Die Anden - ein natürliches Labor der Plattentektonik Der Einfluss des Klimas auf die Tektonik Onno Oncken und Helmut Echtler Angesichts des bedeutenden Gefährdungs- und Nutzungspotentials der plattentektonisch aktiven Ränder der Kontinente für den menschlichen Lebensraum gewinnen diese Bereiche in den letzten Jahren zunehmend Gewicht in der geowissenschaftlichen Forschung. Im Vordergrund stehen nach der Identifikation der grundsätzlichen Rolle und Bedeutung von aktiven Plattenrändern das Verständnis der dort ablaufenden Prozesse und ihrer Wechselbeziehungen. Geologische und geophysikalische Erkundungsverfahren sowie experimentelle Laborstudien liefern dabei neue Einsichten in die fundamentalen Steuerfaktoren, die das Geschehen und die Prozesse an aktiven Plattenrändern kontrollieren. Am Beispiel der Anden - dem vermutlich am besten erforschten aktiven Kontinentalrand - gibt der folgende Beitrag einen Überblick über drei der wichtigsten sich herauskristallisierenden Aspekte. Abb. 1: Karte von Südamerika und angrenzenden Platten mit Angabe von Plattengeschwindigkeiten und des Typs der aktiven Plattenrände. Die Lage des ANCORPExperimentes wird durch die Linie und das Feld angezeigt. 1. Einleitung Seit Entdeckung der Plattentektonik in den 60er und 70er Jahren zählen die Anden und der pazifische kontinentale Rand Südamerikas zu den Bereichen, an denen aktive plattentektonische Prozesse besonders gut analysiert werden können. Der 2 pazifische südamerikanische Rand ist ein Vertreter der sogenannten aktiven Kontinentalränder. Diese sind dadurch charakterisiert, dass ozeanische Lithosphärenplatten (bestehend aus der Erdkruste und dem obersten Erdmantel) unter die Lithosphäre der Kontinente geschoben werden. Diese aktiven Ränder gehören zu den besonders dynamischen Bereichen der Erde. An ihnen konzentriert sich über 90% der Erdbebenaktivität und der Tsunamis unseres Planeten, fast alle der besonders explosiven Vulkane, aber auch ein erhebliches Potential an Lagerstätten verschiedener Erze (Kupfer, Silber, Blei, Zink, etc.). Und an ihnen ist im Laufe der Erdgeschichte fast die gesamte kontinentale Erdkruste gebildet worden. Die plattentektonische Theorie, das moderne Paradigma der Geowissenschaften, hat für diese Zusammenhänge eine grundsätzliche Erklärung zu liefern vermocht: Die an den mittelozeanischen Rücken ständig neugebildete ozeanische Lithosphäre mit einer Erdkruste von basaltischer Zusammensetzung taucht an den aktiven Plattenrändern unter die leichteren Kontinente wieder in das Erdinnere zurück (Isacks et al. 1968). Dieser Vorgang der Verschluckung (‘Subduktion’) ist verantwortlich für Seismizität, explosiven Vulkanismus, die Bildung bestimmter Lagerstätten sowie der Neubildung kontinentaler Erdkruste. Trotz der erkannten grundsätzlichen Zusammenhänge und ihrer besonderen Bedeutung als Gefährdungs- und Nutzungspotential für den menschlichen Lebensraum sind die eigentlich zugrundeliegenden Vorgänge und die diese steuernden Mechanismen erst in Umrissen verstanden. Erst in den letzten Jahren haben moderne Beobachtungsverfahren insbesondere der Geophysik und Geodäsie, aber auch experimentelle mineralogische und mechanische Laborstudien begonnen, diese Prozesse etwas zu erhellen. Als besonders wichtige Aspekte beginnen sich abzuzeichnen: - die Art der Materialanlagerung am Rand des Kontinentes, - die niederschlaggesteuerte Erdoberfläche, - Vorgänge im Zusammenhang mit der Umwandlung von Gesteinen in der Tiefe unter dem Einfluss von Temperatur und Druck und der Entwässerung der subduzierenden ozeanischen Lithosphäre. Erosion und Massenumlagerung an der Am hier beschriebenen südamerikanischen Plattenrand können diese Vorgänge exemplarisch untersucht werden. 2. Aufbau und Entwicklung der Anden Mit 7500 km Länge sind die Anden das längste durch aktive Subduktionsvorgänge gebildete Gebirge an einem aktiven Plattenrand. Sie gelten zugleich als 'Typ-Vertreter' dieser Klasse so genannter Subduktionsorogene (Abb. 1). Ihre Prägung erfolgt durch das Zusammenspiel von Abtauchen ozeanischer Kruste der Nazca-Platte, Magmatismus in der südamerikanischen Platte über der Subduktionszone, einer z.T. extremen Krustenverdickung durch Verkürzung und Stauchung der südamerikanischen Erdkruste, sowie durch klimaabhängige Prozesse verschiedener Klimazonen. Als einziges Subduktionsorogen quert es Nord-Süd eine Vielzahl von Zonen, an denen sowohl klimagesteuerte Randbedingungen (Ziegler et al. 