Die Gefahr des rechten Autoritarismus

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Die Gefahr des rechten Autoritarismus
USERKOMMENTAR
MICHAEL RADHUBER
1. Jänner 2100, 01:00
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Wie Vorurteile, die Faktenresistenz und die Informationsblase
die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien kennzeichnen
foto: apa/hans klaus techt
Rechtspopulistische Parteien, wie die FPÖ, profitieren
von den Ängsten der Wähler.
Eine gängige These, die den Erfolg des Populismus quer über
unseren Globus zu ergründen sucht, lautet, dass sich Menschen
aus Wut und Protest über ihre Lebensumstände vermehrt
populistischen Parteien zuwenden. Dabei werden oft
ökonomische Motive für die Unzufriedenheit eines großen Teils
der Wählerschaft unterstellt. Einkommensverluste,
Globalisierung, oder die vermehrte Konkurrenz am Arbeitsmarkt,
gepaart mit einem großen Brocken an (finanzieller)
Unsicherheit, tragen demnach Verantwortung am Aufstreben
populistischer Politiker und Parteien insbesondere in Europa
und den Vereinigten Staaten.
Empirisch nicht fundiert
Das Problem mit dieser These ist jedoch, dass sie empirisch
nicht gut fundiert ist. In einer Forschungsarbeit aus dem Jahr
2008[1], die unter anderem die Wahlmotive von Wählern der
FPÖ unter die Lupe nahm, sticht als dominantes Wahlmotiv in
erster Linie die Angst vor der kulturellen Entfremdung durch
Immigration hervor. Erst an zweiter Stelle steht die Angst der
Wähler vor Einkommensverlusten durch Immigration und die
dadurch verursachte vermehrte Konkurrenz am heimischen
Arbeitsmarkt. Alleine mit ökonomischen Motiven lässt sich der
Wahlerfolg von populistischen Parteien – zumindest in
Österreich – also nicht erklären.
Interessantere Ergebnisse mit einer besseren Datengrundlage
liefert eine Forschungsarbeit[2] aus dem Jahr 2016. Darin
beschäftigen sich die Autoren mit psychologischen Mustern von
Wählern der FPÖ. Dabei werden in erster Linie die Muster des
rechten Autoritarismus und der sozialen Dominanzorientierung,
gepaart mit einer gefühlten Bedrohung der kulturellen Identität,
beleuchtet. Sowohl die soziale Dominanzorientierung, als auch
der rechte Autoritarismus, gekoppelt mit der gefühlten
kulturellen Bedrohung, sind starke und statistisch hoch
signifikante Wahlmotive für die FPÖ. Die Studie kommt zum
Ergebnis, dass die Auslösung eines Gefühls der kulturellen
Bedrohung und negative Emotionen gegenüber Immigranten
höchsteffektive Mobilisierungsinstrumente für Wähler der FPÖ
darstellen. Gemeinsam erklären diese psychologischen Muster
der Wähler mehr als 36 Prozent der Wahlentscheidung für die
FPÖ –so starke Motive findet man in den Sozialwissenschaften
sonst nur selten.
Merkmale des rechten Autoritarismus
Die Begriffe des rechten Autoritarismus und der sozialen
Dominanzorientierung wurden vom kanadischen Psychologen
Bob Altemeyer geprägt, der sein Leben der Erforschung des
Autoritarismus gewidmet hat. Seine Forschungsergebnisse, die
er 2006 in seinem Buch "The Authoritarians"[3]
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20.12.2016 14:48
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zusammengefasst hat, sind bahnbrechend und alarmierend.
Anhänger des Autoritarismus sind gemäß Altemeyer durch
einen hohen Grad der Unterwerfung gegenüber den etablierten
Autoritäten in einer Gesellschaft, einen hohen Grad der
Aggression im Namen dieser Autoritäten und ein hohes Maß an
Konventionalismus (Schablonenhaftigkeit) im Denken
gekennzeichnet. Vor allem aber sticht bei ihnen die
Geringschätzung demokratischer Institutionen und ein hohes
Maß an vorurteilsbehaftetem Denken hervor.
