Signalübertragung mittels Leitungen

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Kapitel 11
Signalübertragung mittels Leitungen
Ausser den bekannten Koaxialkabeln, mit denen vorwiegend Signale zwischen Geräten
übertragen werden, existieren weitere Bauformen für Leitungen, die die Signalweiterleitung innerhalb von Leiterplatten oder in integrierten Schaltungen übernehmen. In Bild
11.1 sind eine Streifenleitung und eine sog. Triplate-Leitung als typische Vertreter dargestellt.
11.1
Modell des verlustfreien kurzen Leiterstücks
Da in den Leitern Ströme fließen und zwischen den Leitern eine Spannung anliegt, sind
sie von magnetischen und elektrischen Feldern umgeben. Dies ist im Bild 11.2 dargestellt.
Diese Felder können nun für ein hinreichend kurzes Leitungsstück durch konzentrierte
Induktivitäten bzw. Kapazitäten modelliert werden. In Bild 11.3 ist einmal die einfachste
Modellierung und dann eine π- Schaltung gezeigt, die bereits die Symmetrie eingangsund ausgangseitig beinhaltet.
Die Blindelemente können dabei aus den Induktivitäts- bzw. Kapazitätsbelägen L0 und C 0
bestimmt werden (L = L0 dz C = C 0 dz), wenn dz die Länge des Leitungsstückes ist. Der
Begriff hinreichend kurz“kann nun so verstanden werden, dass bezüglich der auftretenden
”
spektralen Verteilung der Signale die erkennbare Tiefpasswirkung des Modells noch nicht
einsetzt.
Der Ausgangsknoten in Bild 11.4 ergibt für den Strom in L:
1 du2
iL = i2 + C
2 dt
woraus über die Maschengleichung folgt:
Abbildung 11.1: a) Stripline und b) Triplate line
2
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
Abbildung 11.2: Felder in der Umgebung der Leitung
Abbildung 11.3: Unsymmetrisch und symmetrische Modellierung eines kurzen Leitungsstückes durch Blindelemente
di2 1
d2 u2
u1 = u2 + L
+ CL 2 .
dt
2
dt
(11.1)
Der Eingangsknoten liefert abschließend den Strom i1
i1 = i2 +
1 du2
1 du2
1
d2 i2
C+
C + LC 2 + . . .
2 dt
2 dt
2
dt
(11.2)
q
Da am Ausgang nun der Widerstand ZL = L/C angeschlossen ist, können die Gln.11.1
und 11.2 so formuliert werden, dass sie nur Ströme bzw. nur Spannungen enthalten:
u1 = u2 + L
i1 = i2 +
du2 1
d2 u2
1
q
+ CL 2 .
dt L/C 2
dt
q
di2
1
d2 i2
C · L/C + LC 2
dt
2
dt
(11.3)
(11.4)
Die sich ergebende Struktur für die Eingangsgrössen hat eindeutig die einer Maclaurinschen Reihe bis zum quadratischen Term :
y(x0 + ∆x) = y(x0 ) +
dy
1 d2 y
(x0 ) · ∆x +
(x0 )∆x2 + . . .
dx
2 dx2
11.2. LÄNGERE LEITUNG
3
Abbildung 11.4: Ein Leitungselement,belastet mit der Last ZL
Dies bedeutet, dass die Eingangsgrössen unabhängig von√ihrer Form
√ gleich den Ausgangsgrössen zu einer früheren Zeitpunkt sind, wobei ∆t = LC = L0 C 0 dz offenbar die
Zeitdifferenz zwischen Ausgang und Eingang ist.
u1 , i1 (z = 0, t) = u2 , i2 (z = dz, t − dz/c)
(11.5)
√
Der Quotient dz/∆t = 1/ C 0 L0 stellt dabei die Geschwindigkeit dar, mit der das Signal
das Leitungsstück durchlaufen hat. Die am Eingang feststellbare Impedanz u1 /i1 hat
offenbar wiederum jenen Wert, den auch der ausgangsseitig angelegte Widerstand hat.
Dieser Wert ist also charakteristisch für eine Leitung und heißt deshalb charakteristische
Impedanz.
