ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 GLAUBEN EINFACH NUR SITZEN ÜBER DIE PRAXIS DES ZEN VON HANS MICHAEL EHL SENDUNG 06.01.2009 /// 12.05 UHR ENTDECKEN SIE DEN SWR2 RADIOCLUB! Lernen Sie das Radioprogramm SWR2 und den SWR2 RadioClub noch näher kennen! Fordern Sie unverbindlich und kostenlos das aktuelle SWR2-Programmheft und das Magazin des SWR2 RadioClubs an unter Telefon 01803/92 92 22 (0,09 €/Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk ggf. abweichend) oder per E-Mail an [email protected]. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. O-Ton Heiler Auf diesem Kissen, da kann ich mich einfach all dem, was da kommen möchte, das kann ich einfach zulassen, ich sitze da und da kommen die Gedanken und sie gehen weiter und es kommt der nächste Gedanke und das geht los von: „ist der 1 Geschirrspüler ausgeräumt?“, bis zum „Was kommt denn eigentlich nach dem Tod, kommt da irgendwas?“ und in dieser ganzen Bandbreite kommen die Gedanken und die fließen da so durch, und ich finde das sehr schön, sich dem so aussetzen zu dürfen und diesen Raum dafür zu haben. O-Ton Beebone Gelassenheit, Dinge wirklich so anzunehmen, wie sie sind, auch nicht permanent alles zu hinterfragen, nicht nach vorne und nicht nach hinten zu denken, also wie man so schön sagt, im Moment zu sein, und diesen Moment auch wertfrei zu leben, sondern einfach jetzt als das nimmt, in seinem Sosein zu nehmen, ist ein bisschen „tricky“, wenn man diese ganzen Begriffe benutzt, Sosein, Dasein, Einssein, aber darum dreht es sich halt natürlich auch. Moderation Anna-Maria Heiler und Jessica Beebone treffen sich einmal in der Woche am Montagabend in der Zen-buddhistischen Gruppe Baden-Baden. Zwei Mal 35 Minuten verbringen sie schweigend im Meditationssitz, unterbrochen von 10 Minuten meditativem Gehen, „Kinhin“ genannt, und zum Abschluss werden Sutras rezitiert, traditionelle Texte des Buddhismus. Atmo Zen-Gruppe Baden-Baden Sutra Moderation Seit dreieinhalb Jahren kommt die Krankenschwester Anna-Maria Heiler zu den Treffen. Die regelmäßige Meditation im Zazen hat sie nach einer Lebenskrise ruhiger werden lassen und gelassener, sagt sie. O-Ton Heiler Ich zerreiße mich nicht mehr in jede Richtung, ich fühle mich insgesamt tief innen drin freier, ich bin meinen Stimmungen oder den Stimmungen meiner Umwelt nicht mehr so ausgeliefert, weil ich lerne durch das Zazen, dass das auch nur Ausdruck irgendwelcher Äußerlichkeiten sind, die ich nicht mehr so für das Essentielle halte. Also es sind alles Kleider, Masken, Formen, aber nicht das Eigentliche. Moderation Leiter der Gruppe ist Gregor Rinko Stehle. Er ist buddhistischer Mönch und praktiziert schon seit 18 Jahren Zazen. 2 O-Ton Stehle Es ist der Effekt, man fühlt sich leichter danach oder entspannter, freier im Kopf, die Haltung wird aufrecht, und das ist wie Essen und Trinken und dann will der Körper mehr, weil er sich wohlfühlt, weil er merkt, er kann sich dabei entspannen, die Muskeln können sich entspannen, das Gehirn kann sich entspannen und diese positiven Auswirkungen, die wollen sich dann selber. Musikakzent 1 The Ongaku Masters, Take 7, Kyorei, unterlegen O-Ton Zitat Das Geheimnis des Zen besteht darin, in einer Haltung tiefer Konzentration einfach zu sitzen, ohne Ziel und ohne Streben nach Nutzen. Dieses derart uninteressierte Sitzen nennt man Zazen, wobei za „sitzen“, und zen „Meditation, Konzentration, Versenkung“ bedeutet. O-Ton Stehle