Intuitionismus III (Modallogische Interpretation)

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Proseminar Logik
Dennis Müller
16. Februar 2012
Intuitionismus III (Modallogische Interpretation)
Definition Sei M ein Modell. Eine Formel ϕ heißt gültig in M, wenn gilt M |= ϕ. Eine
Formel heißt gültig, wenn sie in allen Modellen gilt.
1 Das intuitionistische Kripke-Modell
Definition Ein Tupel hG, R, |=i heißt intuitionistisches Kripke-Modell genau dann,
wenn gilt:
1. R ist eine reflexive, transitive Relation auf G
2. |= ist eine Relation zwischen den Elementen von G und F, so dass für alle Aussagenvariablen A und Formeln ϕ, ψ gilt:
Γ |= A, ΓR∆ ⇒ ∆ |= A
Γ |= (ϕ ∧ ψ) ⇔ (Γ |= ϕ und Γ |= ψ)
Γ |= (ϕ ∨ ψ) ⇔ (Γ |= ϕ oder Γ |= ψ)
Γ |= ¬ϕ ⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : ∆ 2 ϕ
Γ |= (ϕ → ψ) ⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : (∆ |= ϕ ⇒ ∆ |= ψ)
Folgerung 1:
Für jede Formel ϕ gilt: Γ |= ϕ, ΓR∆ ⇒ ∆ |= ϕ
Beweis: Per Induktion über Grad(ϕ)
Satz 1.1 Über den intuitionistischen Kripke-Modellen lassen sich topologische Räume
konstruieren.
Definition Sei hG, R, |=i ein Kripke-Modell. Eine Menge X ⊂ G heißt gerichtete Menge
genau dann, wenn gilt:
∀∆2 ∈ G, ∀∆1 ∈ X : ∆1 R∆2 ⇒ ∆2 ∈ X
Beispiel: ∀Γ ∈ G : D(Γ) := {∆ ∈ G | ΓR∆} ist gerichtet. Entsprechend:
Γ1 RΓ2 ⇒ D(Γ2 ) ⊂ D(Γ1 )
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Die gerichteten Mengen D(G) bilden eine Topologie über G
Beweis:
G ∈ D(G) : klar.
∅ ∈ D(G) : klar.
X, Y ∈ D(G) : ∆ ∈ X ∩ Y ⇔ ∆ ∈ X ∧ ∆ ∈ Y
⇒ ∀∆0 , ∆R∆0 : ∆0 ∈ X ∧ ∆0 ∈ Y ⇒ ∆0 ∈ X ∩ Y
⇒ X ∩ Y ∈ D(G)
[
Xi ∈ D(G)∀i ∈ I : ∆ ∈
Xi ⇒ ∃j ∈ I : ∆ ∈ Xj
i∈I
⇒ ∀∆0 , ∆R∆0 : ∆0 ∈ Xj ⇒ ∆0 ∈
[
Xi
i∈I
⇒
[
Xi ∈ D(G)
i∈I
Satz 1.2 Intuitionistische Kripke-Modelle sind Modelle der intuitionistischen Aussagenlogik im Sinne vom Vortrag Intuitionismus I
Beweis: Wir definieren für jedes Kripke-Modell hG, R, |=i:
τ : F/ ∼ → P(G)
ϕ 7→ {Γ ∈ G | Γ |= ϕ}
Es gilt: τ (F/ ∼) ⊂ D(G), da nach Folgerung 1 ∀ϕ ∈ F:
∀Γ ∈ τ (ϕ) : Γ |= ϕ ⇒ ∀∆, ΓR∆ : ∆ |= ϕ ⇒ ∆ ∈ τ (ϕ) ⇒ τ (ϕ) ∈ D(G)
τ ist ein Homomorphismus von Heyting-Algebren
Beweis: ∀ϕ, ψ ∈ F/ ∼:
τ (⊥) = ∅ : klar.
τ (>) = G : klar.