1981) als auch die Geometrie der 2 3 Subduktionszone und die Subduktionsgeschwindigkeit (Cahill & Isacks 1992) systematisch über einen großen Bereich variieren. Damit sind die Anden ein ideales natürliches Labor, um die Wechselwirkung dieser Parameter und ihren Einfluß auf die Prozesse an aktiven Plattenrändern zu studieren. In den Zentralanden findet sich die größte Konzentration von Kupferlagerstätten der Erde. Nach Süden und Norden nimmt diese Kupferanomalie deutlich ab. Auch ein Zusammenhang mit Elementanreicherungsprozessen und verschiedenen Prozessen am Plattenrand erscheint daher nicht ausgeschlossen. Trotz einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte zeichnen sich die verschiedenen Segmente der andinen Gebirgskette durch extreme Gegensätze in Bezug auf ihre Breite, Höhe und Klimabedingungen aus. Dies wird besonders bei einer Gegenüberstellung der ausladenden Zentralen Anden und der sehr schmalen Patagonischen Anden deutlich. Die Höhe und Breite des Gebirges ist im zentralen Bereich mit rund 4 bis 6 km und 800 km wesentlich größer als im Süden und Norden mit etwa 1 bis 3 km und maximal 300 km. Trotz einer inzwischen guten Kenntnis der geologischen und geophysikalischen Rahmenbedingungen ist bislang unklar, weshalb solche fundamentalen Unterschiede existieren und welche Prozesskombinationen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Obwohl die Subduktion mindestens seit dem Jura (180 Mio. Jahre) andauert, und obwohl die Nazca-Platte seit Längerem mit hohen Geschwindigkeiten (gegenwärtig mit ca. 8,4 cm/Jahr, DeMets et al. 1990) unter Südamerika subduziert wird, ist das Andengebirge in seiner heutigen Form erst in den letzten rund 25 Mill. Jahren entstanden (Mpodozis & Ramos 1990, Dewey & Lamb 1992, Lamb et al. 1997). In den Zentralen Anden hat sich seit dem Oligozän (38 Mio. Jahre) östlich des Vulkanbogens unter starker Krustenverkürzung ein breites, im Mittel 3,8 bis 4,5 km hohes Hochplateau (Altiplano-Puna) herausgehoben, das nach dem Tibetplateau das zweitgrößte Hochplateau der Erde ist (Allmendinger et al. 1997, Lamb et al. 1997). Die Krustendicke nahm dabei vom normalen Ausgangszustand (35 bis 40 km) auf über 70 km Dicke zu (s. Abb. 2). Gesteuert wurde diese Entwicklung durch eine Verkürzung und Stapelung der kontinentalen Erdkruste hinter dem Vulkanbogen (=Westkordillere) um mehr als 250 km, ein Bereich, der in anderen Subduktionsorogenen nicht von stärkerer Deformation betroffen ist. Dagegen fehlt, anders als an den meisten anderen Rändern, eine nennenswerte Deformation zwischen Vulkanbogen und Tiefseegraben, dem Bereich, der wegen der unmittelbaren Nähe zur Subduktionszone und der seismisch aktiven Zone normalerweise die meiste Deformation aufnimmt. Hier ist nur geringfügige Krustendehnung und absenkung zu beobachten (Reutter et al. 1994). Diese insgesamt ungewöhnliche Verbindung von Umständen ist bislang nicht verstanden. Wahrscheinlich spielt neben weiteren Bedingungen die Verteilung der Festigkeit in der Erdkruste eine wichtige Rolle (s.u.). 3 4 Abb. 2: Geologischer Schnitt durch die zentralen Anden bei 21°S (vereinfacht) aus geologischen Beobachtungen an der Oberfläche, tektonischen Modellierungen und geophysikalischen Daten zusammengestellt (verändert nach E. Scheuber). Im Süden, in den patagonischen Anden, fehlt ein solches Plateau. Damit geht eine Abnahme der Krustendicke von 70 km unter den Zentralen Anden auf ca. 40 km unter den Südanden einher, die selbst nur noch eine mittlere Höhe von 1 bis 2 km erreichen. In den Zentralanden hat sich der magmatische Bogen (Gipfelhöhe um 6 km) seit dem unteren Jura (200 bis 185 Mio. Jahre) um ca. 200 km nach Osten verlagert. Er befindet sich heute auf dem Westrand des Hochplateaus. Im Gegensatz hierzu ist der magmatische Bogen im Süden (Gipfelhöhe um 3 km) weitgehend ortsfest geblieben und befindet sich in der heutigen Hauptkordillere. Die Deformation der Erdkruste konzentriert sich hier - anders als im Norden eher auf den Bereich vor dem Bogen. Insgesamt erfolgte aber auch hier die Entwicklung zu einem Gebirge, wie in den zentralen Anden, erst seit dem mittleren Tertiär (60 Mio. Jahre). Die Andersartigkeit im Aufbau der Anden in den verschiedenen geographischen Breiten, die unterschiedliche Reaktion also der kontinentalen Erdkruste auf die laufende Subduktion ozeanischer Kruste, und die verschiedenen damit zusammenhängenden Phänomene geben demnach wahrscheinlich wichtige Hinweise auf die zugrundeliegenden Steuerfaktoren. 