caesar und vertraute ihm die Verteidigung Galliens gegen die Germanen an. Nachdem er sich bei der Erfüllung dieser Aufgabe bewährt hatte, rebellierten seine Truppen gegen Constantius und riefen Julian zum Kaiser aus. Nur der Tod des Constantius verhinderte einen Bürgerkrieg. Julian unternahm die größte Militäroperation der römischen Geschichte gegen das Sassanidenreich, in deren Verlauf er im Jahr 363 fiel. Er war das letzte Mitglied der Konstantinischen Dynastie. Solidus des Julian um das Jahr 361. Auf der Rückseite wird die militärische Stärke des römischen Imperiums dargestellt. (Bildquelle: Internet) 2. Jugend und Ausbildung Julian wurde im Jahr 331 in Konstantinopel geboren, wo sich seine Eltern Julius Constantius und dessen zweite Ehefrau Basilina auf Geheiß Konstantins kurz nach Helenas Tod niedergelassen hatten. Nur wenige Wochen nach der Geburt starb Basilina und Julian wuchs unter der Obhut von Ammen und Erziehern auf. „Der Vater nahm an seiner Erziehung zwar distanziert, aber wohlwollend Anteil“ (Norwich). Mit fünf Jahren erlebte er das Massaker nach Konstantins Tod, dem auch sein Vater zum Opfer fiel. Constantius sah ihn zwar nicht als wirklichen Rivalen, wusste aber auch nicht, wie er ihn einsetzen konnte. Julian wurde deshalb zunächst nach Nikomedia im Nordwesten der Türkei geschickt und erhielt hier durch den arianischen Bischof Eusebius von Nikomedeia eine zwar stark christlich geprägte, aber sehr sorgfältige Erziehung. Danach – wieder in Konstantinopel – wurde er von Mardonios in den griechischen Klassikern unterrichtet. 13 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Apostasie Der Ausdruck Apostasie bezeichnet den Abstand von einer Religion durch einen förmlichen Akt (beispielsweise Kirchenaustritt oder Übertritt zu einem anderen Bekenntnis, Konversion). Jemand, der Apostasie vollführt, ist ein Apostat. Während Häresie nur eine oder mehrere überlieferte Lehren der Religion bestreitet, besteht die Apostasie in der Ablehnung der verlassenen Religion als solche. Der Begriff stammt aus der christlichen Tradition, besonders der Römischkatholischen Kirche. Heute ist er jedoch auch im Zusammenhang mit dem Islam weit verbreitet. (aus Wikipedia) Im Jahr 345 kehrte er wieder nach Nikomedia zurück und lebte danach ab 346 in Kappadokien, wo er „nur in Gesellschaft von Büchern verblieb“. Julian wurde zwar arianisch - christlich erzogen, las aber auch die Schriften des heidnischen Rhetoriklehrers Libanios (314-93), dessen Unterricht er aber nicht besuchen durfte. Julian besorgte sich jedoch durch einen bezahlten Freund Mitschriften der Vorlesungen des Libanios, die er genau studierte. Dies war der erste Schritt hin zu seiner späteren Abwendung vom Christentum. Libanios lehnte das Christentum rigoros ab und bekannte sich zur alten Religion. So fasste auch Julian schon früh den Entschluss, dem Christentum abzuschwören und den heidnischen Gottheiten des Altertums zu dienen. Es sollten aber noch Jahre vergehen, ehe er sich dazu bekannte – er hütete sein Geheimnis gut. 349 rief ihn Constantius nach Konstantinopel zurück und hier konnte er seine Studien fortsetzen und vertiefen. Es waren insgesamt sechs für ihn sehr glückliche Jahre, in denen er im Jahr 351 u.a. die Riten und Praktiken der Theurie kennen gelernt hat. Diese Trancetechniken sollten es ermöglichen, mit göttlichen Wesen in Verbindung zu treten und von ihnen Hilfe zu erlangen. Libanios (314 - 93) 354 rief ihn Constantius an seinen Hof nach Mailand und ernannte ihn zum Caesar, als der er am 6. November 355 vom versammelten Heer anerkannt wurde. Er sollte als letztes überlebendes Mitglied der konstantinischen Familie neben dem Kaiser selbst die kaiserliche Präsenz im Westen aufrechterhalten, während sich Constantius im Osten in Verhandlungen mit dem persischen Sassanidenreich befand. Um die neue Verbundenheit der beiden Kaiser zu bestätigen, heiratete Julian auch am 6. November 355 die Kaiserschwester Helena. 14 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Im Dezember schon reiste Julian nach Vienne, wo er den Winter verbrachte. Von dort aus führte er sein Heer nach Köln, um dort eine Strafexpedition gegen die dortigen Germanen durchzuführen. Hier hatte sich der noch junge Heermeister Silvanus am 11. August 355 zum Gegenkaiser ausrufen lassen, wurde aber später von seinen eigenen Leuten erschlagen. Julian konnte Köln wieder für Rom gewinnen. Danach gelang ihm im Sommer 357 bei Straßburg ein großer Sieg gegen ein Alamannenheer. Die Alamannen blieben aber weiterhin unruhig, sodass Julian in den Jahren 358/59 weitere Kriege gegen diese Germanenstämme führen musste. Aber am Ende des Jahrzehnts war an der gesamten Westgrenze die römische Macht wiederhergestellt. Die Stadtmauer von Amida (heute Diyarbakir) (Bildquelle: Internet) Im Osten bei Constantius gab es dagegen mehr Probleme und zwar mit dem Perserkönig Schapur II.(309-79). Dieser hatte ebenfalls 358/59 eine neue Offensive gestartet, die Festung Amida nach 73-tägiger Belagerung eingenommen und danach auch die Stadt Singara. Stellt danach aber die Kampfhandlungen ein. Münze Schapurs II. (Bildquelle: Internet) Nun plante Constantius eine „Gegenoffensive“ und befahl Julian im Januar 360, etwa die Hälfte seiner Truppen aus Gallien abzuziehen und ihm zur Unterstützung zu schicken; was Julian zu tun auch bereit war. Aber seine Soldaten meuterten dagegen und riefen ihn ihrerseits in Lutetia (Paris) zum Kaiser aus. Julian lehnte zunächst ab, nachdem ihm aber angeblich Zeus im Traum erschienen war und ihn zur Zusage angehalten habe, ließ er sich dann doch auf den Schild heben. Eigentlich eine klare Usurpation, aber „die Würfel waren gefallen“ (Norwich). 15 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Wie sollte er die neue Situation Constantius erklären? Er schickt zunächst Gesandte zu ihm, die ihn in Caesarea in Kappadokien erreichen. Constantius gerät angesichts der ihm überbrachten Nachricht in Rage, kann durch sein Engagement im Osten Julian aber für den Augenblick nicht bestrafen. Das will er später tun, stirbt aber überraschend mit nur vierundvierzig Jahren am 3. November 361 in Tarsos durch ein Fieber. Jetzt wird Julian als letztes lebendes Mitglied der Kaiserfamilie von den gesammelten Truppen auch des Ostens zum neuen Kaiser ausgerufen. Kleinasien zur Griechen und Römerzeit (Bildquelle: Internet) 3. Die heidnische Restauration (Wiederherstellung) Mit dem neuen Kaiser, der neuen Rehgierung – das war jedem klar – wird die weitere Entwicklung im krassen Gegensatz zur bisherigen stehen. Sofort nach seiner Thronbesteigung bekennt sich Julian so auch öffentlich zu den alten heidnischen Göttern. Wobei er die Verehrung der heidnischen Götter mit der griechischen Kultur gleichsetzt und an Maximus von Ephesus schreibt: „Wir opferten den Göttern in aller Offenheit und die Masse des mich begleitenden Heeres ist fromm; offen opferten wir einen Ochsen, als dank für unseren Erfolg gaben wir den Göttern viele Hekatomben (Tieropfer). Die Götter befehlen mir, alles nach Kräften zu reinigen und ich gehorche ihnen voll Freude. Sie versprechen uns eine große Ernte für unsere Arbeit, wenn wir nicht nachlassen“ (Jul.ep.26 / Materialien zur Vorlesung) 16 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die „Reinigung“ sieht so aus, dass viele Beamte, die ihre Amtsgewalt in der Vergangenheit missbraucht hatten, abgesetzt oder sogar zum Tode verurteilt wurden. Zwei von ihnen sollten bei lebendigem Leib begraben werden, so Norwich. Auch den Palast kehren die „neuen Besen“ gründlich aus, es bleiben nur wenige Diener. Julians Gemahlin Helena war inzwischen verstorben und Julians Charakter war gekennzeichnet von Askese und Abstinenz, ohne Anspruch „auf die übrigen Annehmlichkeiten des Lebens“. In seinen Briefen, die er an Christen schreibt, fehlen Bezüge zu den alten Göttern. So schreibt er an Basilius den Großen (um 330-79/rechts) „er komme als Freund zum Freund“, ähnlich an Gregor von Nazianz (um 329-90). Constantius erhält am 11. Dezember 361 in Konstantinopel ein christliches Begräbnis, wie Julian es überhaupt für möglich hält, das ein heidnischer Augustus mit christlichen Eliten zusammenarbeiten kann. Ikone Basilius des Großen (Bildquelle: Internet) Die Aufforderung an einen christlichen Sophisten (Weisheitslehrer), eine Geschichte von Julians Usurpation zu schreiben, wird nicht realisiert. Julian erlässt aber eine Amnestie für verurteilte Häretiker und rehabilitiert exilierte (verbannte) Bischöfe, Novatianer, und Donatisten. So konnte auch Athanasius der Große auf Grund des Restitutionsediktes Julians vom 8. Februar 362 im gleichen Jahr als Bischof nach Alexandrien zurückkehren. Julian nimmt für sich einen absoluten Wahrheitsanspruch in religiösen Fragen in Anspruch und ein Sendungsbewusstsein, „allen Unglauben von der Erde zu tilgen“ und „die Flecken der Gottlosigkeit von der Erde zu tilgen“. „Ich will – bei den Göttern – wirklich nicht, dass die Galiläer getötet oder geschlagen werden wider das Gesetz oder dass sie sonst etwas erleiden. Ich bin der Ansicht, dass man die frommen ihnen gegenüber vorziehen muss. Durch die Torheit der Galiläer wäre beinahe alles verloren gegangen, durch das Wohlwollen der Götter sind wir alle gerettet. Daher muss man die Götter ehren und mit ihnen die gottesfürchtigen Menschen und Städte“ (Jul.ep.83 / Materialien zur Vorlesung) Aber das Bild bleibt zwiespältig, denn Julian zeigt unverkennbar ein Toleranz gegenüber Gewalt gegen Christen. So bei Massakern gegen diese in Syrien und Palästina. Und reiche Christen werden enteignet mit der zynischen Begründung durch das Bibelwort, „demzufolge die Reichen schwerer ins Himmelreich eingingen, als ein Kamel durch ein Nadelöhr“. 17 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Um das Christentum zurückzudrängen, bediente Machtübernahme einer dreistufigen Strategie – Julian sich nach der Zunächst versuchte er – wie gehört - auf gesetzlichem Wege die Christen vom Rest der Gesellschaft zu trennen, indem er leitende christliche Beamte entließ oder tötete. In einer zweiten Stufe erneuerte er heidnische Kulte und zerstörte Tempel und stellte deren Priester wieder ein (Restitutionsedikt vom 8.2. 362). Für Julian gab es keinen Zweifel daran, dass sich die unterschiedlichen Glaubensrichtungen der Christen bald schon wieder bis aufs Messer bekämpfen würden und das Problem sich so von selbst erledigen würde. Ammianus Marcellinus (um 330-95 / Bild rechts) berichtet: „…hatte er erfahren, dass keine Raubtiere den Menschen so gefährlich seien wie die Mehrzahl der Christen sich selbst in ihrem tödlichen Hass“.(Norwich) Die dritte Stufe schließlich betraf eine Schulreform in Form des Ediktes vom 17. Juni 362. Es sollte danach in Zukunft keinem Lehrer mehr gestattet sein, die klassischen Autoren zu lehren. Diese machten aber in jener Zeit praktisch den gesamten Lehrstoff aus. Dabei argumentierte er, dass diese Werke nicht von Personen ausgelegt werden könnten, die die Weltsicht der heidnischen Autoren nicht teilten und daher nicht für das einstehen könnten, was sie unterrichteten. Lehrer sollten sich durch Charakter und Beredsamkeit auszeichnen – und Beredsamkeit erfordere das Studium der alten, heidnischen Autoren. Da ein Christ an diese nicht glaube, könne er dieses Studium auch nicht leisten, müsse somit entweder auf seinen Glauben oder auf seinen Lebensunterhalt verzichten. Das Ziel dieser Maßnahme war klar, er wollte eine „einheitliche heidnische Kirche nach christlichem Vorbild“, aber mit dem Kaiser an der Spitze. Durch diese Schulreform kam es u.a. zu Protesten seitens der Christen, bei denen der Apollotempel in Daphne niederbrannte und das dortige Orakel keine Sprüche mehr lieferte. 4. Administrative Reformen Im Rahmen der von Julian initiierten administrativen Reformen wurde u.a das sog. Kranzgold – aurum coronarium, eine Sondersteuer – abgeschafft und die Staatspost – cursus publicus – reformiert. Es gab eine Steuerreform, in deren Rahmen bestimmten Personengruppen (z.B. Thrakern und Antiochenern) die Steuerschulden erlassen wurden. Auch gab es jetzt Klagemöglichkeiten gegen staatliche Finanzbeamte. Die Städte erhielten Land, das von der Kirche vereinnahmt worden war, zurück, was die Kirche schwächte und zugleich eine Konsolidierung der Städte bedeutete – curiarum et rei publicae recreator. 18 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 5. Perserkrieg und Tod Julians Rom und Persien, diese beiden Riesenreiche, bekämpften sich nun seit nahezu zweieinhalb Jahrhunderten. König Schapur II. war 54 Jahre alt und saß praktisch genau solange auf seinem Thron (eigentlich sogar noch länger, denn er war schon im Mutterleib zum Kaiser gekrönt worden). Er hatte durch seine letzten Siege großen Ruhm erlangt und Julian, der sich mehr und mehr für eine Reinkarnation Alexander des Großen zu halten begann, brannte darauf, ähnlichen Ruhm zu erlangen. Bereits im Sommer 362 verlegte er die Hauptstadt des Reiches nach Antiochia, als vorbereitende Maßnahme für einen geplanten Persienfeldzug. Am 5. März 363 brach er dann mit 80.000 bis 90.000 (andere Quellen nennen nur 65.000) Mann gen Osten auf und opferte an allen bedeutenden Heiligtümern an seinem Weg durch Kleinasien den Göttern weiße Stiere. Musste auf diesem Zug aber auch feststellen, dass sich die Christen keineswegs gegenseitig zerfleischten. Und die Anhänger der alten Religionen auch nicht nennenswert stärker geworden waren, als zu Zeiten Konstantins. Julians Persienfeldzug im Jahr 362 (Bildquelle: Internet) Das Heer zog am Ufer des Euphrat entlang, den es am 27. März überquerte, erreicht nach mehreren kleineren Scharmützeln das Westufer des Tigris, die persische Hauptstadt Ktesiphon vor Augen. Am gegenüberliegenden Ufer lagerte das persische Heer, welches außer der üblichen Reiterei auch über Kampfelefanten verfügte. Und durch deren Geruch konnten die eigenen Pferde in Panik geraten. 19 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die erste Schlacht am 29. Mai 363 endete mit einem Sieg Julians, aber schon am nächsten Tag änderte sich die Situation. Ktesiphon war, das wurde Julian klar, uneinnehmbar und es näherte sich Schapur II. Hauptstreitmacht – wesentlich größer, als die soeben geschlagene. Trotz des kürzlich errungenen Sieges war die Moral der Truppe nicht die beste. Norwich in seinem Buch „BYZANZ“: „Die Versorgung war knapp, die Hitze mörderisch, die Flüsse führten Hochwasser; Ammianus berichtet, es habe so viele Fliegen gegeben, dass sie das Licht der Sonne verdunkelten“. Am 16. Juni beginnt der Rückzug der Truppen Julians, die aber am 26. Juni noch mal hinter Samara in Kämpfe verwickelt werden. Julian wirft sich in die Schlacht, ohne seinen Brustpanzer anzulegen und wir von einem Speer tödlich getroffen. Er stirbt mit nur 31 Jahren, von denen er 19 den Kaiserthron innegehabt hat. Ammianus Marcellinus Ammianus Marcellinus (geb. ca. 330 vermutlich in Antiocheia/Syrien, gest. um 400) war wohl der bedeutentste römische Historiker der Spätantike. Er war von Geburt Grieche und kam aus einer vornehmen Familie. Seine sog. Res gestae werden als eines der letzten großen Geschichtswerke der Antike angesehen. Die erhaltenen Teile umfassen die Jahre von 353 bis 378 und beschreiben die Zeit unmittelbar vor Beginn der großen Völkerwanderung, in der sich die antike Mittelmeerwelt grundlegend verändern sollte. Ammianus hat als Soldat unter den Kaisern Constantius II. und Julian Apostata gedient und viele der von ihm geschilderten Ereignisse selbst miterlebt. Obwohl er mehr als andere antike Geschichtsschreiber um Objektivität bemüht war, wird seine persönliche Sicht bisweilen recht deutlich. So beurteilte er etwa Constantius II. teilweise sehr negativ, während er von Julian Apostata ein ausgesprochen positives Bild zeichnete. Hinweise in den letzten Büchern deuten darauf hin, dass er noch um 395 an den Res gestae gearbeitet hat. Um 400 dürfte er gestorben sein. 20 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 24.11.2010 IV. Von Jovian bis Valentinian 1. Jovian Julian Apostata wird, wie gehört, bei dem Kampf am 26. Juni 363 in Feindesland getötet. Somit steht das römische Heer ohne Führung da und es muss schnell ein Nachfolger für Julian gefunden werden. Die führenden Offiziere einigen sich darauf, dem Saturninius Secundus Salutius die Kaiserwürde anzubieten. Dieser lehnt aber ab wobei er sich auf sein Alter und seine Gebrechlichkeit beruft. Salutius, der Julian begleitet hatte, war selber nur knapp dem Tode entronnen. Er hatte bereits verschiedene hohe Ämter bekleidet, als er, bereits in älteren Jahren, für Julian in Gallien als Berater fungierte und in dieser Position der wichtigste zivile Helfer Julians war. 359 wurde Salutius jedoch von Kaiser Constantius II. abberufen und nach Konstantinopel geholt, wahrscheinlich mit dem Ziel, die Selbstständigkeit des jungen Caesars zu beschneiden. Nach dem Tod Constantius 361 und der anschließenden Machtübernahme Julians war Salutius jedoch wieder einer von dessen engsten Beratern. Ende 361 ernannte ihn der neue Kaiser zum „Prätorianerpräfekten des Ostens“, was einer der wichtigsten Verwaltungsposten des Reiches war. Also musste die Suche nach einem neuen Caesar weitergehen und jetzt wurde der Name des primicerius domesticorum, Flavius Jovian (33164) genannt. Für Jovian sprach nicht nur der gute Ruf seines Vaters, sondern Jovian selbst war offenbar eine angesehene Persönlichkeit, denn er hatte den Leichnam des Kaisers Constantius II. nach Konstantinopel überführt. Siliqua des Jovian, um 363 (Bildquelle:Internet) Es wird berichtet, dass Jovian ein „ausgezeichneter, angesehener und in mehrfacher Hinsicht hervorragender Mann von sehr hoher körperlicher Gestalt und hochherziger Gesinnung“ gewesen sei. Er hatte sich allerdings militärisch bisher nicht hervorgetan. Ammianus Marcellinus, der Jovian erlebt hatte, äußerte sich deshalb auch deutlich zurückhaltender. Auch Norwich schreibt, dass „er zwar christlicher Herkunft“ war, was aber „ seiner notorischen Vorliebe für Wein, Weib und Gesang keinen Abbruch tat“. Und weiter: „Er besaß mit Sicherheit nicht das Format eines Kaisers“. 