τ (ϕ ∧ ψ) = {Γ ∈ G | Γ |= (ϕ ∧ ψ)}
= {Γ ∈ G | Γ |= ϕ und Γ |= ψ}
= τ (ϕ) ∩ τ (ψ)
τ (ϕ ∨ ψ) = {Γ ∈ G | Γ |= (ϕ ∨ ψ)}
= {Γ ∈ G | Γ |= ϕ oder Γ |= ψ}
= τ (ϕ) ∪ τ (ψ)
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τ (ϕ → ψ) = {Γ ∈ G | Γ |= (ϕ → ψ)}
= {Γ ∈ G | ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : ∆ |= ϕ ⇒ ∆ |= ψ}
= {Γ ∈ G | ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : ∆ |= ψ oder ∆ 2 ϕ}
[
=
{D(Γ) | ∀∆ ∈ D(Γ) : ∆ |= ψ oder ∆ 2 ϕ}
(∈ D(G) )
Γ∈G
= {Γ ∈ G | Γ |= ψ oder Γ 2 ϕ} ◦
= (τ (ϕ)c ∪ τ (ψ))◦
Anmerkung Die Kripke-Modelle sind vollständig, d.h. eine Formel ist eine Tautologie
genau dann, wenn sie in jedem Kripke-Modell gilt und genau dann keine Tautologie,
wenn ein Kripke-Modell existiert, in dem sie nicht gilt1 .
(Folgt auch aus einem Analogon zum Satz von Stone: Jede Heyting-Algebra ist Unteralgebra eines topologischen Raumes)
2 Intuitionismus als Modell der S4-Modallogik
Seien hG, R, |=I i bzw. hG, R, |=S4 i intuitionistische/S4-Modallogische Kripke-Modelle,
dann gelten für alle intuitionistischen bzw. modallogischen Formeln ϕ, ψ folgende Eigenschaften:
1. R ist reflexiv und transitiv
2. Für die Modellrelationen gilt:
Intuitionismus
∀Γ ∈ G :
Γ |=I ϕ, ΓR∆ ⇒ ∆ |=I ϕ
Γ |=I (ϕ ∧ ψ) ⇔ (Γ |=I ϕ und Γ |=I ψ)
Γ |=I (ϕ ∨ ψ) ⇔ (Γ |=I ϕ oder Γ |=I ψ)
Γ |=I ¬ϕ ⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : ∆ 2I ϕ
Γ |=I (ϕ → ψ)
⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : (∆ |=I ϕ ⇒ ∆ |=I ψ)
1
S4-Modallogik
∀Γ ∈ G :
Γ |=S4 ϕ, ΓR∆ ⇒ ∆ |=S4 ϕ
Γ |=S4 (ϕ ∧ ψ) ⇔ (Γ |=S4 ϕ und Γ |=S4 ψ)
Γ |=S4 (ϕ ∨ ψ) ⇔ (Γ |=S4 ϕ oder Γ |=S4 ψ)
Γ |=S4 ¬ϕ ⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : ∆ 2S4 ϕ
Γ |=S4 (ϕ → ψ)
⇔ ∀∆ ∈ G, ΓR∆ : (∆ |=S4 ϕ ⇒ ∆ |=S4 ψ)
Γ |=S4 ¬ϕ ⇔ Γ 2S4 ϕ
Γ |=S4 (ϕ → ψ) ⇔ (Γ |=S4 ψ oder Γ 2S4 ϕ)
Zu finden in van Dalen, Dirk - Intuitionistic Logic (Handbook of Philosophical Logic Volume III,
Corollary 3.8 p.254)
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Wir definieren eine Abbildung M in die Modallogischen Formeln, so dass für alle intuitionistischen Formeln ϕ, ψ und atomares A gilt:
M (A) = A
M (ϕ ∨ ψ) = M (ϕ) ∨ M (ψ)
M (ϕ ∧ ψ) = M (ϕ) ∧ M (ψ)
M (¬ϕ) = ¬M (ϕ)
M (ϕ → ψ) = (M (ϕ) → M (ψ))
Lemma 2.1 Sei hG, R, |=I i ein intuitionistisches Modell und hG, R, |=S4 i ein S4-Modell,
so dass für alle Γ ∈ G und atomare A gilt:
Γ |=I A ⇔ Γ |=S4 M (A)
Dann gilt für jede Formel ϕ:
Γ |=I ϕ ⇔ Γ |=S4 M (ϕ)
Beweis: Per Induktion über Grad(ϕ)
Lemma 2.2 Gegeben ein intuitionistisches Countermodell2 für ϕ, dann gibt es ein S4Countermodell für M (ϕ)
Beweis: Gegeben ein intuitionistisches Modell hG, R, |=I i, so dass ∃Γ ∈ G : Γ 2I ϕ.