3. Tektonische Materialumlagerung und Krustenwachstum Das inzwischen dichte Netz seegeophysikalischer Vermessungen der Kontinentalränder hat in den letzten Jahren eine zentrale Erkenntnis gefördert: Entgegen der bislang vorherrschenden Vermutungen werden nur etwa bei der Hälfte aller aktiven Plattenränder die Sedimente, die auf der ozeanischen Kruste und in den Tiefseegräben abgelagert wurden, durch Abscherung an die Spitze oder unter den Rand der kontinentalen Erdkruste tektonisch angelagert (v. Huene & Scholl 1991). Nur im Fall der Anlagerung wird zusätzlich zur Einlagerung von Magmen aus dem Erdmantel die kontinentale Kruste langsam wachsen. Gegenüber diesen sogenannten akkretionären Rändern ist die übrige Hälfte nicht nur nichtakkretionär, sondern vielfach sogar durch Subduktionserosion geprägt: dies beschreibt ein stetes Abraspeln kontinentalen Materials von der Unterseite der Kontinente durch die in die Tiefe subduzierte ozeanische Erdkruste mit dem Effekt der langsamen Vernichtung kontinentaler Kruste (mit typischen Raten von etwa 1 bis 4 km pro Mill. Jahre). 4 5 Abb. 3: Schematische Skizzen der tektonischen Akkretion und der tektonischen Erosion mit einigen zugehörigen geologischen Phänomenen, wie sie für die Zentralen und die Patagonischen Anden charakteristisch sind. Für die Krustenwachstumsbilanz während der Erdgeschichte, die chemische Entwicklung des Erdmantels und für magmatische Prozesse hat dieser letzte Prozeß wahrscheinlich erhebliches Gewicht. Diese verschiedenen Formen der Materialumlagerung an aktiven Rändern, die sich in jeweils verschiedenen Phänomenen äußern (Abb. 3), haben darüber hinaus vermutlich großen Einfluß auf eine Vielzahl von anderen Prozessen am und im jeweiligen aktiven Kontinentalrand. Anders als bei durch Kollision von Kontinenten hervorgegangenen Gebirgen (z.B. Himalaya, Alpen), die vor allem durch tektonische Anlagerung und Stapelung der kontinentalen Gesteinseinheiten beider Platten geprägt sind, können durch Subduktion geprägte, aktive Plattenränder also ganz unterschiedliche Muster von Materialumlagerung zeigen. Gebirge sind damit nicht nur direkte Anzeiger und auch Spuren von ehemalig aktiven Plattenrändern (vor der Kollision), sondern sie enthalten auch in ihren Strukturen das entscheidende Gedächtnis an die Bedingungen, welche die Materialtransportprozesse an ihren aktiven Plattengrenzen bestimmten und bestimmen. Bei den Anden konnte exemplarisch gezeigt werden, dass sich mehrere Bereiche von tektonischer Akkretion bis zu tektonischer Erosion von Norden nach Süden ablösen (s. Abb. 1). Die Zentralen Anden gelten inzwischen als Typvertreter subduktionsgesteuerter Orogene, an denen tektonische Erosion vor der Akkretion 5 6 von Sedimenten und Krustensplittern dominiert (v. Huene & Scholl 1991). Bei diesem Vorgang wurden die zentralen Anden seit dem Jura (vor 140-200 Mill. Jahren) um über 200 km kontinentale Kruste reduziert, wobei der Verbleib dieser tektonisch erodierten Krustenanteile in der Summe ungeklärt ist. Zur Folge hatte diese Erosion des Kontinentalrandes, dass der vulkanische Bogen seit dem Jura um 200 km nach Osten in seine heutige Position wanderte (Ziegler et al. 1981, Reutter et al. 1994). Das ungewöhnliche Deformationsverhalten des kontinentalen Randes westlich des Vulkanbogens (Absenkung unter Dehnung) ist ebenfalls auf den Einfluß des tektonischen Abraspelns von Material an der Unterseite der kontinentalen Erdkruste zurückzuführen. Die Südanden besitzen dagegen einen kleinen Keil aus tektonisch angelagerten Sedimenten an der untermeerischen Spitze des Kontinentalrandes (Abb. 6), genannt frontale Akkretion. Das Anheben des Küstenbereichs wird erklärt durch eine Unterplattung, d.h. das Anwachsen und Stapelung von Material der ozeanischen Platte an der Unterseite des Kontinents (Abb. 6 und 2). Diese Sedimentkeile sind allerdings viel zu klein für die mindestens 200 Mill. Jahre lange Subduktionsgeschichte. Sie haben nur die in den letzten 2 Mill. Jahren im Tiefseegraben abgelagerten Sedimente aufgenommen (Bangs & Cande 1997). Die Südanden gelten daher als zumindest zeitweise akkretionärer Rand. Die Gründe für die Unterschiede entlang des Andenrandes werden kontrovers diskutiert. Neben der Rauhigkeit, dem Alter und somit Temperatur und Dichte des Ozeanbodens und der Existenz einer Bedeckung desselben mit unverfestigten, wasserreichen Sedimenten (als weiche Grenzschicht mit