Einführung in die Mathematik I

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Einführung in die Mathematik I
Skript zur Vorlesung
im Sommersemester 2005
Heinrich v. Weizsäcker
Fachbereich Mathematik
Technische Universität Kaiserslautern
2
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Vorbemerkung für die Hörer
Dies Skript wird schrittweise, voraussichtlich mit etwas Zeitabstand nach der
Vorlesung herausgegeben, und ab und zu erweitert und überarbeitet. Es enthält
einerseits den wesentlichen Kern des an der Tafel erscheinenden Textes, und
dient hauptsächlich dessen Nachkontrolle. Das Skript enthält aber gelegentlich
auch ergänzende Abschnitte und Beweise. Umgekehrt tauchen manche Bemerkungen und Beweise aus der Vorlesung hier nicht auf.
Für Hinweise auf Druck- und sonstige Fehler bin ich dankbar. Bitte fragen Sie
bei allen Unklarheiten, damit wir gemeinsam klären, ob der Text eventuell verbessert werden sollte, oder ob es sich eher um ein Verständnisproblem handelt,
oder beides.
HvW
Version von 29. Juli 2005
Inhaltsverzeichnis
1 Methodische Grundbegrie
5
1.1
Was sind die natürlichen Zahlen? Die Peano-Axiome . . . . . . .
1.2
Der Umgang mit mathematischen Zeichen . . . . . . . . . . . . .
6
1.3
Das griechische Alphabet
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.4
Mengen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1.5
Vollständige Induktion und Rekursion
. . . . . . . . . . . . . . .
12
1.6
Der Weg von den Peano-Axiomen zu den rellen Zahlen . . . . . .
14
1.6.1
Herleitung des Rekursionsprinzips
14
1.6.2
Kurze Skizze der Denition und Ausdehnung der Rechen-
. . . . . . . . . . . . .
operationen und Zahlbereiche . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Die reellen Zahlen
5
17
21
2.1
Die Körperaxiome
2.2
Axiome der Anordnung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
2.2.1
Das Archimedische Axiom . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.2.2
Das Supremumsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2.3
Beispiele reeller Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.4
Die
. . . . . . . . . . . . . .
32
2.5
Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
b-adische
Darstellung reeller Zahlen
3 Konvergenz von reellen Folgen und Reihen
41
3.1
Konvergenz von Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
Konvergente Teilfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
3.3
Unendliche Reihen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.4
Nachtrag über Bijektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.5
Die reelle Exponentialfunktion
52
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Der Raum Rd
d
59
4.1
R
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4.2
Das Standard-Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
d
als Vektorraum
41
4.3
R
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
4.4
Stetige Funktionen in metrischen Räumen . . . . . . . . . . . . .
als metrischer Raum
68
4.5
Die komplexen Zahlen
73
4.6
Die komplexe Exponentialfunktion
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
. . . . . . . . . . . . . . . . .
75
4
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
5 Vektorräume und Lineare Abbildungen
81
5.1
Lineare Teilräume und Linearkombinationen . . . . . . . . . . . .
81
5.2
Lineare Unabhängigkeit und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
5.3
5.4
5.5
5.2.1
Lineare Unabhängigkeit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
5.2.2
Basen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
5.2.3
Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
5.2.4
Direkte Summen von Unterräumen . . . . . . . . . . . . .
87
Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
Koordinaten-Darstellung und Matrizen . . . . . . . . . . . . . . .
92
5.4.1
Konstruktion linearer Abbildungen . . . . . . . . . . . . .
92
5.4.2
Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen . . . . .
93
5.4.3
Die Transposition von Matrizen und der Dualraum . . . .
97
5.4.4
Matrix-Multiplikation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.5.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.5.2
Der Gauÿ-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Peano
Nachfolger
Kapitel 1
Methodische Grundbegrie
1.1
Was sind die natürlichen Zahlen? Die PeanoAxiome
Wir beginnen mit den natürlichen Zahlen, also den Zahlen
1, 2, 3
u.s.w.. Was
sind eigentlich die Zahlen? Es lohnt, sich darüber Gedanken zu machen.
1
Wenn
man dann feststellt, dass eine wirklich klare Antwort überraschend schwer fällt,
kann man um so besser würdigen, wenn wir Mathematiker die Grundlage unseres Umgangs mit den natürlichen Zahlen in einer kurzen Liste einfacher Regeln
festhalten können, z.B. in den sogenannten Peano-Axiomen :
P1. 1 ist eine natürliche Zahl.
2
P2. Zu jeder natürlichen Zahl n gibt es eine und nur eine natürliche Zahl n + 1.
Nachfolger von n.
Sie heiÿt der
P3. 1 ist nicht Nachfolger irgendeiner natürlichen Zahl.
P4. Verschiedene natürliche Zahlen haben auch verschiedene Nachfolger.
P5. Sei E
eine denkbare Eigenschaft natürlicher Zahlen, so dass folgendes gilt:
a) die Zahl
1
hat die Eigenschaft
E,
und
b) aus der Tatsache, dass eine natürliche Zahl
stets, dass auch die Nachfolgerzahl
n+1
Dann hat jede natürliche Zahl die Eigenschaft
1 Durch
n
die Eigenschaft
die Eigenschaft
E
E
hat, folgt
hat.
E.
Erfahrung und Gewöhnung haben wir eine ziemlich gute Vorstellung, was Zahlen
sind, andererseits ist eine umfassende inhaltliche Denition des Begris der Zahl nicht einfach,
und die Bedeutung und die Rolle der Zahlen im übrigen Leben ist ein unerschöpiches Thema.
Sie sind ein unerlässliches Hilfsmittel für praktische Probleme, für viele Menschen sind sie
auch ein Symbol einer übergeordneten Ordnung oder Harmonie der Welt. Der alt-griechische
Ausdruck
λóγoσ
(logos), der normalerweise mit Wort übersetzt wird, und von dem die Worte
logisch und Logik stammen, bedeutete auch Zahl. Wenige Aspekte des geistigen Lebens sind
so zeitlos und zwischen den Kulturen übertragbar wie die Zahlen, und gleichzeitig haben sie
entscheidenden Anteil am rasanten Wandel unserer Gegenwart.
2 In
vielen Büchern wird in
und hier) gewählt. Dass die
0
P1
und
P3
die
0
statt der
weniger natürlich als die
1
1
(wie in Peanos Originalversion
ist, sieht man schon daran, dass sie
historisch viel später entdeckt bzw. eingeführt wurde als die Zahlen
5
1, 2, 3, · · · .
6
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Bestimmt wissen Sie schon ziemlich viel über die natürlichen Zahlen, vielleicht
dass
7 · 11 · 13 = 1001
gilt oder dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Lauter
Dinge die in diesen fünf Regeln gar nicht direkt angesprochen werden. Worauf
es bei diesem Axiomensystem ankommt, ist zunächst die Tatsache, dass diese
Regeln eine vollständige Beschreibung der natürlichen Zahlen darstellen in dem
Sinn, dass das und nur das, was man aus ihnen herleiten kann, eine gesicherte
Erkenntnis über die natürlichen Zahlen darstellt. Also ist insbesondere alles,
was irgendein Experte sicher über die natürlichen Zahlen weiÿ, eine Folgerung
aus diesen fünf Regeln! Sonst wäre sein Wissen nicht sicher in dem hier verwendeten Sinn des Worts.
Als zweites versucht man im allgemeinen, ein Axiomensystem sparsam zu gestalten. Keine der fünf Regeln ist überüssig in dem Sinn, dass sie aus den
anderen Regeln gefolgert werden könnte. Illustrieren wir das an Regel
P3: Um
zu zeigen, dass sie nicht überüssig ist, betrachten wir ein künstliches Zahlensystem, indem wir einfach die Zahl
oft man dann Regel
1 zu ihrem eigenen Nachfolger erklären. Wie
P2 auch anwendet, man bekäme keine neuen natürlichen
Zahlen. Das dürftige Zahlensystem, das nur aus der
1
besteht, würde alle vier
P1, P2, P4, P5 erfüllen (Überzeugen Sie sich bitte davon! Zum
0
Beispiel gilt P4. Anders formuliert lautet dies Axiom ja: Wenn n, n zwei verübrigen Regeln
schiedene natürliche Zahlen sind, dann sind die Nachfolger auch verschieden.
Weil es in diesem System aber gar keine verschiedenen Zahlen gibt, tritt die
in dem Wenn-Halbsatz beschriebene Situation nie auf, also ist die Annahme
dieses Halbsatzes in diesem System immer falsch. Die Regel
P4 betrit aber nur
Situationen, in denen diese Annahme richtig ist. Für die anderen Fällen ist sie
3
sozusagen nicht zuständig. ) Die Regel
P3 wäre aber in diesem System verletzt,
also kann sie nicht aus den anderen vier Regeln gefolgert werden, denn sonst
müsste sie auch in diesem Primitivsystem gelten.
1.2
Der Umgang mit mathematischen Zeichen
Wir benutzen die Peano-Axiome zunächst, um ein paar Bemerkungen und Tipps
zur Verwendung mathematischer Zeichen und Symbole zu illustrieren. Ausserdem lernen wir etwas über die Arbeit mit Axiomensystemen.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Abschnitte 1.2 und 1.4 keinen
Ersatz bilden für eine Einführung in die Logik und axiomatische Mengentheorie. Das sind umfangreiche Gebiete, die die Mathematik einbetten in formale Systeme von Schlussweisen mit dem Ziel, alle mathematischen Argumente
vollständig und hieb- und stichfest auf formale Grundregeln zurückzuführen so
dass z.B. auch ein Computer die Korrektheit der Argumentation nachvollziehen könnte. Da eine Einführung in diese Gebiete zu zeitraubend wäre und für
das Kennenlernen der meisten wichtigen mathematischen Strukturen nicht viel
beiträgt, verzichtet man im Mathematik-Studium (leider) oft darauf, und stellt
sich auf den Standpunkt eines - logisch etwas verfeinerten - gesunden Menschenverstands. Wir wollen hier aber wenigstens ein paar allgemeine Vorgehensweisen
3 Das
allgemeine logische Prinzip Ex falso quodlibet sagt: Aus etwas Falschem könnte
man alles folgern.
7
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
bei der mathematischen Argumentation explizit ansprechen, die in vielen Lehrbüchern kommentarlos verwendet bzw. vorgeführt werden.
Es ist nützlich, zu unterscheiden zwischen den mathematischen Objekten, hier
etwa natürlichen Zahlen, und den Symbolen, mit denen wir die Objekte bezeich-
1, 2, 3,
nen, z.B. Sonderzeichen wie
setzte Ausdrücke wie
oder Buchstaben z.B.
n,
oder zusammenge-
n + 1.
Jedes Objekt kann auf verschiedene Weise bezeichnet werden. Um auszudrücken,
dass zwei Symbole dasselbe Objekt bezeichnen, benutzt man das Gleichheitszei-
P1 und P2 wissen wir zum Beispiel: Es gibt eine
chen. Durch Kombination von
1 + 1. Wir
1 + 1 = 2. Überall, wo 1 + 1
und nur eine natürliche Zahl
bezeichnen sie auch mit dem Zeichen
Es ist also
steht, darf man daher auch
2
2.
schreiben
und umgekehrt. Abstrakter: Wenn einmal feststeht, dass zwei Beschreibungen
das gleiche Objekt bezeichnen, darf überall dort, wo die eine Beschreibung dieses Objekts verwendet wurde, auch die andere Beschreibung verwendet werden.
Beispielsweise folgt aus der Regel
1
tischer: die mit den Zeichen
ungleich sind: Es ist
P3, dass die beiden Zahlen 1 und 2 (pedan-
und
2
bezeichneten Zahlen) verschieden, d.h.
4
1 6= 2.
Denn wäre
1 = 2,
so dürfte man in
P3 statt 1 auch 2 schreiben, dh. die 2 wäre
keine Nachfolgerzahl. Andererseits ist aber nach Konstruktion
ist
2
doch eine Nachfolgerzahl. Dieser Widerspruch zeigt, dass
5
sein kann, was zu zeigen war.
Analog ergibt sich:
1
1 + 1 = 2, also
1 nicht gleich 2
ist verschieden von jeder
Nachfolgerzahl.
Nun weiter zu mathematischen Bezeichnungen: Die Zeichen
1, 2, 3 u.s.w. bezeich-
nen immer, wenn sie als eigenständige Zeichen auftauchen, die gleiche Zahl. Hier
Konstanten-Zeichen. Der Buchstabe n in P2 (und analog
P5) dagegen bezeichnet dort eine Variable. Das bedeutet: Dieser Buchstabe
handelt es sich um
in
kann für eine beliebige natürliche Zahl stehen, dh. wir dürfen für ihn irgendeine
feste natürliche Zahl einsetzen, so wie wir z.B. oben für das
eingesetzt haben, um
Buchstaben
n
1+1
n
in
P2 die Zahl 1
zu bilden. Wenn eine Zahl gewählt ist, die für den
eingesetzt wird soll, dann muss im folgenden Text überall dort,
wo der Buchstabe
n auftaucht, diese gleiche Zahl beibehalten werden, und zwar
so lange, bis aus dem Zusammenhang klar wird, dass der zugehörige Gedankengang abgeschlossen ist. Zu merken, wann dies der Fall ist, ist etwas Übungsoder Erfahrungssache. Danach kann dann wieder eine andere Zahl eingesetzt
werden. Die Variable ist wieder freigegeben.
Als Beispiel können wir, nachdem wir die natürliche Zahl
2
aus
P1 und P2 erP2 wieder
halten haben, und daher dieser Vorgang abgeschlossen ist, die Regel
neu anwenden und diesmal für
die Zahl
4 Sie
2 + 1.
n
jetzt die neue Zahl
Diese bezeichnen wir auch mit
3,
2
einsetzen und erhalten
u.s.w.. Durch Iteration, dh.
werden vielleicht sagen: Na toll, das habe ich auch vorher schon gewusst! Hier kommt
es darauf an, ob diese selbstverständliche Tatsache auch wirklich aus den obigen Regeln folgt.
5 Dies
war ein sogenannter indirekter oder Widerspruchs-Beweis. Er ging von der Annahme
aus, das Gegenteil der Behauptung gelte, und führte diese Annahme zu einem Widerspruch.
Also war die Annahme falsch, und die Behauptung muss richtig sein.
Gleichheit
Konstanten
Variable
8
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Wiederholung dieses Vorgangs, kann man die Regel
Analog bezeichnet der Buchstabe
E
in
P2 beliebig oft anwenden.
P5 eine variable Eigenschaft (der pro-
fessionellere Ausdruck ist Prädikat). Man kann für
E
irgendwelche denkbaren
Eigenschaften von Zahlen einsetzen, muss aber im jeweiligen Zusammenhang
dann bei der festgelegten Wahl bleiben.
Dass hier die speziellen Buchstaben
sondere Rolle. Wenn man statt
n
oder
E
gewählt wurden, spielt keine be-
P2 geschrieben hätte: Zu jeder natürlichen Zahl
Fritz gibt es eine und nur eine natürliche Zahl Fritz + 1. Sie heiÿt der Nachfolger von Fritz., dann hätte sich der mathematische Gehalt der Regel
P2 nicht
geändert.
1.3
Das griechische Alphabet
Häug will man in einem Gesamtzusammenhang viele verschiedene Objekte
oder auch Objekte verschiedener Art gleichzeitig studieren. Dabei braucht man
dann mehr Variablen-Zeichen und Arten von Zeichen als das normale lateinische
Alphabet zur Verfügung stellt. Eine Möglichkeit ist zu verschiedenen Schriftarten überzugehen:
E1 , E2 , E 2 , E23
E, E, E
bets:
Klein
Groÿ
Name
α
β
γ
δ
ε
ζ
η
ϑ
ι
κ
λ
µ
ν
ξ
A
Alpha
B
Beta
Γ
∆
Gamma
Delta
E
Epsilon
Z
Zeta
H
Eta
Θ
I
usw.. Eine andere ist die Verwendung von Indizes:
o.ä.. Beliebt ist auch die Verwendung des griechischen Alpha-
Theta
Iota
K
Kappa
Λ
Lambda
M
Mü
N
Nü
Ξ
Xi
o
O
Omikron
π
ρ
σ
τ
υ
ϕ
χ
ψ
ω
Π
Pi
P
Rho
Σ
Sigma
T
Tau
Υ
Φ
Ypsilon
Phi
X
Chi
Ψ
Ω
Psi
Omega.
9
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Statt
ε, ϑ
ϕ
und
gibt es auch die Schreibweisen
, θ
und
φ.
Zur besseren Verständigung sollten Sie sich die Namen der griechischen Buchstaben merken. Unter den Groÿbuchstaben des griechischen Alphabets sind einige, die genauso aussehen wie lateinische Groÿbuchstaben. Diese werden in der
Mathematik nicht verwendet. Dementsprechend wird das kleine Omikron nicht
verwendet, weil es von unserem
1.4
o
nicht zu unterscheiden ist.
Mengen und Funktionen
Dieser Abschnitt gibt erste Hinweise zur Gebrauch von Mengen und Funktionen, weitere kommen später dort, wo sie zum ersten Mal benötigt werden.
Georg
Eine
Cantor, der Begründer der Mengenlehre, denierte eine Menge so:
Menge ist die Zusammenfassung bestimmter, wohlbestimmter Dinge unElemente der Menge genannt
serer Anschauung oder unseres Denkens, welche
werden, zu einem Ganzen.
Man kennt eine Menge, wenn man ihre Elemente kennt. Man kann zur Beschreibung einer Menge eine Liste ihrer Elemente angeben oder auch eine charakteristische Eigenschaft formulieren, so dass die Menge genau aus den Dingen oder
Objekten besteht, die diese Eigenschaft haben. Hier sind vier Beschreibungen
der gleichen Menge:
{2, 4, 6, 8},
{2, 6, 4, 8},
{2, 6, 4, 4, 8},
{x : x
ist eine gerade natürliche Zahl kleiner als 10}.
Bei der Beschreibung von Mengen in einer Formel verwendet man geschweifte
Klammern
{},
die sogenannte Mengenklammern. Reihenfolge und Wiederho-
lungen bei der Auistung der Elemente spielen keine Rolle. Der Doppelpunkt
:
in der Beschreibung durch eine Eigenschaft wird gelegentlich auch durch einen
senkrechten Strich
Wir schreiben
N
ersetzt.
x∈M
um auszudrücken, dass
zwei Mengen, so bedeutet
oder M ist in
N
|
N
N ⊂M
x ein Element von M
in Worten: M ist
enthalten, dass jedes Element von
ist. Zwei Mengen
auch
M ⊂ N,
M
und
N
M
ist. Sind
M,
Teilmenge von N ,
auch ein Element von
sind gleich genau dann, wenn sowohl
M ⊂N
als
gilt. Der Nachweis der Gleichheit zweier Mengen besteht also oft
in zwei Arbeitsgängen. Im obigen Beispiel muss man zum Beweis, dass die erste
und die vierte Menge gleich sind, erstens zeigen, dass jede der Zahlen
eine natürliche Zahl und kleiner als
10
10 in der
2, 4, 6, 8 auch vorkommt (damit ist die vierte Menge Teilmenge der ersten).
menge der vierten), und zweitens, dass jede natürliche Zahl kleiner als
Liste
2, 4, 6, 8
ist (damit ist die erste Menge eine Teil-
Element
Teilmenge
Mengengleichheit
10
echte Teilmenge
Potenzmenge
leere Menge
Durchschnitt
Vereinigung
oder
Argument einer Funktion
Wert einer Funktion
Denitionsbereich
surjektiv
injektiv
bijektiv
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
M ⊂ N
Wenn
gilt, dann sind die beiden Mengen natürlich genau dann ver-
x von N
schieden, wenn es ein Element
nennt die Menge
M
aller Teilmengen einer Menge
manchmal mit
Pot(M )
M
Für zwei Mengen
ist. Man
leere Menge. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass
∅
sie keine Elemente hat. Sie wird mit
N
M
echte Teilmenge von N . Die Menge
wird die Potenzmenge von M genannt und
bezeichnet.
Eine spezielle Menge ist die
Zahlen wird mit
gibt, das nicht Element von
in diesem Fall eine
bezeichnet. Die Menge aller natürlichen
bezeichnet.
M
und
N
ist ihr
jekte, die sowohl Element von
M
Durchschnitt M ∩ N die Menge aller ObN sind. Die Vereinigung M ∪ N
als auch von
ist die Menge aller Objekte, die Element von
M
oder von
N
sind. Das Wort
oder wird dabei, wie fast immer in der Mathematik, im nicht ausschliessenden
M ∪ N gehören also auch alle Elemente von M ∩ N . Die
N ∪ {0} der nicht-negativen ganzen Zahlen, die entsteht, wenn man die
0 zu N hinzufügt, wird oft mit N0 bezeichnet.
Sinn verwendet. Zu
Menge
Zahl
Wenn
M
und
N
zwei (nicht notwendig verschiedene) Mengen sind, dann ist eine
Funktion (oder auch Abbildung) f
x
von
M
von
M
nach
N
eine Vorschrift, die jedem
f (x) von N zuordnet.
x dann ein Argument der Funktion f und f (x) der Wert von f
an der Stelle x. Man schreibt in dieser Situation auch f : M → N . Ein Beispiel
ist die Nachfolgerfunktion f : N → N, die jeder natürlichen Zahl n die Zahl n+1
zuordnet. Die Menge M heiÿt der Denitionsbereich von f und die Menge N
der Zielbereich von f . Sei A ⊂ M . Die Menge
Element
ein eindeutig bestimmtes Element
Dabei heisst
{y : es
heiÿt
Bild
Die Menge
Werte
N.
oder
f (M )
gibt ein
Bildmenge
heiÿt einfach
von
x∈A
A
mit
unter
f
y = f (x)}
und wird mit
f (A)
bezeichnet
Bild(menge) von f . Ihre Elemente heiÿen die
der Funktion. Die Bildmenge ist eine (eventuell echte) Teilmenge von
Im obigen Beispiel ist
f (N) = {2, 3, 4, · · · }.
Sei nun
B ⊂ N.
Dann heiÿt die
Menge
{x : x ∈ M
das
Urbild der Menge B unter f
und
f (x) ∈ B}
und wird mit
f −1 (B)
bezeichnet.
f : M → N jedes Element von N auch als Wert vorf (M ) = N ist, dann heiÿt die Funktion f surjektiv. Wenn
f die Eigenschaft hat, dass verschiedene Elemente von M auch auf verschiedene
Elemente von N abgebildet werden, dann heiÿt f injektiv. Äquivalent dazu ist
0
0
natürlich die Eigenschaft von f , dass aus f (x) = f (x ) auch x = x folgt. Die
Nachfolgerfunktion f : N → N ist nach P4 injektiv, aber sie ist nicht surjektiv.
Die konstante Funktion g : N → N, die jeder natürlichen Zahl n die Zahl 1
zuordnet, ist weder surjektiv noch injektiv. Die Funktion h : N → {1}, die ebenfalls jeder natürlichen n die Zahl 1 zuordnet, ist surjektiv aber nicht injektiv.
Wenn f gleichzeitig surjektiv und injektiv ist, dann heiÿt f bijektiv, man sagt
dann auch: f ist eine Bijektion zwischen M und N .
Wenn für eine Funktion
kommt, wenn also
11
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Ein weiterer nützlicher Begri ist ein
Ausdruck der Form
geordnetes Paar. Anschaulich ist das ein Folge
(a, b), wobei a das erste Glied und b das zweite Glied ist. Für
die mathematische Praxis ist das eigentlich eine ausreichende Denition. Wie
Sie schon bei den Peano-Axiomen gemerkt haben, versuchen wir Mathematiker
aber mit möglichst wenigen Grundbegrien auszukommen und neue Begrie
oder Regeln auf die schon bekannten zurückzuführen. Da wir den FunktionsBegri schon haben, können wir den Begri des geordneten Paars auf diesen
f mit Denitionsa = f (1) ist und b = f (2), dann bezeichnen wir diese
Funktion auch mit (a, b). Sind A, B zwei Mengen, so heiÿt die Menge aller geordneten Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B das cartesische Produkt von A
und B und wird mit A × B bezeichnet. Es ist also
zurückführen: Ein geordnetes Paar ist einfach eine Funktion
{1, 2}.
bereich
Wenn
A × B = {(a, b) : a ∈ A, b ∈ B}6 .
Analog denieren wir Tripel als auf der Menge
{1, 2, 3}
denierte Funktionen,
und so weiter. Die konsequente Ausdehnung dieser Idee führt zu
Denition 1.1
Eine
Folge
ist eine Funktion mit Denitionsbereich
7
N
und
beliebigem Zielbereich. Für Folgen schreibt man die Argumente meistens als In-
an
(an )n∈N
a(n).
dex. Also
statt
oder
bezeichnet. Der Wert
n-tes
Die ganze Folge wird mit
Glied der Folge genannt.
an
an der Stelle
a1 , a2 , . . . oder (a1 , a2 , . . .)
n wird in diesem Fall auch
Der wesentliche Fortschritt von Cantors Mengenbegri war, dass man auch
unendliche Gesamtheiten als eigenständige mathematische Objekte behandeln
konnte. Bertrand Russell zeigte aber, dass die Cantorsche Denition bei uneingeschränktem Gebrauch zu Widersprüchen führt: Er betrachtete etwa die
Menge
MR
aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten, und stellte
die Frage: Enthält
dann hat
MR
Elemente von
MR
sich selbst als Element? Wenn die Antwort NEIN lautet,
nach der Denition von
MR , also gehört MR
MR
die charakteristische Eigenschaft der
doch als Element zu
MR , die Antwort auf die
Frage lautet also doch JA. Wenn umgekehrt die Antwort JA lautet, dann muss
MR
als Element von
von
MR
MR
eben diese charakteristische Eigenschaft der Elemente
haben, sich selbst nicht als Element zu enthalten, dh. die Antwort ist
doch NEIN.
Um dies Russellsche Paradox zu überwinden, wurde die axiomatische Mengenlehre entwickelt, mit dem Ziel, Axiome zu nden, die festlegen, welche Art
von Mengenbildungen erlaubt sind. Auf diese Weise hat man de facto alle ähnliche Widersprüche vermeiden können, auch wenn der tatsächliche Beweis der
Widerspruchsfreiheit der wichtigsten Varianten dieser (inzwischen sehr umfangreichen) Theorie noch aussteht.
6 Häug
werden aber auch die geordneten Paare direkt auf den Mengen-Begri zurückge-
(a, b)
führt, indem das geordnete Paar
mit der Menge
{a, {a, b}}
identiziert wird. Dann kann
man umgekehrt den Funktionsbegri auf den Begri der geordneten Paare und damit letzten
Endes auf den Mengenbegri zurückführen: Eine Funktion
solche Teilmenge
f
von
A × B,
für die zu jedem
a∈A
f :A→B
wird aufgefasst als eine
ein und nur ein
b ∈B
existiert mit
(a, b) ∈ f .
7 Später
werden wir auch Folgen mit Denitionsbereichen der Form
zulassen, wobei
k
irgendeine von
1
verschiedene ganze Zahl ist
{k, k + 1, k + 2, . . .}
Cantor
Russell
Paradox
12
vollständige Induktion
geometrische Summe
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Die pragmatische Schlussfolgerung in dieser zugegebenerweise nach wie vor etwas unbefriedigenden Situation ist, dass wir uns beim Bilden neuer Mengen auf
solche Konstruktionen beschränken, die wir für unsere mathematischen Zwecke
auch tatsächlich brauchen, und dass wir uns dann aller bisherigen Erfahrung
nach nicht in Widersprüche verwickeln.
1.5
Vollständige Induktion und Rekursion
Das Axiom
P5 heiÿt auch Induktions-Axiom. Wenn man eine Eigenschaft E für
alle natürlichen Zahlen beweisen will, dann genügt es nach diesem Axiom für
die Eigenschaft
E
die Bedingungen a) und b) nachzuprüfen. Der Nachweis der
1 die Eigenschaft E hat, heiÿt Induktionsanfang. Der Nachweis der Bedingung b), dass nämlich aus der Induktionsvoraussetzung, dass E für eine natürliche Zahl n gilt, auch die Gültigkeit
von E für die Zahl n + 1 folgt, heiÿt Induktionschritt. Jeden Beweis, der nach
diesem Muster abläuft, nennt man einen Beweis durch vollständige Induktion oder kurz Induktionsbeweis. Hier sind zwei einfache Beispiele, die die
Bedingung a), dass nämlich die Zahl
üblichen Rechenoperationen als bekannt voraussetzen.
Satz 1.1
Für jede natürliche Zahl
n
gilt
1 + 2 + ... + n =
n(n + 1)
2
(1.1)
Beweis. Induktionsanfang: Es ist 1 = 1·2
2 , also gilt die Behauptung für n = 1.
Induktionsvoraussetzung: Die Beziehung (1.1) gelte für die Zahl
Induktionsschritt
n → n + 1:
1+2+. . .+n+n+1 =
n(n + 1) + 2(n + 1)
(n + 2)(n + 1)
n(n + 1)
+n+1 =
=
,
2
2
2
also gilt dann die Behauptung auch für
richtig, wenn man an der Stelle von
Satz 1.2
n.
Unter der Induktionsvoraussetzung ist
n
(geometrische Summe) Sei
n + 1, dh. die Beziehung
n + 1 einsetzt.
(1.1) bleibt
die Zahl
x
eine reelle Zahl mit
x 6= 1.
Sei
k ∈ N0 .
Dann gilt
1 + x + x2 + . . . + xk =
1 − xk+1
.
1−x
(1.2)
Beweis. Induktionsanfang: Wir fangen jetzt mit k = 0 an. Das ist auch zulässig
E der natürlichen
n ≥ 1 im Axiom P5 denieren als: die Behauptung (1.2) gilt für k = n−1.
Für k = 0 ist die linke Seite von (1.2) zu lesen als 1: Der zweite Summand x
taucht erst im Fall k = 1 auf. Auf der rechten Seite von (1.2) steht im Fall k = 0
1−x
der Bruch
1−x , also auch 1.
Induktionsvoraussetzung: Die Gleichung (1.2) gelte für k .
Induktionsschritt k → k + 1: Unter der Induktionsvoraussetzung ist
bei vollständiger Induktion, denn man kann ja die Eigenschaft
Zahl
1+x+x2 +. . .+xk+1 =
1 − xk+1
1 − xk+1 + (1 − x)xk+1
1 − xk+2
+xk+1 =
=
.
1−x
1−x
1−x
Damit gilt die Beziehung (1.2) sinngemäss für
k+1
an Stelle von
k.
13
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Es stellt sich die Frage, wie man zu den Rechenoperationen und den zugehörigen Regeln kommt, wenn man nur die Peano-Axiome zur Verfügung hat. Das
geht, ist aber zeitaufwendig, so dass wir auf die Einzelheiten verzichten. Eine entscheidende Idee dabei ist die Denition durch
Rekursion, die auch sonst häug
vorkommt. Das zugehörige Prinzip ist in abstrakter Form in dem nächsten Satz
festgehalten. Der Beweis dieses Prinzips auf der Basis der Peano-Axiome und
eine kurze Skizze der Anwendung auf der Erweiterung der Rechenoperationen
und Zahlenbereiche ndet sich im nächsten Abschnitt.
Als Beispiel für eine rekursive Denition betrachten wir die
Fakultät
n!,
die
für alle natürlichen Zahlen wie folgt erklärt werden kann:
1! = 1
(n + 1)! = n! · (n + 1).
(1.3)
Es ist also 2! = 1 · 2 = 2, 3! = 2! · 3 = 2 · 3 = 6, 4! = 3! · 4 = 6 · 4 = 24,
5! = 24 · 5 = 120 usw.. Alternativ hingeschrieben n! = 1 · . . . · n.
Das allgemeine Schema lautet wie folgt.
Satz 1.3
gen,
a
Mn+1 .
(Mn )n∈N eine Folge von Men(fn )n∈N eine Folge von Funktionen fn : Mn →
Folge (a1 , a2 , . . .) mit
(Prinzip der rekursiven Denition) Sei
ein Element von
M1
und
Dann gibt es genau eine
a1
an+1
= a
= fn (an )
(1.4)
für alle
n ∈ N.
(1.5)
Rekursionsanfang, die Gleichung (1.5) der Rekursionschritt. Wenn man sich diesen Satz genau ansieht, ist er sehr einleuchtend:
Die Gleichung (1.4) ist der
(an ) ergibt sich schrittweise, und zwar in eindeutiger Weise: Zunächst
a1 = a sein. Wir haben also gar keine Wahl bei der Festlegung von
a1 , denn a ist in der Voraussetzung fest vorgegeben. Weil a ein Element der
ersten Menge M1 ist, ist also a1 ein Element des Denitionsbereichs der ersten
Funktion f1 : M1 → M2 . Wenn wir in der zweiten Gleichung für n die Zahl
1 einsetzen, ergibt sich a2 = f1 (a1 ). Also ist a2 eindeutig festgelegt. Weil der
Zielbereich von f1 gleich M2 ist, ist a2 ∈ M2 , also im Denitionsbereich von
f2 . Mit n = 2 ergibt sich als nächstes aus der Rekursionsgleichung a3 = f2 (a2 ),
Die Folge
soll also
wiederum in eindeutiger Weise. So hangelt man sich immer weiter.
Um zu sehen, dass das Beispiel der Fakultät tatsächlich in dieses Schema passt,
wählt man im Satz
Mn = N für alle n, a = 1 und fn (x) = x · (n + 1). Dann wird
die Rekursion im Satz zu
a1
an+1
= 1
= an · (n + 1),
also bis auf die Bezeichnung für die gesuchte Folge gerade (1.3).
(an )n≥1 irgendak rekursiv durch
Ein anderes Beispiel ist die Denition des Summenzeichens: Ist
eine Folge von Zahlen, dann deniert man den Ausdruck
1
X
k=1
ak = a1 ,
n+1
X
k=1
ak =
n
X
k=1
Pn
k=1
ak + an+1 .
Rekursion
Fakult\"at
14
Potenzmenge
Fibonacci-Zahlen
Rekursion
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Analog ist die Denition des Produkts
natürlichen Zahlen von
1
bis
n,
Qn
k=1
die im Fall
ak . Auch die Menge {1, . . . , n} aller
n = 1 einfach gleich {1} ist, kann
man, sofern man Satz 1.3 glaubt, rekursiv denieren durch
{1, . . . , n + 1} = {1, . . . , n} ∪ {n + 1}.
Dabei ist die Menge
Teilmengen von
N
Mn Rz.B. die Potenzmenge
fn (x) = x ∪ {n + 1}.
von
N,
(1.6)
dh. die Menge aller
und
Als letztes Beispiel betrachten wir die rekursive Denition der
Zahlen:
c1
c2
cn+2
Diese Folge beginnt also mit
Fibonacci-
= 1
= 1
= cn + cn+1 .
(1.7)
1, 1, 2, 3, 5, 8. Wie kann man diese Rekursion auf das
Schema von Satz 1.3 zurückführen? Indem man zwei sukzessive Folgenglieder
(cn , cn+1 ) zu einem an zusammenfasst:
fn (x, z) = (z, x + z). Damit wird
Man wählt
Mn = N × N, a = (1, 1)
und
(cn+1 , cn+2 ) = fn (cn , cn+1 ) = (cn+1 , cn + cn+1 ).
Die zweite Komponente dieser Gleichung ist gerade die Rekursionsgleichung in
(1.7).
1.6
Der Weg von den Peano-Axiomen zu den rellen Zahlen
Dieser Abschnitt kann übersprungen werden. Er wird im restlichen Text nicht
mehr gebraucht.
1.6.1 Herleitung des Rekursionsprinzips
Zunächst wollen wir das Prinzip der rekursiven Denition (Satz 1.3) aus den
Peano-Axiomen herleiten, da es entscheidend verwendet wird bei der Einführung der arithmetischen Operationen im Bereich der natürlichen Zahlen. Die
Idee dieser Herleitung ist, zunächst die Anfänge
(a1 , . . . , an )
der zu konstruie-
renden Folge zu denieren und diese dann zu einer ganzen Folge zusammenzusetzen. Für diese Anfänge braucht man als Indexmengen (Denitonsbereiche)
die Anfangsabschnitte
{1, . . . , n}
von
N,
diese waren aber in (1.6) unter Ver-
wendung des Rekursions-Satzes deniert. Man sollte aber in einem Beweis die
zu beweisende Behauptung nicht schon verwenden. Auch wenn die anschauliche
Bedeutung von
{1, . . . , n}
völlig klar ist, brauchen wir eine nicht rekursive De-
P1P5 zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören Begrie wie kleiner, gröÿer,
mehrmaliges Anwenden von P2 leider noch nicht. Eine geeignete Denition
nition und Konstruktion dieser Menge allein mit den Begrien, die durch
wird in Lemma 1.6 gegeben. Wir beginnen mit
Lemma 1.4
Jede natürliche Zahl ist verschieden von ihrem Nachfolger.
15
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. (durch Induktion) Induktionsanfang. Der Fall n = 1 wurde schon in Vorg\"anger
Abschnitt 1.2 behandelt.
Der Induktionsschritt ergibt sich leicht aus
Lemma 1.5
Jede von
1
P4.
verschiedene natürliche Zahl
n
ist Nachfolger einer
und nur einer natürlichen Zahl, ihrem Vorgänger.
Beweis. Wir wollen die folgende Eigenschaft E
weisen: Eine natürliche Zahl
n
für alle natürlichen Zahlen be-
hat die Eigenschaft
E,
wenn einer der beiden
folgenden Fälle eintritt:
• n = 1,
• n
oder
ist Nachfolger einer natürlichen Zahl, m.a.W.
n
hat einen Vorgänger.
1 hat Eigenschaft E , da sie den ersten Punkt erfüllt.
n habe Eigenschaft E .
Induktionsschritt: Für jede natürliche Zahl n, insbesondere wenn n selber schon
Eigenschaft E hat, erfüllt die Zahl n + 1 den zweiten Punkt.
Nach P5 haben also alle Zahlen n ∈ N die Eigenschaft E . Es bleibt noch die
Induktionsanfang: Die Zahl
Induktionsvoraussetzung: Die Zahl
Eindeutigkeit des Vorgängers zu zeigen. Diese folgt aber direkt aus der Injektivität der Nachfolgerfunktion.
Natürlich handelt es sich in üblicher Schreibweise beim Vorgänger um die Zahl
n − 1.
Lemma 1.6
von
a)
b)
c)
d)
N
i) Für jede natürliche Zahl
n gibt es genau eine Teilmenge {1, . . . , n}
mit folgenden Eigenschaften:
1 und n sind Elemente von {1, . . . , n}.
n + 1 ist kein Element von {1, . . . , n}.
Für k ∈ {1, . . . , n} mit k 6= n ist auch k + 1 ∈ {1, . . . , n}.
Für k ∈ {1, . . . , n} mit k 6= 1 ist auch k − 1 ∈ {1, . . . , n}.
ii) Für diese Mengen gilt dann die rekursive Beziehung (1.6).
Beweis.
Menge
Teil i) (durch Induktion). Induktionsbeginn. Im Fall
{1}
Fall. Für die Eindeutigkeit sei
Dann ist
n = 1
hat die
die Eigenschaften a)-d). Das beweist die Existenzaussage in diesem
{1} ⊂ M
M
eine andere Menge, die a)-d) für
1 ∈ M.
denn wegen a) gilt
folgende Hilfsbehauptung zeigen:
k∈
/M
Für
M ⊂ {1}
n = 1 erfüllt.
müssen wir die
für jede natürliche Zahl
k 6= 1.
Diese beweisen wir selber mit vollständiger Induktion (mit Induktionsanfang
k = 2): Zunächst ist 2 ∈
/ M , weil M b) erfüllt. Induktionsvoraussetzung: Sei
k∈
/ M . Induktionsschritt: Wäre k + 1 ∈ M , dann müsste, weil M d) erfüllt und,
wie wir schon in Abschnitt 1.2 gesehen haben, 1 verschieden von der Nachfolgerzahl k + 1 ist, auch k = (k + 1) − 1 ∈ M sein im Gegensatz zur Induktionsvoraussetzung. Damit ist die Hilfsbehauptung und der Induktionsbeginn der
Behauptung des Lemmas bewiesen.
Induktionsvoraussetzung: Für die Zahl
n
existiere genau eine Menge
{1, . . . , n}
mit den Eigenschaften a)-d).
n → n+1. Wir denieren8 {1, . . . , n+1} als {1, . . . , n}∪{n+1}.
a)-d) mit n + 1 an Stelle von n:
Induktionsschritt
Wir verizieren
8 Weil
hier
n
fest ist, ist diese Denition jetzt im Gegensatz zur Situation in (1.6) legitim.
16
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
1 ∈ {1, . . . , n+1}, weil {1, . . . , n} diese Eigenschaft hat. Zweitens
n + 1 ∈ {1, . . . , n + 1}. Also gilt a).
b) Zunächst bemerken wir, dass nach Lemma 1.4 n + 2 6= n + 1 ist. Wäre
n + 2 ∈ {1, . . . , n + 1}, so wäre also nach Denition von {1, . . . , n + 1} sogar
n + 2 ∈ {1, . . . , n}. Dann wäre aber wegen 1 6= n + 2 und Eigenschaft d) von
{1, . . . , n} sogar n + 1 = (n + 2) − 1 ∈ {1, . . . , n} im Gegensatz zu Eigenschaft
b) von {1, . . . , n}. Also ist n + 2 ∈
/ {1, . . . , n + 1}, dh. b) gilt.
c) Sei k ∈ {1, . . . , n + 1}, k 6= n + 1. Dann ist entweder k = n und daher auch
k + 1 = n + 1 ∈ {1, . . . , n + 1} oder es ist k 6= n und damit nach der Eigenschaft
c) von {1, . . . , n} auch k + 1 ∈ {1, . . . , n} und erst recht k + 1 ∈ {1, . . . , n + 1}.
d) Sei k ∈ {1, . . . , n + 1}, k 6= 1. Dann ist entweder k = n + 1 und damit
sogar k − 1 = n ∈ {1, . . . , n} wegen Eigenschaft a) von {1, . . . , n}, oder es ist
k ∈ {1, . . . , n} und damit k−1 ∈ {1, . . . , n} wegen Eigenschaft d) von {1, . . . , n}.
a) Erstens gilt
gilt
Also gilt d) und wir haben die Existenzteil des Induktionsschritts bewiesen.
Eindeutigkeit: Sei
für
n+1
M
irgendeine Menge, die die Eigenschaften a)-d) sinngemäÿ
erfüllt. Wir wollen zeigen, dass die Menge
n
1∈M
die Eigenschaften a)-d) für
erfüllt.
1 6= n + 1 gilt. Ferner ist n ∈ M 0 weil M d)
erfüllt und diese Eigenschaft auf k = n + 1 angewendet werden kann.
b) Es ist n + 1 ∈
/ M 0 nach Denition von M 0 .
0
c) Sei k ∈ M , k 6= n. Dann ist auch k 6= n + 1, aber k ∈ M . Also ist k + 1 ∈ M ,
0
und wegen k 6= n sogar k + 1 ∈ M .
0
d) Sei k 6= 1 und k ∈ M . Dann ist erst recht k ∈ M also k − 1 ∈ M und
0
ausserdem k − 1 6= n + 1, denn sonst wäre n + 2 = k ∈ M ⊂ M im Widerspruch
0
zu Eigenschaft b) von M . Also ist k − 1 ∈ M .
0
Wegen des Eindeutigkeitsteils der Induktionsvoraussetzung ist M = {1, . . . , n}
0
und damit M = M ∪ {n + 1} = {1, . . . , n + 1}.
Teil ii). Dies folgt aus der Denition von {1, . . . , n + 1} im obigen Induktionsa) Es ist
1 ∈ M0
M 0 = {x ∈ M : x 6= n + 1}
weil
und
schritt.
Denition 1.2
Seien k, n ∈ N. Dann sagen wir, k sei kleiner als n, wenn
