M. Krischke - Fakultät für Mathematik, TU Dortmund

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Proseminar zur Linearen Algebra und
Elementargeometrie
Elementare Geometrie - Das Dreieck
Teil II
Eingereicht von:
Manuel Krischke
176680
[email protected]
Eingereicht bei:
Prof. L. Schwachhöfer
25.10.2016
Elementare Geometrie: Teil II
Dieser Vortrag knüpft inhaltlich direkt an den Vortrag vom 18.10.2016 von Alexandra
Kopp an und führt dessen Nummerierung sukzessive weiter.
Daher wird in diesem Vortrag auch die Kenntnis über die im vorherigen Vortrag vorgestellten Sachzusammenhänge und Beschriftungen vorausgesetzt.
2 Das Dreieck
2.4 Die Kongruenz- und Ähnlichkeitssätze
Zwei Dreiecke sind kongruent oder deckungsgleich, wenn sie sich durch euklidische Bewegungen oder Spiegelungen ineinander überführen lassen.
Zwei Dreiecke sind ähnlich, wenn man sie durch Streckungen, Spiegelungen und euklidische Bewegungen ineinander überführen kann.
Satz 2.4.1. Zwei Dreiecke in der Ebene mit den Seitenlängen a, b, c und a′ , b′ , c′ sind
genau dann kongruent, wenn bis auf Permutation gilt:
a = a′ , b = b′ und c = c′
Beweis: Es sei a = a′ , b = b′ und c = c′ . Da a = a′ können wir mittels einer euklidischen
Bewegung die Seiten a und a′ in Übereinstimmung bringen. Dadurch stimmen die Eckpunkte B = B ′ und C = C ′ ebenfalls überein. Betrachten wir nun ein Koordinatensystem
mit dem Ursprung in B und der x-Achse gleich G(B, C). Dann gilt
B = B ′ = (0, 0), C = C ′ = (a, 0)
Der mögliche dritte Eckpunkt des Dreiecks habe die Koordinaten A = (x, y). Aus
folgt:
b = �AC� =
�
�
(x − a)2 + y 2 , c = �AB� = x2 + y 2
x=
√
1 2 2 2
(a − b + c ), y = ± c2 − x2
2a
Das heißt: x ist festgelegt und y ist bis auf das Vorzeichen festgelegt. Durch eine Spiegelung an der x-Achse ergibt sich, dass die Dreiecke in beiden Fällen kongruent sind.
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Elementare Geometrie: Teil II
Satz 2.4.2. (Kongruenzsatz für Dreiecke)
Zwei Dreiecke sind kongruent, falls mindestens eine der folgenden Aussagen gilt:
1. Die Längen ihrer drei Seiten stimmen überein.
2. Die Längen zweier Seiten und der davon eingeschlossene Winkel stimmen überein
(SWS-Satz ).
3. Die Längen zweier Seiten und der der längeren Seite gegenüberliegende Winkel
stimmen überein.
4. Die Länge einer Seite und die beiden daran anliegenden Winkel stimmen überein
(WSW-Satz ).
Beweis: Zu (1): Bereits in 2.4.1 bewiesen.
Zu (2): Seien die Seiten a, b und der Winkel zwischen ihnen gegeben. Stellen wir den
1
Kosinussatz (cos = 2ab
(a2 + b2 − c2 )) nach der Länge der dritten Seite um,
c=
�
a2 + b2 − 2ab cos
so sehen wir, dass auch die Länge der dritten Seite durch a, b und bestimmt ist. Es
folgt also, dass alle drei Längen der Dreiecke übereinstimmen und die Dreiecke somit
kongruent sind.
