Auffrischung

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Elektrizitätslehre
Kapitel 1 Grundbegriffe
1.1 Elektrischer Strom
Ein elektrischer Strom stellt sich ein, wenn eine Leiterschleife geschlossen wird die eine Quelle (z.B. eine
Batterie) enthält. Der Strom kann nicht direkt, sondern nur an seinen Wirkungen festgestellt werden. Als
Wirkungen können folgende Phänomene aufgelistet werden, die in verschiedenen Zusammenstellungen
auftreten können:
•
•
•
•
•
Wärmeerzeugung (Entropiezuwachs)
Entstehung eines magnetischen Felds
Abstrahlung von elektromagnetischen Wellen
Entstehung von Licht (bzw. elektromagnetischen Wellen)
Beeinflussung von chemischen und biologischen Reaktionen
Der Strom in der Leiterschleife hat eine eindeutige Richtung, die durch Umpolen der Quelle geändert
werden kann.
Zur Messung der Intensität eines Stromes, der sogenannten Stromstärke, werden Geräte benutzt die eine
der Wirkungen des Stromes erfassen, meistens die magnetische. Solche Geräte werden Strommessgeräte
oder weniger treffend Ampèremeter genannt.
Die Einheit der Stromstärke ist das Ampère (siehe Anhang 1).
1.2 Ladung
Die elektrische Ladung ist immer an Materie, an sogenannte Ladungsträger, gebunden, d.h. sie kann als
Eigenschaft der Materie betrachtet werden. Die elektrische Ladung ist also an Masse gebunden.
Ladungsträger können Elementarpartikel, wie Elektronen oder Protonen, sowie Ionen d.h. ionisierte Atome
oder Moleküle sein.
Elektrisch geladene Körper ziehen sich an oder stossen sich ab. Um dies modellmässig erklären zu können,
wurde postuliert1:
• Die Ladung hat ein Vorzeichen. Ladung kann positiv oder negativ sein.
• Ladungsträger mit vorzeichenmässig gleicher Ladung stossen sich ab, solche mit vorzeichenmässig
verschiedener Ladung ziehen sich an.
Ladungstrennung
Entnimmt man einem ungeladenen Körper z.B. Ladungsträger mit negativer Ladung, dann bleibt ein positiv
geladener Körper zurück.
• Ein ungeladener Körper enthält gleichviel positive wie negative Ladung (Symmetrie).
• Positive und negative Ladung heben sich gegenseitig auf.
Ladungserhaltung
Als empirische2 Tatsache gilt:
• Die elektrische Ladung bleibt erhalten. Sie kann also weder erzeugt noch vernichtet werden (analog zur
Energie). Sie bleibt auch im Gegensatz zur Masse bei Geschwindigkeiten in der Nähe der
Lichtgeschwindigkeit konstant: Die elektrische Ladung ist relativistisch3 invariant.
• Die Ladungserhaltung ist lokal: Um in einem beliebigen Raumgebiet die elektrische Ladung zu
verändern, ist ein Ladungstransport durch die Gebietsgrenze notwendig.
1
2
3
Ein Postulat ist eine unbeweisbare Annahme.
auf Erfahrung beruhend
entsprechend der Relativitätstheorie Einsteins
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Elementarladung
Bis heute wurden keine kleineren Ladungseinheiten als die Elementarladung e beobachtet4.
e = 1.60217733·10-19 As
Beispiele:
·
·
·
·
Ladung des Elektrons
Ladung des Protons
Positron (Antielektron)
Antiproton
-e
+e
+e
-e
—> Alle Ladungen sind ganzzahlige Vielfache von e.
1.3 Leiter und Nichtleiter
Wird ein Stromkreis aus verschiedenen Materialien gebildet, so ist die Stärke der Wirkung des Stromes
verschieden, auch wenn die selbe Quelle verwendet wird. Das elektrische Leitungsverhalten von diversen
Materialien kann in drei Kategorien eingeteilt werden:
• Leiter
Stoffe bei denen starke Wirkungen entstehen, diese enthalten freie Ladungsträger in grosser
Konzentration
Metalle: freie Elektronen bis zu 102 3 cm-3 (bei Kupfer z. B.)
elektrolytische Lösungen: Anionen (negative Ionen) und Kationen (positive Ionen)
• Halbleiter
Stoffe wie z.B. die Elemente Kohlenstoff (C), Silizium (Si), Germanium (Ge) oder Verbindungen wie
Galiumarsenid (GaAs), Indiumantimonid (InSb), Zinkoxid (ZnO) die bei Raumtemperatur Wirkungen
zeigen die um Grössenordnungen kleiner sind als bei Leitern, bei höheren Temperaturen jedoch, denen
von Leitern nahe kommen können
frei bewegliche Ladungsträger:
Elektronen und Löcher mit Konzentrationen zwischen 101 0 und 101 8 cm-3
• Nichtleiter oder Isolatoren
Stoffe wie z.B. diverse Gase (O2 , N2 , CO2 , He, Ne, SF6 ), Keramik, diverse Kunststoffe, reines Wasser,
(trockenes) Holz bei denen keine oder nur sehr schwache Wirkungen beobachtet werden können
1.4 Ladung und Stromstärke
Die Wirkung eines elektrischen Stromes, und damit auch sein Vorhandensein, wird immer dann festgestellt,
wenn Ladung bewegt wird, bzw. sich Ladungsträger bewegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der
Beobachter gegenüber der Ladung, oder die Ladung gegenüber dem Beobachter sich bewegt. Es kommt
auf die relative Bewegung an5!
• Zwei Beobachter die sich gegeneinander (mit ihren Messinstrumenten) bewegen, werden für dieselben
Ladungsträger, verschiedene Stromstärken feststellen (messen). Zum Beispiel:
Elektronen z. B. bewegen sich auf einer Flugbahn mit konstanter Geschwindigkeit. Ein ruhender
Beobachter, stellt einen konstanten Strom fest und somit ein magnetisches Feld. Er stellt auch ein
elektrisches Feld fest, da die bewegte Ladungswolke elektrisch nicht neutral ist. Ein zweiter Beobachter
bewege sich mit den Ladungsträgern. Er stellt keinen Strom fest, somit auch kein Magnetfeld, sondern
nur ein elektrostatisches Feld.
4
5
Zur Zeit rein hypothetisches Modell: "Quarks" als Bausteine der Atombausteine mit einer Ladung von
einem Drittel der Elementarladung.
Die elektromagnetischen Phänomene sind relativistisch (im Sinne der Relativitätstheorie Einsteins).
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Technische Stromrichtung
Anhand der Wirkungen des Stroms kann nicht auf die Art der Ladungsträger geschlossen werden, die am
Ladungstransport beteiligt sind: Ob der Strom z. B. aus negativ geladenen Ladungsträgern besteht, die sich
in eine Richtung bewegen, oder aus positiv geladenen Ladungsträgern, die sich in die Gegenrichtung
bewegen. Aus diesem Grund wurde die positive Stromrichtung willkürlich wie folgt definiert:
Die technische Stromrichtung oder konventionelle6 Stromrichtung entspricht der Bewegungsrichtung der
(positiven) Ladung.
Sie deckt sich also mit der Richtung von positiv geladenen Ladungsträgern, bzw. sie ist der Richtung von
negativ geladenen Ladungsträgern entgegengesetzt. In Metallen fliessen daher die Elektronen entgegen der
technischen Stromrichtung.
Stromstärke
Die Menge der Ladung die pro Zeiteinheit durch eine orientierte Kontrollfläche (Querschnittfläche) eines
Leiters fliesst, heisst Stromstärke in diesem Leiter.
Die Kontrollfläche durch den Leiter kann willkürlich gelegt und orientiert7 (ausgerichtet) werden. Diese
Ausrichtung deckt sich mit der sogenannten Bezugsrichtung der Stromstärke.
Je nach Orientierung der Kontrollfläche ist die betrachtete Ladungsmenge positiv oder negativ:
• Fliesst ein positiver Ladungsträger in Bezugsrichtung durch die Fläche, so wird seine Ladung positiv
gezählt. Fliesst er gegen die Bezugsrichtung, dann negativ.
• Für negative Ladungsträger ist es gerade umgekehrt.
Bei der Umkehrung ihrer Bezugsrichtung ändert also die Stromstärke das Vorzeichen.
Wird innerhalb der Zeitspanne (Zeitintervall) ∆t=t2 –t1 die Ladung ∆Q durch die Bezugsfläche verschoben,
so ergibt sich für die entsprechende Stromstärke I:
I=
ΔQ Q(t 2 ) − Q( t1 )
=
Δt
t 2 − t1
Falls das Verhältnis ∆Q/∆t unabhängig von der Länge des Zeitintervalls und der Zeit ist, so ist die
Stromstärke I (zeitlich) konstant8. Mann spricht dann von einem Gleichstrom (Englisch: DC, direct
current). Schwankt aber das Verhältnis in der Zeit, so kann aus dem zeitlichen Verlauf der Ladung Q(t)
durch die Bezugsfläche die sogenannte momentane Stromstärke i(t) wie folgt definiert werden:
ΔQ dQ
=
Δt →0 Δt
dt
i(t) = lim
i=
dQ
dt
Bemerkung: Die Stromstärke sagt nicht wie die Strömung im Leiterinnern aussieht. Sie wiedergibt ein
mittleres Mass über den Leiterquerschnitt, so wie etwa im Fall eines Flusses, die Angabe 100
m3 /s (die Wassermenge die pro Sekunde weiterfliesst) keinen Aufschluss darüber gibt, wo im
Flussbett die Strömung am stärksten oder am schwächsten ist.
6
7
8
Konvention: Abmachung
Mit Orientierung versteht man die willkürlich gewählte Zählrichtung, d.h. die Richtung mit der
positive Ladungsträger beim Durchqueren der Kontrollfläche zu einer Zunahme der betrachteten
Ladung führt.
Zeitlich konstante Grössen werden im Allgemeinen durch grossgeschriebene Buchstaben
gekennzeichnet, zeitlich veränderliche durch kleingeschriebene.