k ∈ {1, . . . , n − 1}. In diesem Fall schreiben wir k < n. Wir schreiben k ≤ n (in
Worten: k ist kleiner oder gleich n), wenn k ∈ {1, . . . , n}.
Jetzt können wir die Anfangsstücke der allgemeinen Rekursion konstruieren.
Lemma 1.7
Unter den Voraussetzungen von Satz 1.3 gilt:
a) Es gibt für jede natürliche Zahl
reich
{1, . . . , n}
n
genau eine Funktion
gn (1) = a
gn (k + 1) = fk (gn (k))
b) Sei
k ≤ n.
gn
mit Denitionsbe-
derart, dass
(1.8)
falls
k < n.
Dann ist
gn (k) = gn+1 (k).
(1.9)
Beweis. a) Induktionsanfang. Sei n = 1. Dann deniere die Funktion g1 durch
g1 (1) = a.
Damit ist (1.8) für
n=1
erfüllt, denn die zweite Bedingung dort ist
ja in diesem Fall gegenstandslos. Ausserdem ist diese Wahl von
mit (1.8) vereinbare.
g1
die einzige
17
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Induktionsvoraussetzung: Es gebe genau eine auf der Menge
te Funktion
gn
{1, . . . , n} denier-
mit (1.8).
gn+1 (k) als gn (k) für k ≤ n und gn+1 (n+1) als
fn (gn (n)) bzw. äquivalent als fn (gn+1 (n)). Dann ist oenbar (1.8) auch für gn+1
sinngemäÿ erfüllt. Zum Beweis der Eindeutigkeit sei g̃n+1 irgendeine Funktion
auf {1, . . . , n +1} die (1.8) sinngemäÿ erfüllt. Dann ergibt sich aus der Tatsache,
dass sowohl gn+1 als auch g̃n+1 (1.8) erfüllen, durch vollständige Induktion nach
k , dass g̃n+1 (k) = gn+1 (k) für alle k ∈ {1, . . . , n + 1}.
b) Die Gleichung (1.9) folgt aus der obigen Konstruktion von gn+1 im Indukti-
Induktionsschritt: Wir denieren
onsschritt.
Schliesslich können wir in der Situation von Satz 1.3 die gesuchte gesamte Folge
(an )
denieren durch
an = gn (n).
Dann ist wegen der ersten Gleichung in (1.8)
der zweiten Gleichung in (1.8) (mit
k)
und (1.9) (ebenfalls mit
n
n+1
an Stelle von
a1 = g1 (1) = a. Ferner gilt wegen
n und n an Stelle von
an Stelle von
k)
an+1 = gn+1 (n + 1) = fn (gn+1 (n)) = fn (gn (n)) = fn (an )
für alle
n.
Damit ist die Folge
(an )
eine Lösung der Rekursion in Satz 1.3. Die
Eindeutigkeit der Lösung ergibt sich leicht durch vollständige Induktion.
1.6.2 Kurze Skizze der Denition und Ausdehnung der
Rechenoperationen und Zahlbereiche
m+n
m durch
1. Mit dem Rekursions-Prinzip kann man dann zum Beispiel die Summe
von zwei natürlichen Zahlen auf der Basis der Peano-Axiome bei festem
Rekursion über
Nachfolger von
n erklären: Im Fall n = 1 ist die Zahl m + 1 schon bekannt als
m. Der Rekursionsschritt (Übergang von n zu n + 1) ist gegeben
durch
m + (n + 1) := (m + n) + 1.
Analog ergibt sich das Produkt
m·n
bei fester Zahl
m·1 = m
m · (n + 1) = m · n + m
m
für allen
rekursiv durch
∈ N.
Dann kann man im wesentlichen jeweils mit vollständiger Induktion die Kommutativgesetze und Assoziativgesetze der Addition und Multiplikation und das
Distributivgesetz (für die Erläuterung dieser Ausdrücke vgl. Kapitel 2) beweisen.
2. Als nächstes kann man zu
N
die
0
und die negative ganze Zahlen
−n, n ∈ N
hinzufügen, und auf den neuen Bereich
Z := −N ∪ {0} ∪ N = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}
der
ganzen Zahlen
die Addition und Multiplikation zum Beispiel durch die
Forderung fortsetzen, dass erstens Kommutativgesetze, Assoziativgesetze und
Kommutativgesetz
Assoziativgesetz
Distributivgesetz
ganze Zahlen
18
rationale Zahlen
Bruchrechnung
Supremumsaxiom
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Distributiv-Gesetz gültig bleiben und ausserdem für alle
0+n
(−1) · n
(−n) + n
n∈N
die Gleichungen
= n
= −n
= 0
gelten sollen. (Wie man aus solchen Regeln dann weitere Folgerungen zieht,
werden wir ebenfalls in Kapitel 2 sehen.)
3. Als drittes kommt der Übergang von der Menge
der Menge
Q
der
rationalen
Z
der ganzen Zahlen zu
Zahlen. Bevor wir formal die rationalen Zahlen
denieren, erinnern wir an unser geheimes Vorwissen, dass jede rationale Zahl
eine Darstellung als Bruch
p
q mit
p ∈ Z, q ∈ N hat, wobei es allerdings unendlich
viele solche Darstellungen gibt, und zwar stellen zwei solche Brüche
p
p0
q und q 0
die gleiche rationale Zahl dar genau dann, wenn
p · q 0 = p0 · q
(1.10)
gilt.
Also teilt man, wenn man auf dies Vorwissen verzichtet, die Menge
Paare
(p0 , q 0 )
(p, q)
mit
p ∈ Z, q ∈ N
Z × N aller
(p, q) und
auf in Klassen, wobei zwei solche Paare
genau dann der gleichen Klasse zugeordnet werden, wenn (1.10) gilt.
Man kann dann die Menge
Q
der rationalen Zahlen denieren als die Menge
dieser Klassen (denn es entspricht ja gemäÿ unserem Vorwissen jeder rationalen
Zahl genau eine soche Klasse.) Mit
(rationale Zahl), die das Paar
(p, q)
p
q bezeichnet man dann diejenige Klasse
enthält. Die Addition und Multiplikation
zwischen rationalen Zahlen wird durch die Regeln der Bruchrechnung
p
+
q
p
·
q
p̃
q̃
p̃
q̃
=
=
pq̃ + p̃q
q q̃
pp̃
q q̃
erklärt. Dabei muss man dann zeigen, dass jeweils die durch die rechte Seite bezeichnete Klasse nur von den beiden Klassen auf der linken Seite, aber nicht von
den speziellen, diese beiden Klassen repräsentierenden Zahlen-Paaren abhängt.
Weil verschiedene rationale Zahlen immer auf Hauptnenner gebracht werden
können, kann man die Anordnungs-Begrie gröÿer bzw. kleiner von den ganzen Zahlen im Zähler auf die betreenden rationalen Zahlen übertragen.
4. Als letzter Schritt kommt der Übergang zu den reellen Zahlen. Dafür gibt es
verschiedene Möglichkeiten. Wir werden folgende Idee ausnutzen. Man stelle sich
die rationalen Zahlen gemäÿ ihrer natürlichen eben besprochenen Anordnung
auf einer geraden Linie vor. Sei
M
eine rechts (dh. nach oben) beschränkte
Menge rationaler Zahlen. Das entscheidende Postulat lautet: Dann soll die obere
Grenze dieser Menge, dh. der Punkt, an dem diese Menge rechts aufhört, selber
eine Zahl sein. Das wird in dem in Kapitel 2 zu besprechenden SupremumsAxiom gefordert.
Dies ist für die Naturbeschreibung eine sehr natürliche Forderung: Denken Sie
an einen Faden, auf den verschieden groÿe Kräfte wirken können. Wir betrachten
die Menge
M
derjenigen Kräfte (Kraftstärken), bei denen der Faden noch nicht
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
19
reisst. Dann ist diese obere Grenze gerade die Grenzkraft, jenseits derer der Faden reiÿt. Die Anwendung der Mathematik wäre sehr umständlich, wenn man
mit dieser Grenzkraft nicht wie mit anderen Gröÿen rechnen könnte. Analoges
gilt für viele inner-mathematische Überlegungen. Durch geeignete Grenzübergänge lassen sich dann die Rechengesetze für rationale Zahlen auf den auf diese
Weise erweitererten Bereich
R
der reellen Zahlen übertragen.
Das Ergebnis dieser vier hier nur angedeuteten Schritte ist das im nächsten
Kapitel vorgestellte System von Axiomen der reellen Zahlen, das die Basis all
unserer weiteren Arbeit sein wird.
Faden
20
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
K\"orper
Kapitel 2
Die reellen Zahlen
In diesem Kapitel führen wir die reellen Zahlen axiomatisch ein. Da die detaillierte Durchführung des Programms zur Konstruktion der reellen Zahlen aus
den natürlichen Zahlen, das wir im letzten Abschnitt des vorigen Kapitels skizziert haben, zuviel Zeit und Platz in Anspruch nehmen würde, fangen wir noch
einmal völlig von vorne an, vergessen die bisherige Denition der natürlichen
Zahlen und führen die reellen Zahlen als eine Menge von Zahlen ein, die folgende längere Liste von Axiomen erfüllt. Die natürlichen Zahlen werden dann
neu deniert (vgl. Denition 2.6) als der kleinste Teilbereich der reellen Zahlen,
der die Zahl
1
enthält, und gegen Addition von
1
abgeschlossen ist. Es ist leicht
zu sehen, dass dann wieder die Peano-Axiome für die so denierten natürlichen
Zahlen gelten, so dass die Aussagen des letzten Kapitels nach wie vor gültig
sind.
Die Axiome (Grundannahmen) der reellen Zahlen gliedern sich in die KörperAxiome, die die reinen Rechenoperationen betreen, und die auch in anderen
Zahlbereichen gelten, und die Anordnungsaxiome, die die Ordnungsstruktur des
Körpers der reellen Zahlen charakterisieren.
2.1
Die Körperaxiome
Die in diesem Abschnitt zusammengefassten Axiome kann man auch so zusammenfassen: Die Menge
der Operationen
man einen
+
R
·
und
Körper.
der reellen Zahlen ist ein Körper: Jede Menge
K,
auf
erklärt sind, die die folgenden Axiome erfüllen, nennt
A1 Zu je zwei Elementen a, b von R existiert ein eindeutig bestimmtes Element
a + b von R, die Summe von a und b.
A2 Für alle reellen Zahlen a, b gilt a+b = b+a (Kommutativgesetz der Addition)
A3 Für je drei reelle Zahlen a, b, c gilt (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz
der Addition)
Die erste konkrete Zahl liefert uns
A4 Es gibt eine Zahl 0, so dass a + 0 = a gilt für jede relle Zahl a. (Existenz
der Null, Null als neutrales Element der Addition)
21
22
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 2.1
(Eindeutigkeit der Null) Es gibt nur eine Null. Ausführlich: Ist 0'
a + 00 = a für alle a gilt, so ist 0 = 00 .
irgendeine Zahl, so dass auch
Beweis. (1) 0 = 0 + 00 weil 00 eine Null
(2)
(3)
ist.
00 + 0 = 00 weil 0 A4 erfüllt.
00 + 0 = 0 + 00 nach A2.
Die Gleichung (2), in (3) eingesetzt, liefert
(4)
00 = 0 + 00 .
Hierin (1) eingesetzt, gibt
(5)
00 = 0, wie behauptet. Dieser Beweis kann kurz auch so geschrieben werden:
00
00 + 0
=
↑
0 ist Null
0 + 00
=
↑
A2
=
0.
↑
0' ist Null
A5 (Existenz und Eindeutigkeit des Negativen einer Zahl)
Zu jeder reellen Zahl
−a
a
mit der Eigenschaft
Bemerkung 2.2
gibt es eine und nur eine (dh. eine einzige) reelle Zahl
a + (−a) = 0.
1) Wir haben die Eindeutigkeit von
−a
gefordert. Das wäre
nicht nötig, denn man kann diese Eindeutigkeit ähnlich wie bei der Null aus
den anderen Axiomen beweisen. Wenn wir
A5 durch das scheinbar schwächere
Axiom
f ) Zu jeder reellen Zahl
(A5
a
gibt es ein
ersetzen würden, hätten wir ein
A5 folgt, folgt auch aus A12) Wie man tatsächlich
f
A5
a+b
gehen davon aus, dass die Zahl
−a
mit
a + (−a) = 0
äquivalentes Regelsystem: Alles was aus A1und natürlich umgekehrt.
ausrechnet (konstruiert) wird nicht gesagt. Wir
a+b existiert, auch wenn wir sie nicht ausrechnen.
Wir können nun folgendes einfache Problem lösen: Gegeben zwei reelle Zahlen
a, b.
Gesucht
Satz 2.3
x
mit
a + x = b.
Es gibt genau eine Lösung von
a + x = b,
nämlich
x = b + (−a).
Beweis. 1. Das angegebene x ist eine Lösung wegen
a + (b + (−a)) = a + ((−a) + b) = (a + (−a)) + b = 0 + b = b.
2. Es gibt nur diese Lösung. Sei nämlich
x
irgendeine Lösung, dann folgen mit
A2, A3 nacheinander die Gleichungen
(−a) + a + x = b + (−a)
0 + x = b + (−a)
x = b + (−a).
Auch hier kann man stattdessen einfach eine Gleichungskette hinschreiben:
x = 0 + x = (−a) + a + x = (−a) + b = b + (−a).
23
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Allerdings entspricht der erste Weg eher dem Gedankengang, wie man auf diese
Lösung der Eindeutigkeitsfrage kommt. Der zweite ist zwar in gewisser Weise
eleganter, lässt sich aber erst dann in dieser Reihenfolge hinschreiben, wenn man
schon bis zu Ende gedacht hat.
Denition 2.1
Satz 2.4
b−a
ist deniert als
b + (−a).
(Minus mal Minus gibt Plus) Für alle rellen Zahlen
a
gilt
a =
−(−a).
Beweis. Es ist (−a) + a = 0. Damit erfüllt a die charakteristische Eigenschaft
des Negativen von
−a. Wegen dessen Eindeutigkeit folgt die Behauptung.
A6 Zu je zwei reellen Zahlen a, b existiert eine eindeutig bestimmte reelle Zahl
a · b oder auch einfach ab, das Produkt von a und b.
A7 Für je zwei reelle Zahlen a, b gilt ab = ba. (Kommutativgesetz der Multiplikation)
A8
Für je drei reelle Zahlen
a, b, c
gilt
a(bc) = (ab)c.
(Assoziativgesetz der
Multiplikation)
A9 Es gibt (genau) eine Zahl 1 so dass a1 = a ist für alle a. (Existenz der Eins,
Eins als neutrales Element der Multiplikation)
Bemerkung 2.5
Die
1
ist eindeutig.
A10 Zu jedem a mit a 6= 0 existiert genau ein a−1 mit aa−1 = 1. (Existenz des
Inversen der Multiplikation)
Die bisherigen Axiome
Die Menge
die Menge
A1-A5 resp. A6-A10 kann man auch so formulieren:
R mit der Addition + und der Null als neutralem Element, resp.
R∗ = {x ∈ R : x 6= 0} mit der Multiplikation · und der Eins als
neutralem Element bilden jeweils eine kommutative (dh. abelsche) Gruppe.
Die Beziehung zwischen beiden Operationen wird hergestellt durch das
A11(Distributivgesetz) Für alle reellen Zahlen a, b, c gilt
a(b + c) = ab + ac.
Satz 2.6
ax = b,
Für
a, b
und zwar
Denition 2.2
mit a 6= 0
x = ba−1 .
b
a
existiert eine und nur eine Lösung
x
der Gleichung
:= ba−1 .
Aus dem Distributivgesetz folgt
0a = (0 + 0)a = 0a + 0a
also
0a = 0
für alle
a.
Daraus ergibt sich die
Bemerkung 2.7
Die Gleichung
Die Gleichung
0x = b
0x = b wird im Fall b = 0 durch
b 6= 0 durch kein x gelöst.
wird im Fall
jedes
x
gelöst.
Division in $\R$
24
Anordnung
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
2.2
Axiome der Anordnung
A12 Es gibt im Bereich der reellen Zahlen eine Relation <: Für ein beliebiges
Paar (a, b) reeller Zahlen ist erklärt, ob a < b (in Worten: a ist kleiner als b)
oder nicht. Statt a < b schreibt man auch b > a ( b ist gröÿer als a.)
A13 (Transitivität) Wenn a < b und b < c, dann ist auch a < c.
A14 Wenn a 6= b, dann ist a < b oder b < a.
A15 a < b und b < a gelten nie gleichzeitig.
A12, A14, A15 lassen sich zusammenfassen: Für je zwei reelle Zahlen a, b liegt
a = b, a < b, b < a
genau einer der drei Fälle
vor.
A16 Aus a < b folgt a + c < b + c für alle c.
A17 Ist 0 < a und b < d, so ist ab < ad.
Satz 2.8
Wenn
a<b
Beweis. Es ist a+c
und
c < d,
< b+c
A16
dann ist
<
A2,A16
a + c < b + d.
b+d. Daraus folgt mit A13 die Behauptung.
Man darf also zwei Ungleichungen addieren, ohne sie zu zerstören.
Satz 2.9
−a < −b
Aus
a>0
−a < 0
folgt
und umgekehrt. Allgemeiner: Aus
a>b
folgt
und umgekehrt.
Beweis.
Sei a > b. Addiere auf beiden Seiten −a − b. Mit A16 ergibt sich
−b = a + (−a − b) > b + (−a − b) = −a. Umgekehrt folgt aus −a < −b durch
Addition von a + b auf beiden Seiten die Ungleichung b < a.
Satz 2.10
Ist
a < 0
und
b < c
dann ist
ab > ac.
(Multiplikation mit einer
negativen Zahl dreht Ungleichungen um.)
Beweis. Aus a < 0 folgt nach dem vorigen
(−a)b < (−a)c = −ac und daher ab > ac.
|
{z
}
Satz
−a > 0.
Also ist
−(ab) =
A17
Sehr häug wird auch die Relation
Denition 2.3
≤
benutzt:
a ≤ b, in Worten: a ist kleiner gleich (alternab ≥ a, in Worten: b ist gröÿer gleich (alternativ:
einer der beiden Fälle a < b oder a = b eintrit.
Wir schreiben
tiv: kleiner oder gleich) b, bzw.
gröÿer oder gleich)
Satz 2.11
i)
a,
wenn
Für die Relation
≤
gelten:
a ≤ a.
ii) Wenn
iii) Wenn
a≤b
a≤b
iv) Es gilt stets
und
und
b≤c
dann ist
b ≤ a,
a≤b
oder
a ≤ c.
dann ist
b ≤ a.
(Transitivität)
a = b.
25
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Bemerkung 2.12
rellen Zahlen
a, b
Wir nennen diese
Denition 2.4
Aus den letzten beiden Aussagen folgt: Bei beliebigen zwei
ist stets genau eine der beiden gröÿer oder gleich der anderen.
max(a, b),
das
Maximum von a und b.
Für jede reelle Zahl
a
bezeichnen wir mit
max{a, −a} =
Wir nennen sie den
Satz 2.13
|a|
die Zahl
a
a≥0
.
−a a < 0
Betrag von a.
(Dreiecksungleichung) Für je zwei relle Zahlen
a, b
gilt
|a + b| ≤ |a| + |b|
und für je drei reelle Zahlen
a, b, c
gilt
|a − c| ≤ |a − b| + |b − c|.
Beweis. Für die erste Ungleichung unterscheiden wir zwei Fälle:
1. Fall.
0 ≤ a, 0 ≤ b bzw. a ≤ 0, b ≤ 0 (beide haben das gleiche Vorzeichen).
|a + b| = a + b = |a| + |b| bzw. |a + b| = −(a + b) = |a| + |b|. In diesem
Dann ist
Fall gilt Gleichheit in der Dreiecksungleichung.
2. Fall. Die beiden Zahlen
a, b
haben verschiedenes Vorzeichen. Weil
a
und
b
in der Behauptung gelichberechtigt sind, können wir ohne Einschränkung der
a < 0 < b, da die Situation, in der b < 0 < a
a und b ergibt. Sei also jetzt a < 0 < b.
Dann gelten sowohl a + b < b < b − a als auch −(a + b) = −a − b < −a < b − a
und damit |a + b| < b − a = |a| + |b|. In diesem Fall ist die Dreiecksungleichung
Allgemeinheit annehmen, es sei
ist, sich hieraus durch Vertauschen von
also eine echte Ungleichung.
Die Dreiervariante der Dreiecksungleichung ergibt sich aus der Zweiervariante durch Einsetzen von
Denition 2.5
a − b an Stelle von a und von b − c an Stelle von b.
Die Zahl
|a − b|
heiÿt der
Abstand der beiden Zahlen a, b.
Wir können die Menge der natürlichen Zahlen
auassen. Dabei werden mit
1, 1 + 1 + 1 + 1, . . .
Satz 2.14
Es gilt
2, 3, 4 . . .
1, 2, 3, 4, . . .
als Teilmenge von
wie in Kapitel 1 die Zahlen
R
1 + 1, 1 + 1 +
bezeichnet.
0 < 1 < 2 < 3 . . ..
Beweis. Nach Satz 2.9 ist von den beiden Zahlen −1, 1 die eine positiv (dh. > 0)
und die andere negativ (dh. < 0). Daher ist −1 = (−1)1 nach A17 negativ und
damit 1 positiv. Der Rest der Behauptung ergibt sich aus A16 mit sukzessiver
Addition von
1.
Jetzt kommen wir zu der in der Einleitung zu diesem Kapitel angekündigten
neuen Denition der natürlichen Zahlen.
Denition 2.6
Eigenschaften
Die kleinste Menge
N
reeller Zahlen mit den folgenden beiden
Maximum von zwei Zahlen
Dreiecksungleichung reell
Abstand reell
26
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
ganze Zahlen
rationale Zahlen
• 1∈N
Potenzen
•
Ist
n ∈ N,
so ist auch
n+1∈N
nennen wir die Menge der natürlichen Zahlen und bezeichnen sie mit
N.1
M.a.W.
ist eine reelle Zahl genau dann eine natürliche Zahl, wenn sie Element von allen
Mengen
N
ist, welche die beiden obigen Eigenschaften haben.
Damit können wir auch die Menge der ganzen Zahlen durch
Z := N ∪ {0} ∪ {m ∈ R : −m ∈ N}
und die Menge der rationalen Zahlen durch
Q := {x ∈ R : x =
p
q
für geeignete
p ∈ Z, q ∈ N}
neu denieren und zwar so, dass sie automatisch per Denition in die Menge der
reellen Zahlen eingebettet sind. Da die Regeln der Bruchrechnung leicht aus den
Körperaxiomen hergeleitet werden können, ist diese Denition der rationalen
Zahlen dann im Einklang mit der in Kapitel 1 skizzierten.
Wie schon im ersten Kapitel tauchen die natürlichen Zahlen in einer Doppelrolle
auf: Erstens als Objekte unserer Untersuchung und zweitens als Beschreibungsmittel für die Häugkeit, mit der gewisse Operationen durchgeführt werden. Das
Hilfsmittel, um diesen Unterschied zu überwinden ist die rekursive Denition.
Hier ist ein weiteres Beispiel:
Denition 2.7
durch
und
auf den Fall
n
Sei a ∈ R und n ∈ N. Wir denieren a rekursiv
an = an−1 a. Die lässt sich für a 6= 0 in natürlicher Weise
n ∈ Z erweitern: Wir setzen an a−n = (a−1 )n und a0 = 1.
a1 = a
Die anschauliche Bedeutung der arithmetischen Operationen ist wie folgt:
Sei
a > 0.
Addition von
a
bedeutet Translation nach rechts. Subtraktion von
a
bedeutet Translation nach links.
Multiplikation. Sei zunächst
Ist umgekehrt
0 < a < 1,
1 < a.
Multiplikation mit
a
bedeutet
dann bedeutet Multiplikation mit
a
eine
Streckung.
Stauchung.
0 fest.
a < 0. Die Multiplikation mit a bedeutet Hintereinander-Ausführung von 1)
Multiplikation mit |a| = −a und dann 2) Spiegelung an der Null (= Multiplikation mit −1).
In beiden Fällen bleibt die
Sei
Satz 2.15
1 Aus
Ist
0<b<d
0<
1
d
<
1
b.
dieser Denition ergibt sich die Gültigkeit der Peano-Axiome:
Das Induktionsaxiom
N (E)
so ist
P5
folgt so: Ist
E
eine Eigenschaft wie in
P5,
P1
und
P2
sind klar.
dann erfüllt die Menge
E die beiden Bedingungen aus Denition 2.6.
N die kleinste Menge von Zahlen mit diesen beiden Bedingungen ist, gilt N ⊂ N (E),
dh. alle n ∈ N haben die Eigenschaft E . Die Injektivität der Nachfolger-Funktion P4 kann man
auch so formulieren: Aus a + 1 = b + 1 folgt a = b. Diese Aussage folgt hier durch Abziehen der
1 auf beiden Seiten. Durch vollständige Induktion folgt mit Satz 2.14, dass die 0 verschieden
von allen natürlichen Zahlen ist, also gilt P3.
aller reellen Zahlen mit der Eigenschaft
Also, weil
27
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. Zunächst zeigen wir 0 <
1
1
d . Es ist d · d = 1 > 0, also hat wegen d > 0
1
1
auch
d das gleiche Vorzeichen wie 1. Daraus folgt mit Satz 2.14 dass d positiv
b
1
ist. Damit ergibt sich aus b < d mit
auch
d < 1 und da schliesslich b aus
1
1
1
auch
dem gleichen Grund positiv ist wie , folgt dann wieder mit
d
d < b.
A17
A17
Damit bedeutet anschaulich die Bildung des Inversen von positiven Zahlen eine
verzerrte Spiegelung an der
1 und die Bildung des Inversen von negativen Zahlen
−1.
die entsprechende verzerrte Spiegelung an der
Denition 2.8 Für je zwei reelle Zahlen a, b mit a ≤ b denieren wir
das abgeschlossene Intervall [a, b] durch
[a, b] = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b},
das
oene Intervall
2
(a, b)
durch
(a, b) = {x ∈ R : a < x < b},
das
links oene, rechts abgeschlossene Intervall (a, b] durch
(a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b},
das
links abgeschlossene, rechts oene Intervall [a, b) durch
[a, b) = {x ∈ R : a ≤ x < b},
die
abgeschlossene rechte Halbgerade [a, ∞) durch
[a, ∞) = {x ∈ R : a ≤ x < ∞},
usw. Eine Teilmenge
a, b ∈ I
mit
a<b
I
auch
von R heiÿt einfach
[a, b] ⊂ I ist. 3
Intervall,
wenn für alle Punkte
2.2.1 Das Archimedische Axiom
Wichtig ist ein weiteres Axiom, welches sicherstellt, dass es keine unendlich
groÿen reellen Zahlen gibt.
A 18 (Archimedisches Axiom) Zu jeder reellen Zahl a gibt es eine natürliche
Zahl
n
mit
a < n.
Wir ziehen einige nützliche Folgerungen aus diesem Axiom.
Satz 2.16
m
mit
Zu jeder reellen Zahl
x
2 Hier
gibt es leider eine Zweideutigkeit der mathematischen Bezeichnung: Ein oenes In-
tervall zwischen
a und b wird
a und b.
mit dem gleichen Symbol bezeichnet wie das geordente Paar
mit den Gliedern
3 Die
gibt es eine eindeutig bestimmte ganze Zahl
m ≤ x < m + 1.
Menge
I
hat also keine Lücken.
Intervall
Archimedisches Axiom
28
Gauss-Klammer
Schranke, obere
beschr\"ankt
Schranke, untere
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. 1. Fall x > 0. Nach dem Archimedischen Axiom gibt es eine natürliche
n mit x < n. Unter den endlich vielen Zahlen 0, 1, . . . , n sei m die letzte
m ≤ x. Dann ist erstens m ≤ x und zweitens m 6= n. Also kommt m + 1
auch unter den Zahlen 0, 1, . . . , n vor, es muss also x < m + 1 sein.
Zahl
mit
2. Fall
x = 0.
Dann wähle einfach
m = 0.
x < 0. Dann existiert ein n ∈ N mit −x < n. Sei k die erste der Zahlen
0, 1, . . . , n, die ≥ −x ist. Dann ist k − 1 < −x ≤ k und damit −k ≤ x < −k + 1.
Wähle m = −k .
3. Fall
Denition 2.9
Mit
[x]
(Gauÿ-Klammer von
x)
wird die ganze Zahl aus dem
Satz bezeichnet.
Mit der Gauÿ-Klammer kann man auch die Division mit Rest im Bereich der
natürlichen Zahlen beschreiben.
Folgerung 2.17
und
p, q ∈ N gibt es genau zwei Zahlen s ∈ N0
p = sq + r, und zwar ist s = [ pq ] und r = p − [ pq ]q .
Für je zwei Zahlen
r ∈ {0, . . . , q − 1}
mit
Wichtig ist auch die folgende Anwendung
Satz 2.18
r∈Q
mit
Für je zwei reelle Zahlen
Beweis. Wähle n ∈ N mit
m = [nx]
x, y
mit
x<y
gibt es eine rationale Zahl
x < r < y.
gilt
m ≤ nx < m
1
1
y−x < n. Dann ist nach Satz 2.15 n
+ 1. Also ist
< y − x.
Für
m
m+1
m
1
m
≤x<
=
+ <
+ (y − x) ≤ x + y − x = y.
n
n
n
n
n
Die Zahl
r=
m+1
hat damit die gewünschten Eigenschaften.
n
2.2.2 Das Supremumsaxiom
Alle bisherigen Axiome werden auch von der Menge
Q der rationalen Zahlen er-
füllt. Die Menge der reellen Zahlen enthält aber viele irrationale Zahlen. Wir
werden bald eine kennenlernen, aber später werden wir sehen, dass in einem
präzisen die Sinn die (überwältigende) Mehrheit aller reellen Zahlen irrational
ist. Ferner gibt es noch viele weitere Körper, die zwischen dem der rationalen Zahlen und dem der reellen Zahlen liegen. Dieser Abstand der reellen von
den rationalen Zahlen wird durch ein einziges Axiom sichergestellt, das Supremumsaxiom. Zu seiner Formulierung benötigen wir ein paar Hilfsbegrie.
Denition 2.10
Gegeben seien eine Menge M reeller Zahlen und eine reelle
c. Die Zahl c heiÿt obere Schranke von M , wenn M ⊂ (−∞, c], m.a.W.
wenn x ≤ c gilt für alle x ∈ M . Die Menge M heiÿt nach oben beschränkt,
Zahl
wenn sie eine obere Schranke besitzt. Entsprechend sind die Ausdrücke
re Schranke und nach unten beschränkt deniert. Eine Menge
schränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist.
untebe-
heiÿt
29
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beispiele 1. Die Menge N ist nach unten beschränkt. Sowohl 0 als auch 1 sind Grenze
untere Schranken von
N.
Nach dem Archimedischen Axiom ist
N
nicht nach
oben beschränkt.
M = {a1 , . . . , an }
2. Jede endliche Menge
kleinste Element von
M
ist beschränkt. Das gröÿte bzw. das
ist eine obere bzw. eine untere Schranke von
M.
M = {x : x2 < 2} ist nach oben (sogar auch nach unten) be2
schränkt. Denn wenn etwa x > 2 ist, dann ist x > 4 und damit sicher nicht
x ∈ M . Also x ≤ 2 für jedes Element der Menge M , dh. 2 ist eine obere Schran3
ke von M . Aus einem ähnlichen Grund sind
2 auch eine obere Schranke von M
und −2 eine untere Schranke von M .
3. Die Menge
Denition 2.11
Sei
s
eine obere Schranke der Menge
kleinste obere Schranke von
M
ist, dh. wenn
s ≤ d
M.
Wenn
s
sogar die
gilt für jede andere obere
d von M , dann heiÿt s obere Grenze von M oder Supremum von
M und wird mit sup M bezeichnet. Analog heiÿt die gröÿte untere Schranke von
M , sofern sie existiert, die untere Grenze oder das Inmum von M und wird
mit inf M bezeichnet.
Schranke
Das angekündigte Axiom lautet nun
A 19 (Supremumsaxiom) Jede nicht leere nach oben beschränkte Menge reeller
Zahlen besitzt im Bereich der reellen Zahlen ein Supremum (dh. eine obere
Grenze).
Bemerkungen zum Supremum
1. Das Supremum stimmt für endliche Mengen mit dem Maximum überein:
max{a1 , . . . , an } = sup{a1 , . . . , an }.
Insbesondere gilt: Wenn
M
endlich ist, dann ist
sup M = max M ∈ M.
2. Manche beschränkten Mengen enthalten ihr Supremum als Element, andere
nicht. Für ein Intervall
I = (a, b]
abgeschlossenes Intervall ist also
oder I = (a, b) ist b = sup I . Für ein (rechts)
sup I ∈ I , für ein (rechts) oenes Intervall ist
sup I ∈
/ I.
M = {x : x2 < 2}.
3. Sei
Dann ist
M
x2 > 4.
durch einen Grenzübergang leicht zeigen (vgl.
(oder
s=
√
2).4
Daraus folgt, dass
s
M ⊂ [−2, 2], denn
s = sup M . Man kann
2
nächstes Kapitel), dass s = 2
beschränkt, z.B. ist
auÿerhalb dieses Intervalls gilt ja (s.o.)
Sei
nicht rational ist.
5
Auf diese Weise sehen
wir zum ersten Mal, wie das Supremumsaxiom die Existenz irrationaler Zahlen
erzwingt.
4 Der
Wert
s2
der Funktion
zwischen den Zahlen
5 Denn
so wäre
wäre
2
p
q2
s=
= s2 =
teilbar und damit
Zahlen
p
und
q
<2
x 7→ x2
an der Grenz-Stelle
und den Zahlen
s
liegt eben auch auf der Grenze
≥ 2.
p
eine Darstellung als Bruch, in dem Zähler und Nenner teilerfremd sind,
q
2, also p2 = 2q 2 eine gerade Quadratzahl. Dann müsste p2 auch durch 4
q2
durch
2
teilbar sein. Dann wäre auch
q2
durch
4
teilbar, und die beiden
wären beide gerade im Widerspruch zur angenommenen Teilerfremdheit.
Supremum
Inmum
Supremumsaxiom
30
nach oben unbeschr\"ankt
nach unten unbeschr\"ankt
erweiterte reelle Achse
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
4. Das Supremum ist nicht immer quantitativ berechenbar. Es gibt eine Reihe
oener Probleme in Mathematik und Naturwissenschaften, die auf die Bestimmung des Supremums einer geeigneten Menge hinauslaufen.
5. Durch Spiegelung ergibt sich aus dem Supremumsaxiom auch: Jede nicht
leere nach unten beschränkte Menge
M
hat eine untere Grenze oder Inmum:
s = inf M.
an ∈ M ∩ (s − n1 , s].
1
Denn dieser Durchschnitt kann nicht leer sein, weil sonst die Zahl d = s−
n auch
eine obere Schranke von M und s demnach nicht die kleinste obere Schranke von
M wäre. Man kann also das Supremum einer Menge stets von links durch eine
Folge von Elementen von M annähern, (wobei wie in der vorigen Bemerkung
6. Sei
s = sup M .
Dann gibt es zu jedem
n∈N
eine Zahl
nicht immer klar ist, wie die Glieder einer solchen Folge explizit zu berechnen
sind).
s ein isolierter Punkt von M ist, dh. wenn
1
, s] keine
m ∈ N in dem kleinen Intervall (s − m
weiteren Punkte aus M liegen (dies ist z.B. für endliche Mengen M der Fall),
wird für alle n ∈ N mit n ≥ m notwendigerweise an = s sein, dh. die Folge (an )
Wenn allerdings das Supremum
s∈M
ist und für ein geeignetes
ist schliesslich konstant. Daher war es im vorigen Absatz wichtig, dass wir die
Intervalle
(s − n1 , s]
rechts abgeschlossen gewählt haben.
Ausserdem liegt für das Supremum
daher kann
s
s = sup M
kein Punkt von
M
s,
M
rechts von
von rechts nur durch Punkte angenähert werden, die nicht in
liegen.
7. Die Forderung im Supremumsaxiom, dass die Menge
M
nicht leer sein soll,
ist sicher sinnvoll, weil jede reelle Zahl eine obere Schranke der leeren Menge
∅
ist. Für manche Zwecke ist es allerdings praktisch, der leeren Menge doch ein
Supremum zuzordnen, um lästige Fallunterscheidungen zu vermeiden. Die einzig sinnvolle Festlegung führt dann aber aus dem Bereich der endlichen Zahlen
hinaus: Man setzt an
den Werte
+∞
und
sup ∅ = −∞, und entsprechend inf ∅ = +∞. Die bei−∞ kann man auch für die Denition des Supremums
und Inmums in den anderen noch nicht in den Denitionen 2.10 und 2.11 berücksichtigten Fällen verwenden, indem man für nicht nach oben beschränkte
nach oben unbeschränkte Mengen M setzt sup M = +∞ und
inf M = −∞ für nach unten unbeschränkte Mengen M . Die
Menge R ∪ {−∞, +∞} wird auch als erweiterte reelle Achse (Zahlengerade) bezeichnet.
Mengen, dh.
entsprechend
M ⊂ N ist, dann ist jede obere Schranke von N auch eine obere
M . Insbesondere ist auch sup N eine obere Schranke von M . Weil
sup M die kleinste obere Schranke von M ist, ist sup M ≤ sup N . Also: Je mehr
8. Wenn
Schranke von
Elemente eine Menge hat, d.h. je gröÿer eine Menge ist, desto gröÿer ist auch
ihr Supremum. Achtung: Beim Inmum ist es umgekehrt, je gröÿer die Menge,
desto kleiner ihr Inmum.
9. Unter der Voraussetzung der übrigen Axiome gibt es einige andere, zum
Supremumsaxiom äquivalente Möglichkeiten, die durch das Supremumsaxiom
eingeführte Reichhaltigkeitsforderung an die reellen Zahlen zu formulieren. Eine
ist das Intervallschachtelungsprinzip, das wir in den Übungen besprechen, eine
andere ist die Vollständigkeit (vgl 3.15), die allerdings die Begrie des nächsten
Kapitels voraussetzt.
31
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
2.3
Beispiele reeller Folgen
Wir beginnen mit einigen Beispielen reeller Folgen und beschreiben einige ihrer
qualitativen Eigenschaften.
1. Sei
an = a
für alle
2. Seien die Zahlen
liefert die
an =
der 0.
3.
4.
n ∈ N.
Das liefert die
a1 , . . . , am
konstante Folge (a, a, . . .).
beliebig gewählt und
an = a
schlieÿlich konstante (a1 , . . . , am , a, a, . . .).
1
n für
n > m.
Das
n ≥ 1: Das liefert die Folge (1, 12 , 13 , . . .). Sie nähert sich von rechts
an = (−1)n
n
5. an =
n+1
der Zahl 1.
für alle
n ≥ 1:
für
= 1−
Diese Folge oszilliert
1
n+1 für
n ≥ 1:
Diese Folge
(−1, 1, −1, 1, . . .).
( 21 , 23 , 34 , . . .)
nähert sich von links
a0 = 1, a1 = 1 und an = an−1 + an−2 für n ≥ 2 liefert
(1, 1, 2, 3, 5, 8, . . .). Sie wachsen rasch über alle Grenzen.
6. Die rekursive Vorschrift
die Fibonacci-Zahlen
an = n5 . Diese Folge (1, 32, 243, 1024, 3125, . . .) wächst oensichtlich auch
7. Sei
sehr schnell. Ein interessantes Thema ist der Geschwindigkeitsvergleich beim
Wachstum verschiedener Folgen. Glauben Sie, dass bei dem Wettlauf diese Folge
oder die der Fibonacci-Zahlen schlieÿlich gewinnt?
8. Sei
an = bn
Wahl der Zahl
n ≥ 1.
für
b
Das Verhalten dieser Folge hängt wesentlich von der
ab (vgl. auch Beispiel 4.) Wir werden dies im Detail studieren.
Eine erste Abschätzung liefert der folgende Satz.
Satz 2.19
n∈N
gilt
(Bernoullische Ungleichung) Für jede reelle Zahl
a > 0
und jedes
(1 + a)n ≥ 1 + na.
Beweis. 1. Induktionsanfang. Für n = 1 gilt (1 + a)1 ≥ 1 + 1a, denn beide
Seiten sind gleich
2.
1 + a.
Induktionsschritt
gelte für
n + 1.
n,
dh. sei
n → n + 1. Induktionsvoraussetzung: Die
(1 + a)n ≥ 1 + na. Induktionsbehauptung: Sie
Behauptung
gilt auch für
Aus der IV ergibt sich
(1 + a)n (1 + a) ≥ (1 + na)(1 + a),
(1 + a)n+1 ≥ 1 + (n + 1)a + na2 ≥ 1 + (n + 1)a.
also
a = 0.02 =
n
1 + 50
Euro
Zum Beispiel ergibt sich für
nach
n
Jahren mindestens
1
50 , dass ein mit 2% p.a. verzinster Euro
wert ist. Für kleine n ist das eine recht
genaue Abschätzung, sie wird aber für wachsende
n
bald sehr grob. Trotzdem
reicht sie, um zu sehen, dass die Folgenglieder beliebig groÿ werden:
Satz 2.20
bn > K
Sei
für alle
b > 1. Dann gilt es
n ∈ N mit n ≥ N .
zu jeder reellen Zahl
K
ein
N ∈ N
mit
Beweis. Sei a := b − 1. Nach Voraussetzung ist a > 0. Nach dem ArchimediN ∈ N mit N > K−1
a . Dann gilt die gleiche
auch für alle n ∈ N mit n ≥ N . Also ist für diese n nach dem
bn = (1 + a)n ≥ 1 + na > 1 + K − 1 = K.
schem Axiom gibt es ein
Unglei-
chung
vorigen
Satz
schlie\sslich konstante
Folge
Fibonacci-Zahlen
Bernoullische Ungleichung
32
Dezimaldarstellung
Darstellung
Babylonier
Basis der $b$-adischen
Entwicklung
$b$-adische Darstellung
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Folgerung 2.21
0 < dn < ε
0 < d < 1. Dann
n ∈ N mit n ≥ N .
Sei
für alle
gibt es zu jedem
ε>0
ein
N ∈N
mit
Beweis. Wende den vorigen Satz auf
1 n
1
ein N mit ( ) >
d
ε für alle
n
mit Satz 2.15 d < ε.
2.4
Die
Die
b-adische
n∈N
b-adische
1
1
d statt b und ε statt K an. Es existiert
1 n
1
1
1
mit n ≥ N . Wegen ( ) =
d
d . . . d = dn folgt
Darstellung reeller Zahlen
Darstellung reeller Zahlen ist der natürliche Oberbegri der Dar-
stellung reeller Zahlen im Dezimalsystem (b
lung) (b
= 2)
oder auch im Byte-System (b
= 10), Binärsystem (Dualdarstel= 256). Für unsere Zeiteinteilung
in Stunden, Minuten und Sekunden ist historisch auch das auf die Babylonier
zurückgehende Hexagesimalsystem mit
Sei
b ∈ N, b ≥ 2
fest gewählt, die
von Elementen der Menge
Zahl
x
hat die
b-adische
b = 60
wichtig.
Basis. Sei k ∈ N0
{0, . . . , b − 1}.
6
Darstellung
und
(an )n≥−k
eine Folge
Wir sagen, eine nicht-negative reelle
x = a−k . . . a0 , a1 a2 a3 . . .
wenn
x = sup
N
X
(2.1)
an b−n : N ≥ −k ,
(2.2)
n=−k
also in etwas weniger formaler Schreibweise
x = a−k bk + . . . a−1 b + a0 + a1
1
1
+ . . . + aN N + . . . .
b
b
(2.3)
Dies ist ein Spezialfall der im nächsten Kapitel systematisch betrachteten un-
N ∈ N jeweils die endliche
−n
a
b
.
Je
gröÿer
der
Index
N
,
desto
gröÿer wird diese Summe.
n=−k n
Für jedes N und jede Wahl der Zahlen an ∈ {0, . . . , b − 1} erhält man eine obere
Abschätzung für die Restsumme ab einem Index m, indem man alle an durch
b − 1 ersetzt und Satz 1.2 anwendet:
endlichen Reihen. Man bildet also zunächst für alle
Summe
PN
N
X
an b−n
≤
n=m+1
N
X
(b − 1)b−n
(2.4)
n=m+1
=
(b − 1)
N
X
b−n
n=m+1
N −(m+1)
=
(b − 1)b−(m+1)
X
b−n
n=0
1 − b−(N −m)
= (b − 1)b−(m+1)
1 − b−1
−m
−(N −m)
= b (1 − b
) < b−m .
6 Manchmal
wird zusätzlich verlangt, dass im Fall
k>0
auÿerdem
a−k > 0
sei.
33
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Insbesondere ist die durch die geschweifte Klammer in (2.2) dargestellte Menge
aller durch diese endlichen Summen dargestellten Zahlen nach oben beschränkt.
Also existiert das entsprechende Supremum und für jeden
b-adischen Ausdruck
x ≥ 0, die durch
wie auf der rechten Seite in (2.1) existiert genau eine reelle Zahl
ihn dargestellt wird.
n-te Zier der b-adischen Darn0 ≥ 0 gibt mit an = 0 für
alle n > n0 , dann sprechen wir von einer abbrechenden b-adischen Darstellung und schreiben auch x = a−k . . . a0 , a1 . . . an0 . Zwei b-adische Darstellungen
Weitere Bezeichnungen: Die Zahl
stellung oder
heissen
Entwicklung
von
an heiÿt
x. Wenn
die
es ein
wesentlich verschieden, bzw. wesentlich gleich, wenn sie sich nicht
nur, bzw. nur durch der ersten nicht verschwindenden Zier vorgestellte Nullen
bzw. im Fall von abbrechenden Darstellungen durch nachgestellte Nullen unterscheiden.
Wir sagen, die
einen Index
n0
b-adische
Darstellung (2.1) ist
schlieÿlich periodisch, wenn es
l ∈ N und Ziern α1 , . . . , αl in {0, . . . , b − 1}
r ∈ N, s ∈ {1, . . . , l} gilt an0 +rl+s = αs . In diesem
und Zahlen
derart, dass für alle
gibt
Fall
schreiben wir
x = a−k . . . an0 α1 . . . αl .
Wenn
x > 0
die Darstellung (2.1) hat, dann hat die negative Zahl
adische Darstellung
Satz 2.22
die
b-
x ≥ 0 die b-adische Darstellung (2.1) hat, dann
Wenn die reelle Zahl
gilt für alle Indizes
−x
−a−k . . . a0 , a1 a2 a3 . . ..
m ≥ −k ,
x∈[
dass
m
X
an b
−n
m
X
,
n=−k
an b−n + b−m ],
(2.5)
n=−k
dh. jede reelle Zahl, die eine mit a−k . . . am beginnende b-adische Darstellung