Zu (3): Es seien a ≥ c sowie der a gegenüberliegende Winkel bekannt und in beiden
Dreiecken identisch. Durch den Kosinussatz
⇔
cos↵ =
1 2 2
(b + c − a2 )
2bc
0 = b2 − 2bc cos↵ + (c2 − a2 )
können wir die fehlende unbekannte Seite b ausrechnen (auflösen nach b):
�
a2 +c2 (cos2 ↵ − 1)
��� � � � � � � � � � � � � � � � � � �� � � � � � � � � � � � � � � � � � ��
−c2 sin2 ↵
√
⇒ b = c cos↵ ± a2 − c2 sin2 ↵
b = c cos↵ ±
welche aufgrund der Annahme a ≥ c immer zwei reelle Lösungen hat. Für a = c und
√
↵ = ⇡�2 fallen diese zusammen (b = c cos↵ ± a2 − c2 ⋅ 1 = c cos↵).
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Ist eine dieser beiden Bedingungen nicht gegeben, so haben diese Lösungen unterschiedliche Vorzeichen, denn die kleinere Lösung wäre nur für c2 cos2 ↵ > a2 − c2 sin2 ↵ positiv.
Dies ist nur mit c > a möglich, was jedoch zu einem Widerspruch zur Voraussetzung
führt. Da eine Seite nur eine positive Länge haben kann, ist die fehlende Seitenlänge b
durch die Voraussetzung gegeben und damit sind nun alle drei Seitenlängen bekannt.
Da diese bei beiden Dreiecken übereinstimmen, befinden wir uns im Kongruenzfall.
Zu (4): Seien a, und bekannt und in beiden Dreiecken identisch. Durch die Winkelsumme im Dreieck können wir den fehlenden Winkel ↵ bestimmen. Der Sinussatz
sin↵
sin
=
a
b
=
sin
c
liefert sofort die fehlenden Seitenlängen. Mit sin↵ = sin(⇡ − ( + )) = sin( + ),
erhalten wir für die fehlenden Seiten:
b=
a sin
a sin
, c=
sin( + )
sin( + )
Es sind also alle Seitenlängen der beiden Dreiecke durch die gegebenen Werte identisch
und die Dreiecke sind kongruent.
Satz 2.4.3. (Ähnlichkeitssatz für Dreiecke)
Zwei Dreiecke sind ähnlich, falls mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
1. Die Verhältnisse der Längen ihrer Seiten sind gleich.
2. Die Verhältnisse der Längen zweier Seiten und der davon eingeschlossene Winkel
sind gleich.
3. Die Verhältnisse der Längen zweier Seiten und der der größeren Seite gegenüberliegende Winkel sind gleich.
4. Zwei Winkel sind gleich.
Beweis: Zu (1), (2) & (3): Da die Verhältnisse der Seiten übereinstimmen, können wir
eins der Dreiecke so strecken, dass die gegebenen Seitenlängen übereinstimmen. Da die
Streckung eine winkelerhaltende Funktion ist, befinden wir uns nun im Kongruenzfall,
da der jeweilige Kongruenzsatz (aus 2.4.2) erfüllt ist. Da die Ähnlichkeit eine gestreckte
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Art der Kongruenz ist, ist für diese Fälle die Ähnlichkeit bewiesen.
Zu (4): Durch eine Streckung können wir die Seite, an der die Winkel anliegen, an die
entsprechende Seite des anderen Dreiecks angleichen. Da die Streckung eine winkelerhaltende Funktion ist, folgt nun die Kongruenz aus (4) von 2.4.2. Da es sich bei der
Ähnlichkeit zweier Dreiecke um eine gestreckte Form der Kongruenz handelt, sind diese
beiden Dreiecke ähnlich.
2.5 Teilungsverhältnisse bei Transversalen
Einschub 2.5.1. (orientiertes Längenverhältnis & orientierter Strahlensatz)
Es seien A, B, C, D vier Punkte, die auf einer Geraden oder jeweils zu zweit auf zwei
parallelen Geraden liegen. Das orientierte Längenverhältnis zweier Strecken auf dieser
Geraden ist definiert als das Längenverhältnis der beiden Strecken, wobei das Vorzeichen
angibt, ob die Strecken gleich oder entgegengesetzt orientiert sind. Bei gleicher Richtung
ist es positiv, bei entgegengesetzter negativ. Bezeichnet wird es mit:
AB
�AB�
∶= ±
CD
�CD�
Der orientierte Strahlensatz besagt, dass wenn zwei Geraden G1 , G2 mit dem Schnittpunkt G1 ∩ G2 = {S} und zwei beliebige Geraden G∗1 , G∗2 mit den Schnittpunkten
G↵ ∩ G∗1 = {P↵ },
G↵ ∩ G∗2 = {Q↵ } für ↵ = 1, 2
gegeben sind, so gilt für die orientierten Längenverhältnisse:
SP1
SQ1
=
P 1 P2
Q1 Q2
genau dann, wenn G∗1 und G∗2 parallel sind.