Wichtig ist, dass der Rücken aufrecht ist und das Becken leicht nach vorne geneigt, so dass der Unterbauch entspannen kann, sich öffnen, dafür ist natürlich die ideale Haltung, wenn man ein Kissen hat, sich auf den Boden setzt, das linke Bein auf den rechten Schenkel legt, wie wir sagen das ist der Halblotus, weil das ist die stabilste Haltung, in der ist wirklich der ganze Körper von unten her stabil und dann legt man die Hände in den Schoß, indem man die linke Hand in die rechte Handfläche legt, die Daumen darüber berühren sich waagrecht. Es ist eine Haltung, die sich auf sich selbst zentriert und dadurch erleichtert es, dass sich der Körper und der Geist auf sich selbst konzentrieren können. Moderation Michael von Brück ist Professor für Vergleichende Religionswissenschaften an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Er ist selbst Zen- und Yoga-Lehrer und weiß, was es für Ungeübte bedeutet, in dieser Haltung eine längere Zeit in völliger Stille zu sitzen. O-Ton Brück Was natürlich den Schülern als erstes passiert, wenn sie mal ruhig sitzen, und äußerlich völlig regungslos sind, dann fängt das Bewusstsein erstmal an zu toben, 3 d.h. die Gedanken rasen wie Affen durch den Urwald, die rasen durch den Kopf, das ist ein Bild, das aus dem alten Indien schon kommt, und damit erst mal umzugehen und sich das gefallen zu lassen, diese Gedanken völlig neutral anzuschauen, sich davon nicht irritieren zu lassen, nicht mit ihnen in Diskussion zu treten, sondern auf den Atem zu konzentrieren, auf die völlig ruhige Sitzhaltung zu konzentrieren, das ist der erste Schritt. Nach einer gewissen Zeit beruhigt sich das Bewusstsein und das Ziel des Zen ist eine völlige Einung aller Bewusstseinskräfte zu einer Ruhe, zu einer Klarheit, die sich dann einstellt, die wir als die Erleuchtung oder als das Erwachen in der Tradition bezeichnen. O-Ton Stehle Ein einfaches Beispiel ist, wie wenn man ein Glas Wasser, das aufgewirbelt ist mit viel Schlamm, wenn man das ruhig auf den Tisch stellt und einfach mal für eine Zeit in Ruhe lässt, dann setzt sich der Schlamm ab und das Wasser wird klar, derselbe Effekt passiert in unserem Geist, im Bewusstsein, alle unklaren Gedanken, die uns manchmal wie Nebel erscheinen, setzen sich ab und der Geist wird wieder klar, das ist Zazen. Moderation Gregor Rinko Stehle ist Mönch im Kloster Kosanryumonji, zu deutsch: „DrachentorTempel zum Alten Berg“ in Weiterswiller in den Nordvogesen. Etwa 15 Mönche und Nonnen leben hier dauerhaft. Sie werden unterstützt von so genannten Dojos – ZenZentren - im Osten Frankreichs und in Südwestdeutschland, u.a. in Straßburg, Freiburg und Karlsruhe, in Mannheim und Heidelberg und eben auch von der Zenbuddhistischen Gruppe in Baden-Baden. Leiter des Klosters ist der 54-jährige ZenMeister Olivier Reigen Wang-Genh. O-Ton Meister Olivier La plupart des gens... Die meisten Menschen denken, wenn man aufhört, etwas zu tun, entsteht ein leerer Raum oder ein Nichts und weil alle eine grundsätzliche Angst haben vor der Leere und dem Nichts, wollen alle die Leere mit Aktion füllen oder mit Worten. Deshalb reden die meisten Menschen viel, zu viel übrigens. Man denkt auch zu viel, man will die Dinge auffüllen. Was man die Leere im Zen nennt, ist aber nicht das Nichts oder die Abwesenheit von Etwas. Die Leere ist im Gegenteil totale Präsenz, totale Anwesenheit, aber keine gewöhnliche Anwesenheit, keine Präsenz des persönlichen Bewusstseins, des