hat, liegt in diesem Intervall. Umgekehrt hat jede reelle Zahl x in diesem Intervall eine
b-adische
Darstellung, die mit
a−k . . . am
beginnt. Ist speziell
x
der
rechte Endpunkt, so ist
x = a−k . . . am (b − 1).
Beweis. 1. Sei sm
der linke Endpunkt des Intervalls in (2.5). Dann ist
Element der Menge, deren Supremum
sN
mit
N ≥m
(2.6)
x nach
(2.2) ist, also ist
x ≥ sm .
sm
ein
Sei jetzt
ein anderes Element dieser Menge. Dann ist nach (2.4)
N
X
sN = sm +
an b−n < sm + b−m .
n=m+1
Da
x
x
die kleinste obere Schranke der
sN
ist, ist also
x ≤ sm + b−m .
Daher liegt
in dem angegebenen Intervall.
2. Sei jetzt
N ≥m
x
ein Punkt im obigen Intervall. Wir konstruieren rekursiv
Zahlen
ηN ∈ [0, 1]
und
x=
aN +1 ∈ {0, . . . , b − 1},
N
X
an b−n + ηN b−N .
7
für alle
so dass
(2.7)
n=−k
7 Diese
Konstruktion ist bei näherer Betrachtung eine Variante des üblichen schriftlichen
Dividierens, das Sie aus der Schule noch kennen. Wir werden darauf später noch eingehen.
Zier
$b$-adische Darstellung:
abbrechende
$b$-adisch Darstellung:
schliesslich periodische
34
$b$-adische Darstellung:
Eindeutigkeit
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
xr der rechte Endpunkt in (2.5). Wir unterscheiden zwei
x < xr und x = xr .
Zunächst sei ηm durch (2.7) deniert. Dann ist ηm < 1, falls x < xr , und ηm = 1,
falls x = xr . Seien nun aN und ηN mit (2.7) schon gegeben, so dass ηN < 1 falls
x < xr und ηN = 1 sonst. Dann wähle
bηN − [bηN ] falls x < xr
ηN +1 =
(2.8)
1
falls x = xr
Sei zur Abkürzung
Fälle,
und
[bηN ]
b−1
aN +1 =
Dies ist mit (2.7) verträglich: Im Fall
aN +1 b−(N +1) + ηN +1 b−(N +1)
und analog im zweiten Fall
falls
falls
x < xr
.
x = xr
x < xr
ist auch
(2.9)
ηN +1 < 1
und es gilt
= ([bηN ] + (bηN − [bηN ])b−(N +1)
= bηN b−(N +1) = ηN b−N .
x = xr
aN +1 b−(N +1) + ηN +1 b−(N +1) = (b − 1 + 1)b−(N +1) = b−N = ηN b−N .
Daher überträgt sich die Gleichung (2.7) von
Aus den Gleichungen (2.7) folgt, dass
x
N
auf
N + 1.
eine obere Schranke der Menge in (2.2)
ist, deren Supremum dort gebildet wird. Ausserdem ergibt sich aus (2.7) zu-
ε > 0 es ein N ∈ N gibt mit
−n
, dh. dass x − ε keine obere Schranke der betrachten=−k an b
ten Menge ist. Damit ist x ihre kleinste obere Schranke, also gilt (2.2) und x
sammen mit Folgerung 2.21, dass zu jedem
x−ε <
PN
hat die gewünschte Darstellung.
Satz 2.23
x gibt es genau dann zwei wesentlich verschiex 6= 0 und x eine abbrechende Darstellung besitzt:
Für jede reelle Zahl
dene Darstellungen, wenn
x = ±a−k . . . an0 −1 an0 .
(2.10)
Die andere hat dann die Form
x = ±a−k . . . am−1 (am − 1)(b − 1),
wobei
m
der letzte Index in (2.10) ist mit
(2.11)
am > 0.
Beweis. Wir können uns auf den Fall x ≥ 0 beschränken. Seien x = a−k . . . an . . .
und
x = a0−k0 . . . a0n . . .
(2.12)
zwei Darstellungen, die an einer möglichst frühen Stelle verschiedene Ziern
haben. Weil man einer Darstellung beliebig viele Nullen voranstellen kann, können wir annehmen, dass
k0 = k
ist. Sei
m
der erste Index, an dem
0
Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass am
einerseits wegen der ersten Darstellung
x≥
m−1
X
n=−k
an b−n + am b−m
< am
am 6= a0m
ist.
ist. Nach (2.5) ist
35
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Division mit Rest
und andererseits wegen der zweiten Darstellung
x≤
m−1
X
an b−n + (a0m + 1)b−m .
n=−k
Dies ist nur möglich wenn in beiden Ungleichungen Gleichheit herrscht und
ausserdem
a0m = am − 1
ist. Damit ist
x=
m
X
an b−n .
n=−k
Wenn
m ≥ 0,
n0 = m wählen, wenn dagegen m < 0 ist, müssen
n0 ≥ 0 in der Denition der abbrechenden Darstellungen
0-ten Stelle aufgefüllt werden und es ist n0 = 0. In beiden
dann kann man
gemäss der Bedingung
die Nullen bis zur
Fällen erhält man die abbrechende Darstellung (2.10).
Sei nun
x
mit der Darstellung (2.10) gegeben. Dann hat
(2.11) nach dem zweiten Teil von Satz 2.22, weil
x
x
auch die Darstellung
der rechte Endpunkt des
Intervalls
I=[
m−1
X
an b−n + (am − 1)b−m ,
n=−k
m−1
X
an b−n + am b−m ]
n=−k
ist.
Eine weitere wesentlich verschiedene Darstellung gibt es nicht: Wir zeigen, dass
die Darstellungen (2.12) und (2.11) gleich sind. Sie stimmen bis einschliesslich
m-ten Stelle nach dem bisher bewiesenen. An allen späteren Stellen ist a0n ≤
b − 1. Käme hierbei mindestens an einer Stelle n1 die echte Ungleichung a0n1 <
b−1 vor, so wäre der dort entstehende positive Abstand (b−1−a0n1 )b−n1 zwischen
der
den durch (2.12) und (2.11) dargestellten Zahlen durch spätere Unterschiede
nicht mehr zu kompensieren. Also gibt es keine dritte Darstellung.
Aus den beiden vorstehenden Sätzen folgt
Folgerung 2.24
Jede reelle Zahl
x 6= 0 besitzt eine und bis
b-adische Darstellung.
auf wesentliche
Gleichheit nur eine nichtabbrechende
Beweis.
Wir können x ≥ 0 voraussetzen. Es gibt nach Satz 2.20 eine Zahl
k ∈ N0 mit x < bk+1 . Dazu gibt es dann eine Zahl a−k ∈ {0, . . . , b − 1} mit
x ∈ [a−k bk , (a−k bk + bk ]. Für m = −k ist dies gerade die Beziehung (2.5).
Also folgt die Existenz der b-adischen Darstellung aus Satz 2.22. Wenn es eine
abbrechende gibt, gibt es nach Satz 2.23 auch eine nichtabbrechende, aber nicht
zwei wesentlich verschiedene nicht abbrechende.
Wir betrachten jetzt den Spezialfall, dass die Zahl
Lemma 2.25
x
rational ist.
p
q mit p, q ∈ N. Dann lassen sich die Ziern einer
b-adischen Entwicklung auch durch folgende Rekursion mit sukzessiver ganz-
Sei
x =
zahliger Division mit Rest bestimmen: Bestimme zunächst k ∈ N0 so dass
p
k+1
k
und deniere a−k ∈ {0, . . . , b − 1} und r−k < qb durch
q <b
bk ≤
p = a−k qbk + r−k .
(2.13)
36
Division, schriftliche
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
N ≥ −k
Für
seien dann
aN +1 ∈ N
und
rN +1 < q
bestimmt durch
brN = aN +1 q + rN +1 .
Beweis.
Die Wahl von
a−k
(2.14)
stimmt mit der Wahl im Beweis von Folgerung
[ bxk ] = a−k . Damit sind wir in der
p
k
k
k
Startposition
q = x ∈ [a−k b , a−k b + b ), um das Verfahren aus dem Beweis
von Satz 2.22 zu verwenden. Wir müssen nur zeigen, dass die dortige Rekursion
2.24 überein, denn (2.13) ist äquivalent zu
mit der jetzigen übereinstimmt. Seien wie dort die
am , m ≥ −k und ηm , m ≥ −k
konstruiert, dh. es gelte (2.8) und (2.9). Wir zeigen induktiv (2.14) und
ηN =
Es gelte (2.14) und (2.15) für
des
b-fachen
N.
rN
.
q
Dann ist
(2.15)
aN +1
nach (2.9) die Gauss-Klammer
des Ausdrucks in (2.15). Nach (2.14) ist wegen
rN +1
brN
gerade gleich
q
q
− [ brqN ].
ηN +1 = bηN − [bηN ] =
Also ist (2.15) für
N +1
die Zahl
brN
brN
rN +1
−[
]=
.
q
q
q
veriziert. Wieder wegen (2.9) gilt damit auch
aN +2 = [bηN +1 ] = [
woraus auch (2.14) für
rN +1 < q
Mit (2.8) und (2.15) ergibt sich
N +1
an Stelle von
brN +1
],
q
N
folgt.
Im folgenden Beispiel wird die triadische (3-adische) Darstellung der rationalen
39
7 nach dem in der Schule üblichen Schema des schriftlichen Dividierens berechnet. Dies ist einfach eine Möglichkeit, die sukzessive Anwendung der
Zahl
x=
Rekursionsformel des Lemmas schriftlich zu notieren. In den ersten drei Spalten
werden die entsprechenden Ausdrücke der Beziehung (2.14) notiert. In der vierten Spalte wird die Dezimaldarstellung der jeweils rechts davon stehenden nicht
negativen ganzen Zahl angegeben. Da in der vorletzten Zeile der gleiche Rest
wie in der dritten Zeile auftaucht, wiederholt sich ab dort die Rechnung immer
wieder und die Darstellung ist schliesslich periodisch. Die Erkärung liefert der
anschliessende Satz.
37
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
n
an
-1
1
0
2
rn
39
4
1
1
2
2
1
0
4
1
5
0
6
2
1
1
0
2
1
0
18
2
0
0
14
1
1
2
1
1
0
7
2
1
15
1
2
14
1
1
12
5
3
1
21
3
:
2
1
6
0
0
2
1
2
Satz 2.26
12
2
0
1
0
0
0
18
4
1
0
0
14
2,
0
9
6
1
2
1
7
2
=
0
0
3
1
2
0
0
...
...
x ist rational genau dann wenn sie eine Darstellung durch
b-adischen Bruch hat. Ist x = pq , so ist die Länge
8
höchstens gleich q − 1.
Eine Zahl
einen schlieÿlich periodischen
der Periode
Beweis.
p
q rational. In der Gleichung (2.14) in Lemma 2.25 sind
die Reste rN stets Elemente der endlichen Menge {0, . . . , q − 1}. Daher gibt
es mindestens zwei Indizes n0 und n0 + l mit rn0 = rn0 +l . Wenn rn = 0 für
1. Sei
x =
m ≥ n und die Darstellung bricht ab, was
0 ansehen kann. Also können wir annehmen,
dass nur die l − 1 Reste {1, . . . , q − 1} vorkommen und daher ist l ≤ q − 1. Da
wegen (2.14) für jedes N die beiden Zahlen aN +1 und rN +1 eindeutig durch
b und rN bestimmt sind, entwickeln sich die Abschnitte (an0 +1 , an0 +2 , . . .) und
(an0 +l+1 , an0 +l+2 , . . .) in genau gleicher Weise, dh. ist αi = an0 +i für i = 1, . . . , l
so gilt auch αi = an0 +l+i und analog αi = aN +2l+i usw. Daher hat x die
irgendein
n,
dann ist
rm = 0
für alle
man als den Fall der Periodenlänge
schliesslich periodische Darstellung
x = a−k . . . an0 α1 . . . αl .
2. Sei nun umgekehrt
(2.16). Sei
f
x ≥ 0
(2.16)
eine reelle Zahl mit einer Darstellung der Form
die natürliche Zahl mit der Darstellung
f = α1 . . . αl .
8 Das
kann.
obige Beispiel mit
q = 7 zeigt, dass die Periodenlänge q −1 tatsächlich erreicht werden
38
abz\"ahlbar
Dierenzmenge
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Dann kann man (2.16) auch wegen Satz 1.2 schreiben als
n0
X
x =
=
=
=
an b−n + f b−(n0 +l) + f b−(n0 +2l) + . . .
n=−k
n0
X
n=−k
n0
X
n=−k
n0
X
an b−n + f b−n0 (b−l + b−2l + . . .)
an b−n + f b−n0 sup{
an b−n + f b−n0
n=−k
1 − (b−l )m+1
: m ∈ N}
1 − b−l
1
.
1 − b−l
Dies ist oensichtlich eine rationale Zahl.
2.5
Abzählbarkeit
In diesem Abschnitt zeigen wir als Anwendung der Dezimaldarstellung Cantors erstes Diagonalargument für die Überabzählbarkeit der Menge der reellen
Zahlen.
Denition 2.12
Eine Menge
von Elementen von
M
M
heiÿt
abzählbar, wenn es eine Folge (an )n∈N
gibt, unter deren Gliedern jedes Element von
M
min-
destens einmal auftaucht, (m.a.W. wenn es eine durch die natürlichen Zahlen
druchnumerierte Liste der Elemente von
N
nach
von
M
gibt). Jede Folge
(an )n∈N
M,
oder eine surjektive Abbildung von
mit dieser Eigenschaft heiÿt
Jede endliche Menge ist abzählbar. Jede Teilmenge
M
M
Abzählung
M.
N
einer abzählbaren Menge
(an )n∈N von
= {x ∈ M : x ∈
/ N } streichen
ist abzählbar, denn man kann aus einer gegebenen Abzählung
die Glieder aus der
Dierenzmenge M \ N
und die verbliebenen Glieder entsprechend in der Numerierung vorrücken lassen
und erhält eine Abzählung von
Satz 2.27
Die Mengen
Z
N.
der ganzen Zahlen und die Menge
Q
aller rationalen
Zahlen sind abzählbar.
Beweis. Die gesuchte Abzählung von Q ergibt sich durch das folgende Schema,
in welchem alle Brüche mit Nenner
barkeit von
Z
q
in der
q -ten Zeile auftauchen. Die Abzähl-
ergibt sich damit aus der obigen Bemerkung, was aber in diesem
Fall auch auf das gleiche herausläuft, wie die Abzählung von
die sich aus der ersten Zeile dieses Schemas ergibt.
Z
zu betrachten,
39
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
0
→
.
%
1
2
↓
−1 →
1
.
− 12
%
− 22
.
1
3
.
3
2
%
− 13
.
%
2
2
\"uberabz\"ahlbar
Cantor
−2 →
2
2
3
%
1
4
− 14
↓
%
1
5
...
.
.
.
Satz 2.28
Die Vereinigung von abzählbar vielen abzählbaren Mengen ist abzähl-
bar.
Beweis. Da es sich um abzählbar viele Mengen handelt, kann man sie durchnumerieren: Seien
M1 , M2 , . . . diese
Mn sich als in
Elemente der Menge
Mengen. Dann kann man für jedes
die
n-te
schrieben denken. Dann liefern die gleichen Pfeile wie in dem Schema für
Folge, die jedes Element jeder dieser Mengen
eine Abzählung der Vereinigung aller
Mn
Die Menge
R
die
Q eine
als Glied hat. Diese Folge ist
Mn .
Eine unendliche Menge, die nicht abzählbar ist, heiÿt auch
Satz 2.29
n
Zeile eines Schemas wie oben ge-
überabzählbar.
aller reellen Zahlen ist überabzählbar.
Beweis. (Cantor) Wäre R abzählbar, dann wäre auch das Einheitsintervall [0, 1]
abzählbar. Unsere Strategie muss sein, zu jeder eventuellen Abzählung von
[0, 1]
eine Zahl zu konstruieren, die bei der Abzählung nicht vorkommt. Wir nehmen
also an, eine Abzählung
dem Punkt
xn
(xn )n∈N
aller Punkte von
[0, 1] sei gegeben. Wir ordnen
die nach Folgerung 2.23 eindeutig bestimmte nicht abbrechende
Dezimaldarstellung
0, an1 an2 an3 . . .
0,
0,
0,
a11
a21
a31
a12
a22
a32
zu. Wir erhalten das Schema
a13
a23
a33
.
.
.
0,
...
...
...
a1m
a2m
a3m
...
...
...
anm
...
.
.
.
an1
an2
an3
...
∗
Für jedes n wählen wir ausserdem eine Zier an ∈ {1, . . . , 9}, die von der Zier
ann an der n-ten Stelle der Hauptdiagonale dieses Schemas verschieden ist. Sei
x∗ der Punkt mit der Dezimaldarstellung 0, a∗1 a∗2 a∗3 . . .. Dieser Punkt kommt in
∗
dieser Liste nicht vor: Denn sonst müsste er eine Nummer haben, etwa x =
∗ ∗ ∗
xn0 . Dann müssten die Ziernfolgen 0, a1 a2 a3 . . . und 0, an0 1 an0 2 an0 3 . . . an0 m . . .
∗
übereinstimmen. Nach Konstruktion ist aber an 6= an0 n0 .
0
40
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Grenzwert
Limes
konvergente Folge
Nullfolge
Umgebung
schlie\sslich alle
alle bis auf endlich viele
Kapitel 3
Konvergenz von reellen
Folgen und Reihen
3.1
Konvergenz von Folgen
Denition 3.1 Sei (an )n≥1 eine Folge reeller Zahlen. Wir sagen,
(an )n≥1 konvergiert gegen die Zahl a ∈ R, wenn für jedes ε > 0
die Folge
eine Zahl
N ∈ N existiert, so daÿ für jedes n ≥ N gilt |an − a| < ε. In diesem Fall heiÿt
a der Grenzwert oder Limes der Folge (an ) und wir schreiben an −→ a
n→∞
oder limn→∞ an = a. Eine Folge, die gegen eine reelle Zahl konvergiert, heiÿt
konvergente Folge. Ist speziell der Grenzwert a = 0, so heiÿt die Folge (an )
eine
Nullfolge.
Mit anderen Worten bedeutet
welches den Punkt
a
an −→ a, dass in jedem kleinen oenen Intervall,
n→∞
enthält (dh. in jeder Umgebung von
oder alle bis auf endlich viele Glieder der Folge
(an )
a)
schlieÿlich alle
liegen. Die Folgenglieder
rücken also immer näher an den Grenzwert der Folge heran. Zwischendrin kann
|an − a| auch für einige Indizes wieder vergröÿern, aber asymn wird dieser Abstand beliebig klein. Wichtig ist,
dass der Index N in der Denition von der Wahl der Zahl ε abhängt. Je kleiner
ε ist, desto gröÿer muss man im Zweifelsfall die Zahl N wählen.
sich der Abstand
ptotisch, dh. für sehr groÿe
Beispiele 1. Die Folge (an ) mit an =
1
n ist eine Nullfolge. Dies folgt aus dem
Archimedischen Axiom und Satz 2.15.
2. Jede konstante (allgemeiner jede schlieÿlich konstante) Folge
(an ) konvergiert
gegen den (schlieÿlichen) Wert der Folgenglieder.
3. Die Folge
(an )
mit
an =
n
n+1 konvergiert gegen 1.
Beweis: Es ist an =
n+1−1
1
n
n+1 = n+1 = 1 − n+1 . Sei ε > 0. Wähle N (ε) so dass
1
für alle n ≥ N (ε) gilt
n+1 < ε. Dann gilt für alle n ≥ N (ε) auch |an − 1| =
1
1
n
n
|(1 − n+1
) − 1| = n+1
< ε. Damit ist n+1
−→ 1 oder limn→∞ n+1
= 1.
n→∞
0 < |b| < 1 und an = bn . Dann ist (an ) eine Nullfolge.
|b | = |b|n gerade Folgerung 2.21, angewandt auf |b|.
4. Sei
n
41
Das besagt wegen
42
beschr\"ankt
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
5. Die Folge
an = (−1)n
konvergiert nicht.
Beweis: Sonst gäbe es ein a mit an −→ a. Dann gäbe es zu ε = 1 ein N
|an − a| < ε = 1
n ≥ N.
mit
|an+1 − an | = 2 für alle n. Dies
widerspricht der Dreiecksungleichung wegen |an+1 −an | ≤ |an+1 −a|+|an −a| <
1 + 1 = 2.
für alle
Es gilt aber
Denition 3.2
beschränkt, wenn die Menge {an }
Eine Folge (an )n≥1 heiÿt
ihrer Glieder beschränkt ist (dh. es gibt ein
Satz 3.1
c<∞
mit
Jede konvergente Folge ist beschränkt.
Beweis. Sei (an ) eine Folge und a so dass lim an
N
mit
{an }n∈N ⊂ [−c, c].)
|an − a| ≤ ε = 1
für alle
n ≥ N.
= a.
Zu
ε = 1 existiert ein
{an }n∈N in der
Dann ist die Menge
(a − 1, a + 1) und der endlichen und
{a1 , . . . , aN −1 }. Da die Vereinigung zweier
Vereinigung des (beschränkten) Intervalls
daher auch beschränkten Menge Sei
beschränkter Mengen wieder beschränkt ist folgt die Behauptung.
Wir zeigen, dass die
Satz 3.2
n
≤-Relation
lim an = a
a ≤ b.
Wenn
gilt, dann ist
und
beim Grenzübergang erhalten bleibt.
lim bn = b
ist und
an ≤ bn
für schlieÿlich alle
Beweis.
Sei ε > 0 gegeben. Wähle zu diesem ε erstens ein N1 so dass für
n ≥ N1 gilt |an − a| < ε/2, zweitens ein N2 so dass für alle n ≥ N2 gilt
|bn − b| < ε/2 und drittens N3 , so dass für alle n ≥ N3 gilt an ≤ bn . Sei
N = max{N1 , N2 , N3 }. Für n ≥ N gilt dann
alle
a−b
Damit ist
a−b ≤ ε
= (a − an ) + (an − bn ) + (bn − b)
≤ ε/2 + 0 + ε/2 = ε.
für jedes positive
ε,
also muss
a−b ≤ 0
und damit
a≤b
sein.
<-Relation im allgemeinen beim Grenzübergang in ein ≤ über.
(an ) = ( n1 ), denn es ist 0 < n1 für alle n, aber 0 = lim n1 .
Satz 3.2 auf den Fall an = bn in beiden Richtungen anwendet,
Dagegen geht die
Das zeigt schon die Folge
Indem man
erhält man die Eindeutigkeit des Grenzwerts: Eine Folge hat höchstens
einen
Grenzwert.
Satz 3.3
Seien (an ), (bn ) zwei konvergente Folgen. Sei a = lim an , b
Dann konvergieren auch die
(an +bn )n≥1 und die
(an bn )n≥1
Summenfolge
= lim bn .
Produktfolge
und es gilt
lim an + bn
=
lim an + lim bn = a + b,
lim an bn
=
(lim an )(lim bn ) = a · b
n→∞
n→∞
Beweis. 1. Summenfolge: Sei ε > 0. Wähle zu
n ≥ N1
und ein
dann: Für jedes
N2 mit |bn − b| <
n ≥ N ist
ε
2 für
n≥
ε
ε
2 ein N1 mit |an − a| < 2 für
N2 . Für N = max(N1 , N2 ) gilt
|(an + bn ) − (a + b)| = |an − a + bn − b| ≤ |an − a| + |bn − b| <
ε ε
+ = ε.
2 2
43
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
(an ) ist beschränkt nach Satz 3.1. Wähle C so dass
n. Ferner können wir, nach eventueller Vergröÿerung von C
|b| < C. Wähle zu der vorgegebenen Zahl ε zwei natürliche
2. Produktfolge: Die Folge
|an | ≤ C
für alle
annehmen, dass
Zahlen
N1 , N 2
so dass gilt
ε
für n ≥ N1
2C
ε
für n ≥ N2 .
|bn − b| <
2C
|an − a| <
Wenn
n ≥ max(N1 , N2 ) := N
ist, so gilt
|an bn − ab| = |an bn − an b + an b − ab|
= |an (bn − b) + (an − a)b|
≤ |an | |bn − b| + |an − a| |b|
ε
2
≤ C·
+
· C = ε.
2C
2C
Folgerung 3.4
(an )
Konvergieren
und
(bn ),so
folgt für alle
λ, µ ∈ R
lim (λan + µbn ) = λ lim an + µ lim bn .
n→∞
n→∞
n→∞
Beweis. limn→∞ λan = λ lim an folgt aus der Multiplikationsregel, auf die konstante Folge
(λ, λ, . . .)
und
(an )
angewendet. Analog für
(µbn ).
Rest ist Sum-
menregel.
Ist eine von zwei Folgen eine Nullfolge, so braucht für die Konvergenz der Produktfolge die andere der beiden Folgen nicht zu konvergieren, sondern nur beschränkt zu sein.
Satz 3.5
Ist
(an )n∈N
beschränkt und
(bn ) eine Nullfolge, so ist auch (an bn ) eine
Nullfolge.
Beweis. Sei |an | ≤ C
ε0 =
ε
C ein
N
n und (bn ) eine Nullfolge. Sei ε > 0. Wähle
n ≥ N gilt |bn | < ε0 . Dann gilt für diese n auch
für alle
so dass für
zu
|an bn | = |an ||bn | ≤ C|bn | < ε0 C = ε.
Beispiel:
Die Folge
(−1)n
n
ist eine Nullfolge, denn
((−1)n )n≥1
ist be-
n≥1
schränkt und
Satz 3.6
mit
Sei
bn 6= 0
( n1 )n≥1
ist eine Nullfolge.
a = lim an und b = lim bn wobei b 6= 0. Dann existert ein n0 ∈ N
n ≥ n0 und es gilt: Die Folge ( abnn )n≥n0 konvergiert gegen ab .
für alle
Beweis.
Es genügt es den Fall an = 1 für alle n zu betrachten, denn wegen
an
1
=
a
·
n
bn
bn und der Produktformel für Grenzwerte in Satz 3.3 lässt sich der
Fall einer beliebigen konvergenten Folge (an ) auf diesen Spezialfall zurückführen.
|b|
Zu ε1 =
2 gibt es ein n0 mit |bn − b| < ε1 für alle n ≥ n0 . Für diese n
|b|
gilt dann |bn | ≥ |b| − ε1 =
2 > 0. Damit ist die erste Behauptung bewiesen
1
2
und wir wissen, dass die Folge (
|b b| )n≥n0 beschränkt ist (durch |b|2 ). Wegen
n
schlie\sslich alle
monotone Folge
44
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
1
− 1 = bn −b = |bn − b| · 1
|bn b|
bn b bn b ist also nach Satz 3.5
( b1n − 1b )n
eine Nullfolge,
1
dh. es gilt
−→ 1b .
bn n→∞
Sprechweise: Wir sagen auch: für schlieÿlich alle n gilt An statt: es gibt ein
N
so dass für alle
Satz 3.7
Sei
n≥N
gilt
|≤b<1
| aan+1
n
Beweis. Wähle N
mit
für schlieÿlich alle
| aan+1
|≤b
n
an =
für alle
n>N
für alle
n.
n ≥ N.
Dann ist
(an )
eine Nullfolge.
Dann gilt
an an−1
aN +1
...
· aN ,
an−1 an−2
aN
und damit
|an | ≤ |
Weil
An .
an
aN +1
|aN |
|···|
||aN | ≤ bn−N · |aN | = bn · N .
an−1
aN
b
(3.1)
(bn ) eine Nullfolge ist, sind (bn |abNN | )n und mit Satz 3.2 auch (an ) Nullfolgen.
Folgerung 3.8
Die Folge
k
n
( (1+c)
n)
ist eine Nullfolge für alle
k ∈ N, c > 0.
Beweis. Es ist
an+1
n→∞ an
lim
Wähle
b
mit
1
1+c
1
(n + 1)k (1 + c)n
1
·
= lim (1 + )k ·
n+1
k
n→∞ (1 + c)
n→∞
n
n
1+c
1
1 k
1
=
( lim 1 + ) =
< 1.
1 + c n→∞
n
1+c
=
lim
<b<1
und wende den vorigen Satz an.
Man formuliert das auch so: Polynomiales Wachstum ist asymptotisch langsamer
als Exponentielles Wachstum. Die Folge
(an ) = (n5 )
aus Beispiel 7 am Anfang
des Kapitels verliert also schliesslich gegen die Folge
(bn ) = ((1.02)n )
die wir
in Anschluss an die Bernoulli-Ungleichung betrachtet haben, obwohl z.B. für
n = 100
schon
a100 = 10M rd
und noch
b100 ≈ 7.6
ist.
Denition 3.3 Wir sagen, eine Folge (an ) ist
(monoton) wachsend (isoton), falls an ≤ an+1 für alle n
(monoton) fallend (antiton), falls
an ≥ an+1 für alle n
monoton, falls
sie wachsend ist oder fallend ist.
streng wachsend, falls
an < an+1 für alle n
streng fallend, falls
an > an+1 für alle n.
Satz 3.9
Jede beschränkte, monoton wachsende Folge konvergiert gegen ihr Su-
premum. (Genauer: gegen das Supremum der Menge der Folgenglieder.) Für jede nicht leere nach oben beschränkte Menge
Folge in
M,
die gegen
sup M
konvergiert.
M
gibt es eine monoton wachsende
45
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. 1. Sei a1
≤ a2 ≤ . . . und a = sup{an : n ∈ N}. Sei ε > 0. Dann ist
a − ε keine obere Schranke der Mengen {an : n ∈ N}, dh. es gibt ein N ∈ N mit
a − ε < aN . Für alle n ≥ N gilt dann
a − ε < aN ≤ an ≤ a
Also
also
|an − a| < ε.
a = lim an .
M
2. Ist
nicht leer, nach oben beschränkt, so gibt es nach der Bemerkung 6 auf
Seite 30 eine Folge
(an )
in
M
die gegen
sup M
konvergiert. Diese kann durch
sukzessive Maximumsbildung wachsend gemacht werden.
Folgerung 3.10
(Existenz der Wurzeln für natürliche Exponenten) Für jede
nichtnegative reelle Zahl y und jedes
√
m
mit x = y . Man schreibt x = m y .
m∈N
Beweis. Sei M
= {a ≥ 0 : am < y}.
max{1, y}. Sei x = sup M .
gibt es genau eine reelle Zahl
Die Menge
M
x≥0
ist beschränkt, z.B. durch
(an ) in M , die gegen
m
y ≥ limn→∞ am
n = x .
1
Umgekehrt sei bn = x + . Dann gilt nach Denition des Supremums bn ∈
/ M,
n
m
m
m
also bn > y und damit x
= limn→∞ bm
= y . Die
n ≥ y . Zusammen gilt x
die Zahl
x
Wähle eine Folge
konvergiert. Dann ist nach Satz 3.3 und Satz 3.2
Eindeutigkeit folgt aus dem Anordnungsaxiom
A 17.
Denition 3.4 Eine nicht konvergente Folge heiÿt divergent. Eine Folge (an )
divergiert gegen +∞, wenn für jedes K < ∞ schlieÿlich alle Folgenglieder
an
gegen
K.
an −→ +∞
oder limn→∞ an = +∞.
n→∞
Man sagt auch, die Folge wächst über alle Grenzen. Analog wird Divergenz
gröÿer sind als
Wir schreiben
−∞ deniert. Man spricht in diesen beiden Fällen auch von bestimmter
Divergenz.
Beispiele: Die beiden Folgen mit
1. an
2. a2n
= n,
= n, a2n+1 =
n
,
1000
+∞. Jede wachsende unbeschränkte Folge konvergiert un+∞. Die Folge mit a2n = n, a2n+1 = 0 ist unbeschränkt, divergegen +∞.
sind divergent gegen
eigentlich gegen
giert aber nicht
In mehreren Beispielen haben wir schon die folgende Tatsache benutzt, die leicht
aus Satz 2.15 folgt.
Satz 3.11
( a1n )
3.2
gegen
(an ) positiver Zahlen
divergiert.
Eine Folge
+∞
(an ) ist Nullfolge genau dann, wenn
Konvergente Teilfolgen
Der wesentliche Inhalt dieses Abschnitts ist die Tatsache, dass viele Folgen, die
selbst nicht konvergieren, doch wenigstens konvergente Teilfolgen haben.
Divergenz von Folgen
46
Bolzano-Weierstra\ss
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Denition 3.5
Eine
Teilfolge einer
1
Folge
(an )
ist eine Folge der Form
(ank )k≥1 = (an1 , an2 , . . .),
wobei die Indizes
Beispiele 1) an
nk
streng wachsen
= (−1)n .
Sei
n1 < n2 < . . . .
nk = 2k
für alle
gerade die konstante Folge mit dem Wert
folge
1.
k.
Dann ist die Teilfolge
Analog ist für
nk = 2k + 1
(ank )
die Teil-
(ank ) die konstante Folge mit dem Wert −1. Beide Teilfolgen konvergieren,
während die ursprüngliche Folge nicht konvergiert.
an = (−1)n (2 + n1 ). Wieder haben wir zwei konvergente Teilfolgen: Es gilt
−→ 2 und a2n+1 −→ −2.
2) Sei
a2n
n→∞
n→∞
(an ) eine Abzählung aller rationaler Zahlen (vgl. Satz 2.27). Dann gibt es
x eine Teilfolge (ank ) von (an ), die gegen x konvergiert. Wir
benutzen, dass es nach Satz 2.18 zu x beliebig nahe von x verschiedene rationale
Zahlen gibt: Wähle irgendein n1 mit x 6= an1 . Sei jetzt ank−1 schon gewählt, so
dass ank−1 6= x. Wähle eine rationale Zahl rk 6= x, die erstens höchstens den
1
Abstand
k zu x hat und zweitens näher an x liegt als alle von x verschiedenen
Folgenglieder an mit n ≤ nk−1 . Sei nk so dass rk = ank . Dann ist nk gröÿer als
nk−1 und wegen |x − ank | ≤ k1 gilt limk→∞ ank = x.
3) Sei
zu jeder reellen Zahl
Satz 3.12
(Satz von Bolzano-Weierstraÿ) Jede beschränkte reelle Folge hat eine
konvergente Teilfolge.
Beweis. Sei (an ) eine beschränkte Folge. Für jeden Index m sei am = supn>m an ,
sup{an : n > m} ist. Nach De(nk ) von Indizes nden
≤ ank−1 nden. Die Folge (am )m∈N ist
wobei letzteres eine abkürzende Schreibweise für
nition dieses Supremums können wir rekursiv eine Folge
1
k ≤ ank
monoton fallend (vgl. Bemerkung 8 am Ende des Abschnitts über das Supremit
nk > nk−1 ,
so dass
ank−1 −
mumsaxiom) und nach unten beschränkt, also konvergiert sie gegen ihr Inmum
a.
Damit gilt
|a − ank | ≤ |a − ank−1 | + |ank−1 − ank | −→ 0.
k→∞
Die Teilfolge
(ank )
konvergiert also gegen
a.
Der spezielle Grenzwert der in diesem Beweis konstruierten Teilfolge hat eine
unabhängige Bedeutung, die aber erst in der Lebesgueschen Integrationstheorie
(vgl. zweites Semester) wesentlich wird.
Denition 3.6 Sei (an ) eine beschränkte reelle Folge. Dann denieren wir den
Limes superior lim supn→∞ an der Folge als die Zahl inf m≥1 supn>m an . Analog ist der Limes inferior lim inf n→∞ an der Folge die Zahl supm≥1 inf n>m an .
Bemerkung 3.13
1. Unter allen Grenzwerten von Teilfolgen von
(an )
ist der
Limes superior der gröÿte und der Limes inferior der kleinste.
±∞ als Werte von
lim sup an den Wert +∞,
2. Wenn wir im Sinn der Bemerkung 7 zum Supremum auch
Supremum und Inmum zulassen, erhalten wir für
1 beliebigen,
nicht notwendig reellwertigen
47
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
falls
(an )n
−∞
divergiert. Analoges gilt für
nach oben unbeschränkt ist, und den Wert
3. Für jede Zahl
als
b.
wenn
(an )n
gegen
b > lim supn an sind höchstens endlich viele Folgenglieder gröÿer
< statt > gilt für den Limes inferior.
Analoges mit
Denition 3.7
ε>0
−∞,
lim inf an .
ein
N
Cauchy-Folge, wenn es zu jedem
Eine reelle Folge (an ) heiÿt
gibt, so daÿ für je zwei Indizes n, m
≥N
gilt
|an − am | < ε.
Die Glieder einer Cauchy-Folge liegen also schlieÿlich beliebig nahe beieinander.
Bemerkung 3.14 Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.
Beweis. Sei a = lim an . Sei ε > 0. Wähle N so dass für alle
|an − a| < 2ε .
|an − am | ≤ |an − a| + |am − a| <
für alle
n ≥ N
gilt
Dann ist
n, m ≥ N
Also ist
(an )
ε ε
+ =ε
2 2
eine Cauchy-Folge.
Umgekehrt gilt
Satz 3.15 Jede Cauchy-Folge konvergiert gegen eine reelle Zahl.
Beweis. Ähnlich wie im Satz 3.1 sieht man, dass eine Cauchy-Folge beschränkt
a konvergente Teil(ank ). Wegen der Cauchy-Eigenschaft kommen alle späten Folgenglieder
von (an ) den späten Folgengliedern der Teilfolge und damit auch dem Grenzwert a beliebig nahe. Das bedeutet aber, dass auch die Gesamtfolge (an ) gegen
a konvergiert.
ist. Nach Satz 3.12 existiert also eine gegen eine reelle Zahl
folge
Die in diesem Satz ausgesprochene Eigenschaft der reellen Zahlen heiÿt die Vollständigkeit von R. Wir haben sie letzten Endes (vgl. den Beweis von Satz 3.12)
auf das Supremumsaxiom zurückgeführt. Umgekehrt folgt die Aussage des Supremumsaxioms aus der Vollständigkeit.
3.3
Sei
Unendliche Reihen
(an )n≥n0
eine Folge reeller Zahlen. Wir bilden daraus eine neue Folge
mit
sk = an0 + . . . ak =
k
X
(sk )k≥n0
an .
n=n0
Wenn
limk→∞ sk
Er heiÿt auch
existiert, dann wird dieser Grenzwert mit
P∞
n=1
an bezeichnet.
WertPder Reihe. Wenn der Grenzwert existiert und endlich ist,
∞
n=1
an konvergiert, andernfalls divergiert sie. Das Symbol
Pk
a
bezeichnet
aber
auch
die Folge der sk . Die Zahl sk =
n=1 n
n=1 an heiÿt
P∞
die k -te Partialsumme der Reihe
a
.
n=1 n
sagen wir: Die Reihe
P∞
Beispiel: Es sei an = cn für n ≥ 0 und c mit 0 < |c| < 1. Aus Satz 1.2 zusammen
mit der Tatsache, dass
(cn )n≥0
eine Nullfolge ist, erhalten wir durch Grenzüber-
gang die folgende wichtige Aussage, die eigentlich schon den
b-adischen Darstel0
lungen zugrunde lag. Beachte, dass hier die Summation schon beim Index
beginnt und dass (auch im Fall
c = 0) c0 = 1
ist.
Vollst\"andigkeit
Partialsumme
48
Geometrische Reihe
Ziehharmonika-Summe
harmonische Reihe
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz
P 3.16
∞
n
n=0 c
=
Speziell ist
(Geometrische Reihe) Für jede reelle Zahl
c
mit
0 ≤ |c| < 1
ist
1
1−c .
P∞
1 n
n=0 ( 2 )
= 2.
Weitere Beispiele konvergenter Reihen erhalten wir u.a. mit dem folgenden
Trick: Sei
(ck )k≥1
eine beliebige Folge. Dann wird
ck
= c1 + (c2 − c1 ) + . . . + (ck − ck−1 )
=
k
X
an ,
n=1
wobei
a1 = c1 und an = P
cn − cn−1 für n > 1 ( Ziehharmonika-Summe)
∞
c = limk→∞ ck = n=1 an , falls (ck ) konvergiert.
.
Also ist
Sei z.B. speziell
ck =
cn − cn−1 =
k+1
k . Dann ist für
n≥2
n+1
n
(n + 1)(n − 1) − nn
1
−
=
=−
,
n
n−1
n(n − 1)
n(n − 1)
Also
1 = lim ck =
∞
X
an = c1 +
n=1
∞
X
an = 2 −
n=2
∞
X
1
.
n(n
− 1)
n=2
Es ergibt sich die nicht mit bloÿem Auge ersichtliche Formel
∞
X
1 1
1
1
1
+ +
+
+ ... =
= 1.
2 6 12 20
n(n + 1)
n=1
Wegen
1
(n+1)2
<
(3.2)
1
n(n+1) folgt
∞
∞
X
X
1
1
=
1
+
< 2 < ∞.
2
n
(n
+
1)2
n=1
n=1
Den genauen Wert der linken Seite werden wir später bestimmen.
Eine notwendige Bedingung für die Konvergenz einer Reihe ist gegeben durch
Satz 3.17
P∞
an der
n=n0 an konvergiert, bilden die Glieder
P∞
Reihe eine Nullfolge. Ebenso ist die Folge der
( n=k+1 an )k
eine Nullfolge.
Beweis.
Wenn die Reihe
Restsummen
sk − sk−1 = ak .
(sk )
kon-
vergiert, bilden die sukzessiven Dierenzen dieser Folge, also die Folge
(an )
Es ist
Da nach Voraussetzung die Folge
eine Nullfolge. Ebenso kann man die Restsumme
P∞
n=n0
−sk .
Dies konvergiert gegen
0,
weil
sk
P∞
n=k+1
P∞ an
gegen
auch schreiben als
n=n0 konvergiert.
Die Bedingung, dass die Glieder der Reihe eine Nullfolge bilden, ist aber nicht
hinreichend für die Konvergenz der Reihe.
Beispiel. Die harmonische Reihe mit an = n1
1+
divergiert:
1 1
+ + . . . = +∞,
2 3
(3.3)
49
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Leibniz-Kriterium
absolut konvergente Reihe
denn die linke Seite enthält unendlich viele Teil-Summen der Form
1
1
1
1
,
+ k
+ k
+ . . . + (k+1)
k
2
2 +1 2 +2
2
−1
1
≥ 2k+1
sind und zusammen daher jedesmal
1
mindestens den Beitrag
zur Gesamtsumme beitragen. Also übersteigt diese
2
Gesamtsumme jeden beliebigen vorgegebenen endlichen Wert.
die
2k
Terme haben, welche jeweils
Dagegen konvergiert die alternierende Reihe mit den Gliedern
Wir werden später beweisen
P∞
n+1 1
n=1 (−1)
n
= log 2.
an = (−1)n+1 n1 .
Die Konvergenz dieser
Reihe folgt aus
Satz 3.18
(bn ) eine monotone Nullfolge. Dann konvern
n=1 (−1) bn . Der Wert dieser Reihe hat das gleiche Vorzeichen
wie ihr erstes Glied.
(Leibniz-Kriterium) Sei
giert die Reihe
P∞
Beweis. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit können wir uns auf den Fall
bn ≥ 0
bechränken. Dann fällt die Folge
(bn )
gegen Null. Die Folge
(s2k )
ist
ebenfalls fallend, denn es ist
s2k+2 − s2k = (−1)2k+2 b2k+2 + (−1)2k+1 b2k+1 = b2k+2 − b2k+1 ≤ 0.
(s2k+1 ) wachsend. Schlieÿlich gilt für die Dierenz der
s2k − s2k−1 = b2k ≥ 0, diese beiden Folgen bewegen sich also aufeinander zu und ihre Dierenz konvergiert gegen 0. Daher haben sie den gleichen
Analog ist die Folge
beiden Folgen
Grenzwert. Dieser ist dann notwendigerweise der Grenzwert der gesamten Folge.
Wenn
(s2k )
bn ≥ 0
s1 = −b1 ≤ 0 und s2 = −b1 + b2 ≤ 0. Weil die Folge
s2k ≤ 0 für alle k . Also ist auch der Wert der Reihe
Folge ≤ 0. Damit haben der Wert der Reihe und das erste
ist, ist
fällt, ist damit auch
als Grenzwert dieser
Glied das gleiche Vorzeichen.
Denition 3.8
P
∞
n=n0
|an |
Satz 3.19
Die Reihe
P∞
n=n0
an
heiÿt absolut konvergent, wenn die Reihe
an
absolut konvergiert, dann konvergiert sie
konvergiert.
Wenn die Reihe
P∞
n=1
(im normalen Sinn).
Beweis. Sei ε > 0 vorgegeben.
Dann existiert wegen der absoluten Konvergenz
P
P
P
∞
N −1
n=1 |an | −
n=1 |an | =
zwei verschiedene Indizes mit k, m ≥ N . Sei etwa
ein Index
N
mit
ε >
∞
n=N
|an |. Seien jetzt k, m
m > k . Dann gilt nach der
Dreiecksungleichung
|sm − sk | = |
m
X
n=k+1
Daraus folgt, dass die Folge
m
X
an | ≤
(sk )
n=k+1
|an | ≤
∞
X
|an | < ε.
n=N
eine Cauchy-Folge ist, also nach Satz 3.15
konvergiert.
Es gibt verschiedene hinreichende Kriterien für absolute Konvergenz. Das folgende ist ein besonders einfaches. Es beruht auf einem Vergleich mit der geometrischen Reihe. Die Reihe in (3.2) zeigt, dass dies Kriterium nicht von jeder
absolut konvergenten Reihe erfüllt wird.
50
Quotientenkriterium
Umkehrfunktion
Verkn\"upfung von
Funktionen
Permutation
Kardinalit\"at
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 3.20
(Quotienten-Kriterium) Wenn es eine Zahl
schlieÿlich alle
n
gilt
| aan+1
| ≤ b,
n
b<P
1 gibt,
∞
dann konvergiert die Reihe
so dass für
n=1 an
absolut.
Beweis. Die Voraussetzung ist die gleiche wie in Satz 3.7. Aus der Abschätzung
(3.1) dort folgt für geeignetes
∞
X
N
∞
X
|an | ≤
n=N +1
bn
n=N +1
|aN |
< ∞,
bN
da die geometrische Reihe konvergiert.
3.4
Nachtrag über Bijektionen
Als eine wichtigte Anwendung der unendlichen Reihen wollen wir im nächsten
Abschnitt die (reelle) Exponentialfunktion und ihre Umkehrfunktion, den Logarithmus studieren. Zur Vorbereitung folgt zunächst ein Einschub über bijektive
Abbildungen.
Wir führen zunächst den Begri der Umkehrfunktion ein, der schon im Abschnitt 1.4 hätte erklärt werden können, den wir aber hier zum ersten Mal
brauchen.
Denition 3.9
a) Seien
M, N
zwei Mengen und
existiert oenbar genau eine Funktion
g : N −→ M
Sie ist auch bijektiv. Wir nennen sie die
f und bezeichnen sie mit f −1 .
b) Sind
M, N, Q
Umkehrfunktion oder Inverse von
f : M −→ N , k : N −→ Q zwei Funktionen,
und (k ◦ f )(x) = k(f (x)) denierte Funktion
Funktionen k und f .
drei Mengen und
so heiÿt die durch
die
f : M −→ N bijektiv. Dann
mit g(y) = x wenn f (x) = y .
k ◦ f : M −→ Q
Verknüpfung der beiden
Bemerkung 3.21
f : M −→ N bijektiv und f −1 : N −→
M ihre Umkehrfunktion ist, so gilt oenbar (f ◦ f −1 )(y) = y für alle y ∈ N
−1
und (f
◦ f )(x) = x für alle x ∈ M . In diesem Sinn ist also f −1 tatsächlich
das Inverse der Funktion f bezüglich der (nicht kommutativen !) Operation der
Wenn die Funktion
Verknüpfung zwischen Funktionen, denn beide denkbaren Verknüpfungen von
f
mit
f −1
liefern die Identität, allerdings in zwei verschiedenen Mengen.
Oenbar ist die Verknüpfung zweier Bijektionen wieder eine Bijektion.
Eine
Permutation
einer Menge
M
ist eine bijektive Abbildung von
M
nach
M.
Formal kann man eine endliche Menge denieren als eine Menge
eine natürliche Zahl
n
n
und eine Bijektion
ist dann eindeutig durch
von
M
oder die
M
f : M −→ {1, . . . , n}
M,
zu der es
gibt. Die Zahl
bestimmt und heiÿt die Anzahl der Elemente
Kardinalität von M
und wird auch mit
#M
bezeichnet. Sie
überträgt sich bei einer Bijektion zwischen zwei endlichen Mengen von einer der
beiden beteiligten Mengen auf die andere.
2
2 Für
unendliche Mengen gibt es auch einen Kardinalitätsbegri mit der Eigenschaft, dass
auch jede unendliche Menge eine Kardinalität hat und dass zwei Mengen, zwischen denen eine
51
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 3.22
M mit n Elementen
M gleich n!.
Für eine endliche Menge
Permutationen (Anordnungen) von
ist die Anzahl aller
Beweis. Wir können mit Hilfe der nach obiger Denition existierenden Bijektion
zwischen
M
{1, . . . , n}
das Problem an Stelle von
M
für
{1, . . . , n}
lösen.
n! Per{1, . . . , n}. Induktionsschritt: Aus jeder Permutation σ von
{1, . . . , n} erhalten wir n + 1 verschiedene Permutationen σk , k = 1, . . . n + 1
von {1, . . . , n + 1}, indem wir den Wert σk (k) = n + 1 in die Werte von σ wie
Für
n=1
und
stimmt die Behauptung. Induktionsvoraussetzung: Es gebe
mutationen von
folgt einfügen