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1.5 Stromdichte
Die in einem Leiter am Leitungsprozess beteiligten elektrischen Ladungsträger bewegen9 sich unter dem
Einfluss eines elektrischen Feldes10. Diese "Strömung" kann durch die Menge der einzelnen von den
elektrischen Ladungsträgern eingeschlagenen Bahnen (Trajektorien) veranschaulicht werden. Diese
Trajektorien mit der Richtung der konventionellen Stromrichtung, werden Stromlinien genannt.
Homogener Fall
In einem linearen Leiter11 wie in einem Draht z. B., soll ein zeitlich konstanter Strom der Stärke I
fliessen. Die Bezugsrichtung von I soll dabei mit der technischen Stromrichtung übereinstimmen. Die
Stromlinien sind alle parallel zur Längsrichtung des Leiters und aus Symmetriegründen gleichmässig über
den gesamten Querschnitt des Drahtes verteilt. Die Stromstärke pro Flächeneinheit, die sogenannte
Stromdichte J ist in diesem Fall homogen (gleichmässig verteilt), d. h. sie besitzt in jedem Punkt
innerhalb des Leiters den selben Wert
J=
I
A
Allgemeiner Fall
Bei einer beliebigen Leiterform verlaufen die Stromlinien im Allgemeinen nicht parallel zueinander und die
Geschwindigkeiten der Ladungsträger entlang ihrer Bahnen ist ebenfalls nicht konstant. Eine solche
Situation kann nicht durch die Stromstärke im Leiter beschrieben werden, da diese lediglich einen mittleren
Wert über dem ganzen Leiterquerschnitt darstellt. Dies kann mit der Stromdichte wie folgt beschrieben
werden:
Eine (beliebige) Leiterquerschnittfläche wird in kleine Flächenelemente ∆Ak unterteilt, wobei jedes einzelne
Flächenelement ∆Ak senkrecht auf den Stromlinien steht. Durch diese Flächenelemente fliessen Teilströme
der Stärke ∆Ik . Die Summe dieser Teilströme ergibt die Gesamtstromstärke I durch den Leiter. Für jede
dieser Teilflächen lässt sich nun eine entsprechende Stromdichte Jk bestimmen:
ΔI k
ΔA →0 ΔA
k
J k = lim
Die Bezugsrichtung der Stromstärken ∆Ik wird übereinstimmend mit der konventionellen Sromrichtung
gewählt, damit die Stromdichten Jk einen positiven Wert erhalten. Diese Stromdichten haben ausserdem alle
eine Richtung senkrecht zu den Teilflächen ∆Ak , d. h. in Richtung der Stromlinien.
Die Stromdichte hat also in jedem Punkt des Leiterinnern einen Betrag (J) und eine Richtung. Die
Stromdichte kann daher in jedem Punkt im Leiter als Vektor J angegeben werden12.
9
10
11
12
In der Materie können sich natürlich nur "freie Ladungsträger" bewegen, wie in Metallen z. B. die
Valenzelektronen. Gebundene Ladungsträger, wie fest im Atomgitter verankerte Atome, nehmen nicht
am Leitungsprozess teil.
Dieser Begriff wird später erläutert. Vorläufig, soll das elektrische Feld die lokale (am Ort wo sich die
Ladung befindet) Ursache für die Ladungsbewegung sein. Das elektrische Feld führt auf eine mittlere
Bewegung der Ladungsträger: die sogenannte Driftgeschwindigkeit. Neben dieser, führen die
Ladungsträger noch wesentlich schnellere, zufällige thermische Bewegungen aus, die aber keine
ausgeprägte Richtung aufweisen und somit nicht am Leitungsprozess teilnehmen.
langer Leiter mit konstanter Querschnittfläche
Die Stromdichtevektoren im Leiterinnern bilden ein sogenanntes Vektorfeld. Die Feldlinien dieses
Vektorfeldes entsprechen den Stromlinien.
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Zusammenhang der Stromdichte mit der Geschwindigkeit der Ladungsträger
Metallische Leiter besitzen eine Ladungsträgerdichte n (Anzahl freie Elektronen pro Volumeneinheit) die
homogen ist und nicht von der Stromstärke abhängt. Jeder dieser Ladungsträger trägt die Ladung q = -e.
Fliesst ein Strom in einem linearen Leiter, so bewegen sich alle freien Elektronen mit der mittleren
Geschwindigkeit v entlang der Stromlinien. Diese mittlere Geschwindigkeit wird Driftgeschwindigkeit
genannt. Sie kann als Vektor v dargestellt werden, da sie einen Betrag und eine Richtung aufweist.
Im Zeitintervall ∆t verschieben sich die Ladungsträger im Leiter um die Strecke ∆l = v·∆t. Entsprechend
verschiebt sich innerhalb dieser Zeit die Ladung |∆Q| = n·∆Vol·|q| = n·∆l·A·|q| = n·v·∆t·A·|q| durch die
Leiterquerschnittfläche A. Wird die Bezugsrichtung der Stromstärke mit der konventionellen
Stromrichtung gleichgesetzt, so erhält man für die resultierende Stromstärke:
I=
ΔQ n ⋅ v ⋅ Δt ⋅ A⋅ | q |
=
= e⋅n⋅v⋅A
Δt
Δt
Für den Betrag der Stromdichte ergibt sich demzufolge:
J=
I
= e⋅n⋅v
A
Die Beziehung kann vektoriell geschrieben werden, da J und v Vektoren sind. Bei negativen Ladungen wie
bei Metallen (q = -e) sind die Vektoren v und J jedoch entgegengerichtet (antiparallel).
J = −e ⋅ n ⋅v
Allgemein, wenn positive und negative Ladungsträger am Strom beteiligt sind wie z. B. bei Halbleitern13
oder Elektrolyten, schreibt man:
J = qp np vp + qn nn vn
(qp > 0, qn < 0, vp ist vn entgegengerichtet, vp parallel zu J)
Der Index p steht für Ladungsträger mit positiver, n für solche mit negativer Ladung. Die Dichten der
Ladungsträger np und nn und deren Driftgeschwindigkeiten vp und vn sind für beide Arten im Allgemeinen
verschieden.
13
Bei dotierten Halbleitern (durch gezielt dazugegebene "Verunreinigungen") ist meistens nur eine der
beiden Ladungsträgerarten am Strom massgeblich beteiligt.
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1.6 Energie, Potential und Spannung
Energie ist eine abstrakte Grösse die in sämtlichen physikalischen Prozessen vorkommt und mit der die
Wechselwirkungen zwischen diesen Prozessen beschrieben werden können. Energie ist kein greifbarer
Stoff, sondern ein Mass (Maß) das den "Wert" eines Prozesses wiedergibt. Dabei kann ein Prozess
Energie "kosten", d. h. Energie binden oder im Gegensatz dazu, Energie "schenken", d. h. Energie
freisetzen. Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden (Energieerhaltungssatz). Energie braucht
einen Träger mit dem sie transportiert wird. Im Falle der Elektrizität ist unter Anderem die Ladung (bzw.
die Ladungsträger) Träger von Energie.
Die Energie einer Ladung in einem (Raum-) Punkt ist proportional zu dieser Ladung14.
Falls also in einem bestimmten Punkt die Ladung Q die Energie W besitzt, so würde in diesem Punkt die
Ladung 2Q die Energie 2W und die Ladung –Q die Energie –W besitzen15.
Die Ladung Q soll im Punkt P1 die Energie W1 und im Punkt P2 die Energie W2 besitzen. Verschiebt man
diese Ladung vom Punkt P1 zum Punkt P2 , wird dabei die Energie ∆W = W2 - W1 umgesetzt16:
• Falls W1 > W2 , bzw. bei ∆W < 0, findet der Vorgang von selbst (spontan) statt, unter Freisetzung von
Energie. Die Ladung gibt dabei Energie ab.
• Falls W1 < W 2 , bzw. bei ∆W > 0, kann der Vorgang nur stattfinden unter Bindung von Energie an die
Ladung. Energie muss dafür "von aussen" geliefert werden, z. B. in Form von mechanischer Arbeit.
Besitzt die Ladung Q im Punkt P1 mehr Energie als im Punkt P2 , so wird sie spontan von P1 zu P2 gehen.
Die Ladung –Q hingegen, wird umgekehrt spontan von P2 nach P1 gehen.
Ladung fliesst spontan zu dem für sie tieferen Energieniveau. Der Energieüberschuss wird dabei
freigesetzt.
Potential
Bilden wir für jeden Punkt des Raums das Verhältnis zwischen der Energie und der dazugehörenden
Ladung, so ergibt sich, wegen der Proportionalität zwischen Ladung und Energie, eine vom Vorzeichen und
dem Betrag der Ladung unabhängige Grösse, das sogenannte elektrische Potential:
ϕ1 :=
W1
Q
bzw.
ϕ 2 :=
W2
Q
Das Potential eines Punktes des Raums ist ein Mass für die Energie, die die Einheitsladung in diesem
Punkt bezüglich einem Referenzpunkt besitzen würde. Das Potential hängt nicht von der Ladung ab,
sondern ist eine Eigenschaft des Raums allein.
J
Die Einheit des elektrischen Potentials ist [ ϕ] =
= V (Volt)
As
Das Potential ist ein Skalarfeld, d.h. jedem Punkt des Raums wird eine Zahl zugewiesen.
—> Das elektrische Verhalten17 des Raums bezogen auf eine Ladung kann durch die Angabe des
Potentials (in jedem Punkt) beschrieben werden.
14
15
16
17
Die Energie bezieht sich auf einen beliebigen aber festen Bezugspunkt mit Energiepegel Null.
Eine negative Energie bedeutet, dass der Energiepegel tiefer als der des Bezugspunkts liegt.
Änderung der Energie der Ladung: Energiemenge "nachher" minus Energiemenge "vorher".
Diese Aussage gilt für elektrostatische (konstante Felder, keine Ströme) und stationäre (konstante
Felder und Gleichströme) Zustände.
