Energetik und Ökonomie des Verhaltens ¾ Temperatur • Thermoregulation – – – – Physik des Temparaturaustausches Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Konformisten und Regulierer Mechanismen der Thermoregulation (Morphologie, Physiologie, Verhalten) ¾ Masseeffekte • Körpergrösse • Stoffwechselmessung ¾ Nahrungserwerb ¾ Lokomotion ¾ Reproduktion • Sekundäre Geschlechtsmerkmale • Primäre Geschlechtsmerkmale • Limitierende Ressourcen • Brutpflege (Inkubation, Jungenaufzucht) Temperatur: die Physik des Temperaturaustausches Wärmeverlust bzw. Temperaturaustausch durch: ¾ Konduktion ¾ Radiation ¾ Evaporation 1 Temperatur: die Physik des Temperaturaustausches 1) Konduktion Q = kA T2 - T1 l k = thermische Konduktivität (Leitfähigkeit) A = Materialquerschnitt T = Temperatur l = Distanz zwischen Punkten unterschiedlicher Temperatur Konvektion: Massebewegungen in Flüssigkeiten und Gasen; modifiziert die Konduktion in Abhängigkeit von Dichte, Viskosität und externen Bewegungseinflüssen (Wind, Strömung) Temperatur: die Physik des Temperaturaustausches 2) Radiation & R ∝ σT 4 Q & R = Intensität elektromagnetischer Strahlung Q σ = Boltzmann - Konstante T = absolute Oberflächentemperatur Wärmeaustausch über Radiation passiert ohne Objektkontakt. Alle Objekte geben elektromagnetische Stahlung ab, die Wellenlänge sinkt mit der Oberflächentemperatur. Es gilt: Emissionsfähigkeit = Absorptionsfähigkeit 2 Temperatur: die Physik des Temperaturaustausches 3) Evaporation Die Verdunstung von Wasser ist die einzige Möglichkeit, überschüssige Wärme abzugeben, wenn die Umgebung eines Körpers gleiche oder höhere Temperatur aufweist, als er selbst. Evaporation verbraucht sehr viel Energie: Energieverbrauch zur Verdampfung von 1g H2O bei 22°C: 2443 J (im Vergleich: Erhitzen von 1g H2O von 0°C auf 100°C braucht 418 J) Die Verdunstungswärme (Hv) hängt in geringem Maβe von der Temperatur ab, bei der sie stattfindet. Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Das Wä Wärmegleichgewicht eines Kö Körpers mit seiner Umgebung: Umgebung: Htot = + Hc + Hr + He + Hs Htot = Stoffwechselwärmeproduktion Hc = Konduktivitätsaustausch Hr = Radiationsaustausch He = Evaporationsverlust Hs = Wärmespeicher im Körper Hc + Hr + He hängen von äusseren Faktoren ab, vor allem von der Temperatur. 3 Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Um ein Wä Wärmegleichgewicht mit der Umgebung zu erreichen, muss die Wä Wärmeabgaberate gleich der Stoffwechselwä Stoffwechselwärmeproduktion sein: • • H = Q = C (Tb − Ta ) • H = Stoffwechselwärmeproduktion • Q = Wärmeverlustrate C = Konduktivitätseigenschaft Tb = Körpertemperatur Ta = Umgebungstemperatur Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Was kö können Tiere tun, um diese Balance herzustellen? Reguliert werden kann: 1) Wärmeproduktion • Muskelaktivität (Arbeit) • Muskelzittern • Erhöhte Stoffwechselrate Regulierer erhöhen die Wärmeproduktion, wenn die untere kritische Temperatur (Tlc) unterschritten wird. Dieser Schwellenwert variiert sehr zwischen Tieren, die an tropische, temperate oder arktische Verhältnisse angepasst sind (Faultier: 28°C; Polarfuchs: -40°C). 4 Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Was kö können Tiere tun, um diese Balance herzustellen? Reguliert werden kann: 2) Konduktivitätseigenschaft • Oberflächenbeschaffenheit (Fell, Gefieder) • Fettschicht (Isolationseffizienz vergl. mit Fell ~ 1:3) • Wärmetransport über Blutkreislauf (Gegenstrom, Rete) Regulierer erhöhen die Isolierung durch Fell- bzw. Gefiederwechsel und -sträuben, Anlage von Fett („Blubber“) und Kreislaufanpassungen . Konduktivitätseigenschaft: Fettschicht Der Blubber dieser Robbe macht 58% des Querschnitts aus 5 Konduktivitätseigenschaft: Fettschicht vs. Fell Konduktivitä Konduktivitätseigenschaft: tseigenschaft: Blutstromregulation im Vogelbein 6 Konduktivitä Konduktivitätseigenschaft: Wärmerü rmerückfü ckführung durch die Anordnung der Blutgefä Blutgefässe Stoffwechsel-Wärmeproduktion, Homöostase Was kö können Tiere tun, um diese Balance herzustellen? Reguliert werden kann: 3) Körpertemperatur • Moderate Anpassung an Umgebungstemperatur • Torpor • Temperaturverteilung im Körper Konformisten folgen Temperaturschwankungen + passiv, Regulierer setzen diese Möglichkeit ein, um Energie (Winterschlaf) oder Wasser (Wüstenbewohner) zu sparen. 