Entkopplungseigenschaften in der Subduktionszone) spielen wohl insbesondere die z.T. davon abhängigen mechanischen Eigenschaften der Plattengrenzfläche die Hauptrolle (Davis 1996). Experimentelle und theoretische Studien der letzten Jahre geben einen Hinweis, welche physikalischen Parameter diese Materialbewegungen steuern. An einer Subduktionszone wird insbesondere die kinetische Energie der mit einigen cm pro Jahr driftenden ozeanischen Platten über die mechanische Koppelung an der Subduktionszone auf die kontinentale Platte übertragen und diese reagiert entsprechend ihrer Eigenschaften (Tichelaar & Ruff 1991). Die Festigkeit der Subduktionszone, d.h. ihre Reibung, bzw. Viskosität steuert dabei nicht nur die Art des Akkretionsverhaltens am Plattenrand, sondern wahrscheinlich auch die Intensität der seismischen Aktivität. Eine wichtige Rolle hat dabei der Gehalt an Fluiden (Gase, wässrige Lösungen und Schmelzen) im Gestein. Daneben spielen der Wärmehaushalt und die stofflichen Zusammensetzung der Gesteine, die die ozeanische und die kontinentale Kruste aufbauen, eine wichtige Rolle. Die Erfassung und Lokalisierung der Fluide ist in einem natürlichen System von der Erdoberfläche aus, anders als im kontrollierten Laborexperiment, nur sehr indirekt möglich. Diese Fluide beeinflussen aber nicht nur direkt (über die Änderung der Reibung) oder indirekt (über die Änderung der Zusammensetzung) die mechanischen Eigenschaften der Gesteine (Davis 1996), sondern sie nehmen auch wesentlichen Einfluß auf den aktiven Magmatismus. Eine teilweise Aufschmelzung des Erdmantels unter der kontinentalen Erdkruste ist nur möglich, wenn ausreichende Mengen Fluide tief genug in die Subduktionszone hinabgeführt werden und dort zur Erniedrigung des Schmelzpunktes beitragen können (Peacock 1993). Dabei werden sie nicht nur als freie Fluide im Porenraum der Gesteine (z.B. als Meerwasser in den Poren des Sediments), sondern in erster Linie als mineralogisch gebundenes Wasser in Mineralen der ozeanischen Kruste 6 7 transportiert (die bis zu 2% Wasser in dieser Form enthalten kann). Der Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge an aktiven Kontinentalrändern liegt damit insbesondere im Verständnis der Mechanik von Subduktionszone und kontinentalem Plattenrand, der Art des Materialtransfers und der fluidabhängigen Prozesse. 4. Neue Bilder vom Subduktionsprozess Seit der klassischen Arbeit von Isacks et al. (1968) gilt die von Wadati und Benioff entdeckte tiefenabhängige Erdbebenverteilung an den Grenzen der circumpazifischen Kontinente als Ausdruck aktiver Plattentektonik und laufender Subduktion ozeanischer Kruste unter kontinentale, z.T auch unter ozeanische Lithosphäre. Traditionell wird die sogenannte Wadati-Benioff-Zone dabei als die eigentliche Plattengrenzfläche betrachtet, an der ein Teil der kinetischen Energie der Platten in seismische Deformation umgesetzt wird. Die Seismizität im höheren Teil der Subduktionszone (oberhalb ca. 50 km Tiefe), der sogenannten seismogenen Zone, ist ein Effekt der Reibung und des Zerbrechens von Gesteinen im kalten, spröden Bereich der Plattengrenze (Tichelaar & Ruff 1991). Die tieferen Beben, bis zu den tiefsten in ca. 650 km Tiefe, sind wegen der hohen Temperaturen (> 400 °C) nicht durch mechanische Bruchbildung erklärbar. Da ihre Lokalisierung in bezug auf die Subduktionszone nicht präzise genug bekannt ist, liegen auch noch keine eindeutigen, bzw. eher konkurrierende Modellvorstellungen vor (Kirby et al. 1996). Abb. 4: Tiefensektion des andinen Plattenrandes mit Steilwinkelreflexionen (R1-4 zwischen Küste und Vulkanbogen) und Weitwinkelreflexionen (Top und Basis der ozeanischen Kruste) aus dem marinen Bereich. Offene und geschlossene Punkte markieren Erdbeben aus zwei seismischen Netzwerken (ANCORP Working Group, 1998). Auffallend ist die Zunahme in der Reflexionsintensität der abtauchenden Platte mit einem plötzlichen Abbruch des tiefen Reflektors (R1) bei ca 80 km Tiefe und 130 km Entfernung von der Küste, sowie das Auftreten des ‘Bright Spots’ (R2) genau oberhalb in 20 bis 25 km Tiefe. Das schraffierte Feld unter dem magmatischen Bogen zeigt die Bereiche hoher Dämpfung seismischer Wellen an, wobei die Dämpfung mit der dunkleren Schraffur zunimmt. Pfeile geben die vermuteten Freisetzungsorte und Pfade der Fluide aus Entwässerungsreaktionen an. 7 8 Außer zahlreichen seeseitigen Messungen gibt es bislang kaum Versuche, einen aktiven Kontinentalrand mit