SWR2 GLAUBEN

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ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 GLAUBEN
EINFACH NUR SITZEN
ÜBER DIE PRAXIS DES ZEN
VON HANS MICHAEL EHL
SENDUNG 06.01.2009 /// 12.05 UHR
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O-Ton Heiler
Auf diesem Kissen, da kann ich mich einfach all dem, was da kommen möchte, das
kann ich einfach zulassen, ich sitze da und da kommen die Gedanken und sie gehen
weiter und es kommt der nächste Gedanke und das geht los von: „ist der
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Geschirrspüler ausgeräumt?“, bis zum „Was kommt denn eigentlich nach dem Tod,
kommt da irgendwas?“ und in dieser ganzen Bandbreite kommen die Gedanken und
die fließen da so durch, und ich finde das sehr schön, sich dem so aussetzen zu
dürfen und diesen Raum dafür zu haben.
O-Ton Beebone
Gelassenheit, Dinge wirklich so anzunehmen, wie sie sind, auch nicht permanent
alles zu hinterfragen, nicht nach vorne und nicht nach hinten zu denken, also wie
man so schön sagt, im Moment zu sein, und diesen Moment auch wertfrei zu leben,
sondern einfach jetzt als das nimmt, in seinem Sosein zu nehmen, ist ein bisschen
„tricky“, wenn man diese ganzen Begriffe benutzt, Sosein, Dasein, Einssein, aber
darum dreht es sich halt natürlich auch.
Moderation
Anna-Maria Heiler und Jessica Beebone treffen sich einmal in der Woche am
Montagabend in der Zen-buddhistischen Gruppe Baden-Baden. Zwei Mal 35 Minuten
verbringen sie schweigend im Meditationssitz, unterbrochen von 10 Minuten
meditativem Gehen, „Kinhin“ genannt, und zum Abschluss werden Sutras rezitiert,
traditionelle Texte des Buddhismus.
Atmo Zen-Gruppe Baden-Baden Sutra
Moderation
Seit dreieinhalb Jahren kommt die Krankenschwester Anna-Maria Heiler zu den
Treffen. Die regelmäßige Meditation im Zazen hat sie nach einer Lebenskrise ruhiger
werden lassen und gelassener, sagt sie.
O-Ton Heiler
Ich zerreiße mich nicht mehr in jede Richtung, ich fühle mich insgesamt tief innen
drin freier, ich bin meinen Stimmungen oder den Stimmungen meiner Umwelt nicht
mehr so ausgeliefert, weil ich lerne durch das Zazen, dass das auch nur Ausdruck
irgendwelcher Äußerlichkeiten sind, die ich nicht mehr so für das Essentielle halte.
Also es sind alles Kleider, Masken, Formen, aber nicht das Eigentliche.
Moderation
Leiter der Gruppe ist Gregor Rinko Stehle. Er ist buddhistischer Mönch und
praktiziert schon seit 18 Jahren Zazen.
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O-Ton Stehle
Es ist der Effekt, man fühlt sich leichter danach oder entspannter, freier im Kopf, die
Haltung wird aufrecht, und das ist wie Essen und Trinken und dann will der Körper
mehr, weil er sich wohlfühlt, weil er merkt, er kann sich dabei entspannen, die
Muskeln können sich entspannen, das Gehirn kann sich entspannen und diese
positiven Auswirkungen, die wollen sich dann selber.
Musikakzent 1 The Ongaku Masters, Take 7, Kyorei, unterlegen
O-Ton Zitat
Das Geheimnis des Zen besteht darin, in einer Haltung tiefer Konzentration einfach
zu sitzen, ohne Ziel und ohne Streben nach Nutzen. Dieses derart uninteressierte
Sitzen nennt man Zazen, wobei za „sitzen“, und zen „Meditation, Konzentration,
Versenkung“ bedeutet.