=
SP2
SQ2
Satz 2.5.2. (Satz von Menelaos)
Gegeben sei ein Dreieck mit den Ecken A, B, C.
1. Ist G eine Gerade, welche nicht durch die Ecken des Dreiecks verläuft und die
Verlängerungen der Dreiecksseiten in drei Punkten D, E und F schneidet (genannt
Transversale),
G ∩ G(A, B) = {D}, G ∩ G(B, C) = {E}, G ∩ G(A, C) = {F },
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so gilt für die Teilungsverhältnisse die Relation
AD BE CF
⋅
⋅
= −1
DB EC F A
(*)
2. Sind D, E und F drei Punkte auf den Geraden G(A, B), G(B, C) und G(A, C),
welche die Relation (*) aus (1) erfüllen, so sind sie kollinear.
Abbildung 10: Satz von Menelaos
Beweis: Zu (1): Wir benennen die Fußpunkte der Lote von den Punkten A, B, C auf
die Gerade G mit A′ , B ′ , C ′ . O↵ensichtlich sind diese Lote parallel und nach dem orientierten Strahlensatz mit den Scheitelpunkten D, E, F gilt:
DA AA′ EB BB ′ F C CC ′
=
,
=
,
=
DB BB ′ EC CC ′ F A AA′
⇒
AD BE CF
AA′
BB ′
CC ′
⋅
⋅
= �−
�
⋅
�−
�
⋅
�−
� = −1
DB EC F A
BB ′
CC ′
AA′
.
Zu (2): Um zu zeigen, dass die Geraden G(B, C) und G(D, F ) nicht parallel sein
können, führen wir einen Widerspruchsbeweis. Nehmen wir also zunächst an G(B, C)
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und G(D, F ) seien parallel. Durch den orientierten Strahlensatz folgt dann:
AD AF
=
DB F C
aus (*) folgt somit sofort EB
EC = 1. Da dies im nicht entarteten Dreieck unmöglich ist,
müssen sich G(B, C) und G(D, F ) in einem Punkt schneiden, den wir E ′ nennen.
Die Fußpunkte Ã, B̃, C̃ der Lote von A, B, C auf G(D, E ′ , F ) und der Punkt E ′ erfüllen
o↵ensichtlich:
Aus (*) folgt nun
BE ′
E′C
=
E ′ B B B̃ B B̃ AÃ DB F A
=
=
⋅
=
⋅
.
E ′ C C C̃ AÃ C C̃ DA F C
BE
EC ,
also E = E ′ und insbesondere sind D, E und F kollinear.
Satz 2.5.3. (Der Satz von Ceva)
Wir betrachten ein Dreieck (A, B, C) und zu jedem Eckpunkt eine Ecktransversale
(Gerade, die durch eine Ecke des Dreiecks verläuft).
1. Seien die drei Ecktransversalen so gewählt, dass sie sich in einem Punkt P schneiden. Die Schnittpunkte mit den gegenüberliegenden Seiten bezeichnen wir wie
folgt:
G(A, B) ∩ G(C, P ) = {D}, G(B, C) ∩ G(A, P ) = {E}, G(A, C) ∩ G(B, P ) = {F }
Dann gilt:
AD BE CF
⋅
⋅
=1
DB EC F A
(**)
2. Umgekehrt, seien drei Punkte D, E, F auf G(A, B), G(B, C) und G(A, C) derart
gegeben, dass sie (**) erfüllen.