11.2
Längere Leitung
11.2.1
Hinlaufende Welle
Eine längere Leitung kann jetzt gedanklich durch eine Kaskade vieler aufeinander folgender kurzer Leitungsstücke aufgefasst werden. Die bisherigen Erkenntnisse lassen sich
deshalb auch auf die lange Leitung übertragen:
• Ein Signal, das bei 2, 20 auftaucht, wurde vor einer gewissen Zeitspanne, der Laufzeit,
bei 1, 10 eingespeist.
• Das Verhältnis Spannung zu Strom ist überall auf der Leitung ZL .
• Das Signal durchläuft die Leitung mit der Geschwindigkeit c.
Wegen des letzten Punktes kann man auch von einer Welle sprechen, die die Leitung
entlang läuft, deshalb heißt ZL im Deutschen auch meist Wellenwiderstand. Die obigen
Aussagen treffen natürlich nur dann zu, wenn die Leitung mit ihrem Wellenwiderstand,
also mit ZL abgeschlossen wird. Man nennt diesen Zustand Anpassung. Die Gl.11.5 kann
für diesen Fall auf die lange Leitung übertragen werden, wobei der Index h für hinlaufende
Welle steht.
uh , ih (z = l, t) = u1 , i1 (z = 0, t − l/c)
(11.6)
4
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
Abbildung 11.5: Momentanbilder eines nach rechts laufenden Impulses zu drei aufeinander
folgenden Zeiten
11.2.2
Rücklaufende Welle
Die Symmetrie der Leitungsstruktur legt es nahe, ausser der hinlaufenden Welle auch
eine in umgekehrter Richtung laufende Welle, die rücklaufende, für möglich zu halten.
Diese tritt tatsächlich auf, und zwar dann, wenn die Leitung nicht mit ZL , sondern
mit einem anderen ohmsche Lastwiderstand abgeschlossen wird (Fehlanpassung). Ebenso
führen abrupte Änderungen der Leitergeometrie zu Änderungen des Wellenwiderstandes
und provozieren auf dem zuführenden Leitungsstück rückläufige oder reflektierte Wellen.
.
Abbildung 11.6: Fehlanpassung durch Beschaltung einer Leitung mit a) einer Last R oder
b) einer Leitung anderen Wellenwiderstandes
Die Belastung der Leitung nach Bild 11.6a beträgt R. Der Widerstand kann Spannung
und Strom jedoch nur in einem bestimmten Verhältnis annehmen, dieses beträgt R. Andererseits liefert die Leitung Spannung und Strom im Verhältnis ZL an. Dies provoziert
die rückläufige Welle:
R=
u(t, z = l)
uh (t, z = l) + ur (t, z = l)
=
i(t, z = l)
ih (t, z = l) − ir (t, z = l)
Definiert man den Reflexionskoeffizienten r als das Verhältnis ur /uh = ir /ih dann ergibt
11.2. LÄNGERE LEITUNG
5
sich:
R=
1 + ur /uh
1+r
= ZL
1 − ir /ih
1−r
woraus sich nach Umbau ergibt:
r=
Abschluss
Reflexionsfaktor
R − ZL
R + ZL
(11.7)
Kurzschluß Anpassung Leerlauf
R=0
R = ZL
R=∞
r = −1
r=0
r=1
Die Last R sieht dabei links der Klemmen 220 einen Ersatzgenerator mit dem Innenwiderstand ZL . Um die Spannung
2R
R − ZL
= uh
R + ZL
R + ZL
an R erzeugen zu können, braucht dieser Ersatzgenerator eine Leerlaufspannung von
u = uh + ur = uh (1 + r) = uh 1 +
ZL + R
u = 2uh .
(11.8)
R
Wenn anstelle des ohmschen Widerstandes R nun eine weitere Leitung 2 mit einem anderen Wellenwiderstand ZL2 = R folgt, ändert sich links der Klemmen 220 nichts. Rechts
läuft eine Welle mit der Spannung ut und dem Strom it weiter, die man dann transmittierte Größen nennt.
U0 =
11.2.3
Näherungen für elektrisch kurze Leitungsstücke
Unter einem kurzen Leitungsstück soll hier verstanden werden, dass es kurz ist gegenüber
den Abmessungen der auftretenden Impulse oder, bei zeitharmonischer Anregung, der
Wellenlänge.
Im Falle einer hochohmigen Last (R >> ZL )wird am Ausgang viel Spannung anliegen,
aber wenig Strom fließen. Wegen der Kürze genügt als einziges Element aus Bild 11.3 a
der Kondensator zur Beschreibung. Ein geringer Strom im L bedeutet, dass es kaum ins
Gewicht fällt, während viel Spannung zu einem hohen Strom im Quer-C führt.