O-Ton Stehle
Wichtig ist, dass der Rücken aufrecht ist und das Becken leicht nach vorne geneigt,
so dass der Unterbauch entspannen kann, sich öffnen, dafür ist natürlich die ideale
Haltung, wenn man ein Kissen hat, sich auf den Boden setzt, das linke Bein auf den
rechten Schenkel legt, wie wir sagen das ist der Halblotus, weil das ist die stabilste
Haltung, in der ist wirklich der ganze Körper von unten her stabil und dann legt man
die Hände in den Schoß, indem man die linke Hand in die rechte Handfläche legt, die
Daumen darüber berühren sich waagrecht. Es ist eine Haltung, die sich auf sich
selbst zentriert und dadurch erleichtert es, dass sich der Körper und der Geist auf
sich selbst konzentrieren können.
Moderation
Michael von Brück ist Professor für Vergleichende Religionswissenschaften an der
Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Er ist selbst Zen- und
Yoga-Lehrer und weiß, was es für Ungeübte bedeutet, in dieser Haltung eine längere
Zeit in völliger Stille zu sitzen.
O-Ton Brück
Was natürlich den Schülern als erstes passiert, wenn sie mal ruhig sitzen, und
äußerlich völlig regungslos sind, dann fängt das Bewusstsein erstmal an zu toben,
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d.h. die Gedanken rasen wie Affen durch den Urwald, die rasen durch den Kopf, das
ist ein Bild, das aus dem alten Indien schon kommt, und damit erst mal umzugehen
und sich das gefallen zu lassen, diese Gedanken völlig neutral anzuschauen, sich
davon nicht irritieren zu lassen, nicht mit ihnen in Diskussion zu treten, sondern auf
den Atem zu konzentrieren, auf die völlig ruhige Sitzhaltung zu konzentrieren, das ist
der erste Schritt. Nach einer gewissen Zeit beruhigt sich das Bewusstsein und das
Ziel des Zen ist eine völlige Einung aller Bewusstseinskräfte zu einer Ruhe, zu einer
Klarheit, die sich dann einstellt, die wir als die Erleuchtung oder als das Erwachen in
der Tradition bezeichnen.
O-Ton Stehle
Ein einfaches Beispiel ist, wie wenn man ein Glas Wasser, das aufgewirbelt ist mit
viel Schlamm, wenn man das ruhig auf den Tisch stellt und einfach mal für eine Zeit
in Ruhe lässt, dann setzt sich der Schlamm ab und das Wasser wird klar, derselbe
Effekt passiert in unserem Geist, im Bewusstsein, alle unklaren Gedanken, die uns
manchmal wie Nebel erscheinen, setzen sich ab und der Geist wird wieder klar, das
ist Zazen.
Moderation
Gregor Rinko Stehle ist Mönch im Kloster Kosanryumonji, zu deutsch: „DrachentorTempel zum Alten Berg“ in Weiterswiller in den Nordvogesen. Etwa 15 Mönche und
Nonnen leben hier dauerhaft. Sie werden unterstützt von so genannten Dojos – ZenZentren - im Osten Frankreichs und in Südwestdeutschland, u.a. in Straßburg,
Freiburg und Karlsruhe, in Mannheim und Heidelberg und eben auch von der Zenbuddhistischen Gruppe in Baden-Baden. Leiter des Klosters ist der 54-jährige ZenMeister Olivier Reigen Wang-Genh.
O-Ton Meister Olivier
La plupart des gens... Die meisten Menschen denken, wenn man aufhört, etwas zu
tun, entsteht ein leerer Raum oder ein Nichts und weil alle eine grundsätzliche Angst
haben vor der Leere und dem Nichts, wollen alle die Leere mit Aktion füllen oder mit
Worten. Deshalb reden die meisten Menschen viel, zu viel übrigens. Man denkt auch
zu viel, man will die Dinge auffüllen. Was man die Leere im Zen nennt, ist aber nicht
das Nichts oder die Abwesenheit von Etwas. Die Leere ist im Gegenteil totale
Präsenz, totale Anwesenheit, aber keine gewöhnliche Anwesenheit, keine Präsenz
des persönlichen Bewusstseins, des Ego, das sich mit der Wirklichkeit identifiziert.
Das heißt, im Zen sind wir in fundamentaler, absoluter, umfassender Einheit mit allen
Dingen, mit der Realität, wie wir sie nennen. ... appelle la réalité.
Moderation
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Meister Olivier ist Schüler des japanischen Zen-Meisters Taisen Deshimaru.