Ursachen des Autoritarismus
Was sind die Ursachen für autoritäre Einstellungen? In erster
Linie ist es die Angst, die autoritäre Anhänger kennzeichnet.
Angst vor einer gefährlichen Welt, vor Anarchie, dem
Weltuntergang, nur um ein paar Beispiele zu nennen.
Besonders intensiv wird diese Angst von autoritär denkenden
Menschen nach Terroranschlägen wahrgenommen.
Krisensituationen tragen also zu einer zunehmenden
Autoritarisierung unserer Gesellschaften bei.
Mehr als alle anderen befürworten autoritär denkende
Menschen die Zensur von Informationen, die Unterdrückung
anderer Sichtweisen sowie die Abschaffung von Eckpfeilern
moderner Demokratien wie die Menschen- und Freiheitsrechte.
Was rechtfertigt in psychologischer Hinsicht diesen aggressiven
Impuls, andere Menschen zu unterdrücken, oder gar zu
verletzen bzw. zu töten? Altemeyer verweist in erster Linie auf
die Selbstgerechtigkeit. In seinen Forschungsergebnissen sticht
immer wieder ein hohes Maß an selbstgerechtem Denken von
autoritär denkenden Personen hervor. Autoritäre Menschen
halten sich für moralisch weit überlegen, für auserwählt, gerecht,
ja beinahe für heilig. Und diese Selbstgerechtigkeit ist der
Auslöser schlechthin für autoritäre Aggressionen.
Mangelnde Selbstreflexion
Ein großes Problem im Umgang mit autoritären Anhängern stellt
nun die "Argumentations- und Faktenresistenz" dieser
Personengruppe dar. Mehr als alle anderen tendieren autoritär
denkende Personen dazu, Bestätigung ihrer Sicht- und
Denkweise von gleichgesinnten Gruppenmitgliedern einzuholen.
Die Logik dahinter lautet: "Ich weiß, dass ich Recht habe, weil
meine Bekannten, die meine Sichtweise teilen, mir Recht
geben." Argumente andersdenkender Menschen oder ihrer
Sichtweise widersprechende Fakten prallen an ihnen jedoch ab
wie an einer Betonmauer. Gefällt autoritär gesinnten Menschen
eine bestimmte Sichtweise, dann ist die Logik dahinter oder der
Weg, der zu dieser Einsicht geführt hat, vollkommen irrelevant.
Darüber hinaus haben solche Menschen auch große
Schwierigkeiten mit der Bewertung empirischer Evidenz, also ob
bestimmte Tatsachen als Beweis für etwas taugen oder weniger.
Leichtes Spiel für Demagogen
Was geschieht nun, wenn Demagogen die Schuld an all
unseren gesellschaftlichen Problemen bestimmten
Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Ausländern oder Migranten, in
die Schuhe schieben? Solche Behauptungen werden von
autoritär gesinnten Menschen vollkommen unreflektiert in das
eigene Weltbild übernommen. Migranten werden für diese
Menschen damit automatisch zum Sündenbock unserer
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20.12.2016 14:48
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Gesellschaften, ganz egal, wie viel Verantwortung sie
tatsächlich an unseren gesellschaftlichen Problemen tragen
mögen oder nicht.
Überhaupt genießen Demagogen bei autoritär gesinnten
Menschen einen immensen Startvorteil. Ganz egal, wie
glaubwürdig oder durchsichtig solche Politiker sein mögen –
sobald sie die Einstellungen autoritär gesinnter Menschen
vertreten, werden sie von ihnen mit offenen Armen empfangen.