Ego, das sich mit der Wirklichkeit identifiziert. Das heißt, im Zen sind wir in fundamentaler, absoluter, umfassender Einheit mit allen Dingen, mit der Realität, wie wir sie nennen. ... appelle la réalité. Moderation 4 Meister Olivier ist Schüler des japanischen Zen-Meisters Taisen Deshimaru. Deshimaru kam 1967 aus Japan nach Europa, um die Praxis des Zazen bekannt zu machen. Er stammte aus einem Kloster, das der Tradition des so genannten SotoZen angehört. Diese Tradition ist eng verbunden mit dem japanischen Zen-Meister Dogen aus dem 13. Jahrhundert. Ursprünglich entwickelte sich der Zen-Buddhismus im 6. Jahrhundert in China aus der Linie des Mahayana-Buddhismus, der aus Indien nach China gekommen war. Eine Urform des Soto-Zen lernte Meister Dogen auf einer China-Reise kennen. Wieder zurück in seiner japanischen Heimat fasste er seine Erfahrungen in systematischen philosophischen Schriften zusammen und gründete eigene Klöster, in denen Zen praktiziert wurde. In seinem Hauptwerk „Shobogenzo“ reflektiert Dogen u.a. über das Wesen des Menschen, über die rechte Disziplin und über die Bedeutung des Sitzens in der Meditation. Musikakzent 2 Katsuya Yokoyama, Zen, CD2, Take 6 Shingetsu unterlegen O-Ton Zitat Gebote Es gibt einen leichten Weg, Buddha zu werden: Nichts Böses wirken, an Leben und Tod nicht haften. Mit allen Lebewesen tiefes Mitleid hegen, das Oben ehren, mit dem Unten Erbarmen haben, nichts hassen, nichts verlangen, nichts im Herzen bedenken, um nichts Leid tragen – dies nenne ich Buddha. Suche sonst nichts. Moderation Im Unterschied zu Meistern anderer Zen-Traditionen betont Dogen, dass das Sitzen nicht Mittel zum Zweck sei, sondern „der Weg sei das Ziel“. Die Meditation sei keine Vorübung, die zum Ziel der Erleuchtung führe, sondern das Sitzen und das vollkommene achtsame Handeln seien die Erleuchtung. In der Einleitung zu seiner Schrift „Shobogenzo“ schreibt Dogen: O-Ton Zitat Dogen Zen zu ergründen bedeutet, uns selbst zu ergründen, uns selbst zu ergründen bedeutet, uns selbst zu vergessen, uns selbst zu vergessen bedeutet, die Buddhanatur, unsere ursprüngliche Natur, zu finden. Moderation 5 In Anlehnung an die Lehren von Meister Dogen aus dem 13. Jahrhundert betonte auch Taisen Deshimaru, Zen sei kein Nachdenken über etwas, keine Theorie, keine Vorstellung; es sei kein Wissen, sondern allein Praxis, die Praxis von Zazen, des Sitzens in der korrekten Haltung. Konrad Tenkan Beck hat Zazen vor 30 Jahren bei so genannten Sesshins oder Retreats mit Meister Taisen Deshimaru kennengelernt. Zu einem Sesshin kommen Meditierende im Dojo oder im Kloster für mehrere Tage zusammen. Vier bis fünf Stunden sind täglich für die Meditation reserviert, man hört Vorträge des Meisters, praktiziert „samu“, also Handarbeit z.B. im Garten, in der Küche oder in der Schneiderei, wo die traditionellen Gewänder und Sitzkissen für die Meditation hergestellt werden. O-Ton Beck Es war im Zazen, während seiner Unterweisung seine Stimme. Es war eine sehr starke persönliche Ausstrahlung, die hier mit herein gespielt hat. Er hat in dem Sinn nicht ein System gebracht oder einen Buddhismus, sondern er hat einen Weg aufgezeigt, in dem alle Menschen essentiell ihre Probleme, vor allem auch die Probleme in der modernen Gesellschaft, mit Zazen lösen können oder damit besser unterwegs sein können, indem Zazen uns weniger kompliziert macht. Er nannte es: weniger egoistisch sein. Das ist richtig: weniger egozentrisch. Moderation Konrad Beck, der als Computerfachmann arbeitet, ist damals über einen Studienfreund zum Zen gekommen. Heute praktiziert er Zazen im Dojo in Freiburg. Anfangs hat er durch die Meditation vor allem Ruhe und eine gewisse Stabilität gefunden. Daraus wurde mit der Zeit mehr. O-Ton Beck Was sich dann fortgesetzt hat, ist dieses Berühren einer Realität im Augenblick, ohne dass ich diese hätte greifen können, ohne dass ich sie hätte einpacken und mitnehmen und vermarkten könnte. Diesen Moment schätze ich bis heute, es ist dieser Moment, wo ich eigentlich jedes Mal meine persönliche Welt verlasse oder die Welt der Menschen oder auch die Welt der Religionen und das ist der Punkt, den ich für mich im Zazen immer wieder berühre und der mich immer wieder hierher kommen lässt. Aber jeder Mensch wird ihnen das anders formulieren. O-Ton Brück 6 In Indien bereits ist diese Metapher des Erwachens so benutzt worden, dass man sagt, das, was das Bewusstsein dabei erfährt, ist vergleichbar dem Erwachen, wenn wir vom Schlaf oder vom Traum zu unserem Tagesbewusstsein aufwachen, da ist alles äußerlich dasselbe geblieben, aber der Bewusstseinszustand hat sich völlig verändert und wir erleben die Welt ganz verändert, und so ähnlich ist das auch von unserem normalen Tagesbewusstsein, das Erwachen zu diesem Tiefenbewusstsein in der Meditation: Die Welt ist noch dieselbe, aber wir erleben sie in einer Einheit, in einer vollkommenen Klarheit, wie das sonst nicht möglich ist. Moderation Taisen Deshimaru, der 1982 im Alter von 68 Jahren starb, nannte Zen gern die „Religion vor der Religion“. Ähnlich sieht das auch der Münchener Religionswissenschaftler Michael von Brück, der selbst Zen-Kurse leitet. O-Ton Brück Ich glaube nicht, dass man diese Praxis, so wie sie sich in China entwickelt hat und wie wir sie ja auch praktizieren, mit dem Sitzen, mit den Bildern, die wir dann ja auch trotz aller Gegenstandslosigkeit vor die Seele der Menschen stellen, also dass das loslösbar wäre vom Buddhismus und speziell vom chinesischen Buddhismus. Insofern ist natürlich Zen auch Religion, Religion als Ritual, als etwas Kultisches, als eine Vorstellungswelt, mit der man sich identifiziert, um dann aber, und das ist ja der Witz beim Zen, jenseits aller Vorstellungen zu gehen. Die Religion des Zen ist wie ein Sprungbrett, in eine „transreligiöse“ Erfahrung zu kommen, die aber ja ich möchte sagen, alles Wertvolle, alles Wichtige in allen möglichen Religionen erst überhaupt plausibel macht. Moderation Olivier Reigen Wang-Genh meint, er könne im Lauf der Jahrzehnte eine klare Entwicklung erkennen. Hätten früher die meisten Menschen im Zazen eher noch eine Meditationstechnik gesucht, habe sich das Interesse inzwischen gewandelt. O-Ton Meister Olivier Pendant les premières années... In den Anfangsjahren, in den siebziger Jahren, haben wir vor allem in Frankreich, aber auch ein bisschen in Deutschland auf ein praktisches Bedürfnis reagiert, es gab ein Bedürfnis nach Meditation und nach Stille. Aber allmählich haben die Europäer auch angefangen, sich tiefer für den Buddhismus zu interessieren. Sie sind nicht bei der Praxis stehen geblieben, sondern sie haben wirklich begonnen, die Lehren des Buddha zu studieren. In diesem Sinn kann man sagen, dass sie tatsächlich viel religiöser geworden sind. ... on peut dire. 7 Moderation Zum Abschluss des wöchentlichen Meditationstreffens der Zen-buddhistischen Gruppe