Bei niederohmigen Lasten führt der hohe Strom durch L zu dessen erheblichen Einfluss,
die niedrige Spannung erlaubt dagegen die Vernachlässigung von C.
6
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
Abbildung 11.7: Vereinfachungen für kurze Leitungen
11.3
Der Einschaltvorgang
11.3.1
Raumzeitliche Darstellung
Das in Bild 11.8a dargestellte Leitungsstück wird an eine Gleichspannungsquelle mit der
Spannung 1,333 V und dem Innenwiderstand 16,666 Ω geschaltet. Ausgangseitig ist die
Leitung mit 150 Ω beschaltet. Die Reflexionsfaktoren r1 und r2 am Ein- und Ausgang der
Leitung betragen deshalb:
r1 =
1
16.7 − 50
=−
16.7 + 50
2
r2 =
150 − 50
1
=
150 + 50
2
Abbildung 11.8: Raumzeitliche Darstellung der Spannung auf einer a)beidseitig fehlangepassten Leitung b) beim Einschalten c) t = tf /2
d) t = 3tf /2 e) t = 5tf /2
11.3. DER EINSCHALTVORGANG
7
In der ersten Phase des Hinlaufs sieht der Generator lediglich den Wellenwiderstand
ZL als Last. Dadurch läuft eine Stoßfront von 1V (Spannungteiler) in Richtung Last.
Der Reflexionsfaktor von 1/2 reflektiert eine weitere Stoßfront ein Richtung Generator
(Bild c), die nun der Reflexionsfaktor -1/2 erwartet. Dies erzeugt eine Front von -1/4 V
in Richtung Last, usw. Am Lastwiderstand stellt sich deshalb die endgültige Spannung
(Spannungsteilung zw. Last und Innenwiderstand) erst nach (theoretisch) unendlich vielen
Reflexionen ein. Man nennt diesen Vorgang klingeln“ (ringing). Ursache ist die beidseitige
”
Fehlanpassung, die man in der Praxis nach Möglichkeit vermeidet.
Abbildung 11.9: Zeitabhängiger Verlauf der Spannung am Lastwiderstand
11.3.2
Das Bergeron Diagramm
Abbildung 11.10: a) Ersatz der Leitung durch einen Lastwiderstand ZL b)u-i Kennlinien
des Generators und der Last
Das von dem französischen Wasserbau-Ingenieur Bergeron angegebene Diagramm kombiniert die u,i-Kennlinien von Generator und Last sowohl am Eingang als auch am Ausgang
der Leitung. Wie aus Bild 11.10 hervorgeht, sind die Gleichungen
8
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
u = U0 − iRG
und
u = Ri
für Generator und Last als Geraden dargestellt, deren Schnittpunkt (∞)die sich ergebenden Endwerte von u und i wiedergibt. Ersetzt man jetzt nach Bild 11.10 a die Last durch
den in dem Zeitintervall der Bilder 11.8 b und c) wirksamen Wellenwiderstand, auf den
der Generator bis zum Eintreffen einer Reflexion arbeitet, dann ergeben sich für dieses
Intervall andere Werte (1).
Verlagert man nun die Betrachtung an den Ausgang der Schaltung, dann stellt die Schaltung links der Klemmen 2, 20 einen Generator mit dem Innenwiderstand ZL und der Leerlaufspannung 2uh dar (Bild 11.8 bzw. 11.11 a). Am Ausgang stellen sich daher Spannung
und Strom gemäß Punkt 2 in Bild 11.11 b ein.
Abbildung 11.11: a) Ersatzschaltung für den Ausgang b) u,i Kennlinien für Generator
und Last
Für den Fall der Anpassung wären jetzt für Eingang und Ausgang die Endwerte erreicht.
Da jedoch keine Anpassung vorliegt, setzt sich eine rückläufige Welle in Gang, die zur
Zeit 2tf den Eingang erreicht und dort Spannung und Strom verändert (Punkt 3 in Bild
11.12). Der Ersatzgenerator hat nun die Leerlaufspannung 2ur und die Last besteht aus
der ursprünglichen Spannungsquelle und deren Innenwiderstand RG .