Für Populisten ist es deshalb ein leichtes Spiel, Wählerstimmen
autoritärer Menschen einzufangen. Sobald sie sich als
Gleichgesinnte zu erkennen geben, und die Vorurteile und
Sichtweisen ihrer Zielgruppe vertreten, ist es praktisch
unmöglich, ihnen diese Wählerstimmen wieder strittig zu
machen. Denn ihre Anhänger wollen einfach daran glauben,
dass ihre Führer im Recht sind – komme was wolle.
Facebook als Katalysator und Verstärker
Wer die Erkenntnisse der Forschungsarbeiten von Bob
Altemeyer liest, wundert sich vermutlich etwas weniger, was in
den letzten Wochen und Jahren insbesondere in sozialen
Medien wie Facebook & Co. vorgefallen ist. Der Eindruck, der
hier entsteht ist, dass Populisten diese Medien geschickt dazu
nutzen, autoritäre Anhänger für sich zu gewinnen und zu
mobilisieren. Mittels zielgerichteter Postings, deren
Wahrheitsgehalt in den sozialen Medien bekanntlich keine
große Rolle spielt, können sowohl Ängste als auch Vorurteile
von autoritär gesinnten Menschen direkt angesprochen und
stimuliert werden. Der Facebook Algorithmus (die sogenannte
"Blase") spielt dabei eine unterstützende Rolle, indem Postings
andersdenkender Menschen aus der eigenen Timeline bewusst
herausgefiltert werden.
Autoritär gesinnte Nutzer sozialer Medien fühlen sich dadurch
nicht nur in ihrer Sichtweise bestärkt, sondern werden auch in
dem Eindruck befeuert, dass ihre Denk- und Sichtweise von der
ganzen Welt unkritisch geteilt werde. Nicht umsonst wurden
gerade in den letzten Wochen vor der Bundespräsidentenwahl
in Österreich massive Attacken gegen die aus populistischen
Kreisen unterstellte "Falschinformation" durch traditionelle
Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitungen geritten. Das
unzweideutige Ziel dieser Attacken ist die Herstellung einer
informationshegemonischen "Blase" für die eigenen Wähler, in
der Widerspruch oder Zweifel soweit als möglich ausgeschaltet
werden. Das wiederum befeuert massiv die Selbstgerechtigkeit
autoritär gesinnter Menschen. Und damit deren
Aggressionslevel.
Wir wissen heute, dass zwischen 20 und 25% der
nordamerikanischen Wähler autoritäre Gesinnungen teilen.[4] In
Österreich ist der Prozentsatz jener Menschen, die sich nach
einem starken Mann in der Politik sehnen, auf fast 40%
angewachsen[5]. Das sind viermal so viele als noch vor 10
Jahren. Es ist höchst an der Zeit, sich um die demokratischen
Errungenschaften unserer Gesellschaft ernsthaft Sorgen zu
machen. (Michael Radhuber, 21.12.2016)
[1] Oesch, D. (2008). Explaining Workers' Support for Right-Wing Populist
Parties in Western Europe: Evidence from Austria, Belgium, France,
Norway, and Switzerland. International Political Science Review, 29(3),
349-373.
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20.12.2016 14:48
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http://derstandard.at/2000049584289/Die-Gefahr-des-rechten-Autorita...
[2] Aichholzer, J., & Zandonella, M. (2016). Psychological bases of support
for radical right parties. Personality and Individual Differences, 96,
185-190.
[3] Verfügbar online unter http://home.cc.umanitoba.ca/~altemey/
[4] Altemeyer B., (2016). Donald Trump and Authoritariam Followers.
Online verfügbar unter http://home.cc.umanitoba.ca/~altemey/
[5] Kurier (23.9.2016). Politologe Filzmaier: "Starker Mann knapp vor
Mehrheit". Online verfügbar unter https://kurier.at/politik/inland/politologefilzmaier-starker-mann-knapp-vor-mehrheit/222.540.538
Michael Radhuber arbeitet am Institut für Volkswirtschaftslehre an der
Universität Linz.
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