Aufgabe Aufgabe Lösung Lösung

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Aufgabe
• Kann X ∨ ¬X im Hilbertschen Kalkül bewiesen werden?
. Falls ja, wie?
. Falls nein, warum nicht?
. . . zur Erinnerung: Hilbertsche Axiomatisierung der Aussagenlogik
1. Axiomenschemata:
(a) >
(b) (A → (B → A))
(c) ((A → B) → ((A → (B → C)) → (A → C)))
(d) (¬(¬A) → A)
2. Regeln:
R=

A → B,
B
A
ff
Lösung
1. Substituiere in (b): A 7→ X B 7→ X
Also ist (X → (X → X)) ableitbar.
2. Substitution von A 7→ X B 7→ (X → X) C 7→ X in (c)
liefert ((X → (X → X)) → ((X → ((X → X) → X)) → (X → X)).
3. (M P ):
((X → (X → X)) → ((X → ((X → X) → X)) → (X → X))), (X → (X → X))
((X → ((X → X) → X)) → (X → X))
4. Substituiere in (b): A 7→ X B 7→ (X → X)
Also ist (X → ((X → X) → X)) ableitbar.
5. (M P ):
((X → ((X → X) → X)) → (X → X),
X →X
(X → ((X → X) → X))
Gentzens Idee
• Ansatz für den neuen Kalkül
. Formalisierung der logischen Deduktion nach Frege, Russel, Hilbert unterscheidet
sich sehr stark von der tatsächlichen Praxis mathematischer Beweise
Einführung des natürlichen Deduktionskalküls
. Der Hauptsatz“ beschreibt eine Normalform für Beweise.
”
Die Normalform ist zwar nicht eindeutig, aber sie enthält keine überflüssigen“
”
Bestandteile.
Begriffe
• Gruppen:
. Symbole eines endlichen Alphabets
. Ausdrücke (endliche Zeichenketten aus Symbolen)
. (Schluß-)Figuren oder Regeln sind endliche Mengen von Symbolen mit einer festgelegten Ordnung
Symbole sind Spezialfälle von Ausdrücken
Ausdrücke sind Spezialfälle von Figuren
Defini(er)te Symbole (Konstanten, etc.)
• Objekte: 1, 2, 3, . . .
• Funktionen: +, −, ·, . . .
• definite Aussagen, Konstanten: true, false
• Prädikate: =, <
• Logische Konnektoren: ∧, ∨, →, ↔, ∃, ¬, ∀
• Hilfssymbole: ), (, . . .
Variablensymbole
• Objekte:
. Freie Variablen: a, b, c, . . . , m
. Gebundene Variablen: n, . . . , x, y, z
• Aussagenvariablen: A, B, C, . . .
Es gibt abzählbar unendlich viele Variablensymbole, die nötigenfalls
durch Indizes gekennzeichnet werden.
• Metasymbole (z.B. griechische Buchstaben) als Variablen für Aussagen über die Logik.
Ausdrücke
• Das Konzept der Formeln oder aussagenlogischen (propositionalen) Ausdrücke ist rekursiv
definiert:
. Symbole für Konstanten sind Formeln
. Eine Aussagenvariable gefolgt von einer endl. Anzahl von freien Objektvariablen ist
eine Formel (Bsp. Abab)
Obige Formeln heißen elementar.
. Seien α und β Formeln, dann sind auch (¬α), (α ∧ β), (α ∨ β) und (α → β)
Formeln.
(α ↔ β) ist definiert als (α → β) ∧ (β → α).
. Enthält α nicht die gebundene Objektvariable ν , dann sind auch (∀να) und (∃να)
Formeln.
Ein oder mehrere Vorkommen von ν in α können durch freie Objektvariablen
ersetzt werden.
Die üblichen Regeln zur Klammerersparnis können angewandt werden, d.h. unäre
Konnektoren binden stärker als binäre, Konjunktion bindet stärker als Disjunktion,
etc.
Grad einer Formel
• Als Grad der Formel α wird die Anzahl der logischen (Konnektoren-)Symbole in α
bezeichnet.
. Der Grad einer elementaren Formel ist somit 0.
. Der Grad von ∃x(((¬Abxa) ∨ Bx) → (∀z(A ∧ B))) ist 6
• Als terminalen Konnektor einer Formel bezeichnen wir das logische Symbol, das bei ihrer
Konstruktion zuletzt hinzugefügt wurde.
Der terminale Konnektor einer Formel ist stets eindeutig bestimmt.