 σ(j)
n+1
σk (j) =

σ(j − 1)
für
für
für
1≤j<k
j=k
.
k <j ≤n+1
{1, . . . , n + 1} in eindeutiger Weise
σ von {1, . . . , n}. Daher gibt es n + 1
{1, . . . , n + 1} als von {1, . . . , n}. Damit ist der
Umgekehrt entsteht jede Permutation von
in dieser Form aus einer Permutation
mal so viele Permutationen von
Induktionsschritt abgeschlossen.
Denition 3.10
Seien
n, k ∈ N0
mit
k≤n
gegeben. Die Zahl
n!
k!(n − k)!
Binomialkoezient und wird mit
n
k (in Worten n über k ) bezeichnet. Dabei ergänzen wir die Denition von der Fakultät n! aus (1.3) durch die
heiÿt
Festlegung
0! = 1.
Die folgenden beiden Sätze geben zwei wichtige Interpretationen der Binomialkoezienten. Im Beweis des erstens Satzes verwenden wir das
prinzip: Wenn eine Menge M
jede
m
in
k
Schubfach-
disjunkte Klassen eingeteilt ist, von denen
M genau k · m Elemente. Ein Spezialfall ist die
#(A × B) der Elemente des cartesischen Produkts
Mengen gleich dem Produkt #A · #B ist.
Elemente hat, dann hat
Tatsache, dass die Anzahl
A×B
zweier endlicher
Satz 3.23
Es gibt genau
n
k
verschiedene
k -elementige
Teilmengen einer
n-
elementigen Menge.
Beweis. Wir können ohne Einschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, dass
n-elementigen Grundmenge um {1, . . . , n} handelt. Sei B eine
k -elementige Teilmenge von {1, . . . , n}. Wir bestimmen zunächst die Anzahl l(n, k) aller Anordnungen (Permutationen) σ der Zahlen {1, . . . , n} mit
B = {σ(1), . . . , σ(k)}. Wenn wir ein solches σ gefunden haben, erhalten wir
es sich bei der
feste
Bijektion existiert, gleiche Kardinalität haben. Für unsere Zwecke ist aber die in Abschnitt 2.5
eingeführte Unterscheidung abzählbar vs. überabzählbar ausreichend. Was wir nicht mehr
ausführen ist die Tatsache, dass es unter den überabzählbaren Mengen noch viele Mengen
unterschiedlicher Kardinalitäten gibt. Der Leser möge dies etwa dadurch zu beweisen, dass er
sich an dem Cantorschen Beweis orientiert, dass es keine Abzählung der reellen Zahlen gibt
und zeigt, dass für keine Menge
gibt.
M
eine Bijektion zwischen
M
und der Potenzmenge von
M
Anordnung
Binomialkoezienten
Fakult\"at
Schubfachprinzip
Teilmengen,
$k$-elementige
52
Binomische Formel
Exponentialfunktion
Eulersche Zahl
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
B = {σ 0 (1), . . . , σ 0 (k)} in eindeutiger Weiσ erstens die Elemente von B einer weiteren Permutation πk unterziehen, und zweitens die (n-k )-elementige Menge
B c = {1, . . . , n} \ B auch durch eine Permutation πn−k umordnen. Also ist die
Anzahl l(n, k) gleich der Zahl der Paare (πk , πn−k ) dieser Permutationen von B
c
bzw. B . Für πk gibt es nach dem vorigen Satz k! Wahlmöglichkeiten und für
πn−k entsprechend (n − k)! Wahlmöglichkeiten. Daher ist l(n, k) = k!(n − k)!.
Die n!-elementige Menge Sn aller Permutationen σ von {1, . . . , n} ist damit
in disjunkte Klassen KB aufgeteilt, von denen jede genau k!(n − k)! Elemente
enthält. Die Anzahl der Klassen ist gerade unsere gesuchte Anzahl N (n, k) der
k -elementigen Teilmengen von {1, . . . , n}. Nach dem Schubfachprinzip ist n! =
N (n, k)k!(n − k)!, woraus die Behauptung folgt.
alle
σ0
mit der gleichen Eigenschaft
se dadurch, dass wir ausgehend von
Satz 3.24
(Binomische Formel) Für je zwei reelle Zahlen
gilt
m
(a + b)
=
m X
m
l=0
Beweis.
l
a, b
und jedes
m∈N
al bm−l .
Zur Vereinfachung der Notation schreiben wir
b = a0 , a = a1 .
Voll-
ständiges Ausmultiplizieren liefert
(a1 + a0 )m
X
=
ai1 · ai2 . . . aim
(i1 ,...,im )∈{0,1}m
=
m
X
al1 am−l
N (m, l),
0
l=0
N (m, l) gleich der Zahl der Index-Tupel (i1 , . . . , im ) ∈ {0, 1}m
ist mit l Komponenten 1 und m−l Komponenten 0. Wir identieren jedes solche
(i1 , . . . , im ) mit der Menge derjenigen Stellen, an denen die 1 steht. Damit
ist
m
die Zahl N (m, l) dieser Index-Tupel mit genau l Einsen gleich der Zahl
l der
l-elementigen Teilmengen von {1, . . . , m}.
wobei die Anzahl
Folgerung 3.25
Jede endliche Menge mit
#M = n
hat genau
2n
verschiedene
Teilmengen.
Beweis. Jede Teilmenge von M
Pkn.
stimmte Kardinalität
von
M
3.5
gerade gleich
ist ebenfalls endlich, sie hat also eine wohlbe-
Daher ist nach Satz 3.23 die Anzahl aller Teilmengen
k=0
n
k . Dies ist aber nach Satz 3.24 gleich
(1+1)n = 2n .
Die reelle Exponentialfunktion
Denition 3.11
Für
x∈R
bezeichnet
exp(x)
den Wert der Exponentialreihe
∞
X
xn
x2
x3
=1+x+
+
+ ....
n!
2
6
n=0
Die Funktion
e = exp(1)
heiÿt (reelle) Exponentialfunktion. Speziell heiÿt
Eulersche Zahl.
x 7→ exp(x)
auch
53
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
|xn+1 |/(n+1)!
|xn |/n!
|x|
−→ 0 konvergiert die Exponentialreihe nach dem
n+1 n→∞
Quotientenkriterium Satz 3.20 für jedes x ∈ R.
Wegen
Bemerkung 3.26
=
e irrational ist. Die zugehörige Dezi2, 718281828459. Für allgemeine x ist eine Approxiexp(x) im folgenden Satz gegeben.
Man kann zeigen, dass
maldarstellung beginnt mit
mationsmöglichkeit von
Satz 3.27
(δn )n≥1
(Euler-Approximation der Exponentialfunktion) Für jede Nullfolge
und jedes
x∈R
gilt
lim (1 +
n→∞
x
x + δn n
) = lim (1 + )n = exp(x).
n→∞
n
n
Beweis. Nach der Binomischen Formel ist
∞
n X
x + δn n X n (x + δn )k
=
) =
an,k
(1 +
n
nk
k
k=0
k=0
wobei
(
an,k =
Für festes
k
n (x+δn )k
k
nk
für
0
für
k≤n .
k>n
gilt
n − (k + 1) (x + δn )k
xk
xk
n−1
· ...
·
= 1...1 ·
=
.
n→∞
n→∞
n
n
k!
k!
k!
P∞
Daher konvergieren die Reihen
k=0 an,k gliedweise gegen die Exponentialreihe.
lim an,k = lim
Aus der gliedweisen Konvergenz folgt aber i.a. nicht
3
Konvergenz der Werte
gegen den Wert der Grenzreihe. In diesem Fall können wir diesen Grenzübergang
aber durch majorisierte Konvergenz doch rechtfertigen. Wir verschieben die
allgemeine Formulierung dieses Prinzips auf die Integrationstheorie im zweiten
Semester.
Wir können
|δn | ≤ 1
|an,k |
für alle
≤
=
Sei jetzt
ε>0
n
annehmen. Sei
gegeben. Wähle
K∈N
n
K
x + δn n X
) −
an,k | =
n
k=0
|
K
X
k=0
3 Die
Dann ist
n!
1 yk
· k ·
(n − k)! n
k!
yk
n(n − 1) . . . (n − (k + 1)) y k
·
≤
k
n
k!
k!
nach Satz 3.17. Es gilt für alle
|(1 +
y = |x| + 1.
k
x
− exp(x)|
k!
≤
so dass
yk
k=K+1 k!
P∞
∞
X
|an,k | ≤
k=K+1
∞
X
k=K+1
Formulierung Die Aussage (oder Schlussweise)
< ε.
Das ist möglich
∞
X
yk
< ε,
k!
k=K+1
k
|x|
< ε,
k!
A
ist
im allgemeinen
falsch bedeu-
tet: Es gibt Fälle, in denen sie falsch ist, daher braucht man Zusatzüberlegungen, um sie im
konkreten Fall anzuwenden.
Euler-Approximation
54
Funktionalgleichung
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
und wegen der gliedweisen Konvergenz für hinreichend groÿe
|
K
X
an,k −
k=0
K
X
xk
k=0
k!
n
| < ε.
Durch Addition der ersten, dritten und zweiten Ungleichung ergibt sich zusammen mit der Dreiecksungleichung für hinreichend groÿe
|(1 +
Da
ε>0
n
x + δn n
) − exp(x)| < 3ε.
n
beliebig war, folgt die Behauptung.
Satz 3.28
(Funktionalgleichung der Exponentialfunktion) Für alle
x, y ∈ R gilt
exp(x + y) = exp(x) exp(y).
Beweis. Es ist
y
x n
) lim (1 + )n
n n→∞
n
h
(x + y) +
x
y i
= lim (1 + )(1 + ) = lim 1 +
n→∞
n→∞
n
n
n
= exp(x + y),
exp(x) exp(y)
denn
(δn ) = ( xy
n )n≥1
Satz 3.29
ist
=
lim (1 +
n→∞
a) Für alle
n
x<y
folgt
n
ist eine Nullfolge.
exp(nx) = exp(x) .
b) Aus
xy
n
x∈R
exp(−x) =
exp(n) = en .
gilt
Speziell
0 < exp(x) < exp(y).
1
exp(x) und allgemeiner für
n∈Z
Insbesondere ist die (reelle) Exponen-
tialfunktion injektiv.
Beweis. a) Es ist
exp(x) exp(−x) = exp(x + (−x)) = exp(0) =
∞
X
00
0n
=
= 1.
n!
1
n=0
n ∈ N ergibt sich exp(nx) = exp(x)n mit vollständiger Induktion. Für n = 0
n
0
ist exp(0x) = 1 und exp(x) = exp(x) = 1. Für −n ∈ N folgt mit der ersten
1
1
n
Gleichung exp(nx) =
exp((−n)x) = exp(x)−n = exp(x) .
Für
b) Für x > 0 ist sogar exp(x) > 1 weil die Reihe mit 1 beginnt und nur Glieder >
1
0 hat. Damit ist auch exp(−x) = exp(x)
> 0. Dies beweist die erste Ungleichung.
Für die zweite beachte
exp(y) = exp(x + (y − x)) = exp(x) exp(y − x) > exp(x).
In der Nähe der Null weicht der Wert der Exponentialfunktion
stark von
1+x
exp(x)
nicht
ab. Abschätzungen wie im folgenden Lemma werden wir im
Zusammenhang mit der Taylor-Formel später systematisch studieren.
55
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Lemma 3.30
und für alle
x
Stetigkeit
Es ist
mit
2, 5 < e < 3
(3.4)
| exp(x) − (1 + x)| ≤ (e − 2)x2 ≤ x2 .
(3.5)
|x| ≤ 1
gilt
Beweis. Wegen n! = 1 · 2 · 3 · · · n ≥ 1P· 2 · 2 · · · 2 = 2n−1 mit > für n > 2 können
wir die Restsumme
∞
1
n=3 n!
exp(1) − 2, 5 =
>0
durch
∞
∞
∞
X
X
1X 1
1 1
1
1
=
=
<
n
n
n! n=2 2
4 n=0 2
41−
n=3
1
2
=
1
2
abschätzen. Daraus folgen (3.4) und die zweite Ungleichung in (3.5).
Es ist
|x|2 = x2
|x| ≤ 1
und wegen
erhalten wir
∞
∞
∞
X
X
X
xn
|x|n−2
|x|n
2
| exp(x) − (1 + x)| = |
|≤
= |x|
n!
n!
n!
n=2
n=2
n=2
≤ x2
∞
X
1
= x2 (exp(1) − (1 + 1)) = x2 (e − 2).
n!
n=2
Damit ist die erste Ungleichung in (3.5) bewiesen.
Bemerkung 3.31
Die erste Ungleichung in (3.5) ist scharf , sie kann nicht
x = 1 gilt sogar Gleichheit. Die Approximation der
e in (3.4) kann man natürlich auf beiden Seiten viel genauer machen, indem
verbessert werden, denn für
Zahl
man die Abschätzung durch die geometrische Reihe erst bei einem späteren
Index beginnen lässt.
Es folgt die Stetigkeit der Exponentialfunktion. Wir werden auf diesen Begri noch in einem allgemeineren Rahmen eingehen. Hier begnügen wir uns mit
folgender Denition.
Denition 3.12 Eine reellwertige Funktion f auf einer Menge D ⊂ R heiÿt
stetig, wenn für alle Folgen (xn ) von Elementen von D, die gegen ein Element
x
von
D
konvergieren, gilt
limn→∞ f (xn ) = f (x).
f ist genau dann stetig, falls stets
f (lim xn ) = lim f (xn ) gilt. Für die sogenannte ε-δ -Denition der Stetigkeit siehe
Dies kann man zu der Merkregel abkürzen:
später den Abschnitt über metrische Räume.
Satz 3.32
Die Exponentialfunktion
exp
ist stetig.
Beweis. 1. Sei zunächst limn→∞ xn = 0. Dann ist |xn | ≤ 1 für schliesslich alle
n.
Für diese
n
gilt nach dem Lemma
| exp(xn ) − exp(0)| = | exp(xn ) − 1| = | exp(xn ) − (1 + xn ) + xn |
≤ x2n + |xn |.
Damit gilt
exp(xn ) −→ exp(0).
n→∞
56
Zwischenwertsatz
Logarithmus
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
x beliebig und limn→∞ xn = x. Dann ist exp(xn ) = exp(x) exp(xn −
x) −→ exp(x) exp(0) = exp(x).
2. Sei jetzt
Eine sehr nützliche Eigenschaft stetiger Funktionen im Bereich der reellen Zahlen ist die Tatsache, dass sie Intervalle auf Intervalle abbilden. Der Beweis ist
eine einfache Adaption des Arguments für die Existenz der
m-ten Wurzeln (Fol-
gerung 3.10).
Satz 3.33
(Zwischenwertsatz) Sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion.
y ∈ R eine Zahl mit f (a) ≤ y ≤ f (b) oder f (a) ≥ y ≥ f (b). Dann gibt es
x ∈ [a, b] mit f (x) = y .
Sei
ein
Beweis. Sei zunächst f (a) ≤ y ≤ f (b). Wir können f (b) > y annehmen, denn
f (b) = y und b ist der gesuchte
M = {c ∈ [a, b] : f (c) ≤ y}. Die Menge enthält
sonst ist nach Voraussetzung
Punkt. Betrachte
die Menge
den Punkt
a,
sie
ist also nicht leer. Sie ist nach oben beschränkt als Teilmenge des Intervalls
[a, b].
Sei
x = sup M .
Dann gibt es eine Folge
(xn )
in
M
mit
xn −→ x.
n→∞
Also
f (x) = limn→∞ f (xn ) ≤ y . Wegen f (b) > y ist also
x < b und kein Glied der Folge (bn ) mit bn = x + n1 liegt in M . Daher gilt
f (x) = limn→∞ f (bn ) ≥ y . Zusammen folgt f (x) = y .
Der Fall f (a) ≥ y ≥ f (b) ergibt sich analog, oder man kann ihn auch durch
Betrachtung der Funktion −f auf den Fall f (a) ≤ y ≤ f (b) zurückführen.
ist wegen der Stetigkeit
Da die Exponentialfunktion wegen der für
x
x > 0 trivialen Ungleichung exp(x) >
beliebig groÿe und wegen Teil a) von Satz 3.29 damit auch beliebig kleine
positive Werte annimmt, kommt also jede positive Zahl als einer ihrer Werte
vor. Zusammen mit der Injektivität (vgl. Teil b) von Satz 3.29) ergibt sich
Satz 3.34
Die Funktion
Denition 3.13
exp,
die
und mit
exp : R −→ (0, ∞)
ist bijektiv.
Die nach dem letzten Satz existierende Umkehrfunktion von
(0, ∞) bijektiv auf R abbildet, wird Logarithmus-Funktion genannt
ln (natürlicher Logarithmus, logarithmus naturalis) bezeichnet.
Satz 3.35
ln
ist streng monoton steigend und es gilt
(1) ln(1) = 0, ln(e) = 1
(2) ln(x · y) = ln(x) + ln(y)
1
(3) ln( ) = − ln(x).
x
f ür x, y > 0 (Funktionalgleichung von ln),
Beweis. (1) folgt aus exp(0) = 1 und exp(1) = e1 = e.
(2) Sei
x = exp(ξ), y = exp(υ).
Dann ist nach der Funktionalgleichung der
Exponentialfunktion
ln(x · y) = ln(exp(ξ) · exp(υ))
= ln(exp(ξ + υ)) = ξ + υ
= ln x + ln y.
(3) folgt aus (1) und (2).
57
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Lemma 3.36
Für
exp( pq · ln a).
p ∈ Z, q ∈ N
und
a>0
gilt
ap = exp(p · ln a)
und
√
q
ap =
Beweis. 1. Durch vollständige Induktion sieht man
exp(nx · ln a) = (exp(x · ln a))n
f ür n ∈ N0 , x ∈ R.
exp(0 · x · ln a) = exp(0) = 1 = (. . .)0 .
Induktionsschritt: exp((n + 1)x · ln a) = exp(nx · ln a + x · ln a) = exp(nx · ln a) ·
exp(x · ln a) = exp(x · ln a)n+1 .
n
n
Für x = 1 folgt exp(n·ln a) = (exp(ln a)] = a , für x = −1 folgt exp(−n·ln a) =
1
n
−n
n
(exp(− ln a)) = ( exp(ln a) ) = a .
Induktionsanfang:
Damit ist die erste Aussage bewiesen. Weiter gilt
p
p
(exp( · ln a))q = exp(q · · ln a) = ap
q
q
und somit
√
q
ap = exp( pq · ln a).
Also wird folgende Denition sinnvoll:
Denition 3.14
Sei
a>0
und
x ∈ R.
Dann setze
ax := exp(x · ln a).
Bemerkung: Es folgt ex = exp(x · ln e) = exp(x).
Satz 3.37
Sei
a>0
(1)
ln ax = x · ln a
(2)
ax+y = ax · ay
(3)
(ax )y = ax·y
(4)
a−x =
und
x, y ∈ R.
Dann gilt
1
ax
Beweis. (1) ln ax = ln(exp(x · ln a)) = x · ln a. (2) ax+y
x
y
exp(x · ln a) · exp(y · ln a) = a · a .
exp(y · x · ln a) = ax·y .
(3) Nach Teil (1) ist
(4) Aus (3) folgt
1
ax
y?
a > 0
ist eine vorgegebene
y = ax genau
1
= ln a ln y . Die Funktion
und wird meist mit loga
Die Antwort ist gegeben durch die Beziehung (1): Es ist
dann, wenn
y = exp(x ln a)
spricht man auch vom
oder
ln y = x ln a
oder
Logarithmus zur Basis
1
ln a ln y heiÿt auch
bezeichnet. Im Spezialfall
y 7→
log2 .
(ax )y = exp(y · ln ax ) =
= (ax )−1 = a−x .
Häug stellt man die Frage: Welche Potenz von
Zahl
= exp((x + y) ln a) =
a = 2,
x
a
der insbesondere in der Informatik wichtig ist,
Zweierlogarithmus und schreibt auch einfach log statt
58
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
lineare Struktur
Nullpunkt
Ursprung
Kapitel 4
Der Raum Rd
Rd
4.1
als Vektorraum
Denition 4.1
Sei
d ∈ N.
Mit
Rd
wird der Raum aller
d-Tupel (a1 , . . . , ad )
reeller Zahlen bezeichnet.
Im Fall
d=2
sprechen wir von der reellen (Zahlen-)Ebene, der Raum
R3
ist in
der Physik das (nicht-relativistische) Standard-Modell für den uns umgebenden
Raum.
Denition 4.2
und
Rd ) Für je zwei Elemente a = (a1 , . . . , ad )
R denieren wir die Summe a + b ∈ Rd durch
(Lineare Struktur des
b = (b1 , . . . , bd )
von
d
a + b := (a1 + b1 , . . . , ad + bd ).
Für α ∈ R,
Rd durch
a = (a1 , . . . , ad ) ∈ Rd
denieren wir das
skalare Vielfache α · a ∈
α · a := (αa1 , . . . , αad ).
Das Element
genannt und
(0, . . . , 0) ∈ Rd wird Nullpunkt des Rd oder
mit 0Rd oder einfach nur mit 0 bezeichnet.
Wir fassen die Elemente von
Rd
einfach als Punkte im
auch
Nullvektor
d-dimensionalen Zahlen-
Raum auf. Dieser Raum ist mit einem ausgezeichneten Element, dem Nullpunkt oder
Ursprung
versehen. Die Addition dieser Punkte ist zunächst ein
rein rechnerischer Vorgang. Aus geometrischer Sicht kann man aber dem Punkt
a
umkehrbar eindeutig den Vektor, dh. die (eventuell parallel verschiebbare)
Verbindungs-Strecke zuordnen, die man am Nullpunkt abtragen muss, um zum
Punkt
a
zu kommen. Wenn man dann für einen zweiten Punkt
Verbindungsstrecke vom Nullpunkt nach
am neuen Startpunkt
a
b
b
die zugehörige
nimmt und parallel verschiebt und
abträgt, erhält man den Endpunkt
a + b,
der wieder
einen neuen Vektor deniert. Die Addition von Vektoren hat also die geometrische Bedeutung der Hintereinanderausführung von zwei Abtragungen. Die
Kommutativität der Vektoraddition, die in der obigen Denition trivial aus
derjenigen für reelle Zahlen folgt, ist dann ein geometrisches Postulat. Sind bei
uns
a
und
b
zwei Punkte im
d-dimensionalen
nach
b
zu kommen.
59
b − a (= b + (−a))
a abtragen muss, um
Raum, so kann
auch als der Vektor aufgefasst werden, den man im Punkt
60
Vektorraum
Gruppe
abelsch
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
a 6= 0 gibt es genau eine Gerade, auf der beide
Zum Ursprung und jedem Punkt
0 und a liegen.
α · a mit α ∈ R.
Punkte
Form
Die Punkte dieser Gerade sind genau die Punkte der
Mit den beiden in Denition 4.2 erklärten Operationen wird der Raum
Vektorraum über dem Körper
R
Rd
ein
im Sinn der folgenden Denition. In seiner
Allgemeinheit werden wir den Begri des Vektorraums erst im nächsten Kapitel
verwenden.
Denition 4.3
Sei K ein Körper. Ein Vektorraum über K ist eine Menge
V , zusammen mit zwei Abbildungen + : V × V −→ V (Vektoraddition) und · :
K × V −→ V (Multiplikation mit Skalaren), derart dass die folgenden Aussagen
gelten:
+ ist assoziativ und kommutativ,
a + b = b + a für alle a, b, c ∈ V .
a1) Die Operation
a + (b + c)
und
a2) Es gibt genau ein Element
a3) Für jedes
a∈V
0V
von
V,
a + 0V = a
so dass
gibt es genau ein Element
dh. es gelten
−a
von
V
(a + b) + c =
für alle
so dass
a∈V
ist.
a + (−a) = 0V
ist.
b1) Es gilt
1·a=a
b2) Es gilt
α · (β · a) = (αβ) · a
für alle
a∈V.
Hierbei ist
für alle
1
α, β ∈ K
das Einselement von
und alle
K.
a∈V.
b3) Es gelten die Distributivgesetze
(α + β) · a = α · a + β · a
α · (a + b) = α · a + α · b
für alle
Wenn
α, β ∈ K
V
und
a, b ∈ V .
ein Vektorraum über
die Elemente von
Bemerkung 4.1
V
K
Vektoren.
ist, heissen die Elemente von
1. Die Eigenschaften a1) - a3) bedeuten:
K
Skalare und
(V, +) ist eine abel-
sche Gruppe.
2. Wenn wir in dem ersten Distributiv-Gesetz in b3)
wir
0 · a = 0V
Satz 4.2
für alle
β=0
einsetzen, erhalten
a∈V.
(Vektorraum-Eigenschaften des
Rd )
Der Raum
Rd
ist mit den in De-
nition 4.2 erklärten Operationen ein Vektorraum über dem Körper
R.
Beweis. Die einzelnen Regeln a1) - b3) kann man leicht auf die entsprechenden Axiome für die reellen Zahlen zurückführen. Zum Beispiel gilt das zweite
Distributiv-Gesetz in b3) wegen
α · (a + b)
= (α(a1 + b1 ), . . . , α(ad + bd )) = (αa1 + αb1 , . . . , αad + αbd )
= (αa1 , . . . , αad ) + (αb1 , . . . , αbd ) = α · a + α · b.
61
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
4.2
Skalarprodukt
Das Standard-Skalarprodukt
Euklidische Norm
Zusätzlich zur linearen Struktur denieren wir jetzt auÿerdem ein
Skalarpro- Norm
Cauchy-SchwarzBuniakowski
dukt zwischen je zwei Vektoren des Rd . Das Ergebnis ist eine reelle Zahl.
Denition 4.4
Seien
a = (a1 , . . . , ad ), b = (b1 , . . . , bd )
Dann setzen wir
ha, bi =
d
X
Rd .
zwei Vektoren in
ai bi .
(4.1)
i=1
Man veriziert unmittelbar:
Satz 4.3
h·, ·i : Rd × Rd → R
Die Funktion
a)
ha + a0 , bi = ha, bi + ha0 , bi
b)
ha, bi = hb, ai
c)
hλa, bi = λha, bi
d)
ha, ai ≥ 0
für alle
e)
ha, ai = 0
gilt genau dann, wenn
für alle
Bemerkung 4.4
gilt für alle
hat folgende Eigenschaften:
a, a0 , b ∈ Rd ,
a, b ∈ Rd ,
a, b ∈ Rd
für alle
und
λ ∈ R.
a ∈ Rd ,
a = 0.
Aus der Symmetrie-Eigenschaft b) folgt, dass die beiden Ei-
genschaften a) und c) sinngemäÿ auch in der zweiten Variablen gültig sind.
Im Lauf der Zeit werden wir noch eine Reihe von anderen Funktionen von zwei
Variablen auf geeigneten Vektorräumen kennenlernen, die diese oder ähnliche
Eigenschaften haben.
Denition 4.5
|a|
a.
an Stelle von
kak2 oder auch einfacher
Diese Zahl heiÿt die
Wir
p schreiben
ha, ai.
kak
oder ganz einfach
Euklidische Norm des Vektors
kak2 als die Euklidische Länge des Vektors a oder als den
a vom Nullpunkt. Oenbar ist im Fall d = 1 die Zahl
gleich
a2 = |a|, also gleich dem gewöhnlichen Betrag. Der in der
Man interpretiert
Abstand des Punktes
√
kak2
gerade
Denition verwendete Begri Norm ist allgemein wie folgt erklärt:
Denition 4.6
Sei
V
ein Vektorraum über
steht man eine Abbildung
(1)
(2)
(3)
k
k : V → [0, ∞)
R.
Unter einer
Norm auf V
ver-
mit
kxk = 0 genau dann, wenn x = 0.
kλ · xk = |λ| · kxk für alle (λ, x) ∈ R × V .
kx + yk ≤ kxk + kyk für alle x, y ∈ V .
Satz 4.5
raum
a) Die Funktion
k2 : Rd → [0, ∞)
k
ist eine Norm auf dem Vektor-
Rd .
b) Für je zwei Vektoren
Buniakowski
a, b
in
Rd
gilt die Ungleichung von Cauchy-Schwarz-
1
|ha, bi| ≤ kak2 · kbk2 .
(4.2)
Wenn in dieser Ungleichung Gleichheit vorliegt, dann ist einer der beiden Vektoren
a, b
1 häug
ein skalares Vielfaches des anderen.
auch einfach Cauchy-Schwarz-Ungleichung genannt
62
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis.1. Dass k
k2
die Eigenschaft
(1)
einer Norm erfüllt, folgt aus Teil e)
von Satz 4.3.
2. Dass
k
k2
die Eigenschaft
(2)
einer Norm erfüllt, folgt aus Teil
c)
in Satz
4.3 und Bemerkung 4.4:
kλ · ak2 =
p
hλ · a, λ · ai =
p
λ2 ha, ai = |λ| kak2 .
3. Nun zur Ungleichung von Cauchy-Schwarz-Buniakowski. Wir bemerken zunächst für später: Für jedes skalare
λ
gilt
0 ≤ ha + λb, a + λbi = ha, ai + 2λha, bi + λ2 hb, bi.
(4.3)
a, ist der Nullvektor.
0, denn es ist h0, bi = 0h0, bi = 0 für alle b.
Zweiter Fall. Es gelte kak2 = kbk2 = 1. In diesem Fall folgt aus (4.3) speziell für
λ mit |λ| = 1, dh. λ = ∓1
Erster Fall. Einer der beiden Vektoren in (4.2), sagen wir
Dann sind beide Seiten gleich
±ha, bi ≤ 1 = kak2 · kbk2 .
(4.4)
Dies beweist (4.2).
a und b seien 6= 0, aber sonst beliebig. Dann sind die beiden Zahlen
kbk2 positiv nach Eigenschaft e) im Satz. Es folgt
Dritter Fall.
kak2
und
k
1
a
k2 = |
| kak2 = 1,
kak2
kak2
und analog
k
b
k2 = 1.
kbk2
Daher gilt nach dem vorigen Beweisschritt
|h
b
a
,
i| ≤ 1,
kak2 kbk2
Weil man hier die beiden Normen im Nenner als positive Skalare aus den Betragsstrichen herausziehen kann, folgt (4.2).
4. Wenn man in (4.3)
λ=1
wählt, erhält man zusammen mit (4.2)
ka + bk22 ≤ kak2 + 2kak2 kbk2 + kbk22 = (kak2 + kbk2 )2 ,
also gilt auch die Dreiecksungleichung (3) in der Denition einer Norm.
5. Schlieÿlich nehmen wir an, es gelte = in (4.2). Im Fall, dass einer der
beiden Vektoren der Nullvektor ist, ist er eben das Nullfache des anderen, die
Behauptung im Satz stimmt also. Wenn beide vom Nullvektor verschieden sind,
gilt auch
|h
also für
λ = −1
oder
λ=1
0=h
b
a
,
i| = 1,
kak2 kbk2
wegen (4.3)
a
b
a
b
+λ
,
+λ
i,
kak2
kbk2 kak2
kbk2
dh. wegen Satz 4.3 Teil e) muss
a=
−λ kak2
kbk2
·b
sein.
63
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Folgerung 4.6
Es gilt für jeden Vektor
Signum
a ∈ Rd
d
√ d
1 d
1 X
√ max |ai | ≤ √
|ai | ≤ kak2 ≤ d max |ai |.
i=1
d i=1
d i=1
Beweis. Die erste Ungleichung ist trivial. Für den Beweis der zweiten Ungleichung sei b der Vektor mit den Komponenten bi = sgn(ai ), wobei die SignumFunktion
sgn : R → R
durch