Man erkennt bei Betrachtung des Bildes 11.12, dass die Ermittlung der jeweiligen Leerlaufspannung eigentlich unnötig ist, da die Geraden mit den Steigungen entsprechend
+ZL bzw. −ZL immer durch den vorher gültigen Punkt gehen und deshalb von dort aus
konstruiert werden können.
11.4. LEITUNGSÜBERSPRECHEN
9
Abbildung 11.12: Bergeron-Diagramm nach 4tf . Der Endzustand ist noch nicht erreicht.
11.4
Leitungsübersprechen
Der Begriff Übersprechen stammt aus der Fernmeldetechnik, als die Telephongespräche
noch direkt auf parallel geführten Drähten liefen.
11.4.1
Kurze Leitungsstücke
Wenn zwei Leitungen so eng nebeneinander verlaufen, dass magnetische Feldlinien der
aktiven, also störenden Leitung die zweite durchfluten bzw. elektrische Feldlinien der
ersten auf den Leiterbahnen der zweiten landen, dann muß dies durch Ersatzelemente
0
beschrieben werden.
MK0 bzw. CK
Abbildung 11.13: a) magnetische Feldlinien durchfluten eine zweite Leitung b) elektrische
Feldlinien landen auf einer zweiten Leitung
Ist das betrachtete verkoppelnde Stück beider beteiligten Leitungen kurz, genügt je ein
Element nach Bild 11.14 dafür. Die Ersatzschaltbilder zweier Leitungsstücke werden also
durch die Koppelelemente MK und CK , letzteres wegen der Symmetrie aufgeteilt, ergänzt.
Im aktiven Kreis soll Anpassung herrschen, so dass dort nur eine hinlaufende Welle existiert und somit uh ZL · ih gilt. Der kapazitiv eingekoppelte Strom verteilt sich auf die
Impedanzen Z3 = ZG und Z4 = ZZ des gestörten Kreises, während der induktiv eingekoppelte die beiden Impedanzen in Serie durchfließt:
iC =
duh
1
0
· CK
· dz ·
dt
2
iM =
dih
1
duh
1
· MK0 · dz ·
=
· MK0 · dz ·
dt
2ZL
dt
2ZL2
(11.9)
10
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
Abbildung 11.14: Kopplung durch ein kurzes Stück parallel geführter Leitungen
Dadurch addieren sich die beiden Ströme bei 3 und subtrahieren sich bei 4.
11.4.2
Längere Leitungsstücke
Nun muss die Koppelwirkung entlang einer längeren Strecke erfasst werden. Anstelle der
Lasten ZG , ZZ tritt nun der Wellenwiderstand ZL . Nach rechts und links laufen nun die
von dem betrachteten kurzen Stück übergekoppelten Wellen:
duh
1
0
· (CK
ZL ± MK0 /ZL ) · dz ·
dt
2
Umformung des in Klammern stehenden Terms ergibt unter Verwendung von
dukh,r = ZL (ic ± il ) =
ZL =
q
q
0
0
L0 /(C 0 + CK
) und v = 1/ L0 · (C 0 + CK
)
0
1 MK0 1
CK
±
0
(C 0 + CK
)v
L v
Mit Hilfe der in Bild 11.14 definierten Koppelkoeffizienten km und ke ergibt dies:
duh 1
1
(ke ± km ) · dz ·
dt v
2
Um die Auswirkung nach rechts zu erhalten (Fernnebensprechen, Vorwärtskopplung),
muss noch über die alle Beiträge integriert werden. Für die Verzögerung jedes Beitrags
gibt es zwei Ursachen: einmal die Laufzeit des störenden Signals auf der aktiven Leitung
bis zur Koppelstelle und dann den Beitrag auf der passiven Leitung bis zum fernen Ende.
Die Summe beider beträgt unabhängig davon, wo gekoppelt wird, l/c.
dukh,r =
l
du1
1
(t − l/v) (ke − km )dz
2v
0 dt
Da die Integrationsvariable z nirgendwo im Integranden auftaucht, ergibt die Integation
das Ergebnis l :
ukh =
Z
ukh =
du1
1
(t − l/v) (ke − km ) · l
dt
2v
11.4. LEITUNGSÜBERSPRECHEN
11
Beim völlig homogenen Dielektrikum wie bei der Triplate-Struktur gilt ke = km , es kommt
also nichts an.