Deshimaru kam 1967 aus Japan nach Europa, um die Praxis des Zazen bekannt zu
machen. Er stammte aus einem Kloster, das der Tradition des so genannten SotoZen angehört. Diese Tradition ist eng verbunden mit dem japanischen Zen-Meister
Dogen aus dem 13. Jahrhundert. Ursprünglich entwickelte sich der Zen-Buddhismus
im 6. Jahrhundert in China aus der Linie des Mahayana-Buddhismus, der aus Indien
nach China gekommen war.
Eine Urform des Soto-Zen lernte Meister Dogen auf einer China-Reise kennen.
Wieder zurück in seiner japanischen Heimat fasste er seine Erfahrungen in
systematischen philosophischen Schriften zusammen und gründete eigene Klöster,
in denen Zen praktiziert wurde. In seinem Hauptwerk „Shobogenzo“ reflektiert Dogen
u.a. über das Wesen des Menschen, über die rechte Disziplin und über die
Bedeutung des Sitzens in der Meditation.
Musikakzent 2 Katsuya Yokoyama, Zen, CD2, Take 6 Shingetsu unterlegen
O-Ton Zitat Gebote
Es gibt einen leichten Weg, Buddha zu werden: Nichts Böses wirken, an Leben und
Tod nicht haften. Mit allen Lebewesen tiefes Mitleid hegen, das Oben ehren, mit dem
Unten Erbarmen haben, nichts hassen, nichts verlangen, nichts im Herzen
bedenken, um nichts Leid tragen – dies nenne ich Buddha. Suche sonst nichts.
Moderation
Im Unterschied zu Meistern anderer Zen-Traditionen betont Dogen, dass das Sitzen
nicht Mittel zum Zweck sei, sondern „der Weg sei das Ziel“. Die Meditation sei keine
Vorübung, die zum Ziel der Erleuchtung führe, sondern das Sitzen und das
vollkommene achtsame Handeln seien die Erleuchtung. In der Einleitung zu seiner
Schrift „Shobogenzo“ schreibt Dogen:
O-Ton Zitat Dogen
Zen zu ergründen bedeutet, uns selbst zu ergründen, uns selbst zu ergründen
bedeutet, uns selbst zu vergessen, uns selbst zu vergessen bedeutet, die
Buddhanatur, unsere ursprüngliche Natur, zu finden.
Moderation
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In Anlehnung an die Lehren von Meister Dogen aus dem 13. Jahrhundert betonte
auch Taisen Deshimaru, Zen sei kein Nachdenken über etwas, keine Theorie, keine
Vorstellung; es sei kein Wissen, sondern allein Praxis, die Praxis von Zazen, des
Sitzens in der korrekten Haltung.
Konrad Tenkan Beck hat Zazen vor 30 Jahren bei so genannten Sesshins oder
Retreats mit Meister Taisen Deshimaru kennengelernt. Zu einem Sesshin kommen
Meditierende im Dojo oder im Kloster für mehrere Tage zusammen. Vier bis fünf
Stunden sind täglich für die Meditation reserviert, man hört Vorträge des Meisters,
praktiziert „samu“, also Handarbeit z.B. im Garten, in der Küche oder in der
Schneiderei, wo die traditionellen Gewänder und Sitzkissen für die Meditation
hergestellt werden.
O-Ton Beck
Es war im Zazen, während seiner Unterweisung seine Stimme. Es war eine sehr
starke persönliche Ausstrahlung, die hier mit herein gespielt hat. Er hat in dem Sinn
nicht ein System gebracht oder einen Buddhismus, sondern er hat einen Weg
aufgezeigt, in dem alle Menschen essentiell ihre Probleme, vor allem auch die
Probleme in der modernen Gesellschaft, mit Zazen lösen können oder damit besser
unterwegs sein können, indem Zazen uns weniger kompliziert macht. Er nannte es:
weniger egoistisch sein. Das ist richtig: weniger egozentrisch.
Moderation
Konrad Beck, der als Computerfachmann arbeitet, ist damals über einen
Studienfreund zum Zen gekommen. Heute praktiziert er Zazen im Dojo in Freiburg.