in Baden-Baden wird gemeinsam das so genannte Herz-Sutra rezitiert und andere wichtige Texte aus dem Buddhismus; Niederwerfungen und Verbeugungen beenden die Meditation. Anna-Maria Heiler sieht die Rituale eher als einen wichtigen Rahmen für die Meditation. O-Ton Heiler Das Ritual an und für sich halte ich schon für richtig und wichtig, weil es bringt mich aus dem Alltag in diesen besonderen Raum, in das Dojo, in den Zeitraum mit einem Ritual, in dem ich eben mit dem rechten Fuß das Dojo betrete und mich dann entsprechend verhalte wie die Regeln sind, in so einen geheiligten Schutzraum, wie gesagt zeitlich und örtlich gesehen, und dieser Schutzraum sollte danach auch wieder aufgelöst werden, dass man wieder profan wird, so empfinde ich das. Moderation Olivier Reigen Wang-Genh kann die Vorbehalte gegenüber den traditionellen asiatischen Ritualen nachvollziehen. Es gehe aber auch darum, sich in die Reihe einer langen Tradition des Zen in Asien zu stellen. Für den Abt des Klosters Kosanryumonji in den Nordvogesen zeigt sich darin ein wesentlicher Unterschied zwischen asiatischem und europäischem Denken. O-Ton Meister Olivier Ce qui choque... Wenn Europäer in einem japanischen Zen-Tempel in Japan praktizieren wollen, schockiert die Japaner immer, dass der Europäer verstehen will, bevor er praktiziert. Wenn man ihm sagt, was er zu tun hat, will er vorher wissen, warum. Erst wenn er meint, verstanden zu haben, dann tut er es. Für einen Japaner hat es keine Bedeutung zu verstehen. Er tut, was man ihm sagt und er versteht, während er es tut, nachher oder auch überhaupt nicht: die Aktion in sich selbst ist wichtiger als das vorhergehende Verstehen oder überhaupt zu verstehen. ... comprendre quelque chose. Atmo Sutra-Konzert Olivier Reigen Wang-Genh Moderation 8 Gregor Rinko Stehle, Mönch in Kosanryumonji und Leiter der Zen-buddhistischen Gruppe in Baden-Baden, geht es bei der Rezitation der Sutras weniger um den Inhalt der Texte. O-Ton Stehle Man spricht von der Kraft der Texte, dadurch, dass man seinen Geist damit einstimmt oder einschwingt durchs Singen, entstehen wohlwollende Worte und wohlwollende Worte haben einen guten Effekt, eine gute Wirkung, also man sagt nicht irgendwas oder kritisiert alles, sondern der Text ist die Lehre Buddhas und wenn man die rezitiert, dann ist die Wirkung eine andere, wie wenn man anfängt, jemanden zu beleidigen, dann hat man eine andere Wirkung. Moderation Wichtig ist Stehle, dass die Meditation im Zazen auch im Alltag Folgen hat. Aus der Erfahrung im Zazen soll eine veränderte Achtsamkeit für das Alltägliche erwachsen. O-Ton Stehle Zazen geht anderthalb Stunden und der Rest des Tages wird natürlich damit so zu sagen getränkt, mit dieser Erfahrung, dass man dann auch im Alltag dieselbe Geisteshaltung beibehält, dieselbe Achtsamkeit auf seine Körperhaltung, so wie bei Zazen, Körper und Geist los lassen, und dann hat das Ganze einen kulturellen, einen sozialen Aspekt, wie man auch sieht, in China hat es die Kultur beeinflusst, was wir heute die chinesische Kultur nennen, vieles davon kommt aus dem Zen, was sich in China etabliert hat, für Japan gilt dasselbe. Musikakzent unterlegen Zen, CD2, Take 6 Shingetsu unterlegen O-Ton Zitat Satori Ein Holzfäller war im Wald bei der Arbeit. Er hatte einmal von einem sagenhaften Tier namens Satori gehört und hätte es sehr gerne besessen. Eines Tages kam das Tier Satori ihn besuchen. Der Holzfäller rannte ihm nach und war nicht wenig erstaunt, als es zu ihm sprach: „Du wirst mich nicht bekommen, weil du mich haben willst.