 1 x>0
0 x=0
sgn(x) =

−1 x < 0
deniert ist. Dann ist
d
X
kbk2 =
|ai | =
i=1
d
X
qP
d
2
i=1 bi
≤
√
d
(4.5)
und damit
ai bi = ha, bi ≤ kak2 kbk2 ≤
√
d kak2 .
i=1
Die dritte Ungleichung folgt aus
v
u d
r
uX
√ d
d
a2i ≤ d max a2i = d max |ai |.
kak2 = t
i=1
i=1
i=1
Gelegentlich werden auch andere Normen als die Euklidische Norm auf dem
Raum
Rd
betrachtet, z.B. denieren die beiden ersten Ausdrücke in der obigen
Ungleichungskette ebenfalls Normen auf
kak1
=
Rd :
Man setzt
d
X
|ai |,
(4.6)
i=1
kak∞
Der Index in
k
k2
d
= max |ai |.
i=1
(4.7)
ist in solchen Fällen zur Vermeidung von Verwechslungen
nützlich. Vorläug betrachten wir aber nur die Euklidische Norm und lassen
daher den Index weg.
Geometrische Interpretation. Seien a, b ∈ Rd zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren. Den am Ende von Satz 4.5 angesprochene Fall der Gleichheit
in der Ungleichung von Cauchy-Schwarz-Buniakowski, dass nämlich einer der
beiden Vektoren ein Vielfaches des anderen ist, kann man auch so formulieren:
Die beiden Vektoren liegen auf der gleichen Geraden durch den Nullpunkt. In
diesem Fall wird in
−1 ≤
ha, bi
≤ 1,
kakkbk
eine der beiden Ungleichungen zur Gleichheit, der Winkel zwischen den beiden Vektoren ist dementsprechend entweder
gleiche Richtung) oder
◦
180
0◦
(die beiden Vektoren haben die
(ihre Richtung ist entgegengesetzt).
Der andere Extremfall ist, dass das Skalarprodukt verschwindet.
64
orthogonale Vektoren
Cosinus
Winkel
Metrik
Dreiecksungleichung
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Denition 4.7 Seien a und b zwei Vektoren mit ha, bi = 0. Wir sagen in diesem
Fall, a und b stehen senkrecht aufeinander oder sie sind orthogonal. Wir
schreiben dann auch
a ⊥ b.
Dies entspricht anschaulich dem Fall, dass der Winkel zwischen den beiden Vek-
90◦ oder 270◦ ist. Zum Beispiel stehen die beide Vektoren (1, 3) und
(−6, 2) im R2 senkrecht aufeinander. Für zwei orthogonale Vektoren a, b ist das
d
Dreieck im R mit den drei Eckpunkten 0, a und a + b bei a rechtwinklig. Die
drei Seitenlängen dieses Dreiecks sind kak, kbk = k(a + b) − ak und ka + bk, und
toren gleich
es gilt der Satz von Pythagoras
ka + bk2 = kak2 + kbk2 .
(4.8)
Dies folgt unmittelbar aus der Denition der Euklidischen Norm mit
λ=1
in
(4.3).
Seien nun
ist
c⊥b
a, b
nicht orthogonal, aber
kbk = 1.
Betrachte
c := a − ha, bi · b.
Dann
wegen
hc, bi = ha, bi − hha, bib, bi = ha, bi − ha, bihb, bi = ha, bi − ha, bi = 0.
Wir können daher
c
im Sinn der Auassung von Vektoren als Verbindungs-
a auf die Gerade R · b = {α · b : α ∈ R}
ha, bi · b als den Fuÿpunkt dieses Lots. Also gibt die
Zahl ha, bi an, wo auf der Gerade R · b dieser Fuÿpunkt liegt. Ist jetzt ausserdem
auch kak = 1, so ist nach unserem Vorwissen aus der Geometrie damit ha, bi
gleich dem Cosinus des Winkels zwischen den Vektoren a und b. Wir werden
strecken als das senkrechte Lot von
auassen, und den Punkt
dies nicht verwenden, sondern später neu begründen, nachdem wir den Winkel
und die Cosinus-Funktion eingeführt haben.
4.3
Rd
als metrischer Raum
a und b zwei Punkte im Rd . Wir betrachten die Zahl ka − bk als (Euklidischen) Abstand der beiden Punkte. Oenbar gilt nach der Dreiecksunglei-
Seien
chung (Eigenschaft (3) in der Denition 4.6 einer Norm) und Satz 4.5 a) für je
drei Punkte
a, b, c ∈ Rd
ka − ck ≤ ka − bk + kb − ck.
Ferner ist der Abstand von
a
nach
b
gleich dem Abstand von
b
nach
a,
der Ab-
stand zwischen zwei Punkten ist stets nichtnegativ und gleich Null genau dann,
wenn die beiden Punkte zusammenfallen. Daher ist die so denierte Abstandsfunktion eine Metrik im Sinn der folgenden Denition:
Denition 4.8
eine Abbildung
(1)
(2)
(3)
Ein
Sei X eine Menge. Unter
d : X × X → [0, ∞) mit
einer
Metrik d auf X
versteht man
d(x, y) = 0 genau dann wenn x = y ,
d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ X (Symmetrie),
d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für alle x, y, z ∈ x (Dreiecksungleichung).
metrischer Raum ist ein Paar (X, d), bestehend aus einer Menge X und
d. Man nennt d(x, y) den Abstand oder die Distanz der Punkte
einer Metrik
x und y
X .
bzgl. der Metrik
d. Man spricht oft auch einfach vom metrischen Raum
65
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Wir werden später noch eine Reihe anderer Metriken kennenlernen. Viele der
für das Arbeiten im
Rd
wichtigen Begrisbildungen sind auch für diese anderen
Metriken nützlich und daher werden wir sie gleich im allgemeinen Rahmen erklären, auch wenn unser Hauptzeuge für ihre Bedeutung zunächst der Euklidische
Abstand bleiben wird.
Die am Anfang dieses Abschnitts gebrachten Argumente für den Euklidischen
Abstand lassen sich leicht übertragen auf beliebige Normen:
Bemerkung 4.7
Dann ist durch
Sei V ein Vektorraum über R und k
k eine
d(x, y) = kx − yk eine Metrik auf V deniert.
Norm auf
V.
Beispiele. 1. Deniere für a, b ∈ R einen neuen Abstand durch
d(a, b) =
Dann ist
d,
|a − b|
.
1 + |a − b|
wie leicht zu verizieren ist, eine Metrik, die aber nicht im Sinn der
Bemerkung von einer Norm stammt.
2. Ist
X
eine beliebige Menge, so ist die
d(x, y) =
0
1
diskrete Metrik auf X
falls
falls
durch
x=y
x 6= y
deniert. Das heiÿt zwar, dass man auf jeder Menge eine Metrik einführen kann,
aber diese Metrik liefert meist nur Triviales.
3. Im der reellen Ebene
k
k1
R2
kann man sich den durch die in (4.6) erklärte Norm
gemäÿ der Bemerkung denierten Abstand mit
d(x, y) = |y1 − x1 | + |y2 − x2 |
veranschaulichen als Taxifahrer-Metrik in Mannheim. Nach Folgerung 4.6 un-
√
terscheidet er sich höchstens um den Faktor
2
vom Euklidischen Abstand
(Luftlinien-Abstand).
4. Etwas allgemeiner kann man auf einer Menge, auf der es zwischen je zwei
Punkten eine ganze Klasse von Verbindungswegen gibt mit verschiedenen Längen, eine Metrik
d
denieren, indem man als
aller vorhandenen Wege zwischen
stand
d(x, y)
x
und
y
d(x, y)
das Inmum der Längen
wählt, vereinfacht gesagt: der Ab-
ist die Länge des kürzesten zulässigen Weges zwischen den beiden
Punkten. Dies Prinzip ist sowohl in der Physik (Optik) als auch in der Logistik
(Standort-Theorie) wichtig.
In einem metrischen Raum bedeutet die Konvergenz einer Folge gegen einen
Punkt genau wie auf der reellen Achse, dass der Abstand der Folge von diesem
Punkt gegen Null konvergiert:
Denition 4.9 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (an )n∈N von EleX konvergiert gegen den Punkt a ∈ X (bezüglich d) genau dann,
menten von
wenn
lim d(an , a) = 0.
n→∞
diskrete Metrik
Taxifahrer-Metrik
Luftlinien-Abstand
Konvergenz
66
$\eps$-Kugel
oen
abgeschlossen
Rand
Im
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Rd
bedeutet Konvergenz bezüglich des Euklidischen Abstands einfach die
Konvergenz der einzelnen Komponenten der beteiligten
d-Tupel.
Dies ist eine
einfache Konsequenz aus der Abschätzung in Folgerung 4.6. Gleiches gilt übrigens dann auch für die beiden, aus den in (4.6) und (4.7) denierten Normen
abgeleiteten Abstandsbegrie.
Satz 4.8
d
Eine Folge (an )n = ((a1n , . . . , adn ))n von Punkten in R konvergiert
a = (a1 , . . . , ad ) ∈ Rd genau dann bezüglich des Euklidischen Abstands,
wenn sie komponentenweise konvergiert, dh. wenn für jedes i ∈ {1, . . . , d} gilt
limn→∞ ain = ai .
gegen
Nützlich sind jetzt die folgenden allgemeinen Begrie.
Denition 4.10
a ∈ X und eine reelle
B(a, ε) := {x ∈ X : d(a, x) < ε} die (oene)
Kugel mit Mittelpunkt a und Radius ε. Eine Menge U ⊂ X heiÿt oen, falls
für alle a ∈ U ein ε > 0 existiert mit B(a, ε) ⊂ U. Eine Menge A ⊂ X heiÿt
abgeschlossen, falls ihr Komplement Ac = X\A oen ist. Ein Punkt x ∈ X
heiÿt Randpunkt von Y ⊂ X , falls in jeder Kugel B(x, ε) um x sowohl ein
c
Element aus Y als auch ein Element aus Y liegen. Die Menge aller Randpunkte
von Y , der Rand von Y , wird mit ∂Y bezeichnet. Die Mengen
Zahl
ε > 0
(X, d)
Sei
ein metrischer Raum. Für
heiÿt die Menge
Y
Y◦
heiÿen
(4.9)
(4.10)
Abschluss bzw. oener Kern von Y .
Bemerkung
4.9
c
und
= Y ∪ ∂Y
= Y \ ∂Y
c ◦
Y = (Y )
Die Kugeln
. Die Mengen
B(a, ε) sind oene Mengen. Es ist ∂Y = ∂(Y c )
Y ◦ sind oen und die Mengen Y abgeschlossen.
Beweis. Ist x ∈ B(a, ε), so ist d(a, x) < ε, also gilt η
B(x, η)
ist nach der Dreiecksungleichung in
B(a, ε)
oen.
= ε − d(a, x) > 0 und
B(a, ε)
enthalten. Also ist
c
∂Y = ∂(Y c ) folgt aus der Denition. Es folgt Y = Y c ∩ (∂Y )c = Y c \ ∂Y c =
(Y c )◦ . Zum Beweis, dass Y ◦ oen ist, sei x ∈ Y ◦ . Weil x ∈
/ ∂Y ist, gibt es eine
c
Kugel B(x, ε), die kein Element von Y enthält. Da diese Kugel oen ist, enthält
◦
sie daher auch kein Element von ∂Y . Daher ist diese Kugel ganz in Y enhalten.
Damit sind die oenen Kerne oen. Y als das Komplement des oenen Kerns
c
von Y ist abgeschlossen.
a, b zwei reelle Zahlen mit a < b. Der Rand der Intervalle
(a, b), (a, b], [a, b] ist jeweils die zwei-elementige Menge {a, b}. Das Intervall [a, b]
ist der Abschluss von (a, b). Umgekehrt ist (a, b) der oene Kern von [a, b].
Zum Beispiel seien
Das folgende einfache Lemma wird öfters verwendet werden beim Übergang
zwischen einer Aussage mit konvergenten Folgen und einer Aussage mit
oder
ε-s
δ -s.
Lemma 4.10
Sei
E
eine Teilmenge des metrischen Raums
X
und sei
x ∈ E.
Dann sind folgende beiden Bedingungen äquivalent:
a) Es gibt ein
δ > 0,
so dass die Kugel
b) Es gibt keine Folge
(xn )n
B(x, δ)
im Komplement
E
in
c
E
enthalten ist.
, die gegen
x
konvergiert.
67
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis.
a) ⇒ b). Sei B(x, δ) ⊂ E . Wenn x = limn→∞ xn ist, dann ist nach
xn ∈ B(x, δ), also xn ∈ E für schlieÿlich alle n. Daraus folgt b).
Denition 4.9
B(x, n1 ) in E enthalten.
1
c
Dann gäbe es zu jedem n ∈ N einen Punkt xn ∈ B(x, ) ∩ E . Die Folge (xn )n
n
c
wäre eine Folge in E , die gegen x konvergiert. Dies widerspräche b). Also muss
b) ⇒ a).
Wäre a) falsch, dann wäre keine der Kugeln
mit b) auch a) gelten.
2
Eine alternative Beschreibung der abgeschlossenen Mengen ist im folgenden Satz
gegeben. Abgeschlossene Mengen kann man durch Grenzwertbildung nicht verlassen.
Satz 4.11
x∈U
U eines metrischen Raums X ist oen genau
(xn )n von Elementen von U c gibt, die gegen ein
a) Eine Teilmenge
dann, wenn es keine Folge
konvergiert.
b) Eine Teilmenge
A eines metrischen Raums X ist abgeschlossen genau dann,
(xn )n von Elementen von A, die gegen ein x ∈ X konver-
wenn für jede Folge
giert, auch
x∈A
3
gilt .
Beweis. a) Dies folgt direkt aus der Denition der Oenheit und dem Lemma.
b) Dies folgt aus a) durch Übergang zum Komplement.
Denition 4.11 Wir nennen eine Teilmenge K eines metrischen Raums kompakt, wenn jede Folge von Elementen von K eine Teilfolge hat, die gegen ein
Element von
Satz 4.12
K
konvergiert.
4
Jede kompakte Menge ist abgeschlossen. Der Durchschnitt einer ab-
geschlossenen mit einer kompakten Menge ist kompakt.
Beweis. Wir verwenden das Kriterium aus Satz 4.11 b). Sei (xn ) eine Folge in
x ∈ X konvergiert. Da sie eine Teilfolge
K konvergiert, und dieser Grenzwert der
Teilfolge gleich x sein muss, ist x ∈ K . Also ist K abgeschlossen. Wenn die
Folge ausserdem in der abgeschlossenen Menge A liegt, dann ist auch x ∈ A,
also x ∈ A ∩ K . Damit ist auch A ∩ K kompakt.
der kompakten Menge
(xnk )
K,
die gegen ein
hat, die gegen ein Element von
Denition 4.12
Eine Teilmenge
eine Zahl
gibt mit
R<∞
Satz 4.13
Im
Rd
B des
B ⊂ B(0, R).
ist eine Menge
K
Raums
Rd
heiÿt beschränkt, wenn es
kompakt genau dann, wenn sie beschränkt
und abgeschlossen ist.
2 Beim
Wenn
N
diesem Beweis wird das folgende abstrakte, aber einleuchtende Prinzip verwendet:
N = N) und Mn 6= ∅
ϕ(n) ∈ Mn für alle n ∈ N
irgendeine (Index-)Menge ist (bei uns
gibt es eine Abbildung
ϕ : N → ∪Mn
mit
für alle
(bei uns
n ∈ N, dann
ϕ(n) = xn ).
(Oder: das cartesische Produkt unendlich vieler nicht leerer Mengen ist nicht leer.) In der
axiomatischen Mengenlehre heiÿt dies das sogenannte
Auswahl-Axiom..
Man kann es nicht
aus den übrigen Axiomen ableiten. Das Problem besteht darin, dass Bestimmung der Funktion
ϕ i.a. nicht konstruktiv ist, dh. man kann kein Verfahren angeben, wie man genau die einzelnen
Objekte ϕ(n) asuwählt.
3 Diese Eigenschaft heiÿt
4 Für metrische Räume
auch folgenabgeschlossen
ist diese Eigenschaft äquivalent zur Heine-Borelschen Über-
deckungseigenschaft, die in der allgemeinen Topologie als eigentliche Denition der Kompaktheit benutzt wird. Die Eigenschaft in der obigen Denition heiÿt dann Folgenkompaktheit.
folgenabgeschlossen
Kompaktheit
beschr"ankt
68
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. 1. Eine unbeschränkte Menge im Rd
schränktheit eine Folge
(an )
enthält nach Denition der Be-
kan k −→ ∞.
mit
Eine solche Folge hat keine
n→∞
konvergente Teilfolge. Also kann eine kompakte Menge nicht unbeschränkt sein.
d
Mit dem vorigen Satz ergibt sich: Im R ist eine kompakte Teilmenge beschränkt
und abgeschlossen.
2. Wir zeigen zunächst durch vollständige Induktion über
Rd
te Folge im
d, dass jede beschränkd=1
eine konvergente Teilfolge hat. Induktionsanfang: Im Fall
ist dies gerade die Aussage des Satzes von Bolzano-Weierstraÿ (Satz 3.12). Induktionsvoraussetzung: Jede beschränkte Folge in
Teilfolge. Sei jetzt
(an )n = ((a1n , . . . , adn ))n
Rd−1
habe eine konvergente
eine beschränkte Folge in
Rd .
In-
dem wir jeweils die letzte Komponente der Folgenglieder weglassen, erhalten wir
(a0n )n = ((a1n , . . . , a(d−1)n ))n
0
eine konvergente Teilfolge (an )k
k
Rd−1 ,
die Folge
im
zung
hat. Die eindimensionale Folge
die nach Induktionsvorausset-
hat nach Bolzano-Weierstraÿ eine konvergente Unterteilfolge
(adnk )k
(adnkl )l . Dann
(ankl ) unserer ursprünglichen Folge in jeder Kompod − 1 Komponenten, weil diese Teilfolgen der entsprechen0
den Komponenten von (an )k sind und in der letzten Komponente nach Wahl
k
von (adnk )l . Also ist (ank ) nach Satz 4.8 die gesuchte Teilfolge.
l
l
Sei nun K beschränkt und abgeschlossen. Sei (an )n eine Folge in K . Weil K
konvergiert die Teilfolge
nente: In den ersten
beschränkt ist, ist insbesondere diese Folge beschränkt. Es gibt also eine kon-
a ∈ Rd konvergiert.
K . Daher ist K kompakt.
vergente Teilfolge, die gegen einen Punkt
nach Satz 4.11 b) ein Element von
Dieser Punkt ist
[a, b] ist kompakt. Die abgeschlossene Einheitskugel K d = {a ∈ Rd :
kak ≤ 1} und auch ihr Rand, die Einheitssphäre S d−1 = {a ∈ Rd : kak = 1},
d
sind kompakt. Die Menge {a ∈ R : kak ≥ 1} ist zwar abgeschlossen, aber nicht
d
kompakt, weil nicht beschränkt. Ihr Komplement B(0, 1) = {a ∈ R : kak <
1}, ist zwar beschränkt, aber nicht kompakt, weil nicht abgeschlossen. Eine
kompakte Menge K ⊂ R hat nicht nur als beschränkte Menge ein Supremum
Ein Intervall
und ein Inmum, sondern sie enthält diese beiden Zahlen als Elemente, weil sie
abgeschlossen ist.
4.4
Stetige Funktionen in metrischen Räumen
Satz 4.14
(X, d1 ) und (Y, d2 ) zwei metrische Räume. Sei f : X → Y eine
a ∈ X . Dann sind die folgenden beiden Bedingungen äquivalent.
Seien
Funktion und
a) Für jede Folge
ε > 0 existiert
d2 (f (x), f (a)) < ε.
b) Für jedes
gilt
(xn )n≥1
in
X
ein
mit
δ>0
lim xn = a
gilt
lim f (xn ) = f (a).
so dass für jeden Punkt
x
mit
d1 (x, a) < δ
Beweis. Vorbemerkung zur Struktur solcher Äquivalenz-Beweise. Sei Aussage
a) von der Form: Aus C folgt D, und Aussage b) von der Form: Aus E folgt
F. Um
a) ⇒ b)
zu zeigen, gehen wir von der Voraussetzung E in b) aus, nden
dann eine Situation, in der C gilt, schliessen dann mit Hilfe von der Aussage
a), die ja vorausgesetzt ist, auf D. Damit müssen wir schlieÿlich auf F kommen.
Analog geht dann der Beweis von
b) ⇒ a)
von C über E und F zu D.
a) ⇒ b). Sei ε > 0 gegeben. Wir betrachten die Menge E = {x ∈ X :
d2 (f (x), f (a)) < ε}. Es ist a ∈ E . Nach Voraussetzung a) kann keine Folge,
69
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
die gegen
a
konvergiert, in
E c = {x ∈ X : d2 (f (x), f (a)) ≥ ε} liegen. Also gibt
B(a, δ), die ganz in E enthalten ist. Das ist aber
es nach Lemma 4.10 eine Kugel
stetig
Stetigkeitsstelle
die in b) gewünschte Aussage.
⇒ a). Sei limn→∞ xn = a. Zu zeigen f (xn ) → f (a). Sei hierzu ε > 0 gegeben.
δ > 0 gemäÿ b). Wähle n0 so dass d1 (xn , a) < δ für alle n ≥ n0 . Dann
gilt d2 (f (xn ), f (a)) < ε für n ≥ n0 .
b)
Wähle
Bemerkung 4.15
zu
a
1. Eigenschaft b) kann man anschaulich so formulieren: Alle
f (a) benachbarte Funktionswerte.
< ε auch ≤ ε zu schreiben: dies
ε > 0 eingesetzt werden können.
benachbarten Stellen haben zu
2. Manchmal ist es praktisch, in b) statt
die Aussage nicht, weil beliebige
Denition 4.13
f
a) Wenn
Punkt
a
f
f :X→Y
eine Funktion.
die Eigenschaften im Satz hat, heiÿt
heiÿt dann
b) Wenn
c) Sei
Sei
Stetigkeitsstelle von f .
an allen Stellen
D ⊂ X . Dann heiÿt f
ändert
a∈X
f
stetig an der Stelle a . Der
stetig ist, dann heiÿt
stetig auf
f
stetig.
D, wenn die Einschränkung f|D : D → Y
stetig ist.
In Teil c) wird also etwa die Folgenbedingung a) im Satz 4.14 nur an Hand von
Folgen in
D
überprüft. Oft ist
f: X → Y
auf
D
stetig, ohne dass alle
x∈D
Stetigkeitspunkte sind.
Beispiele 1. Sei f : R → R gegeben durch f = 1[ a, b]. Die Funktion f
stetig, denn sie ist unstetig an den beiden Stellen
kung
f|[a,b]
a
und
b.
ist nicht
Aber die Einschrän-
1 an, ist also stetig. Daher ist f im Sinn von
[a, b].
d
d
d
d
+ : R × R → R (Vektoraddition), · : R × R → R
Skalaren), / : R × (R \ {0}) → R (Division) sind alle
nimmt nur den Wert
Teil c) der Denition stetig auf
2. Die Abbildungen
(Multiplikation mit
stetig, wie man an Hand der Bedingung a) in Satz 4.14 und der Ergebnisse von
Abschnitt 3.1 überprüfen kann.
f und y = f (a) eine von g , so ist a auch Stetig ◦f . Insbesondere ist die Verknüpfung zweier stetiger Funktionen
x2
f und g stetig, z.B. ist die durch f (x) = e− 2 auf R denierte Funktion stetig.
d
4. Eine Funktion f mit Werten im R ist gegeben durch ihre KomponentenFunktion f1 , . . . , fd die durch f (x) = (f1 (x), . . . , fd (x)) gegeben sind. Wieder
mit dem Folgenkriterium und Satz 4.8 ergibt sich: f ist genau dann stetig, wenn
die fi stetig sind.
3. Ist
a
eine Stetigkeitstelle von
keitsstelle von
Denition 4.14
Sei X eine Menge und f, g zwei
X . Dann deniert man die Funktionen f + g, αf
g(x) 6= für alle x ∈ D), |f |, |g| punktweise:
reellwertige Funktionen auf
f
(für α ∈ R), f · g, g (falls
(f + g)(x) := f (x) + g(x), . . . .
Satz 4.16 Ist X ein metrischer Raum und sind die reellwertigen Funktionen
f, g stetig an der Stelle a, so auch sind es auch die Funktionen f +g, αf, f g, fg , |f |, |g|.
70
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis.
Man betrachtet zunächst die nach 4. stetige Funktion
(f (x), g(x))
mit Werten in
R2
(f, g) : x 7→
und verknüpft diese Funktion dann mit den nach
2. stetigen Funktionen +, ·, /, z.B. ist
f +g =
+
◦(f, g);
analog für
die übrigen Funktionen. Diese Verknüpfungen sind dann nach 3. stetig an der
Stelle
a.
(Zur Übung beweise der Leser diese Aussagen auch direkt mit dem
Folgenkriterium.)
Satz 4.17
Seien
X
und
Y
metrische Räume. Für eine Funktion
f: X → Y
sind äquivalent:
a)
f
ist stetig.
b) Das Urbild jeder oenen Menge in
Y
ist oen in
c) das Urbild jeder abgeschlossenen Mengen in
Y
X.
ist abgeschlossen in
X.
Beweis. 1. a)⇒c). Sei A ⊂ Y
abgeschlossen. Sei (xn )n eine gegen ein x ∈ X
f −1 (A). Sei yn = f (xn ). Dann konvergiert wegen der
Stetigkeit die Folge (yn ) gegen y = f (x). Weil A abgeschlossen ist, ist y ∈ A.
−1
Also ist x ∈ f
(A). Daher ist f −1 (A) abgeschlossen.
2. b)⇒a). Sei a ∈ X . Um zu zeigen, dass f stetig an der Stelle a ist, sei y = f (a)
−1
und ε > 0 gegeben. Weil B(y, ε) oen ist, ist f
(B(y, ε)) oen. Weil a in
−1
diesem Urbild liegt, gibt es ein δ > 0 mit B(a, δ) ⊂ f
(B(y, ε)). Also folgt aus
d1 (a, x) < δ , dass d2 (f (x), y) < ε. Damit ist f stetig.
3. c)⇒b). Die beiden Bedingungen b) und c) sind äquivalent, weil abgeschlosse-
konvergente Folge in
ne Mengen gerade die Komplemente oener Mengen sind und das Komplement
in
X
des Urbilds einer beliebigen Teilmenge von
plements dieser Menge in
Y
Y
gleich dem Urbild des Kom-
ist.
Beispiel Die Menge A = {(x, y) ∈ R2 : x2 ≥ ey } ist abgeschlossen.
Ausserordentlich nützlich sind nun die besonderen Eigenschaften stetiger Funktionen auf kompakten Mengen.
Satz 4.18
Seien
X
und
Y
metrische Räume und
die auf der kompakten Menge
K
f : X → Y
eine Funktion,
stetig ist. Dann ist die Bildmenge
f (K)
auch
kompakt.
Beweis. Sei (yn ) irgendeine Folge in der Menge f (K). Wähle xn ∈ K
so dass
yn = f (xn ). (Diese Punkte sind nicht notwendig eindeutig bestimmt.) Die Folge
(xn ) ist in K enthalten, hat also eine gegen ein x ∈ K konvergente Teilfolge
(xnk ). Wegen der Stetigkeit konvergiert die Bild-Teilfolge (ynk )k = (f (xnk ))k
gegen den Punkt y = f (x) ∈ f (K). Damit hat die beliebig vorgegebene Folge
(yn ) in f (K) eine gegen ein Element von f (K) konvergente Teilfolge, also ist
diese Menge kompakt.
Folgerung 4.19
f ([a, b])
f : [a, b] → R stetig. Dann ist f beschränkt, d.h. die Bildmenge
f seinen gröÿten und seinen kleinsten
ist beschränkt. Auÿerdem nimmt
Wert an.
Wichtig ist die Abgeschlossenheit des Intervalls:
Maximum nicht an.
f (x) = x
nimmt auf
[0, 1)
sein
71
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 4.20
Seien
X
und
Y
metrische Räume und
f :X→Y
eine Funktion, die
auf der kompakten Menge K stetig und injektiv ist. Dann ist die Umkehrfunktion
f −1 : f (K) → K auch stetig.
Beweis.
Sei
A
Menge
f (A)
Dann ist
f
A
A nach Satz
f −1 , nämlich die
Dann ist
unter der Abbildung
nach dem vorigen Satz kompakt, also abgeschlossen. Damit erfüllt
die Funktion
Satz 4.21
K.
eine abgeschlossene Teilmenge von
4.12 kompakt. Also ist das Urbild von
f −1 : f (K) → K
Sei
I⊂R
das Kriterium c) von Satz 4.17, dh. sie ist stetig.
ein Intervall und
−1
injektiv, und
f
: f (I) → I
f : I −→ R
stetig und streng monoton.
ist ebenfalls stetig und streng monoton.
Beweis. Nur die Stetigkeit von f −1 auf f (I) ist zu zeigen. Falls I kompakt ist,
können wir den vorigen Satz direkt anwenden. Den allgemeinen Fall kann man
auf den Fall eines kompakten Intervalls durch geeignete Fallunterscheidungen
5
zurückführen. Die Details sind eine Übungsaufgabe.
Beispiele. 1. Die Logarithmus-Funktion ln : (0, ∞) → R ist stetig.
I ein Intervall ( oder kompakt)
f : I → [0, 2] deniert durch
x
für 0 ≤ x ≤ 1
f (x) =
.
x − 1 für 2 < x ≤ 3
2. Wichtig in Satz 4.21 ist, dass
I = [0, 1] ∪ (2, 3]
Dann ist
f
und
ist. Sei etwa
stetig und bijektiv, aber die Umkehrfunktion macht einen Sprung an
y = 1. Wenn man die Kompaktheit von I erzwingt, indem man den
Punkt x = 2 dem Denitionsbereich hinzufügt, dann muss f (2) = 1 wegen der
Stetigkeit sein und die Funktion f ist nicht mehr injektiv.
der Stelle
Denition 4.15
f :X →Y
heiÿt
Seien
(X, d1 )
und
(Y, d2 )
metrische Räume. Eine Abbildung
gleichmäÿig stetig, falls es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt,
so dass
d2 (f (x), f (x0 )) < ε
für
alle x, x0 ∈ X
mit
d1 (x, x) < δ
(4.11)
gilt.
Oenbar ist eine gleichmäÿig stetige Funktion stetig. Der Unterschied zwischen
den beiden Begrien ist, dass bei gegebenem
ε
die Zahl
denition bei einer gleichmäÿig stetigen Funktion
f
δ
in der Stetigkeits-
für alle Stellen
a
gewählt werden kann, während sie bei einer nur stetigen Funktion
simultan
f
von
a
abhängen darf.
Beispiel. Die Funktion f : (0, 1) → R,
x 7→ x1 ist stetig, aber nicht gleichmässig
1
1
1
1
1
0
0
stetig: Setze x =
n , x = 2n . Dann ist |x−x | = 2n , aber | x − x0 | = |n−2n| = n,
dh. z.B. für ε = 1 gibt es kein δ > 0, für das die Beziehung (4.11) gilt.
5 Man
f streng wachsend.
I . Sei ε > 0. Für
hinreichend kleines ε ist
Dann ist f ([x − ε, x + ε]) = [f (x − ε), f (x + ε)]
ein Intervall, das y als inneren Punkt enthält, dh. es gibt ein δ > 0 so dass (y − δ, y + δ) ⊂
f ([x − ε, x + ε]) und damit f −1 ((y − δ, y + δ)) ⊂ [x − ε, x + ε] ist. Dies ist gerade die gewünschte
Stetigkeit von f −1 an der Stelle y . 2. Fall: Wenn x linker (bzw. rechter) Randpunkt von I
ist, ist y auch linker (bzw. rechter) Randpunkt von f (I) und man ersetzt in diesem Argument
x − ε (bzw. x + ε) durch x. Der Fall einer streng fallenden Funktion ergibt sich analog.
Sei
kann den Satz auch ohne Satz 4.20 direkt beweisen: Sei zunächst
y ∈ f (I)
x = f −1 (y). 1.
[x − ε, x + ε] ⊂ I .
gegeben und
Fall
x
ist innerer Punkt von
gleichm\"a\ssig stetig
72
dicht
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 4.22
Sei
f : K −→ Y
stetig, wobei
K
kompakt ist. Dann ist
f
gleichmässig
stetig.
Beweis. Annahme: f sei stetig, aber nicht gleichmässig stetig. Dann ex. ein
ε > 0, so dass für alle δ > 0 zwei Punkte x, x0 ∈ K existieren mit d1 (x, x0 ) < δ
0
aber d2 (f (x), f (x )) ≥ ε.
1
0
0
0
Für n ∈ N gibt es also xn , xn ∈ K mit d1 (xn , xn ) <
n aber d2 (f (xn ), f (xn )) ≥
ε. Weil K kompakt ist, gibt es eine eine konvergente Teilfolge (xnk )k∈N . Sei
x = lim xnk . Wegen limn→∞ d1 (xnk , x0nk ) = 0 folgt auch limn→∞ x0nk = x und,
da f stetig ist, sogar
lim f (xnk ) = f (x) = lim f (x0nk ).
n→∞
Also ist
n→∞
limn→∞ d2 (f (xnk ), f (x0nk )) = 0
im Widerspruch zu
d2 (f (xn ), f (x0n )) ≥
ε.
Denition 4.16
X,
Eine Teilmenge
wenn für jedes Element
existiert, die gegen
x
x
D eines metrischen Raums X heiÿt dicht in
X eine Folge (xn )n von Elementen von D
von
konvergiert.
Beispiele 1. Für alle a, b ∈ R mit a < b ist (a, b) dicht in [a, b].
2. Die Menge
in
R
Sei
d
Qd
aller Elemente von
Rd
mit rationalen Komponenten ist dicht
.
D ⊂ X
dicht und
f: D → R
X
zu einer stetigen Funktion auf
stetig. Wir betrachten nun die Frage, ob
f
fortgesetzt werden kann. Wenn eine solche
Fortsetzung existiert, dann ist sie natürlich wegen der Stetigkeits-Bedingung
f (x) = f (limn→∞ xn ) = limn→∞ f (xn )
eindeutig bestimmt.
Beispiele 1. Die oben betrachtete Funktion f
sichtlich nicht an der Stelle
stetig auf
[0, 1]
0
1
x kann oenso ergänzt werden, dass die fortgesetzte Funktion
: (0, 1] → R, x 7→
wird. Sie werden sagen, das scheitert an der Unbeschränktheit.
Das allein macht aber die Schwierigkeit nicht aus:
2. Im Vorgri auf das Ende dieses Kapitels verwenden wir die Cosinus-Funktion:
f : (0, 1] → R, x 7→ cos( x1 ) kan auch nicht stetig ergänzt werden,
jedem kleinen Intervall (0, δ) unendlich oft zwischen den Werten ±1
Die Funktion
weil sie in
hin und her springt. Sie werden sagen, die Funktion darf eben nicht zu steil
werden. Das ist aber auch nicht der Punkt.
√
f : (0, 1] → R, x 7→ x denierte Funktion durch die
f (0) = 0 stetig von (0, 1] auf [0, 1] fortsetzen werden, obwohl diese
3. Man kann die durch
Festsetzung
Funktion beliebig steil wird.
Für die Fortsetzungsfrage ist die Erweiterung der am Ende von Abschnitt 3.2
für
R
denierten Begrie Cauchy-Folge und Vollständigkeit auf allgemeine
metrische Räume nützlich.
Denition 4.17 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (xn ) aus X heiÿt
Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N existiert so, dass aus m, n ≥ N folgt
d(xm , xn ) < ε. Ein metrischer Raum heiÿt vollständig, falls jede Cauchy-Folge
konvergiert.
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Bemerkung 4.23
73
Jede konvergente Folge in einem metrischen Raum ist eine
Rd ist genau dann eine Cauchy-Folge wenn alle
Cauchy-Folge. Eine Folge im
Komponenten dieser Folge eindimensionale Cauchy-Folgen bilden. Daraus folgt:
d
Der Raum R ist vollständig.
Satz 4.24
D dicht im metrischen Raum (X, d1 ) und f : D → Y gleichmäÿig
(Y, d2 ) ein vollständiger metrischer Raum ist. Dann gibt es genau
6
Fortsetzung von f zu einer stetigen Funktion f : X → Y .
Sei
stetig, wobei
eine
Beweis. Sei x ein Punkt in X . Wähle irgendeine Folge (xn ) in D die gegen x
x ∈ D ist können wir einfach xn = x wählen.) Wir wollen
(f (xn )n ) einen Grenzwert in Y besitzt. Sei hierzu ε > 0
gegeben. Wähle ein δ > 0 gemäÿ der Denition der gleichmäÿigen Stetigkeit.
Weil (xn ) als konvergente Folge eine Cauchy-Folge ist, gibt es ein N ∈ N, so
dass d1 (xm , xn ) < δ ist für alle m, n ≥ N . Für diese Indizes ist dann auch
d2 (f (xm ), f (xn )) < ε. Damit ist (f (xn )n ) eine Cauchy-Folge in Y und wegen
der Vollständigkeit von Y existiert y = limn→∞ f (xn ) ∈ Y .
0
Sei jetzt (xn ) eine weitere Folge in D , die gegen den gleichen Punkt x konvergiert.
0
Dann gilt limn→∞ d1 (xn , xn ) = 0, also wieder wegen der gleichmäÿigen Stetig0
0
keit von f auch limn→∞ d2 (f (xn ), f (xn )) = 0, dh. es ist auch y = limn→∞ f (xn ).
Damit ist der Punkt y unabhängig von der speziellen Wahl der Folge (xn ) in D
die gegen x konvergiert, dh. der Wert y hängt nur von x ab. Wir können also
f (x) := y setzen. Wenn x ∈ D ist, so ist f (x) = f (x), also ist f tatsächlich eine
konvergiert. (Wenn
zeigen, dass die Bildfolge
Fortsetzung.
f ist sogar gleichmäÿig stetig: Sei ε > 0 gegeben und seien x, x0
0
0
zwei Punkte in X mit d1 (x, x ) < δ . Seien y, y die zugehörigen Bildpunkte unter
0
f . Wähle zwei Folgen (xn ) bzw. (xn ) in D, die gegen x bzw. x0 konvergieren.
0
0
Dann gilt d1 (xn , xn ) < δ und damit d2 (f (xn ), f (xn )) < ε für schlieÿlich alle n.
0
0
Es folgt d2 (y, y ) = limn→∞ d2 (f (xn ), f (xn )) ≤ ε. Dies beweist die Behauptung.
Die Funktion
4.5
Die komplexen Zahlen
Im Zusammenhang mit der Lösung von Gleichungen dritten Grades im 16. Jahrhundert hantierte man zuerst mit einer Erweiterung des Bereichs der reellen
Zahlen, weil man formal die Wurzel aus negativen Zahlen ziehen wollte, obwohl
das im Bereich der reellen Zahlen unmöglich ist. Man konnte mit solchen Zahlen rechnen, aber keine geometrische Deutung geben wie den reellen Zahlen auf
der Zahlengeraden. René
Descartes (1596-1650) nannte sie deshalb verächtlich
Gauÿ (1777-1855) zeigte, wie man diese Zahlen
imaginär. Erst Carl Friedrich
zusammen mit den reellen Zahlen mit der Geometrie der Ebene in Verbindung
bringen konnte. Wir benutzen seine Deutung als Denition.
Denition 4.18
Auf der Menge
R2
denieren wir neben der in Denition 4.2
erklärten Addition auch eine Multiplikation durch
(x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 )
(4.12)
6 Wir werden diesen Satz in dieser Vorlesung nur für reellwertige Funktionen, dh. mit Y = R
verwenden. Die allgemeinere Version wird erst in der Funktionalanalysis benötigt.
stetige Fortsetzung
74
komplexe Zahlen
Realteil
Imagin\"arteil
komplex konjugiert
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Die Menge
R2
zusammen mit diesen beiden Operationen heiÿt die Menge der
komplexen Zahlen
und wird mit
schreibt man auch kurz
Bemerkung 4.25
i
C
bezeichnet. Für die komplexe Zahl
und nennt sie die
imaginäre Einheit.
(0, 1)
Weil
(x1 , 0) + (x2 , 0) = (x1 + x2 , 0)
und gemäÿ (4.12)
(x1 , 0) · (x2 , 0) = (x1 x2 , 0)
ist, kann man jede komplexe Zahl der Form
len Zahl
x
(x, 0)
mit der zugehörigen reel-
identizieren, so dass bei dieser Identikation die Addition und die
Multiplikation zwischen diesen speziellen komplexen Zahlen in die Addition und
Multiplikation der entsprechenden reellen Zahlen übergeht. Auf diese Weise wird
in
R
C
eingebettet.
Ausserdem folgt dann aus der obigen Denition für alle reellen Zahlen
y
i · y = (0, 1) · (y, 0) = (0, y).
Wenn man diese Identikation durchführt, hat eine allgemeine komplexe Zahl
z = (x, y)
daher die alternative Darstellung
z = x + iy .
Wir werden meistens
diese Schreibweise komplexer Zahlen verwenden.
Es gilt
i2 = −1.
Denition 4.19
heiÿen
Re z = x
z = x + iy mit x, y ∈ R gegeben. Dann
Im z = y der Imaginärteil von z .
y ∈ R heiÿt auch rein imginär.
Sei die komplexe Zahl
der
Realteil von z
Eine komplexe Zahl der Form
iy
mit
und
Denition 4.20 Sei z = (x, y) = x + iy. Dann heiÿt z = (x, −y) = x − iy
z (komplex) konjugierte komplexe Zahl.
die
zu
Anschaulich entsteht
z
aus
z
durch Spiegelung an der reellen Achse. Leicht zu
verizieren sind die folgenden Eigenschaften der Konjugation.
Satz 4.26
Die Abbildung
z→z
ist stetig. Für alle komplexen Zahlen
z, z1 , z2
gelten
z = z genau dann, wenn Im z = 0,
1
Re z = z+z
2 und Im z = 2i (z − z),
c) z = z ,
d) z1 + z2 = z1 + z2 ,
e) z1 · z2 = z1 · z2 ,
2
2
f ) z · z = (x + iy)(x − iy) = x + y .
a)
b)
Denition
p 4.21
√
z·z =
x2
+
Sei z = x + iy. Dann heiÿt die nichtnegative reelle Zahl
2
y der Betrag von z.
Bemerkung 4.27
Satz 4.28
z
Es ist
|z| = |z|
Für jede komplexe Zahl
und
|z| =
|z1 · z2 | = |z1 ||z2 |.
z 6= 0
1 · z = z und |z|1 2 z das Inverse
C der komplexen Zahlen bilden
ist
bezüglich der Multiplikation. Die Menge
der eingangs denierten Addition und Multiplikation einen Körper.
von
mit
75
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. Dass die Zahl 1(= (1, 0)) das neutrale Element der Multiplikation ist,
folgt direkt aus der Denition der Multiplikation. Ferner ist
z·
1
1
1
z = z · z 2 = |z|2 2 = 1.
2
|z|
|z|
|z|
Der Nachweis der übrigen Körper-Axiome ist dann einfaches Nachrechnen.
|z|
z , wenn man z als Punkt
z 7→ |z| eine Norm, wenn man
C als Vektorraum über R auasst. Wir können damit C auch als metrischen
Raum sehen mit dem Abstand d(z1 , z2 ) = |z1 − z2 |. Die Begrie Konvergenz
Oenbar ist
im
R2
gerade die Euklidische Norm von
auasst. Insbesondere ist die Funktion
von Folgen, Cauchy-Folgen und Reihen komplexer Zahlen kann man dann aber
nach Satz 4.8 wie im
Rd
auch komponentenweise erklären. Aus der Darstellung
der komplexen Multiplikation in (4.12) ergibt sich, dass auch wie bei reellen
Zahlen gilt
lim (cn dn ) = ( lim (cn )( lim dn )
n→∞
und wenn
limn→∞ (dn ) 6= 0
n→∞
und
dn 6= 0
n→∞
für schlieÿlich alle
n∈N
ist, dann ist
limn→∞ cn
cn
=
.
dn
limn→∞ dn
P∞
Eine absolut konvergente komplexe Reihe
n=1 an , dh. eine Reihe komplexer
P∞
Zahlen mit
|a
|
<
∞
,
konvergiert
aus
dem
gleichen Grund wie im reellen
n=1 n
lim
n→∞
Fall.
4.6
Die komplexe Exponentialfunktion
Wir erweitern die Denition der Exponentialfunktion in natürlicher Weise ins
komplexe.
Denition 4.22
Für
z∈C
bezeichnet
exp(z)
den Wert der Exponentialreihe
∞
X
zn
z2
z3
=1+z+
+
+ ....
n!
2
6
n=0
Die Funktion
z 7→ exp(z)
heiÿt
reellen schreibt man symbolisch
|z|n+1 /(n+1)!
|z|n /n!
(komplexe) Exponentialfunktion.
ez
statt
Wie im
exp(z).
|z|
−→ 0 konvergiert die Exponentialreihe nach dem
n+1 n→∞
reellen Quotientenkriterium Satz 3.20 absolut für jedes z ∈ C.
Wegen
=
Wie im reellen hat die komplexe Exponentialfunktion mit praktisch den gleichen
Beweisen die folgenden Eigenschaften. Beachte, dass die Injektivität fehlt. Wir
werden sehen, dass die komplexe Exponentialfunktion nur lokal injektiv ist.
Satz 4.29
a) (Euler-Approximation) Für jede komplexe Nullfolge
jedes
gilt
z∈C
lim (1 +
n→∞
z + δn n
) = exp(z).
n
(δn )n≥1
und
76
Sinus
Cosinus
Additionstheoreme
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
b) (Funktionalgleichung) Für alle
z1 , z 2 ∈ C
gilt
exp(z1 + z2 ) = exp(z1 ) exp(z2 ).
c) Die komplexe Exponentialfunktion
exp
ist stetig.
Aus der Funktionalgleichung erhält man insbesondere für jede komplexe Zahl
z = x + iy
die Beziehung
ez = ex+iy = ex eiy .
Da wir den Faktor
ex
schon kennen, ist das einzig wirklich neue das Verhalten
der Exponentialfunktion auf der imaginären Achse
Satz 4.30
b) Es ist
a) Für alle
|eiy | = 1
z∈C
für alle
gilt
iR.
ez = ez .
y ∈ R.
Beweis. a) Wegen Satz 4.26 d) und e) ist
∞
∞
N
X
X
X
zn
zn
zn
= lim
= lim
= exp(z).
N →∞
N →∞
n!
n!
n!
n=1
n=1
n=1
b) Es ist nach Teil a)
|eiy |2 = eiy eiy = eiy e−iy = e0 = 1.
Wir werden sehen, dass es sinnvoll ist, die Zahl
ϕ
in
eiϕ
als einen Winkel zu
interpretieren.
Denition 4.23
Cosinus
Für alle reellen Zahlen ϕ denieren wir den
eiϕ und den
sin ϕ als den Imaginärteil von
Sinus
als den Realteil von
cos ϕ
eiϕ .
Aus Teil b) der vorigen Satzes ergibt sich
Bemerkung 4.31
Es ist
cos2 ϕ + sin2 ϕ = 1
für alle
ϕ ∈ R und mit der komplexen
sin und cos stetig.
(4.13)
Exponentialfunktion sind auch die reellen
Funktionen
Satz 4.32
a) Es gilt die Eulersche Formel
eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ.
(4.14)
b) Es gelten die Beziehungen
eiϕ + e−iϕ
,
2
cos ϕ = cos(−ϕ)
cos ϕ =
eiϕ − e−iϕ
2i
sin ϕ = − sin(−ϕ)
sin ϕ =
(4.15)
(4.16)
und die Additionstheoreme für Cosinus und Sinus
cos(ϕ + ψ) = cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ
(4.17)
sin(ϕ + ψ) = sin ϕ cos ψ + cos ϕ sin ψ.
(4.18)
77
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
c) Man hat die Reihendarstellungen
cos ϕ
sin ϕ
=
=
∞
X
n=0
∞
X
(−1)n
ϕ2n
ϕ2
ϕ4
=1−
+
− ...,
(2n)!
2
24
(4.19)
(−1)n
ϕ2n+1
ϕ3
ϕ5
=ϕ−
+