reflexionsseismischen Verfahren, als dem geophysikalischen Verfahren mit dem höchsten Auflösungspotential zur Abbildung von Aufbau und Strukturen von Erdkruste und Erdmantel, bis in größere Tiefen abzubilden. Die vorliegenden Experimente (z.B. Banda-Bogen, Alaska, Aleuten, Kanadische Kordillere) waren alle nur in der Lage, die oberen 30 bis 45 km abzubilden. Ein vollständiges, tieferes und hoch aufgelöstes Abbild einer Subduktionszone, das die Frage nach der Lokalisierung der Erdbebenaktivität und der damit möglicherweise im Zusammenhang stehenden Prozesse beantworten kann, wurde erst durch die ANCORP Working Group (1998) vorgelegt. Wegen der relativ guten Kenntnis von Aufbau und Entwicklung der zentralen Anden wurde ein Bündel seismischer Experimente auf Seeseite und auf Land als gemeinsames Vorhaben mehrerer deutscher geowissenschaftlicher Einrichtungen und Universitäten durchgeführt (CINCA’95 und ANCORP’96; getragen von FUBerlin, TU Berlin, Uni Potsdam, GFZ Potsdam, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, GEOMAR Kiel; s. Abb. 1). Ziel der Experimente war es, eine Abbildung der Subduktionserosion und der Subduktionszone bis in möglichst große Tiefen zu erzielen, die Lokalisierung der Seismizität an der Subduktionszone zu untersuchen sowie Bildungsort und Aufstiegswege von Schmelzen und Fluiden aus der Subduktionszone zu identifizieren. Die aktive seismische Vermessung erfolgte durch regelmäßig angeordnete Sprengstoffschüsse an Land, bzw. durch Luftpulser auf Wasser. Da das Ziel weniger eine Detailauflösung in der oberen Kruste, sondern eine möglichst große Tiefenreichweite war, wurden an Land Bohrlochschüsse mit 90 kg Sprengladung in gut 6 km Abstand als Quelle gewählt. Messapparaturen, verteilt entlang einer 25 km langen Linie, registrierten die aus dem Untergrund unter dieser Messauslage reflektierten Signale dieser Schüsse (Steilwinkelseismik oder Reflexionsseismik). Für die begleitenden Weitwinkelmessungen wurden die Sprengungen an 9 Schußpunkten im mittleren Abstand von etwa 50 km mehrfach wiederholt, während die 25 km lange Messauslage von der Küste bis auf den Altiplano ‘wanderte’. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt waren entlang derselben Linie auch Schüsse auf See und Land wiederholt abgetan worden und sowohl auf See als auch auf Land über mehrere 100 km Länge registriert worden. Auf diese Weise konnten die Messungen bis weit über den Tiefseegraben nach Westen fortgesetzt werden. Es ergab sich eine insgesamt fast 800 km lange Linie über einen vollständigen aktiven Plattenrand. Im Anschluß wurde mit den gleichen Apparaturen, nun netzförmig über eine Fläche von 300 x 300 km verteilt, die passive Registrierung der lokalen Erdbebenaktivität in einem großen Netz um die seismische Linie herum vorgenommen. Abb. 4 zeigt die ersten Ergebnisse in besonderer Deutlichkeit. Es handelt es sich um eine Bearbeitung der reflexionsseismischen Daten, die einen geometrisch korrekten Tiefenschnitt vom Tiefseegraben über den chilenischen Kontinentalrand bis hinein nach Bolivien, auf den Altiplano, widergibt. Zusätzlich sind hier auch die lokalisierten Erdbeben dargestellt. Hier wird zum ersten Mal deutlich, dass die Wadati-Benioff-Zone (Zone der subduktionsbedingten Erdbeben) im Abschnitt mitteltiefer Beben (80 bis 200 km) nicht wie bisher angenommen den Verlauf der Subduktionszone, d.h. der eigentlichen Plattengrenze widerspiegelt. Im obersten Teil bis 50 km Tiefe, der Zone seismischer Kopplung zwischen ozeanischer und 8 9 kontinentaler Platte, ist die seismische Deformation - d.h. reibungskontrollierte Erdbeben - auf eine breite Zone um die eigentliche Plattengrenze verteilt. Nach einem Bereich eher schwacher Seismizität erscheint eine starke Häufung bei etwa 100 bis 130 km Tiefe. Dieser ist versetzt unterhalb der eigentlichen Plattengrenzfläche in Kruste und Mantel-Lithosphäre der ozeanischen Platte. Dieser Versatz wird durch die reflexionsseismischen Daten verdeutlicht: das Abtauchen der ozeanischen Kruste zwischen 40 und 80 km Tiefe wird hier zum ersten Mal klar durch seismische Reflexionen abgebildet, die im Bereich der Untergrenze der seismischen Kopplung bei ca. 40 km einsetzen und sich mit zunehmender Stärke bis in 80 km Tiefe verfolgen lassen. Die Reflektoren brechen in etwa 130 km Entfernung von der Küste in etwas mehr als 80 km Tiefe plötzlich ab. In der kritischen Tiefe von 80 bis 100 km bei Temperaturen um 400 bis 500 °C (hier extrapoliert