“ Der Holzfäller ging zurück an seine Arbeit. Bald hatte er das Tier völlig vergessen. Er dachte an nichts mehr außer an seine Holzscheite. Da kam das Tier von selbst zu ihm und wurde durch einen Baum, den er gerade fällte, erschlagen… Moderation 9 Die Praxis des Zazen soll sich nicht auf die Zeit der Meditation beschränken. Die Erfahrungen in der Meditation sollen auch den Alltag prägen. Entsprechend sei es völlig falsch, meint der Religionswissenschaftler Michael von Brück, beim Buddhismus von einer weltabgewandten Religion zu sprechen und bei der ZenMeditation von einer Technik vor allem der egoistisch angestrebten Selbstvervollkommnung. O-Ton Brück Buddhismus ist zutiefst eine Gemeinschaftsangelegenheit, der Samgha, also die Gemeinschaft der Übenden, ist die zentrale Formulierung im buddhistischen Glaubensbekenntnis, des so genannten Zufluchtsbekenntnisses, neben dem Buddha, der gelehrt hat, und dem Dharma, dem Inhalt der Lehre, ist das dritte der Samgha, also die Gemeinschaft. Die buddhistische Zufluchtsformel heißt: Buddham saranam gachami, dharmam saranam gachami, sangham saranam gachami. Also die Gemeinschaft der Übenden, nicht nur die Mönchsgemeinschaft und die Nonnengemeinschaft, also die stark institutionalisierten Formen, sondern wie es heißt der vierfache Sangha, dazu gehören neben Mönchen und Nonnen die Laienanhänger und –anhängerinnen, also auch die Frauen sind jeweils extra erwähnt, die machen Inhalt des Glaubensbekenntnisses aus. Moderation „Alle Existenzen bilden eine Einheit.“, sagte Taisen Deshimaru einmal bei einem Vortrag, „Sie haben dieselbe Wurzel. Ihr und ich, wir sind miteinander verbunden. Euer Glück ist mein Glück. Mein Glück ist euer Glück.“ Die eigene Weisheit und das Mitgefühl oder die Teilnahme am Leben des anderen gehörten für ihn zusammen, so Meister Olivier Reigen Wang-Genh. O-Ton Olivier Pour parler de... Um das Verhältnis von Weisheit und Teilnahme zu verdeutlichen hat Meister Deshimáru oft das Bild eines Vogels gebraucht. Er sagte, ein Vogel braucht seine beiden Flügel, um zu fliegen und das gilt auch für jemanden, der die Lehre Buddhas praktizieren will. Beide Flügel sind notwendig: die Weisheit und die Teilnahme. Mit einem Flügel allein kann ein Vogel nicht fliegen. Selbst wenn er es versuchte: er würde sich nur im Kreis drehen. Mit einem Flügel drehst du dich nur im Kreis. Also beide Aspekte sind untrennbar verbunden - genau wie die zwei Flügel eines Vogels. ... les deux ailes d’un oiseau. Musik: 10 - Katsuya Yokoyama, Zen, Wergo Schallplatten, Mainz, 1988 - The Ongaku Masters, An Anthology of Japanese Classical Music, Celestial Harmonies, 2004 Surftipps: - www.kosanryumonji.org (Zen-Kloster im Elsass) - http://global.sotozen-net.or.jp/ger/index.html (Sotozen weltweit) Literaturtipps: - Taisen Deshimaru, Za-Zen – Die Praxis des Zen, hrsg. von Janine Monnot und Vincent Bardet, Werner Kristkeitz Verlag, 1984 - Taisen Deshimaru, Fragen an einen Zen-Meister, Werner Kristkreitz Verlag, 1981 - Taisen Deshimaru, Dokan – Täglich Zazen! Werner Kristkreitz Verlag, 2002 - Taisen Deshimaru, Die Praxis der Konzentration – Zen und Alltagsleben, Aurum, 2002 - Michael von Brück, Zen – Geschichte und Praxis, Verlag C.H.Beck, 2007. - Michael von Brück, Einführung in den Buddhismus, Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, 2007. 11