7 Regulierer und Konformisten: Auch homeotherme bzw. endotherme Tiere können ihre Temperatur der Umgebung anpassen; Beispiel: Weidenmeisen senken nachts die Körpertemperatur ab; das Ausmass richtet sich nach der Umgebungstemperatur Regulierer und Konformisten: Ein Zwerglemur auf Madagaskar passt im Winterschlaf seine Körpertemperatur entweder den Tagestemperaturschwankungen an (a: in schlecht und b: mittelmäβig isolierten Höhlen), oder er hält die Körpertemperatur konstant (bis auf „arousals“; c: in gut isolierten Höhlen). 8 Regulierer und Konformisten: Auch poikilotherme bzw. ektotherme Tiere können eine + konstante, erhöhte Körpertemperatur halten (Beispiel: Thunfisch; zur Leistungssteigerung) Regulierer und Konformisten: Eine langfristige und reversible, phenotypische Temperaturanpassung erfolgt mittels Akklimatisation. Hier ein hypothetisches Modell eines ektothermen Tieres mit einer arbiträren, temperaturabhängigen O2-Verbrauchsrate (Ordinate). 9 Regulierer und Konformisten: Vorteil der Ektothermie: ¾ Keine Energiekosten durch Wärmeproduktion • Ersparnis bei 38°Ta = 90%; bei 20°Ta = 97%; bei 10°Ta = 99% • Beispiel: 80-90% der Energieaufnahme eines Nagetiers wird für die Wärmeproduktion (Thermoregulation) aufgewendet. Nachteile der Ektothermie: ¾ Stoffwechselprozesse sind teilweise behindert bzw. ineffizient ¾ Verhaltensleistungen sind reduziert • Verhaltensrepertoire verringert • Rate maximaler O2-Nutzung eingeschränkt (Flucht bei Feindrisiko) • Aktivitätseinteilung im Tageslauf ist temperaturabhängig Effekte der Körpermasse auf Stoffwechselkosten: 1g Gewebe einer Spitzmaus verbraucht Sauerstoff mit einer 100 mal höheren Rate, als 1g Gewebe eines Elephanten. 10 Effekte der Körpermasse auf Stoffwechselkosten: VO2 = 0.67 Mb0.75 Effekte der Körpermasse auf die Kosten der Fortbewegung: Neben der Körpermasse bestimmt die Art der Fortbewegung die Lokomotionskosten. 11 Messmethoden der Stoffwechselrate: ¾ Energiegehalt-Differenzmessung aller Nahrungsmittel und Exkrete ¾ Messung der Gesamtwärmeproduktion (im Kalorimeter) ¾ Sauerstoff-Verbrauchsmessung • Stoffwechselkammer (O2-Differenz) • Isotopenmessmethode (doppelt markiertes Wasser) ¾ Zeit-Energiebudget (Aktivitätsmessung) ¾ Herzrate (Herzschlagrate x Schlagvolumen x O2-Differenz arterielles/venöses Blut) Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Optimal foraging Modelle gehen davon aus, dass die Energieaufnahmerate (Energie erworben pro Zeit und Auwand) maximiert wird. Krähen selektieren Beutegrössen (Muscheln) nach der vorhergesagten Profitabilität (rote Kurve). 12 Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Austernfischer selektieren Muscheln über der Durchschittsgrösse, spezialisieren sich aber nicht auf die profitabelste Maximalgrösse. Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Sehr grosse Muscheln können von Austernfischern oft nicht geöffnet werden. Daraus resultiert eine korrigierte Erwartung (B) 13 Einschränkungen für optimale Nahrungssuche Blattschneiderameisen rekrutieren tagsüber kleinere Stockmitglieder als optimal wäre, da grosse Arbeiterinnen durch parasitoide Fliegen gefährdet sind Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Wie lange ein Tier an einem Futterplatz verharren soll, wird vom Grenzwerttheorem (marginal value theorem) vorausgesagt. 14 Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Streifenhörnchen bleiben länger, je weiter die Nahrung entfernt ist. Sie bleiben aber nicht so lange, wie vom Modell vorhergesagt. Das selbe zeigt sich bei fast allen untersuchten Arten (N=26) Nahrungserwerb: die optimale Nahrungswahl Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Befund von patch-use Modellen liegt an unrealistischen bzw. zu stark vereinfachten Annahmen. Vernachlässigt wird z.B. die Bildung bzw. Existenz von Reserven 15 Optimale Reserven: eine Folge der Verfügbarkeit oder des Bedarfs? Körpermasse von Amseln im Jahresverlauf: ein Spiegel der Temperatur Optimales Körpergewicht als Spiegel von Reservenbildung: Rentierweibchen nehmen im Mittel um 12% an Gewicht zu, wenn sie im Winter ad lib gefüttert werden, während ungefütterte 6% Gewicht verlieren. Das selbe Experiment im Frühjahr hat keinen Effekt auf das Weibchengewicht. 