− ... .
(2n + 1)!
6
5!
(4.20)
n=0
Beweis. a) ist eine direkte Folgerung aus den Denitionen.
b) Die Gleichungen in (4.15) folgen wegen
e−iϕ = eiϕ
direkt aus der Deni-
tion von Sinus und Cosinus und Teil b) von Satz 4.26. Die Symmetrie bzw
Antisymmetrie in (4.16) folgt aus (4.15). Wegen der Funktionalgleichung der
Exponentialfunktion ist
cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ) = ei(ϕ+ψ) = eiϕ eiψ = (cos ϕ + i sin ϕ)(cos ψ + i sin ψ),
woraus man durch ausmultiplizieren die Behauptung in (4.17) und (4.18) erhält.
c) Es ist
i2 = −1, i3 = −i, i4 = 1
und demzufolge
in+4k = in
für alle
k.
Daher
erhält man die Reihendarstellungen von Sinus und Cosinus einfach, indem man
in der Reihe
eiϕ
=
∞ n n
X
i ϕ
n!
n=0
=
1 + iϕ −
=
ϕ3
ϕ4
ϕ5
ϕ2
−i
+
+i
− ...
2
6
24
5!
ϕ2
ϕ4
ϕ3
ϕ5
(1 −
+
− . . .) + i(ϕ −
+
− . . .).
2
24
6
5!
die Glieder nach Real- und Imaginärteil sortiert.
Lemma 4.33
sin ϕ < ϕ
Beweis.
Für
[0, 1] ist sin
√
sin 0 = 0 < 1/ 2 < sin 1.
Auf dem Intervall
und es ist
0 ≤ ϕ ≤ 1
streng monoton wachsend mit
fallen die Beträge der Glieder der Sinus-Reihe 4.20
monoton gegen Null. Also erfüllt diese Reihe das Leibniz-Kriterium aus Satz
3.18, insbesondere hat jede Restsumme das gleiche Vorzeichen wie das erste
Glied der Restsumme. Damit gilt für diese
ϕ>ϕ−
ϕ
ϕ5
ϕ3
ϕ3
+
≥ sin ϕ ≥ ϕ −
> 0.
6
120
6
Als Spezialfall erhalten wir für
ϕ=1
1
5
1 > sin 1 ≥ 1 − = =
6
6
Im Intervall
[0, 1]
cos
r
25
>
36
dort den Wert
0
+
Setze
1
.
2
p
1 − cos2 ,
ψ = ϕ0 − ϕ.
Dann ist auch
(4.22)
cos 0 = 1 nach
cos ϕ > 0. Sei jetzt 0 ≤ ϕ <
0 < ψ < 1 und nach (4.17)
nicht annehmen. Daher ist wegen
dem Zwischenwertsatz in diesem Intervall auch
ϕ0 ≤ 1.
r
ist wegen (4.21)
sin =
also kann
(4.21)
cos ϕ0 = cos(ϕ + ψ) < cos ϕ.
78
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Also sind
cos
und damit
cos2
sin
streng fallend und damit
streng wachsend auf
[0, 1].
Denition 4.24
Wir denieren die reelle Zahl
π
4 die eindeutige Stelle im Intervall
Bemerkung 4.34
1. Es ist auch
[0, 1]
ist, an der
cos π4 =
(4.22). Durch Quadrieren ergibt sich
π
iπ
2
e
q
durch die Eigenschaft, dass
sin
1
2 , also
=i
den Wert
q
1
2 annimmt.
√
exp i π4 = (1 + i)/ 2
wegen
und dann mit der Funktionalglei-
chung hieraus die Wertetabelle
ϕ
exp(iϕ)
sin ϕ
cos ϕ
2. Man kann zeigen, dass
3, 14159265359
π
1
π
2
i
0
1
0
2π
-1
3
2π
-i
1
0
-1
0
0
-1
0
1
π
irrational ist und seine Dezimaldarstellung mit
und dementsprechend die von
3. Für die Kenntnis aller Werte von
auf dem Intervall
[0, π4 ]
1
sin
und
π
4 mit
0, 78539081633
cos genügt
cos dort
genau zu kennen. Weil
beginnt.
es, die Sinus-Funktion
positiv ist, kennt man
dann dort wegen (4.31) auch die Cosinus-Funktion. Im Intervall
[ π4 , π2 ]
erhält
man die Werte durch Spiegelung:
cos(
π
π
+ ϕ) = sin( − ϕ)
4
4
für alle
ϕ ∈ R.
(4.23)
.
In der Tat ist nach den Additionstheoremen
π
cos( + ϕ) =
4
r
1
cos ϕ −
2
r
1
sin ϕ =
2
r
1
π
(cos(−ϕ) + sin(−ϕ)) = sin( − ϕ).
2
4
Zusammen mit der Funktionalgleichung und der obigen Wertetabelle ergeben
sich ausserdem die folgenden Symmetrie-Eigenschaften:
a)
cos( π2 + ϕ) = − sin ϕ, sin( π2 + ϕ) = cos ϕ,
b)
cos(π + ϕ) = − cos ϕ = cos(π − ϕ), sin(π + ϕ) = − sin ϕ = − sin(π − ϕ).
c) Die Funktionen sin und cos sind 2π -periodisch,
cos ϕ, sin(ϕ + 2π) = sin ϕ für alle ϕ ∈ R.
4. Die Funktion
die Funktion
sin
cos
ist streng fallend auf
ist streng wachsend auf
dh. es ist
cos(ϕ + 2π) =
[0, π] und streng wachsend auf [π, 2π],
[− π2 , π2 ] und streng fallend auf [ π2 , 32 π].
cos streng fallend und sin streng wachsend auf [0, π4 ] sind.
π π
Mit Teil a) folgt, dass diese Aussage sich auf [ , ] fortsetzt. Mit der ersten
4 2
π
Gleichung in b) folgt daraus, dass cos sogar auch noch auf [ , π] und damit
2
zusammen auf [0, π] streng fallend ist, während sin auf dem neuen Intervall
[ π2 , π] auch streng fällt. Damit wächst cos wegen b) auf dem Intervall [π, 2π],
3
3
während sin auf [π, π] noch fällt und auf [ π, 2π] wieder wächst.
2
2
Wir wissen schon, dass
Folgerung 4.35
ϕ 7→ eiϕ bildet das Intervall [0, 2π[ bijektiv auf
iϕ
den Einheitskreis {z ∈ C : |z| = 1} ab. Insbesondere ist e
= 1 genau dann,
wenn ϕ = 2πk für ein k ∈ Z.
Die Abbildung
79
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Folgerung 4.36 Jede komplexe Zahl z 6= 0 hat eine eindeutige Darstellung in Polarkoordinaten
Bogenma\ss
Polar-Koordinaten: z = r · eiϕ wobei r > 0, ϕ ∈ [0, 2π[.
Die Multiplikation komplexer Zahlen erhält mit den Polarkoordinaten eine ein-
z1 = r1 eiϕ1
fache geometrische Interpretation: Sei
und
z2 = r2 eiϕ2 .
z1 · z2 = r1 eiϕ1 r2 eiϕ2 = (r1 r2 ) ei(ϕ1 +ϕ2 ) = (r1 r2 ) ei(
ϕ1 +ϕ2
Dann ist
mod 2π)
.
Die Abstände von 0 werden also multipliziert, die Winkel mit der positiven
reellen Halbachse werden (modulo
2π )
addiert.
Winkel werden je nach Zusammenhang in verschiedenen Einheiten gemessen:
Wir haben wie meist in der Mathematik das
ϕ
Bogen-Maÿ
7
verwendet: Die Zahl
werden wir später als die geometrische Länge des Kreisbogens von
identizieren. In der Geometrie wählt man meist
z.B. rechter Winkel = 90
◦
Altgrad
8
1
nach
eiϕ
(Einheit : Grad
). In der Technik (z.B. Straÿenschilder) wird oft
◦
,
Neu-
grad verwendet (Einheit : gon, rechter Winkel = 100%). Die trigonometrischen
Funktionen werden dann entsprechend umgerechnet, z.B.
sin agr α
cos agr α
sin ngr α
cos ngr α
2π
α)
360
2π
= cos(
α)
360
2π
α)
= sin(
400
2π
= sin(
α).
400
=
sin(
Andere trigonometrische Funktionen (Tangens etc.) werden später im Kapitel
über Dierenzierbarkeit eingeführt.
7 Auf
8 Auf
Taschenrechnern mit
Taschenrechnern mit
RAD angedeutet
DEG angedeutet
Altgrad
Neugrad
80
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Restklassenk\"orper
Kapitel 5
Vektorräume und Lineare
Abbildungen
In diesem Kapitel ist
K
V
ein Körper und
ein Vektorraum über
Vektorraum (vgl. Denition 4.3). Wir kennen bisher drei Körper:
K, kurz KQ, R und C.
Die reellen und die komplexen Zahlen werden auch im weiteren Verlauf dieser
Einführungs-Vorlesung die wichtigsten Beispiele bleiben.
p
Es gibt aber noch viele andere Körper: Für jede Primzahl
Menge
Z/Zp
aller Restklassen
mod p
in
Z
bildet etwa die
mit der natürlichen Addition und
mod p einen Körper, den Restklassenkörper mod p. Er wird
GF (p) bezeichnet. Er hat p Elemente. Speziell hat GF (2) nur die
Elemente 0 und 1; die in jedem Körper gültigen Regeln 0 + a = a, 1 · a = a und
0 · a = 0 werden hier ergänzt durch 1 + 1 = 0 weil eben 1 + 1 ≡ 0 mod 2 ist.1
Multiplikation
auch mit
Weitere Beispiele lernt man in der Algebra kennen.
Analog zu
Rd
ist natürlich für jeden Körper
Elementen von
ein Vektorraum über
K
K.
K
die Menge
Ferner ist
C
Kd
aller
d-Tupel
von
ein Vektorraum über
R,
die Vektorraum-Operationen stimmen gemäÿ den Denitionen in Abschnitt 4.5
mit denen von
über
Q
R2
überein. Wir können aber auch
R
und
C
auch Vektorräume
2
auassen.
Für jeden metrischen Raum ist die Menge
C(X) der stetigen reellwertigen Funk-
tionen unter den punktweise denierten Addition als Vektoraddition und Multiplikation mit reellen Konstanten (Sklararen) ein Vektorraum über
5.1
R.
Lineare Teilräume und Linearkombinationen
Denition 5.1
Teilraum von
a) Eine nichtleere Teilmenge
0
falls u + u ∈ U für alle
V,
U eines Vektorraumes V heiÿt
u, u0 ∈ U und λu ∈ U für alle
λ ∈ K, u ∈ U.
1 Falls p keine
2 Allgemeiner:
Primzahl ist, ist
Z/Zp kein Körper.
L ein Körper und ist K ⊂ L mit den von L induzierten Rechenoperationen
ebenfalls ein Körper, so ist L ein Vektorraum über K, wobei die Multiplikation mit Skalaren
· : K × L → L einfach durch die Einschränkung der Multiplikation ·L : L × L → L gegeben
ist: Für α ∈ K, x ∈ L ist α · x = α ·L x.
Ist
81
82
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
E ⊂ V beliebig. Dann heiÿt der kleinste Teilraum von V , der E enthält,
E erzeugte oder aufgespannte Teilraum oder auch die lineare Hülle
von E . Er wird mit hEi bezeichnet. Eine Teilmenge E ⊂ V ist ein Erzeugendensystem von V , wenn hEi = V . Für endliche E schreiben wir auch einfach
hx1 , . . . , xn i statt h{x1 , . . . , xn }i.
b) Sei
der von
hEi auch charakterisieren als den eindeutig bestimmE enthält und zweitens in jedem anderen Teil-
Nach Denition kann man
V,
ten Teilraum von
raum, welcher
E
der erstens
enthält, enthalten ist.
{0} ist der kleinste Teilraum überhaupt, und damit ist {0} = h∅i. Ein
U ist gleich hU i. Eine Gerade durch den Nullpunkt, dh.
eine Menge der Form Kx = {λx : λ ∈ K} mit x 6= 0 ist ein Teilraum und zwar ist
Kx = h{x}i. Für jedes i ∈ {1, . . . , d} ist die Menge {(α1 , . . . , ad ) ∈ Kd : ai = 0}
d
ein Teilraum von K .
Beispiele:
linearer Unterraum
Bemerkung 5.1
Wenn
U
ein Teilraum ist, dann ist
U
selber ein
K-Vektorraum.
Der Durchschnitt von (beliebig vielen) Teilräumen ist wieder ein Teilraum.
Denition 5.2
Seien
x1 , . . . , xn ∈ V.
y=
n
X
Dann heiÿt ein Vektor der Form
λi xi : λi ∈ K
i=1
LinearkombinationPder x1 , . . . , xn . Wir vereinbaren ausserdem, dass eine
eine
0
i=1
leere Linearkombination
λi xi
der Nullvektor ist.
n = 1. Dann ist die Menge aller Linearkombinationen von x1 gerade die
Kx1 , also für x1 6= 0 die Gerade durch x1 und 0 und für x1 = 0 der
Nullraum {0}.
Sei z.B.
Menge
Satz 5.2
Sei
E
eine Teilmenge des Vektorraums
gespannte Teilraum
menten von
hEi
V.
Dann ist der von
E
auf-
gleich der Menge aller Linearkombinationen von Ele-
E.
Beweis. Sei L die Menge aller Linearkombinationen von Elementen von E . Wir
müssen
hEi = L
beweisen.
1. Weil die Summe von zwei Linearkombination von Elementen von
eine Linearkombination von Elementen von
E
einer Linearkombination eine Linearkombination ist, ist
V , der
hEi ⊂ L.
von
auÿerdem
2. Umgekehrt gilt
von
V
5.2
E
E
wieder
ist, und jedes skalare Vielfache
L ein linearer Teilraum
enthält, also ist nach der obigen Charakterisierung
x ∈ hEi
für alle
x∈E
und damit enthält
auch alle Linearkombinationen von Elementen von
E,
hEi
als Teilraum
also ist
L ⊂ hEi.
Lineare Unabhängigkeit und Basen
5.2.1 Lineare Unabhängigkeit
Denition 5.3
ein
x∈E
a) Eine Teilmenge
gibt mit
x ∈ hE \ {x}i.
E
von
V
Sonst heiÿt
linear abhängig, wenn es
linear unabhängig.
heiÿt
E
83
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
n ∈ N und seien x1 , . . . , xn Vektoren in V , so nennen wir sie (genauer
n-Tupel (x1 , . . . , xn )) linear unabhängig, wenn die Menge {x1 , . . . , xn }
linear unabhängig ist und wenn x1 , . . . , xn paarweise verschieden sind, dh. wenn
xi 6= xj für alle Indexpaare i, j mit i 6= j . Sonst nennen wir x1 , . . . , xn linear
b) Sei
das
abhängig.
Seien
x, y
zwei Punkte
6= 0
in
Dann ist das geordnete Paar
V , die nicht skalare Vielfache voneinander sind.
x, y linear unabhängig. Denn die beiden Punkte
sind verschieden und keiner der beiden ist eine Linearkombination des anderen.
Sei dagegen
x = y 6= 0.
Dann ist
E = {x, y} = {x}
und damit ist diese Menge
linear unabhängig im Sinn von Teil a), aber das Paar
Sinn von Teil b). Der Nullraum
{0}
x, y
ist linear abhängig im
ist linear abhängig im Sinn von Teil a) der
0-Vektor, als 1-Tupel
Denition, weil ihn die leere Menge erzeugt. Daher ist der
betrachtet, ebenfalls linear abhängig im Sinn von Teil b) der Denition.
Satz 5.3
Seien
x1 , . . . , xn
Vektoren in
V.
a) Sie sind linear abhängig genau dann, wenn es ein einen Index
xi
eine Linearkombination der übrigen
xj
i
gibt, so dass
ist.
b) Die folgenden drei Bedingungen sind äquivalent:
α)
β)
Die Vektoren x1 , . . . , xn sind linear unabhängig.
Aus einer Gleichung der Form
n
X
λi xi = 0
(5.1)
i=1
λi = 0 für alle i.
γ) P
Für jedes y ∈ hx1 , . . . , xn i sind
n
y = i=1 λi xi eindeutig bestimmt.
folgt, dass
Beweis. a) Seien zunächst alle xi
die Koezienten
λi
in der Darstellung
verschieden. Dann folgt die Behauptung di-
rekt aus den Denitionen und dem vorigen Satz. Falls die Vektoren nicht alle
verschieden sind, dann sind beide Bedingungen in a) erfüllt.
b)
α ⇒ β). Es gelte α). Wäre β) falsch, so gäbe es Koezienten λi mit (5.1)
λi 6= 0 für mindestens ein i. Das zugehörige xi ist dann LK der übrigen xj :
und
xi =
n
X
−λj
j=1
λi
xj
j6=i
im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit und Teil a).
β) ⇒ γ).
Sei
γ) ⇒ α).
Wenn
y=
Pn
i=1
und daher wegen β) λi
α)
Pn
Pn
µi xi und y = i=1 λi xi . Dann ist i=1 (µi − λi )xi = 0
= µi für alle i. Dies beweist die Eindeutigkeit.
falsch ist, dann ist nach Teil a) ein
xi =
n
X
xi
LK der übrigen
xj :
µj xj .
j=1
j6=i
Dies sind aber zwei verschiedene Darstellungen des gleichen Vektors im Widerspruch zu
γ).
84
Basis
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 5.4
x1 , . . . , xk linear unabhängig,
linear unabhängig.
Seien
x1 , . . . , xk , y
y∈
/ hx1 , . . . , xk i.
Dann sind auch
Beweis. Seien die Koezienten λ1 , . . . , λk und λ so gegeben, dass
λy = 0.
Dann muss
λ=0
Pk
i=1
λi xi +
sein, denn sonst wäre
y=
k
X
−λi
i=1
λ
xi ∈ hx1 , . . . , xk i
im Widerspruch zur Voraussetzung über
y.
Damit ist aber
Pk
i=1
λi xi = 0 und
λi = 0 für
nach dem Kriterium für lineare Unabhängigkeit im vorigen Satz auch
alle
i.
Daher erfüllen auch
x1 , . . . , xn , y
dies Kriterium.
5.2.2 Basen
Denition 5.4
Die Vektoren x1 , . . . , xn nennt man eine
dann, wenn sie linear unabhängig sind und auÿerdem V =
Der Nullraum hat keine Basis, denn das
1-Tupel 0
Basis
von V genau
hx1 , . . . , xn i ist.3
ist linear abhängig, wie
schon im Anschluss an Denition 5.3 bemerkt. Bei der Frage, ob die
x1 , . . . , xn
eine Basis bilden, spielt oenbar die Reihenfolge dieser Vektoren keine Rolle.
Trotzdem gehört zur Angabe einer Basis auch die Angabe ihrer Reihenfolge.
Dies wird insbesondere beim Umgang mit Matrizen wichtig.
Bemerkung 5.5
eine Basis von
V
Aus Satz 5.2 und Satz 5.3 folgt: Genau dann, wenn
y∈V
ist, gibt es für jedes
y=
n
X
x1 , . . . , xn
genau eine Darstellung
λi xi
(5.2)
i=1
als Linearkombination der
V
nach
Kn
x1 , . . . , xn .
Die Abbildung
Denition 5.5
von
y
Die λ1 , . . . , λn in (5.2) heiÿen die
bezüglich der Basis x1 , . . . , xn .
Satz 5.6
von
(linearen) Koordinaten
Jedes endliche Erzeugendensystem eines Vektorraums
hält eine Basis von
Beweis.
A : y 7→ (λ1 , . . . , yn )
ist dann also eine Bijektion.
Sei
V 6= {0}
ent-
V.
E = {y1 , . . . , ym }
V . Wir
E 0 ⊂ E . Dann liegen
0
vorigen Satz die Menge E
ein endliches Erzeugendensystem von
wählen eine möglichst grosse linear unabhängige Teilmenge
alle
yj
in
hE 0 i,
denn sonst könnte man nach dem
noch vergröÿern, ohne die lineare Unabhängigkeit zu zerstören. Damit ist auch
hE 0 i = hEi = V , also bilden die (paarweise verschiedenen) Elemente yi1 , . . . , yik
0
von E eine Basis von V .
Zur Vorbereitung des nächsten Satzes beweisen wir zunächst ein Lemma.
3 Man
kann diesen Begri auch auf unendliche Indexmengen erweitern: Wir werden das
I irgendeine (unendliche) Indexmenge. Für jedes i ∈ I sei xi ein
xi paarweise verschieden sind und die Menge {xi : i ∈ I} linear
unabhängig und ein Erzeugendensystem von V ist, so heiÿt die Familie (xi : i ∈ I) eine
(algebraische oder Hamel-) Basis von V . Dabei ist eine Familie mit Indexmenge I , oft
bezeichnet durch (xi : i ∈ I), einfach eine Funktion mit Denitionsbereich I . Zum Beispiel ist
eine Folge das gleiche wie eine Familie mit Indexmenge N.
aber nicht verwenden. Sei
Element von
V.
Wenn die
85
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Lemma 5.7
Pn
x1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei y = j=1 λj xj ∈ V und j
λj 6= 0. Dann ist auch x1 , . . . , xj−1 , y, xj+1 , . . . , xn eine Basis von
Sei
ein Index mit
Austauschsatz
V.
Beweis. Sei U = hx1 , . . . , xj−1 , xj+1 , . . . , xn i. Dann ist
y − λj xj =
n
X
λi xi ∈ U.
i=1
i6=j
Weil
λj xj
xi nicht in U liegt, gilt das gleiy . Nach Satz 5.4 sind daher auch die Vektoren x1 , . . . , xj−1 , y, xj+1 , . . . , xn
wegen der linearen Unabhängigkeit der
che auch für
linear unabhängig.
V erzeugen. Sei W ⊂ V der von ihnen erzeugVP
. Wir wollen W = V zeigen. Sei hierzu v ∈ V beliebig
n
Sei v =
i=1 µi xi ∈ V die zugehörige (nach Satz 5.3 eindeutige)
durch die Basis x1 , . . . , xn . Da xi ∈ W für i 6= j nach Denition
Zu zeigen bleibt, dass sie auch
te Unterraum von
vorgegeben.
Darstellung
von
W
und
n
X
1
λj xj
=
(y −
λi xi ) ∈ W
xj =
λj
λj
i=1
i6=j
gilt, ist auch
v ∈ W,
wie zu beweisen war.
Dies Lemma ist der Spezialfall
Satz 5.8
V
k=1
des folgenden Satzes.
x1 , . . . , xn
k ≤ n und
(Austauschsatz) Seien
linear unabhängig. Dann ist
V und y1 , . . . , yk ∈
man kann paarweise verschiedene
eine Basis von
Indizes i1 , . . . , ik mit 1 ≤ i` ≤ n nden, so dass man wieder eine Basis erhält,
wenn man in der Basis x1 , . . . , xn jedes xi` durch y` ersetzt.
Beweis. Wir führen vollständige Induktion über k. Der Induktionsanfang k = 1
k−1 → k : Wir haben i1 , . . . ik−1
x1 , . . . , xn , indem wir in der Basis x1 , . . . , xn jedes xi` mit ` ≤ k − 1 durch y` ersetzen. Sei
Pn
yk = i=1 λi xi die Darstellung von yk mit der neuen Basis. Weil yk nicht in
hy1 , . . . , yk−1 i liegt, gibt es einen von den bisherigen i1 , . . . ik−1 verschiedenen
Index ik mit λik 6= 0. Also war k − 1 < n und damit k ≤ n. Weil xik noch
nicht ersetzt wurde, ist xik = xik und das Lemma, angewendet auf die Basis
x1 , . . . , xn und den Vektor yk , liefert die Behauptung.
ist durch das Lemma gegeben. Induktionsschritt
gefunden. Nach Induktionsvoraussetzung erhalten wir eine Basis
Wenn man zusätzlich annimmt, dass
durch Vertauschen der Rollen der
Folgerung 5.9
xi
y1 , . . . , yk auch eine Basis
yj sogar k = n.
ist, erhält man
und der
Wenn ein Vektorraum eine endliche Basis besitzt, dann haben
alle Basen gleich viele Elemente.
5.2.3 Dimension
Denition 5.6
er
ein
Sei
endliches
dimensional
V
ein Vektorraum. Er heiÿt
Erzeugendensystem
und wir schreiben
besitzt,
dim V = ∞.
endlich-dimensional, wenn
heiÿt V unendlich-
sonst
Der Nullraum hat Dimension
86
Dimension
Standardbasis
Kronecker-Symbol
Polynom
0.
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Ist
V 6= {0}
endlich-dimensional, so heiÿt die Anzahl
beliebigen Basis von
sagen:
V
V
Dimension
die
von
V.
n
der Vektoren einer
Wir schreiben
dim V = n
und
n-dimensional.
ist
Nach dem Austauschsatz kann man die Dimension eines Vektorraums
V
auch
beschreiben als die maximale Zahl (eines Systems) linear unabhängiger Vektoren in
V.
Dies gilt auch im unendlich-dimensionalen Fall, denn man kann
n linear unabhängige Vektoren
x1 , . . . , xn in V nden.4 Für einen Unterraum U eines Vektorraums V gilt damit
dim U ≤ dim V , denn die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren in U
ist höchstens so groÿ wie in V .
dann nach Satz 5.4 rekursiv zu jedem endlichen
Bemerkung 5.10
genau dann, wenn
Ein m-Tupel von Vektoren x1 , . . . , xm
dimhx1 , . . . , xm i = m.
ist linear unabhängig
Folgerung 5.11
dim V,
dann ist
Wenn {x1 , . . . , xn } ein Erzeugendensystem von V
x1 , . . . , xn eine Basis von V.
ist und
n=
Hier sind einige Beispiele für endlich- bzw. unendlich-dimensionale Vektorräume.
1. Der Raum
Kd ist d-dimensional. Denn er hat z.B. die Standardbasis e1 , . . . , ed ,
wobei
ei = (0, . . . 0, 1, 0, . . . , 0),
i
dh. die i-te Komponente
ei
sind gleich Null. Also
eii von ei ist eine 1, die übrigen
eij = δij , wobei
1 für i = j,
δij =
.
0 für i = j
Komponenten
das sogenannte Kronecker-Symbol ist. In der Tat bilden die
y = (y1 , . . . , yd ) von Kd hat
Pd
der ei , nämlich y =
i=1 yi ei .
eij
von
(5.3)
ei
eine Basis, denn
jedes Element
genau eine Darstellung als Linear-
kombination
(vgl. Bemerkung 5.5).
K[x] die Menge aller Polynome in der Unbestimmten x mit Koezienten
K, dh. die Menge aller formalen Ausdrücke der Form
2. Sei
aus
a0 + a1 x + . . . + an xn
mit
n ∈ N0
und
ai ∈ K.
(5.4)
ai = 0
0 + 3x + 0x2 + 1x3 + 0x5 = 3x + x3 . Man
In dieser Darstellung lässt man die Terme mit
oft auch einfach weg. Es ist also z.B.
identiziert also zwei Polynome, wenn sie sich nur durch Terme mit Koezienten
0
untercheiden.
n fest. Wir bezeichnen die Menge aller Polynome der Form (5.4) für
n abgekürzt mit Pn (wir denken uns x und K dazu). Wir erhalten eine Bin+1
jektion von K
nach Pn , indem wir dem n+1-Tupel (a0 , . . . , an ) das Polynom
n+1
in (5.4) zuordnen. Dabei geht die Standard-Basis in K
in die sogenannten
Sei jetzt
festes
Monome
4 Man
1, x, . . . , xn
kann sogar mit mehr Aufwand zeigen, dass es eine unendliche Basis im Sinn der
vorigen Fuÿnote gibt
87
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
über. Mit Hilfe dieser Bijektion erhält
Addition in
Pn
Pn
die Struktur eines
K-Vektorraums.
bedeutet also einfach Addition der zugehörigen Koezienten.
Pn ,
Oenbar sind dann die obigen Monome eine Basis von
also ist
dim Pn = n + 1.
Wegen der obigen Identikation kann man für
Pn
auassen. Der Raum
m < n auch Pm
als Teilraum von
ist dann die Vereinigung der aufsteigenden Kette
K[x]
{0} ⊂ P0 ⊂ . . . Pn ⊂ . . .
Pn . Damit erhalten wir in natürlicher Weise auch eine Vektorraum-Struktur
K[x]. Damit ist dim K[x] = ∞.
aller
auf
Man unterscheidet zwischen dem Polynom (5.4) und der zugehörigen Polynomfunktion pn : K → K, die entsteht, indem man für die Unbestimmte x eine Zahl
aus
K
einsetzt. Die Polynomfunktion ordnet dann der Zahl
(5.4) gegebene Element von
xn
n-te
als die
x ∈ K
das durch
zu, wobei man wie üblich jetzt den Ausdruck
K
Potenz der Zahl
x
liest. Oft nennt man solche Polynomfunktio-
nen trotzdem Polynome. Dass aber dieser vielleicht erst einmal überpedantisch
wirkende Unterschied wichtig werden kann, erkennt man etwa dann, wenn
K
ein endlicher Körper ist. Dann gibt es auch nur endlich viele Funktionen von
K
nach
K,
insbesondere nur endlich viele verschiedene Polynomfunktionen. Die
Dimension des Raums aller Polynomfunktionen in
ist daher für endliches
K
sicher endlich. Zum Beispiel sind die beiden Polynomfunktionen
x 7→ x2
für
K = GF (2)
x 7→ x
K
und
identisch, obwohl die beiden Monome verschieden sind.
3. In den Übungen beweisen wir:
Satz 5.12
Der
Q-Vektorraum R
ist unendlich-dimensional.
Aus dem Austauschsatz und der Existenz von Basen folgt
Folgerung 5.13
x1 , . . . , xm linear unabhänn := dim V < ∞ gilt, dann ist m < n und man
dass x1 , . . . , xn eine Basis ist. Insbesondere kann
(Basisergänzungssatz) Wenn die
gig, aber keine Basis sind, und
xm+1 , . . . , xn nden, so
man jeden Vektor x 6= 0 in V zu einer Basis ergänzen.
kann
5.2.4 Direkte Summen von Unterräumen
Denition 5.7 Seien E und
Vektorsumme E + F von E
F
E + F = {x ∈ V : es
Denition 5.8
Wenn
Raum die
U
und
F
gibt
y∈E
W
V.
Dann deniert man die
durch die Gleichung
und
z∈F
mit
x = y + z}.
(5.5)
zwei lineare Teilräume eines Vektorraumes
U ⊕W
U und W .
ist, schreiben wir
direkte Summe von
statt
U +W
V.
und nennen diesen
x1 , . . . , xm , xm+1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei U = hx1 , . . . , xm i
W = hxm+1 , . . . , xn i. Dann ist V = U ⊕ W .
Beispiele: 1. Sei
und
Seien
U ∩ W = {0}
Teilmengen von
und
Polynomfunktion
direkte Summe
88
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Pd
U = {(a1 , . . . , ad ) ∈ Rd :
i=1 ai = 0}. Sei W der eind
dimensionale Unterraum R(1, . . . , 1). Dann ist jedes a = (a1 , . . . , ad ) ∈ R darPd
stellbar in der Form (a − α(1, . . . , 1)) + α(1, . . . , 1), wobei α = (
i=1 ai )/d.
2. Sei
V = Rd
und
Oenbar ist
a − α(1, . . . , 1) = (a1 − α, . . . , ad − α) ∈ U.
U ∩ W = {0} und dementsprechend Rd = U ⊕ W , also folgt aus dem
nächsten Satz dim U = d − 1. (Wie leicht zu sehen ist, hat U z.B. die Basis, die
aus den d − 1 Vektoren
Ferner ist
(−1, 1, 0, . . . , 0), . . . , (−1, 0, . . . , 0, 1)
besteht.)
Bemerkung 5.14
Wenn V endlich-dimensional ist, dann gibt es zu jedem TeilU nach dem Basisergänzungssatz immer (mindestens) einen Teilraum W
mit V = U ⊕ W . In der Tat: Ist x1 , . . . xm eine Basis von U und x1 , . . . , xn eine
Ergänzung zu einer Basis von V , dann kann man W = hxm+1 , . . . , xn i wählen.
raum
Satz 5.15
Seien
U
und
W
zwei lineare Teilräume eines Vektorraumes
V.
U +W gleich dem von U ∪W erzeugten Unterraum.
x = u+w ∈ U +W mit u ∈ U, w ∈ W ist eindeutig
U ∩ W = {0}, wenn also die Summe direkt ist. Es gilt
a) Dann ist die Vektorsumme
Die Darstellung der Vektoren
genau dann, wenn
dim(U ⊕ W ) = dim U + dim W.
b) Es gilt die (allgemeine)
Dimensionsformel
dim(U + W ) + dim(U ∩ W ) = dim U + dim W.
(5.6)
Beweis. Nach Denition von U +W ist diese Menge sicher in hU ∪W i enthalten.
U + W ein Unterraum ist. Dies folgt aus den Gleichungen
λ(u + w) = λu + λw und (u + w) + (u0 + w0 ) = (u + u0 ) + (w + w0 ), denn
rechts steht jeweils ein Element von U + W . Damit ist die erste Teilaussage in
0
0
0
0
a) bewiesen. Oenbar gilt u + w = u + w genau dann, wenn u − u = w − w .
Also ist die Darstellung der Vektoren in U + W eindeutig genau dann, wenn
0
0
für alle u, u ∈ U und w, w ∈ W , für die die letzte Gleichung gilt, beide Seiten
Wir wissen, dass
dieser Gleichung verschwinden. Das ist wiederum genau dann der Fall, wenn
U ∩ W = {0}.
Beim Beweis der beiden Dimensionsformeln können uns auf den Fall von endlichdimensionalen Räumen beschränken, denn sind
U
oder
W
unendlich-dimensional,
∞. Es gelte jetzt
U ∩ W = {0}. Seien u1 , . . . um und w1 , . . . , wm0 Basen von U und
W . Dann ist u1 , . . . , um , w1 , . . . wm0 eine Basis von U + W , denn jeder Vektor
x ∈ U + W hat eine Darstellung als Linearkombination dieser Vektoren und diese Darstellung ist eindeutig wegen der Eindeutigkeit der Zerlegung x = u + w .
0
Also gilt n := dim(U + W ) = m + m = dim U + dim W .
dann sind erst recht beide Seiten in den beiden Formeln gleich
zunächst
U ∩W und U einen Unterraum Ũ
U mit U = (U ∩W )⊕Ũ gemäÿ Bemerkung 5.14. Wir zeigen: U +W = Ũ ⊕W .
x = u + w ∈ U + W gegeben. Dann hat u eine Darstellung u = v + ũ mit
b) Im allgemeinen Fall wählen wir zunächst zu
von
Sei
89
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
v ∈ U ∩W, ũ ∈ Ũ . Dann ist u+w = ũ+v +w ∈ Ũ +W . Also ist U +W = Ũ +W .
Andererseits ist wegen Ũ ⊂ U auch
Ũ ∩ W = Ũ ∩ (U ∩ W ) = {0}.
Damit gelten nach a) die beiden Gleichungen
dim(U + W ) = dim(Ũ + W ) = dim Ũ + dim W
dim U = dim Ũ + dim(U ∩ W ).
Wenn man die zweite Gleichung nach
dim Ũ
auöst und in die erste einsetzt,
ergibt sich die Dimensionsformel (5.6).
5.3
Lineare Abbildungen
Denition 5.9
A:V →W
Seien
heiÿt
ein Körper und
K
linear, wenn
V, W K-Vektorräume.
A(x + y) = A(x) + A(y)
A(λx) = λA(x)
für alle
Eine Abbildung
und
x, y ∈ V, λ ∈ K.
Man sagt auch
K-linear
statt linear, falls nicht klar ist, über welchem Grund-
körper man arbeitet. Man schreibt of
Ax
statt
A(x).
λ ∈ K ist das durch A(x) = λx denierte A eine
V . Für λ 6= 0 ist A bijektiv. Für λ = 0 ist A weder
denn jeder Vektor x ∈ V wird wird auf den Nullvektor
Erste Beispiele 1. Für festes
lineare Abbildung von
V
injektiv noch surjektiv,
nach
abgebildet.
2. Sei
V = Kd .
Sei
(a1 , . . . , ad ) ∈ Kd .
Dann ist die durch
A(x1 , . . . xd ) = (a1 x1 , . . . ad xd )
denierte Abbildung
3. Sei
V = Pn
und
D:p=
A:V →V
W = Pn−1 .
n
X
linear.
Dann ist die
ai xi 7→ p0 =
i=0
n
X
formale Ableitung
iai xi−1 =
i=0
n−1
X
(k + 1)ak+1 xk
k=0
linear.
Wir studieren zunächst einige allgemeine Eigenschaften linearer Abbildungen,
insbesondere Injektivität und Surjektivität und ihr Zusammenhang mit dem
Dimensionsbegri.
Satz 5.16
abbildung
b) Wenn
a) Sei A : V → W linear
A−1 : W → V linear.
U, V, W K-Vektorräume
und bijektiv. Dann ist auch die Umkehr-
sind und
A : U → V und B : V → W
B ◦ A : U → W linear.
Abbildungen, dann ist auch die Verknüpfung
lineare
90
Kern
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. a) Seien y, y0 ∈ W, λ ∈ K gegeben. Seien x, x0 die zugehörigen Urbilder.
Dann ist
A−1 (λy + y 0 ) = A−1 (λAx + Ax0 ) = A−1 A(λx + x0 ) = λx + x0 = λA−1 y + A−1 y 0 .
b) Es ist
B(A(λx + x0 )) = B(λAx + Ax0 ) = λB(A(x)) + B(A(x0 )),
also ist
B◦A
linear.
Denition 5.10
Sei A : V → W eine lineare Abbildung. Dann heiÿt KerA :=
A−1 ({0W }) = {v ∈ V : Av = 0W } der Kern von A und Im(A) := {Av : v ∈ V }
das
Bild von A.
Satz 5.17
a) Ist
U
Sei
A:V →W
eine lineare Abbildung. Dann gilt:
V,
W.
ein Teilraum von
ImA ein Teilraum von
so ist
A(U )
ein Teilraum von
W,
insbesondere ist
U 0 ein Teilraum von W , so ist A−1 (U 0 ) ein Teilraum von V, insbesondere
Ker(A) ein Teilraum von V . A ist injektiv genau dann, wenn Ker(A) = {0}.
b) Ist
ist
c) Sind
Ax1 , . . . , Axk
linear unabhängig, so sind auch
x1 , . . . , xk
linear unab-
hängig.
d) Sind x1 , . . . , xk linear unabhängig,
Ax1 , . . . , Axk linear unabhängig.
und ist
A
ausserdem injektiv, so sind
Beweis. a) und b). Wegen der Linearität ist jede Linearkombination von Punk-
yi = Axi ∈ A(U ) mit xi ∈ U gleich dem Bild der entsprechenden Linearxi in U . Also gilt a). Analog ergibt sich die erste Teillaussage
von b). Sei jetzt KerA = {0}. Zum Beweis, dass A injektiv ist, seien x, y ∈ V
gegeben mit Ax = Ay . Dann ist A(x − y) = 0, also x − y ∈ KerA = {0} und
somit x = y . Ist umgekehrt A injektiv, dann ist 0V der einzige Urbildpunkt von
0W , also KerA = {0}.
Pk
c) Seien die Ax1 , . . . , Axk linear unabhängig. Sei
i=1 λi xi = 0. Dann ist
Pk
Pk
λ
Ax
=
A(
λ
x
)
=
A0
=
0
.
Also
ist
wegen
der linearen Unhäni
i=1 i
i=1 i i
gigkeit der Vektoren Axi auch λi = 0 für alle i, dh. die x1 , . . . , xk sind ebenfalls
ten
kombination der
linear unabhängig.
A injektiv. Zum NachPk
Axi sei i=1 λi Axi = 0. Dann ist auch
Pk
Pk
λi xi ∈ KerA und wegen Teil b) und der InjektiA( i=1 λi xi ) = 0, also ist i=1P
vität ist KerA = {0}. Damit ist
λi xi = 0 und wegen der linearen Unhängigkeit
der Vektoren xi auch λi = 0 für alle i. Daher sind die Ax1 , . . . , Axk ebenfalls
d) Seien umgekehrt
x1 , . . . , xk
linear unabhängig und sei
weis der linearen Unabhängigkeit der
linear unabhängig.
Folgerung 5.18
dim Im(A) ≤ min{dim V, dim W }.
A injektiv, wenn dim Im(A) = dim V .
dim W < dim V ist, gibt es keine injektive lineare
a)
b) Genau dann ist
c) Wenn
W.
d) Wenn
A
bijektiv ist, gilt
dim V = dim W .
Abbildung
A:V →
91
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beweis. a) Aus ImA ⊂ W folgt dim ImA ≤ dim W . Aus Teil c) des Satzes folgt, Bild-Kern-Zerlegung
dass die Maximalzahl linear unabhängiger Vektoren im Raum
so gross ist wie in
b) Im Fall, dass
V,
A
also ist auch
ist wie in ImA, also ist
dim W .
d) Ist A zusätzlich
dim ImA = dim V .
V
höchstens so gross
dim V = dim ImA.
A notwendig dim V = dim ImA ≤
c) folgt aus a) und b), denn es ist für injektives
surjektiv, dann ist ImA
(Bild-Kern-Zerlegung) Sei
dim V < ∞.
höchstens
injektiv ist, gilt nach Teil d) des Satzes, dass auch ungekehrt
die Maximalzahl linear unabhängiger Vektoren im Raum
Satz 5.19
ImA
dim V ≥ dim ImA.
= W,
A:V →W
also wegen b)
dim W =
eine lineare Abbildung und
Dann gilt:
U von V gilt V =
A|U : U → ImA bijektiv ist.
a) Für einen Teilraum
Einschränkung
KerA
⊕U
genau dann wenn die
b) Allgemein gilt
dim V = dim
Beweis. a) 1. Sei V
+ dim
KerA.
= U ∩ KerA = {0}. Also
y ∈ Im(A)
vorgegeben. Sei x ∈ V so dass Ax = y . Der Vektor x hat eine Darstellung
x = u + v mit u ∈ U, v ∈ Ker(A). Dann ist auch Au = Ax − Av = Ax = y . Der
Vektor y liegt also auch im Bild von A|U .
2. Sei umgekehrt A|U : U → ImA bijektiv. Sei x ∈ V . Dann ist Ax ∈ ImA, also
gibt es wegen der Surjektivität auch ein u ∈ U mit Au = Ax. Sei v = x − u.
Dann ist v ∈ KerA, also x = u + v ∈ U + KerA. Daher ist V = U + KerA.
Wegen der Injektivität von A|U ist U ∩ KerA = Ker(A|U ) = {0}, dh. es ist sogar
V = U ⊕ KerA.
ist
A|U
= KerA ⊕ U .
ImA
Dann ist Ker(A|U )
nach Teil b) des vorigen Satzes injektiv. Zur Surjektivität sei
V = KerA ⊕
=
ImA. Die Injektivität zusammen mit Folgerung 5.18, angewandt auf A|U , liefert
dim U = dim Im(AU ) = dim ImA. Hieraus folgt dim V = dim KerA + dim U =
dim KerA + dim ImA, wie behauptet.
b) Nach Bemerkung 5.14 gibt es zu
U.
Nach Teil a) ist
A|U : U → ImA
A einen Teilraum U
von
V
mit
bijektiv. Die Surjektivität liefert Im(AU )
Denition 5.11 Die Dimension dim Im(A) des Bilds einer linearen Abbildung
Rang von A und wird mit rgA bezeichnet.
heiÿt der
Satz 5.20
Sei A : V → W eine lineare Abbildung
dim W =: m. Dann gilt:
a) A ist surjektiv genau dann, wenn rgA = m.
b) A ist injektiv genau dann, wenn rgA = n.
Folgerung 5.21
Sei
n < ∞. Dann sind
a) A ist bijektiv
b) A ist surjektiv
c) A ist injektiv.
A:V →W
äquivalent:
und
dim V =: n < ∞
eine lineare Abbildung und
und
dim V = dim W =
Rang einer linearen
Abbildung
92
Dualraum
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Beachte für die folgende Denition, dass für lineare Abbildungen
nach
W
und
λ∈K
A, B
von
V
auch die punktweise durch
(λA + B)(x) = λAx + Bx
erklärte Abbildung
von
V
nach
W
λA + B
linear ist. Daher bilden die linearen Abbildungen
einen Vektorraum.
Denition 5.12
Sei
K
V und W seien K-Vektorraume. Der
V nach W wird mit Hom(V, W ) oder
mit L(V, W ) bezeichnet. Im Spezialfall W = K wird
und heiÿt der Dualraum von V .
ein Körper und
Vektorraum aller linearer Abbildungen von
HomK (V, W ) oder einfach
L(V, K) mit V ∗ bezeichnet
5.4
Koordinaten-Darstellung und Matrizen
5.4.1 Konstruktion linearer Abbildungen
Satz 5.22
V.
Dann ist
Sei
A
A : V → W linear und x1 , . . . , xn ein Erzeugendensystem von
eindeutig bestimmt durch die Vektoren A(x1 ), . . . , A(xn ).
Beweis. Jeder Vektor v ∈ V
als Linearkombination der
hat eine (nicht notwendig eindeutige) Darstellung
xi : Sei v =
Pn
j=1
λj xj . Wenn wir die Vektoren A(xj )
kennen, kennen wir wegen der Linearität auch den Vektor
n
n
X
X
Av = A(
λi xi ) =
λi A(xi ).
Satz 5.23
i=1
i=1
x1 , . . . , xn eine Basis von V und z1 , . . . , zn seien feste beliebige
Elemente von W. Dann gibt es genau eine lineare Abbildung A : V → W mit
A(xj ) = zj für j = 1, . . . , n.
P
P
Beweis. Wir denieren einfach Av als ni=1 λi zi , wenn v = ni=1 λi xi . Weil
die xi eine Basis bilden, sind die λi hier eindeutig bestimmt und damit ist A
Sei
wohldeniert. Oensichtlich ist diese Abbildung linear. Sie ist wegen des vorigen
Satzes eindeutig bestimmt.
Denition 5.13 Eine lineare Abbildung A zwischen den Vektorräumen V und
W heiÿt auch Vektorraum-Homomorphismus zwischen V und W . Wenn A
sogar bijektiv ist, heiÿt A auch ein Vektorrraum-Isomorphismus. Wenn es
zwischen den beiden Vektorräumen
V
und
W
einen Vektorraum-Isomorphismus
gibt, dann heiÿen die beiden Vektorräume auch
Folgerung 5.24
isomorph.
Zwei endlich-dimensionale Vektorräume sind genau dann iso-
morph, wenn sie gleiche Dimension haben.
Beweis.
Wenn
V
und
W
isomorph sind, dann folgt dies aus Satz 5.20, denn
A, dass dim V = n = rgA =
m = dim W . Ist umgekehrt dim V = dim W so gibt es zu vorgegebenen Basen
x1 , . . . xn von V und y1 , . . . yn von W nach Satz 5.23 genau eine lineare Abbildung A : V → W mit Axj = yj für alle j ∈ {1, . . . , n}. Dies A ist oenbar
dann gilt für den zugehörigen Isomorphismus
injektiv und surjektiv, also ein Vektorraum-Isomorphismus.
93
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
5.4.2 Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen
Satz 5.25
x1 , . . . , xn eine Basis von V und y1 , . . . , ym eine Basis von W.
A : V → W ist genau dann linear, wenn es Zahlen aij mit
i = 1, . . . , m und j = 1, . . . , n aus K gibt mit
Sei
Eine Abbildung
n
m X
n
X
X
A(
λj xj ) =
(
λj aij ) yi (∈ W ).
j=1
(5.7)
i=1 j=1
Diese aij sind durch die Abbildung A und die beiden Basen eindeutig bestimmt.
Umgekehrt ist A bei gegebenen Basen durch die aij und (5.7) eindeutig bestimmt.
Beweis. 1. Wenn die (aij ) gegeben sind, dann setze
zj =
m
X
aij yi .
(5.8)
i=1
für alle
j = 1, . . . , n.
j gilt
Nach dem vorigen Satz genau ein lineares
A : V → W,
so
dass für alle
Axj = zj =
m
X
aij yi .
(5.9)
i=1
Wegen der Linearität von
2. Umgekehrt sei
A
A
erfüllt
A
dann auch (5.7).
gegeben. Dann denieren wir
zj
durch (5.9). Jedes
eine Darstellung der Form (5.8), wobei die Koezienten
Wahl von
A
aij
zj
hat
eindeutig durch
und der beiden Basen bestimmt sind. Wieder gilt dann wegen der
Linearität auch (5.7).
Bemerkung 5.26
A
Wir erhalten also nach (5.9) bei gegebener linearer Abbil-
von V und y1 , . . . , ym von W die Zahl aij als den
i-ten Koezienten des Vektors Axj in seiner Darstellung als Linearkombination
der yi .
dung
und Basen
x1 , . . . , xn
Denition 5.14
a) Seien m, n ∈ N. Eine Abbildung A von der Produktindex{1, . . . , m}×{1, . . . , n} in den Körper K, (i, j) 7→ aij heiÿt eine (m×n)Matrix mit Einträgen aus K. Sie wird hingeschrieben in der Form:
menge