21 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Das Heer zog sich nach dieser letzten Niederlage am Ostufer des Tigris zurück und wurde dabei von fortgesetzten Schikanen der Perser „begleitet“, die die Situation geschickt ausnutzten. Jovian war jetzt gezwungen, mit Schapur II. einen Friedensvertrag auszuhandeln, wollte er nicht die Existenz der römischen Ostarmee riskieren. Um sich unbehelligt zurückziehen zu können, musste er gewaltige Territorien, u.a. alle persischen Länder östlich des Tigris, den Persern überlassen, darunter auch Armenien, dass er nicht mehr gegen Persien unterstützen durfte. Ebenso die Stadt Nisibis - die erst sechzig Jahre zuvor unter Galerius von den Römern erobert worden war - und 15 weitere Städte und Festungen. Diese Friedensbedingungen waren für Jovian sehr demütigend, aber es gab einen Geiselaustausch und einen garantierten Frieden für die nächsten dreißig Jahre. Trotzdem war dieser „Schmachfrieden“, wie er genannt wurde, für Jovian kein guter Beginn seiner Herrschaft. Aber er will innenpolitisch Ruhe und so muss man die Gründe für den Friedensvertrag unter diesen Aspekten beurteilen. Nach Nisibis erfolgt ein geteilter Rückmarsch des Heeres. Procopius begleitet den einbalsamierten Leichnam Julians nach Tarsos. Jovian selber zieht mit dem kleineren Teil des Heeres nach Antiochia und nimmt hier die Regierungsgeschäfte wieder auf. Wenn seine genauen Pläne für uns auch nicht exakt zu erkennen sind, ist eines aber klar – die „Heidenpolitik“ des Julian wird aufhören. Hier wird es eine Umkehr geben und Jovian erlässt ein Edikt allgemeiner religiöser Toleranz. Alte christliche Rechte werden wieder eingesetzt, heidnische Bräuche zunächst ganz verboten, später aber wieder zugelassen. Lediglich Zauberei und Wahrsagerei blieben weiterhin strafbar und die Tempelgüter wurden eingezogen Er bleibt in Antiochia bis Mitte Oktober 363 und zieht dann mit dem Heer durch Anatolien nach Westen. In Ankyra – dem heutigen Ankara - setzte er sich zusammen mit seinem noch jungen Sohn Varronian am 1. Januar 364 als Konsul ein. Aber noch bevor Jovian mit der Truppe Konstantinopel erreicht, stirbt er am 17. Februar 364 „unter ungeklärten Umständen“, wobei lediglich ein Mord ausgeschlossen wird. Von den zahlreichen Theorien, die über seinen Tod aufgestellt wurden, erscheint die einer Rauchvergiftung aufgrund eines defekten Abzuges am wahrscheinlichsten. Jovian wurde im Kaisermausoleum in Konstantinopel bestattet. 2. Die Nachfolge: Valentinian und Valens Der Tod Jovians machte die Wahl eines Nachfolgers nötig und Beratungen darüber fanden in Nikaia (Nizäa) statt. Zunächst verfiel man auf einen Verwandten Jovians mit Namen Januarius. Der aber weilte in Illyricum und war damit zu weit entfernt, um ihm eine schnelle Nachricht zukommen zu lassen. Also fragte man erneut den Salutius (she. Seite 21), der aber wiederum ablehnte. Jetzt fiel die Wahl auf Valentinian I., einen hohen Offizier, der aber für das Amt des Kaisers noch weniger geeignet schien, als seinerzeit Jovian. Er konnte kaum lesen und schreiben, konnte also nur „zweite Wahl“ sein. Ammianus führt diese Wahl auf das hohe Ansehen, das Valentinians Vater besaß, zurück. 22 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die unteren Donauländer zur Römerzeit (Bildquelle: Internet) Als zweiten Augustus bestimmt Valentinian seinen Bruder Valens, der für dieses Amt aber wohl auch nicht besonders geeignet war. Valentinian war aber Loyalität wichtiger, als militärische Erfahrung und loyal wird sein sieben Jahre jüngerer Bruder sein und ihm „keine Schwierigkeiten machen“ (Norwich). Valens soll für den Osten des Reiches verantwortlich sein, während Valentinian von Mailand aus den Westen regieren wird. Valentinian I. Valens (Bildquelle: Internet) (Bildquelle: Internet) Geeignet oder nicht – die Wahl wird vom Heer akzeptiert. 23 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Es folgt eine Phase relativer Religionsfreiheit, beide Brüder verhalten sich in dieser Frage tolerant und sagen dem Volk eine freie Wahl des Bekenntnisses zu. Dazu aus C. Th. 9, 16, 9: unicuique, quod animo inbibisset, colendi libera facultas - "Jeder möge nach seiner Façon verehren, was immer ihm in den Sinn gekommen sei". Dabei waren beide Brüder in Religionsfragen unterschiedlich; während Valentinian orthodox war, neigte Valens eher zum arianischen Bekenntnis. Sind also heidnische Riten weiterhin erlaubt, kommt es im Osten doch zu Heidenverfolgungen. (Diese gehen z.B. in Ägypten auf das Konto örtlicher Christen.) Ab 364 gibt es eine Verwaltungsteilung entlang der Sprachgrenze auf dem Balkan, aber alle offiziellen Verlautbarungen, Gesetze und Münzen erfolgten für das westliche und das östliche Gebiet im Namen beider Kaiser. Wobei Valentinian sich für Mailand als seinen Regierungssitz entscheidet. 3. Die Herrschaft Valentinians im Westen Hier gab es im Jahr 364 Probleme mit germanischen Stämmen, die sich über zu wenige Subsidien (Unterstützungsleistungen), die außerdem noch von schlechter Qualität seien, beschwerten. Es kam ab 365 zu wiederholten Einfällen gallischer Stämme der Alamannen und Burgunder ins Reich, wie überhaupt Valentinians gesamte Regierungszeit von Abwehrkämpfen gegen Germanen an Rhein und Donau geprägt war. Die Alamannen wurden bei Chalons-sur-Marne besiegt und kurz darauf siegte Valentinian in der Schlacht bei Solicinium (bei Sulz am Neckar). Valentinian I., der zeitweilig schwer erkrankt war, rief am 27. August 367 seinen ältesten, aber erst 8-jährigen Sohn Gratian zum Mitkaiser im Westen aus, um einer Usurpation vorzubeugen und um eine dynastische Nachfolge zu sichern. Er selbst stellte durch seine Heirat mit der Tochter Constantius II. – Justina, einen Anschluss an die konstantinische Dynastie her. 368 kommt es zu einer Wiederaufnahme des Krieges gegen die Alamannen und dabei fast zu einer Katastrophe bei Rottenburg, wo das römische Heer große Verluste beklagen musste. Wegen dieser dauernden Überfälle mussten die Grenzbefestigungen erneuert bzw. neu gebaut werden. Ziegelstempel aus ds. Zeit belegen eine umfangreiche Bautätigkeit. Ebenfalls im Jahr 368 gibt Valentinian seine Residenz in Mailand auf und verlegt diese nach Trier. Fränkische und sächsische Germanenstämme fallen in die Region am Niederrhein ein, können aber erfolgreich abgewehrt werden. Was Valentinian den Siegertitel eins Francicus Maximus einbringt. In Britannien gelingt es dem „comes rei militaris“ Flavius Theodosius, dem Vater des späteren Kaisers Theodosius I., den Hadrianswall zu sichern und die Überfälle der Pikten und Skoten zu unterbinden. So stellte er die Ordnung auf der Insel wieder her. Sein Sohn hat ihn in dieser Zeit bereits begleitet. 24 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Ostern 368 erfolgt ein alamannischer Überfall auf die Stadt Mainz. Die Stadt wird erobert, aber Valentinian kann die Stadt unter großen Verlusten zurückgewinnen. Er will daraufhin die germanischen Grenzvölker „in die Schranken weisen“ und startet eine römische „Großoffensive“ in dem Gebiet um den Neckar bzw. die Donauquellen. Bei der Stadt Solicinum – wo diese genau lag, ist nicht bekannt – werden die germanischen Stämme endgültig besiegt. Trotzdem bittet Valentinian die Burgunder um Hilfe in den östlich des Rheins gelegenen Gebieten. Sie sollen hier die Alamannen binden; ziehen aber bald wieder ab, da Valentinian gemachte Zusagen nicht einhält. Germanische Geiseln werden in der Poebene angesiedelt. 370 kommt es zu Problemen mit Angehörigen des Stammes der Saxonen in Germania secunda, auch als Germania inferior (Niedergermanien) bezeichnet also dem Gebiet an der Rheinmündung. Eine akzeptierte Unterwerfung dieses Stammes stellte sich aber als „Finte“ heraus, denn die Angehörigen werden getötet. Germania Secunda, eine römische Provinz in der Spätantike Sie ging auf die Provinz Germania Inferior („Niedergermanien“) zurück (Bildquelle: Internet) 25 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 370 kam es in Afrika zu einer Usurpation des Firmus. Wie konnte es dazu kommen? Bereits vor dem Regierungsantritt Valentinians wurde das römische Afrika von Berberstämmen bedroht, einige Städte – u.a. Leptis Magna - waren von Austorianern heimgesucht worden. Deren Bewohner forderten vom comes Africae – dem Militärkommandanten – Romanus Hilfe. Dieser wollte allerdings nur dann helfen, wenn zuerst grössere Summen in seine eigene Tasche flossen; die Städte konnten die geforderte Summe aber nicht aufbringen. Sie forderten einen neuen Befehlshaber und im Jahr 370 setzt sich der erwähnte Firmus vom Stamm der Lubaleni gegen Romanus durch. Dieser schwärzt Firmus in Rom an. Unter der unzufriedenen Firmus (ca. 372–375) (Bildquelle: Internet) Bevölkerung breitet sich ein Aufstand gegen Rom aus, der erst in den Jahren 373/74 von Flavius Theodosius, den Valentinian von Britannien hierher beordert hatte, niedergeschlagen werden kann. Daraufhin begeht Firmus Selbstmord, indem er sich „in sein Schwert stürzt“. Leptis Magna – ein Teil der Ruinen des Marktplatzes Leptis Magna war eine antike Stadt in Libyen und eine der drei Städte der Landschaft Tripolitanien in der Provinz Africa. (Bildquelle: Internet) 26 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 373 brachen auch im Donaugebiet Unruhen aus, hier fielen Quaden und Sarmaten in römisches Gebiet ein. Damit Valentinian sich um diesen Unruheherd kümmern kann, schließt er im Westen mit dem Alamannenfürst Makrianus einen Friedensvertrag, der für mehr als ein Jahrzehnt in Gallien für Ruhe sorgen wird. Der Kaiser bricht im Jahr 375 nach Pannonien auf, Gratian bleibt in Trier zurück. 375 erfolgt ein erster Schlag gegen die Quaden, die besiegt werden können. Eine quadische Gesandtschaft wird zu Valentinian geschickt, um deren Überfälle zu erklären - die wahren Aggressoren seien die Römer gewesen. Die Quaden hatten für diese Behauptung sogar stichhaltige Gründe, Valentinian aber betrachtete das in seinen Augen anmaßende Verhalten der Quaden wohl als Beleidigung, regte sich furchtbar auf und erlitt einen Schlaganfall. Am 17. November 375 ist er dadurch gestorben. 4. Die Herrschaft Gratians im Westen Der Verstorbene hatte bereits im Jahr 367 seinen damals 7-jährigen Sohn Gratian als zweiten Augustus anerkennen lassen. Der ist jetzt 16 Jahre alt und hält sich noch in Trier auf. Valens, der Bruder Valentinians hält sich in Antiochia auf, ist also noch weiter entfernt. Deshalb hatte Valentinian I. noch auf dem Sterbebett seinen erst 4-jährigen Sohn aus zweiter Ehe, der auch Valentinian hieß, zum Mitregenten seines Halbbruders ernannt (Valentinian II.). An dieser frühen Ernennung hatte der germanische Heerführer (magister militum) Flavius Merobaudes († 383 oder 388) maßgeblichen Anteil, nachdem der sich gegen einen anderen Heerführer mit Namen Sebastianus durchsetzen konnte. Dazu noch mal Norwich: „Beim Tod Kaiser Valentinians standen dem Reich theoretisch also drei Herrscher zur Verfügung: ein missgebildeter Sadist mittleren Alters, dem jegliche Vernunft oder Urteilskraft abging, ein vielversprechender sechzehn Jahre alter Jüngling, sowie ein Kind, das kaum der Wiege entstiegen war. Von diesen dreien hing nun die Zukunft des Römischen Reiches ab und das in einem der kritischsten Augenblicke seiner Geschichte…“ (Zitat Ende) In der Provinz Africa hatte Flavius Theodosius, wie berichtet, den Aufstand des Firmus niedergeschlagen. Dabei ging er auch hart gegen den korrupten Statthalter Roms, Romanus und gegen die Disziplinlosigkeit der Soldaten vor. Dadurch hatte er sich viele Feinde gemacht und diese sorgten 375/76 für seine Verurteilung und Hinrichtung. Es erfolgt eine Machtaufteilung im Westen des Reiches. Gratian behält die gallische Präfektur, Valentinian II. erhält Italien, Illyricum und Africa; behält seinen Wohnsitz in Mailand. Aufgrund des kindlichen Alters Valentinians II. spricht man hier vom Typus des Kinderkaisers (principes pueri), der in einer Abhängigkeit regiert, in diesem Fall von Merobaudes. Er stand aber auch unter dem Einfluss seiner Mutter Justina, die Arianerin war und damit im Gegensatz stand zu dem in Mailand sehr mächtigen Bischof Ambrosius. 27 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Gratians Erzieher am Hof in Trier war der Decimius Magnus Ausonius (um31093), ein hoher gallo-römischer Staatsbeamter und Dichter. Ausonius war schon von Valentinian I. als Prinzenerzieher berufen worden und wurde nach dessen Tod zum quaestor sacri palatii erhoben; dies waren im spätrömischen Reich hohe Hofämter. Im Jahre 378 wurde er Prätorianerpräfekt (PPO) von Gallien und erhielt die Präfektur Italiens, Africas und Galliens. Auch sein Sohn Hesperius stieg zu hohen Ämtern auf, was Ausonius der Gunst des Kaisers zu verdanken hatte. Gotische Verbände fallen 378 in Thrakien ein und Gratian beabsichtigt, dem Valens zu helfen und sich persönlich an der Niederschlagung von Illyrien aus zu beteiligen. Aber er ist noch in Gallien gebunden, wo er vor dem geplanten Aufbruch gegen die Lentienser kämpfen muss. Hierbei handelte es sich um einen alamannischen Stamm, der nördlich des heutigen Bodensees ansässig war. Gratian besiegt die Lentienser zwar in der Schlacht bei Argentaria (Nähe Colmar), die Unterstützung des Valens in Thrakien unterblieb dadurch aber. Thrakien in römischer Zeit (Bildquelle: Internet) 5. Die Herrschaft des Valens im Osten Procopius (um 326-66) hatte, wie berichtet (she. Seite 22), die Überführung des Leichnams Kaiser Julians nach Konstantinopel geleitet. Am 28. September 365 ließ er sich dort zum Gegenkaiser ausrufen und berief sich bei dieser Usurpation auf seine Verwandtschaft zur konstantinischen Dynastie und angeblicher Nachfolgebestimmung seitens Julians. Der amtierende Kaiser des Ostens, Valens, hatte sich zwar durch eine rigide Steuerpolitik beim Volk unbeliebt gemacht, konnte die Usurpation des Procopius aber niederschlagen. Dieser hatte aber schnell die Provinzen Thrakien, später auch Bithynien und wohl auch die nördlich der Donau siedelnden Goten auf seiner Seite, als Valens ihn am 27. Mai 366 in der Schlacht bei Nakoleia in Phrygien (Karte Seite 16) besiegen kann. Procopius floh vom Schlachtfeld, wurde aber ergriffen und auf Befehl Valens hingerichtet. Die Provinz Bithynien im Nordwesten der heutigen Türkei (Bildquelle: Internet) 28 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Es kommt zu einem Wiederaufleben des Armenienkonfliktes, wo Schapur II. um das Jahr 368 erneut einfällt. Der armenische Herrscher Arsakes III., der mit den Römern verbündet war, wird ermordet und es kommt zur Installation eines persischen „Marionettenregimes“. Doch auch nach diesem Erfolg hatte Schapur II. Armenien noch nicht in der Hand. Er verweist zwar auf den mit Jovian abgeschlossenen Vertrag, den Valens aber nicht anerkennt, sondern eine Revision fordert. Es kommt 371 zu Kampfhandlungen zwischen Valens und Schapur und ab 373 dann zu Verhandlungen zwischen den Beiden mit dem Ergebnis einer Aufteilung Iberiens (nördlich von Armenien gelegen) zwischen einem römischen und einem persischen Protegè. Die römische Besetzung Armeniens führt zu Schwierigkeiten mit Papa, dem Sohn des Arsakes, der von den Römern ermordet wird. 378 kommt es zwischen Valens und Schapur fast zu einer Einigung über Armenien. Dessen Fürsten hatten sich Rom angeschlossen und Schapur schickt eine Delegation zu Valens, die ihm die armenischen Gebiete zusprechen soll – eine Geste der Versöhnung! Aber Valens weist diese Geste mit der Begründung zurück, Schapur habe keine Entscheidungsbefugnis über diese Gebiete. Es kommt zum Eklat und beide Seiten rüsten zum Krieg. Den Schapur - nach einem Truppenabzug der Römer wegen des Krieges in Thrakien gegen die Goten – gewinnt. Er setzt Arsakes IV., den Sohn des ermordeten Papa, als persischen Vasall ein. Die Auseinandersetzungen mit den Goten hatten schon 367/69 mit dem Einfall römischer Truppen in gotisches Territorium begonnen. Verhandlungen und Versorgungsschwierigkeiten führen aber zum Verzicht auf Feindseligkeiten und Subsidien seitens der Goten. Man beschränkt sich auf die Einrichtung von zwei Handelsstützpunkten. Es kommt zu ersten Christianisierungen der Goten und ihr erster Bischof wird Wulfila (um 311-83). 375/76 kommt es in das Königreich der Goten zu Einfällen der Hunnen, einer Gruppe zentralasiatischer Reitervölker, die „alles überrannten, was sich ihnen in den Weg stellte“. Die vertriebenen Goten flüchten über die Donau und schicken Boten zu Valens mit der Bitte um Erlaubnis zur Ansiedlung in Thrakien, also auf römischem Territorium. Die erhielten aber nur die Tervingi, währen die Greuthungi nicht siedeln durften. Man sagte ihnen Unterstützung zu, diese Zusagen wurden aber nicht eingehalten, weil Lupinus, der comes von Thrakien, sich an den Waren persönlich bereicherte. Pfeil und Bogen gehörten zu den wichtigsten Waffen der Hunnen (Bildquelle: Internet) 29 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die Hunnen traten von den Steppen Zentralasiens bis ins heutige Deutschland und den Balkanraum auf. Sie drangen im 4. Jahrhundert bis Mitteleuropa vor. (Bildquelle: wikipedia.org / gemeinfrei) Ost- und Westgoten formierten sich zum Widerstand, sogar die Hunnen schlossen sich ihnen an. Am 9. August 378 kommt es zur Schlacht von Adrianopel zwischen den Verbündeten und den Truppen des Valens. Gratian will im zu Hilfe kommen, aber Valens will nicht auf die Ankunft dieser Truppen warten. So erleidet er eine Niederlage und stirbt, von einem Pfeil getroffen. Die Tervingi werden ab 382 römische Föderaten (Verbündete) und in Norditalien angesiedelt. Sie erhalten eine eigene Führung, müssen aber Militärdienste für Rom leisten. Diese Niederlage hat in mehrfacher Hinsicht eine besondere Bedeutung: Erstmals ist die Bedrohung durch die Hunnen in unser Gesichtsfeld getreten Valens` Niederlage wird, da er Arianer ist, als „göttliche Strafe“ gesehen Die Bekämpfung des Christentums durch Julian, der die „alten Götter“ wieder einsetzen wollte 6. Der Aufstieg des Theodosius Die Jugend der verbliebenen beiden Augusti, Valentinian II. und Gratian erfordert einen neuen Kaiser und Gratian wendet sich an Theodosius, den Sohn des in Africa ermordeten Flavius Theodosius (she. Seite 27) und der wird von Gratian 379 zum Mitaugustus (Theodosius I.) erhoben. Theodosius I. (der Große) richtet sein Hauptquartier in Thessalonike ein und verbringt die nächsten Jahre mit der Befriedung Thrakiens und damit, das Vertrauen der Goten zurückzugewinnen. 