Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien Martina Zandonella [email protected] 21. November 2016 SORA Institute for Social Research and Consulting Bennogasse 8/2/16 1080 Wien www.sora.at Wandel Die Psychologie als eine Erklärungsebene Politische Kultur Individuum Gesellschaft Ungleichheit Gruppen Wohlstand Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 2 Drei Charakteristika rechtsextremer Parteien 1. Autoritäre Überzeugungen starke Führungsfigur diese repräsentiert „Willen des Volkes“ homogenes Volk Bevorzugung direkter Formen der Demokratie gegenüber repräsentativen Formen 2. Nationalismus Ablehnung von allem, was nicht zu eng definiertem Volk passt Spaltung der Gesellschaft in Ingroup/Outgroups Definierung der Outgroups als Bedrohung 3. Anti-Establishment Ablehnung bestehender (politischer) Eliten Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 3 Wandel Wo docken sie auf der psychologischen Ebene an? Politische Kultur Die Schubladen in unserem Gedächtnis Individuum Bedürfnis nach Zugehörigkeit & Wertschätzung Gruppen Gesellschaft Ungleichheit Autoritarismus / autoritäre Einstellungen Wohlstand Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 4 Die Schubladen in unserem Gedächtnis: Zur Verarbeitung von sozialer Information Zwei Pole der Informationsverarbeitung: (1) Bottom Up: Personenbasiert = ausgehend von aktuell verfügbaren Informationen über Person (2) Top Down: Kategoriebasiert = ausgehend von im Gedächtnis gespeicherten Informationen, v.a. als Kategorien organisiert Top Down Kategorie Bottom Up Person Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 5 Die Schubladen in unserem Gedächtnis: Soziale Kategorien Was sind soziale Kategorien? im Gedächtnis gespeicherte Strukturen beinhalten Informationen & Bewertungen über Gruppen auf ihnen basieren: o Erwartungen über Eigenschaften & Verhalten von Gruppenmitgliedern o Verhalten gegenüber Gruppenmitgliedern Vorteile kategoriebasierter Infoverarbeitung: relativ automatisch, daher schnell & effizient o schont limitierte Kapazität des KZG o helfen soziale Situationen schnell zu erfassen o helfen in sozialen Situationen schnell zu reagieren Nachteile kategoriebasierter Infoverarbeitung: vereinfacht komplexe soziale Umwelt führt daher auch zu falschen Schlüssen (und v.a. wenn Gruppe negativ bewertet ist auch zu schwerwiegenden Konsequenzen) Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 6 Die Schubladen in unserem Gedächtnis: Gesellschaftlicher Kontext Diskriminierung als schwerwiegende Folge kategoriebasierter (stereotyper) Wahrnehmung: Stereotype sind gesellschaftliches „Wissen“ hängen eng mit Geschichte einer Gesellschaft zusammen werden im Rahmen der Sozialisation erlernt rechtfertigen Status Quo gesellschaftlicher Hierarchien sind langlebig, aber ob wir sie anwenden hängt ab von o o individueller Motivation politischer Kultur und geltenden Normen Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 7 Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit: Soziale Identität Positive soziale Identität über Zugehörigkeit zu & Wertschätzung von Gruppen => wollen Mitglied in Gruppen werden die dies ermöglichen => „schützen“ diese Gruppen Zwei zentrale Prozesse des Gruppenschutzes Persönliche Identität Soziale Identität Eigenschaften Familie Werte Region Interessen Verein Gewohnheiten Gemeinschaft Stärkung nach innen: o Identifikation, emotionale Involvierung, Loyalität Abgrenzung nach außen: o Wahrnehmung von Outgroups über soziale Kategorisierung o Wahrnehmung von Ingroup stärker personenbezogen o Bevorzugung der Ingroup gegenüber Outgroups o Überbetonung tatsächlicher oder vermeintlicher Unterschiede o Abwertung & Diskriminierung Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 8 Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit: Soziale Identität Gesellschaftlicher Kontext Status- / Macht- / Interessensunterschiede zwischen Gruppen in Gesellschaft Identifikation mit Gruppen ermöglicht Definition von „Wer bin ich?“ (positive Identität) „Wohin gehöre ich?“ (Zugehörigkeit, Wertschätzung, Vertrauen) „Was steht mir zu?