durch Modellierung aus Temperaturmessungen in Bohrlöchern an der Oberfläche) im Bereich der Subduktionszone werden gegenwärtig eine Reihe von mineralogischen Prozessen diskutiert, die die Beobachtungen erklären könnten (Peacock 1993, Kirby et al. 1996). Insbesondere die Umwandlung der basaltischen Gesteine (überwiegend aus Feldspat und Hornblende bestehend) der ca. 8 km dicken ozeanischen Kruste zu Eklogit (überwiegend bestehend aus Granat und Pyroxen) verändert nicht nur die spezifische Dichte der Kruste (von ca. 2,9 g/cm3 zu 3,3 g/cm3). Diese Umwandlung setzt auch das in den Ausgangsmineralen gebundene Kristallwasser frei, das dem hydraulischen Gradienten folgend nach oben entweicht. Es ist unklar wie dies im einzelnen geschieht. Theoretische Betrachtungen machen wahrscheinlich, dass ein großer Teil dieser Fluide unmittelbar über der ozeanischen Kruste der abtauchenden Platte im Mantel der darüberliegenden kontinentalen Platte Südamerikas wieder mineralogisch fixiert wird (Serpentinit-Bildung aus dem Olivin des Mantels). Dies würde wegen der damit verbundenen Volumenzunahme die Wegsamkeit nach oben reduzieren mit dem Effekt der Ansammlung von Fluiden, die nicht weiter entweichen können (ANCORP Working Group 1998). Dieser Effekt wird durch das seismische Experiment sichtbar, da Fluide die petrophysikalischen Gesteinseigenschaften besonders stark beeinflussen. Sie sind sehr viel stärker in der Lage, starke Reflexionen zu erzeugen, als bloße Änderungen in der Gesteinszusammensetzung. Dies geschieht in erster Linie über die Reduktion der Laufzeiten seismischer Wellen, was über freie Fluide im Porenraum der Gesteine besonders effizient erfolgt. An Grenzflächen mit starker Änderung der Wellengesschwindigkeiten werden i.a. Reflexionen erzeugt (ähnlich den Reflexionen von Licht an Grenzflächen mit unterschiedlichen Brechungseigenschaften). Das Verschwinden dieses starken Reflektors in einer Tiefe von über 80 km bei Temperaturen über 500 °C hängt vermutlich wiederum mit der oberen Stabilitätsgrenze von Serpentinit zusammen. Die durch seine Bildung kontrollierte Fluidfalle wird gewissermaßen undicht bei Temperaturen oberhalb ca. 500 bis 600°C und gibt ihren Inhalt nach oben ab. Der Bereich der unter diesem abbrechenden Reflektor liegenden Seismizität hängt vermutlich ebenfalls mit fluidgesteuerten Vorgängen zusammen. In diesem Fall bildet sie indirekt die oben erwähnte mineralogische Umwandlung zu Eklogit in der ozeanischen Kruste, bzw. die Entwässerung des ozeanischen Erdmantels ab. Die freigesetzten Fluide erhöhen den inneren Porendruck im Gestein bis zur hydraulischen Bruchbildung, die als seismisches Ereignis (Erdbeben) registriert wird. Ein Teil der durch diese Vorgänge freigesetzten Fluide gelangt in den 9 10 heißen Mantel unter dem Vulkanbogen, wo er die Bildung von Teilschmelzen (wenige Prozent) begünstigt, die ihrerseits in die Erdkruste aufsteigen und den Vulkanismus an der Erdoberfläche steuern. Im Feldexperiment wurde dies vor allem durch die Dämpfung seismischer Wellen bei ihrem Durchlaufen unter dem Vulkanbogen deutlich. Die Verteilung der seismischen Apparaturen während des passiven seismischen Experimentes an der Erdoberfläche erlaubte dabei eine direkte Vermessung dieses Bereichs: er ist geprägt von Teilschmelzbildung, die sich von der seismisch besonders aktiven Zone der Subduktionszone bis knapp unter die aktiven Vulkane an der Oberfläche hinzieht und somit den Bildungsort wie den Pfad der Schmelzen direkt anzeigt (s. Abb. 4). Ein weiteres prägnantes Phänomen ist der starke Reflektor unmittelbar westlich der aktiven Vulkanzone in etwa 20 bis 25 km Tiefe, über den oben beschriebenen Phänomenen in der Subduktionszone. An der Oberfläche korreliert dieser Reflektor mit dem Westrand des Altiplano-Hochplateaus, warmen Quellaustritten und mineralisierten Störungen sowie den größten Kupferlagerstätten der Erde. Ein Zusammenhang von Fluidanreicherungen mit der extrem reflektiven Zone ist daher auch hier sehr wahrscheinlich. Bei den für seine Tiefe modellierten Temperaturen um 500 °C ist zu erwarten, dass durch die aufsteigenden, abkühlenden Fluide in der kontinentalen Kruste insbesondere Chlorit - ein wasserhaltiges Mineral, das bei Temperaturen unterhalb ca. 500 °C stabil ist gebildet wird. Auch in diesem Fall ist die Mineralreaktion mit einer Volumenzunahme und damit einer Reduktion der Porosität verknüpft. Der Effekt der Bildung einer impermeablen Fluidfalle ist