30 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 01.12.2010 V. Theodosius der Große (347-95) 1. Konsolidierung gegen Goten und Perser Zusammenfassung: Die Regierungszeit des Theodosius I. war verbunden mit einschneidenden Veränderungen für das Imperium Romanum: Erstmals wird eine große Gruppe von Goten (Barbaren) als autonomer Verband auf dem Boden des Reiches angesiedelt Das Christentum wird faktisch zur Staatsreligion erhoben Es werden Gesetzte gegen das Heidentum und christliche Häresien erlassen Nach seinem Tod führt die Aufteilung des Reiches zur endgültigen Trennung in ein Weströmisches und ein Oströmisches Reich Theodosius I. (347-95) (Bildquelle: Arbeitsmaterialien zur Vorlesung) Theodosius hatte sich nach der Ermordung seines Vaters nach Spanien zurückgezogen, geheiratet und hier wurde sein ältester Sohn Arcadius geboren. Nach Lage der Dinge konnte Theodosius wohl kaum mehr damit rechnen, je wieder im Militärdienst aktiv zu werden. Doch die Sachlage veränderte sich dramatisch, als am 9. August 378 die Schlacht von Adrianopel stattfand, in der Valens den Tod fand (she. Seite 30). Nun lastete alle Verantwortung auf dem neunzehnjährigen Gratian, denn Valentinian II. war noch ein Kind. Gratian aber war noch im Westen gebunden und so wandte er sich um Unterstützung an Theodosius und dieser erwies sich in kurzer Zeit als so ausgezeichneter Führer, das Gratian ihn 379 zum Mitaugustus erhob. Jetzt hatte das Reich wieder drei Augusti. Theodosius erhielt mit Thrakien, Dakien und Makedonien den am stärksten gefährdeten Teil des Reiches, den er zudem nicht kannte und wo die Beamten überwiegend aus dem Westteil des Reiches stammten. 31 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Theodosius I. richtet sein Hauptquartier aus strategischen Gründen in Thessalonike ein und verbringt die nächsten Jahre mit der Sicherung seines Herrschaftsbereiches. Am 19. Januar 383 ernennt er seinen Sohn Arcadius zum Augustus, um so eine dynastische Thronfolge zu sichern. In den Jahren zwischen 380 und 382 kämpft er mit wechselndem Erfolg gegen die Goten, unterstützt durch die Heermeister Bauto und Arbogast, die ihm Gratian überließ. Am 3. Oktober 382 kommt es zu einer Einigung mit den Goten – der Heermeister Saturnius hatte den Vertrag im Auftrag des Kaisers abgeschlossen – und diese werden zu römischen Foederati, sind also nicht, wie bisher, Unterworfene (dedidicii). Sie werden in Moesien, Thrakien, Dacia Ripensis und Makedonien angesiedelt, bleiben eine eigene Nation unter eigener Führung auf dem Boden des Imperiums und erhalten neben Steuerfreiheit auch eigenes Recht. Insofern steht kein römischer Beamter über ihnen, Heiraten zwischen Römern und Goten bleiben aber verboten. Und die Goten müssen bezahlte Militärdienste unter ihren eigenen Führern leisten. Ob sie auch Subsidien erhielten, ist nicht bewiesen. Es ist das erste mal, dass ein selbständiges Volk auf römischem Territorium angesiedelt worden ist. Theodosius erkannte mit dieser Maßnahme eigentlich nur die tatsächlichen Verhältnisse an, denn die Goten waren kaum wieder aus dem Reich zu drängen und er hatte zeitweise Ruhe und zusätzliche Truppen zur Verfügung. Aber es gab auch Kritik an dieser „Gotenpolitik“, sie war nicht unumstritten. So empfahl der Dichter Ammian ihre Vertreibung aus dem Reichsgebiet und Synesios forderte ihre Entwaffnung und die Rückkehr zu einem rein römischen Heer. Aber diese Gedanken und Vorschläge hatten keine Aussicht auf Realisierung, denn schon in den Jahren zwischen 337 (373 ?) und 378 waren etwa die Hälfte der bekannten Heermeister Germanen. Dazu ein Text von Themistius or. 16, 211 a/b: „Selbst wenn wir (die Römer) sie leicht und ohne Probleme hätten zerstören können, wäre das wenig vernünftig gewesen: sind Bauern oder Leichen für Thrakien besser? Ist es besser, durch Wildnis oder bebautes Land zu gehen? Tote oder Pflügende zu zählen? Phryger oder Bithyner umzusiedeln oder die anzusiedeln, die wir gezähmt haben?“ Eine andere Politik wird gegen die Greuthungi verfolgt. Diese wurden 386 besiegt und anschließend als abhängige Bauern in genau zugewiesenen Gebieten angesiedelt. Gegenüber Persien kommt es 384 zu einem Friedensschluss mit Schapur III. und dabei zu einer Teilung Armeniens, in dessen Westen die Römer ihren Einfluss durch einen comes Armeniae behalten. In selben Jahr stirbt der armenische König Arsakes IV. und Theodosius heiratet Galla, die Schwester Valentinians II. 32 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 2. Die Usurpation des Magnus Maximus Dieser Magnus Maximus wird im Jahr 383 von seinen Truppen in Britannien zum Augustus ausgerufen. Er hatte schon unter dem Vater des Theodosius in Britannien gedient und war auch am Kampf gegen den afrikanischen Usurpator Firmus beteiligt gewesen. Der Grund für diese Usurpation lag bei Gratian selber, wie Norwich schreibt: „Er versuchte nicht einmal mehr, seine Vorliebe für nichtrömische Armeeangehörige – vor allem für seinen Leibwächter, einen großen blonden Alanen – zu verbergen, die er auf Kosten ihrer römischen Kollegen offen bevorzugte“ (Zitat Ende) Maximus setzt nach Gallien über, Gratian zieht ihm mit seinem Heer entgegen, doch ein großer Teil seiner Soldaten läuft zu Maximus über. Gratian muss vor Maximus fliehen, wird aber gefangen und am 25. August 383 ermordet. Theodosius, der nie ein herzliches Verhältnis zu Gratian gepflegt hatte und im Osten gebunden war, ließ Maximus vorerst gewähren. Es kam daher zunächst zu einer Reichsteilung, wobei Gratians Halbbruder Valentinian II. nur Italien und Africa erhielt; der Rest des Westens – also Britannien, Gallien, Germanien und Spanien wurde Maximus übertragen. Dieser nahm seine Residenz in Treverorum (Trier). Solidus des Magnus Maximus. (Bildquelle: Internet) Bemühungen, zwischen Maximus und Valentinian II. zu einer Verständigung zu kommen, bleiben erfolglos. Valentinian bittet Maximus zwar um Hilfe gegen Barbareneinfälle in Pannonien, wird aber von diesem aus Italien verdrängt und flieht mit seiner Mutter Justina nach Thessalonike zu seinem Schwager Theodosius. Man verbündet sich und 388 erfolgt ein Feldzug gegen Maximus, an dem auch der Heerführer Arbogast (she. Seite 32) teilnimmt. Maximus wird besiegt, die Sieger „verhalten sich milde“ (Prof. Zimmermann) aber seine eigenen Soldaten töten ihn. Valentinian wird im Westen wieder als Führer eingesetzt. 33 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 3. Theodosius´ Kirchenpolitik Obwohl Theodosius eine große Frömmigkeit bescheinigt wird, lehnt er den Titel pontifex maximus bei seiner Ernennung zum Augustus 379 ab. Es kann vermutet werden, dass ein ähnliches Verhalten Gratians 382/83 von diesem Beispiel beeinflusst worden ist. Theodosius verfügt eine libera colendi facultas – eine Freiheit der Religionsausübung – nicht nur gegenüber heidnischen Kulten, sonder auch gegenüber Nizänern, Arianern und Anhomöern. 373 stirbt Bischof Athanasius, 377 ruft Valens die verbannten nizänischen Bischöfe zurück. Am 27. Februar 380 verkündet Theodosius das „Edikt von Thessaloniki“ (C. Th. 16, 1,2; 2, 25): „Alle Völker, welche unserer gnädigen Milde Leistung regiert, sollen, das ist unser Wille, in dem Glaubensbekenntnis verharren, welches der göttliche Apostel Petrus, wie es bis heute der von ihm verkündete Glaube dartut, den Römern überliefert hat, und dem sichtbar der Pontifex Damasus folgt und Petrus, der Bischof von Alexandria, ein Mann von apostolischer Heiligkeit; das heißt, dass wir glauben nach der apostolischen Unterweisung und der evangelischen (?) Lehre an des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes eine Gottheit in gleichartiger Majestät und in frommer Dreifaltigkeit… Die diesem Gesetz folgen, sollen, so gebieten wir, die Bezeichnung katholische Christen beanspruchen, die anderen aber, nach unserem Urteil Unsinnige und Verrückte, sollen die schimpfliche Ehrenminderung der Häresie erleiden, und ihre Konventikeln sollen nicht die Bezeichnung von Kirchen führen. Sie sollen fürs erste durch ein göttliches Gericht, dann aber auch durch die Ahndung unseres richterlichen Einschreitens, das wir, gestützt auf des Himmels Ermessen, treffen werden, bestraft werden“ Ein kurz zuvor abgehaltenes Konzil in Antiochia war wohl ohne Einfluss auf diese Entscheidung Theodosius`. Er greift aus eigener Machtvollkommenheit in kirchliche Belange ein, denn er ist bemüht, die Einheit der Kirche im gesamten Reich (Ost und West) zu sichern und erlässt das sog. Dreikaiseredikt - cunctos populos. Vor allem will er den Arianismus aus der neuen Hauptstadt Konstantinopel verdrängen. 381 setzt er den Nizäner Gregor von Nazians als Bischof von Konstantinopel ein. Dieser leitet nach dem Tod des Bischofs Meletius von Antiochia das erste Konzil von Konstantinopel, zu dem sich 150 Bischöfe des Oströmischen Reiches versammelt hatten. Der Bischof von Konstantinopel stand nach dem Papst (als Bischof von Rom) an zweiter Stelle in der Kirchenhierarchie, war aber vom Kaiser abhängig. Gregor von Nazian Fresko im Kloster Simonopetra auf dem Athos (Bildquelle: Heiligenlexikon) 34 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Auf diesem ökumenischen Konzil wurde ein orthodoxes Glaubensbekenntnis verabschiedet (Nicaeno Constantinopolitanum) und eine Beschränkung des bischöflichen Einflusses auf die weltlichen Diözesen. Außerdem wurde eine Enteignung und die Verbannung der Häretiker verfügt. Konstantinopel wird erstmals offiziell als 2. Rom bezeichnet. 4. Ambrosius von Mailand Ambrosius von Mailand (339 - 97 ) ist einer der Kirchenlehrer der Westkirche, er war, so Prof. Zimmermann „ein Machtmensch par exellence“. Als 374 eine Neuwahl des Mailänder Bischof anstand – die damalige Kirche war zwischen Trinitariern und Arianern tief zerstritten – wollte Ambrosius vermeiden, dass es zu einem Streit über die Wahl kommt. Durch eine spontane, aber wohl „von langer Hand vorbereitete“ (Prof. Zimmermann) Proklamation wird Ambrosius gewählt. Er selbst stimmte jedoch energisch gegen seine Wahl, da er sich in keiner Weise auf ein solches Amt vorbereitet sah. Er war als Katechumene noch in der Vorbereitung auf die Taufe. Erst auf kaiserliche Intervention hin gab Ambrosius nach. Innerhalb einer Woche empfing er die Sakramente der Taufe und der Ordination zum Diakon und zum Priester, so dass seiner Bischofsweihe nichts mehr im Weg stand. Ambrosius von Mailand Mosaik in der Kirche S. Ambrogio, um 470. Diese älteste Darstellung von Ambrosius ist wohl das älteste erhaltene Portrait eines Heiligen überhaupt. (Bildquelle: Heiligenlexikon) Ambrosius wird in Oberitalien zu einer „Macht“, er hatte seit 380 großen Einfluss auf Kaiser Gratian und blieb im Streit um den „Altar der Victoria“ gegen den heidnischen römischen Stadtpräfekten Symachus erfolgreich. Dieser plädierte für eine religiöse Toleranz, Ambrosius kann diese Versuche aber „abschmettern“. Symachus / 3. relatio „Wir leben alle in derselben Welt, wir beten zu göttlichen Gewalten; es gilt, gleich welches Denken die Wahrheit ermittelt: auf einem Weg allein kann ein so großes Geheimnis nicht erreicht werden“ Nach dem Tod Kaiser Gratians im Jahr 383 ändert Ambrosius seine Stellung gegenüber dem Hof, indem er sich dem Arianismus zuwendet, was zu einer Eskalation führt. Er spricht dem Kaiser die Entscheidungsgewalt in kirchlichen Fragen ab. „imperator intra ecclesiam, non supra ecclesiam est“ – „Der Kaiser ist in der Kirche, nicht über der Kirche“. 35 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Der Streit um den Victoriaaltar Der Streit um den Victoriaaltar im 4. Jahrhundert n. Chr. war ein letzter Höhepunkt in der geistigen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des traditionellen (heidnischen) römischen Staatskults und Vertretern des Christentums, das bald darauf zur Staatsreligion des Römischen Reiches werden sollte. Die Debatte drehte sich vordergründig darum, ob der Altar der Siegesgöttin Victoria aus der Kurie, dem Sitzungsgebäude des Senats von Rom, entfernt werden sollte oder nicht. Der Streit begann 357 mit der erstmaligen und endete 394 mit der endgültigen Entfernung des Altars. (aus Wikipedia) 388/89 kam es zwischen Ambrosius und Theodosius zu einem Streit um ein Heidenpogrom in der Stadt Callinicum am Euphrat. Was war der Grund? – eine aufgebrachte Menge von Christen hatte hier auf Anordnung des Kaisers die örtliche Synagoge gestürmt und in Brand gesteckt. Ambrosius verlangte, dass alle Plünderer und Beteiligten straffrei ausgehen sollten und die Synagoge nicht wiederaufgebaut wurde, obwohl das Gesetz dies vorschrieb. In diesem Glaubenskrieg kam es zu „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Dazu Lib. Or.30, 46 : „Die Schwarzröcke (i.e. Mönche), die da mehr essen als die Elephanten, durch die Menge der Becher aber, die sie leeren, denen beikommen, die das Trinken mit Liedern begleiten und ihre Trunkliebe unter einer künstlich erzeugten Bleichheit verstecken, stürzen mit Stangen, Steinen und Eisen oder auch ohne dies zu den Tempeln. Dann werden die Dächer eingerissen, die Mauern umgestürzt, die Bilder herabgerissen, die Altäre zerstört und die Priester müssen schweigend den Tod erleiden“. 5. Thessaloniki – Affäre und Mailänder Bußakt Zur Thessaloniki-Affäre gibt es nur wenige Informationen, sie ist deshalb nur schwer genau nachzuvollziehen. Es war wohl so, dass Butherich (oder Botherich), der gotische Kommandant der Stadt, den beliebtesten Wagenlenker der Stadt ins Gefängnis werfen ließ. Der aufgebrachte Pöbel hat daraufhin Butherich erschlagen, worauf Theodosius seinen Soldaten wütend befahl, eine Strafaktion gegen das Volk zu starten – „koste es, was es wolle“ (Norwich). Ambrosius versuchte vergeblich, ein Massaker zu verhindern. Im Zirkus (Hippodrom) wurden 7.000 (oder waren es sogar 15.000) Menschen ermordet. . 36 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Ambrosius zwang daraufhin den Kaiser durch Exkommunikation zur öffentlichen Reue für dieses Massaker, die erst nach mehrfacher Selbstdemütigung des Theodosius aufgehoben wurde - er musste ein Schuldbekenntnis ohne seine kaiserlichen Insignien ablegen. Diese Aktion ist nicht zu vergleichen mit dem Bußgang Heinrichs IV. nach Canossa. Hierbei ging es um einen Machtkampf zwischen Kaiser und Papst, bei Theodosius um die seelsorgerische Frage, ob der Kaiser über eine eindeutige Sünde erhaben sei oder wie alle anderen in dieser Lage auch dafür Buße tun muss. Ambrosius und Kaiser Theodosius (van Dyck / Bildquelle: Internet)) 6. Der Sieg über Eugenius / Arbogast und die Neuordnung der Herrschaft Theodosius kehrte nach Konstantinopel zurück, Valentinian II. begab sich nach Gallien (Trier), doch gelang es ihm auch jetzt nicht, eine selbstständige Regierungstätigkeit auszuüben, obwohl er nun formal der senior Augustus war. Dies war vor allem der mächtigen Stellung des fränkischen Heermeisters Arbogast geschuldet, der faktisch den Westen regierte. Am 15. Mai 392 fand man Valentinian erhängt in seinem Palast in Vienne; Selbstmord oder Mord auf Betreiben des Arbogast ist nicht geklärt. Arbogast bat Theodosius um die Erhebung oder Entsendung eines neuen Augustus für den Westen. Doch Theodosius blieb lange tatenlos und am 22. August 392 ließ Arbogast daher den Rhetoriklehrer und magister scrinii Eugenius von den Truppen zum Kaiser ausrufen. Er selbst konnte als Germane nicht römischer Kaiser werden. Valentinian II. (371-92) Theodosius wurde von dieser Berufung unterrichtet, nahm aber das Recht, seine Mitregenten selbst zu bestimmen, für sich in Anspruch und ernennt seinen Sohn Honorius zum Augustus. Eine Verständigung scheitert an der rigorosen Heidenpolitik des Theodosius; am 8. November 392 kommt es zu einem Verbot jeglicher heidnischer Kulte. 37 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Es geling Arbogast, Italien für den Usurpator Eugenius zu gewinnen, denn die nichtchristliche alte Garde begrüßte einen Kaiser, der die alten Altäre wieder gestattete. Afrika bleibt in dieser zeit neutral, hier herrscht der Usurpator Gildo († 398), der sich erst nach der Reichsteilung von 395 gegen Honorius erhob. Am 5./6. September kommt es am Frigidus (der heutigen Wippach) nördlich von Triest zur entscheidenden Schlacht zwischen Theodosius und Arbogast / Eugenius. Dazu schreibt Norwich: „ Am folgenden Morgen zog von Osten her ein heftiger Sturm mit orkanartigen Böen auf. Theodosius und seine Leute hatten den Wind im Rücken, während die Soldaten des Arbogast und Eugenius, von Staubwolken geblendet, sich kaum auf den Beinen halten konnten...