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Die Energie die zwischen den Punkten P1 und P2 durch die Verschiebung einer Ladung Q umgesetzt
werden kann, lässt sich mit den Potentialen dieser Punkte wie folgt berechnen:
ΔW = W2 − W1 = Q ⋅ϕ 2 − Q ⋅ϕ 1 = Q ⋅ (ϕ 2 − ϕ 1 )
∆W entspricht der Änderung der Energie der Ladung bei der Verschiebung vom Punkt P1 zum Punkt P2 .
Aus der Sicht des "aussenstehenden Betrachters" wird dabei die Energie -∆W umgesetzt:
−ΔW = −( W2 − W1 ) = Q ⋅ ( ϕ1 − ϕ 2 )
Spannung
Die Potentialdifferenz zwischen den Punkten P1 und P2 heisst Spannung zwischen diesen Punkten.
Definitionsgemäss, wird die Spannung vom Punkt mit dem höheren zum Punkt mit dem niedrigeren
Potential positiv gerechnet. Dies führt auf folgende Beziehung:
U12 = ϕ1 − ϕ2
damit gilt auch:
U 2 1 = −U 1 2
Mit der Spannung lässt sich die durch eine Ladungsverschiebung zwischen zwei Punkten freigesetzte
Energie bestimmen:
W1 2 = Q ⋅ U1 2
Ist das Ergebnis positiv, so wird die Energie W1 2 durch die Ladung freigesetzt, andernfalls gebunden.
Bemerkungen: • Das Potential eines Punktes lässt sich auch als Spannung zwischen diesem Punkt und
einem (für alle Punkte des Raums gültigen) Referenzpunkt mit Potential Null
interpretieren.
• Allgemein, lässt sich das Potential beliebig festlegen: Der Punkt mit Potential Null kann
willkürlich gewählt werden.
1.7 Leistung
Die Energie die durch Verschieben einer Ladung zwischen zwei Punkten umgesetzt wird, hängt nicht von
der Geschwindigkeit ab mit der diese Verschiebung ausgeführt wird, sondern nur von der Spannung
zwischen diesen Punkten. Als Mass für die Intensität mit der eine bestimmte Menge Energie zeitlich
umgesetzt wird, kann der Energiestrom oder Leistung herangezogen werden.
Wird also die Ladung ∆Q in der Zeitspanne ∆t "über die Spannung" U verschoben, so wird dabei die
Energie ∆W = ∆Q·U umgesetzt. Erfolgt die Verschiebung gleichmässig(mit Gleichstrom), so ist auch die
Leistung (zeitlich) konstant:
P=
ΔW ΔQ ⋅ U
ΔQ
=
=U
= U⋅ I
Δt
Δt
Δt
P = U ⋅I
Die Leistung die also in einem elektrischen Prozess zwischen zwei Punkten eines elektrischen Kreises
umgesetzt wird, lässt sich berechnen als Produkt der Spannung zwischen diesen Punkten mit der
Stromstärke im Kreis.
Falls die Spannung und die Stromstärke sich zeitlich verändern, so ist auch die Leistung zeitabhängig. Für
die momentane Leistung oder Momentanleistung p(t) gilt dann:
p=
dw
Δw
u ⋅ Δq
= lim
= lim
=u⋅i
Δt
→0
Δ
t→
0
dt
Δt
Δt
p(t) = u(t) ⋅i(t)
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Kapitel 2 Zweipole
2.1 Passive Zweipole
2.1.1 Zweipole und Kennlinien
Ein elektrisches Bauteil mit zwei Anschlussklemmen wird Zweipol genannt18. Dabei kann es sich um ein
elementares Bauelement handeln wie z.B. einen Widerstand oder einen Kondensator, aber auch ein Bauteil
wie eine ganze Schaltung von der zwei Anschlüsse betrachtet werden.
Zwischen den Klemmen eines Zweipols liegt im allgemeinen eine elektrische Spannung die wir mit U
bezeichnen wollen. Wird dieser Zweipol z. B. an eine Quelle angeschlossen, so wird durch diese Klemmen
auch ein Strom fliessen. Seine Stromstärke bezeichnen wir mit I. Unter der Annahme, dass sich im Zweipol
keine Ladungen ansammeln19, muss der an einer Klemme in den Zweipol hineinfliessende Strom gleich
gross sein, wie der an der anderen Klemme wieder herausfliessende.
—> Ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit kann also festgelegt werden, dass an den beiden
Klemmen eines Zweipols zu jedem Zeitpunkt die gleiche Stromstärke herrscht.
I
U
I
Die Wahl der Bezugsrichtungen für Strom und Spannung ist willkürlich. Es ergeben sich insgesamt vier
Möglichkeiten. Zwei davon sind den anderen zwei aber äquivalent, so, dass im Wesentlichen zwischen dem
Verbraucherpfeilsystem, wo die Bezugsrichtung für den Energiefluss zum Zweiplol zeigt und dem
Erzeugerpfeilsystem, wo die Bezugsrichtung vom Zweiplol weg zeigt (siehe Anhang 2).
Das elektrische Verhalten eines Zweipols kann durch die Angabe des Zusammenhangs zwischen der
Klemmenspannung U und der Klemmenstromstärke I vollständig20 beschrieben werden. Dieser
Zusammenhang wird mit Kennlinie oder Charakteristik des Zweipols bezeichnet und kann durch eine
Gleichung21 (Zweipolgleichung) oder eine Graphik dargestellt werden.
Ein Zweipol wird als passiv bezeichnet, wenn bei offenen Klemmen die Spannung Null ist und bei
kurzgeschlossenen Klemmen kein Strom fliesst. In allen anderen Fällen wird der Zweipol aktiv22 genannt.
—> Bei einem passiven Zweipol geht die Kennlinie durch den Koordinatenursprung (U=0, I=0).
18
19
20
21
22
Zweipole werden manchmal auch Eintore genannt.
Diese Annahme ist für technische Anwendungen immer erfüllt, auch für Bauelemente wie
Kondensatoren.
Über die Verhältnisse im Inneren des Zweipols kann aus dem Klemmenverhalten nichts ausgesagt
werden.
Meistens eine mathematische Näherung der Kennlinie (mathematisches Modell).
Ein aktiver Zweipol kann aber auch passiv wirken d.h. Energie aufnehmen (z.B. Aufladen eines
Akkus). Im anderen Fall wirkt er aktiv.
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2.1.2 Widerstand und Leitwert
Das Verhältnis zwischen Spannung und Stromstärke wird elektrischer Widerstand (Englisch: resistance)
genannt und mit dem Symbol R bezeichnet. Das reziproke Verhältnis ist der elektrische Leitwert
(conductance) mit dem Symbol G.
Widerstand23 und Leitwert sind physikalische Eigenschaften eines Zweipols. Es gilt natürlich R = 1/G und
umgekehrt.
Einheit von R: [R] = V/A = Ω (Ohm)
Einheit von G: [G] = A/V = Ω-1 = S (Siemens)
Der einfachste Fall liegt vor, wenn zwischen Spannung und Strom Proportionalität herrscht. In diesem Fall
sind Widerstand und Leitwert konstante Grössen. Ein passiver Zweipol bei dem die Beziehung zwischen
Spannung und Stromstärke linear24 ist, heisst linearer, passiver Zweipol (LPZP).
U
I
UI-Kennlinie eines LPZP im Verbraucherpfeilsystem
Ein passiver Zweipol bei dem die Beziehung zwischen Spannung und Strom nichtlinear ist, heisst
nichtlinearer, passiver Zweipol (NPZP). Bei einem NPZP hängt der Widerstand bzw. der Leitwert von der
Spannung oder der Stromstärke ab.
r
U
Rs
I
UI-Kennlinie eines NPZP im Verbraucherpfeilsystem
Bei einem NPZP wird ausserdem unterschieden zwischen dem sogenannten statischen Widerstand Rs
(bzw. Leitwert Gs ) und den differentiellen Widerstand r (bzw. Leitwert g). Der statische Widerstand
entspricht der Steigung der Sekante vom Ursprung zum betrachteten Punkt der Kennlinie, der differentielle
der Steigung der Kennlinie in diesem Punkt (siehe Kennlinie oben).
23
24
Der gleiche Begriff wird auch zur Bezeichnung des Bauelements Widerstand (resistor) verwendet.
Die Proportionalität ist ein linearer Zusammenhang.
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2.1.3 Leitfähigkeit, spezifischer Widerstand
Es zeigt sich, dass der Widerstand eines Metalldrahtes z.B., nicht nur von Material abhängt, sondern auch
von der Geometrie des Leiters. Es wäre nützlich herauszufinden wie der Widerstandswert vom Material
und von der Geometrie abhängt.
Ein langer25 Leiter mit konstanter Querschnittfläche nennen wir linearer Leiter. Es zeigt sich, dass der
Widerstand eines linearen Leiters proportional zu seiner Länge L und sein Leitwert proportional26 zu seiner
Querschnittfläche A ist. Daher:
mit R ∝ L und G ∝ A → R ∝
1
A
wird R ∝
L
A
bzw. G ∝
A
L
Durch Einführen einer materialabhängigen Proportionalitätskonstante kann geschrieben werden:
R =ρ
L
A
bzw.
G=γ
A
L
ρ spezifischer Widerstand (Symbol: Rho)
Einheit:
[ρ ] = Ω·m (SI)
oder
mm 2
[ρ] = Ω
m
(Praxis)
γ Leitfähigkeit oder spezifischer Leitwert (Symbol: Gamma27), es gilt: γ = 1 / ρ
m
Einheit: [γ] = Ω −1 ⋅ m −1 (SI) oder [γ] =
(Praxis)
Ω ⋅ mm 2
2.1.4 Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit
Die Leitfähigkeit von Metallen und Halbleitern ist temperaturabhängig. Mit zunehmender Temperatur
nimmt die Leitfähigkeit bei Metallen im Allgemeinen ab28 und bei Halbleitern zu29. Dies lässt sich
vereinfacht durch folgende, in ihrer Wirkung entgegengesetzte Effekte erklären:
1. Mit zunehmender Temperatur nehmen auch die Gitterbewegungen der Atome zu. Dabei nimmt die
mittlere Zeitspanne30 zwischen den "Kollisionen" der Ladungsträger mit dem Atomgitter ab und somit
auch deren Driftgeschwindigkeit. Dieser Effekt ist bei Metallen und Halbleitern vorhanden und sorgt
für eine Abnahme der Leitfähigkeit.