Dann ist für die Ecktransversalen G(A, E), G(B, F ) und G(C, D) eine der folgenden Beziehungen gegeben:
(i.) Sie sind parallel.
(ii.) Sie schneiden sich in einem gemeinsamen Punkt P.
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Abbildung 11: Satz von Ceva
Beweis: Zu (1): Wir betrachten das Dreieck 1 (A, B, E) zusammen mit der Gerade G(C, D) sowie das Dreieck 2 (A, C, E) zusammen mit der Geraden G(B, F ) und
wenden jeweils den Satz von Menelaos an:
1
2
(1)�(2)
⇒
AD BC EP
⋅
⋅
= −1
DB CE P A
⇒
AF CB EP
⋅
⋅
= −1
F C BE P A
⇒
AD BE CF
⋅
⋅
=1
DB EC F A
(1)
(2)
Zu (2): Betrachte die Geraden G(B, F ) und G(A, E).
Fall 1: Sollten diese parallel sein, so folgt aus dem orientierten Strahlensatz BE�EC =
F A�AC, was eingesetzt in (**) die Relation AD�DB = AC�CF ergibt. Dies bedeutet,
dass G(F, B) parallel zu G(C, D) ist.
Fall 2: Schneiden sich nun G(B, F ) und G(A, E) in einem Punkt P , dann können die
Geraden G(P, C) und G(A, B) nicht parallel sein. Sonst ergäbe der orientierte StrahAB CF
CP
lensatz die Doppelverhältnisse BE
EC = CP , F A = AB .
AD
Damit würde aus der Voraussetzung (**) sofort BD
= 1 folgen. Dies ist ein Widerspruch.
Wir betrachten daher die Ecktransversale G(P, C) und ihren Schnittpunkt D′ mit
G(A, B). Wenden wir nun den bereits bewiesenen Satz von Ceva (1) auf das Dreieck
(A, B, C) und den Punkt P an, so liefert dies:
Zusammen mit (**) folgt
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AD ′
D′ B
=
AD′ BE CF
⋅
⋅
= 1.
D′ B EC F A
AD
DB
und damit D′ = D
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2.6 Besondere Geraden im Dreieck
Als Höhe eines Dreiecks wird das Lot des Eckpunktes auf die gegenüberliegende Seite
(oder dessen Verlängerung) bezeichnet.
Satz 2.6.1. (Satz vom Höhenschnittpunkt)
Die drei Höhen eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt, den wir mit PH
bezeichnen.
Abbildung 12: Schnittpunkt der Höhen
Beweis: Wir betrachten hier nur den Fall, in dem die Fußpunkte aller Lote auf den
Kanten des Dreiecks liegen.
Wir orientieren die in der Abbildungen eingezeichneten Strecken wie beim Satz von
Ceva (c1 /c2 = AD/DB usw.). Das Lot auf der Strecke a bezeichnen wir mit ha , das
Lot auf b mit hb und das Lot auf c mit hc . In den sechs durch die Höhen gegebenen
Dreiecken können wir nun den Satz des Pythagoras sechs mal anwenden und erhalten:
(c1 + c2 )2 = h2a + c23 = h2b + c26 ,
(c3 + c4 )2 = h2b + c25 = h2c + c22 ,
(c5 + c6 )2 = h2c + c21 = h2a + c24 .
Wir benutzen h2a = (c5 + c6 )2 − c24 , h2b = (c1 + c2 )2 − c26 und h2c = (c3 + c4 )2 − c22 . So erhalten
wir:
(c1 + c2 )2 + c24 = (c5 + c6 )2 + c23 ,
(i)
(c3 + c4 )2 + c26 = (c1 + c2 )2 + c25 ,
(c5 + c6 )2 + c22 = (c3 + c4 )2 + c21 .
(ii)
(iii)
Bilden wir nun zunächst die Di↵erenzen (i)-(ii), (i)-(iii) und (ii)-(iii):
c1 (c1 + c2 ) = c6 (c5 + c6 ),
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c3 (c3 + c4 ) = c2 (c1 + c2 ),
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c5 (c5 + c6 ) = c4 (c3 + c4 ).