Teilformeln (Subformeln)
• Bei der Konstruktion einer Formel α gemäß der iterativen Definition entstandene Formeln
heißen Teilformeln oder Subformeln von α.
. Auch α ist eine Teilformel von α!
Beispiel: (A ∧ (∀xBxa)) hat die Teilformeln
A, (∀xBxa), (A ∧ (∀xBxa))
und alle Formeln der Form
Bεa
wobei ε eine beliebige freie Objektvariable darstellt.
Der Grad von (A ∧ (∀xBxa)) ist 2.
Der Terminale Konnektor ist ∧.
Im folgenden werden wir als Metasymbole für beliebige Formeln auch A, B, C, . . .
verwenden.
Sequenzen
• Eine Sequenz ist ein Ausdruck der Form
X `Y
wobei
X
Y
=
=
A1 , . . . , A m
B1, . . . , Bn
Antezedens genannt wird,
Sukzedens genannt wird,
Antezedens und Sukzedens dürfen leer sein!
• Die Bedeutung einer Sequenz:
. Der Präzedens wird als konjunktiv verknüpft,
. der Sukzedens als disjunktiv verknüpft aufgefaßt.
. ` wird als Implikation interpretiert.
Sequenzen (Forts.)
Die Sequenz
A1 , . . . , A m ` B 1 , . . . , B n
wird also interpretiert als:
A1 ∧ . . . ∧ A m ` B 1 ∨ . . . ∨ B n
• Bei leerem Antezedens bedeutet die Sequenz die Disjunktion:
B1 ∨ . . . ∨ B n
• Bei leerem Sukzedens ist die Bedeutung:
¬(A1 ∧ . . . ∧ Am ) bzw.
A1 ∧ . . . ∧ Am → false
D.h. insbesondere, daß zu jeder Formel auch eine äquivalente Sequenz existiert.
• Instanzen von Formeln in Sequenzen heißen S-Formeln.
Figuren
• Wir unterscheiden Inferenz-Figuren (Regeln) und Beweis-Figuren (Ableitungen).
. Figuren können für Formeln oder für Sequenzen definiert werden.
• Inferenz-Figuren:
A1 , . . . , A m
B
. A1 , . . . , Am und B sind Formeln bzw. Sequenzen.
. Die Ai werden obere Formeln bzw. obere Sequenzen genannt.
. B ist die untere Formel bzw. untere Sequenz.
• Beweis-Figuren setzen sich aus Inferenz-Figuren zusammen.
Ableitungen
• Ableitungen haben die Form:
. Jede Formel einer Ableitung ist untere Formel höchstens einer Regel.
. Jede Formel einer Ableitung ist obere Formel mindestens einer Regel (mit Ausnahme
der Endformel).
. Eine Ableitung hat keine Zyklen.
. Formeln, die in einer Ableitung nicht als untere Formeln auftreten, heißen initial.
. Ableitungsbaum: Jede Formel ist obere Formel höchstens einer Regel.
• Formelinstanzen in Ableitungen: D-Formeln
. Was unterscheidet die Aussage α und β sind identische Formeln“ von der Aussage
”
α und β sind identische D-Formeln“?
”
Ableitungen: weitere Begriffe
• Ein Pfad einer Ableitung ist nach Hilbert eine Aneinanderreihung von D-Formeln, die
mit einer initialen Formel beginnt und mit der Endformel endet, so daß die Formeln in
der Reihenfolge zu den D-Regeln passen.
• Eine Ableitung mit Endformel A heißt auch Ableitung von A.
• Die initialen Formeln einer Ableitung werden als Basisformeln oder Annahmen bezeichnet.
. . . und nun kommen wir zu einigen konkreten Kalkülen.
Der Kalkül der natürlichen Deduktion
• Gibt es eine natürliche Form des Beweisens?
• Wie werden Beweise im täglichen Leben“ geführt?
”
• Wie wird bei mathematischen Beweisen in der Praxis“ argumentiert?
”
. Diese Vorgehensweise soll mathematisch exakt – in Form eines Kalküls – dargestellt
werden.
Gerhard Gentzen
Untersuchungen über das logische Schließen
Mathematische Zeitschrift 39(1935)176–210, 405–431
(auch: Dissertation an der Universität Göttingen)
Beispiel 1
• Die Gültigkeit der Formel (X ∨ (Y ∧ Z)) → (X ∨ Y ) ∧ (X ∨ Z) in der klassischen
Logik soll bewiesen werden.
. Das Argument läuft, wie folgt:
1 X oder 2 Y ∧ Z sind wahr.
Angenommen 1 : X ∨ Y und X ∨ Z sind ebenfalls wahr, also auch (X ∨ Y ) ∧ (X ∨ Z).