2. Mit zunehmender Temperatur werden mehr Ladungsträger für den Ladungstransport zur Verfügung
gestellt, insbesondere bei Halbleitern durch Bildung von zusätzlichen Elektron-Löcher-Paaren. Damit
erhöht sich die Ladungsträgerdichte. Dieser Effekt überwiegt bei Halbleitern, so dass ihre Leitfähigkeit
mit der Temperatur zunimmt.
25
26
27
28
29
30
Bezogen auf seinen Durchmesser.
Das Symbol ∝ bedeutet „proportional zu“.
In der angelsächsischen Literatur wird meistens das Symbol σ (Sigma) für die Leitfähigkeit
(conductivity) verwendet.
Metalle zeigen Kaltleiter-Verhalten.
Halbleiter zeigen Heissleiter-Verhalten.
Diese Zeit wird Relaxationszeit genannt.
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Bei Metallen wird üblicherweise nicht die Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit angegeben,
sondern die des spezifischen Widerstands. Für einen beschränkten Temperaturbereich kann die
Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands wie folgt angenähert werden:
• lineare Approximation
ρ ϑ = ρ20 ⋅ (1 + α 20 ⋅ Δϑ )
• quadratische Approximation
ρ ϑ = ρ20 ⋅ (1 + α 20 ⋅ Δϑ + β 20 ⋅ Δϑ 2 )
Dabei sind
ρ2 0
spez. Widerstand bei der Bezugstemperatur 20 ˚C
ρϑ
spez. Widerstand bei der Temperatur ϑ , [ϑ ] = ˚C
Δϑ = ϑ − 20˚C
α2 0
Temperaturkoeffizient, [α 2 0 ] = ˚C-1 oder K-1
β2 0
quadratischer Temperaturkoeffizient, [β 2 0 ] = ˚C-2 oder K-2
Material
γ 2 0 in m·Ω– 1·mm– 2
α 2 0 in 10– 3·˚C– 1
β2 0 in 10– 6·˚C– 2
Temp. Bereich
Ag
62,5
3,80
–
Cu
56
3,92
–
Au
44
4,00
–
-200… +600 ˚C
Al
35
3,77
–
W
18
4,42
1,25
0…
2000˚C
Fe
10
6,00
–
Manganin31
Kohle
2,3
0,02…0,03
±0,020
-0,8…-2,0
–
–
0…100˚C
–
–
Tabelle: Leitfähigkeiten und Temperaturkoeffizienten verschiedener Stoffe
Für Elementarhalbleiter (Si, Ge) kann im Temperaturbereich zwischen 200 K und 500 K folgende Formel
für die Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit angegeben werden:
γ (T) = C ⋅ e
Ea
k
T
C
−
Ea
kT
Anregungsenergie (0,5 eV bis 1 eV ≅ 1·10– 1 9 J)
Boltzmann-Konstante, k = 8,617'3324·10– 5 eVK– 1 = 1,380'6488·10– 2 3 JK– 1
Temperatur in K
Materialkonstante, [C| = [γ]
Supraleitung
Bei gewissen reinen Metallen32 (Al, Hg, Pb, Nb) und einigen Legierungen (NbN, NbAlGe) sinkt der
spezifische Widerstand bei der sogenannten Sprungtemperatur auf einen unmessbar kleinen Wert ab. Die
Sprungtemperatur ist in der Regel nur wenig oberhalb des absoluten Temperaturnullpunkte. Kupferoxide
(z.B. LaBaCuO) und Keramiken (z.B. YBaCuO) weisen höhere Sprungtemperaturen auf. Den Rekord für
die bis jetzt höchste Sprungtemperatur hält zur Zeit ein Quecksilber-Barium-Calcium-Cuprat (Schilling,
1993) mit einem Wert von 133,5 K (Nullwiderstand unterhalb 95 K). Da der Schmelzpunkt von flüssigem
Stickstoff (N2 ) unterhalb 90 K liegt, wäre eine wirtschaftliche Kühlung des supraleitenden Materials
möglich.
Eine breite technische Anwendung in den Gebieten Energieumwandlung, -transport und -speicherung,
sowie Motor- und Generatorenbau ist im heutigen Stand der Technik noch nicht möglich, da der
supraleitende Effekt beim Vorhandensein starker Stromdichten, bzw. starker Magnetfelder verschwindet.
Darüber hinaus sind die Formgebung und die mechanische Verarbeitung der supraleitenden Materialien
mit hohen Sprungtemperaturen wegen ihrer Sprödheit problematisch.
31
32
Manganin ist eine Legierung bestehend aus 84 % Cu, 4 % Ni und 12 % Mn
Reines Kupfer (Cu) wird nicht supraleitend.
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2.1.5 Das ohmsche Gesetz
Bei Metallen und Halbleitern ist bei konstant gehaltener Temperatur der Widerstand bzw. der Leitwert
unabhängig von der Stromstärke. Das Verhältnis U/I ist also konstant. Dieser Zusammenhang wurde von
G. F. Ohm in 1826 entdeckt und wird entsprechend ohmsches Gesetz33 genannt:
U ist proportional zu I
<—> R bzw. G sind dabei unabhängig von I oder U
Dieses Verhalten ist nicht selbstverständlich, da der Leitungsprozess ein sehr komplizierter Vorgang ist:
Die freien Elektronen werden durch das elektrische Feld im Leiter beschleunigt aber durch "Kollisionen"
untereinander und mit dem festen Atomgitter immer wieder abgebremst. Ein konstanter Widerstand
bedeutet unter diesen Umständen, dass, um den Strom, bzw. die Stromdichte zu verdoppeln, die elektrische
Feldstärke34 verdoppelt werden muss. Bei einem Automobil z. B. kann mit einem doppelten
Motordrehmoment nicht eine doppelt so hohe Geschwindigkeit erreicht werden.
33
34
Die Beziehung U = R·I gilt auch für nicht-konstante Widerstandswerte. Sie wiedergibt also nicht das
ohmsche Gesetz, auch wenn dies meistens so bezeichnet wird in der nicht ausgesprochenen Annahme,
dass R nicht von I oder U abhängt!
Genau genommen ist die Leitfähigkeit, bzw. der spezifische Widerstand unabhängig von der
Stromdichte im Material. Ursache für die Stromdichte ist die sogenannte elektrische Feldstärke. Als
Mass für letztere Grösse kann hier die Spannung betrachtet werden.
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2.2 Aktive Zweipole
2.2.1 Ideale Quellen
Ideale Spannungsquelle
Eine ideale Spannungsquelle liefert eine vom Klemmenstrom unabhängige Klemmenspannung. Dies gilt
auch für den Fall wo die Quelle passiv wirkt, bzw. Energie aufnehmen muss (gestrichelter Teil der UIKennlinie)35.
Schaltsymbol
UI-Kennlinie (Erzeugerpfeilsystem)
U
I
Uq
Uq
U=Uq
I
Ideale Stromquelle
Eine ideale Stromquelle liefert einen von der Klemmenspannung unabhängigen Klemmenstrom. Dies gilt
auch für den Fall wo die Quelle passiv wirkt, d.h. Energie aufnehmen muss (gestrichelter Teil der IUKennlinie).
Schaltsymbol
IU-Kennlinie (Erzeugerpfeilsystem)
I
I=Iq
Iq
Iq
U
U
2.2.2 Lineare Quellen
Im Gegensatz zu idealen Quellen, verringert sich bei nichtidealen Quellen die Klemmenspannung mit der
Belastung. Die bei unbelasteter Quelle vorhandene Klemmenspannung heisst Leerlaufspannung (U0 ).
Wirkt die Quelle aktiv, so ist ihre Klemmenspannung kleiner als die Leerlaufspannung.
Ist der Spannungsabfall bezogen auf die Leerlaufspannung proportional zum Klemmenstrom, so spricht
man von einer linearen Quelle36. Theoretisch kann eine lineare Quelle belastet werden bis ihre
Klemmenspannung den Wert Null erreicht. Der in diesem Fall fliessende Strom heisst Kurzschlussstrom
(Ic). Offensichtlich ist die Kennlinie einer linearen Quelle eine Gerade zwischen den Punkten (U=U0 , I=0)
und (U=0, I=Ic).
—> Leerlaufspannung und Kurzschlusstrom beschreiben das elektrische Verhalten einer linearen Quelle
vollständig.
Das Verhalten einer linearen Quelle kann durch die Serieschaltung einer idealen Spannungsquelle mit der
Quellenspannung Uqe = U0 und eines Innenwiderstandes mit dem Widerstandswert Rie = U0 /Ic
35
36
Praktisch können ideale Quellen mit elektronischen Mitteln realisiert werden (Stabilisierschaltung). Sie
können aber im Allgemeinen nicht passiv betrieben werden.
Der Zusammenhang zwischen Klemmenspannung und Klemmenstrom ist aber keine lineare Funktion.
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nachgebildet werden (Spannungsquellenersatzschaltung37). An diesem Widerstand entsteht ein
dem Quellenstrom proportionalen Spannungsverlust.
U
R (Lastwiderstandskennlinie im
U0
Verbraucherpfeilsystem)
resultierende
Quellenkennlinie im
Erzeugerpfeilsystem
Rie=U 0/I c
Uqe=U 0
Ui
0
I
U
Ui<0
Ic
I
R
Rie (Innenwidersandskennlinie im
Erzeugerpfeilsystem)
Für die Kennliniengleichung der linearen Spannungsquelle ergibt sich:
U = Uqe - Rie·I
oder
I = (Uqe - U)/Rie
Die genau gleiche Kennlinie kann auch durch die Parallelschaltung einer idealen Stromquelle mit dem
Quellenstrom Iqe = Ic und eines Innenwiderstandes mit dem Leitwert Gie = Ic/U0 nachgebildet werden
(Stromquellenersatzschaltung). Durch diesen Widerstand fliesst ein der Quellenspannung
proportionaler "Verluststrom".