A = (aij ) = 
a11
.
.
.
am1
Die Zahl
aij
...
a1n

.
.
.


m =
n =
amn
Zahl der Zeilen
Zahl der Spalten
heiÿt der Eintrag in der i-ten Zeile und
b) Die Menge
aller
...
M at(m, n)
m × n-Matrizen5
j -ten
(5.10)
A.
M at(m × n, K)
K{1,...,m}×{1,...,n}
Spalte der Matrix
bzw. in ausführlicherer Schreibweise
mit Einträgen aus
und kann daher identiziert werden mit
K ist
Km·n .
identisch mit
5 Das (und nicht etwa Matrixe oder Matrixen) ist die Mehrzahl (Plural) von Matrix. Manche
Mathematiker benutzen die urprüngliche lateinische Form des Plurals, nämlich Matrices.
94
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Bemerkung 5.27
Insbesondere hat Mat(m, n) in natürlicher Weise eine Vek-
torraumstruktur und es ist
dim M at(m, n) = m · n.
Die Standardbasis von
Mat(m, n) wird gebildet von den Matrizen
E ij

0 ...
 ..
.

 ..

= . 0
.
 ..

0 . . .

... 0
.
.
.

.
0 .. 
 ← i-te
.
.
.
. . . 0
0
.
.
.
1
.
.
.
0
↑
Zeile.
j -te Spalte
Bemerkung 5.28
ist für
i = 1, . . . , n.
Falls
V = W,
geht man meistens davon aus, dass
yi = xi
Wenn die Basis gewechselt wird, ändert sich die zugehörige
Matrix. Wie, wird in Satz
Achtung Schreibweise: Matrizen werden oft ebenso wie lineare Abbildungen mit
groÿen lateinischen Buchstaben
A, B, ...
bezeichnet. Zur Vermeidung von Ver-
wechslungen kennzeichnen wir Matrizen durch einen Unterstrich.
Beispiele 5.29
für die Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen.
1. Die Identität idV
Einheitsmatrix
:V →V

wird bezüglich einer beliebigen Basis durch die
1
..

En = 
0
.

0

 = (δij )i,j=1,...,n
1
dargestellt.
(α1 , . . . , αn ) ∈ Kn . Die lin. Abbildung A : Kn → Kn , (a1 , . . . , an ) 7→
(α1 a1 , . . . , αn an ) wird bezüglich der Standardbasis durch die Diagonalmatrix


α1
0


..


.
0
αn
2. Sei
dargestellt.
Aej =
welche lineare Abb.
Denn es ist
αj ej für alle j. Die
A : V → V durch
Frage der Diagonalisierbarkeit,
geeignete Wahl der Basis eine
Darstellung durch eine Diagonalmatrix haben, wird aufs nächste Semester
verschoben.
D : P → Pn−1 die formale Ableitung. Bezüglich der Basen 1, x, . . . , xn
n−1
von Pn und 1, x, . . . , x
von Pn−1 hat D die Darstellung durch die n ×
(n + 1)-Matrix


0 1 0 ... ... 0
0 0 2 0 . . . 0 




.
.

.
0 3 . . . 0

,


.
..
.

.
.
0
0 ...
... 0 n
3. Sei
95
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Dxk = kxk−1 .
denn es ist ja
C : R2 → R2 die durch C 3 z 7→ cz ∈ C
z = x + iy ist cz = ax − by + i(ay + bx) also
C(x, y) = (ax − by, ay + bx). Es gelten e1 = (1, 0) = 1C , e2 = (0, 1) =
i, Ce1 = (a, b), Ce2 = (−b, a). Daher wird C bezüglich der Standardbasis
e1 , e2 dargestellt durch die 2 × 2-Matrix
a −b
.
b a
4. Sei
c = a + ib ∈ C.
Sei
induzierte Abbildung: Für
σ : {1, . . . , n} → {1, . . . , n} eine
V → V die lineare Abbildung mit
Axj = xσ(j) , vgl. Satz 5.23. Dann gehört zu A bezüglich der Basis x1 , . . . xn
x1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei
Permutation der Indizes, und sei A :
5. Sei
die Matrix

0 ...

1



Pσ = 0 0
.
 ..

0 . . .
0
... 0
.
.
.
1
0
.
.
.

.
.
.

.
.
.
.
.
.
← i-te
Zeile, wobei
i = σ(j).
. . . 0
0
↑
j -te Spalte
Die
1
in der ersten Spalte steht also in der
ner bendet sich die
wenn
σ(j) = i
1
in der
j -ten
σ(1)-ten
Zeile, und allgemei-
Spalte genau dann in der
i-ten
ist. Diese Matrix hat also in jeder Spalte genau eine
in jeder Zeile genau eine
1.
Die übrigen Einträge sind
0.
Zeile,
1
und
Solche Matrizen
Permutationsmatrizen. Besondere Spezialfälle sind die Vertauschungsmatrizen, die den speziellen Permutationen entsprechen, die nur
heiÿen
zwei Indizes miteinander vertauschen.
Bemerkung 5.30
Wenn wir im letzten Beispiel im Gegensatz zu Bemerkung
V,
als Denitionsbereich verstanden, wie bisher mit der Basis
5.28 den Raum
x1 , . . . , xn versehen, aber V , als Zielbereich verstanden, mit der permutierten
Basis y1 , . . . , yn mit yi = xσ(i) versehen, dann hat die Abbildung A bezüglich
dieser Basen nach Bemerkung 5.26 die Einheitsmatrix En als zugehörige Matrix.
Hier sieht man den Grund, warum wir, im Gegensatz zu manchen AlgebraBüchern, bei der Denition des Begris Basis Wert auf die Reihenfolge der
Basis-Vektoren gelegt haben.
V sowohl als Deniti(xσ(j) )j=1,...,n versehen,
Wenn wir, jetzt wieder in Einklang mit Bemerkung 5.28,
onsbereich als auch als Zielbereich mit der neuen Basis
dann hat die gleiche, durch Axj = xσ(j) denierte Abbildung wieder die Matrix
Pσ , denn es ist ja Axσ(j) = xσ(σ(j)) also wird das j -te Glied der neuen Basis wieder auf das σ(j)-te Glied der neuen Basis abgebildet. Man könnte also irrtümlich
denken, dass allgemein die Matrix einer linearen Abbildung A : V → V doch
nicht von der Wahl der Basis des Raums V abhängt, solange nur die Start- mit
der Ziel-Basis übereinstimmt, wie in Bemerkung 5.28 gefordert. Dieser Eekt
liegt aber in diesem Beispiel nur an der speziellen Wahl dieser Abbildung und
dieser Basis.
Permutationsmatrix
Vertauschungsmatrix
96
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Wenn wir nämlich schlieÿlich die neue durch
B
Bxj = jxσ(j) denierte Abbildung
x1 , . . . , xn die Matrix
betrachten, so hat diese einerseits bezüglich der Basis

0 ...

... 0
.
.
.

.
.
0 .  ← i-te
.
.
.
. . . 0
0
.
.
.

1


0 0

.
 ..

0 . . .
j
.
.
.
0
↑
Zeile, wobei
i = σ(j),
j -te Spalte
dagegen hat die gleiche Abbildung
(xσ(j) )j=1,...,n

B
andererseits bezüglich der neuen Basis
die folgende Matrix:
0
...

σ(1)


 0
0

 .
 ..

 0
...
0
... 0

.
.
.
.
.
.
i
.
.
.

0
.
.
.
0
↑
← i-te
.
.
.
Zeile, wobei
i = σ(j).
. . . 0
j -te Spalte
Aus der Eindeutigkeit der Beziehung zwischen der Abbildung
aij
A und den Zahlen
in Satz 5.25 folgt:
Satz 5.31
V, W mit dim V = n und dim W = m
L(V, W ) 3 A 7→ A = (aij ) ∈ M at(m, n) ein Vektorraum-
Bei fester Wahl der Basen in
ist die Zuordnung
Isomorphismus.
dim L(V, W ) = dim M at(m, n) = m · n. Speziell dim V ∗ =
dim M at(1, n) = dim M at(n, 1) = dim V.
→K
Bemerkung 5.32 Die lin. Abbildungen VK →
haben also bei fester BaV
sis von V eine Darstellung als
Zeilen, genauer einzeilige Matrizen
.
Insbesondere ist
Spalten, genauer einspaltige Matrizen
Da ein Vektor
v∈V
mit der linearen Abbildung
K → V,
identiziert werden kann, werden speziell die Vektoren in
die 1 auf
Kn
v
abbildet,
oft als Spalten-
vektoren geschrieben.
Bemerkung 5.33
A
: Rn 
→ Rm mit bezüglich
ξ1
 
x =  ...  ∈ Rn gilt dann
Für eine lineare Abbildung
Standardbasen zugehöriger Matrix
(aij )
und
ξn
 Pn
Ax =

j=1 aij ξj


.
.


Pn .
j=1 amj ξj
∈ Rm .
der
97
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
5.4.3 Die Transposition von Matrizen und der Dualraum
Denition 5.15 Für jede
transponierte Matrix
Matrix
A = (aij ) ∈
Mat(m, n) denieren wir die
AT = (aTji )j=1,...,n ∈ Mat(n, m)
i=1,...,m
durch
von
A
aTji = aij .
Die Zeilen von A werden zu Spalten von
T
werden zu Zeilen von A .
AT
und die Spalten
Beispiel:
Bemerkung 5.34
1
4
2
5

T
1
3
= 2
6
3

4
5 .
6
Die Transposition entspricht dem Isomorphismus, der die
Standardbasis von Mat(m, n) in die Standardbasis von Mat(n, m) überführt.
Oensichtlich ist
(AT )T = A.
(5.11)
Im allgemeinen gibt es zwischen zwei Vektorräumen gleicher Dimension keinen
kanonischen Isomorphismus,
dh. ein Vektorraum-Isomorphismus, der
nur durch die Kenntnis der Vektorraumstruktur ohne Angabe einer speziellen
Basis deniert wäre. Es gibt i.a. keine natürlichen Basen, dh. Basen die aus
irgendeinem Grund natürlicher wären als alle anderen Basen des gleichen linearen Raums. Zum Beispiel wird es Ihnen kaum gelingen, für die zu dem Vektor
a = (1, 2, 3) ∈ R3
orthogonale Ebene
E = {b ∈ R3 : ha, bi = 0} = {(b1 , b2 , b3 ) : b1 + 2b2 + 3b3 = 0}
eine Basis zu nden, von der man alle Mathematiker überzeugen könnte, dass
6
sie natürlicher wäre als jede andere.
Auch zwischen
denn,
V
V
und
V∗
gibt es keinen kanonischen Isomorphismus, es sei
habe zufällig doch eine natürliche Basis, wie etwa
x1 , . . . , xn von V schon festliegt, dann
x∗1 , . . . , x∗n von V ∗ durch die Festlegung
allerdings eine Basis
hierzu
duale Basis
x∗i (xj ) = δij
wobei
δij
Pn .
Wenn
das in (5.3) denierte Kronecker-Symbol ist. Diese Festlegung deniert
wir schon wissen, dass
x∗i
dim V
∗
= dim V
x∗1 , . . . , x∗n
von
V ∗.
Da
ist, und leicht zu sehen ist, dass die
linear unabhängig sind, bilden sie nach Bemerkung 5.10 tatsächlich
eine Basis von
6 Dies
oder
deniert man die
, i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n,
nach Satz 5.23 in der Tat eindeutig bestimmte Elemente
Vektoren
Kd
V ∗.
ist oenbar kein logisch zwingender Beweis, wer weiÿ was für groÿartige Argumente
zur Begründung der absoluten Sonderrolle einer bestimmten Basis von
E
noch in der Zu-
kunft auftauchen werden. Dementsprechend setzt man den Begri natürliche Basis besser
in Anführungszeichen.
transponierte Matrix
kanonischer Isomorphismus
nat"urliche Basis
duale Basis
98
Standard-Isomorphismus
Bidualraum
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 5.35
Sei
x1 , . . . , xn
und
Pn
x =
j=1 λj xj
P
n
∗
x = j=1 µj x∗j
die Darstellung von
die Darstellung von
x ∈ V durch
∗
∗
einem x ∈ V
die Basis
durch die
zugehörige duale Basis. Dann ist
∗
x (x) =
n
X
λj µj .
(5.12)
j=1
Beweis. Es ist
x∗ (x) =
n
X
n
n X
n
n
X
X
X
µi x∗i (
λj xj ) =
µi λj δij =
λj µj .
i=1
Bemerkung 5.36
j=1
i=1 j=1
j=1
Rd : Wir erhalten also insbesondere eine
Rd :
d
d ∗
Es liefert einen Isomorphismus zwischen R und seinem Dualraum (R ) , indem
d
∗
d ∗
der Vektor y ∈ R der Linearform y ∈ (R ) mit
Achtung Spezialfall
neue Interpretation des in Kapitel 4 denierten Standard-Skalarprodukts im
y ∗ (x) = hx, yi
(5.13)
zugeordnet wird. Insbesondere ist diese Zuordnung surjektiv: Zu jeder linearen Abbildung
y ∗ : Rd → R
gibt es einen Vektor
y ∈ Rd
so dass (5.13) gilt.
Dies wird im nächsten Kapitel in der Dierenzialrechnung für das Verständnis
des Gradienten wichtig werden. Dieser Isomorphismus ist übrigens der gleiche
Isomophismus, der die Standardbasis
e1 , . . . , ed
auf die zugehörige duale Basis
StandardIsomorphismus zwischen Rd und seinem Dualraum. Dieser hat in der Funktioe∗1 , . . . , e∗d
abbildet.
7
Wir nennen diesen Isomorphismus auch den
nalanalysis eine unendlich-dimensionale Entsprechung in sogenannten HilbertRäumen.
Bemerkung 5.37
Wenn es auch für allgemeine endlich-dimensionale Vektor-
V und V ∗ gibt, ist
= (V ∗ )∗ , die durch
räume keinen kanonischen Isomorphismus zwischen
bildung
∗∗
x 7→ x
von
V
in den
Bidualraum V
∗∗
die Ab-
x∗∗ (x∗ ) = x∗ (x)
(5.14)
deniert ist, sicherlich injektiv und linear, und im endlich-dimensionalen Fall
nach Folgerung 5.21 ein Vektorraum-Isomorphismus, da wir dann schon
dim V ∗∗ = dim(V ∗ )∗ = dim V ∗ = dim V
wissen. Da er ohne Bezug auf eine bestimmte Basis deniert ist, ist dieser Isomorphismus sogar kanonisch. Daher wird oft in der linearen Algebra ein endlichdimensionaler Vektorraum mit seinem Bidualraum identiziert.
Sei
x1 , . . . , xn
eine Basis von
V
kann man hierzu wiederum die
x∗1 , . . . , x∗n die duale Basis von V ∗ . Dann
∗ ∗
∗∗
∗ ∗
bilden.
duale Basis (x1 ) , . . . , (xn ) von V
und
Denitionsgemäÿ ist
∗
(x∗j )∗ (x∗i ) = δij = x∗i (xj ) = x∗∗
j (xi )
7 Natürlich
Kd für jeden Körper analog durchfühCd noch eine kleine Modikation angebracht: Man erweitert das
Standard-Skalarprodukt von Rd × Rd auf Cd × Cd durch den unsymmetrischen Ausdruck
hζ, zi = di=1 ζi zi , damit nach wie vor hz, zi ≥ 0 gilt. Darauf gehen wir im nächsten Semester
kann man diese Überlegung auch für
ren. Allerdings wird im Fall
P
genauer ein.
99
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
für alle
i, j ∈ {1, . . . , n}.
geht also jede Basis von
kation von
V
mit
V ∗∗
Unter dem obigen Isomorphismus zwischen
V
V
und
V ∗∗
in ihre biduale Basis über, maW. ist bei der Identi-
jede Basis von
V
dual zu ihrer dualen Basis. Ferner führt
die zweifache Anwendung des nicht-kanonischen Isomorphismus zwischen einem
endlich-dimensionalen Vektorraum und seinem Dualraum, der bei vorgegebener
Basis durch den Übergang zur dualen Basis deniert ist, für jede Ausgangsbasis
zu dem kanonischen Isomorphismus zwischen dem ursprünglichen Vektorraum
und seinem Bidualraum.
Im unendlich-dimensionalen Fall ist diese Identikation zwischen
V
und
V ∗∗
8
nicht mehr möglich .
Denition 5.16 Sei A : V → W linear. Dann denieren wir die adjungierte
Abbildung A∗ : W ∗ → V ∗ durch
A∗ y ∗ = y ∗ ◦ A, also A∗ y ∗ (x) = y ∗ (Ax) f ür x ∈ V, y ∗ ∈ W ∗ .
Satz 5.38
y1 , . . . , y m
Wenn zu
von
W
bezüglich der dualen
AT = (aTji ).
Beweis. Sei y =
A : V → W bezüglich der Basen x1 , . . . , xn von V und
A = (aij ) gehört, dann gehört zu A∗ : W ∗ → V ∗
∗
∗
∗
∗
Basen y1 , . . . , ym und x1 , . . . , xn die transponierte Matrix
die Matrix
Pm
yi∗ (y) = µi
k=1 µk yk ∈ W gegeben.
Pn Dann ist nach Satz 5.35
∗
i = 1, . . . m und analog für x =
(x)
= λr für
λ
x
∈
V
auch
x
r
j=1 j j
r = 1, . . . , n. Damit folgt für jedes x ∈ V
für
A∗ yi∗ (x) = yi∗ (Ax) = yi∗ (
m X
n
n
n
X
X
X
(
λj akj )yk ) =
λj aij =
aij x∗j (x),
k=1 j=1
A∗ yi∗ =
j=1
j=1
Pn
T ∗
j=1 aji xj nach Denition der transponierten Matrix. Ein Vergleich mit Bemerkung 5.26 liefert die Behauptung.
also
Bemerkung 5.39
Unter der Identikation von endlich-dimensionalen Vektor-
räumen mit ihren Bidualräumen durch die Gleichung (5.14) wird für jede lineare
Abbildung
A∗∗ = A.
In der Tat gilt für alle
x∈V
und
y∗ ∈ W ∗
(A∗∗ (x∗∗ ))(y ∗ ) = x∗∗ (A∗ y ∗ ) = A∗ y ∗ (x) = y ∗ (Ax) = (Ax)∗∗ (y ∗ ),
V mit ihrem doppeltgesternten Partner in
A∗∗ x = Ax für alle x ∈ V . Dies entspricht nach
TT
= A, da nach Teil 2. der
der Beziehung: (5.11) A
wenn wir also alle Vektoren in
V ∗∗
identizieren, ergibt sich
dem voranstehenden Satz
Bemerkung 5.37 die bei zweimaliger Anwendung von Satz 5.38 zu betrachtenden
bidualen Basen bei der obigen Identikation gerade die ursprünglichen Basen
sind.
Denition 5.17
von
V
∗
Für einen Teilraum
U ⊂V
U⊥
durch
U ⊥ = {x∗ ∈ V ∗ : x∗ (x) = 0
8 da
denieren wir den Teilraum
für alle
x ∈ U }.
die Kardinalitäten der Hamel-Basen (vgl. die Fussnote zu Denition 5.4) sich beim
Dualraum-Bilden stets echt erhöhen: Insbesondere gibt es dann stets Linearformen auf
die nicht in der obigen Weise durch die Auswertung an einer Stelle
x∈V
entstehen.
V ∗,
adjungierte Abbildung
senkrecht
100
Spaltenrang
Spaltenraum
Zeilenrang
Zeilenraum
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 5.40
Sei
dim V = n.
Dann ist
dim U ⊥ = n − dim U.
Beweis. Sei u1 , . . . , uk eine Basis von U. Wir ergänzen sie zur Basis u1 , . . . , un
u∗i (uP
j ) = 0 für alle j = 1, . . . , k.
n
∗
⊥
Das gilt genau dann wenn i > k. Damit ist u =
genau dann
i=1 λi uj ∈ U
∗
∗
∗
wenn λj = 0 für alle j = 1, . . . , k, d.h. wenn u ∈ huk+1 , . . . , un i. Damit ist
dim U ⊥ = n − k.
von
V.
Dann ist
u∗i ∈ U ⊥
Bemerkung 5.41
genau dann wenn
∗
1. Bei der oben (vgl. Bemerkung 5.37) beschriebenen Iden-
V mit V ∗∗ geht U in U ⊥⊥
∗
⊥
∗∗
über. Denn es ist x (x ) = x (x) = 0 für alle x ∈ U, x ∈ U , also x
∈ U ⊥⊥
⊥⊥
für alle x ∈ U , und nach dem vorstehenden Satz ist dim U
= dim U . Damit
∗∗
ist die Abbildung x 7→ x
nach Folgerung 5.21 ein Isomorphismus zwischen U
⊥⊥
und U
.
tikation eines endlich dimensionalen Vektorraums
∗∗
∗
∗
Rd :
2. Achtung Spezialfall
Wenn wir den durch das Standard-Skalarprodukt
Rd und
d
von R , die
gegebenen Standard-Isomorphismus (vgl. Bemerkung 5.36) zwischen
d ∗
(R )
U
verwenden, geht
⊥
über in den Unterraum aller Vektoren
U stehen im Sinn von Denition 4.7. Diese
U ⊥ üblicherweise im Rd . Da kein Vektor 6= 0
⊥
ist dann U ∩ U
= {0} und wegen des vorigen
senkrecht auf allen Vektoren in
Bedeutung hat daher das Symbol
auf sich selber senkrecht steht,
Satzes gilt damit
Rd = U ⊕ U ⊥
U von Rd .
U ⊥⊥ = U .
für jeden linearen Unterraum
dann insbesondere wieder
Bemerkung 5.42
∗
KerA
Sei
A:V →W
Unter dieser Sichtweise ist natürlich
linear. Dann ist
= {y ∗ ∈ W ∗ : y ∗ (Ax) = 0
Folgerung 5.43
(5.15)
für alle
x ∈ V } = (Im A)⊥ .
rg A∗ = rg A.
Beweis. Es ist
rg A∗
= dim ImA∗ = n − dim KerA∗ = n − dim(ImA)⊥
= n − (n − dim ImA) = dim ImA
= rg A.
Spaltenrang
Denition 5.18
Sei A = (aij ) eine Matrix. Der
maximale Anzahl der linear unabhängigen Spalten von
von A ist die
A, also die Dimension des
Spaltenraums, dh. des von den Spalten der Matrix aufgespannten Unterraums
m
von K . Analog ist der Zeilenrang von A die Dimension des Zeilenraums
von
A.
Folgerung 5.44
A : V → W eine lineare Abbildung und A eine bezüglich
und W zu A gehörende Matrix. Der Zeilenrang der
ihrem Spaltenrang und damit gleich dem Rang von A und
T
und dem Zeilenrang von A .
Seien
geeigneter Basen von
Matrix
A
ist gleich
gleich dem Spalten-
Beweis.
V
und
V
Wenn wir gemäÿ Bemerkung 5.5 und Denition 5.5 die Vektoren in
W
durch ihre linearen Koordinaten bezüglich der bei der Bildung von
101
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
A
verwendeten Basen ersetzen, dann sehen wir mit Bemerkung 5.26, dass die
linearen Koordinaten der Bildvektoren der Abbildung
ImA
gerade den Spaltenraum der Matrix
A
der Matrix
A
gerade der Rang der Abbildung
A,
dh. der Vektoren in
bilden. Daher ist der Spaltenrang
A.
Damit ist nach Folgerung 5.43
und Satz 5.38
Spaltenrang(A)
= rgA = rgA∗ = Spaltenrang(AT ) = Zeilenrang(A).
Denition 5.19 Nach der vorstehenden Folgerung können und wollen wir den
Rang rgA einer Matrix A als ihren Spaltenrang oder als ihren Zeilenrang
denieren.
Der Rang einer linearen Abbildung ist also gleich dem Rang einer beliebigen
durch geeignete Basen zugeordneten Matrix.
K = R, V = Rd , W = Rm sei A eine m × d- Matrix und A : Rd →
A bezüglich der Standardbasen beschriebene lineare Abbildung.
Dann ist der Spaltenraum von A tatsächlich gleich dem Bildraum ImA. Der
T
Zeilenraum von A ist dagegen gleich dem Spaltenraum von A und damit gleich
∗
dem Bild von A , wenn wir die Standardisomorphismen zwischen den Räumen
Rd , Rm und ihren Dualräumen anwenden. Die Bemerkung 5.42, angewendet auf
A∗ statt A liefert dann KerA = KerA∗∗ = (ImA∗ )⊥ , und damit ist
Im Spezialfall
Rm
die durch
(KerA)⊥ = (ImA∗ )⊥⊥ = ImA∗ = Zeilenraum(A) :
(5.16)
m × d-Matrix A besteht gerade aus allen Vektoren
Rd , die auf allen Vektoren des Kerns der zugehörigen linearen Abbildung
A : Rd → Rm senkrecht stehen. Nach Gleichung (5.15) ist damit Rd = KerA ⊕
Zeilenraum(A). Nach dem Satz 5.19 über die Bild-Kern-Zerlegung ist also die
Einschränkung von A auf den Zeilenraum von A ein Vektorraum-Isomorphismus
zwischen dem Zeilenraum von A und dem Spaltenraum von A.
Der Zeilenraum einer reellen
im
5.4.4 Matrix-Multiplikation
Denition 5.20
A = (aij ), 1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ n
B = (bjk ), 1 ≤ j ≤ n; 1 ≤ k ≤ d; eine n × dMatrix. Dann ist das Matrix-Produkt A · B die m × d-Matrix mit den Einträgen
Pn
(A · B)ik := j=1 aij bjk .
eine
(Matrix-Produkt) Sei
m × n-Matrix
und
Beim Bilden des Produkts
Spaltenzahl
n
A·B
müssen wir also zuerst sicher stellen, dass die
der vorderen Matrix
A
mit der Zeilenzahl der hinteren Matrix
übereinstimmt. Sonst ist das Produkt nicht deniert. Wenn aber diese Voraus-
i-te Zeile derPMatrix A und die k -te Spalte
n
B und bildet das Skalarprodukt
j=1 aij bjk dieser beiden Elen
K , um den Eintrag in der i-ten Zeile und k -ten Spalte von A · B zu
setzung erfüllt ist, nimmt man die
der Matrix
mente von
bekommen.
Beispiele 5.45
1. Sei
A=
1
4
2
5
3
.
6
Rang einer Matrix
102
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Dann ist
T
AA =
1
4

1
3 
2
6
3
2
5

4
14

5 =
32
6
32
.
77
x∈M
und y ∈ M at(d, 1; R) die einspaltigen Matrizen

at(d,
 1; R) 
y1
x1
.
.
T
tenvektoren)  ..  und  ..  . Dann ist x ein Zeilenvektor und
2. Seien
(Spal-
yd
xd
xT · y = (
d
X
xi yi ) = (hx, yi).
(5.17)
i=1
Daher wird oft zusammen mit der Konvention, Vektoren im
hx, yi im Rd
ren zu schreiben, das Standard-Skalarprodukt
Dabei wird dann eine
1 × 1-Matrix
Rd als SpaltenvektoT
als x y geschrieben.
mit ihrem einzigen Eintrag identiziert.
Dagegen ist

x1 y1
x1 y2
.
.
.
.
.
.
xd y1
xd y2

x · yT = 
Wenn man hier
x und y
...
x1 yd
.
.
.
...
...