Fall 2 : Sowohl 3 Y ist wahr als auch 4 Z ist wahr.
Fall 3 folgt nun, daß X ∨ Y wahr ist und aus 4 folgt, daß X ∨ Z wahr ist.
Aus Also ist auch (X ∨ Y ) ∧ (X ∨ Z) wahr.
• Somit haben wir allgemein gezeigt, daß sich aus der Annahme von (X ∨ (Y ∧ Z)) die
Formel (X ∨ Y ) ∧ (X ∨ Z) ableiten läßt, also (X ∨ (Y ∧ Z)) → (X ∨ Y ) ∧ (X ∨ Z)
gültig ist.
Beispiel 2
• Die Gültigkeit der Formel (∃x∀yF xy) → (∀y∃xF xy) soll in klassischer Logik
bewiesen werden.
. Das Argument läuft, wie folgt:
Wir nehmen an, es gibt ein x, so daß für alle y die Formel F xy wahr ist.
Sei a ein solches x.
Dann gilt für alle y die Aussage F ay .
Sei nun b ein beliebiges Objekt.
Es ist dann auch F ab wahr.
Folglich existiert für dieses Objekt b ein x, nämlich a, so daß F xb wahr ist.
• Da b aber beliebig gewählt war, gibt es also für jedes y ein x, so daß F xy wahr ist.
Beispiel 3
• Die Gültigkeit der Formel (¬∃x F x) → (∀y ¬F y) soll intuitionistisch bewiesen
werden.
. Das Argument läuft, wie folgt:
Wir nehmen an es gibt kein x, für das F x gilt.
Gezeigt werden soll, daß dann für alle y nur ¬F y gelten kann.
Sei nun a ein Objekt, für das F a gilt, dann existiert doch ein x mit F x, nämlich
x = a.
WIDERSPRUCH !!!
• Da a beliebig gewählt werden konnte, folgt direkt, daß für alle y die Formel ¬F y gilt.
.
Diese Art der Beiweisführung soll nun formalisiert werden.
Intuitionistische Logik (historische Anmerkungen)
• Der Intuitionismus wird von Brouwer in seiner Dissertation von 1907 begründet.
• Brouwer die Meinung, daß eine Person eine beliebige Aussage nur dann glaubt, wenn sie
einen Beweis bzw. eine Konstruktion dieser Aussage kennt. (Konstruktivismus)
. Brouwer bezeichnet deshalb das Gesetz des ausgeschlossenen Dritten als ungerechtfertigt und falsch.
• Für Brower ist der Intuitionismus eine philosophische Idee und er steht deren Formalisierungen sehr kritisch gegenüber.
• 1930 formalisiert Heyting die intuitionistische Prädikatenlogik sowie grundlegende Formalismen der Arithmetik und der Mengenlehre.
. Beweisinterpretation der intuitionistischen Logik
. Heyting’s Idee einer Semantik beruht darauf, statt Wann ist ein Satz A wahr?“,
”
zu fragen Wie sieht ein Beweis von A aus?“ .
”
Intuitionistische Logik (historische Anmerkungen)
• 1932: Sowohl Gentzen als auch Gödel stellen Transformationen der klassischen Prädikatenlogik in ein Fragment der intuitionistischen Prädikatenlogik vor.
. Gödel zeigt außerdem einige Verbindungen zwischen intuitionistischer Logik und der
modalen Logik S4 auf.
• 1935: Einführung des Konzepts des natürlichen Schließens (natural deduction) und des
Sequenzenkalküls durch Gentzen
. 1965 von Prawitz erweitert
. bessere Veranschaulichung intuitionistischer Verknüpfungen
• Die von Kripke 1965 vorgestellte Semantik der möglichen Welten erleichtert die Konstruktion intuitiv naheliegender Modelle für intuitionistische Logik.
Was ist intuitionistische Logik?
Intuitionist mathematics is an essentially languageless mental structure which comes into being by the self-unfolding of the abstraction of two-ity as the primordial
intuition ...
Luitzen E.J. Brouwer, 1907
• Klassische und intuitionistische Logik trennt, wenn man allein Anzahl und Form der
strukturellen Regeln betrachtet, nur wenig:
. Durch Hinzufügen des Gesetzes von Pierce (((A → B) → A) → A) entsteht
aus dem intuitionistischen Kalkül der klassische.
. Gleiches gilt für das Hinzufügen des Gesetzes des ausgeschlossenen Dritten A ∨ ∼A
(LEM) oder des Gesetzes der doppelten Negation ∼∼A → A.