Anfangs hat er durch die Meditation vor allem Ruhe und eine gewisse Stabilität
gefunden. Daraus wurde mit der Zeit mehr.
O-Ton Beck
Was sich dann fortgesetzt hat, ist dieses Berühren einer Realität im Augenblick, ohne
dass ich diese hätte greifen können, ohne dass ich sie hätte einpacken und
mitnehmen und vermarkten könnte. Diesen Moment schätze ich bis heute, es ist
dieser Moment, wo ich eigentlich jedes Mal meine persönliche Welt verlasse oder die
Welt der Menschen oder auch die Welt der Religionen und das ist der Punkt, den ich
für mich im Zazen immer wieder berühre und der mich immer wieder hierher kommen
lässt. Aber jeder Mensch wird ihnen das anders formulieren.
O-Ton Brück
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In Indien bereits ist diese Metapher des Erwachens so benutzt worden, dass man
sagt, das, was das Bewusstsein dabei erfährt, ist vergleichbar dem Erwachen, wenn
wir vom Schlaf oder vom Traum zu unserem Tagesbewusstsein aufwachen, da ist
alles äußerlich dasselbe geblieben, aber der Bewusstseinszustand hat sich völlig
verändert und wir erleben die Welt ganz verändert, und so ähnlich ist das auch von
unserem normalen Tagesbewusstsein, das Erwachen zu diesem Tiefenbewusstsein
in der Meditation: Die Welt ist noch dieselbe, aber wir erleben sie in einer Einheit, in
einer vollkommenen Klarheit, wie das sonst nicht möglich ist.
Moderation
Taisen Deshimaru, der 1982 im Alter von 68 Jahren starb, nannte Zen gern die
„Religion vor der Religion“. Ähnlich sieht das auch der Münchener
Religionswissenschaftler Michael von Brück, der selbst Zen-Kurse leitet.
O-Ton Brück
Ich glaube nicht, dass man diese Praxis, so wie sie sich in China entwickelt hat und
wie wir sie ja auch praktizieren, mit dem Sitzen, mit den Bildern, die wir dann ja auch
trotz aller Gegenstandslosigkeit vor die Seele der Menschen stellen, also dass das
loslösbar wäre vom Buddhismus und speziell vom chinesischen Buddhismus.
Insofern ist natürlich Zen auch Religion, Religion als Ritual, als etwas Kultisches, als
eine Vorstellungswelt, mit der man sich identifiziert, um dann aber, und das ist ja der
Witz beim Zen, jenseits aller Vorstellungen zu gehen. Die Religion des Zen ist wie ein
Sprungbrett, in eine „transreligiöse“ Erfahrung zu kommen, die aber ja ich möchte
sagen, alles Wertvolle, alles Wichtige in allen möglichen Religionen erst überhaupt
plausibel macht.
Moderation
Olivier Reigen Wang-Genh meint, er könne im Lauf der Jahrzehnte eine klare
Entwicklung erkennen. Hätten früher die meisten Menschen im Zazen eher noch eine
Meditationstechnik gesucht, habe sich das Interesse inzwischen gewandelt.
O-Ton Meister Olivier
Pendant les premières années... In den Anfangsjahren, in den siebziger Jahren,
haben wir vor allem in Frankreich, aber auch ein bisschen in Deutschland auf ein
praktisches Bedürfnis reagiert, es gab ein Bedürfnis nach Meditation und nach Stille.
Aber allmählich haben die Europäer auch angefangen, sich tiefer für den
Buddhismus zu interessieren. Sie sind nicht bei der Praxis stehen geblieben, sondern
sie haben wirklich begonnen, die Lehren des Buddha zu studieren. In diesem Sinn
kann man sagen, dass sie tatsächlich viel religiöser geworden sind. ... on peut dire.
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Moderation
Zum Abschluss des wöchentlichen Meditationstreffens der Zen-buddhistischen
Gruppe in Baden-Baden wird gemeinsam das so genannte Herz-Sutra rezitiert und
andere wichtige Texte aus dem Buddhismus; Niederwerfungen und Verbeugungen
beenden die Meditation. Anna-Maria Heiler sieht die Rituale eher als einen wichtigen
Rahmen für die Meditation.
