Sonja Fruhwald Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Medizinische Universität Graz [email protected] Warum…? Warum ist die enterale Ernährung so wichtig? Welche Prokinetika stehen zur Verfügung? Gibt es Patienten/Problemsituationen die es rechtfertigen gleichzeitig mit dem Beginn der Ernährung auch Prokinetika zu geben? Nüchternmotilität gestört Magenentleerungverzögert Oro-caecale Transitzeit ↑ IG A Sekretion ↓ Mukosaproliferation ↓ Apoptoserate ↑! Downregulation der Enzymaktivität Splanchnikusperfusion Mukosaperfusion ↓ Intestinale Keimflora negativ beeinflusst Canadian Clinical Practice Guidelines for Nutrition Support ◦ Beginn der EN innerhalb von 24-48h nach ICU Aufnahme Kandidaten für early enteral nutrition (lt. ASPEN Guidelines) sind ◦ Verbrennungspatienten ◦ chronisch mangelernährte Patienten ◦ Traumapatienten ◦ Immundefiziente Patienten ◦ Pat. bei denen innerhalb von 5 Tagen keine ausreichende p.o Aufnahme erwartet wird ◦ Schädel-Hirntraumapatienten ◦ Pat mit schweren Begleiterkrankungen (NINS, COPD) Dhaliwal R et al, Curr Opin Crit Care 2005 Scurlock C et al. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2008 Lewis SJ et al. BMJ 2001 Peter JV. Crit Care Med 2005 Warum ist die enterale Ernährung so wichtig? Welche Prokinetika stehen zur Verfügung? Gibt es Patienten/Problemsituationen die es rechtfertigen gleichzeitig mit dem Beginn der Ernährung auch Prokinetika zu geben? Antiemetisch über D2-Rezeptoren im Hirnstamm und Antagonismus der 5-HT3-Rezeptoren am Vagus und im Hirnstamm Prokinetisch über 5-HT4-Rezeptoren Nebenwirkungen: Dosierung: ◦ Extrapyramidale NW, Erschöpfung, Agitiertheit, Benommenheit, Hyperprolaktinämie ◦ Spätdyskinesien in bis zu 10% ab Therapiedauer > 3 Monate ◦ 3 x 10 mg (1A), Dosisreduktion bei NINS Cave: ◦ Tachyphylaxie, nach 7 Tagen Therapiedauer Wirkung nur noch in 16% Bisshops R et al. NGM 2007 Thompson JS et al. Am J Surg 1999 Nguyen NQ. Crit Care Med 2007 Partieller D2- Rezeptor Antagonist Passiert Bluthirnschranke nicht, daher keine neurologischen Nebenwirkungen i.v Präparation wegen schwerer Arrhythmien vom Markt genommen Dosierung: 3 x 10 ml po Wirkung: ◦ bei Gastroparese vergleichbar mit Metoclopramid aber geringere Nebenwirkungen Reddymascu SC. Am J Gastroenterol 2007 Patterson D. Am J Gastroenterol 1999 Dumitrascu DL. Am J Gastroenterol 2000 Makrolidantibiotikum Wirkung auf Motilin-Rezeptoren im ENS und die glatten Muskelzellen des Darmes Cave: ◦ Mal. Arrhythmien über QT- Verlängerung möglich bei Kombination mit Substanzen die ebenfalls über Cytochrom P450 Oxydase abgebaut werden ◦ Ausgeprägte Tachyphylaxie -> Therapiedauer 3 Tage Dosierung: 3 x 100 mg Richards RD. Am J Gastroenterol 1993 Ray WA. NEJM 2004 Herbert MK. Clin Nutr 2008 Cisaprid und Tegaserod ◦ einzige Substanz mit prokinetischer Wirkung auf ges. GI-Trakt ◦ NW: Arrhythmie bzw Ischämie -> ◦ vom Markt genommen Sildenafil ◦ in Tierversuchen gute Effekte ◦ in humanen Studien war Magenentleerung verlangsamt und Dünndarmmotilität gehemmt Buspirone ◦ Therapie der Akkommodationsstörungen ◦ NW: ischämische Colitis Cerulein ◦ Wirkung auf Dünn- und Dickdarm ◦ NW: Magenentleerung verzögert ◦ Dosis: 1-2 A (49-80 µg)/d ◦ soll lt. Vorinformation von Pfizer eingestellt werden Neostigmine 0.03µM 