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Bilden wir nun die Produkte der Gleichungen:
⇒
⇔
c1 c3 c5 (c1 + c2 )(c3 + c4 )(c5 + c6 ) = c2 c4 c6 (c1 + c2 )(c3 + c4 )(c5 + c6 ),
c1 c3 c5
= 1.
c2 c4 c6
Nun folgt die Behauptung im nicht entarteten Dreieck aus der Umkehrung des Satzes
von Ceva.
Als Seitenhalbierende wird eine Strecke bezeichnet welche eine Ecke des Dreiecks mit
dem Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite verbindet.
Satz 2.6.2. (Satz vom Seitenhalbierendenschnittpunkt)
Die drei Seitenhalbierenden des Dreiecks schneiden sich in einem Punkt PSH . Dieser
Punkt teilt jede Seitenhalbierende im Verhältnis 2:1. Der Punkt PSH ist der sogenannte
Schwerpunkt des Dreiecks.
Beweis: Da nach Konstruktion
AD
= 1,
DB
BE
= 1,
EC
CF
= 1,
FA
sind, ist die Umkehrung des Satzes von Ceva erfüllt und, da die Ecktransversalen o↵ensichtlich nicht parallel sind, schneiden sie sich in einem Punkt.
Für die Bestimmung des Verhältnisses benutzen wir die Bezeichnungen in dieser Abbildung:
Abbildung 13: Schnittpunkt der Seitenhalbierenden
Die Dreiecke (F, E, C) und (A, B, C) sind ähnlich, da ihre Winkel in C übereinstim�AC�
men und �BC�
�EC� = �F C� = 2 gilt. Aus diesem Grund ist die Länge der Strecke EF gleich c�2
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und es folgt aus der Umkehrung des Strahlensatzes, dass G(A, B) und G(E, F ) parallel
sind.
Wenden wir nun den Strahlensatz auf das Geradenpaar G(B, F ) und G(A, E) und die
beiden parallelen Geraden G(A, B) und G(E, F ) an, so folgt:
�APSH � 2c
=
= 2.
�EPSH � c
Analog führen wir den Beweis für die anderen Seitenhalbierenden.
Satz 2.6.3. (Satz vom Winkelhalbierendenschnittpunkt)
Die drei Halbierenden der Innenwinkel des Dreiecks schneiden sich in einem Punkt PW H .
Beweis: Wir betrachten ein Dreieck (A, B, C) und zwei der Winkelhalbierenden.
Diese sind o↵ensichtlich nicht parallel und schneiden sich daher in einem Punkt P .
Abbildung 14: Schnittpunkt der Winkelhalbierenden
Von P aus fällen wir das Lot auf alle Seiten und bezeichnen die Fußpunkte der Lote mit
D, E, F . (A, D, P ) und (B, P, F ) sind kongruent, da sie eine gemeinsame Seite (AP )
und zwei gleiche Winkel (rechter Winkel und ↵�2) haben. Daraus folgt: �DP � = �EP �.
Analog: D(B, D, P) und (B, P, F ) sind kongruent und �DP � = �F P �. Daraus folgt
�F P � = �EP �. Hieraus entsteht ein Viereck P F CE mit zwei rechten Winkeln und zwei
gleichen Seiten, nämlich �F P � = �EP �. Daraus folgt, dass die Dreiecke (P, F, C) und
(P, E, C) kongruent sind. Die Gerade G(P, C) halbiert also den Winkel an der Ecke
C.
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Korollar 2.6.4. Es sei PW H der Schnittpunkt der Winkelhalbierenden im Dreieck, so
gilt:
dist(PW H , AB) = dist(PW H , AC) = dist(PW H , BC).
Abbildung 15: Inkreis eines Dreiecks
Der Kreis mit dem Zentrum PW H und dem Radius dist(PW H , AB) wird auch Inkreis
genannt und schneidet das Dreieck in den Fußpunkten der Lote von PW H auf den Seiten
des Dreiecks.