O-Ton Heiler
Das Ritual an und für sich halte ich schon für richtig und wichtig, weil es bringt mich
aus dem Alltag in diesen besonderen Raum, in das Dojo, in den Zeitraum mit einem
Ritual, in dem ich eben mit dem rechten Fuß das Dojo betrete und mich dann
entsprechend verhalte wie die Regeln sind, in so einen geheiligten Schutzraum, wie
gesagt zeitlich und örtlich gesehen, und dieser Schutzraum sollte danach auch
wieder aufgelöst werden, dass man wieder profan wird, so empfinde ich das.
Moderation
Olivier Reigen Wang-Genh kann die Vorbehalte gegenüber den traditionellen asiatischen
Ritualen nachvollziehen. Es gehe aber auch darum, sich in die Reihe einer langen Tradition
des Zen in Asien zu stellen. Für den Abt des Klosters Kosanryumonji in den Nordvogesen
zeigt sich darin ein wesentlicher Unterschied zwischen asiatischem und europäischem
Denken.
O-Ton Meister Olivier
Ce qui choque... Wenn Europäer in einem japanischen Zen-Tempel in Japan
praktizieren wollen, schockiert die Japaner immer, dass der Europäer verstehen will,
bevor er praktiziert. Wenn man ihm sagt, was er zu tun hat, will er vorher wissen,
warum. Erst wenn er meint, verstanden zu haben, dann tut er es. Für einen Japaner
hat es keine Bedeutung zu verstehen. Er tut, was man ihm sagt und er versteht,
während er es tut, nachher oder auch überhaupt nicht: die Aktion in sich selbst ist
wichtiger als das vorhergehende Verstehen oder überhaupt zu verstehen. ...
comprendre quelque chose.
Atmo Sutra-Konzert Olivier Reigen Wang-Genh
Moderation
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Gregor Rinko Stehle, Mönch in Kosanryumonji und Leiter der Zen-buddhistischen
Gruppe in Baden-Baden, geht es bei der Rezitation der Sutras weniger um den Inhalt
der Texte.
O-Ton Stehle
Man spricht von der Kraft der Texte, dadurch, dass man seinen Geist damit
einstimmt oder einschwingt durchs Singen, entstehen wohlwollende Worte und
wohlwollende Worte haben einen guten Effekt, eine gute Wirkung, also man sagt
nicht irgendwas oder kritisiert alles, sondern der Text ist die Lehre Buddhas und
wenn man die rezitiert, dann ist die Wirkung eine andere, wie wenn man anfängt,
jemanden zu beleidigen, dann hat man eine andere Wirkung.
Moderation
Wichtig ist Stehle, dass die Meditation im Zazen auch im Alltag Folgen hat. Aus der
Erfahrung im Zazen soll eine veränderte Achtsamkeit für das Alltägliche erwachsen.
O-Ton Stehle
Zazen geht anderthalb Stunden und der Rest des Tages wird natürlich damit so zu
sagen getränkt, mit dieser Erfahrung, dass man dann auch im Alltag dieselbe
Geisteshaltung beibehält, dieselbe Achtsamkeit auf seine Körperhaltung, so wie bei
Zazen, Körper und Geist los lassen, und dann hat das Ganze einen kulturellen, einen
sozialen Aspekt, wie man auch sieht, in China hat es die Kultur beeinflusst, was wir
heute die chinesische Kultur nennen, vieles davon kommt aus dem Zen, was sich in
China etabliert hat, für Japan gilt dasselbe.