I
Iqe=Ic
Ii
Gie = U
R
Ic/U0
Für die Kennliniengleichung der linearen Stromquelle ergibt sich:
I = Iqe - Gie·U oder
U = (Iqe - I)/Gie
Diese Gleichungen sind denjenigen der Spannungsquelle identisch, da Iqe = Uqe/Rie und Gie = 1/Rie.
Welche der beiden Ersatzschaltungen verwendet wird, ist für die Beschreibung der Kennlinie belanglos.
Die Quellenersatzschaltungen beschreiben nur das elektrische Verhalten der linearen
Quelle an den Klemmen (d.h. die Kennlinie) und nicht den inneren Aufbau des
Zweipols!
37
Der Index "e" bei Uqe und Rie (bzw. Iqe und Gie) soll für Ersatz… stehen.
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2.3 Elementare Schaltungen
2.3.1 Belastete ideale Spannungsquelle
Wird ein Lastwiderstand R an eine ideale Spannungsquelle geschaltet, so stellt sich darin der Strom Ia =
Uq/R ein. Das sich einstellende Wertepaar (Ua,Ia) wird Arbeitspunkt genannt.
U
I=Ia
P
Uq
Lastgerade R
Uq
U=Ua
R
Arbeitspunkt (Ua,Ia)
I
Die Bezugsrichtungen von U, I und P entsprechen dem Erzeugerpfeilsystem für die Quelle und dem
Verbraucherpfeilsystem für den Lastwiderstand. Dadurch können die Kennlinien der beiden Komponenten
in einer einzigen Graphik eingetragen werden. Der Arbeitspunkt liegt in ihrem Kreuzungspunkt. Die
Quelle wirkt dabei aktiv, der Widerstand passiv.
Für eine ideale Stromquelle ergibt sich ein analoges38 Ergebnis.
2.3.2 Belastete lineare Quelle
Wird ein Lastwiderstand R an eine lineare Spannungsquelle geschaltet, so stellt sich darin der Strom Ia =
Uq/(Ri +R) und die Spannung Ua = R·Ia = Uq·R/(Ri +R) ein.
U
Uq
Ri
Uq
I=Ia
Ua
U=Ua
R
R
Ia Ic=Uq/Ri I
Bei einer linearen Stromquelle die mit dem Leitwert G belastet wird, ergibt sich die Spannung Ua =
Iq/(Gi +G) und der Strom Ia = G·Ua = Iq·G/(Gi +G).
I
Iq
I=Ia
Ia
Iq
Gi
U=Ua
G
G
Ua U0=Iq/Gi U
38
Ein zum Fall der Spannungsquelle duales Ergebnis: Es ergeben sich Formeln mit einer identischen
Struktur, wenn ideale Spannungsquellen durch ideale Stromquellen, Spannungen durch Ströme,
Widerstandswerte durch Leitwerte, Serieschaltungen durch Parallelschaltungen und umgekehrt ersetzt
werden.
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2.3.3 Gegenreihenschaltung zweier Quellen
Werden zwei Quellen parallel geschaltet wie zum Beispiel ein Ladegerät mit einem Akkumulator39, so
spricht man von Gegenreihenschaltung.
I
+
-
+
U -
Gegenreihenschaltung
Der Arbeitspunkt der Anordnung (U=Ua, I=Ia) kann graphisch ermittelt werden. Die Kennlinie der einen
Quelle wird dabei im Erzeugerpfeilsystem dargestellt, die der anderen im Verbraucherpfeilsystem. Der
Kreuzungspunkt der Kennlinien (falls es einen gibt) entspricht dem Arbeitspunkt.
Unter der Annahme, dass das Verhalten beider Quellen durch lineare Quellen beschrieben werden kann40,
ergibt sich folgendes Bild:
U
U01
Ua
U02
-Ic2
Für den Arbeitspunkt ergibt sich mit G i =
Ua =
I c1 + I c2
Gi1 + Gi 2
Ia =
Ia
Ic1
I
Ic
U
und R i = 0 :
U0
Ic
U0 1 − U0 2
Ri 1 + Ri 2
Liegt der Arbeitspunkt im ersten Quadranten (Ia > 0), so wirkt die Quelle 1 aktiv, die andere passiv. Ist der
Arbeitspunkt im zweiten Quadranten (Ia < 0), so ist es gerade umgekehrt.
39
40
Wiederaufladbare Batterien oder Akkumulatoren werden auch als galvanische Sekundärelemente
bezeichnet.
Das elektrische Verhalten einer linearen Quelle wird durch die Angabe der Leerlaufspannung und des
Kurzschlussstromes vollständig beschrieben.
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2.4 Leistungsanpassung
Beispiel: belastete, lineare Spannungsquelle
Ri
I
Uq
U
R
Wie verläuft die von der Quelle an die Last abgegebene Leistung in Funktion des Stromes I oder der
Spannung U? Unter welchen Bedingungen ist diese Leistung maximal?
Nutzleistung (normiert)
1
P / Pmax
U / Uo
Normierte Charakteristik
1
0.5
0
0
0.5
I / Ic
1
0.5
0
0
0.5
I / Ic
1
Die Leistung P entspricht der Fläche des Rechtecks unterhalb der Quellenkennlinie. Diese Fläche ist
maximal bei U = U0 /2 und I = Ic/2.
Leistungsanpassung
Für lineare Quellen stellt sich der optimale Arbeitspunkt für R = Ri (bzw. G = Gi ) ein.
In diesem Fall beträgt die maximale Leistung Pmax = U0 /2·Ic/2 = U0 ·Ic / 4.
Achtung: Dieses Ergebnis gilt nur für lineare Quellen!
Der Wirkungsgrad einer linearen Quelle ist definiert als das Verhältnis der Nutzleistung zur Leistung der
idealen Quelle.
P
U⋅I
U
1
Für eine lineare Spannungsquelle ergibt sich:
η=
=
=
=
Pq U q ⋅ I Uq 1+ R i
R
Wirkungsgrad einer linearen Spannungsquelle
1
0.5
0
0
1
2
3
4
5
6
7
normierte Last (r=R/Ri)
8
9
10
Bei Leistungsanpassung herrscht also der Wirkungsgrad 0.5!
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Allgemein gilt:
Es herrscht Leistungsanpassung, wenn die von der Quelle an die Last abgegebene Leistung maximal ist.
Bei nichtlinearen Quellen ergibt der Begriff Innenwiderstand keinen S i n n . Der optimale
Arbeitspunkt muss in diesem Fall durch die rechnerische oder graphische Bestimmung der
Arbeitspunktleistung P = U·I in Funktion der Spannung oder des Stroms ermittelt werden, wie im
folgenden Beispiel dargestellt wird:
normierte Spannung (u=U/Uo)
Nichtlineare Quellenkennlinie mit optimalem Arbeitspunkt
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
normierte Leistung (p=P/Pmax)
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
normierter Strom (i=I/Ic)
0.8
0.9
1
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
normierter Strom (i=I/Ic)
0.8
0.9
1
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
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Anhang 2.1 Proportionalität
Zwei Grössen sind einander proportional, wenn das Verhältnis ihrer Werte konstant ist.
Graphisch äussert sich die Proportionalität dadurch, dass die Beziehung zwischen zwei Grössen eine
Gerade durch den Ursprung des Koordinatensystems bildet.
Beispiel:
Ohm'sches Gesetz:
U
= konst
I
Die Spannung U ist proportional zum Strom I (bei gleichbleibender Temperatur).
Zwei Grössen sind einander umgekehrt proportional, wenn das Produkt ihrer Werte konstant ist.
Die umgekehrte Proportionalität ergibt graphisch dargestellt, eine Hyperbel mit den Koordinatenachsen als
Asymptoten.
Beispiel:
elektrischer Widerstand: R = ρ
L
A
List die Länge und A die Querschnittfläche eines linearen homogenen Leiters
ρ der spezifische Widerstand des Leitermaterials
Der Widerstandswert R ist umgekehrt proportional zur Querschnittfläche A —> R·A = konst
Zudem ist R noch proportional zu L und zu ρ.
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Anhang 2.2 Bezugspfeilsysteme
Das Bezugspfeilsystem legt die Bezugsrichtungen für die Grössen Spannung, Strom und Energiefluss an
einem Tor (z.B.: Klemmen eines Zweipols) fest. Ist eine Grösse bezogen auf die gewählte Bezugsrichtung
positiv, so deckt sich die Bezugsrichtung mit dem "wirklichen" Richtungssinn der betrachteten Grösse.
Grundsätzlich sind zwei verschiedene Bezugspfeilsysteme denkbar. Welches davon angewendet wird ist
willkürlich.
A2.2.1 Verbraucherpfeilsystem
Beim Verbraucherbezugspfeilsystem, kurz Verbraucherpfeilsystem41 zeigt die Bezugsrichtung des
Energieflusses (Leistung) in das Tor hinein. Dies bedeutet, dass bei einem positiven Vorzeichen des
Energiestroms (Leistung) P Energie in elektrischer Form in den Zweipol hinein fliesst.
I
U
P
Das Verbraucherpfeilsystem, ist für energieaufnehmende (passiv wirkende) Zweipole anschaulich, da sich
die Bezugsrichtung des Energieflusses mit seiner tatsächlichen Richtung deckt.
U·I > 0 —> P > 0 Energie fliesst in das Tor hinein (Zweipol wirkt passiv)
U·I < 0 —> P < 0 Energie fliesst aus dem Tor heraus (Zweipol wirkt aktiv)
Die Bezugsrichtungen von Spannung und Strom sind beim Verbraucherpfeilsystem gleichgerichtet
(parallel).
UI-Charakteristik eines passiven linearen ZP
U
UI-Charakteristik eines aktiven linearen ZP
U
P>0
P<0
I
P>0
41
P>0
I
P>0
Die Bezeichnung Verbraucher ist im Zusammenhang mit Energie irreführend, da Energie nicht
"verbraucht", sondern nur umgeladen, bzw. umgeformt werden kann.