“ (Zitat Ende). Theodosius gewinnt diese Schlacht, während sowohl Arbogast wie auch Eugenius zu Tode kommen. Theodosius wendet sich nun der Frage seiner Nachfolge zu und im Herbst 394 kommt es zu einer Neuordnung im Reich. In Mailand werden seine beiden Söhne Arcadius für den Osten und Honorius für den Westen als neue Augusti ernannt. Wie notwendig diese Neuordnung war, zeigt sich kurz darauf. Denn am 17. Januar 395 stirbt Theodosius. Der Weg zur Reichsteilung ist jetzt frei. Das römische Reich zum Zeitpunkt des Todes Theodosius’ I. 395 n. Chr (Bildquelle: Internet) 38 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 08.12.2010 VI. Die Nachfolger des Theodosius 1. Theodosius` Neuordnung der Herrschaft Als Theodosius starb, war sein ältester Sohn Arcadius 18, Honorius, der jüngere der beiden, ganze 10 Jahre alt. Beide galten als principes pueri - also Kinderkaiser bzw. principes clausi – Zimmerkaiser. Zimmerkaiser nannte man Herrscher, die nicht mehr selbst ins Feld zogen, sondern von ihrem Palast aus regierten. Solidi der beiden Augusti Flavius Arcadius (um 377 - 408 ) war zwischen 395 und 408 Kaiser der Osthälfte des Imperium Romanum und gilt daher mitunter als der erste Herrscher des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches Flavius Honorius (384 - 423) war zwischen 395 und 423 Kaiser der Westhälfte des Imperium Romanum (Bildquellen: Internet) Als Kaiser nannte Arcadius sich „Imperator Caesar Flavius Arcadius Augustus“ und versuchte offenbar, einen eigenen Kurs gegen seinen mächtigsten Berater Rufinus durchzusetzen. Arcadius hatte das Recht, selbständig Gesetzte zu erlassen und zeigte sich als christlicher Kaiser, indem er mehrere Gesetze gegen die Häresie erließ. Rufinus wollte ihn mit seiner eigenen Tochter verheiraten, weil er hoffte, so auf den Thron zu gelangen. Arcadius heiratete aber auf den Rat des Eunuchen Europios 395 die Eudoxia, die Tochter des Bauto, eines ehemaligen magister militum unter Gratian. Der Bischof von Konstantinopel Johannes Chrysosthomos prangerte ihren sittenlosen Lebenswandel und ihre Verschwendungssucht an, was später zu seiner Verbannung führte. 404 starb Eudoxia im Alter von nur 24 Jahren nach einer Fehlgeburt. Honorius wurde wegen seines kindlichen Alters von Serena, der Nichte Kaiser Theodosius und Gemahlin des Stilicho betreut, die dadurch großen Einfluss am Hof gewann. Honorius heiratete im Jahr 398 Maria, die Tochter des Stilicho und der Serena. Nach Marias Tod heiratete er ihre jüngere Schwester Thermantia. Die achtundzwanzigjährige Regierungszeit des Honorius war eine der ereignisreichsten der römischen Geschichte. Serena und Stilicho mit ihrem Sohn Eucherius (Bildquelle: Internet) 39 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Arcadius und Honorius hatten eine jüngere Halbschwester, Galla Placidia. Das Bild unten rechts zeigt ihr Mausoleum in Ravenna. Bild links: Galla Placidia auf einer von ihrem Sohn Valentinian III. geprägten Münze. Auf der Rückseite steht ein Kreuz, das ihren christlichen Glauben verdeutlichen soll (Bildquelle: Internet) Bild rechts: Das Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna (Eigenes Bild) Galla Placidia wurde um das Jahr 390 in Konstantinopel als Tochter des römischen Kaisers Theodosius I. und seiner Gemahlin Galla geboren. Bereits 394 erlag ihre Mutter den Folgen einer Fehlgeburt. 405 wurde Galla Placidia mit Stilichos Sohn Eucherius verlobt, doch wurde Eucherius im Rahmen einer Palastintrige ebenso wie sein Vater und dessen Frau 408 hingerichtet. 2. Die Ära Stilichos Stilicho (um 365-408) wurde als Sohn eines Vandalen und einer Römerin geboren. Er war ein römischer Heermeister (magister militum in Italien) und nahm verschiedene Funktionen im römischen Staatsdienst unter Kaiser Theodosius I. ein. Aufgrund seiner guten Dienste durfte Stilicho 384 die Nichte des Kaisers Theodosius, Serena, heiraten. Nach Theodosius Tod im Jahr 395 wurde er außerdem Vormund für dessen damals elfjährigen Sohn Honorius, dem nach der Reichsteilung das römische Westreich zufiel. Auch Theodosius' Tochter Galla Placidia stand unter seiner Obhut. Im Jahr 395 kam es in Untermösien (she. Karte Seite 41) erneut zu einem Aufstand der Goten unter ihrem neuen Führer Alarich (um 370 - 410). Alarichs Truppen rückten bis Konstantinopel vor, konnten die Stadt aber nicht einnehmen und zogen weiter westwärts gen Thessalien und Makedonien. Arkadius und auch Rufinus standen dieser Situation praktisch machtlos gegenüber, weshalb Arkadius dem Stilicho befahl, das Ostheer schnellstens nach Konstantinopel zurückzuführen; dessen Führung hatte der comes Gainas. Er selbst musste aber mit dem Westheer wieder in den Westen zurückkehren, was er widerwillig tat. 397 fielen Hunnenverbände in Kleinasien und in gotisches Siedlungsland an der unteren Donau ein, der Grund für diesen Raubzug war eine Hungersnot auf ihrem Gebiet. 40 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Karte von Unter- und Obermösien (Bildquelle:Internet) Bild links: Alarich (um 370 - 410) (Bildquelle:Internet) Gainas führte das Ostheer weisungsgemäß nach Konstantinopel, wo ihn Arcadius und Rufinus erwarteten. Rufinus wurde im November 395 ermor det, möglicherweise im Auftrag Stilichos. Seinen Platz als Berater des jungen Kaisers nahm der Eunuch Eutropius ein. Alarich aber zog weiter und plünderte mit seinen Truppen Griechenland, wobei Athen wegen seiner starken Mauern verschont blieb. Die Truppen zogen weiter, überquerten den Golf von Korinth zur Peloponnes und verwüsteten mehrere Städte, darunter auch Sparta. 396 oder 397 stellte sich Stilicho den Goten entgegen, der aber kurz vor einem Sieg den Gegner abziehen ließ. Die Gründe für sein Verhalten sind unklar. Alarich konnte mit seinen Truppen nach Norden abziehen, Stilicho zieht sich wieder nach Italien zurück. Ob auf Befehl oder wegen der Unzuverlässigkeit des Heeres, ist unklar. Aus letztlich unbekannten Gründen kam es dann zu einem Wandel. Arcadius bot Alarich Siedlungsland in der wichtigen Präfektur Illyrien an; er wurde auch zum Magister militum per Illyricum ernannt und damit in die römische Hierarchie eingebunden. Wie konnten mit Stilicho und Alarich Germanen in solche Positionen gelangen? Nun - die römischen Kaiser dieser Zeit verließen sich notgedrungen auf die barbarischen Foederati. Sie fürchteten sich auch davor, dass ein erfolgreicher General römischer Herkunft von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen werden könnte. Einem barbarischen Führer dagegen war die Kaiserwürde verwehrt, sie stand nur Bürgern Roms zu. 41 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Im weitern Verlauf kommt es zu einer Entfremdung zwischen dem Ost- und dem Westreich. Stilicho wird vom östlichen Senat zum Staatsfeind erklärt. Es kommt zu einer Umorientierung der Provinz Afrika vom Westen zum Osten. Hier residiert seit 385 ein Bruder des Firmus als Militärbefehlshaber, der noch von Theodosius zum comes und magister utriusque militiae per Africam ernannte Gildo. Als es nach der Reichsteilung von 395 immer mehr zu Spannungen zwischen beiden Reichsteilen kam, erhob sich Gildo 397 gegen den weströmischen Kaiser Honorius, taktierte offen mit der oströmischen Regierung und stoppte die Getreidelieferungen nach Italien. Daraufhin ging Stilicho gegen ihn vor, Gildo wurde zum Staatsfeind erklärt und unterlag in der Schlacht von Tabraca. Am 31. Juli 398 und wurde er hingerichtet. Im Osten waren etwa 395 die Hunnen in Syrien eingefallen und gegen sie übernahm der Eunuch Eutropius im Jahr 397 das Oberkommando. Es gelang ihm, die Hunnen zurückzudrängen, wofür er 399 sogar zum Konsul aufstieg – der einzige Eunuch, dem das je gelang. Aber noch im gleichen Jahr wurde er durch Gainas, mit Unterstützung durch Stilicho und wohl auch der Kaiserin Eudoxia, abgesetzt – ein Eunuch als Konsul war untragbar - nach Zypern in die Verbannung geschickt. Aber kurz darauf wieder zurückgeholt und hingerichtet. Der comes Gainas († 400), ein römischer Feldherr gotischer Abstammung, hatte auf Befehl Stilichos das Ostheer nach Konstantinopel zurückgeführt und später den Rufinus ermordet (she. Seite 40). Aber auch dessen Nachfolger, der Eunuch Eutropius erregte seine Unzufriedenheit (she. oben). Seine eigenen Truppen sorgten in Konstantinopel durch ihre Zügellosigkeit für schwere Unruhen, die zu einem Volksaufstand führten, in deren Verlauf tausende Goten getötet wurden. Der kaisertreue Heermeister Flavius Fravitta, der gegen Gainas kämpfte, wurde des Verrats angeklagt und schließlich hingerichtet. Chrisosthomos, der Erzbischof von Konstantinopel, hatte sich durch seine Predigten gegen den Luxus in der Kaiserin Eudoxia eine Gegnerin gemacht und diese schaffte es, dass er in die Verbannung geschickt wurde. Was wiederum den Zorn des Volkes hervorrief und als es ein Erdbeben gab, das man als ein Gotteszeichen wertete, durfte er wieder nach Konstantinopel zurückkehren. Aber nach einem weiteren Streit mit Eudoxia wegen einer Statue der Kaiserin, deren Einweihung er verweigerte, musste er erneut in die Verbannung, in der er im Jahr 407 starb. Eudoxia starb im Jahr 404 im Alter von nur 24 Jahren an einer Fehlgeburt. Johannes Chrysostomos (344/49-407) (Bildquelle: Internet) 42 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Stilicho kann durch ein Heiratsbündnis mit der Kaiserfamilie – Honorius heiratet 398 seine Tochter Maria, nach deren Tod ihre Schwester Thermantia seine Macht festigen. Nachdem Alarich 401 mit seinen Truppen erneut in Italien eingefallen war, kam es 402/03 zur Schlacht bei Pollentia (südlich von Turin gelegen), die unentschieden ausging. Stilicho ließ das Gotenheer daraufhin nach Noricum ins dalmatinisch - pannonische Gebiet abziehen. Radagais (ein gotischer Heerführer) wollte sich aus der Umklammerung durch die Hunnen lösen und fiel mit seinem Heer mit etwa 20.000 Kriegern im Jahr 405 ebenfalls in Oberitalien ein. Da die Goten bei solchen Kriegszügen immer mit ihren ganzen Stämmen unterwegs waren, dürfte die Gesamtzahl etwa 100.000 Menschen entsprechen. Auf diesem Weg nach Oberitalien hinterließ Radagais eine Spur der Verwüstung. 406 wurde er von Stilicho in der Schlacht bei Faesulae (dem heutigen Fiesole bei Florenz) geschlagen, geriet in Gefangenschaft und wurde 406 hingerichtet. Der Plan Stilichos, mit Alarich bei einer Invasion des Ostreiches zusammenzuarbeiten, musste nun zunächst aufgegeben werden, da es 406/07 im Westen bei Mainz zu Einfällen von Germanenstämmen – Vandalen, Alanen und Sueben – gab. Die römische Rheingrenze war kaum noch zu halten. Stilicho musste, um Gallien zu retten, deshalb Truppen dorthin verlagern. Solidus Konstantin III. Auf der Rückseite wird er als General dargestellt, der den Sieg in der einen und das Vexillum in der anderen Hand hält. Sein Fuß tritt auf einen Feind. Das Münzbild imitiert das auf den Münzen der legitimen Kaiser Honorius und Arcadius. (Bildquelle: Internet) Zur gleichen Zeit gab es in den römischen Provinzen in Britannien Aufruhr bei den Truppen, die wohl nur unregelmäßig besoldet worden waren. Zwei Kaiser – Marcus und Gratian – wurden ausgerufen, aber jeweils nach kurzer Zeit wieder abgesetzt und getötet. Dann kam es mit Konstantin III. zu einer Usurpation, denn er war nur ein einfacher Soldat. Handelte nach seiner Erhebung aber schnell und fiel mit seinen Truppen bei Bononia (Boulogne) in Gallien ein. Damit waren praktisch alle Truppen aus Britannien abgezogen. Zurück zu Alarich – der war bei seinen Einfall nach Italien nicht bis Rom gekommen (she. oben), sein Angriff war aber Veranlassung für die Verlegung der Kaiserresidenz von Mailand nach Ravenna. Im Jahr 407 verbünden sich Stilicho und Alarich erneut, aber die Ereignisse an der Rheingrenze machen ihre Pläne – die Ansprüche Honorius` zu befriedigen - zunichte. Die Regierungen West- und Ostroms waren inzwischen derart verfeindet, dass ein Bürgerkrieg drohte, denn Honorius hegte Ansprüche auf den Ostteil des Reiches unter Arcadius. Der Konflikt auf dem Balkan konnte zwar beigelegt werden, Alarich verlangte aber eine Erstattung seiner bisherigen Kosten – er war schon bis Epirus vorgedrungen – d.h. 4.000 Pfund Gold als Subsidien für seine Goten. 43 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Nachdem Eudoxia im Jahr 404 (she. Seite 42) gestorben war, trat Anthemius (†415) als Prätorianerpräfekt hervor und Arcadius verschwand nun völlig im seinem Schatten. Anthemius stammte aus einer einflussreichen Familie und soll seine jetzigen Aufgaben mit Sorgfalt und großem politischem Geschick erledigt haben. Am 1. Mai 408 starb Arcadius mit 31 Jahren und sein Sohn Theodosius II. wird , erst 7-jährig, zum neuen Kaiser des oströmischen Reiches Ausgerufen. Arcadius hatte 4 Kinder, neben Theodosius noch die Töchter Pulcheria, Arcadia und Marina. Das antike Epirus im Westen des heutigen Griechenlands (Bildquelle: Internet) Sein Onkel, der weströmischer Kaiser Honorius, strebt aber eine Einheit beider Reiche an und in diesem Konflikt versucht Stilicho in Konstantinopel zu vermitteln. Dafür wird ihm Hochverrat vorgeworfen und am 22. August 408 wird Stilicho in Ravenna ermordet. In den darauf folgenden Unruhen – der ganze angestaute Hass Roms gegen alles Barbarische fand plötzlich ein Ventil - wurden Frauen und Kinder der gotischen Foederati in ganz Italien ermordet. Als Folge lief die Truppe zu Alarich über, um gegen Rom zu ziehen. Hier wird ein Olympius als „magister militum“ Stilichos Nachfolger. Zur Ermordung Stilichos vermutet Norwich: „Stilicho hoffte nun, seine Pläne im Osten ohne großen Aufwand und Blutvergießen verwirklichen zu können, währen Alarich sich des Usurpators in Gallien annehmen sollte. Allein, aus diesen Plänen wurde nichts. Vielleicht war Stilichos persönlicher Ehrgeiz zu offensichtlich geworden, möglicherweise kam auch der alte Neid wieder zum Tragen – Stilicho war schließlich Vandale und von diesen erwartete man, dass sie ihren Platz kannten…“ (Zitat Ende) 3. Der Fall Roms und seine Verarbeitung: Augustinus Als Stilicho tot war, merkte man in Rom, dass er nicht leicht zu ersetzen war man hatte jetzt keinen Feldherrn seines Formates zu seiner Verteidigung mehr. Schon im August / September 408 steht Alarich mit seinen Truppen vor den Toren Roms, um es zu belagern. Von Honorius in Ravenna war keine Hilfe zu erwarten und Ende des Jahres einigte man sich auf ein Lösegeld von 5.000 Pfund Gold und 30.000 Pfund Silber. Aber auch seidene Tuniken, gefärbte Tierfelle und 3.000 Pfund Pfeffer (!) gehörten zum Lösegeld. 44 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Dazu noch mal Norwich: „Für das Gold und das Silber mussten Kirchen und Tempel ihrer Statuen und ihres Dekors beraubt und unzählige Kunstwerke eingeschmolzen werden…“ (Zitat Ende) Magister militum Der magister militum (Heermeister) war in der spätantiken römischen Armee in der Zeit zwischen Konstantin I. und Herakleios die Bezeichnung für den Oberbefehlshaber eines Verbandes des beweglichen Feldheeres. Entstanden war dieser neue Titel, als man den praefectus praetorio 312 seiner militärischen Kompetenzen entbunden, ihn mit zivilen Verwaltungsaufgaben betraut und dadurch seine Macht eingeschränkt hatte. (aus Wikipedia) Aber Alarich und sein Volk suchten noch immer nach einer Heimat und er erbittet von Honorius dafür Venetien, Dalmatien und Noricum. Diese Verhandlungen führt ein Iovius, nachdem Olympius abgesetzt worden war. Die Verhandlungen scheitern aber, weil Honorius zu keinen Zugeständnissen bereit war. „Zum ersten Mal bewies er so etwas wie eigenständiges Denken oder einen eigenen Willen, aber einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte er hierfür kaum wählen können“ – so Norwich. Alarichs Geduld war bald zu Ende und so zog er innerhalb von nur 12 Monaten erneut gegen Rom; betonte aber, dass es ihm nur darum ging, dass Honorius abgesetzt wurde. Diesem Wunsch entsprach der römische Senat umgehend und der römische Stadtpräfekt Priscus Attalus wird zum neuen Kaiser ausgerufen. Der ernennt Alarich zu seinem „magister utriusque militiae“ und seinen Bruder zum „comes domesticorum“ – zum „Kommandanten der kaiserlichen Garde“. Siliqua des Priscus Attalus. Auch die Allianz zwischen Alarich und Attalus zerbricht, dieser wird abgesetzt und Alarich bereitet einen Zug gegen Honorius in Ravenna vor. Vorher musste aber ein wichtiges Problem in Africa gelöst werden – hier herrschte mit Heraklian ein Honorius-treuer Statthalter und auf dessen Getreidelieferungen war Rom angewiesen. Attalus schickte den jungen Constans nach Africa, er sollte dort die Provinz in seinem Namen übernehmen - wird aber kurz darauf hingerichtet. 45 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Honorius hatte inzwischen Hilfe von seinem Neffen Theodosius II. erhalten und fühlte sich seiner Herrschaft in Ravenna sicher. Heraklian hatte inzwischen die Getreidelieferungen an Rom unterbrochen, was für Alarich ein schwerer Schlag war und so zog er ein drittes Mal gegen Rom. Dessen Bevölkerung hielt nicht lange durch und am 24. August 410 wir Rom eingenommen und diesmal auch „die üblichen drei Tage lang geplündert“ – so Norwich. Nach diesen drei Tagen zog Alarich mit seinem Heer weiter gen Süden, um mit Heraklian abzurechnen und Italien vom Hunger zu befreien. Doch in Cosenza befiel ihn ein heftiges Fieber, dem der Vierzigjährige innerhalb weniger Tage erlag. Er wurde von seinen Mannen im trockengelegten Flussbett bestattet und der Fluss anschließend wieder in das alte Bett geleitet, sodass das Wasser sein Grab überflutete. Die Eroberung Roms durch den Gotenkönig Alarich im Jahr 410 Französische Miniatur aus dem 15. Jahrhundert (Bildquelle: Internet) Karl August Georg Maximilian Graf von Platen - Hallermünde (1796-1835 ein deutscher Dichter) hat dazu dieses schwermütige Gedicht geschrieben: Nächtlich am Busento lispeln, bei Cosenza, dumpfe Lieder, aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wider! Und den Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Goten, die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben, während noch die Jugendlocken seine Schulter sanft umgaben. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette, um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde, senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf dem Pferde. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe. Abgelenkt zum zweitenmale, ward der Fluß herbeigezogen: mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. Und es sang ein Chor von Männern: "Schlaf in deinen Heldenehren! Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!" Sangen 's, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere; wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere! 46 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 4. Der Zerfall des Westreiches Der Usurpator Konstantin III. konnte in Gallien insofern einige Erfolge erringen, als seine Truppen Sarus, den Heermeister Stilichos, zwangen, sich nach Italien zurückzuziehen. Auch konnte er die Alpenpässe sperren und so seinen Herrschaftsbereich sichern. Im Mai 408 wählte er Arles zu seiner Residenz. Im Sommer 408 wurden in Italien Truppen für einen Gegenangriff gesammelt. Konstantin sorgte sich aber um Verwandte des Honorius in Spanien, von denen er fürchtete, sie würden eine zweite Front gegen ihn eröffnen. Er holte seinen ältesten Sohn Constans aus einem Kloster, erhob ihn zum Caesar und entsandte ihn mit dem General Gerontius nach Spanien. Constans ließ seine Frau und seinen Haushalt in der Obhut von Gerontius in Caesaraugusta (Saragossa) zurück, um zum Rapport nach Arles zurückzukehren. Dort allerdings erhielt er den Auftrag, nach Spanien zurückzukehren, um die Germanen zurückzuschlagen, die den Rhein vor knapp zwei Jahren überschritten hatten und seitdem plündernd ihren Weg durch Gallien gesucht und inzwischen schon die Pyrenäen erreicht hatten. Während der Vorbereitungen dazu erreichte ihn die Nachricht, dass sich Gerontius erhoben hatte - womit der befürchtete Angriff aus Spanien im folgenden Jahr Realität wurde, als Gerontius im Verein mit germanischen Verbündeten vorrückte. Als zu den Fronten in Spanien und Italien ein Aufstand in Britannien hinzukam, sah sich Konstantin zum Handeln gezwungen. Er marschierte in Italien ein, musste aber im Frühjahr 410 den Rückzug antreten. 411 gelang es Gerontius, ihn bei Vienne zu schlagen, wo er den Mitkaiser Constans gefangen nahm und hinrichten ließ. Konstantin wurde in Arles von Constantius III. – einem neuen Heermeister des Honorius - belagert und als seine Truppen dem Usurpator Iovinus in Gallien folgten, war er gezwungen, sich zu ergeben. Trotz der Zusage freien Geleites wurde er im Herbst 411 von Constantius ermordet. Alarichs Nachfolger, sein Schwager Athaulf, hatte für seine Verhandlungen mit Honorius ein Faustpfand in der Hand – dessen Schwester Galla Placidia. Sie sollte gegen zugesagte Getreidelieferungen aus der Geiselhaft befreit werden, der Handel kam aber 413 nicht zustande. Athaulf heiratet Galla Placidia im Januar 414, die Goten ziehen weiter nach Spanien und dort wird Athaulf im Sommer 415 ermordet. Es kommt jetzt zu einer Verständigung mit Honorius, Galla Placidia wird freigegeben und mit Constantius, dem Heermeister Honorius´, verheiratet. Die Herrschaft des Weströmischen Reiches ist zu dieser Zeit nur noch in Italien, in Africa und dem westlichen Illyricum wirklich gesichert. 47 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 6. Theodosius II. und Valentinian III. Im Osten des Reiches herrschen relative Ruhe und Sicherheit. Der Oströmische Kaiser Arcadius war im Jahr 408 gestorben und sein Sohn Theodosius II. war damals, erst 8jährig, zum neuen Kaiser ausgerufen worden. Seit dieser Zeit hatte ein Flavius Anthemius die Regentschaft für das Kind übernommen und die Geschichtsschreiber attestieren diesem außerordentliche innenund außenpolitische Fähigkeiten (she. Seite 44). So hat er u.a. den Bau der Theodosianischen Mauer, einer etwa 20 Kilometer langen Befestigungsanlage, im Jahr 413 begonnen. Verlauf derTheodosianischen Mauer (Bildquelle: Internet) Teilansicht der Theodosianischen Mauer Graben, Vor- und Hauptmauer (Bildquelle: Internet) 48 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Anthemius „verschwindet 414 von der Bildfläche“, während Theodosius I.` nur 2 Jahre ältere Schwester Pulcheria offiziell die Vormund- und Regentschaft für ihren Neffen Theodosius II. übernahm. Es war wohl damals schon erkennbar, dass dieser ähnlich unfähig war, wie sein Vater. Damit endet auch die tolerante Regierung des Anthemius, die als sehr fromm geschilderte Pulcheria sorgte für eine „strikte Durchsetzung des (rechtgläubigen) Christentums als Garant für die Sicherheit des Staates“ – so Prof. Zimmermann. „Es ging das Gerücht, im Kaiserpalast gehe es zu wie im Kloster und nicht wie bei Hofe, es wimmele dort von Mönchen und Priestern…“ – so Norwich. Es kommt zu einem Konflikt mit der relativ toleranten persischen Kirche und die Synode von 424 bricht unter dem Katholikos Dadiso die Verbindung zur römischen Kirche – die sich schon immer in einem permanenten Spannungsfeld mit dem Sassanidenreich befand – ab. Im Jahr 421 findet die Hochzeit Theodosius II. mit Eudokia statt. Diese Griechin war unter dem Namen Athenais noch als Heidin an den kaiserlichen Palast gekommen und soll sehr schön gewesen sein, weshalb sich der Kaiser „auf der Stelle“ in sie verliebte. Sie wurde getauft und nahm den Namen Eudokia an. Schon 423 wird sie zur Augusta erhoben. Abbildung der Aelia Eudokia auf einer Münze Ebenfalls 423 kam die Galla Placidia (Bildquelle: Internet) mit ihren beiden Kindern an den kaiserlichen Hof nach Konstantinopel. Nach dem Tod des Athaulf war sie eine zweite Ehe mit Constantius, dem engsten Berater des Honorius eingegangen (she. Seite 47). 419 wir ihr Sohn Valentinian III. geboren und als Constantius 421 zum Mitregenten ernannt wurde, erhielt auch Galla Placidia den Titel Augusta. Wurde aber schon 6 Monate später zum zweiten Mal Witwe, als Constantius am 2. September 421 starb. Am 23. Oktober 425 wird der Sohn der Galla Placidias und des Consantius III. Valentinian III. zum Augustus erhoben. 437 heiratet Valentinian die Tochter seines Vetters Theodosius II. und der Athenaïs Eudokia , die Licinia Eudoxia. Solidus der zur Feier der Hochzeit Valentinians III. und Licinia Eudoxias geprägt wurde Auf der Rückseite werden sie zu dritt in Hochzeitskleidung dargestellt. (Bildquelle: Internet) 49 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 15.12.2010 VII. Theodosius II. 1. Die Situation der Reiche um 420 (Zusammenfassung) - Verluste des Westreiches • Kontrolle des Honorius über Italien, westliches Illyricum, Afrika (prekär) • Britannien: keine Präsenz mehr • Germanien: von Franken, Alamannen und Burgundern beherrscht • Gallien: von Germanen besiedelt (Bemühungen, Narbonensis zu halten) • Spanien: Vandalen nur mit gotischer Hilfe in Schach gehalten - Entspannung zwischen Ost und West durch Tod Stilichos am 22. August 408 - Relative Ruhe im Osten unter PPO Anthemius - Juli 414:Pulcheria (Schwester Theodosius´ I.) wird Augusta und Erzieherin ihres Neffen Theodosius II. • religionspolitischer Kurswechsel (strenge Einhaltung der Orthodoxie) • Spannungen mit Perserreich • 421/22 erfolgloser Krieg; Frieden verpflichtet Rom für 100 Jahre zu Zahlungen ans Perserreich => Rückgang des Einflusses der Pulcheria - 421 Heirat Thoedosius´ II. mit Eudoxia ; 423 Augusta => wachsender Einfluss von Gegnern einer rigorosen christlichen Religionspolitik - 419 Geburt des Valentinian III., Sohn von Galla Placidia - 421: Constantius wird Augustus, Galla Placidia Augusta, Valentinian nobilissimus (=> Thronfolger) – im Osten nicht anerkannt • Constantius stirbt • Bonifatius tritt für Galla ein => wird nach Afrika vertrieben (comes Africae) • Galla Placidia und Valentinian fliehen nach Konstantinopel - 423 Tod des Honorius; Nachfolgestreitigkeiten in Ravenna => Theodosius II. unterstützt Anspruch Valentinians (=> Caesar) • 425 Einmarsch des Th. in Italien und Beseitigung aller Prätendenten • Aetius (Befehlshaber über 60.000 Hunnen) wird mit Gold und Titel eines comes et magister militum per Gallias abgefunden - 437 Heirat Valentinians III. mit Licinia Eudoxia (Tochter Theodosius´ II.) aber schon am - 23.10. 425 Ausrufung zum Augustus (Herrscherpaar erst fünf bzw. zwei Jahre alt!); Regentschaft der Galla Placidia - 50 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die Grenze zwischen West- und Oströmischem Reich im Jahr 395 n. Chr. (Bildquelle: Materialien zur Vorlesung) Valentinian III. nannte sich fortan Imperator Caesar Flavius Valentinianus Augustus; er war erst fünf Jahre alt, als er Kaiser wurde und während der Zeit seiner faktischen Unmündigkeit (de iure war ein römischer Kaiser auch als Minderjähriger rechtsfähig) stand er erst unter der Vormundschaft seiner Mutter Galla Placidia, die zunächst vom Heermeister Felix und dem comes Africae Bonifatius unterstützt wurde, dann ab 433 unter dem Einfluss des Heermeisters Aëtius. Dieser Flavius Felix übte auf Valentinian III. großen Einfluss aus; er wurde ab 425 magister utriusque militae (oberster Heermeister). 427 gelangen ihm Erfolge gegen die Hunnen in Pannonien. Sein Konkurrent Bonifatius ließ ihn im Mai 430 in Ravenna ermorden. Konsulardiptychon des Felix (Bildquelle: Internet) 51 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 2. Der Verlust Afrikas Bonifatius († 432) war ebenfalls comes in Africa. Im Jahr 429 wird er von Galla Placidia nach Ravenna zurückgerufen, widersetzt sich diesem Befehl aber. Was ihm eine Kriegserklärung durch seinen Rivalen Felix einbringt und er die spanischen Vandalen unter ihrem Führer Geiserich zu Hilfe ruft. Die/den er kurz darauf wieder bekämpft, sich aber nicht durchsetzen kann und besiegt wird. Er wird kurz darauf wieder nach Ravenna gerufen, wo die Streitigkeiten mit Galla Placidia auf Drängen des Bischofs Augustinus von Hippo beigelegt scheinen und er wieder ihre Gunst genießt. Geiserich siedelt mit seinen Vandalen und Alanen – der gesamte Stamm mit den kompletten Familien soll 80.000 Menschen groß gewesen sein – nach Africa über. Verstärkt wird dieser Zug noch durch Sueben, Goten und Mauren. Zunächst zieht Geiserich mit seinen Truppen nach Osten Richtung Karthago, das er aber nicht erobern kann, weil die Stadt stark befestigt ist. So zieht er wieder nach Westen und 430 kommt es zur Belagerung der nordafrikanischen Stadt Hippo Regius, die 431 nach 18-monatiger Belagerung eingenommen wird. Bischof Augustinus von Hippo war am 28. August 430 gestorben. Bonifatius, dem es gelungen war, vor dem Fall aus der Stadt zu entkommen, schloss sich mit dem vom oströmischen Reich entsandten Heermeister Aspar zusammen. 432 kam es erneut zu einer Schlacht zwischen Römern und Vandalen. Erneut blieben Letztere Augustinus von Hippo Sieger. (354-430) (Bildquelle: Internet) In Italien hatte Aëtius einen Aufstand angezettelt, den Bonifatius niederschlagen sollte und in der Schlacht bei Ariminum – dem heutigen Rimini - konnte Bonifatius sich gegen Aëtius auch durchsetzen, wurde aber in den Kämpfen verwundet und starb kurz darauf. Karthago war nicht nur stark befestigt, es hatte auch einen großen und gut ausgebauten Hafen. War Nordafrika doch als die „Kornkammer“ des Römischen Reiches der Weizenlieferant für Rom, insofern von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Ansicht des historischen Hafens von Karthago (Bildquelle: Navis II) 52 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Am 19. Oktober 439 kann Geiserich Karthago dann doch erobern und jetzt setzt eine rege Piraterie von hier aus Richtung Sizilien ein, von der ab 441 sogar Unteritalien bedroht wird. Geiserich erobert mit seiner neugeschaffenen Flotte einen Teil von Sizilien, dazu Sardinien, Korsika und die Balearen und wird als souveräner Herrscher in Africa anerkannt; katholischer Gottesdienst wird verboten. Das Vandalenreich unter Geiserich im Jahr 455 (Bildquelle: Internet) Ein Sohn des Geiserich mit Namen Hunerich ist seit 442 mit der erst 3-jährigen Eudocia, der Tochter Valentinians III. verlobt, die Hochzeit fand 456 statt. Vorher war Hunerich bereits mit der Tochter des Westgotenkönigs Theoderich I. verlobt oder verheiratet, was ein noch früheres Geburtsdatum Hunerichs nahe legt. Sein Vater Geiserich löste allerdings die Verbindung und schickte die Braut verstümmelt an Theoderich zurück, weil sie angeblich versuchte, ihn zu vergiften. Vermutlich wollte Geiserich mit der Kaisertochter Eudocia eine bessere Partie für seinen Sohn und eine Verbindung zu einflussreicher Verwandtschaft. Hunerich lebte in seiner Jugend als Geisel an Valentinians Hof. Die Provinz Afrika ist durch diese Entwicklung aus dem Römischen Imperium herausgelöst! 3. Aëtius Im Jahr 430 war der Heerführer Felix von Bonifatius in Ravenna ermordet worden (she. Seite 51), Bonifatius war nach der Schlacht bei Ariminum seinen Verletzungen erlegen (she. Seite 52). Jetzt ist der Weg frei für einen Aufstieg des Aëtius, der zunächst Pelegia, die Witwe Bonifatius´ heiratet. Da Aëtius gute Kontakte zu den Hunnen hat – er hat von 405 bis 408 bei diesen als Geisel gelebt – kann er mit einem zu Hilfe gerufenen hunnischen Heer 433 Sebastianus aus Ravenna vertreiben. Schon ein Jahr zuvor, 432 war er nach militärischen Erfolgen gegen den germanischen Stamm der Juthungen und im Noricum (she. Karte Seite 54), zum Konsul aufgestiegen. Statue des Aëtius (Bildquelle: Internet) 53 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Noricum war ein keltisches Königreich (grün) Unter der Führung des Stammes der Noriker lag es auf einem Großteil des Gebietes des heutigen Österreich sowie angrenzender Gebiete Bayerns und Sloweniens. Später wurde es unter der Bezeichnung Provincia Noricum eine Provinz des Römischen Reiches. Noricum grenzte im Süden an Italien, im Osten an Pannonien und im Westen an Raetien. Aëtius wurde nicht nur „magister utriusque militiae“, sondern wurde auch in den Rang eines Patricius erhoben, ein hoher Ehrentitel, der im spätrömischen Reich nur an die engsten Vertrauten des Kaisers verliehen wurde. In Britannien wurde Aëtius nicht aktiv was bedeutete, das Rom diese Provinz faktisch aufgegeben hatte. (Dazu der Historiker Theodor Mommsen: „Nicht Britannien hat Rom aufgegeben, sondern Rom Britannien“). In Gallien kann Aëtius einige Erfolge erringen, die das Westreich wenigstens vorläufig stabilisieren. Dabei sind seine Abwehrkämpfe 425 und 430 gegen die Goten vor Arles zu nennen. Die Burgunder unter Gundahar wollten ihren Machtbereich nach Westen ausdehnen, was sie in Konflikt mit Rom brachte und 436 wurden ein burgundisches Heer von hunnischen Hilfstruppen unter Aëtius besiegt und endgültig vernichtet. (Dieses Ereignis stellt möglicherweise den historischen Kern der Nibelungensage dar.) Die restlichen Burgunder wurden im Rhônetal angesiedelt, wo sie als „Puffer“ gegen die Alamannen dienen sollten. 439 heiratet Aëtius eine Tochter des Gotenkönigs Theoderich. Mausoleum Theoderichs in Ravenna (Eigenes Bild) 54 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Attila († 453) war von 440 bis zu seinem Tod 453 König der Hunnen. Zentrum von Attilas Herrschaftsbereich war das heutige Ungarn, wo die Hunnen im 5. Jahrhundert ein kurzlebiges Reich errichteten. Zu Westrom unterhielt Attila zunächst gute Kontakte; Grund dafür war vor allem die Politik des römischen Heermeister Aëtius. Aëtius war mit Hilfe Attilas hunnischer (römischer) Hilfstruppen an die Macht gekommen und hatte mit ihrer Hilfe auch das Burgunderreich von Worms um 436 vernichtet. Aëtius trat Attila Teile Pannoniens ab. Seit 444 war er mit der Augusta Honoria, einer Schwester Valentinians III., verlobt, der Hof in Ravenna verweigerte aber eine Heirat und damit eine Herrschaftsbeteiligung. Attila unternahm in der Folgezeit mehrere Feldzüge gegen Ostrom und konnte 447 den oströmischen Heermeister Arnegisclus besiegen – der größte Sieg der Hunnen über das Imperium. Kaiser Theodosius II. hatte sich daraufhin zu hohen Tributzahlungen an Attila verpflichten müssen weshalb er Ostrom nicht weiter „belästigte“. Diese Tributzahlungen stellte Markian († 457), der Nachfolger Theodosius`, aber 450 ein. Jetzt zogen Attilas Truppen bis nach Thessalien und Richtung Konstantinopel vor und verwüsteten dabei die Donauprovinzen. Aber Konstantinopel konnte, wohl wegen der Theodosianischen Mauer, nicht eingenommen werden. Die verweigerte Hochzeit mit Honoria Attila – Geißel Gottes (Bildquelle: Internet) war für Attila – der Geißel Gottes - Anlass, mit 500.000 Kriegern – Hunnen und Germanen - in Gallien einzufallen. Es kam zur Schlacht bei den Katalaunischen Feldern (die bis heute nicht genau lokalisiert werden konnten, aber meist bei Chalons-sur-Marne vermutet werden), bei der Attilas Heer zwar geschlagen, aber nicht vernichtet werden konnte. Attila zog sich zurück, was Aëtius zuließ, fiel 452 in Italien ein und plünderte Norditalien. Die Hunnen stießen in Italien aber auf „verbrannte Erde“ und hatten mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen. Letztendlich war es vor allem Aëtius' Verdienst, Attilas Militärkraft so weit geschwächt zu haben, dass an eine Eroberung Roms nicht mehr zu denken war, zumal das Heer auch durch Seuchen geschwächt war. Deshalb musste sich Attila zurückziehen und konnte Rom nicht angreifen, wofür aber möglicherweise auch ein Intervention Papst Leos verantwortlich war. Was aber historisch nicht belegt ist! Attila zog sich in seinen alten Herrschaftsraum zurück und starb 453 in seiner Hochzeitsnacht mit einer Gotin. Die wirkliche Ursache seines Ablebens ist nicht mehr klärbar. Mal ist von einem Blutsturz die Rede, mal heißt es, dass die Gotin ihn im Auftrag Roms vergiftet hat. Spekulativ kann man aus heutiger Sicht den Blutsturz glaubwürdig dem Lebenswandel Attilas zuschreiben: nämlich als Folge eines langjährigen exzessiven Alkoholmissbrauchs. 55 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern Zeitgenössische Darstellung (Bildquelle: Internet) In jedem Fall hatte Attilas Herrschaft schon zuvor ihren Höhepunkt überschritten: Ostrom verweigerte nach wie vor Tribute, der Balkan war längst ausgeplündert und die Vorstöße nach Gallien und Italien waren gescheitert. Für einen Herrscher wie Attila, dessen Macht einzig auf Erfolg beruhte, war dies fatal. Sein Reich überdauerte sein Ende daher nur kurze Zeit. Es kam zu Nachfolgekämpfen, und mehrere unterdrückte Völker brachen aus dem hunnischen Reich aus, welches ohne die Führung Attilas in sich zusammenbrach. Am 21. September 454 wird Aëtius während einer Audienz von Valentinian umgebracht. Worauf der Schwiegersohn des Aëtius am 16. März 455 Valentinian ermordet – was das Ende der Theodosianischen Dynastie im Westen des Imperiums bedeutet. Goldsolidus Theodosius II. 4. Theodosius` Religionspolitik Unter Theodosius II. kommt es wieder zu einem Rückgriff auf germanische Heermeister. Hier werden drei Namen genannt – Plintha, Ardabur und Aspar. 