0.1µM 0.3µM 1µM Intraluminal Pressure (Pa) Neostigmin unklare DosisWirkungsbeziehung höhere Dosen hemmen Dosis: 0,5-1 mg/d Myrhoi et al, Dis Colon Rectum 1988 Kreis et al, Surgery 2001 Van der Spoel et al, Intensive Care Med 2001 Fruhwald et al, Intensive Care Med 2004 hochselektiver 5-HT4-Rezeptor Agonist hat im Unterschied zu Tegaserod keine relevante Wirkung auf die 5-HT1B-Rezeptoren und die hERG Kanäle -> daher keine arrhythmogenen Nebenwirkungen Motilität des Colons und die Transitzeit werden gesteigert ◦ Wirknachweis beim IBS und POI aktuell: Phase III Studien Camilleri M. NEJM 2008 Gibt es Patienten/Problemsituationen die es rechtfertigen gleichzeitig mit dem Beginn der Ernährung auch Prokinetika zu geben? POI Gastroparese kritisch kranker Intensivpatient „Sofortreaktion“ „Spätreaktion“ Downregulation von Motilin ◦ Neurohumorale Aktivierung ◦ Sympathikusstimulation ◦ Inflammationsreaktion ◦ muskuläre Funktion des Kolons wird um ca. 50% reduziert ◦ Spätreaktion ist der Grund warum die Paralyse des Colon bis zu 3 Tage andauert Bueno et al, Am J Dig Dis 1978 Shirazaka et al, Br J Surg 1986 Turler et al, Ann Surg 2002 Mythen MG. AnesthAnalg 2005 Übelkeit/Erbrechen Ileus Magensonden red. Appetit Restriktionen/Traditionen Antiemetika opioidsparende Analgesie periphere Opioidantagonisten thorakale Epidurale frühzeitiger Kostaufbau Mobilisation Umsetzen eines Fast Track Konzeptes/ERAS Konzeptes Der periphere Opioidantagonist Alvimopan wurde für große abdominalchirurgische Eingriffe zugelassen ◦ max. 15 Dosen zu je 12 mg sind erlaubt Lidocain i.v. – effektiv aufgrund seiner antiinflammatorischen Potenz Potenz von Prucaloprid wird die Zukunft zeigen Diabetes mellitus Niereninsuffizienz funktionelle Dyspepsie Z.n. OP z.B. Vagotomie Gastroösophagealer Reflux Progressive systemische Sklerose chronische idiopathische intestinale Pseudoobstruktion Dermatomyositis SLE Muskeldystrophie Duchenne Amyloidose Z.n. Bestrahlung Medikamente ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Opiate Anticholinergika Katecholamine Clonidin Immunsuppressiva Betablocker Postoperativer Ileus Schädel-Hirntrauma Verbrennung virale Gastroenteritis Elektrolytstörungen hormonelle Störungen Schwangerschaft Symptome der Gastroparese? Symptome sind sehr unspezifisch Die Diagnose wird eher in tertiären Zentren gestellt Beim Diabetiker können postprandiale Hypoglykämien zur Diagnose führen klassische Symptome sind ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Völlegefühl Aufstoßen Übelkeit Erbrechen Inappetenz Fruhwald, Aktuelle Ernährungsmedizin, submitted Wann müssen wir besonders darauf achten? bis zu 80% aller Diabetiker haben eine Gastroparese ◦ häufig asymptomatisch - bis zu 50% ◦ häufiger beim NIDDM Postoperativ: ◦ > 60% Patienten nach einem Schädel-Hirn Trauma Dauer der Magenentleerungsstörung: Tage-Wochen ◦ > 50% aller postoperativen Patienten Die Entleerung von Flüssigkeiten ist oft normal, aber die Entleerung von fester Nahrung gestört Fruhwald, Aktuelle Ernährungsmedizin, submitted Mahlzeiten Blutzucker normalisieren Prokinetika mit Beginn der Ernährung starten ◦ kleine, häufige Mahlzeiten ◦ eher flüssig als fest ◦ fett- und faserarm ◦ Prokinetika eventuell bei Hyperglykämie ineffektiv ◦ Metoclopramid oder