Satz 2.6.5. Die drei Mittelsenkrechten eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt
PM S . Der Kreis mit dem Zentrum in diesem Punkt verläuft durch die drei Ecken des
Dreiecks und wird Umkreis des Dreiecks genannt. Es gilt also:
dist(PM S , A) = dist(PM S , B) = dist(PM S , C).
Beweis: Die Mittelsenkrechten an AB und AC schneiden sich o↵ensichtlich in einem
Punkt P . Da sowohl die Dreiecke (A, P, D) und (D, P, B) als auch die Dreiecke
(A, P, E) und (P, E, C) jeweils o↵ensichtlich kongruent zueinander sind (je zwei
rechtwinklige Dreiecke mit zwei gleich langen Seiten, siehe 2.4.4), gilt �AP � = �BP � und
mit der zweiten Kongruenz dann �AP � = �CP �.
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Abbildung 16: Umkreis eines Dreiecks
Von P aus fällen wir nun das Lot auf die Gerade G(C, B). Der Schnittpunkt teilt die
Strecke CB in Abschnitte der Länge x und y und l sei die Länge dieses Lotes. Da es
sich um zwei rechtwinklige Dreiecke handelt, folgt nun durch den Satz des Pythagoras:
x2 + l2 = �BP �2 ,
y 2 + l2 = �CP �2
Aus �BP � = �AP � = �CP � folgt nun x = y und daraus folgt wiederum, dass das Lot die
Mittelsenkrechte an BC ist.
Satz 2.6.6. (Die Euler’sche Gerade eines Dreiecks)
Die Punkte PH , PSH und PM S fallen ausschließlich in einem gleichseitigen Dreieck zusammen.
Sei ein Dreieck (A, B, C) nicht gleichseitig. Dann liegen die Punkte PH , PSH und PM S
auf einer Geraden. Auf dieser Geraden besteht das Verhältnis
�PH PSH �
2
= .
�PSH PM S � 1
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Abbildung 17: Die Euler’sche Gerade
Beweis: Mit den Bezeichnungen der Abbildung und nach dieser Konstruktion sind in
diesem Dreieck folgende Strecken parallel:
1. APH �DPM S , da beide Strecken senkrecht auf BC sind;
2. BPH �EPM S , da beide Strecken senkrecht auf AC sind;
3. AB�DE mit dem Verhältnis
tenmittelpunkte ist.
�AB�
�DE�
= 21 , weil DE die Verbindungslinie zweier Sei-
Aus dem Ähnlichkeitssatz (2.4.4) folgt nun, dass die Dreiecke (A, B, PH ) und (D, E, PM S )
ähnlich sind und ihr Streckungsfaktor 2 beträgt. Dieses Verhältnis gilt für jede der entsprechenden Seiten der ähnlichen Dreiecke, demnach gilt:
�APH �
2
= .
�DPM S � 1
Es sei nun P ∗ der Schnittpunkt der Strecke PH PM S mit AD. Dann gilt:
● �(PH P ∗ A) = �(DP ∗ PM S ), weil sich die Winkel auf den Geraden G(A, D) und
G(PH , PM S ) in deren Schnittpunkt P ∗ gegenüberliegen.
● �(PH AP ∗ ) = �(PM S DP ∗ ), da APH �DPM S .
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Daraus folgt, dass die beiden Dreiecke (A, PH , P ∗ ) und (D, PM S , P ∗ ) ähnlich sind
�APH �
und zudem gilt: �DP
= 21 . Daraus folgt aufgrund der Ähnlichkeit:
MS�
�AP ∗ � 2
=
�DP ∗ � 1
und
�P ∗ PH �
2
= .
∗
�P PM S � 1
Da nun die Seitenhalbierende AD durch den Punkt P ∗ im Verhältnis 2:1 geteilt wird,
diese Eigenschaft jedoch der gemeinsame Schnittpunkt PSH hat, sehen wir, dass die
Punkte P ∗ und PSH zusammenfallen.