Bei der Rückwärtskopplung (Nahnebensprechen) gibt es wieder zwei Ursachen für die
Verzögerung der gekoppelten Beiträge : Die Verzögerung z/v bis zur Koppelstelle auf der
aktiven Leitung, und dann die durch den Rückweg auf der passiven Leitung von derselben
Größe.
l
du1
1
(t − 2z/v) (ke + km )dz
2v
0 dt
Wegen des Arguments von du1 /dt entspricht eine Differenziation nach z aber
ukr
=
Z
du1 −2
du1 −2
du1
=
·
=
·
dz
(.)
v
dt
v
sodass elementar integriert werden kann:
1
ukr = −(u1 (t − 2l/v) − u1 (t) (ke + km )
4
Diese Ergebnis deutet auf Einkopplung des Originalsignals einmal am Begin der Koppelstrecke und einmal am Ende hin. Im Bild 11.15 ist dies für ein trapezförmiges Signal
gezeigt.
Abbildung 11.15: Vorwärts- und Rückwärtskopplung bei einem trapezförmigen Impuls
12
11.5
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
Leitungen mit Verlusten
Verlustfreie Leitungen verändern die Form eines Signals bei seiner Wanderung entlang
der Leitung nicht, d.h. alle spektralen Anteile werden gleich behandelt. Bei Leitungen
mit Verlusten ist dies nicht mehr generell so. Ein Signal verlässt eine verlustbehaftete
Leitung kleiner und unter Umständen sogar mit einem anderen Aussehen. Bei ersterem
spricht man von Dämpfung, bei letzterem von Dispersion. Dispersionsfrei ist eine Leitung
nur noch, wenn die Verluste entweder klein sind oder im gleichen Maße im Längs- und
im Querzweig des Ersatzschaltbildes anfallen. Genau dies ist aber im technischen Bereich
nicht der Fall.
Abbildung 11.16: Skineffekt und Proximityeffekt a) realer Verlauf der Stromdichte ins Leitermaterial hinein b) äquivalente Leitschichtdicke c) Konzentration des Masse-Rückstroms
unter der Leiterbahn
Als Skineffekt wird die unangenehme Eigenschaft der Ströme bezeichet, sich um so mehr
auf die Oberfläche der Leitermaterialien zurückzuziehen, je höher die Frequenz ist. Der
an sich exponentielle Abfall der Stromdichte und der Felder ins Leitermaterial hinein
nach Bild 11.16 a kann durch den Begriff der “äquivalenten Leitschichtdicke“ umgedeutet
werden in eine gleichförmig
durchströmte Schicht der Dicke (Bild 11.16 b)x0 . Für Kupfer
q
gilt z.B. x0 = 66mm/ f /Hz
Frequenz
10 kHz
Eindringtiefe 0,66 mm
1 MHz
66 µm
100 MHz
6,6µ m
10 GHz
0,66µm
Dadurch wird oft nur ein kleiner Bruchteil des vorhandenen Leitermaterials ausgenutzt
und die Verluste steigen mit der Frequenz rasch an.
Durch den ebenfalls bei höheren Frequenzen stark zunehmenden Poximityeffekt“ werden
”
nach Bild 11.16 c die auf dem Masseleiter fließenden Rückströme immer stärker unter die
Leiterbahn gezwungen und können ebenfalls nicht das gesamte vorhandene Leitermaterial
durchströmen.
11.5. LEITUNGEN MIT VERLUSTEN
11.5.1
13
Die schwach verlustbehaftete Leitung
Die Analyse des schwach gedämpften Leitungsstücks unterscheidet in zwei Punkten von
der des ungedämpften Leitungsstückes:
• Zum Serien-L tritt der Verlustwiderstand R.
• Der neue Wellenwiderstand ZLv bekommt einen Blindanteil hinzu.