Klassische vs. intuitionistische Logik
• Im klassischen Fall bedeutet
. v(F ) = true
F ist wahr“
”
. v(F ) = false
F ist falsch“
”
. Interpretation der Ableitungsregeln: Ist die Situation über dem Strich der Fall, so
”
ist die Situation unter dem Strich ebenfalls gegeben.“
• Im intuitionistischen Fall bedeutet
. v(F ) = true
F ist bewiesen“
”
. v(f ) = false
F ist nicht bewiesen, es ist nicht bekannt, ob F wahr ist“
”
Im Falle von v(F ) = true bleibt F auch in Zukunft wahr, während v(F ) =
false nur das momentane Scheitern des Wahrheitsbeweises für F ausdrückt!
. Interpretation der Ableitungsregeln: Ist die Situation über dem Strich der Fall, so
”
ist die Situation unter dem Strich möglich“.
Anmerkungen zur intuitionistischen Logik
• Die intuitionistische Negation ist somit schwächer als die klassische.
. Ihre semantische Interpretation entspricht eher dem Scheitern des Wahrwerdens und
liegt damit epistemisch der Intention des common sense reasoning näher.
• Durch das Fehlen von LEM bietet intuitionistische Logik Vorteile beim Schließen auf
unvollständiger Information.
• Die intuitionistische Disjunktion ist stärker als ihr klassisches Gegenstück:
. Die Gültigkeit von A ∨ ¬A ist in klassischer Logik allgemeingültig, während in
intuitionistischer Logik eines der Disjunkte wahr sein muß.
• In intuitionistischer Logik sind Negation und Implikation intensionale Konnektoren.
. Eine gegenseitige Definition wie in klassischer Logik ist also nicht möglich!
. Andererseits gibt es weniger Paradoxien und kontraintuitive Ergebnisse als in klassischer Logik.
Beispiel einer kontraintuitiven klassischen Ableitung
(∀x : P (x)) → Q
`
(∃x : P (x)) → Q
. Intuitionistisch ist dies nicht beweisbar!
• Warum ist der klassische Beweis kontraintuitiv?
. Einsetzung von Spieler x spielt gut“ für P (x) und Wir werden gewinnen“ für Q.
”
”
• In intuitionistischer Logik ist zwar (∼A ∨ B) → (A → B) beweisbar, die Umkehrung
dieser Implikation gilt jedoch, im Gegensatz zur klassischen Logik, nicht.
NJ (intuitionistische Logik)
• In intuitionistischer Logik gilt nicht das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten.
• In traditionellen Kalkülen (nach Hilbert, Russel, Heyting, ...) werden Formeln aus einer
(großen) Menge von Basisformeln (Axiomen) und wenigen Inferenzschemata abgeleitet.
• Natürliche Deduktion geht hingegen von Annahmen aus, auf die Deduktionsschritte
angewandt werden.
• Die Form der Regeln unterscheidet das System der natürlichen Deduktion von anderen
Kalkülen:
. Für jeden Operator existieren Regeln zu dessen Einführung (introduction) sowie zur
Entfernung (elimination).
. Zusätzlich sind bei Darstellung in Sequenzenform Axiome und Strukturregeln
vorhanden.
NJ-Ableitung
• Eine Ableitung in NJ ist immer ein Ableitungsbaum.
• Formeln sind
. nicht linear angeordnet,
. nicht wiederverwendbar.
• Blätter sind Annahmen
. alle Formeln, die unter den Blättern stehen sind abhängig von den Annahmen
. Annahmen werden in die Formeln aufgenommen, so daß die Endformel (Zielformel)
unabhänging von den Annahmen ist.
Beispiel-Ableitung in einem natürlichen Deduktionskalkül
Γ
·
· calD
·
α
• Wurzel α ist die Konklusion des Beweisbaumes D.
• Einige der unverbrauchten Annahmen aus der Menge Γ werden verwandt. verwendet.
• Soll die Formel π → ξ beweisen werden, so muß ein Ableitungsbaum konstruiert werden,
der ξ unter der Annahme π beweist, wobei π verbraucht wird.
Beispiel-Ableitung (Forts.)
Für die eben betrachtete konkrete Ableitung ergäbe sich zum Beispiel aus folgendem Ableitungsbaum
Γ, π
·
· Dξ
·
ξ
der Schritt zu
Γ, [π]
·
· Dξ
·
ξ
π→ξ
mittels einer – hier nicht näher spezifizierten – Regel im Kalkül.
. Die eckigen Klammern um das π deuten an, daß die Annahme verbraucht wird.
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