Wir nehmen ein S4-Modell hG, R, |=S4 i und definieren |=S4 über
∆ |=I A ⇒ ∆ |=S4 M (A)
für alle atomaren A und und alle ∆ ∈ G.
|=S4 lässt sich eindeutig auf alle Formeln erweitern. Für atomare A gilt dann:
∆ |=S4 M (A) ⇔ ∆ |=S4 A
⇔ ∀∆∗ ∈ G : (∆∗ R∆ ⇒ ∆∗ |=S4 A)
⇔ ∀∆∗ ∈ G : (∆∗ R∆ ⇒ ∆∗ |=I A)
⇔ ∆ |=I A
Die Behauptung folgt dann aus Lemma 2.1
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Countermodell von ϕ: Ein Modell, in dem ϕ nicht gilt
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Lemma 2.3 Gegeben ein S4-Countermodell für M (ϕ), dann gibt es ein intuitionistisches Countermodell für ϕ
Beweis: Gegeben ein S4-Modell hG, R, |=S4 i, so dass ∃Γ ∈ G : Γ 2S4 M (ϕ).
Wir nehmen ein intuitionistisches Modell hG, R, |=I i und definieren |=I über
∆ |=S4 M (A) ⇒ ∆ |=I A
für alle atomaren A und und alle ∆ ∈ G.
Die Behauptung folgt dann aus Lemma 2.1
Satz 2.4 Für jede intuitionistische Formel ϕ gilt:
ϕ ist intuitionistisch gültig ⇔ M (ϕ) ist S4-gültig
Beweis: Folgt direkt aus Lemma 2.1-2.3
Beispiel: Für A, B atomar:
M [((A → B) → ((A → ¬B) → ¬A))] = (M [(A → B)] → M [((A → ¬B) → ¬A)])
= ((M [A] → M [B]) → (M [(A → ¬B)] → M [¬A]))
= ((A → B) → ((M [A] → M [¬B]) → ¬A))
= ((A → B) → ((A → ¬B) → ¬A))
3 Endliche Modelleigenschaft
Definition Eine Logik Σ hat die endliche Modelleigenschaft (FMP) genau dann, wenn
jede nicht gültige Formel von Σ bereits in mindestens einem endlichen Modell von Σ
nicht gültig ist.
Satz 3.1 Die Modallogik S4 hat die FMP.
Allgemeine Beweismethode: Per Γ-Filtration:
Sei hG, R, |=i ein Countermodell für ϕ. Wir betrachten die Formelmenge Γ,
bestehend aus allen Teilformeln von ϕ. Man definiere eine Äquivalenzrelation
∼ auf G, so dass für zwei Welten W1 , W2 ∈ G gilt:
W1 ∼ W2 ⇔ (∀ψ ∈ Γ : W1 |= ψ ⇔ W2 |= ψ)
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Da ϕ nur endlich viele Teilformeln hat, ist G/ ∼ notwendigerweise endlich.
Auf G/ ∼ lässt sich dann ein neues und dementsprechend ebenfalls endliches
Modell konstruieren, das nach wie vor ein Countermodell für ϕ ist.
Definition Eine Menge X ⊂ N heißt rekursiv aufzählbar (r.e. – recursively enumerable)
genau dann, wenn eine Turing-Maschine3 T existiert, so dass x ∈ X ⇔ T (x) = 1 und
T (x) terminiert4 ∀x ∈ X
Eine Menge X ⊂ N heißt rekursiv (oder berechenbar ) genau dann, wenn sowohl X als
auch X C r.e. sind, d.h. es existiert eine Turing-Maschine T , so dass x ∈ X ⇔ T (x) = 1,
x∈
/ X ⇔ T (x) = 0 und T (x) terminiert ∀x ∈ N
Folgerung Eine Logik Σ ist entscheidbar, wenn sie FMP besitzt und endlich axiomatisierbar5 ist.
Beweis: Jede Formel lässt sich als natürliche Zahl codieren (Gödelisierung).
Ist Σ endlich axiomatisiert, so ist die Menge aller codierten Theorien F ⊂ N
r.e. Besitzt sie zusätzlich die endliche Modelleigenschaft, so ist dementsprechend auch F C r.e., also ist F rekursiv, also ist Σ entscheidbar.
Folgerung
S4 und somit auch die intuitionistische Aussagenlogik sind entscheidbar.
3
Grob: Ein theoretisches Konstrukt, das in der Lage ist, mathematische Algorithmen auszuführen. z.B.
ist jeder Computer eine Turing-Maschine
4
d.h. die Maschine gibt nach endlicher Zeit ein Ergebnis zurück
5
genauer: mit endlich vielen Axiomenschemata axiomatisierbar
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