Abbildung 11.17: Schwach verlustbehaftetes Leitungsstück, abgeschlossen mit seinem Wellenwiderstand
Die Ermittlung des Wellenwiderstandes kann nun nur noch im Frequenzbereich erfolgen:
s
ZLv
=
jωL + R
=
jωC
s
L
·
C
s
1+
R
jωL
Solange R << ωL ist, spricht man von schwacher Dämpfung und kann die zweite Wurzel
in eine Taylorreihe entwickeln:
ZLv ≈ ZL 1 +
1
R
R
= Z L + ZL
= ZL +
jω2L
jω2L
jωCz
Da sich ein frequenzunabhängiges zusätzliches Bauelement Cz ergeben hat, kann die Analyse wieder im Zeitbereich erfolgen. Mit dem jetzt etwas komplizierteren Zusammenhang
zwischen u2 und i2 :
u 2 = Z L i2 +
1 Z
i2 dt
Cz
läuft die Analse analog zum verlustfreien Fall ab und wird nicht wiederholt. Resultat ist:
i1 = i2
√
R
di2
R
1 0 0 2 d2 i2
R 3
0
0
1+
+
1+
+ ... L C dz + L C dz
1+
(11.10)
2ZL
dt
2ZL
2
dt2
2ZL 2
Wieder erkennt man die ersten Glieder der Taylorentwicklung von i1 :
dz α
i1 (z = 0, t) = i2 (z = dz, t + dz/v) · 1 +
ZL
√
Die Laufzeit ∆t = l0 C 0 hat sich offenbar nicht verändert. Die angehängte Klammer
zeigt aber an, dass i1 grösser ist als i2 , also eine Dämpfung vorliegt. Sie kann als die
14
KAPITEL 11. SIGNALÜBERTRAGUNG MITTELS LEITUNGEN
ersten beiden Glieder einer Exponentialfunktion exp(αz) aufgefasst werden. Aus der Gl.
11.6 wird im Fall schwacher Dämpfung
uh , ih = u1 , i1 e−αz f (t − z/v)
(11.11)
wobei α = R0 /(2ZL ) ist.
Abbildung 11.18: Schwach gedämpfter Impuls zu verschiedenen Zeiten
Es entsteht hier der Eindruck einer völlig frequenzunabhängigen Dämpfung. Dies stimmt
nur, wenn R0 frequenzunabhängig ist. Bei höheren Frequenzen wird dies vom Skineffekt
aber verhindert. Dort sinkt die Leitschichtdicke
mit der Wurzel der Frequenz, was bei R0
√
und damit bei α zu einem Anstieg gemäß f führt.
Diese Frequenzabhängigkeit ist der Grund, warum man bei Satellitenempfangsanlagen die
ankommenden Kanäle von 12 GHz schon in der Empfangseinheit auf ca. 1 Ghz umsetzt
und dann erst auf das Kabel zum Empfänger gibt.
11.5. LEITUNGEN MIT VERLUSTEN
11.5.2
15
Stark gedämpfte Leitung
Der Einfluss einer stark gedämpften sog. RC-Leitung nach Bild 11.17b soll anhand eines
praktisch wichtigen Beispiels, der Verbindung zweier Gatter in CMOS-Technik demonstriert werden.
Abbildung 11.19: a) Stark verlustbehaftete Leitung zwischen zwei Gattern in CMOSTechnik b) Anstieg der Sprungantwort am Ausgang eines RC-Tiefpasses
Sie erinnert stark an einen RC-Tiefpass mit dem Unterschied, dass die erste Hälfte der
Leitungskapazität nicht am Ausgang liegt. Beim RC-Tiefpass mit nur einem C beträgt
die Anstiegszeit auf 90% des Endwertes 2, 3RC (Bild 11.19b).
Die komplette Verlagerung der vorderen Hälfte von C 0 l nach hinten würde für die Anstiegszeit erbringen:
tA = (RG + R0 l) · (C 0 l + CDG ) · 2, 3
wobei RG der Innenwiderstand der treibenden Stufe und CDG die Drain-Gate Kapazität
der nachfolgenden Stufe darstellt. Ausmultiplizieren ergibt einen Term, der nicht von der
Leitungslänge l abhängt, zwei, die linear von l abhängen und einen, der vom Quadrat von
l abhängt.
tA = (RG C 0 l + R0 C 0 l2 + RG CDG + R0 lCDG ) · 2, 3
Die Verlagerung der ersten Hälfte der Leitungskapazität ans Ende verschafft dieser einen
zu grossen Einfluss, so dass es nicht verwundert, wenn in der empirischen Formel der
quadratisch von l abhängende Term geringer gewichtet wird:
tA = (RG C 0 l) + RG CDG + R0 lCDG ) · 2, 3 + R0 C 0 l2 · 0, 9
Trotzdem muss dieser Term im Auge behalten werden, da er bei grösseren Leitungslängen
einen immer grösseren Einfluss gewinnt.
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