.
(5.18)
xd yd
vertauscht und das Ergebnis mit (5.17) vergleicht, sieht
man deutlich, dass selbst in den Fällen, wo sowohl
A·B
als auch
B·A
beide
deniert sind, diese beiden Produkte ganz verschieden sind.
Viele Eigenschaften der Matrix-Multiplikation lassen sich am besten durch den
folgenden Satz verstehen, der zeigt, dass die Multiplikation von zwei Matrizen
der Hintereinanderausführung zweier linearer Abbildungen entspricht.
Satz 5.46
B : U → V und A : V → W lineare Abbildungen. Sei B die zu
u1 , . . . , ud von U und v1 , . . . , vn von V gehörende Matrix,
und sei A die zu A bezüglich der Basen v1 , . . . , vn von V und w1 , . . . wm von W
gehörende Matrix. Dann ist A · B die zu A ◦ B bezüglich der Basen u1 , . . . , ud
und w1 , . . . , wm gehörende Matrix.
B
Seien
bezüglich der Basen
Beweis. Nach (5.7) gilt für jedes k = 1, . . . , d
A(B(uk ))
n
n
X
X
= A(
bjk vj ) =
bjk A(vj )
j=1
=
n
X
j=1
bjk
j=1
m
X
aij wi =
i=1
m
X
(A · B)ik wi .
i=1
Damit sind die Zahlen (A · B)ik gerade die linearen Koordinaten des Vektors
A ◦ B(uk ) bezüglich der Basis w1 , . . . , wm . Daraus folgt mit Bemerkung 5.26 die
Behauptung.
Bemerkung 5.47
1. Es gilt das Assoziativgesetz
(A · B)C = A(B · C), falls die
Spalten - bzw. Zeilenanzahl so zusammenpassen, dass beide Seiten deniert sind.
Dies folgt zum Beispiel aus dem letzten Satz und der Assoziativität
A ◦ (B ◦ C)
der Verknüpfung von Abbildungen.
(A◦B)◦C =
103
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
2. Es gilt
(A · B)T = B T · AT .
symmetrische Matrix
Dies kann man entweder direkt nachrechnen:
n
X
(A · B)Tki = (A · B)ik =
bjk aij =
j=1
n
X
inverse Matrix
bTkj aTji = (B T · AT )ki ,
j=1
(A ◦ B)∗ = B ∗ ◦ A∗ , Satz 5.38 und Satz 5.46 folgern. Zum Beispiel ist
(A · AT )T = AT T · AT = A · AT . Damit ist eine Matrix der Form AAT
oder aus
stets
immer
symmetrisch, dh. gleich ihrer eigenen Transponierten.
Denition 5.21 Wir denieren M at(n; K) als den Raum M at(n, n; K) aller
quadratischen Matrizen der Ordnung n und bezeichnen dessen Teilmenge
{A ∈ M at(n; K)) : rg(A) = n}
mit GL(n; K).
M at(n; K), +)
ist ein Vektorraum, also insbesondere bezüglich der Addition ei-
ne abelsche Gruppe (vgl. hierzu die Denition eines Vektorraums in Kapitel
4). Ferner ist
M at(n; K)
abgeschlossen gegenüber der (assoziativen, aber nicht
9 10
kommutativen) Multiplikation von Matrizen
GL(n; K) ist aber kein linearer Unterraum von M at(n; K)! Es ist
A ∈ GL(n; K) zwar auch −A ∈ GL(n; K), aber A + (−A) = 0 ∈
/
Die Teilmenge
z.B. für jedes
GL(n; K).
Satz 5.48
Aber es gilt
GL(n; K), ·)
ist eine
Gruppe mit der Einheits-Matrix En als Eins-
element. Insbesondere existiert zu jeder n×n-Matrix
A−1 mit A · A−1 = A−1 A = En .
inverse Matrix
A eine eindeutig bestimmte
Anmerkung: Diese Gruppe heiÿt allgemeine lineare Gruppe der Ordnung
(general linear group).
n
11
Beweis. Neben dem Assoziativitäts-Gesetz ist erstens zu bemerken, dass En A =
AEn = A gilt für jede n × n-Matrix A. Dies ergibt sich unmittelbar aus der De-
nition der Einheitsmatrix (vgl. Beispiele 5.29). Zur Existenz der inversen Matrix
beachte, dass zu jeder Matrix
A
mit rgA
=n
eine bijektive lineare Abbildung
9 und es gelten die Distributivgesetze A·(B +C) = A·C +A·B
Also ist
M at(n; K)
10 Zwar
und
(C +B)·A = C ·A+B ·A.
ein (nichtkommutativer) Ring
A und B der Ausdruck A · B (drei Symbole!) schnell
n × n-Matrizen n2 Einträge berechnen und die Berechnung
ist bei gegebenen Matrizen
hingeschrieben, aber man muss bei
jedes Eintrags braucht u.a.
n Multiplikationen von Zahlen. Daher braucht man zur Berechnung
n3 Multiplikationen. Ein schwieriges Ergebnisse der Kom-
aller Einträge der Produktmatrix
plexitätstheorie ist, dass man theoretisch bei entsprechender Vorgehensweise mit höchstens
Cnα
C eine alllerdings ziemlich grosse Konstante
α echt kleiner als 3 ist (V. Strassen). Sie sehen, dass schon scheinbar ein-
Multiplikationen auskommen kann, wobei
ist, aber der Exponent
fache Fragen, (z.B. gibt es schnellere Arten der Matrixmulitplikation als die oensichtliche?)
echte Herausforderungen darstellen können.
11 Diese Gruppe und ihre Untergruppen spielen in vielen Zusammenhängen eine wichtige Rol-
le. In der sogenannte Darstellungstheorie geht es etwa um die Frage, welche Homomorphismen
einer vorgegebenen Gruppe in eine Gruppe vom Typ
GL(n; K)
existieren. Auch die theore-
tische Physik unterscheidet ihre Theorien oft daran, für welche Untergruppen einer Gruppe
vom vom Typ
GL(n; K)
die Gesetze der jeweiligen Theorie sich nicht verändern, wenn man
das Koordinatensystem mit einer linearen Transformation aus der betreenden Untergruppe
verändert.
104
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
A : Kn → Kn
gibt, die
se Umkehrfunktion
A−1
A
bezüglich der Standard-Basis als Matrix hat. Die-
dieser bijektiven Abbildung ist ebenfalls bijektiv und
linear. Die zugehörige Matrix bezüglich der Standard-Basis sei mit
zeichnet. Wegen
A−1 · A = En .
A ◦ A−1 = idKn
folgt nach Satz 5.46
−1
A·A
= En
A−1
be-
und analog
Die Eindeutigkeit der inversen Matrix folgt z.B. aus der Eindeu-
tigkeit der Umkehrabbildung.
Die inverse Matrix zu
A ist im allgemeinen nicht sehr schnell aus A zu berechnen.
Es folgen einige Anwendungen dieses Satzes.
Satz 5.49
Es gilt stets rg(A
· B) ≤ min(rgA, rgB).
Beweis. Seien A, B zugehörige lineare Abbildungen. Dann ist ImA ◦ B ⊂ ImA
und damit rgA · B
= rgA ◦ B = dim ImA ◦ B ≤ dim ImA = rgA = rgA. Daraus
= rg(A·B)T = rgB T ·AT ≤ rgB T = rgB.
folgt durch Transposition auch rgA·B
Damit ergibt sich zum Beispiel, dass die etwas kompliziert aussehende Matrix
x · yT
in (5.18) höchstens Rang
1
haben kann. In der Tat sind alle Spalten
Vielfache voneinander. Der Rang eines Matrixprodukts kann aber auch echt
kleiner werden als das Minimum der Ränge der einzelnen Faktoren.
Folgerung 5.50
Sei A : V → W linear und A die zugehörige Matrix bezüglich
Pn
v1 , . . . , vn von V und w1 , . . . , wm von W . Sei v = j=1 λj vj ∈ V
Pm
Av = i=1 µi wi . Dann gilt
der Basen
und

µ1


λ1

 . 
 .. 
 .  = A  ..  .
λn
µn
(5.19)
Beweis. Man kann dies leicht direkt nachprüfen. Hier ist ein alternatives Argu-
B : K → V bzw. C : K → W die linearen Abbildungen λ 7→ λv bzw.
µ 7→ µ(Av). Dann ist C = A ◦ B und die beiden Spalten-Vektoren links und
ment: Seien
rechts in (5.19) sind die zugehörigen Matrizen (vgl. Bemerkung 5.32). Damit
folgt die Behauptung direkt aus dem Satz 5.46.
Wir kommen jetzt zu der Frage, wie sich ein Basiswechsel durch Matrizen beschreiben lässt.
Folgerung 5.51
V.
Sei
Spalte
wj .
a)
Sei v1 , . . . , vn die alte und w1 , . . . , wn die neue Basis von
Pn
B = (bij )i,j=1,...n die Matrix mit wj =
j=1 bij vi , dh. in der j -ten
von B stehen die alten v -Koordinaten des j -ten neuen Basis-Vektors
Dann gelten
B
idV bezüglich der Basen w1 , . . . , wn (Basis von V als
v1 , . . . , vn (Basis von V als Zielraum der Identität). Insbeson-
ist die Matrix von
Startraum) und
dere ist
B
invertierbar.
B −1 ist die Matrix von idV bezüglich der Basen v1 , . . . , vn und w1 , . . . , wn . In
−1
der j -ten Spalte von B
stehen die neuen w -Koordinaten des alten Basisvektors
vj .
b)
105
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Pm
j=1 λj vj =
i=1 µi wi lassen sich die neuen Koordinaten aus den
alten berechnen und umgekehrt nach (5.19) durch
c) Für
x=
Pn

µ1


λ1


 .. 
−1  . 
 .  = B  .. 
µn
λn
und
λ1


µ1

 .. 
 . 
 .  = B  ..  .
λn
µn
Beweis. a) Der erste Teil der Aussage folgt aus Bemerkung 5.26. Da idV
tierbar ist, ist rgB
= n.
Also existiert die inverse Matrix
inver-
B −1 .
b) Die inverse Matrix ist die Matrix zur inversen Abbildung. Daraus folgt die
erste Teilaussage aus a). Die zweite Aussage ergibt sich wie in Teil a) aus aus
Bemerkung 5.26.
c) ist eine direkte Folgerung aus Teil a) und b) und der Beziehung (5.19).
Satz 5.52
v1 , . . . , vn die alte und w1 , . . . , wn die neue
B wie in Folgerung 5.51. Wenn zu A : V → V bezüglich
−1
der alten Basis v1 , . . . , vn die Matrix A gehört, dann ist B
AB die Matrix zu
A bzgl. der neuen Basis w1 , . . . , wn .
(Basiswechsel) Sei
Basis und die Matrix
Beweis. Nach Teil c) der vorigen Folgerung und (5.19) erhalten wir nacheinander aus den
w-Koordinaten
•
der Matrix
B
•
der Matrix
AB
•
der Matrix
B −1 AB
die
eines Vektors
v -Koordinaten
die
von
v -Koordinaten
die
x∈V
durch Anwenden von
x
von
w-Koordinaten
Ax
von
Ax.
Beispiel. Wir wählen V
= R2 und betrachten die Abbildung A, die einen Vektor
auf die Gerade durch 0 mit dem Winkel θ zur x-Achse projiziert.
c
Die Gerade hat die Form: Ry wobei y =
s und c = cos(θ), s := sin(θ).
Insbesondere ist kyk = 1. Wir hatten im Abschnitt 4.2 ausgerechnet Az =
hz, yiy , also folgt für z = xy mit (5.17) und (5.18)
2 x
c sc x
A
= hz, yiy = yhy, zi = yy T z =
.
y
sc s2
y
Die zu
A
gehörige Matrix bzgl. der Standardbasis
A = yy T =
{e1 , e2 }
ist damit
c2 sc
.
sc s2
Az alle Vielfache des Vektors y sind, ist zu erwarten,
dass
A bezüglich der Basis {g1 , g2 } mit g1 := y = sc und g2 :=
−s
besonders einfach ist. Wir können sie direkt brechnen: Für jedes z hat Az
c
die g1 , g2 -Koordinaten hz, yi, 0 und damit folgt aus z = ξg1 +ηg2 , dass Az = ξg1 .
1 0
Daher gehört zu A bzgl. der Basis {g1 , g2 } die Matrix
0 0 .
Wir berechnen nun die Matrix B der zugehörigen Basistransformation. Nach
c −s
Folgerung 5.51 ist B :=
s c . Dies entspricht der Multiplikation mit der komiθ
plexen Zahl e
= c + is. Damit entspricht die inverse Matrix B −1 der
Multiplic s
−iθ
kation mit der komplexen Zahl e
= c − is. Also ist B −1 := −s
c .
Da die Bildvektoren
die die Matrix von
106
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
{g1 , g2 } gehörende Matrix
2
s
c sc
c −s
1 0
=
.
c
sc s2
s c
0 0
A
Hieraus ergibt sich für die zu
B
5.5
−1
AB=
c
−s
bzgl. der Basis
auch
Lineare Gleichungssysteme
5.5.1 Einleitung
Beispiele 5.53
1. Der Chinese Xu Yue stellt gegen 190 n.Chr. das Problem:
Wie viele Hähne, Hennen und Kücken kann man für 100 Münzen kaufen, wenn
man insgesamt 100 Vögel kaufen will und ein Hahn 5 Münzen, eine Henne 4
Münzen und 4 Kücken 1 Münze kosten?
Die 100 Münzen sollen hierbei vollständig verbraucht werden. Das führt zu dem
linearen Gleichungssystem
XHahn
5XHahn
+
+
XHenne
4XHenne
+
+
XKücken
(1/4)XKücken
= 100
= 100,
genauer zur Suche nach Lösungen dieser Gleichungen durch natürliche Zahlen.
2. In der Mechanik gilt die Beziehung
~ = I~
L
ω,
wobei
~
L
der Drehimpuls-Vektor,
I
die Matrix des Trägheitsmoments, und
ω
~
die
vektorielle Winkelgeschwindigkeit sind.
3. Das verallgemeinerte Ohmsches Gesetz lässt sich schreiben in der Form
~
~j = z E,
wobei
~j
die Stromdichte,
z
die Matrix der Leitfähigkeit, und
~
E
die Elektrische
Feldstärke bezeichnen.
4. Hier ist ein Beispiel aus der Betriebswirtschaftslehre (Modell der linearen
Produktionsfaktorfunktionen): Zur Herstellung von Drehbänken, Hobelbänken
und Fräsmaschinen werden pro Stück 250kg, 450kg bzw. 150kg an Guÿstücken
benötigt. Dies führt zu einem Verbrauch von
rG = 250 · XD + 450 · XH + 150 · XF
Guÿstücken. Ferner werden zur Herstellung der Werkzeugmaschinen pro Stück
jeweils 800kW, 600kW bzw. 500kW benötigt. Dies führt zu einem Stromverbrauch von
rS = 800 · XD + 600 · XH + 500 · XF .
rG und rS vorgeben, oder Schranken für diese
3
beiden Zahlen vorgeben und nach Vektoren (XD , XH , XF ) ∈ N0 suchen, die
diese Vorgaben erfüllen.
Man kann nun zum Beispiel
5. Eine weitere Anwendung ist die Untersuchung der linearen Unabhängigkeit

von Vektoren
a11


a1n

 .. 
 . 
 .  , . . . ,  ..  .
am1
amn
107
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
6. Lineare Gleichungssysteme treten auch bei der approximativen Lösung von
Dierential- bzw. Integralgleichungen auf.
7. Bestimmen Sie die Menge
{(x, y) ∈ (GF (3))2 : (x, y)
erfüllt (*)}.
(∗)
[2]3 x + [2]3 y = [1]3
[1]3 x + [1]3 y = [2]3
Denition 5.22
eine
(m × n)−
Sei
K
ein Körper,
n, m ∈ N
Matrix mit Einträgen aus
K
ij )1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ n
 (a
b1
 .. 
 .  ∈ Km . Dann heiÿt
und
und
bm
a11 x1
+...+
a1n xn
.
.
.
am1 x1
ein
=
.
.
.
.
.
.
+ . . . + amn xn
lineares Gleichungssystem
in den
K).
Im Falle b1 = . . . = bm = 0 heiÿt
 
x1
 .. 
inhomogen. Ein Vektor x =  .  ,
n
b1
(∗)
= bm
Unbekannten
x1 , . . . , xn
(oder mit Koezienten aus
das Gleichungssystem
für den (*) gilt, heiÿt
über
homogen,
K
sonst
Lösung des Glei-
xn
chungssystems.
Achtung:
lautet:
Hier sind die
n
X
x1 , . . . , xn
Skalare. Eine andere Schreibweise für (*)
aij xj = bi , 1 ≤ i ≤ m.
(**)
j=1
Das System (*) kann auch wie folgt umformuliert werden:

Sei

aj := 
a1j

.
.
.



die
j -te
Spalte der Matrix
(aij )
und

b := 
amj
b1
.
.
.


.
bm
Dann ist (*) ebenfalls äquivalent zu der Vektorgleichung im
x1 a1 + . . . + xn an = b.
Km
(***)
Schlieÿlich erhalten wir noch eine weitere Unformulierung durch den folgenden
Satz 5.54
(Zusammenhang zwischen linearen Abbildungen und linearen Glei-
A : Kn → Km
die durch die Matrix A = (aij )1≤i≤m; 1≤j≤n
bezüglich der Standard-Basen denierte lineare Abbildung. Schlieÿlich sei b das
m
Element von K
mit den Komponenten bi , 1 ≤ i ≤ m. Dann ist ein Spaltenvekn
tor x ∈ K genau dann eine Lösung von (*), wenn Ax = b gilt.
chungssystemen) Sei
Mit
L(A; b) = {x ∈ Kn |Ax = b}
werde die Menge aller Lösungen bezeichnet.
108
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Folgerung 5.55
b)
−1
a) L(A; b) = A ({b}),
L(A; 0) = Ker(A);
Insbesondere ist die Lösungsmenge eines homogenen Gleichungssystems ein lin
nearer Teilraum von V (bzw. K ).
Die Matrix
à = (ãij ) 1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ (n + 1) mit


a11 . . . a1n b1

.
. 
.
. 
ãij =  ...
.
.
am1 . . . amn bm
erweiterte Matrix des Gleichungssystems.
Satz 5.56 Die folgenden Bedingungen sind äquivalent:
heiÿt die
a) Das Gleichungssystem (*) ist lösbar,
b) Der Vektor
b
liegt in der Bildmenge
c) Die Spaltenräume von
b ist
= rg(Ã),
d) Der Vektor
e) rg(A)
A
und
Ã
ImA.
sind gleich.
eine Linearkombination der Spalten von
A.
Beweis. Die Äquivalenz der Bedingungen a) und b) folgt aus dem vorigen Satz.
Die Äquivalenz der Bedingungen b) und c) folgt daraus, dass der Spaltenraum
von
A
gerade gleich der Bildmenge
ImA
ist, wie nach Denition 5.19 erläutert.
Die Äquivalenz von c) und d) ist klar, und die Äquivalenz von c) und e) folgt
daraus, dass der Spaltenraum von
A auf jeden Fall in demjenigen von à enthal-
ten ist.
Satz 5.57
Ist x0 ∈ L(A; b) eine spezielle Lösung, so gilt
In Worten: Man erhält die
L(A; b) = x0 + L(A; 0).
allgemeine Lösung des inhomogenen Gleichungssystems Ax = b dadurch, dass man zu einer speziellen Lösung dieses
Gleichungssystems die allgemeine Lösung des homogenen Gleichungsystems Ax = 0 addiert.
Analoge Aussagen gelten auch für lineare Dierenzialgleichungen und eine Reihe
anderer Probleme.
Je kleiner rgA, desto kleiner
ImA und desto weniger rechte Seiten b erlauben
b, für die es eine Lösung gibt, gibt es dann (bei
von A) umso mehr verschiedene Lösungen.
eine Lösung. Für diese spezielle
festem
n
und kleinem Rang
Für gröÿtmöglichen Rang (maximalen Rang) von
A
bzw
A
gelten nach den
Ergebnissen am Ende des Abschnitts 5.3 die folgenden Aussagen.
Folgerung 5.58
Sei
Ax = b
lösbar, dann sind äquivalent:
i) Die Lösung ist eindeutig.
ii) KerA
iii) rg(A)
= {0}.
= n.
Folgerung 5.59
a)
b)
c)
d)
e)
Sei m = n, dann sind
Ax = b ist für jedes b lösbar.
Ax = b für ein b eindeutig lösbar.
Ax = 0 hat nur die Lösung 0.
Ax = b für jedes b eindeutig lösbar.
A ist bijektiv.
äquivalent:
109
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Abschlieÿend bemerken wir noch: Es sind drei Fälle für ein lineares Gleichungssystem
Ax = b möglich, die in den obigen Saätzen genauer beschrieben wurden:
n = m).
1. Existenz und Eindeutigkeit der Lösung (nur wenn
2. Unterbestimmtheit (Existenz und Mehrdeutigkeit).
3. Überbestimmtheit (keine Lösung).
5.5.2 Der Gauÿ-Algorithmus
Der Gauÿ-Algorithmus (Gauÿsches Eliminationsverfahren) ist ein einfaches und
universell anwendbares Verfahren, wie man den Rang einer Matrix bestimmen
und ein lineares Gleichungssystem lösen kann. Insbesondere kann man mit seiner
Hilfe von einer quadratischen Matrix entscheiden, ob sie invertierbar ist und
gegebenfalls die inverse Matrix berechnen.
Wir beginnen mit einem einfachen Beispiel von 3 Gleichungen in 3 Unbekannten.
2u
4u
−2u
+ v
− 6v
+ 7v
+
w
+
2w
= 5
= −2.
= 9
1. Schritt: Man subtrahiert geeignete Vielfache der ersten Gleichung von den
folgenden, so dass die erste Variable in den folgenden Gleichungen verschwindet.
2u
+ v
− 8v
8v
+ w
− 2w
+ 3w
=
5
= −12.
= 14
2. Schritt: Wir ziehen geeignete Vielfache der 2. Gleichung von der folgenden
ab:
2u
+
v
4v
+ w
+ w
w
= 5
= 6.
= 2
Wir erhalten ein Gleichungssystem in Dreiecksgestalt. Rückwärts-Einsetzen
führt dann zur Lösung.
Es empehlt sich die Eliminationsschritte mit der erweiterten Matrix zu notieren.

2
1
 0 −6
−2 7




2
1 5
2 1
1
5
0 −2 −→ 0 −8 −2 −12 −→ 0
0 8
3
14
0
2 9
1
4
0
1
1
1

5
6 .
2
Hierbei sind die führenden Koezienten (Pivots) der Gleichungen, die ungleich
Null sind, wichtig.
Wir sehen die Grundidee: Man subtrahiert Vielfache der aktuellen Zeile zu den
folgenden derart, dass unterhalb der Pivots (führenden Koezienten ungleich
Null) lauter Nullen stehen. Damit dies möglich ist, muss man eventuell Zeilen
vertauschen.
Denition 5.23 Elementare Zeilenoperationen
sind folgende Typen von
Veränderungen einer Matrix:
a) Addition (bzw. Subtraktion) eines (beliebigen) Vielfachen einer Zeile zu einer
anderen Zeile.
b) Vertauschung zweier Zeilen.
110
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Satz 5.60
Sei
A ∈ M at(m, n; K)
eine Matrix und
A0
gehe aus
A
durch Anwen-
dung einer elementaren Zeilenoperation hervor.
0
a) Dann haben die beiden Matrizen A und A den gleichen Rang.
m
b) Sei b ∈ K . Sei à die erweiterte Matrix des linearen Gleichungssystems
Ax = b. Die Matrix Ã0 gehe aus à durch die gleiche elementare Zeilenoperation
0
0
0
n
hervor wie A aus A und sei b die letzte Spalte von à . Sei x ∈ K . Genau dann
0
0
ist x eine Lösung von Ax = b, wenn x eine Lösung von A x = b ist.
Beweis. a) Es ist leicht zu sehen, dass bei elementaren Zeilenoperationen der
Zeilenraum, dh. die Menge aller Linearkombinationen der Matrix sich nicht ändert. Insbesondere ändert sich seine Dimension und damit der Rang der Matrix
nicht.
b) Wir argumentieren mit dem zu
im vorigen Abschnitt. Sei
λ ∈ K.
Ax = b
äquivalenten Gleichungssystem (*)
ersten Gleichung zur zweiten Gleichung. Wenn
jetzt
λ 6= 0,
λ-fachen
Wir betrachten die Addition des
λ=0
der
ist, geschieht nichts. Sei
und wir nehmen an, dass die beiden Gleichungen
a11 x1 + . . . + a1n xn
a21 x1 + . . . + a2n xn
= b1
= b2 ,
(5.20)
gelten. Dann erhält man durch Einsetzen der ersten Gleichung in die zweite
auch die beiden Gleichungen
a11 x1 + . . . + a1n xn
(λa11 + a21 )x1 + . . . + (λa1n + a2n )xn
= b1
= λb1 + b2 .
(5.21)
Dies entspricht der Anwendung der genannten elementaren Zeilenoperation auf
die erweiterte Matrix
Ã.
Umgekehrt schlieÿt man aus der Gültigkeit von (5.21)
analog durch Subtraktion auf die Gültigkeit von (5.20). Durch Vertauschen kann
man das gleiche Argument auch für jedes andere Paar von Zeilen durchführen.
Zusammen ergibt sich die Behauptung b) des Satzes.
Weitere Beispiele:

1
2
4
1
2
6


1
1
5 −→ 0
8
0
1
0
2


1
1
3 −→ 0
4
0
1
2
0

1
4
3
Hier ist rg(A)
= 3.

1
2
4
1
2
4


1
1
5 −→ 0
8
0
1
0
0


1
1
3 −→ 0
4
0
1
0
0

1
3
0
Hier ist rg(A)
= 2.

1
3
6
A= 2
−1 −3


3 2
1
9 5 −→ 0
3 0
0
3
0
0
3
3
6


2
1
1 −→ 0
2
0
3
0
0
3
3
0

2
1 = U .
0
111
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Denition 5.24
Eine Matrix in
Stufenform ist eine Matrix der Gestalt


~ ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
0 ~ ∗ ∗ ∗ ∗



U =
0 0 0 ~ ∗ ∗
 0 0 0 0 0 ~
0 0 0 0 0 0
~
Pivots
6= 0;
d.h. die erste Zeile ist beliebig. Der jeweils erste von
∗ keine
0
Einschränkung,
verschwindende Eintrag
jeder Zeile heiÿt Pivot. Die Pivots benden sich bei wachsendem Zeilenindex
in immer späteren Spalten, bis eventuell die letzten Zeilen der Matrix nur aus
Nulleinträgen bestehen.
Satz 5.61
m × n-Matrix A läÿt sich durch elementare Zeilenoperationen
U in Stufenform überführen. Der Rang der Matrix A ist gleich
nicht verschwindenden Zeilen in U .
Jede
in eine Matrix
der Anzahl der
Beweis. Wähle eine Zeile von A, bei der der erste nicht verschwindende Eintrag
möglichst weit vorne liegt. Durch eventuelles Vertauschen mit der bisherigen ersten Zeile sorge dafür, dass die ausgewählte Zeile die erste Zeile wird. Damit
ist der erste nicht verschwindende Eintrag in dieser ersten Zeile der erste Pivot.
Durch Addition geeigneter Vielfacher der ersten Zeile zu den anderen Zeilen lasse alle anderen Einträge der Spalte des ersten Pivots verschwinden. Schlieÿich
wende die bisherigen Schritte auf die reduzierte Matrix an, die durch Streichen
der neuen ersten Zeile entsteht. Damit erhält man den zweiten Pivot in der
zweiten Zeile wie gewünscht. Durch weitere Iterationen erhält man die weiteren Pivots und die Matrix
U
in Stufenform. Dies beweist den ersten Teil der
Behauptung.
Für den zweiten Teil beachte zunächst, dass nach dem vorangegangenen Satz
rgA
= rgU ist. Sei k die Anzahl der nichtverschwindenden Zeilen der StufenmaU . Dann sind diese k Zeilen von U linear unabhängig: Wir beweisen dies
durch Induktion über k . Der Fall k = 1 ist klar. Für den Induktionsschritt sei
vorausgesetzt, dass in jeder Stufenmatrix mit k − 1 nichtverschwindenden Zeilen
trix
diese linear unabhängig sind. Sei
0=
k
X
λi uij
für alle
j = 1, . . . , n.
(5.22)
i=1
j1 der Index der Spalte des ersten Pivots. Dann gilt u1j1 6= 0 aber uij1 = 0
i = 2, . . . , k . Daraus folgt zusammen mit (5.22) λ1 = 0. Mit der Induktionsvoraussetzung angewendet auf die Matrix, die aus U durch Streichen der ersten
Zeile entsteht, folgt dann auch λ2 , . . . , λk = 0.
Sei
für
Wie ndet man mit Hilfe dieser Umformung die Lösung von
1. Teile die Variablen
x1 , . . . , xn
Ax = b?
auf Grund der Gestalt von
U
in zwei Grup-
pen:
a)
Basisvariablen:
das sind diejenigen, die zu einer Spalte mit einem
Pivot gehören.
b)
freie Variablen: die übrigen.
112
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
2. Beim homogenen Gleichungssystem
Ax = 0
bzw.
Ux = 0
wählt man
beliebige Werte für die freien Variablen und löst dann rückwärts nach den
n − rg A =
A, da es k Basisvariablen gibt.


1 3 3 2
U = 0 0 3 1 sind x1 , x3 die Basisvariablen und x2 , x4
0 0 0 0
Basisvariablen auf. Die Anzahl der freien Variablen ist gleich
n−k =
dim Ker
Im Beispiel
die freien Variablen.
Wir wählen
x2 = v
und
x4 = w,
wobei
v, w ∈ K
beliebig sind.
Mit X4 = w erhält man aus der zweiten Zeile 3X3 + w = 0, also X3 =
−(1/3)w. Aus der ersten Zeile erhält man dann X1 +3v+3·(−1/3)w+2w =
0; also X1 = −3v − w.
Damit erhalten wir die Lösung:


 


−3v − w
−3
−1


1
 0 
v

 


X=
−(1/3)w = v  0  + w −1/3
w
0
1
Es gibt keine weiteren Lösungen, da dim KerA
mit
v, w ∈ K
= 2.
3. Beim inhomogenen Gleichungssystem gilt
Satz 5.62
Das Gleichungssystem
Ax = b
hat genau dann eine Lösung, wenn
nach den Zeilenumformungen der erweiterten Matrix
letzten
(m − k)
Ã
in der letzten Spalte die
Komponenten verschwinden.
In diesem Fall erhält man eine spezielle Lösung dadurch, dass man alle freien
Variablen auf den Wert
0 setzt. Die allgemeine Lösung ergibt sich dann aus dieser
durch Addition der allgemeinen Lösung des homogenen Gleichungssystems.
Bemerkung 5.63
Mit diesem Algorithmus hat man für eine quadratische Ma-
A ∈ M at(n, K) in der Tat auch ein Verfahren zur Überprüfung der Existenz
−1
einer Inversen A
und gegebenenfalls zu deren Berechnung: Denn zunächst
kann man rgA = n überprüfen. Falls diese Bedingung erfüllt ist, kann man
(i)
zweitens die n inhomogenen linearen Gleichungssysteme Ax
= ei (wobei die
e1 , . . . , en die Standard-Basis von Kn ist), lösen und erhält damit die n Zeilen
x(1) , . . . , x(n) der inversen Matrix.
trix
Index
ε-Kugel, 66
b-adisch Darstellung:
Cauchy-Schwarz-Buniakowski, 61
schliesslich peri-
Cosinus, 64, 76
odische, 33
b-adische Darstellung, 32
b-adische Darstellung: Eindeutigkeit, 34
b-adische Darstellung: abbrechende, 33
Darstellung, 32
überabzählbar, 39
dicht, 72
Denitionsbereich, 10
Dezimaldarstellung, 32
Dierenzmenge, 38
abelsch, 60
Dimension, 86
abgeschlossen, 66
direkte Summe, 87
absolut konvergente Reihe, 49
diskrete Metrik, 65
Abstand reell, 25
Distributivgesetz, 17
abzählbar, 38
Divergenz von Folgen, 45
Additionstheoreme, 76
Division in
adjungierte Abbildung, 99
Division mit Rest, 35
alle bis auf endlich viele, 41
Division, schriftliche, 36
Altgrad, 79
Dreiecksungleichung, 64
Anordnung, 24, 51
Dreiecksungleichung reell, 25
Archimedisches Axiom, 27
Argument einer Funktion, 10
Assoziativgesetz, 17
Austauschsatz, 85
duale Basis, 97
Dualraum, 92
Durchschnitt, 10
Element, 9
erweiterte reelle Achse, 30
Babylonier, 32
Euklidische Norm, 61
Basis, 84
b-adischen
23
echte Teilmenge, 10
Auswahl-Axiom, 67
Basis der
R,
Entwicklung, 32
Bernoullische Ungleichung, 31
beschränkt, 28
Euler-Approximation, 53
Eulersche Zahl, 52
Exponentialfunktion, 52
beschrankt, 67
Faden, 19
beschränkt, 42
Fakultät, 13, 51
Bidualraum, 98
Familie, 84
bijektiv, 10
Fibonacci-Zahlen, 14, 31
Bild-Kern-Zerlegung, 91
Folge, 11
Binomialkoezienten, 51
folgenabgeschlossen, 67
Binomische Formel, 52
Funktionalgleichung, 54, 56
Bogenmaÿ, 79
Bolzano-Weierstraÿ, 46
ganze Zahlen, 17, 26
Bruchrechnung, 18
Gauss-Klammer, 28
Geometrische Reihe, 48
Cantor, 11, 39
geometrische Summe, 12
113
114
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Gleichheit, 7
Paradox, 11
gleichmäÿig stetig, 71
Partialsumme, 47
Grenze, 29
Peano, 5
Grenzwert, 41
Permutation, 50
Gruppe, 60
Permutationsmatrix, 95
Polarkoordinaten, 79
harmonische Reihe, 48
Imaginärteil, 74
Inmum, 29
injektiv, 10
Intervall, 27
Polynom, 86
Polynomfunktion, 87
Potenzen, 26
Potenzmenge, 10, 14
Quotientenkriterium, 50
inverse Matrix, 103
Rand, 66
kanonischer Isomorphismus, 97
Rang einer linearen Abbildung, 91
Kardinalität, 50
Rang einer Matrix, 101
Kern, 90
rationale Zahlen, 18, 26
Kommutativgesetz, 17
Realteil, 74
Kompaktheit, 67
Rekursion, 13, 14
komplex konjugiert, 74
Restklassenkörper, 81
komplexe Zahlen, 74
Russell, 11
Konstanten, 7
konvergente Folge, 41
schlieÿlich alle, 41, 44
Konvergenz, 65
schlieÿlich konstante Folge, 31
Kronecker-Symbol, 86
Schranke, obere, 28
Körper, 21
Schranke, untere, 28
Schubfachprinzip, 51
leere Menge, 10
senkrecht, 99
Leibniz-Kriterium, 49
Signum, 63
Limes, 41
Sinus, 76
lineare Struktur, 59
Skalarprodukt, 61
Logarithmus, 56
Spaltenrang, 100
Luftlinien-Abstand, 65
Spaltenraum, 100
Standard-Isomorphismus, 98
Maximum von zwei Zahlen, 25
Standardbasis, 86
Mengengleichheit, 9
stetig, 69
Metrik, 64
stetige Fortsetzung, 73
monotone Folge, 44
Stetigkeit, 55
Stetigkeitsstelle, 69
nach oben unbeschränkt, 30
Supremum, 29
nach unten unbeschränkt, 30
Supremumsaxiom, 18, 29
Nachfolger, 5
surjektiv, 10
naturliche Basis, 97
symmetrische Matrix, 103
Neugrad, 79
Norm, 61
Taxifahrer-Metrik, 65
Nullfolge, 41
Teilmenge, 9
Nullpunkt, 59
Teilmengen,
k -elementige,
transponierte Matrix, 97
oder, 10
oen, 66
Umgebung, 41
orthogonale Vektoren, 64
Umkehrfunktion, 50
51
TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005
Ursprung, 59
Variable, 7
Vektorraum, 60
Vereinigung, 10
Verknüpfung von Funktionen, 50
Vertauschungsmatrix, 95
vollständige Induktion, 12
Vollständigkeit, 47
Vorgänger, 15
Wert einer Funktion, 10
Widerspruchs-Beweis, 7
Winkel, 64
Zeilenrang, 100
Zeilenraum, 100
Ziehharmonika-Summe, 48
Zier, 33
Zwischenwertsatz, 56
115
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