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A2.2.2 Erzeugerpfeilsystem
Beim Erzeugerbezugspfeilsystem, kurz Erzeugerpfeilsystem42 zeigt die Bezugsrichtung des Energieflusses
(Leistung) aus dem Tor heraus. Dies bedeutet, dass bei einem positiven Vorzeichen des Energiestroms
(Leistung) P Energie in elektrischer Form aus den Zweipol heraus fliesst.
I
U
P
Das Erzeugerpfeilsystem, ist für energieabgebende (aktiv wirkende) Zweipole anschaulich, da sich die
Bezugsrichtung des Energieflusses mit seiner tatsächlichen Richtung deckt.
U·I > 0 —> P > 0
U·I < 0 —> P < 0
Energie fliesst aus dem Tor heraus (Zweipol wirkt aktiv)
Energie fliesst in das Tor hinein (Zweipol wirkt passiv)
Die Bezugsrichtungen von Spannung und Strom sind beim Verbraucherpfeilsystem
gerichtet (antiparallel).
UI-Charakteristik eines passiven linearen ZP
UI-Charakteristik eines aktiven linearen ZP
U
U
P<0
P<0
P<0
42
entgegengesetzt
I
P>0
I
P<0
Die Bezeichnung Erzeuger ist im Zusammenhang mit Energie schlichtweg falsch, da Energie mit
Sicherheit nicht erzeugt werden kann.
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Anhang 2.3 Wirkungsgrad
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Kapitel 3 Kirchhoffsche Regeln
3.1 Knotensatz (Kirchhoffsches Stromgesetz)
Knoten
Unter Knoten verstehen wir allgemein ein beliebiges Raumgebiet. Dieses Gebiet ist durch eine
geschlossene Fläche begrenzt, die Hüllfläche (Gebietsgrenze, Volumen begrenzt durch Oberfläche).
Bei elektrischen Schaltungen, werden als Knoten sinnvollerweise Punkte gewählt, wo zwei oder mehr Leiter
zusammenstossen (Kontaktpunkte).
Knotensatz
Für jeden willkürlich wählbaren Knoten gilt: Fliessen Ströme in einem Knoten zusammen43, so ist
die Summe aller Stromstärken Null.
Unter Berücksichtigung der technischen Stromrichtung der einzelnen Ströme bedeutet dies:
die Summe der in den Knoten hineinfliessenden Stromstärken = die Summe der aus dem Knoten
herausfliessenden Stromstärken.
Dieser Satz ist ein Bilanzgesetz. Er gilt ganz allgemein, insbesondere auch für Netzwerke mit linearen,
nichtlinearen, passiven und aktiven Bauelementen.
Sind nur Ladungsströme44 vorhanden, bedeutet dies, dass für jede Ladung die in einen Knoten
hineinfliesst, zur selben Zeit eine identische Ladung herausfliessen muss. Es kommt dabei nicht zu einer
Veränderung der Gesamtladung im Knoten. In diesem Fall ist der Knotensatz gleichbedeutend mit dem
Ladungserhaltungssatz:
Ladungserhaltungssatz
Die in einem beliebigen Gebiet vorhandene Ladung kann nur durch Ladungstransport über die
Gebietsgrenze verändert werden.
43
44
Alle Bezugsrichtungen zum Knoten hin oder vom Knoten weg, entsprechend der willkürlich gewählten
Bezugsrichtung (Flächenorientierung).
Zur Zeit betrachten wir nur Ladungströme (Ströme die durch Ladungstransport zustande kommen).
Die Erfahrung zeigt aber, dass die zeitliche Änderung des elektrischen Feldes auch als Stromdichte
angesehen werden muss (Stichwort: Maxwellsche Verschiebungstromdichte), da sie dieselben
Wirkungen aufweist wie ein Ladungstrom. Für die Bilanz des Knotensatzes sind daher alle Arten von
Ströme zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Knotensatz doch verschieden vom
Ladungserhaltungssatz.
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3.2 Maschensatz (Kirchhoffsches Spannungsgesetz)
Masche
Unter Masche45 verstehen wir allgemein einen beliebigen aber geschlossenen Weg oder Pfad. Dieser Weg
kann als Rand einer offenen46 Fläche verstanden werden. Zum Weg wird eine willkürlich gewählte
Umlaufrichtung oder Zählrichtung festgelegt.
Bei elektrischen Schaltungen, werden als Maschen sinnvollerweise geschlossene Wege entlang von
Leiterbahnen gewählt.
Maschensatz
Entlang jeder willkürlich gewählten Masche ist die Summe47 der Spannungen Null (die Summe
verschwindet).
Dieser Satz ist ein Energiebilanzgesetz. Er gilt ganz allgemein, insbesondere auch für Netzwerke mit
linearen, nichtlinearen, passiven und aktiven Bauelementen.
In die Elektrostatik und für stationäre Verhältnisse lassen sich alle Spannungen aus Potentialdifferenzen48
bestimmen. In diesem Fall ist die Bedeutung des Maschensatzes offensichtlich: wird eine Ladung entlang
einer Masche für einen vollen Umlauf bewegt, so kann dabei keine Energie freigesetzt oder gebunden
werden. Das Potential des Startpunktes ist auch das des Endpunktes, da die beiden Punkte
zusammenfallen.
45
46
47
48
Diese Definition deckt sich nicht mit dem Befgriff "Masche" wie er in der Graphentheorie (Teilgebiet
der Topologie) verwendet wird.
Im Gegensatz zu einer Hüllfläche, die eine geschlossene Fläche bildet.
Spannungen mit Bezugsrichtungen parallel zur Umlaufrichtung werden dabei positiv gezählt.
In diesen Fällen kann das elektrische Feld als Potentialfeld dargestellt werden. Dies ist aber nicht
allgemeingültig: zeitlich sich verändernde Magnetfelder führen zu Spannungen die sich nicht als
Potentialdifferenz darstellen lassen (sogenannte Umlaufspannungen). Auch diese Spannungen
müssen im Maschensatz berücksichtigt werden.
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3.3 Verbindung passiver Zweipole, Ersatzschaltungen
3.3.1 Serie- oder Reihenschaltung
Unter Serieschaltung von Zweipolen versteht man eine Schaltung bei der der Strom durch die einzelnen
Zweipole49 identisch ist.
I1 = I
U1
ZP1
I1
I2 = I1
U = U 1 + U2
U2
ZP2
I2 = I
Dass I = I1 = I2 bei obiger Schaltung gilt, ist offensichtlich (Knotensatz und Konvention über die
Klemmenströme beim Zweipol).
Für die Klemmenspannung des zusamengesetzten Zweipols ergibt sich gemäss Maschensatz:
U = U1 + U2 = f1 (I1 ) + f2 (I2 ) = f1 (I) + f2 (I)
Dabei sind U1 = f1 (I1 ) und U2 = f2 (I2 ) die nach den Spannungen aufgelösten Zweipolgleichungen der
Zweipole 1 und 2.
Die Kennlinie des zusammmengesetzten Zweipols kann gemäss der obigen Beziehung graphisch einfach
konstruiert werden. Dies ist besonders von Bedeutung bei nichtlinearen Zweipolkennlinien die nur in
graphischer Form gegeben sind.
Ersatzwiderstand
Das Verhalten der Serieschaltung von n Widerständen mit spannungs-, bzw. stromunabhängigen
Widerstandswerten Rk kann durch einen einzigen Widerstand (Ersatzwiderstand) mit Widerstandswert R
dargestellt werden:
R = R1 + R2 + … + Rn = ∑ Rk
49
Es können mehr als nur zwei Zweipole in Reihe geschaltet werden. In diesem Fall müssen die im Text
folgenden Gleichungen und Beziehungen entsprechend erweitert werden.
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3.3.2 Parallelschaltung
Unter Parallelschaltung von Zweipolen versteht man eine Schaltung bei der die Spannung zwischen den
Zweipolklemmen für alle Zweipole identisch ist, oder anders ausgedrückt, bei der die Zweipole gemeinsame
Klemmenpotentiale aufweisen.
I1
I = I1 + I2
U1
ZP1
I1
U
I2
U2
ZP2
I2
Dass U = U1 = U2 bei obiger Schaltung gilt, ist offensichtlich.
Für den Klemmenstrom des zusamengesetzten Zweipols ergibt sich gemäss Knotensatz:
I = I1 + I2 = f1 (U1 ) + f2 (U2 ) = f1 (U) + f2 (U)
Dabei sind I1 = f1 (U1 ) und I2 = f2 (U2 ) die nach den Strömen aufgelösten Zweipolgleichungen der
Zweipole 1 und 2.
Die Kennlinie des zusammmengesetzten Zweipols kann gemäss der obigen Beziehung graphisch einfach
konstruiert werden. Dies ist besonders von Bedeutung bei nichtlinearen Zweipolkennlinien die nur in
graphischer Form gegeben sind.
Ersatzleitwert
Das Verhalten der Parallelschaltung von n Widerständen mit spannungs-, bzw. stromunabhängigen
Leitwerten Gk kann durch einen einzigen Widerstand (Ersatzwiderstand) mit Leitwert G dargestellt werden:
G = G1 + G2 + … + Gn = ∑ Gk
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3.3.3 Zusammenschalten nichtlinearer Zweipole (graphische Verfahren)
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3.4
28/38
Anwendungen
3.4.1 Spannungsteiler
Folgende Schaltung wird Spannungsteiler genannt:
I
R1
U1
R2
U2
U
Gesucht wird die Spannung U2 an den Ausgangsklemmen, wenn die Spannung U an den
Eingangsklemmen anliegt. Wir nehmen dabei an, dass die Ausgangsklemmen nicht belastet sind.