56 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Ardabur († 471) und sein Sohn Aspar (471 ermordet) waren oströmische Heeresmeister alanischer Abstammung. Ardabur wird 434 zum Konsul ernannt, Aspar wird Magister militum und Patricius und gewinnt größten Einfluss in Byzanz. Beide haben aber wegen ihrer germanischen Abstammung und weil sie Arianer sind, keine Chance auf den Thron. Arianer sind Häretiker und als solche von den Staatsgeschäften ausgeschlossen! Theodosius erließ zwar zahlreiche judenfeindliche Gesetze - wohl auf Veranlassung seiner Schwester Pulcheria – von einem „Religionskampf“ kann man aber nicht sprechen, denn ein Gesetz von 423 verbot es, Juden oder Heiden Gewalt anzutun. Theodosius verbot Juden aber auch, neue Synagogen zu bauen. Im Jahr 431 berief Theodosius das ökumenische Konzil von Ephesos ein, das die Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche beseitigen sollte. Es ging um die Patriarchen Kyrill von Alexandria versus Nestorius von Konstantinopel. Nestorius vertrat die sog. „Zwei-Naturen-Lehre“ (Dyophysitismus), nach der Maria nur Mutter des Menschen Jesu, nicht aber die des Gottes Jesu war (christotokos vs. theotokos). Nestorius wurde zwar vom Konzil verurteilt und exkommuniziert, aufgrund des ausgangslos erscheinenden Streites ließ Theodosius aber beide, Nestorius und Kyrill, inhaftieren, wobei Kyrill noch im selben Jahr – wohl dank einer großangelegten Bestechung - nach Alexandria zurückkehren konnte. 449 gab es ein zweites Konzil in Ephesus, das aber so stark von Kyrill dominiert wurde, dass sich Papst Leo der Große und andere Kirchenführer weigerten, seine Beschlüsse anzuerkennen. Unter anderem deshalb, weil ein Schreiben Leos nicht verlesen wurde – es ging um die Glaubensformel gegen Monophysiten und Nestorianer – und Leo deshalb von einer „Räubersynode“ (latrocinium) sprach. „Wir lehren alle einstimmig einen und denselben Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, vollständig der Gottheit und vollständig der Menschheit nach… in zwei Naturen, unvermischt und unverwandelt (Formel gegen Monophysiten), ungetrennt und ungesondert (Formel gegen Nestorianer), die beide in einer Person und einer Hypostase zusammenkommen“ Konstantinopel – das „Neue Rom“ - wird zwar erneut unter Betonung der jurisdiktionellen und der kirchenrechtlichen Unabhängigkeit hervorgehoben, eine religiöse Einigung seines Reiches erreichte Theodosius II. aber ebenso wenig, wie alle seine Vorgänger und Nachfolger. 6. Theodosius` Außenpolitik Trotz ansonsten rigoros geforderter Orthodoxie – also dem engstirnigen Festhalten an Lehrmeinungen – toleriert Theodosius beim Heer weiterhin den Arianismus und sogar das Heidentum. Ein Zeichen dafür, dass das Heer dringend gebraucht wurde. Denn es gab – zwar kleinere – Aufstände in Isaurien (she. Karte auf Seite 58) Palästina, in Konstantinopel und auf Kyrenaia (Zypern). Und die Toleranz des Kaisers zeigte sich auch darin, dass der Philosoph Synesios von Kyrene im Jahr 411 zum Bischof von Ptolemaios gewählt wurde , obwohl er von Haus aus dem kirchlichen Leben fern stand und zentrale Bestandteile der kirchlichen Lehren unverhohlen ablehnte – mit einem Wort ein Heide war. 57 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Karte von Isaurien Die Isaurier (auch Isaurer genannt), waren ein antiker Volksstamm im Süden der heutigen Türkei. Dieses Gebirgsland, lag zwischen dem antiken Kilikien und Lykaonien. Das Volk war für seine gefürchteten Krieger bekannt, welche im 5. Jahrhundert in der byzantinischen Armee als Söldner dienten. 6. Theodosius` Rechtspflege Bis zu den Zeiten Kaiser Diokletians erfolgte die Rechtsentwicklung vor allem über sog. Rescripte - im römischen Recht eine Rechtsnorm zur Regelung von Rechtsfragen im Einzelfall – seit Kaiser Konstantin treten dagegen Edikte – Verordnungen oder Allgemeinverfügungen - und leges generales (Grundrechte) in den Vordergrund. Theodosius rief nun 429 eine Kommission ein, die alle seit Konstantin erlassenen Gesetze sammeln und kodifizieren, also in einem systematisch geordneten Gesetzbuch zusammenfassen sollte. Dieses Gesetzbuch wurde 438 als Codex Theodosianus veröffentlicht – der Kaiser als „lebendiges Gesetz“. Mit dem in Ravenna residierenden Kaiser Valentinian III. einigte sich Theodosius darauf, dass der in lateinischer Sprache abgefasst Codex auch in der westlichen Reichshälfte gelten solle und dass auch zukünftige Gesetze beider Herrscher im gesamten Imperium Gültigkeit haben sollten. Die Kodifizierung bestand aus folgenden constitutiones (Verordnungen): edicta - für eine allgemeine Publikation bestimmte Gesetze; i.d.R. Reaktionen des Kaisers auf Anfragen decreta – kaiserliche Gerichtsentscheidungen (Kaisergericht) rescripta - Antworten auf Berichte oder von Privatpersonen oder Kommunen gestellte Anfragen (subscriptiones) mandata – Dienstanweisungen an kaiserliche Beamte, z.B. Statthalter. 58 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Eine rechtliche Sonderform zwischen rescript und lex generalis war die sanctio pragmatica (Pragmatische Sanktion), ein kaiserlicher Gesetzgebungsakt für einen Einzelfall, eine einzelne Person oder ein bestimmtes Gebiet. Im Jahr 426 erlässt Theodosius das sog. Zitiergesetz, in dem die Gerichte angewiesen werden, den Rechtsmeinungen der fünf klassischen Juristen Gaius Papinian, Ulpian, Iulius Paulus und Herennius Modestinus zu folgen. Das Gesetz ordnet das Mehrheitsprinzip an, bei Stimmengleichheit ist Papinians Ansicht entscheidend. Die genannten fünf Juristen wurden aufgrund dieses Gesetzes Zitierjuristen genannt. „Zitiergesetz“ (Cod. Theod. 1, 4, 3): "Wir bestätigen die Geltung aller Schriften von Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian und Modestin, so dass Gaius die Geltung zukommt wie Paulus, Ulpian und den übrigen, und aus seinem ganzen Werk Belegstellen vor Gericht angeführt werden können. Auch die Wissenschaft derjenigen, deren Abhandlungen und Ansichten alle die Vorgenannten in ihre Werke aufgenommen haben, erachten wir als gültig, z. B. von Scaevola, Sabinus, Julian und Marcellus und allen, die von jenen ständig angeführt werden, vorausgesetzt, dass der Text ihrer Werke - in Anbetracht der altersbedingt unsicheren Überlieferung - durch den Vergleich mehrerer Handschriften gesichert ist. Wo sich aber unterschiedliche Ansichten ergeben, dort soll die größere Zahl der Autoren den Ausschlag geben, und wenn das Zahlenverhältnis gleich ist, dann soll die Ansicht vorgehen, die ... auch der ausgezeichnete Jurist Papinian vertritt, der zwar zwei der anderen unterliegt, gegenüber einem jedoch obsiegt. Außerdem verfügen wir, dass die kritischen Bemerkungen, die Paulus und Ulpian dem Werk Papinians beigegeben haben, ungültig sind ... Wo aber eine gleiche Zahl von Ansichten dieser Autoren angeführt wird, deren Geltung gleich zu beurteilen ist, dort soll das Ermessen des Richters abwägen, welchen er folgen will. Im Übrigen bestimmen wir, dass die Sentenzen des Paulus stets mitzählen." Theodosius II. starb am 28. Juli 450 an den Folgen eines Reitunfalls: Bei einem Jagdausritt stürzte er, brach sich offenbar das Rückgrat und starb nach drei Tagen. 59 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 22.12.2010 VIII. Der Kaiser 1. Almacht und Ohnmacht der spätantiken Kaiser Im byzantinischen Staatswesen war das Kaisertum die wichtigste Institution, der Kaiser und seine Familie standen im Mittelpunkt des Staates. Dabei ist seit Diokletian eine kontinuierliche Verstärkung der Überhöhung dieses Amtes und der Distanz zu anderen Personen und Institutionen festzustellen. In der Person des Kaisers waren die Legislative, Exekutive und Judikative vereint. Der Kaiser stand „über dem Recht“, ist „die alleinige Quelle allen Rechts“. Von Ulpian (she. Zitiergesetz) stammt der Ausspruch „princeps legibus solutus“. Darüber hinaus beanspruchte der Kaiser auch im kirchlich-religiösen Bereich eine Führungsrolle. Die reale kaiserliche Machtposition war dagegen prekärer, als im 2. Jahrhundert, denn der Einfluss der Heermeister war jetzt größer, als zu Zeiten Roms. Trotzdem bleibt das Kaisertum alternativlos akzeptiert, wenn es auch erst später ein dynastisches Anrecht auf den Thron gab. Aber mit Ausnahme von Sklaven, Eunuchen, Barbaren oder Klerikern konnte jeder zum Kaiser ausgerufen werden. Es gab eine umfangreiche Titulatur für den Kaiser: Die Zusätze pius, felix, clemens oder invictus Die Bezeichnung pontifex maximus fehlt seit Theodosius und Gratian pontifex in christlicher Bedeutung seit Theodosius II. und Valentinian II. seit dem 3. Jahrhundert gibt es die Bezeichnung dominus noster 2. Kaiser und Heer Man kann sagen, dass es in Byzanz zwar leichter, als anderswo gewesen ist, auf den Thron zu gelangen – noch leichter konnte man aber auch von ihm wieder herunterfallen. Dies bedeutete, dass es zwingend notwendig war, die Griechisches Feuer verschiedenen Machtfaktoren (Bildquelle: Codus Skylitzes / 13. o. 14. Jhdt.) innerhalb des Reiches „im Auge zu behalten“. Das betraf besonders das Heer, von dem der Kaiser abhängig war, denn jedes Zeichen von Schwäche konnte zu einem Putschversuch führen, der Herrschaft und oft auch das Leben des „Amtsinhabers“ beendete. 60 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Für die Berufung zum Kaiser gab es ein dreiteiliges Zeremoniell: Die Ernennung oder durch einen Wahlakt Durch eine Investitur (Einsetzung) oder durch ein Huldigung. Ist der Kaiser inthronisiert, ist das Heer ohne weiteres Mitspracherecht an seine Person gebunden. Denn es hatte ja „frei entschieden, wem es künftig untertan zu sein hatte – „decernebant liberi, cui deberent esse subiecti“ – schreibt dazu Symmachus. Wenn es auch in der Praxis häufig zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gekommen ist, wegen der gebotenen Eile oder Stimmenkauf oder einem verfrühten Anlegen des Ornats oder einer Usurpation – hier wurde meist auf das Ritual des recusatio imperii (dem Widerspruch des Imperiums) verzichtet. Usurpation (von lat. usurpatio bzw. von lat. usurpare - durch Gebrauch an sich reißen) Als Usurpation wird im neueren Sprachgebrauch die Anmaßung eines Besitzes, einer Befugnis, besonders aber der öffentlichen Gewalt bezeichnet – also insbesondere die gewaltsame Verdrängung eines legitimen Herrschers, der Umsturz der Verfassung und die Unterdrückung der Selbstständigkeit eines Staates durch einen Usurpator. Meist ist im historisch-politischen Kontext dann von einer Usurpation die Rede, wenn der bislang legitime Herrscher zum Zeitpunkt der Erhebung des Konkurrenten noch lebt und amtiert. Es kommt also stets zu einem Konflikt zwischen dem bisherigen Herrscher und seinem Herausforderer, der oft Züge eines Bürgerkriegs trägt. Mit dem Begriff der Usurpation ist die Vorstellung eines Mangels an Legitimität verbunden. Die Usurpation kann aber nachträglich einen legitimen Charakter erhalten, falls der dem Usurpator unterlegene bisherige Herrscher oder eine dazu befugte Körperschaft sie nachträglich billigt oder das Volk den neuen Herrscher akzeptiert. (aus Wikipedia) War erst einmal die für das Kaiseramt am besten geeignete Person präsentiert, hatte das Heer keine Wahlalternative mehr. In der Regel hatte der Anwärter sich im „militärischen Bereich bewährt“, die Heeresversammlung wurde zur comitia imperii – der „Volksversammlung des Reiches“. Bestand so einerseits die Fiktion (Annahme) der Bestenauslese, erlangte später auch der dynastische Gedanke Bedeutung. Beispiel dafür ist einmal die Akzeptanz von principes pueri, also Kinderkaisern. Und seit Valentinian und Theodosius I. treten andere Aspekte zur Kaiserlegitimation anstelle der unmittelbaren Demonstration von Sieghaftigkeit in den Vordergrund. 61 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 3. Vom Gottkaisertum zum Gottesgnadentum Der Philosoph Themistius schreibt, dass „die Soldaten nicht die eigentlichen Herren der Wahl waren“, sondern „…von oben kommt vielmehr die Stimme der Berufung, von oben wird die Kür des Herrschers durch den Dienst der Menschen erwirkt“. Also steht neben der Wahl durch das Heer die „göttliche Legitimation“ – princeps a diis electus bzw. a deo electus. Und diese „göttliche Autorität“ des Kaisers wurde auch von christlichen Herrschern eingefordert. Dazu der „Soldateneid“ nach Vegetius: „iurant autem per deum et Christum et sanctum Spiritum et per maiestatem imperatoris, quae secundum deum generi humano diligenda est et colenda“. In der visio Dorothei wird sogar der Palast Gottes in allen Details wie die Kaiserresidenz (domus augusta) beschrieben. Der Kaiser ist also das „Werkzeug des christlichen Gottes“ und die Unterscheidung zum früheren heidnischen „Gottkaiser“ fällt teilweise schwer. 4. Das Bild des Kaisers Diese Überhöhung der Person des Kaisers bedurfte auch äußerer Zeichen, wie: kaiserliche Tracht mit Diadem und Purpurgewand dem Ansehen (Nimbus) entsprechende bildliche Darstellungen und das Hofzeremoniell In Lobreden zur Ehrung des Kaisers (Panegyrik) wurde von diesem ein Idealbild gezeichnet und gleichzeitig eine Übereinstimmung des Anspruchs an die kaiserliche Politik mit der Realität festgestellt (Claudians Verspanegyrik). Es gibt aber auch den Verlust einer direkten Verbindung zwischen Kaiser und Untertan, der dadurch deutlich wird, dass es ab 382 verboten wurde, „überflüssige Kleinigkeiten vor den Kaiser zu bringen“ (Prof. Zimmermann). Denn der war ja so beschäftigt, dass Mamertinus von Julian Apostata meint: „Überall seid ihr zugleich; auch wenn ihr im Palast sitzt, sind Länder und Meere von eurer Göttlichkeit erfüllt“. Feiertage betonen die Allgegenwart des Kaisers. 5. Kaiser und Hof Schon in byzantinischer Zeit gab es ein „Reisekaisertum“; erst ab der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts werden die Kaiser in festen Residenzstädten „stationär“. Dabei ist es nur eine Fiktion, wenn Rom als bedeutend dargestellt wird, denn einen wirklichen Aufstieg erlebte eher Konstantinopel. Der Kaiser als Zentrum des Hofes kontrollierte seinen „Beamtenapparat“, von dem er aber „zugleich in der Abgeschiedenheit des Palastes abhängig war“ (Prof. Zimmermann). Auch eine „Geheimpolizei“ (agentes in rebus) mit 1200 Mitgliedern gab es. 62 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 12.01.2011 IX. Die Verwaltung In Byzanz war der Kaiser – wie gehört – absoluter Monarch, aber auch er unterlag bei seiner Regierung gewissen Zwängen, war abhängig von seinen Beratern, Ministern und Generälen. 1. Senat, consistorium und comitatus 1.1. Der Senat Der Senat – auch schon der römische – hatte bereits im 3. Jahrhundert viel von seiner Bedeutung verloren, denn obwohl er noch die Befähigung, Gesetze zu erlassen, machte er von dieser Möglichkeit immer weniger Gebrauch. Er ist praktisch nur noch Mittel zur Akklamation von Gesetzen und Bühne für Reden des Kaisers. Das Zitiergesetz (she. Seite 59) wurde z.B. so „verabschiedet“. Es gibt keine Abstimmungen und echte Senatsbeschlüsse mehr. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Stadtrat von Konstantinopel zum Senat erhoben wird, er ist nur formal „mitwirkende Instanz“, aber nicht direkt an der regierung beteiligt. - Veränderung durch Erhebung des Stadtrates von Konstantinopel zum Senat: weiterer Verlust jeder beratenden Funktion des Senates von Rom. Senat von Konstantinopel gewinnt als regelmäßiges Akklamationsorgan eine gewisse Bedeutung. Theodosius II.: Mitwirkung des Senates (gemeinsam mit proceres palatii = Staatsministern) an Gesetzgebung und Gesetzesreform. 1.2. Das consistorium Das sog. consistorium entstand aus einem Beraterkreis um den Kaiser, dem die 5 höchsten Beamten des Hofes angehörten. Wobei der Kaiser freie Hand hatte bei der Auswahl der Mitglieder. Mitglieder (comites intra consistorium, comites consistoriani) waren: comes et quaestor sacri palatii comes et magister officiorum comes sacrarum largitionum comes rei privatae praefectus praetorio in comitatu ab 422 praepositus sacri cubiculi comites der domestici equites und der domestici (Kommandeure der Gardetruppen) magistri militum praesentales weitere, vom Kaiser benannte Persönlichkeiten Provinzstatthalter oder vicarii einer Diözese, duces übergreifender Militärbezirke). 63 pedites (ehem. Provinz Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann In diesem Gremium erfolgten wichtige Entscheidungen, die zeremonieller Hintergrund für manche kaiserliche Akte (Gratulationen, Auszeichnungen, Ernennungen) waren. Diese Tätigkeiten überlagerten im 6. Jh. alle anderen Funktionen des consistorium. 443 gab es z.B. einen Erlass Theodosius´ II., dass der magister officiorum jährlich über Befestigungen und Flotten an den Grenzen des Reiches zu berichten hat. Wenn das consistorium als Gerichtshof zusammentrat, war der Kreis der Mitglieder durch niedere Beamte und Anwälte erweitert. Je nach Funktion änderte sich also die Zusammensetzung. Trotzdem kann das consistorium „kein Gewicht als politische Körperschaft entwickeln, wichtige Entscheidungsprozesse finden in „inner circles“ statt.“ (Prof. Zimmermann). Einmal jährlich ist lediglich ein „Lagebericht“ an den Kaiser zu geben. Durch kurzfristige personelle Veränderungen des Mitgliederkreises verhindert man auch dass es zu „Seilschaften“ kommt. 1.3. Der comitatus Der Kaiser bildet also das Zentrum der Verwaltung und da es zunächst ein Wander- oder Reisekaisertum (she. Seite 62) gibt, muss auch der Hofstaat mobil sein. Wenn der comitatus auf Reisen geht, beträgt die Gesamtstärke rund 10.000 Mann – bestehend aus den eigenen Sekretären (notarii), der Garde (3.000 Mann, in scholae unterteilt), sowie Verwaltungsbeamten und Dienstpersonal. Eine Einbindung von praefectus praetorio und magister militum, praefectus praetorio in comitatu und magister militum praesentalis ist erst in 40er Jahren des 5. Jahrhunderts belegt). Eine solch große Zahl Menschen zu beherbergen und zu bewirten bedeutete für die besuchten Städte und regionen eine hohe Belastung. Der Dienst für den Kaiser ist militia (qui in sacro palatio militant), dabei waren die Beamten in ihren Privilegien den Soldaten gleichgestellt. Es gab eine strenge Hierarchie mit spezifischen Uniformen. Man kann von einer Militarisierung der Beamtenschaft sprechen, dennoch stehen grundsätzlich zivile Beamte über dem Militär. Erst 461 erlangt das Militär im Westen den Vorrang. 