∗
Aus der Gleichung �P�P∗ PPMHS� � = 21 folgt nun auch die Behauptung über das Teilungsverhältnis.
2.7 Der Flächeninhalt des Dreiecks, die Heron’sche Formel
Da jedes Dreieck durch geeignetes Verdoppeln ein Parallelogramm ergibt, folgt für ein
Dreieck die wohlbekannte Flächenformel:
1
1
1
vol( ) = a ⋅ ha = b ⋅ hb = c ⋅ hc
2
2
2
Wobei vol“ hier für ein zweidimensionales Volumen also eine Fläche steht. Daraus
”
folgt, dass die Seitenhalbierenden die Fläche teilen. Das Verhältnis ha �b lässt sich auch
über den Sinus des Winkels ausdrücken. Es gilt ha �b = sin und mit entsprechenden
Bezeichnungen für die anderen Höhen erhalten wir:
vol( ) =
1
ab sin
2
=
1
1
bc sin↵ = ac sin .
2
2
Im folgenden Abschnitt benutzen wir die Standardbezeichnungen im Dreieck und bezeichnen den halben Dreiecksumfang mit
p ∶=
a+b+c
.
2
Satz 2.7.1. (Heron’sche Formel)
Der Flächeninhalt lässt sich allein durch die Längen seiner Seiten ausdrücken.
�
Es gilt: vol( ) = p(p − a)(p − b)(p − c).
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Elementare Geometrie: Teil II
Beweis: Der Kosinussatz liefert uns
cos(↵) =
b 2 + c 2 − a2
2bc
Aus der Beziehung sin2 (↵) + cos2 (↵) = 1 folgt folgt zunächst
4b2 c2 sin2 (↵) = 4b2 c2 − (b2 c2 − a2 )2
Durch zweimalige Anwendung der dritten Binomischen Formel erhalten wir:
4b2 c2 sin2 (↵) = [2bc + b2 + c2 − a2 ][2bc − b2 − c2 + a2 ]
= [(b + c)2 − a2 ][a2 − (b − c)2 ]
= [b + c + a][b + c − a][a − b + c][a + b − c]
Wir ersetzen nun (b + c + a) durch 2p und (b + c − a) durch 2p − 2a usw. und erhalten:
⇒
4b2 c2 sin2 (↵) = 2p ⋅ 2(p − a) ⋅ 2(p − b) ⋅ 2(p − c)
2�
sin(↵) =
p(p − a)(p − b)(p − c)
bc
(*)
Da sich die Fläche eines Dreiecks aus 2vol( ) = bc sin(↵) berechnen lässt, folgt die
Heron’sche Formel sofort.
Bemerkung 2.7.2. Aus vol( ) = 12 a ⋅ ha , vol( ) = 12 b ⋅ hb und vol( ) = 12 c ⋅ hc können
wir die Höhen des Dreiecks in Abhängigkeit von dessen Seitenlängen berechnen:
ha =
2vol( )
,
a
hb =
2vol( )
,
b
hc =
2vol( )
.
c
Wenden wir die Ungleichung zwischen geometrischem und arithmetischem Mittel
x1 x2 x3 ≤ �
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x1 + x2 + x3 3
�
3
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(Bemerke: Gleichheit gilt ausschließlich für x1 = x2 = x3 ) auf x1 = p − a, x2 = p − b und
√
x3 = p − c an, so erhalten wir nach Multiplikation mit p und dem Vergleich mit der
Heron’schen Formel:
�
�
3p − a − b − c 3
3p − 2p 3
p2
vol( ) ≤ p ⋅ �
� = p⋅�
� = √
3
3
3 3
2
[a + b + c]
√
⇒
vol( ) ≤
12 3
Gleichheit tritt auch hier wieder nur bei a = b = c auf.