“ (Partizipation) Identifikation & Abgrenzung als Ausdruck des Zugehörigkeitsbedürfnisses zufällige Einteilung von fremden Menschen in zwei Gruppen => Identifikation & Abgrenzung zufällige Einteilung + erhöhte Unsicherheit => Abwertung Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 9 Die Rolle von Unsicherheit: Abwertung als Folge von Unsicherheit Bedürfnis nach Unsicherheitsreduktion wenn Selbst betroffen: wenn wir als Person mit unseren Eigenschaften und Werten in Frage gestellt werden wenn unsere Zugehörigkeit zu Gruppen oder die Wertschätzung unserer Gruppen infrage gestellt wird Gesellschaftliche Ebene Individuelle Ebene Krisen Arbeitslosigkeit Ungleichheit Abstieg(sangst) Wandel Fremdsein Gruppenidentifikation ist eine häufige & effektive Möglichkeit der Unsicherheitsreduktion Zukunftssorgen Welche Gruppen eignen sich besonders dazu? in sich klar strukturiert und homogen konsistente Werte und Weltbild klare Unterscheidbarkeit zu anderen Gruppen relativ leicht zu erfüllende Kriterien für Mitgliedschaft => definiert auch extremistische Gruppen => ermöglichen Unsicherheitsreduktion über eindeutige Selbstdefinition positive Selbstdefinition auf Kosten abwertender Fremddefinitionen Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 10 Die Rolle von Unsicherheit: Zusammenhang Unsicherheit & Identifikation FPÖ kann sehr gut davon leben 29 reicht einigermaßen aus 29 35 15 18 24 28 4 13 6 Einkommen reicht nur knapp 38 reicht nicht aus 9 29 0% SPÖ 36 4 25% ÖVP 16 1 57 50% FPÖ 7 4 75% Grüne positiv Zukunftserwartungen für Kinder andere neutral 18 37 0% 25% SPÖ ÖVP Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 50% FPÖ 4 15 34 17 30 10 17 18 2 22 10 20 47 negativ Quelle: SORA-Studie 100% 75% Grüne 100% andere 11 Die Rolle von Unsicherheit: Zusammenhang Unsicherheit & Abwertung kann sehr gut davon leben 21 reicht einigermaßen aus 34 Einkommen reicht nur knapp 38 reicht nicht aus 64 0% 25% 50% 75 % 100% Abwertung von ZuwanderInnen positiv Zukunftserwartungen für Kinder 18 neutral 28 negativ 40 0% Quelle: SORA-Studie 25 % 50% 75% 100% Abwertung von ZuwanderInnen Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 12 Autoritarismus und autoritäre Einstellungen: Individueller Kontext Was ist Autoritarismus? Bedürfnis nach starker Führungsperson Unterordnung unter anerkannte Autorität Dominanzstreben gegenüber anderen Gruppen Law & Order (Verfolgung & Bestrafung von abweichenden Personen/Gruppen) Rückbesinnung auf traditionelle Werte Individueller Kontext von Autoritarismus: Persönlichkeit mitfühlend vertrauend kooperativ organisiert ordnungsliebend zuverlässig offen für Neues neugierig hinterfragt Normen Persönlichkeit (Big Five) Verträglichkeit Autoritarismus autoritäre Einstellungen Gewissenhaftigkeit Offenheit sozial dominante Einstellungen Unsicherheit Wahlverhalten bestehende soziale Ordnung: Normen Kultur Hierarchien Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien FPÖ 13 Autoritarismus und autoritäre Einstellungen: Individueller & gesellschaftlicher Kontext Individueller Kontext von Autoritarismus: Sozialisation & Erfahrungen bilden Persönlichkeit & fördern Autoritarismus: o erleben der Welt als gefährlich und bedrohlich o erleben der Welt als ein Dschungel von miteinander konkurrierenden Gruppen => senkt Verträglichkeit & Offenheit => erhöht Autoritarismus / autoritäre Einstellungen Menschen mit höherem Autoritarismus o o nehmen Unsicherheit stärker wahr neigen stärker dazu, diese Unsicherheit über Gruppenidentifikation zu reduzieren Situativer Kontext von Autoritarismus: unsichere Situationen können Autoritarismus bei allen Menschen erhöhen damit steigt auch das Bedürfnis in der Gesellschaft, Unsicherheit über Gruppenidentifikation zu reduzieren => Welche Gruppen ermöglichen Zugehörigkeit und Wertschätzung? Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 14 Zukunft Wandel Kurzes Fazit Wertschätzung Politische Kultur Rechtsextreme Parteien ermöglichen u.a. Unsicherheitsreduktion & positives Selbstbild für Menschen, die das Gefühl haben nicht (mehr) dazuzugehören nicht (mehr) wertgeschätzt zu werden dass sich die ihnen bekannte Ordnung zu schnell / zu ihren Ungunsten verändert WENN sie in die rechte Definition der „Ingroup“ passen Kreislauf der Unsicherheit: rechtsextreme Parteien feuern die Unsicherheit stetig an Spaltung „Outgroups“ als Bedrohung definieren stetig Normen verschieben Ernte von 30 Jahren rechten politischen Diskurses, der die politische Kultur bestimmt Individuum Gesellschaft Wohlstand Partizipation Ungleichheit Zugehörigkeit Gruppen Psychologische Hintergründe für die Unterstützung rechtsextremer Parteien 15 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! SORA Institute for Social Research and Consulting Bennogasse 8/2/16 1080 Wien www.sora.at