derselbe wie für den tiefen Reflektor beschrieben. Die laterale Begrenzung sind in diesem Fall eine tiefreichende aktive Verwerfung im Westen, an der Oberfläche durch starke Mineralisationen gekennzeichnet, und der aktive Vulkanbogen im Osten, beides Strukturen, die die Durchlässigkeit der Kruste für die Fluide wieder herstellen. Anders als in den bisher meist durchgeführten seismischen Experimenten über fossile Orogene muß in aktiven Orogenen wesentlich damit gerechnet werden, dass laufende geologische Prozesse, die die petrophysikalischen Eigenschaften beeinflußen, direkt abgebildet werden. Dazu gehören druck- und temperaturgesteuerte Phasenübergänge und Reaktionen von Mineralen mit Volumen- und Dichteänderungen sowie freiwerdendem Wasser, Aufschmelzungsvorgängen und Fluidbewegungen. ANCORP ist damit eines der ersten integrierten seismischen Experimente, das damit wie im Laborversuch laufende Prozesse in der Erdkruste und im Erdmantel an einer Subduktionszone abgebildet hat und die aus theoretischen und experimentellen Ergebnissen geforderten fluidabhängigen Prozesse klar bestätigt hat. 10 11 Abb. 5: Topographie, atmosphärische Zirkulation, Niederschlagsverteilung und Sedimentfüllung des Tiefseegrabens (in km) in den zentralen und südlichen Anden 5. Klima und Subduktionsorogenese In den Patagonischen Anden finden voraussichtlich dieselben Prozesse am und in der Subduktionszone statt wie in den zentralen Anden. Dennoch verhält sich dieser südliche Bereich, wie beschrieben, völlig anders. Die Tatsache, dass an diesem Teil des Randes akkretiert wird, verweist auf andere Eigenschaften bezüglich der Festigkeit der Subduktionszone. Vermutlich ist die Reibung hier geringer, wie die Ergebnisse von mechanischen Laborexperimenten andeuten. Hinzu kommt jedoch möglicherweise noch ein weiterer Faktor. Das trockene Klima in den Zentralen Anden führt dazu, dass die Tiefseerinne vor den zentralen Anden nahezu sedimentfrei ist (Ziegler et al. 1981, Bangs & Cande 1997). Im Bereich des westlichen Altiplano und in der von seinem Rand bis zur Küste reichenden Atacama-Wüste (Niederschläge < 50 mm/J.) wird seit langem praktisch kein Material durch Niederschläge erodiert und in die Tiefsee transportiert. An der Westflanke der Südanden dagegen, bei Niederschlägen von > 3000 mm/J., wird sehr viel Material erodiert, in den Tiefseegraben verfrachtet (Abb. 6) und zum Aufbau eines akkretionären Keils verwendet (Bangs & Cande 1997). Akkretion oder tektonische Erosion wird also möglicherweise auch durch die Verfügbarkeit von Sedimentmaterial gesteuert. 11 12 Abb. 6: Interpretatives Profil über den aktiven Kontinentalrand der Südanden (36°- 42°S); Der Forearcbereich ist aufgebaut aus einem permotriassischen, basal akkretierten Deckenstapel, sowie einem frontale und einen basalen Akkretionskeil. Der aktive basale Akkretionsprozess bewirkt die Hebung des heutigen Küstenbereichs. Hohe Denudationsraten für die Hauptkordillere (bis > 1mm/a seit dem Pliozän) bewirken einen erheblichen erosiven Massentransfer in den Forearc. Ganz anders ist die Niederschlagsverteilung auf der kontinentwärtigen Ostseite der Anden. Im Norden findet bei subtropischen Niederschlägen erhebliche Erosion statt, während die semiaride Ostseite im Süden nur sehr begrenzte Erosion erfährt. Im Norden ist eine sehr breite Deformationszone mit Krustenverkürzung von über 250 km entstanden, im Süden beträgt die Verkürzung weniger als 40 km, was nicht ausreicht zur Bildung eines Plateaus (Abb. 7). Im Norden wie im Süden korrelieren die Bereich höherer Niederschläge mit stärkerer Erosion, die seit dem Oligozän (37 bis 24 Mio. Jahre) z.T. mehr als 5 km beträgt. Diese Zusammenhänge verweisen auf einen Mechanismus, der in den letzten Jahren zunehmend in die Diskussion gerät. Es ist lange bekannt, dass Niederschläge, ihre räumliche und zeitliche Verteilung die erosive Zerstörung von Gebirgen betreiben (Keller & Pinter 1996). Gleichzeitig erzeugt jedoch die Bildung einer topographischen Barriere ein Hindernis, das erheblich auf die atmosphärische Zirkulation rückwirkt und damit auch Niederschlag bindet. Zusätzlich zeigen neuere theoretische Betrachtungen, dass aktive Gebirge dazu neigen, einem stationären Gleichgewicht zuzustreben. D.h. der Massenverlust durch die niederschlagsabhängige Erosion an der Oberfläche wird wieder ausgeglichen durch interne Deformation der Erdkruste, durch die wieder neues Material tektonisch nach oben befördert wird. Damit wird nicht nur der erosiven Zerstörung entgegengewirkt, sondern ein Gleichgewicht zwischen Topographie, Störung der atmosphärischen Zirkulation und Niederschlagsverteilung, niederschlagsabhängiger Erosion und Deformation hergestellt. Dieser Aspekt ist wahrscheinlich eine wichtige zusätzliche Erklärung, warum Deformation und niederschlagsabhängige Erosion an der Oberfläche stets zusammenzuhängen scheinen (Abb. 7). 