Satz 2.7.3. Der Flächeninhalt eines Dreiecks mit den Seitenlängen a, b, c kann abgeschätzt werden durch:
vol( ) ≤
[a + b + c]2
√
12 3
Gleichheit tritt nur im Falle eines gleichseitigen Dreiecks auf. Daraus folgt direkt, dass
der Flächeninhalt eines Dreiecks mit vorgegebenem Umfang maximal ist, falls es gleichseitig ist.
2.8 Die In-, Um- und Ankreise des Dreiecks
Satz 2.8.1. Der Radius r des Inkreises eines Dreiecks ist gleich dem Quotienten der
Fläche und dem halben Umfang,
�
vol( )
(p − a)(p − b)(p − c)
r=
=
p
p
Abbildung 18: Radius des Inkreises
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Beweis: Wie vorhin gezeigt, ist der Mittelpunkt des Inkreises der Schnittpunkt PW H .
Durch Berechnung der Flächeninhalte von den Dreiecken (A, B, PW H ), (B, C, PW H )
und (A, C, PW H ) ergibt sich:
⇒
a
b
c
vol( ) = r + r + r = pr
2
2
2
vol( )
r=
p
Satz 2.8.2. Für den Radius R des Umkreises eines Dreiecks
R=
gilt:
abc
4vol( )
Abbildung 19: Radius des Umkreises
Beweis: Den zweiten Schnittpunkt der Gerade G(A, PM S ) mit dem Umkreis bezeichnen wir mit E. D sei der Fußpunkt der Höhe ha . Die Winkel �(ADB) und �(ACE)
sind rechte Winkel (Vorgri↵ auf Satz des Thales). Außerdem seien die Winkel �(ABD)
und �(AEC) gleich, da beide Umfangswinkel über derselben Sehne AC des Umkreises
liegen. Daraus folgt die Ähnlichkeit der Dreiecke (A, B, D) und (A, C, E). Insbesondere folgern wir:
ha ∶ c = b ∶ 2R bzw. b ⋅ c = 2 ⋅ R ⋅ ha .
Aus 2 ⋅ vol( ) = a ⋅ ha folgt nun die Behauptung.
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Datum: 25.10.2016
Seite 18
Elementare Geometrie: Teil II
Satz 2.8.3. Die Halbierende eines Innenwinkels und die Halbierenden der beiden ihm
nicht anliegenden Außenwinkel schneiden sich in einem Punkt P . Es gibt einen Kreis
mit dem Mittelpunkt P der sowohl eine Dreiecksseite als auch die Verlängerungen der
beiden anderen Dreiecksseiten berührt. Der Radius des Ankreises an der entsprechenden
Dreiecksseite beträgt:
ra =
vol( )
,
p−a
rb =
vol( )
,
p−b
rc =
vol( )
.
p−c
Abbildung 20: Ankreis eines Dreiecks
Beweis: Dieser Beweis verläuft analog zum Beweis von Satz 2.6.3.
Skizze des Beweises: Wir fällen das Lot von P auf die Verlängerungen der Seiten des
Dreiecks. Danach argumentieren wir wie im Fall der Halbierenden der Innenwinkel. Der
Radius wird aus folgendem Vergleich berechnet: vol( (A, B, C)) = vol( (A, B, P )) +
vol( (A, B, P )) − vol( (A, C, P )). Der Radius ist gleich der Höhe eines jeden dieser
Dreiecke. Für den Flächeninhalt von (A, B, C) erhalten wir dann:
1
1
1
vol( ) = c ⋅ rb + a ⋅ rb − b ⋅ rb = (p − b) ⋅ rb
2
2
2
Korollar 2.8.4. Seien r, ra , rb und rc die Radien des Inkreises sowie der drei Ankreise
eines Dreiecks D. Dann gilt:
rra rb rc = (vol( ))2 ,
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1
1 1 1
+ + = .
ra rb rc r
Datum: 25.10.2016
Seite 19
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Literatur
[1] Ilka Agricola, Thomas Friedrich: Elementargeometrie, Vieweg + Teubner Verlag,
3. Auflage, Wiesbaden, 2011.
TU Dortmund
Datum: 25.10.2016
Seite 20
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