16 Die Energetik der Reproduktion Baustoffwechsel (Anabolismus) und Betriebsstoffwechsel (Katabolismus) variieren mit Geschlecht und Fortpflanzungsstadium (Beispiel: Fische). Die Energetik der Reproduktion Gonadischer Anabolismus der Vögel: Weibchen: Ovar und Ovidukt (2-13% BMR/Tag für 1-4 Wochen; ♂♂: 2% BMR) Eibildung: ¾ ¾ • • Synthesekosten (Eibildungseffizienz: bei Zebrafinken 42-77%) Energiegehalt des Eies (0.25-3.6 facher Tages-BMR pro Ei; Kiwi: 11.5 fach) (♂♂: 0.8% BMR für Spermatogenese beim Hahn) Die Energieausgaberate/Tag beträgt wärend Eibildung 40-210% BMR (Kiwi: 230 %) Die Eimasse steigt mit der Körpermasse allometrisch: ME = 0.28 MB0.77 Herkunft der Energie: 1. 2. 3. Nahrungsaufnahme („income breeders“; Beispiel: Kuhstärlinge) Abnahme von Lokomotion Verbrauch von Reserven („capital breeders“) • • Baumenten: 88% des Bedarfs aus Fettreserven gedeckt Blutschnabelweber: 21% des Eiweissgehalts im Ei stammt aus Brustmuskel 17 Die Energetik der Reproduktion Die Masse des Dotters nimmt mit dem Grad an Unabhängigkeit nach dem Schlüpfen zu (Nestflüchter investieren in Eier, Nesthocker in die Jungenaufzucht) Die Kosten der Nachkommenproduktion Die Produktionskosten steigen mit der Grösse des Neugeborenen überproportional an (Exponent 1.2 im zwischenartlichen Vergleich). 18 Die Kosten der Nachkommenproduktion Die Eiproduktion von Käfern bewirkt in Abhängigkeit von Temperatur und Nahrungsverfügbarkeit erhöhten Energieverbrauch und reduzierte Überlebensdauer (Beispiel: Experiment an Samenkäfern, Bruchidae) Die Energetik der Reproduktion Nicht nur Energie ist limitierend: ¾ Kalzium: • Eine Legehenne verbraucht pro Jahr ca. 20x den Kalziumgehalt ihres Körpers • Bei 3.5% Kalzium in Nahrung: reicht aus ohne Knochenabbau • Bei 2%: 30-40% aus Knochen genommen (Femur, Tibia) • Ohne Kalzium in Nahrung: alles aus Knochen genommen ¾ Protein: • 0.066-0.1g/Kcal des Eies • In fleischlicher Nahrung ausreichend • Früchte & Körner: 0.011-0.029g/Kcal; Eiweiss wird limitierend. 19 Die Kosten der Inkubation Der Energieverbrauch steigt durch das Bebrüten von Eiern um 0 – 34% an, je nach Umgebungstemperatur (Beispiel Zebrafinken: 20-23%). Die Kosten der Inkubation Die Bebrütungszeit steigt allometrisch mit dem Eigewicht 20 Die Kosten der Inkubation Neben Energieausgaben fällt während des Brütens die eingeschränkte Fresszeit ins Gewicht Die Kosten der Inkubation Der Embryo heizt während der letzten Phase der Bebrütung mit, was die Inkubationskosten reduziert. 21 Die Kosten des Brütens Bei nesthockenden Vögeln sind die Kosten des Junge-Fütterns höher als diejenigen der Inkubation. Die Kosten des Brütens Dies ist vor allem auf die erhöhte Flugleistung zurückzuführen 22 Die Kosten der Jungenaufzucht Auch bei Säugern ändert sich der Aufwand im Verlauf der Aufzucht Die Kosten des Brütens Das Potential zur Fortpflanzung wird massgeblich von der Umgebungstemperatur beeinflusst (siehe Kosten der Thermoregulation) 23 Ein extremes Beispiel elterlichen Auwands: Apteryx australis Die Kosten der Eiproduktion Kiwis legen die grössten und energiereichsten Eier (Allometrieabweichung) 24 Kiwi-Junge sind in der Nahrungssuche von anfang an unabhängig Die Kosten der Eiproduktion Die Grösse des Eies stösst an die Kapazitätsgrenzen Weibchens 25 Die Kosten der Inkubation: Kiwi-Männchen bebrüten das Gelege 3 Monate lang Die Kosten des Brütens: Kiwi-Männchen und Weibchen verlieren ca. 20% an Gewicht 26 Die Kosten des Brütens: Der tägliche Energieverbrauch ist nicht höher als bei Kontrollen Die Kosten des Brütens: Aber während der Dotterbildung sind Weibchen am Maximum der Energieausgabe; Männchen hingegen erleiden Opportunitätskosten bei der Inkubation. 27