12 13 Abb. 7: Topographische Profile durch die Zentralen Anden bei 21°S (grün) und die Patagonischen Anden bei 38°S (rot), sowie Verteilung der Niederschläge (mm/J.) und geschätzte Verkürzungsbeträge (V) der oberen Kruste seit dem Oligozän in Prozent der Ursprungsbreite. Ein solches Gebirge funktioniert etwa wie ein laufendes Förderband, solange die äußeren Bedingungen gleich gehalten werden. Der erst junge Akkretionskeil vor den patagonischen Anden verweist darauf, dass dies nicht immer der Fall war. Die Sedimentmengen, die gegenwärtig zum Aufbau des Akkretionskeils verwendet werden, wurden zu einem Zeitraum angeliefert, der mit der Vereisung der patagonischen Anden mit dem Beginn des Quartärs (vor 1,8 Mio Jahren) einherging. Die sehr effiziente Erosion und der Massentransport des Abtragungsschuttes über Gletscher haben erst die Menge Sedimente in den Tiefseegraben geliefert, die heute dort vorhanden sind (Bangs & Cande 1997). Damit ergibt sich die Situation, dass die quartäre Vereisung (vor etwa 120.000 bis 10.000 Jahren), als klimagesteuerte äußere Störung des Systems, einen indirekten Einfluß auf die Entwicklung des aktiven Plattenrandes und seines Orogens in der jüngsten Zeit genommen hat. 6. Zusammenfassung An einer Subduktionszone greifen eine Vielfalt verschiedener Prozesse und Phänomene ineinander, gesteuert von wenigen fundamentalen Aspekten. Der rote Faden sind immer wieder die mechanische Festigkeit der Subduktionsfläche selbst und des kontinentalen Plattenrandes, der tektonische und klimagesteuerte Massentransfer und der Einfluß der verschiedenen Fluide. Diese Aspekte sind jeweils nicht unabhängige Parameter, sondern stets wechselseitig miteinander in rückgekoppelten Ursache-Wirkungs-Kreisen verbunden. So wie unter konstanten äußeren Bedingungen ein Orogen dabei einem Gleichgewichtszustand zustrebt, der insbesondere durch den Masseninput und -output von außen beeinflußt werden kann, wechselwirkt der klimatisch gesteuerte erosive Massentransfer mit der Entwicklung der Topographie und der Deformation der Erdkruste. Schließlich spielen die Mengen, Raten und Verteilung der tektonischen Materialakkretion oder Erosion im Bereich vor und hinter dem magmatischen Bogen eines Orogens eine weitere wesentliche Rolle. Sie beeinflußen wie der klimatisch gesteuerte 13 14 erosive Massentransfer vor allem die Geometrie und Massenverteilung des Orogens und kontrollieren somit sein Deformationsverhalten. Demgegenüber steuert der Eintrag von Fluiden und Schmelzen von der ozeanischen Platte in die kontinentale Platte hinein vor allem direkt das Temperaturfeld in der Lithosphäre und die mechanischen Schlüsseleigenschaften der Gesteine und damit die Orogenentwicklung. Diese Betrachtungen zeigen, dass das spezifische Verhalten eines Plattenrandes und des an ihm entstehenden Orogens sowie seine raum-zeitliche Entwicklung unter diesen Randbedingungen insbesondere von Massenflüssen und der damit verbundenen Energieumwandlung kontrolliert wird. Im wesentlichen spielen damit Materialflußraten und ihre Geometrie eine entscheidende Rolle. An einem Subduktionsorogen wie den Anden haben diese eine besondere Bedeutung, da hohe Plattengeschwindigkeiten auch potentiell hohe Flußraten einschließen können und diese damit auch der direkten Vermessung des gegenwärtigen Verhaltens zugänglich sein können. Die Anden sind so ein ideales natürliches Labor für die Identifikation und Analyse von subduktionsabhängigen Prozessen in der Plattentektonik. Literatur: Allmendinger, R.W., Jordan, T.E., Kay, S.M. & Isacks, B.L. (1997): The evolution of the Altiplano-Puna plateau of the Central Andes. - In: Ann. Rev. Earth Planet. Sci., 25, S.139-174. ANCORP Working Group (1998): Seismic reflection image of Andean subduction zone reveals offset of intermediate-depth seismicity into oceanic mantle. - In: Nature, (im Druck). Bangs, N.L. & Cande, S.C. 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Dr. Helmut Echtler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in diesem Projektbereich. 15