Musikakzent unterlegen Zen, CD2, Take 6 Shingetsu unterlegen
O-Ton Zitat Satori
Ein Holzfäller war im Wald bei der Arbeit. Er hatte einmal von einem sagenhaften
Tier namens Satori gehört und hätte es sehr gerne besessen. Eines Tages kam das
Tier Satori ihn besuchen. Der Holzfäller rannte ihm nach und war nicht wenig
erstaunt, als es zu ihm sprach: „Du wirst mich nicht bekommen, weil du mich haben
willst.“ Der Holzfäller ging zurück an seine Arbeit. Bald hatte er das Tier völlig
vergessen. Er dachte an nichts mehr außer an seine Holzscheite. Da kam das Tier
von selbst zu ihm und wurde durch einen Baum, den er gerade fällte, erschlagen…
Moderation
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Die Praxis des Zazen soll sich nicht auf die Zeit der Meditation beschränken. Die
Erfahrungen in der Meditation sollen auch den Alltag prägen. Entsprechend sei es
völlig falsch, meint der Religionswissenschaftler Michael von Brück, beim
Buddhismus von einer weltabgewandten Religion zu sprechen und bei der ZenMeditation von einer Technik vor allem der egoistisch angestrebten
Selbstvervollkommnung.
O-Ton Brück
Buddhismus ist zutiefst eine Gemeinschaftsangelegenheit, der Samgha, also die
Gemeinschaft der Übenden, ist die zentrale Formulierung im buddhistischen
Glaubensbekenntnis, des so genannten Zufluchtsbekenntnisses, neben dem
Buddha, der gelehrt hat, und dem Dharma, dem Inhalt der Lehre, ist das dritte der
Samgha, also die Gemeinschaft. Die buddhistische Zufluchtsformel heißt: Buddham
saranam gachami, dharmam saranam gachami, sangham saranam gachami. Also
die Gemeinschaft der Übenden, nicht nur die Mönchsgemeinschaft und die
Nonnengemeinschaft, also die stark institutionalisierten Formen, sondern wie es
heißt der vierfache Sangha, dazu gehören neben Mönchen und Nonnen die
Laienanhänger und –anhängerinnen, also auch die Frauen sind jeweils extra
erwähnt, die machen Inhalt des Glaubensbekenntnisses aus.
Moderation
„Alle Existenzen bilden eine Einheit.“, sagte Taisen Deshimaru einmal bei einem
Vortrag, „Sie haben dieselbe Wurzel. Ihr und ich, wir sind miteinander verbunden.
Euer Glück ist mein Glück. Mein Glück ist euer Glück.“ Die eigene Weisheit und das
Mitgefühl oder die Teilnahme am Leben des anderen gehörten für ihn zusammen, so
Meister Olivier Reigen Wang-Genh.
O-Ton Olivier
Pour parler de... Um das Verhältnis von Weisheit und Teilnahme zu verdeutlichen hat
Meister Deshimáru oft das Bild eines Vogels gebraucht. Er sagte, ein Vogel braucht
seine beiden Flügel, um zu fliegen und das gilt auch für jemanden, der die Lehre
Buddhas praktizieren will. Beide Flügel sind notwendig: die Weisheit und die
Teilnahme. Mit einem Flügel allein kann ein Vogel nicht fliegen. Selbst wenn er es
versuchte: er würde sich nur im Kreis drehen. Mit einem Flügel drehst du dich nur im
Kreis. Also beide Aspekte sind untrennbar verbunden - genau wie die zwei Flügel
eines Vogels. ... les deux ailes d’un oiseau.
Musik:
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- Katsuya Yokoyama, Zen, Wergo Schallplatten, Mainz, 1988
- The Ongaku Masters, An Anthology of Japanese Classical Music, Celestial
Harmonies, 2004
Surftipps:
- www.kosanryumonji.org (Zen-Kloster im Elsass)
- http://global.sotozen-net.or.jp/ger/index.html (Sotozen weltweit)
Literaturtipps:
- Taisen Deshimaru, Za-Zen – Die Praxis des Zen, hrsg. von Janine Monnot und
Vincent Bardet, Werner Kristkeitz Verlag, 1984
- Taisen Deshimaru, Fragen an einen Zen-Meister, Werner Kristkreitz Verlag, 1981
- Taisen Deshimaru, Dokan – Täglich Zazen! Werner Kristkreitz Verlag, 2002
- Taisen Deshimaru, Die Praxis der Konzentration – Zen und Alltagsleben, Aurum,
2002
- Michael von Brück, Zen – Geschichte und Praxis, Verlag C.H.Beck, 2007.
- Michael von Brück, Einführung in den Buddhismus, Verlag der Weltreligionen im
Insel Verlag, 2007.
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