Domperidon ◦ Erythromycin sollte weiterhin nicht die erste Option sein Fruhwald, Aktuelle Ernährungsmedizin, submitted USA: ~ 4 Mio. Intensiv Patienten/Jahr Patienten mit mechanischer Beatmung entwickeln innerhalb von 2 Tagen Läsionen der Darmschleimhaut 74-100% Klinisch sichtbare Blutungen 5-25% Klinisch signifikante Blutungen 3-4% Störungen der GI Motilität ~ 50% Ritz et al, Am J Gastroenterol 2000 mitgebrachte Motilitätsstörungen des Patienten können zum Problem werden die schwere Erkrankungen per se Komplikationen der schweren Erkrankung lösen Motilitätsstörungen aus ◦ Splanchnikusminderperfusion ◦ abdominelles Kompartmentsyndrom unsere Therapie ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ mechanische Beatmung Katecholamintherapie Analgesie, Sedierung Nahrungskarenz Elektrolytstörungen, Hyperglykämie Dive et al, Clin Nutr 1994 Dive et al, Intensive Care Med 2000 Moore et al, J Trauma 2001 Studiendaten ◦ Prokinetikum wurde immer nur als Therapie und nicht als Prophylaxe eingesetzt Review Artikel ◦ Therapieempfehlung bei verifizierten Motilitätstörungen ESPEN Leitlinien enterale Ernährung Intensivmedizin ◦ „Ziehen sie die Gabe von Metoclopramid oder Erythromycin bei Patienten mit hohen Restmengen in Betracht“ ◦ Evidence C 90 beatmete Patienten (gemischt internistisch/ chirurgisches Patientengut) Einschlusszeitpunkt: Auftreten einer Gastroparese – „Feed intolerance“ mit Restmengen > 250 ml/6h unter EN 40 ml/h Studiendesign: ◦ Metoclopramid 4x10 mg i.v. oder ◦ Erythromycin 2x200 mg ◦ bei Erfolglosigkeit -> beide Substanzen gemeinsam ◦ bei Erfolglosigkeit -> Gastroduodenalsonde Nguyen NQ. Crit Care Med 2007 Editorial von Asai Crit Care Med 2007 Erythromycin war effektiver als Metoclopramid ausgeprägter Wirkverlust beider Substanzen über die Zeit Durch Zugabe von Erythromycin konnte der Wirkverlust von Metoclopramid ausgeglichen werden Nguyen NQ. Crit Care Med 2007 Editorial von Asai Crit Care Med 2007 Was wissen sie vom Patienten ? Vorerkrankungen aktuelle Erkrankungen aktuelle Therapie liegen bereits Motilitätsstörungen vor Unterstützende Therapieoptionen überlegter Einsatz hemmender Therapieoptionen Laxantien Opioidrezeptor Antagonisten Goal directed Therapie Prokinetika Therapie der Gastroparese Therapie der Diarrhoe Patienten nach schwerem traumatischen Schock ◦ von 10 Patienten hatten 5 Patienten eine gut erhaltene Nüchternmotilität (MMC) mit guter Toleranz der EN ◦ 7 der 10 Patienten haben frühe EN gut toleriert Verbrennungspatienten ◦ Verbrennungspatienten mit EN zeigen höhere Gastrin und Motilinspiegel ◦ niedrige Inflammationsparameter ◦ eine besser erhaltene GI Funktion Moore et al, J Trauma 2001 Chen Z et al. Burns 2007 Ernährung ◦ enterale, orale Zufuhr von Ernährung so früh wie möglich beginnen ◦ der frühe Beginn kann helfen die Motilität zu erhalten tatsächlich verfügbare Prokinetika ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Metoclopramid Domperidon Erythromycin Cerulein Prostigmin Keine prophylaktischen Prokinetika für ◦ POI ◦ Intensivpatienten ohne Risikokonstellation Geben sie prophylaktisch Prokinetika bei ◦ verifizierter Gastroparese oder hohem Risiko für eine Gastroparese ◦ First line drugs: Metoclopramid oder Domperidon ◦ Erythromycin nicht als Prophylaxe verwenden