2. Der Aufbau der Bürokratie am Hof Unsere heutigen Quellen über den Verwaltungsapparat des Hofes erhalten wir aus: den Gesetzen des Codex Theodosianus I und VI den Notitia Dignitatum, einem Verwaltungshandbuch aus Zeit nach dem Tod Theodosius´I. 64 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Dieses Verwaltungshandbuch nennt die Grundlagen des Beamtenwesens: feste Dienststellen geregelter Personalbedarf den Eid auf den Kaiser Dienstkleidung und Versorgungsbezüge Privilegien bei Dienstzeitende (Immunitäten u. a.). Es gab sowohl die Möglichkeit der Beförderung, aber auch Entlassungen waren möglich. Beförderungen erfolgten nach unterschiedlichen Kriterien – nach Dienstalter, aber auch aufgrund von Zahlungen oder Bekanntschaften / Fürsprache (Patronage). Diese Zahlungen waren aber nicht als Bestechung aufzufassen! Es galt das Versorgungsprinzip vs. Leistungsprinzip. Später gab es eine zunehmende Tendenz, Beziehungen oder Beförderungen durch Zahlungen zu ersetzen, also ein „Ämterkauf“. Diese Zahlungen für das Versprechen einer Beförderung wurden mit der Zeit sogar einklagbar. Eine Praxis, die den Staat einerseits schwächte, andererseits dem Kaiser die Möglichkeit gab, jederzeit regulierend einzugreifen – also eine stabilisierende Wirkung hatte. Kurze Amtszeiten von 1 – 3 Jahren verhinderte eine zu große kontrolle der Beamten über das eigene Ressort. Die Beamtenschaft war in Rangklassen (ordines dignitatum) eingeteilt: comitiva primi ordinis: Senatoren (clarissimi), diese wiederum dreigeteilt: 1. clarissimus, [clarissimus et] 2. spectabilis, [clarissimus et] 3. illustris) comitiva secundi ordinis: Ritter (perfectissimi) comitiva tertii ordinis: wie sec. ord., ferner decuriones der Städte. Der Hofrangtitel patricius wurde nur selten verliehen (z.B. an Stilicho) Die höchste Würde war die des consul ordinarius, weil diese gelegentlich auch vom Kaiser übernommen wurde. Unter Valentinian I. beginnt eine Integration der Reichs- und Hofämter zu einem einheitlichen Rangsystem: 372 Gleichstellung der höchsten Militär- und Zivilposten (praefectus praetorio, praefectus urbi, magister militum) es folgen: oberste Hofämter, proconsules, magistri scriniorum (wichtigste Untergebene des mag. off.), vicarii der Diözesen 384: Verwalter der vier obersten Hofämter erhalten nach Abschied den Rang eines gewesenen praef. praetorio; praepositus sacri cubiculi wird ebenfalls in höchsten Rang aufgenommen (rangiert ab 422 vor mag. off.) ca. 382 wird primicerius notariorum den proconsules gleichgestellt. 65 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 3. Die wichtigsten Ämter in der Verwaltungsstruktur seit Konstantin d. Gr. Es gab eine grundsätzliche Zweiteilung in den Innenbereich des Palastes und den Außenbereich der Regierungstätigkeit Diese Führungsämter stehen nebeneinander, nicht in Hierarchie zueinander: a) praepositus sacri cubiculi die Vorsteher der kaiserl. Haushaltung mit ihren Beamten haben ein besonderes Nah- und Vertrauensverhältnis zum Kaiser Eunuchen - hatten keine familiäre Bindung, für sie war keine weitere Karriere möglich, sie waren vom Kaiser abhängig die Dienstzeit der Beamten war unbegrenzt Untergebene des praepositus sacri cubiculi waren - cubicularii - pers. Bedienstete des Kaisers - silentiarii - als „Hüter der Ruhe“ des Palastes - comes sacrae vestis – als „Verantwortlicher für die kaiserliche Garderobe“ - comes castrensis - als Vorsteher der Pagen Seit 414 gab es auch comes domorum per Cappadociam / domus divina per Cappadociam. So genannt, weil ihre Finanzierung vermutlich aus Gütern des kappadokischen Hofes aus stammte b) magister officiorum Überwachung des Zugangs zum Kaiser militärischer Schutz: scholae palatinae (Palastgarde) Organisation von Audienzen (officium admissionum) empfängt fremde Gesandtschaften und führt in Abwesenheit des Kaisers selbst Verhandlungen mit auswärtigen Mächten (dazu unterstellt: scrinium barbarorum und interpretes) Disziplinaraufsicht über alle Beamten des Hofes nach 388 Aufsicht über Waffenfabriken (vom praefectus praetorius übernommen) Aufsicht über agentes in rebus (Geheimdienst / Informationsgewinnung) Aufsicht über scrinium dispositionum (Ressort für Reisevorbereitungen) nach Notitia Dignitatum auch Oberaufsicht über magister memoriae (zuständig für kaiserliche adnotationes auf Eingaben der Untertanen), magister epistularum (zuständig für Anfragen von Beamten) und magister libellorum (zuständig für Gesuche) – hier gab es häufige Kompetenzüberschneidung zwischen den Ressorts im Rahmen polizeilicher Aufgaben auch zuständig für religiöse Konflikte (Heiden – Juden – Christen), aber kein „Reichskirchenminister“ 66 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann c) quaestor sacri palatii beratende Funktion bei kaiserlicher Gesetzgebung: Formulierung, Verbreitung, Archivierung Codices Theodosius´ II. und Justinians - waren von amtierenden und ehemaligen QSP zusammengestellt keine spezifische Regierungsaufgabe hervorragender juristischer Sachverstand nötig: qualifizierte noch im 6. Jahrhundert einen Heiden für das Amt (Tribonian) seit Theodosius II. gemeinsam mit PPO in Appellationsgerichtsbarkeit einbezogen seit 424 im Osten Kompetenz über laterculum minus (Personalakte der niederen Militärdienstgrade) d) comes sacrarum largitionum / comes rerum privatarum Spitze der kaiserlichen Finanzverwaltung CSL verwaltet kaiserliche largitiones („Spenden“): donativa, Sonderzuwendungen (regulärer Sold des Heeres dagegen vom PPO ausbezahlt) Kontrolle über Edelmetall in jeglicher Form: Unterstellung der comites commerciorum (für Fernhandel mit Ausland); Kontrolle über Zolleinnahmen, Münzprägung, Steuereinnahmen in Edelmetall Der CRP verwaltet außerdem das Krongut, also den Privatbesitz der Kaiser, welches angewachsen ist durch Erbschaften, Vermögen ohne Erben Verstorbener (bona caduca), Vermögen Verurteilter (bona damnatorum) oder konfisziertes Gut heidnischer Tempel. Dabei sind kaiserlicher Privatbesitz und Staatsgut nicht immer scharf zu trennen - immerhin unterliegen kaiserliche Domänen derselben Besteuerung wie Privatbesitz. e) weitere Hofbeamt. z.B. der primicerius notariorum, dieser hatte die Aufsicht über Stenographen, Personalbüro und Archiv; führte die Liste höherer Beamter (Notitia Dignitatum / laterculum maius) 4. Die territoriale Zivilverwaltung Die Gliederung der Zivilverwaltung erfolgte entsprechend der Territorialstruktur in Provinzen, Diözesen, und Praefekturen: 114 Provinzen (nach Notitia Dignitatum), diese wurden durch praesides verwaltet (Ausnahmen Asia, Africa, Achaia: proconsul) zu 14 von vicarii verwalteten Diözesen zusammengefasst (Ausnahmen Asia und Africa: direkt dem Kaiser unterstellt) Es gab 4 Praefekturen: Gallia (mit Spanien und Britannien), Africa (mit Italien), Illyricum, Oriens (mit 6 Diözesen: Aegyptus, Oriens, Asiana, Pontica, Thracia, Macedonia), unterstanden je einem praefectus praetorio (PPO). Ausgenommen von dieser Struktur waren Rom und Konstantinopel, die je einem praefectus urbi unterstanden. In der territorialen Zivilverwaltung gab es insgesamt nur 30.000 Beamte, was kaum 300 je Provinz ausmachte. 67 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 19.01.2011 X. Die Gesellschaft der Spätantike Die römische Gesellschaft war stark strukturiert und es war zu der Zeit nichts ungewöhnliches, das die Sozialbeziehungen einer Person durch ihren Status in dieser Gesellschaft bestimmt war. Wobei dieser Status in der Regel erblich und in der Spätantike sogar teilweise gesetzlich festgelegt war. Dabei gab es aber auch Aufstiegschancen in eine höhere Gesellschaftsschicht durch das Militär und/oder die Kirche. 1. Grundlagen der Gesellschaftsordnung seit dem 3. Jh. Diokletian und Konstantin haben im 3. Jahrhundert durch dieses Gesellschaftssystem einen Versuch zur Bewältigung der damaligen Reichskrise gestartet. Die mächtigen Senatoren wurden zunächst aus staatlichen Ämtern verdrängt und der „alte Adel“ zu Gunsten eines „neuen Adels“ von leitenden Funktionen getrennt. Wegen Überbelastung der alten, angesehenen Lokaleliten (honores) kam es zu einer Flucht aus der Funktion und Zwangsrekrutierung. Als Ergebnis kam es zu einem Bedeutungsverlust von Herkunft und Standeszugehörigkeit, jetzt bestimmen persönliche Leistung und Bildung, sowie Loyalität die soziale Position. Die alte „Standespyramide“, die auf Zusammenfallen von Vermögen und politischer Macht beruhte, wir aufgelöst – das Ergebnis: Senatoren weiter vermögend und angesehen, aber ohne politische Macht Führungsschicht des Ritterstand enorm mächtig, aber das Gros unterscheidet sich kaum von decuriones Dekurionen zur Oberschicht (honestiores) gehörig, aber durch Belastungen faktisch unterdrückte Gruppe Aufwertung der Soldateska (feste Bezahlung, Privilegien) Die Angehörigen der Oberschicht binden sich stärker an ihren Landbesitz, der soziale Aufstieg ist stärker mit Landbesitz verbunden. Es kommt zu einem Zerfall der Stadt-Land–Beziehungen in einzelne Gruppen ohne Verbindung untereinander. Die Oberschicht bildet – im Unterschied zur Unterschicht – keine eigene „Klasse“ mehr. Die Vereinheitlichung der Unterschicht lässt Konflikte mit der Oberschicht trotz kaiserlicher Macht entstehen. Diese Konfliktherde zwischen Gruppen der Oberschicht sowie zwischen Ober- und Unterschicht werden vom Staat nicht gelöst, sondern unterdrückt und verstärkt. Es kommt zu einem schnellen Zerfall der bisherigen Sozialstrukturen. Zusätzlich erfordert ein außenpolitischer Druck durch Germaneneinfälle und Reichsgründungen im Westen hohe Rüstungsausgaben, gleichzeitig wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Reichsbevölkerung gesenkt. So kommt es u.a. zu einer nur geringen Ausnutzung der landwirtschaftlichen Möglichkeiten. 68 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die Steuereinnahmen sinken, jetzt werden Zwangssteuern erforderlich, sog. Munera, gleichzeitig verstärkt man die Bürokratie, indem man den Menschen vorschreibt, an welchen Orten sie leben dürfen und das z.B. Kinder den Erwerb der Eltern übernehmen und weiterführen müssen. Die Folge sind ein Identitätsverlust, eine Entfremdung von Staat und Gesellschaft und eine Zweiteilung der Gesellschaft: honestiores (Senatoren, Ritter, decuriones und Angehörige gehobener Berufe: Priester, Beamte, Soldaten), erhalten Privilegien in Steuer- und Strafrecht (keine Folter, höchstens Verbannung, kein munera) humiliores: diese sind nicht nach Rängen, sondern nach ausgeübten Berufen differenziert alternatives (rechtlich nicht definiertes) Begriffspaar: potentes und tenuiores – „Starke“ und „Schwächere“ (nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit) 2. Der ordo senatorius Der Senatorentitel bedeutet jetzt nicht mehr persönliche Macht, diese ist also nicht mehr von der sozialen Stellung abhängig. Wichtig sind vielmehr die Nähe zum Kaiser und die Position im Staatsapparat. „Senator“ wird zum reinen Adelstitel, der zwar noch soziales Ansehen, aber nicht automatisch eine Beteiligung an der Macht bringt. Gab es in Rom nur 600 Senatoren, sind es jetzt in Rom und Konstantinopel zusammen 4000! Der neue ordo senatorius setzt sich wie folgt zusammen: Angehörige der alten senatorischen Familien (nach Erfahrung und Idealen deutlich abgesetzt) Hofbeamte im Rang eines clarissimus, spectabilis, illustris (oft aus der Unterschicht) hohe Militärs (auch Germanen!) Die Beteiligung von Angehörigen der Unter- und der Oberschicht an der Macht führt zu einer divergierenden Interessenlage, bei der „der Blick auf das Reichsganze verloren geht“, so Prof. Zimmermann. Der alte Adel zieht sich auf seine Landgüter zurück und pflegt Kontakte nur innerhalb seines Standes – Heiraten untereinander eingeschlossen. Dabei gibt es zwischen dem Westen und dem Osten des Reiches Unterschiede. So pflegt man im Westen in Gallien, Spanien und Afrika die römische Kultur über das Ende des Westreiches hinaus. Auch der Ritterstand wird „hierarchisiert“, erhält unterschiedliche Privilegien und keine einheitlichen Funktionen mehr – wird so als Stand praktisch bedeutungslos. Die curiales – ein unterer Ritterstand – rücken dagegen aufgrund umfangreicher und erblicher Pflichten in die Nähe der humiliores auf und werden bisweilen als eigener Stand innerhalb einer Dreiteilung der Gesellschaft wahrge- 69 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann nommen. Sie werden zum wichtigsten einigendem Band zwischen den Senatoren und erhalten gemeinsame Privilegien, z. B. Befreiung von munera Befreiung von Steuern der Grundbesitzer, stattdessen geringere collatio glebalis (jährl. Grundbesitzabgabe), gemeinsame Sonderabgabe bei besonderen Anlässen (aurum oblaticium) und Finanzierung von Spielen (teuer, aber prestigeträchtig) Befreiung von Einquartierungen niedrigere Strafbestimmungen (keine Folter und Todesstrafe, sd. Exil) Recht auf Strafverfahren vor senatorischem Sondergericht unter Vorsitz von praef. urbi, PPO oder Kaiser. Ab dem 3. Jahrhundert gibt es infolge von Kriegswirren einen Rückgang der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe, es kommt zu einem Absinken des sog. „freien Bauernstandes“. Dagegen wächst die Zahl der Großgrundbesitze an, sie sind dank regionaler Verteilung krisenfester. Die höchsten belegten Jahreseinkünfte eines Senators – also eines Angehörigen der Oberschicht - betrugen 4.000 Pfund Gold, was ohne das Naturaleinkommen von ca. 30% der Bareinkünfte zu sehen ist. Solche Einkünfte gab es auch nur bei der Oberschicht, wobei die Senatoren in drei Vermögenskategorien mit unterschiedlicher collatio glebalis eingeteilt wurden. Theodosius I. fügte noch eine 4. Kategorie dazu. 3. Die curiales Die Bedeutung der curiales als sog. „Stadtelite“ beruht auf der antiken Stadtkultur, bei der die Stadt der kultische Mittelpunkt eines Staates war. Hier fanden die Märkte statt, hier waren die Gerichte und die Finanzverwaltung sowie das Verteidigungszentrum ansässig Von einem Album von Timgad in Nordafrika gibt es eine repräsentative Aufstellung einer städtischen Oberschicht: 10 viri clarissimi (davon 5 patroni der Stadt) viri perfectissimi (Rückgang des Ritterstandes!) 2 sacerdotales (ehem. provinziale Kaiserpriester) curator civitatis duoviri (2 städt. Oberbeamte) 32 flamines und augures (städt. Priester) weitere Beamte und gewesene Beamte der Stadt ca. 100 Ratsherren (curiales) Aus Antiochia ist folgende Untergliederung der curiales bekannt: Gliederung in 4 Klassen, was wohl Zensusklassen bedeutet, die nach Vermögen und damit Leistungsfähigkeit eingeteilt waren 10 decemprimi führen die Geschäfte des Rates und genießen dafür Steuerprivilegien. Sie werden nach 15 Jahren von munera befreit. 70 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Die finanzielle Fürsorge der lokalen Eliten war früher eine freiwillige Leistung gewesen und wurde jetzt eine gesetzliche Verpflichtung. Die Aufgaben der curiales waren: Eintreibung von Steuern (capitatio, iugatio) – bei eigener Haftung Verteilung von munera auf die Gemeinde Sorge für Ordnung, opera publica (Infrastruktur), Getreideversorgung, Sauberkeit, Spiele, Kult- und Erziehungswesen – i. d. R. aus eigener Tasche. Sie wurden so zu „Erfüllungsgehilfen des Staates“. Die Voraussetzung für eine Einschreibung als curialis war Landbesitz - wobei die Forschungsthese von 25 iugera , das entspricht 6,3 ha als Mindestqualifikation nicht haltbar ist (Prof. Zimmermann). Die Regelung der „Zahlungen aus eigener Tasche“ führte zu einem Streben nach Befreiung von der Last der curiales. Da gerade Reichere durch Ämterkauf zu Privilegien gelangten, verschärfte sich die Situation für die Verbleibenden curiales. Was zu einer Flucht dieser Personen in die Fremde, ins Heer oder unter den Schutz von sog. patroni führt. Nach fünfjähriger Abwesenheit verlor man aber seinen Grundbesitz, trotzdem ist der Schwund dieser Schicht nicht aufzuhalten: C. Th. 12, 1, 186: nullus paene curialis idoneus in ordine cuiusquam urbis Die Kirche und privilegierte Kleriker treten als Lokalelite die Nachfolge an. 4. Die Unterschicht Bei der Unterschicht, den sog. humiliores kommt es auch zu einer Nivellierung, sie unterscheiden sich in ihrer Stellung kaum noch von Sklaven. Dabei existiert die Sklaverei aber weiterhin. So gibt es kaiserliche Sklaven: servi publici auf Domänen, in Bergwerken und Steinbrüchen, in fabricae, bei Hof. Diese haben weitgehende Privilegien, wie Heirat mit Freien, Zusammenschluss in Vereinen, kein Verkauf ... die Kirche als Sklavenbesitzer, aber auch eine Tendenz zur Verbesserung der Stellung von Sklaven: humanitäre Gesetzgebung, Freilassung, aber die Aufstiegsmöglichkeiten der liberti in erster Generation bleiben eingeschränkt Somit ist die These von der Bedeutung der Sklaverei für den Untergang der Antike nicht haltbar – so Prof. Zimmermann. Die persönliche Freiheit ist zwar ein rechtliches Unterscheidungsmerkmal, doch für die sozialen Verhältnisse irrelevant, da auch „Freie“ ihren Wohnort und Beruf nicht mehr wählen konnten. 71 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann coloni , also freie Bauern werden als servi terrae bezeichnet in Gesetzen als Besitz der Grundeigentümer betrachtet befinden sich in deren potestas werden bei Veräußerung eines Grundstücks als adscripticii mitverkauft machen 70-80% der Landarbeiter aus entstanden aus Pächtern im Gegensatz zu possessores, also landbesitzenden Kleinbauern. Diese waren in einer Abhängigkeit über Pachtrückstände, Steuerschulden o.