Der Strom durch die in Serie geschalteten Widerstände ist offensichtlich I = U / (R1 + R2 ). Damit erhält
man für die gesuchte Spannung U2 :
U 2 = R2 ⋅ I =
R2
1
U=
R U
R1 + R 2
1+ 1
R2
Für das Verhältnis der Spannungen über den Widerständen ergibt sich:
U1 R1
=
U 2 R2
3.4.2 Stromteiler
Folgende Schaltung wird Stromteiler genannt:
I1
I
G1
U
I2
G2
Gesucht wird der Strom I2 im Widerstand R2 , wenn der Strom I in den Stromteiler hineinfliesst.
Die Spannung über die parallel geschalteten Widerstände ist offensichtlich U = I / (G1 + G2 ). Damit erhält
man für den gesuchten Strom I2 :
I 2 = G2 ⋅ U =
G2
1
I=
G I
G1 + G2
1+ 1
G2
Für das Verhältnis der Ströme in den Widerständen ergibt sich:
I1 G1
=
I 2 G2
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3.4.3 Stern-/Dreieck-Umwandlung
Rc
Ra
Dreieckschaltung
Rb
R2
R1
R3
Sternschaltung
Die Dreiecksschaltung kann in eine äquivalente Sternschaltung umgerechnet werden und umgekehrt. Die
folgenden Formeln gelten für die in den Figuren angegebenen Widerstandsbezeichnungen und deren
Reihenfolge. Beachten Sie dabei die Dualität zwischen den beiden Umrechnungsformeln
(Widerstandswerte werden durch Leitwerte ersetzt).
a) Dreieck —> Stern
R1 =
R b ⋅ Rc
R ⋅R
R ⋅R
R 2 = a c R 3 = a b mit R = R a + R b + Rc
R
R
R
b) Stern —> Dreieck
Ga =
G 2 ⋅ G3
G ⋅G
G ⋅G
G b = 1 3 Gc = 1 2 mit G = G1 + G2 + G3
G
G
G
Zur Herleitung der Umrechnungsformeln, müssen die Werte der resultierenden Widerstände zwischen
zwei gleichen Klemmen der beiden Schaltungen gleichgesetzt werden.
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Kapitel 4
30/38
Schaltungen mit linearen Zweipolen
4.1 Quellenersatzschaltungen (Thévenin, Norton)
Elektrische Schaltungen oder Netzwerke die aus linearen Zweipolen50 und idealen Quellen bestehen,
werden als lineare Schaltungen bezeichnet. Für diese Schaltungen gilt folgender allgemeingültiger
Satz51:
Bezüglich zwei beliebigen Klemmen kann das Verhalten jeder linearen Schaltung, durch eine
lineare Quelle52 dargestellt werden.
Die Ersatzquelle kann dabei eine lineare Spannungsquelle (nach Thévenin) oder eine lineare Stromquelle
(nach Norton) sein. Die zwei Parameter Uqe und Rie der linearen Ersatzspannungsquelle oder Iqe und
Gie der linearen Ersatzstromquelle beschreiben also vollständig das elektrische Klemmenverhalten der
Schaltung.
Die beiden Quellenersatzschaltungen sind einander äquivalent, da sie die gleiche Kennlinie beschreiben und
daher auch besitzen. Die Umrechnungsformeln zwischen den Quellenersatzschaltungsparametern lauten
also wie folgt:
I qe =
U qe
Rie
Gie =
1
R ie
und umgekehrt
U qe =
I qe
Gie
R ie =
1
G ie
Die Bestimmung der Parameter der Ersatzquellen kann wie folgt durchgeführt werden:
1. Bestimmung der Leerlaufspannung der linearen Schaltung
—> Uqe
2. Bestimmung des Kurzschlussstromes der linearen Schaltung
—> Iqe
3. Der Ersatzinnenwiderstand Rie der linearen Schaltung kann durch Zusammenfassung53 der
Widerstände der Schaltung bestimmt werden, wenn alle eingeprägten Quellengrössen der idealen
Quellen in der Schaltung Null gesetzt werden, d.h. wenn alle Spannungsquellen kurzgeschlossen
werden (Uqi = 0), und alle Stromquellen im Leerlauf sind (Iqi = 0). Der Innenwiderstand hängt nicht
von den Quellenspannungen und -strömen ab.
Bemerkung: Zur Bestimmung der Ersatzquellenparameter genügen zwei der drei beschriebenen Schritten,
da die restlichen Grössen mit den obenstehenden Umrechnungsformeln bestimmt werden
können. Welche zwei der drei möglichen Schritte schneller zum Ziel führen, hängt von der
Schaltung ab. Im Allgemeinen ist die Bestimmung des Ersatzwiderstandes (Schritt 3) am
einfachsten. Meistens ist die Bestimmung des Kurzschlussstromes einfacher als die
Bestimmung der Leerlaufspannung.
50
51
52
53
Zweipole mit einer linearen (im mathematischen Sinne) Strom-Spannungsbeziehung (siehe Anhang 1).
Der Beweis dieses Satzes soll hier nicht aufgeführt werden. Idee: man betrachtet den Einfluss auf die
resultierende Kennlinie, wenn zu einer vorhandenen linearen Quelle ein linearer Zweipol oder eine
ideale Quelle dazugeschaltet wird.
Eine sogenannte lineare Ersatzquelle.
durch Serie- und Parallelschaltung der Widerstände
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Beispiel: Potentiometerschaltung
x=1
(1-x)·Rp
normierte Schleiferstellung
0≤x≤1
Rp
x=0
x·Rp
Potentiometer
x
Uq
Rp
Ersatzschaltung
R ie (x)
I
U
R (Last)
U
Uqe (x)
belastetes Potentiometer
I
R (Last)
Thévenin-Ersatzschaltung
Ersatzgrössen:
U qe(x) = x ⋅ Uq
R ie (x) = x ⋅(1 − x)⋅ R p
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4.2 Überlagerungssatz (Superpositionsprinzip)
Im Zusammenhang mit linearen Funktionen ist folgende Eigenschaft von wichtiger praktischer Bedeutung:
Gilt z.B. für die lineare Funktion y=fy (x)
fy (x1 )=y1 und fy (x2 )=y2 , so kann fy (x1 + x2 ) durch die Addition (Überlagerung) der beiden Terme
y1 + y2 direkt ermittelt werden. Dies ist eine unmittelbare Konsequenz aus der Linearität der Funktion
y=fy (x).
Interpretieren wir x als Ursache und y als Wirkung, so bedeutet dies für lineare Zusammenhänge zwischen
Ursache und Wirkung:
Überlagerungssatz
Die gemeinsame Wirkung zweier oder mehrerer voneinander unabhängigen Ursachen (x1 , x2 , …)
kann durch die Summe der Teilwirkungen dieser Ursachen bestimmt werden (—> y1 + y2 +…).
Damit kann, in Situationen wo mehrere Ursachen eine physikalische Grösse beeinflussen, die Ermittlung
des Gesamtzusammenhangs auf die vereinfachte Ermittlung der Teilzusammenhänge reduziert werden.
Dieses Verfahren darf bei nichtlinearen Zusammenhängen selbstverständlich nicht angewendet werden.
Bei einem linearen Netzwerk (Netzwerk bestehend aus linearen Bauelementen und idealen
Spannungs- und Stromquellen) ist der Strom der durch ein passives Element des Netzwerks fliesst,
gleich der Summe der Ströme die jede einzelne Quelle in diesem Element hervorruft.
Begründung
Trennt man (gedanklich) das passive Element vom Netzwerk, so kann es als Last und das restliche
Netzwerk als linearen aktiven Zweipol mit der folgenden Charakteristik betrachtet werden
(Quellenersatzschaltung):
U = U0 - Rie·I bzw. I = IC - Gie·U
Der Ersatzinnenwiderstand Rie hängt nicht von den Quellenspannungen und -strömen ab.
Durch sukzessives Einschalten einzelner Quellen in diesem Zweipol kann also die resultierende Kennlinie
nur parallel zu der dem Innenwiderstand entsprechenden Steigung verschoben werden54. Jede einzelne
Quelle beeinflusst nur die Leerlaufspannung bzw. den Kurzschlussstrom. Allgemein lässt sich für diesen
Zusammenhang folgende Beziehung herleiten:
U0 = α1 ·Uq1 + α 2 ·Uq2 + … + β1 ·Iq1 + β2 ·Iq2 + …
Die Koeffizienten αi und βi hängen nur von der Struktur der Schaltung, nicht aber von den eingeprägten
Quellengrössen Uqi oder Iqi ab. Jede einzelne Quelle trägt unabhängig von den anderen zur
Leerlaufspannung bei. Die resultierende Leerlaufspannung ist die Summe der durch die einzelnen Quellen
erzeugten Spannungsbeiträgen.
Im betrachteten Lastelement fliesst ein der Leerlaufspannung des Zweipols proportionaler Strom. Der
Gesamtstrom kann also durch Aufsummieren der durch die einzelnen Quellen hervorgeruften Teilströme
bestimmt werden.
Bemerkung: Um die Teilbeiträge zu bestimmen, müssen die entsprechenden Kennlinien des aktiven
Zweipols nicht notwendigerweise bekannt sein.
54
Ausgenommen die Fälle wo eine ideale Spannungsquelle parallel oder eine ideale Stromquelle in Serie
zu den Klemmen des Zweipols geschaltet ist.
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Beispiel Bestimmung der Stromstärke in einem Widerstand
Gesucht wird der Strom I2 im Widerstand R2 der folgenden Schaltung:
R1
R3
+
Uq1
Iq2
R2
+
I2
a) Der Beitrag der Spannungsquelle kann wie folgt ermittelt werden (Leerlauf der Stromquelle):
R3
R1
+
Uq1
R2
I2'
I ′2 =
U q1
R1 + R2
b) Der Beitrag der Stromquelle lautet (Kurzschliessen der Spannungsquelle):
R3
R1
Iq2
R2
+
I2"
I ′2′ = −
R1
I
R1 + R 2 q 2
Der Widerstand R3 hat hier keinen Einfluss auf den Strom, da er in Serie zur Stromquelle geschaltet
ist. Der Strom durch R2 lässt sich mit der Stromteilerregel einfach bestimmen. Das negative Vorzeichen
ergibt sich, weil der Strom I2 " gegen die Bezugsrichtung von I2 fliesst.
c) Der Gesamtstrom wird also:
I 2 = I 2′ + I 2′′ =
Uq 1 − R1 ⋅ I q 2
R1 + R 2
Bemerkung: Im Gegensatz zur Stromstärke, kann die im Widerstand dissipierte Leistung nicht mit dem
Superpositionsprinzip ermittelt werden:
2
2
2
P2' = R2 ⋅ I'2 , P2" = R 2 ⋅ I"2 , P2 = R2 ⋅ I2 2 = R 2 ⋅ ( I'2 + I"2 ) ≠ P2' + P2"
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Anhang 4.1 Lineare Quellen
Lineare Quellen55 sind eigentlich nichtlinear, da ihre Kennlinienfunktion eine affine und keine lineare
Funktion ist. Der Überlagerungssatz gilt also nicht für die Klemmengrössen von linearen Quellen.
Lineare Spannungsquelle
Ri
Lineare Stromquelle
I
I
•
+
Uq
•
+
RL
U
Gi
Iq
U
•
GL
•
Kennlinie (Charakteristik)
I
U
Ic=Iq
U0=Uq
Ic=Uq/Ri
I
U0=Iq/Gi
U = Uq - Ri·I
U
I = Iq - Gi·U
Umrechnung
Uq = Iq /Gi Ri = 1/Gi RL = 1/GL
Iq = Uq /Ri Gi = 1/Ri GL = 1/RL
Nutzleistung
 Uq 

PN = R L 
 Ri + RL 
2
 Iq 

PN = G L 
 Gi + GL
2
maximale Nutzleistung (Anpassung)
PNmax
U q2
=
4R i
für RL = Ri
PNmax
I q2
=
4Gi
für GL = Gi
Quellenleistung
Uq 2
PQ =
Ri + RL
I q2
PQ =
Gi + G L
Wirkungsgrad
η=
55
PN
1
=
PQ 1 + R i
RL
η=
PN
1
=
PQ 1 + Gi
GL
und auch ideale Quellen
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Anhang 4.2 Linearität und lineare Zweipole
Linearität einer Funktion
Eine Abbildung x → y = f (x) heisst linear, falls die beiden folgenden Bedingungen gelten
1.
2.
€
€
€
f (α ⋅ x) = α ⋅ f ( x ) für α beliebige Konstante
f (x + x 2 ) = f (x1 ) + f (x 2 )
€ 1
Homogenität
Additivität
Beispiele:
€
1) x → y = f (x) = a ⋅ x
Die Proportionalität erfüllt die beiden Kriterien.
2) x → y = a ⋅ x + b
Die affine Abbildung erfüllt sie nicht.
3) x ( t ) → y ( t ) =
€
dx ( t )
dt
Die Bildung der Ableitung (hier nach der Zeit) einer Funktion ist linear.
Linearer Zweipol
€
Ein Zweipol (Eintor) ist ein elektrisches Bauelement mit zwei Klemmen.
I
U
Zweipol
Ein linearer Zweipol ist ein Zweipol bei welchem die Beziehungen zwischen den Werten von Spannung
und Strom linear sind. Also wenn die Funktion U = fU(I) oder I = fI(U) linear ist.
In diesem Fall gilt das Überlagerungsprinzip (Superpositionsprinzip):
Wird am Zweipol die Spannung U1 beziehungsweise U2 angelegt, so fliesst als Reaktion darauf der
Strom I1 beziehungsweise I2 . Das Überlagerungsprinzip sagt nun, dass falls am Zweipol die Spannung
U3 = U1 + U2 angelegt wird, so wird der Strom I3 = I1 + I2 fliessen.
Die selbe Aussage gilt auch für den Fall, dass der Strom als Ursache und die Spannung als Wirkung
betrachtet wird.
Diese Aussage scheint auf den ersten Blick trivial zu sein, ist aber von zentraler Bedeutung für die
Behandlung von linearen Netzwerken.
Ein nichtlinearer Zweipol ist ein Zweipol bei welchem die Beziehungen zwischen den statischen Werten
von Spannung und Strom nichtlinear sind.
Bei nichtlinearen Zweipolen gilt der Überlagerungssatz nicht.
Bemerkung:
Eine lineare Quelle ist kein linearer Zweipol im obigen Sinne: die Bezeichnung lineare
Quelle ist irreführend. Die entsprechende Zweipolgleichung ist eine affine Abbildung.
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Anhang 4.3 Nichtlineare Zweipole, eine Übersicht
Zweipole bei denen die Beziehung zwischen Klemmenspannung und -strom nicht durch eine lineare
Funktion beschrieben werden kann, werden als nichtlineare Zweipole bezeichnet. Insbesondere sind
passive Zweipole bei denen zwischen den statischen Klemmenwerten von Spannung und Strom keine
Proportionalität besteht, nichtlinear.
Bei nichtlinearen Zweipolen gilt der Überlagerungssatz nicht.
Beispiel: Falls bei der Klemmenspannung U1 der Strom I1 und bei der Klemmenspannung U2 der Strom
I2 fliesst, gilt bei der Klemmenspannung U = U1 + U2 im Allgemeinen nicht I = I1 + I2 .
Das bei einem stationären (festen, gleichstrommässigen) Wert von Spannung und Strom, d.h. in einem
festen Arbeitspunkt (UA, IA), gebildete Verhältnis UA/IA heisst statischer Widerstand Rs . Dieser ist bei
nichtlinearen Zweipolen abhängig vom aktuellen Spannungs- oder Stromwert.
U
Rs = A
IA
Der statische Widerstandswert entspricht der Sekante vom Ursprung zum Arbeitspunkt in der ZweipolCharakteristik (siehe Figur unten, rechte Seite).
Der statische Widerstand ist massgebend für die im Zweipol umgesetzte Leistung.
Wird einem festen Spannungswert UA eine kleine56 Wechselspannung mit Scheitelwert û überlagert (siehe
Figur, linke Seite), so überlagert sich dem Arbeitspunktstrom IA ein Wechselstrom mit Scheitelwert î. Das
Verhältnis û/î heisst differentieller Widerstand rd und entspricht der Ableitung57 der U-I-Kennlinie nach
dem Strom I im Arbeitspunkt:
dU
rd =
dI I= I A
u(t)
UA
U
rd
û
UA
Rs
t
IA
I
Bei nichtlinearen Zweipolen ist Rs im Allgemeinen ungleich rd. Geht die nichtlineare Kennlinie durch den
Koordinatenursprung (passiver Zweipol), so ist in diesem Punkt Rs gleich rd.
Analog, können die inversen Verhältnisse gebildet werden: der statische Leitwert Gs und der differentielle
Leitwert gd.
Bei temperaturabhängigen Widerständen wie NTCs und PTCs, muss zusätzlich zwischen der statischen
(temperaturabhängigen) und der dynamischen Kennlinie (bei festbleibender Temperatur) unterschieden
werden. Der dynamische Widerstand rd ist in diesem Fall nicht gleich der Ableitung dU/dI der statischen
Kennlinie.
56
57
Klein bedeutet hier, dass der entsprechende Ausschnitt aus der Charakteristik noch als Geradenstück
betrachtet werden kann.
Die Ableitung kann geometrisch als Steigung der Tangente an die Kennlinie beim Arbeitspunkt
betrachtet werden.
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Anhang 4.4 Lineare Kennlinienapproximation
Nichtlineare Kennlinien können in bestimmten Bereichen58 durch gerade Kennlinienstücke approximiert
werden.
Beispiel: Halbleiterdiode
I-U-Kennlinie im Verbraucherpfeilsystem:
I
Strom
U
Rie
0
Rs
Spannung
Uqe
0
Die beiden eingetragenen Geraden (gestrichelte Linien) sind Näherungen für das Diodenverhalten in
zwei verschiedenen Gebieten.
• Durchlassbereich, U > Uqe
Das Diodenverhalten kann durch eine lineare Ersatzspannungsquelle (Uqe, Rie) dargestellt werden.
Die Quelle wirkt in diesem Fall passiv.
Werte für Si-Dioden: Uqe ≈ 0.6…0.8 V; Rie ≈ 0.1…10 Ω
• Sperrbereich: I < 0
Das Diodenverhalten kann durch einen Widerstand (Rs ) modelliert werden.
58
Z.B. im Bereich des vorgesehenen Arbeitspunkts.
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Anhang 4.5 Dualität
Mit Dualität wird eine mathematische Strukturverwandschaft zwischen verschiedenen Grössen und ihren
Beziehungen verstanden. Betrachtet man z.B. den Anhang "Lineare Quellen", so fällt auf, dass alle
Gleichungen für die lineare Stromquelle mathematisch die exakt gleiche Struktur haben wie die
Gleichungen für die lineare Spannungsquelle. Dabei müssen lediglich Spannungen durch Ströme,
Widerstandswerte durch Leitwerte und Umgekehrt ersetzt werden. Diese Verwandschaft ermöglicht es die
Beziehungen für ein Netzwerk durch Substitution (Austausch) in den entsprechenden Beziehungen des
dualen Netzwerkes direkt zu erhalten.
Elektrische Grössen
Spannung
Strom
Widerstand
Leitwert
spezifischer Widerstand
Leitfähigkeit
Induktivität
Kapazität
Strukturelle Verwandschaften
ideale Spannungsquelle
ideale Stromquelle
Leerlauf
Kurzschluss
Serieschaltung
Parallelschaltung
Sternschaltung
Dreieckschaltung
abgeleitete Substitutionspaare
U-I-Charakteristik
I-U-Charakteristik
lineare Spannungsquelle
lineare Stromquelle
Spannungsquellenersatzschaltung (Thévenin)
Stromquellenersatzschaltung (Norton)
Tabelle: Duale Substitutionspaare
Ein Netzwerk ist zu einem anderen dual, wenn es durch Substitution der strukturellen Verwandschaften in
das andere übergeht.
Beispiel:
Iq"
+
Uq"
+
G3
R3
R2
R5
G6
R4
+
Uq'
+
R1
G5
R6
G1
G4
G2
Iq'
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