ä. Kolonenflucht häufig Trotz einer Nivellierung gab es nach wie vor ein Gefälle in den Lebensbedingungen zwischen plebs rustica, die außerhalb ummauerter Städte lebten und plebs urbana. Diese erhielten eine Befreiung von der Kopfsteuer und annona, mussten dafür aber eine fünfjährige Sondersteuer [collatio lustralis] in Gold und Arbeitsleistungen zahlen. Es gab eine verpflichtende Organisation von Handwerkern und Kaufleuten in Gilden (corpora) und zur Sicherstellung der Grundversorgung eine Erblichkeit des Handwerks. Landarbeiter konnten von der sog. „Schollenbildung“ befreit werden: inquilini (auf Gut ansässig aber bis Valentinian I. berechtigt, nach Belieben abzuwandern) freie Landarbeiter in Vertragsverhältnissen (z. B. Saisonarbeiter zur Ernte) unabhängige Bauern (v. a. in Nordsyrien) 5. Das patrocinium Die Gutsherren herrschten de facto über ihre coloni und konnten diese auch bestrafen. Dabei drückte sich bei den humiliores diese Strafe in Kapital- oder Körperstrafe aus. Entstehung eines patrociniums – teils von „unten“ (den coloni) gesucht, um Schutz zu erlangen teils von Gutsherren in Analogie zu Rechten und Ansprüchen auf kaiserlichen Domänen eingefordert (eigene Gerichtsbarkeit, Bestimmung von Rekruten, Steuerunmittelbarkeit, Marktrecht – einmal sogar eigene Kirche mit eigenem Bischof. Eine solche Schutzherrschaft kam z.B. durch einen notariellen Vertrag zustande. Dabei verspricht ein Abhängiger Zahlungen (z.B. im Osten) oder verzichtet auf Besitzrechte (z.B. im Westen). Der patronus räumt die Nutzung ein und sichert eine Interessenvertretung gegenüber dem Staat zu. Somit ist ein patrocinium auch ein Interessengemeinschaft von Ober- und Unterschicht gegenüber den staatlichen Steuereintreibern. Bedeutet aber auch einen Bedeutungsrückgang der Stadt als staatliche Zwischeninstanz, von dem besonders die Oberschicht profitiert. Der Staat versucht z. B. mit einem Verbot von Privatgefängnissen, diesem Phänomen entgegenzuwirken. Erst 415 kommt es zu einer Legalisierung. 72 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 25.01. 2011 XI. Wirtschaft und Handel 1. Die Landwirtschaft Die Kultur der Spätantike – wie der Antike überhaupt - war hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt. Die Städte waren vor allem Agrarstaaten, ihre Funktion als „Dienstleistungszentrum“ bzw. „consumer city“ dagegen sekundär. Daraus folgt, dass die Leistungen der Agrarwirtschaft ausschlaggebend waren für die gesamte Wirtschaftsleistung eines Staates. Viele andere Fragen des Alltags traten dagegen in den Hintergrund, „interessierten meist nicht“ – so Prof. Zimmermann. a) Die Landnutzung Besonders im Westen des Reiches gab es einen Rückgang der Landbevölkerung und damit der der bebauten Fläche. Grund dafür waren die Barbareneinfälle. Betroffen davon waren im Westen besonders Dacia, agri decumates (zw. Rhein und Donau) und Britannien Das Gebiet um Trier mit einem Rückgang der Siedlungsdichte um 40% ähnlich Mauretania Tingitana (Bedrohung durch Nomaden) und der Norden der Germania inferior: Entvölkerung durch Seeräubergefahr und einem Anstieg des Meeresspiegels. Im Osten waren es die Auswirkungen der Barbarenkriege und innere Auseinandersetzungen, sowie die Rückkehr der vor den Goten geflohenen thrakischen Bauern im Jahr 382. Als Gegenmaßnahme kam es zu einer Ansiedlung von Barbaren auf Reichsgebiet, deren Stellung in der Gesellschaft aber von der der Einheimischen abwich. Sie waren zwar häufig von Steuern und Abgaben befreit, mussten aber Militärdienste leisten – sofern dadurch keine Schwächung der Landwirtschaft gegeben war. So wurde zwar kein Überschuss an landwirtschaftlichen Produkten erzielt, aber die sonst brachliegenden Gebiete - agri deserti - wurden besiedelt. Diese Entwicklung ist besonders in Italien seit dem 4.Jahrhundert zu beobachten. 73 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann b) Die Produktivität des Landes Das die Abwesenheit der Landeigentümer - „absentee landowner“ – und eine Inflexibilität der Sklavenwirtschaft zum Niedergang des reiches mit beigetragen haben, ist so nicht nachzuweisen. Denn auf den kaiserliche Domänen hat man diese Problem der Besitzerferne gelöst durch Verpachtung an conductores – mit langfristigen Pachtverträgen, später gibt es eine Tendenz zur Erbpacht Unterverpachtung an coloni (keine Erbpacht, sondern Handlungsfreiheit) Diese coloni drohen bei nur kurzfristigen Pachtverträgen mit Landflucht. Es gibt Hinweise darauf, dass die conductores geringere Abgaben an den Staat bzw. die Landbesitzer zahlen mussten, „aufs Ganze gesehen ist kein nennenswerter Produktionsabfall nachzuweisen“ – so Prof. Zimmermann. Es wird später auch die Okkupation von Ländereien geben (also lt. Duden „die Aneignung von herrenlosem Gut“), die dann aber mit der Zeit „legalisiert“ werden. Große Latifundien oder Monokulturen gibt es nicht, Landbesitz bleibt aber verbunden mit Statuserhöhung. c) Die Produkte Angebaut wurden: Getreide: geringere Veredelung, größere Unterschiede und heute nicht mehr genutzte Arten Gemüse und besonders Hülsenfrüchte, da diese besonders nahrhaft waren Wein und Öl Leinen löst Wolle als wichtigsten Bekleidungsstoff ab; Seideimport Es gibt zwar generell regionale Unterschiede, aber prinzipiell eine Ähnlichkeit der Pflanzenwelt. Hauptquelle für dieses Wissen ist der Maximaltarif Diokletians, der kaum Hinweise auf ausgestorbene oder seitdem neu zugewanderte Pflanzen gibt. Es scheint einen geringeren Fleischkonsum als heute gegeben zu haben. Es kommen Erntemaschinen und Wassermühlen zum Einsatz. d) Die landarbeitende Bevölkerung Es gab verschiedene Gruppen bei der landarbeitenden Bevölkerung: servi, coloni und inquilini, das sind freie Kleinbauern. Es kommt zu einer rechtlichen Annäherung dieser Gruppen Sklaven spielen außerhalb Italiens und Siziliens keine entscheidende Rolle. Ländliche Sklaven der Spätantike unterscheiden sich kaum von coloni, sie werden als servi censiti in die Steuerlisten eingetragen. Außerdem gab es Saisonarbeiter 74 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann e) Organisationsformen von Landbesitz Große Villen (z. B. Piazza Armerina) existieren zwar, sind aber die Ausnahme. Großgrundbesitz wurde in Pachtstellen aufgeteilt, teils erfolgte eine Zusammenfassung unter einem conductor, teils gab es auch mehrere conductores in einer villa rustica. Der Typ des kleinen bis mittleren Bauernhofs bestimmte den Großteil der Landarbeit. Ein register aus Lukanien weist den Besitz einer reichen familie an 70 verschiedenen Orten nach. Paregorios, wohl curialis auf Insel Thera hatte 106 ha Ackerland, 28 ha Weingärten, fast 600 Olivenbäume – auf 10 Höfe verteilt. Die Größe der verpachteten Einheiten schwankt nach Ertrag und Nutzung: 2-3 ha hatte z.B. die Kirche in Ravenna, 4 ha wurden in Afrika und 12 ha in Sizilien Nachgewiesen. Die Parzellierung des kaiserlichen Landes bringt Gefahr der Reprivatisierung: "der Landbesitz des fiscus ist schon fast ganz privat geworden, auseinandergerissen und räuberisch angeeignet ... ohne dass jemand Widerspruch erhebt, denn man stopft ihren Mund mit Gold" (Iustinian nov. 30) Es gibt eine Vermischung von Pächtern und Besitzern; Kleinbauern treten zusätzlich als Pächter auf; sogar Senatoren als Pächter sind belegt. Das ius privatum salvo canone bezeichnet den Übergang staatlichen Landes in privaten Besitz unter Beibehaltung des Ertragszinses. 2. Geldwirtschaft, Handel, Handwerk Unklar bleibt, woher die Einkünfte der Bewohner - durch Quellen in solidi oder Pfund Gold beziffert - genau kamen. Zwar gibt es Münzfunde auf dem Lande, ob die aber aus Landbesitz stammen, ist nicht bewiesen. Aber ob die coloni in Münzgeld oder in Naturalien bezahlten, weiß man nicht. Es gibt mehr und mehr rein ländliche Märkte, auf denen durch eine „Tauschwirtschaft“ die städtischen Marktsteuren umgangen werden – das Land koppelt sich von der Stadt ab. Was einen Rückzug der Eliten aufs Land und damit eine Schwächung des Potentials der Städte als „consumer cities“ zur Folge hat. Leider fehlt genaues statistisches Material. Lt. A.H.M. Jones lag der Anteil des Handels bei 5% des Bruttosozialproduktes; Quelle ist der Vergleich einer Handelssteuer des 5. Jahrhunderts in Edessa mit den Einnahmen von zwei ägäischen Städten im 6. Jahrhundert. Versuche einer quantifizierenden Untersuchung archäologischer Befunde , wie Wrackfunde oder Scherbenstatistik geben keine Information über die genaue Situation. 75 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Handel und Handwerk gibt es weiterhin, aber auch ein Tendenz zur Verstaatlichung von fabricae auf Kosten beider. Ebenso eine Tendenz zur Naturalsteuer für die Versorgung des Heeres. Bestimmte Handwerke werden in Gilden organisiert collegia fabrum (Handwerker), navicularii und nautae (Transport und Verkehr), suarii, pecuarii, pistores (Lebensmittelversorgung) Anfangs gibt es Vertragsverhältnis des Staates zu bestimmten privatrechtlich organisierten Berufsgruppen, daraus werden im Laufe des 4. Jh.s unentgeltliche Pflichten (munera). Der staatliche Zugriff ist aber nicht lückenlos, denn nach Erfüllung der munera sind Angehörige der collegia frei und es gibt keine Erfassung aller Angehöriger eines Berufszweiges. 3. Die Rolle der Stadt Trotz allem gibt es keinen Verfall der Stadt als generelle Tendenz, die geschilderten Abkoppelungen sind nicht zu verabsolutieren, denn die Großstädte leben von staatlichen Funktionen. Während sich große Städte wie Rom, Konstantinopel oder Antiochia nicht selbst versorgen konnten und auf die Hilfe des Umlandes angewiesen waren, litten kleinere Städte unter der Abwanderung. Hier wurden z.B. Witwen, Waisen oder andere Arme durch Almosen unterstützt.. Diese Aufgaben übernahmen oft reisende Händler oder reiche Landbesitzer. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Funktion der Stadt als Zentralort jedoch im Großen und Ganzen bestehen bleibt. 76 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann Sitzung vom 02.02.2011 XII. Die Entwicklung des Christentums (In einer Zusammenfassung) 1. Ausbreitung und Mission - „Siegeszug des Christentums“ in der Form Fiktion der christl. Überlieferung => Frage nach Umfang und Geschwindigkeit christl. Mission, nach heidnischer Fortexistenz, nach christl. Bedrohung durch Heidentum (=> Heidenverfolgung) - „schleichende“ Christianisierung: neben Überzeugungsbekehrung vielfach Bequemlichkeitskonversion aus Opportunismus, Nebeneinander heidnischer und christlicher Glaubensvorstellungen, allmähliches Vordringen christlicher Bilder und Symbole - Anpassung der Kirche an Lokalkulturen: christl. Literatur in koptisch, syrisch, punisch – Alternative zur klassischen Bildung der Oberschichten - unterschiedliche Motive für Konversion / regional unterschiedliche Ausbreitung => keine planmäßige Mission, weder systematische Bemühungen um Bevölkerung städtischer Territorien noch um Heidenmission außerhalb des Imperiums - Umfang der Christianisierung schwer fassbar; jedenfalls im 5. Jh. nicht abgeschlossen 2. Struktur und Hierarchie - Anpassung des Christentums an staatliche Strukturen: Bischofssitz = Stadt (=> regional unterschiedliche Bistumsdichte je nach Urbanisierung), Metropolit = Bischof der Provinzhauptstadt, 2 x jährl. Provinzialsynode (unter Vorsitz des Metropoliten) - Rangstreitigkeiten um Metropolitie (z. B. Jerusalem – Caesarea, Vienne – Arles); herausragende Rolle von Rom, Konstantinopel, Antiocheia, Alexandreia (überregionale Bedeutung) - Weg zum Primat des römischen Bischofs im Westen: historische Bedeutung der Stadt, apostolische Sukzession • Damasus (4. Jh.): Verweis auf Jesuswort vom Fels Petrus (Mt 16, 18) • Siricus (384-399) schreibt erstmals Decretalen (Anordnungen) an andere Bischöfe • Innozenz (402-417): Gerichtsbarkeit der Provinzialsynoden, bei causae maiores (Ex 18, 22) Appellationsgerichtsbarkeit der sedes apostolica • Leo I. setzt in Rom Primat der Theologie durch: erhält Sorge für die Aufrechterhaltung der zivilen Ordnung (Kampf gegen Häretiker) 77 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 3. Kirchenbau und Gemeindeleben - seit Konstantin zunehmend christl. Selbstdarstellung in den Städten • Rom: Basiliken / Baptisterien in allen Wohnvierteln • Alexandreia: Hauptkirche auf Ruinen eines Kaisertempels • Konstantinopel: Klöster und soziale Einrichtungen - kirchlicher Festkalender ersetzt heidnische Feste (z. B. Sonntagsfeier); • Kirchenjahr bietet Rahmen, symbolisiert Reichseinheit • Feiertage lokaler Märtyrer schaffen Gemeindeidentität => Verlegung der Märtyrerkirchen von den Friedhöfen in die Zentren 4. Reliquien und Pilgerwesen - Reliquienverehrung => Reliquientranslation / -handel: Erwerb wirkmächtiger Reliquien => Pilgerwesen: Besuch wirkmächtiger Reliquien • Reisebeschreibungen mit Routen und Unterkünften (xenodochiai) • Pilgerstraßen verbinden Heiligengräber u. a. Wallfahrtszentren (Konstantinopel – Ancyra – Syrien) 5. Die Kirche als Wirtschaftsfaktor - Reichtum der Kirche: • kirchliche Wohltätigkeit gewinnt zentrale Rolle in Städten (Antiocheia: tägl. Versorgung von 3.000 Witwen) • christl. Kaiser finanzieren Kirchenbau und Einrichtung, statten Kirchen mit Landbesitz aus (=> Einkünfte) • Vorbild macht Schule: Ressourcen der Oberschicht fließen an Kirche => Organ der Umverteilung von Besitz, Reaktivierung von Kapital - Hinweise auf Relativität kirchlichen Reichtums • konstantin. Schenkung an Kirche Roms: 400 Pfd. Gold Jahresertrag (gegenüber 4.000 Pfd. des reichsten bekannten Senators) • nach Joh. Chrys. entsprach Einkommen der Kirche von Antiocheia „dem der Reichen“ (d. h. eines durchschnittlich Reichen) - Vorwurf der Erbschleicherei: Augustinus rät Zurückhaltung (Christus als Miterbe, nicht als Alleinerbe) - steuerliche Vergünstigungen für Kirche als Institution wie für Kleriker 6. Die Entwicklung des Klerus - Anwachsen des bischöfl. Aufgabenspektrums => Beauftragung von Spezialisten unter Aufsicht des Bischofs => Entstehung einer innerkirchl. Hierarchie => Bischöfe wachsen in Rolle der Lokalaristokratie hinein - wenige und divergierende Zahlenangaben zu städt. Klerus 78 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann • Rom: 154 Kleriker (Mitte des 3. Jh.s) • Personal der Hagia Sophia (Konst.) 535 durch Iustinian auf 485 reduziert (darunter 60 Priester und 100 Diakone) • Edessa: über 200 Kleriker (von Bischof in Chalkedon 451 behauptet) • Karthago: über 500 (etwa gleichzeitig) => Personal der Kirche kaum geringer als das der öff. Verwaltung - auch in der Kirche entspricht soziale Herkunft dem Stand: • niedere Weihegrade = humiliores (aber von Handwerkersteuer befreit => daneben berufstätig?) • höhere Ränge = curiales (mit Sondervergünstigungen => attraktive Option) - kirchliche Karriere wird zur Alternative zum Staatsdienst a) Der Bischof - Abstammung von curiales; weltliche Erziehung und Bildung; Verwandte im Staatsdienst => Pendant zur weltl. Lokalelite mit teils rein weltl. Aufgaben • Organisation der Verteidigung (gemeinsam mit curiales und Landbesitzern) • Fürsprache bei übergeordneten Behörden => Einfluss über Patronage • Rechtsprechung (Gleichberechtigung von episcopalis audientia und weltl. Gerichten seit Konstantin; 408 Bischofsurteil dem des PPO gleichgestellt) - Bischof wird zur Zentralfigur städtischen Lebens => häufig Kontroversen um Besetzung zwischen Volk, Klerus, Aristokratie, Kaiser ... b) Heilige und Asketen - gesellschaftlich anerkannte Autoritäten unterhalb des Bischofs: Charisma durch Lebenswandel; hoher Einfluss auf Angehörige aller sozialer Schichten - hdn. Vorbilder: Apollonios von Tyana - Abkehr von der Welt: Gegenbewegung zur Kollaboration der Kirche mit der Welt; trotzdem gesellschaftl. Engagement (eigentlich paradox): • Konfrontation der verweltlichten Gemeinde mit rigoroser Christusnachfolge • Rolle als systemunabhängiger Mahner und Ratgeber - Ähnlichkeiten mit heidnisch-philosophischer Askese, doch andere Grundlage: • hdn. Askese ist Oberschichtenphänomen • christl. Askese beruht auf Ablehnung von „Establishment“ • hdn. Askese auf Seele ausgerichet => Körper unwichtig • christl. Askese pflegt „Körperfeindlichkeit“ als Martyriumsersatz - 357: Athanasius´ Biographie des hl. Antonius => Aufschwung des Mönchtums, Trend zu asketisches Lebensweise in klösterlicher Gemeinschaft (schon vor Mitte des 4. Jh.s Gründung des Pachomius in der Thebais) 79 Klaus Donndorf / Vorlesungsnotizen Von Konstantin bis Romulus Augustulus Vorlesung / Prof. Dr. Klaus Zimmermann 7. Kirchenförderung und Heidenverfolgung - C. Th. 16, 10, 2 (Constans): cesset superstitio, sacrificiorum aboleatur insania - Opferverbot durch Theodosius: • Befreiung der Christen von Gefahr der Befleckung • Beseitigung eines zentralen Elements hdn. Identität und Solidarität • Zwang zu intellektuell akzeptableren Kultformen - Ende staatlicher Unterstützung für Tempel (Gratian) => Privatisierung hdn. Kulte - für Heidenverfolgung ist Haltung der örtl. Bischöfe entscheidend; Idee: salus imperii beruht auf göttl. Hilfe – und diese auf dem Glauben aller Untertanen - theoretisch strenge Antiheidengesetze, aber in der Praxis oft pragmatische Duldung (nicht mit theologischer Toleranz zu verwechseln!) - Gewalt von Mönchen gegen Heiden: Sarapistempel, Kallinikum, Thessaloniki; Ventilhandlung in Krisenzeit nach Adrianopel; Überlieferung von Distanz geprägt (Mönche = Nichtkleriker, humiliores, Unterschicht ...) 8. Orthodoxie und Häresie - Häresie = bewusstes, provozierendes und wiederholtes Abweichen von der kirchlichen Lehre in dogmatisch wichtigen Fragen • staatl. Verfolgung aus gleichem Motiv wie Heidenverfolgung: salus imperii beruht auf dem rechten Glauben aller Reichsangehörigen • Auseinandersetzungen in der Regel gewalttätiger als zwischen Christen und Heiden: hier war keine stillschweigende Duldung des „Irrtums“ möglich, da es ja gerade um die Unterschiede im Dogma ging • Ziel der Häretikerverfolgung: weniger gewaltsame Wiedereingliederung, sondern Beschränkung der Wirk- und Missionsmöglichkeiten • große Zahl von Häretikergesetzen (oft als Indiz für Erfolglosigkeit gedeutet); aber: innerhalb des Reiches waren im 6. Jh die meisten Häresien verschwunden (außer in Germanenreichen) * * * Fazit: Antike • Kirche im Westen eines der zentralen Kontinuitätselemente zwischen und Mittelalter • kirchliche Strukturen überdauern Ende röm. Staatlichkeit – bis heute Ende der Vorlesung 80