Einführung in die Mathematik I Skript zur Vorlesung im Sommersemester 2005 Heinrich v. Weizsäcker Fachbereich Mathematik Technische Universität Kaiserslautern 2 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Vorbemerkung für die Hörer Dies Skript wird schrittweise, voraussichtlich mit etwas Zeitabstand nach der Vorlesung herausgegeben, und ab und zu erweitert und überarbeitet. Es enthält einerseits den wesentlichen Kern des an der Tafel erscheinenden Textes, und dient hauptsächlich dessen Nachkontrolle. Das Skript enthält aber gelegentlich auch ergänzende Abschnitte und Beweise. Umgekehrt tauchen manche Bemerkungen und Beweise aus der Vorlesung hier nicht auf. Für Hinweise auf Druck- und sonstige Fehler bin ich dankbar. Bitte fragen Sie bei allen Unklarheiten, damit wir gemeinsam klären, ob der Text eventuell verbessert werden sollte, oder ob es sich eher um ein Verständnisproblem handelt, oder beides. HvW Version von 29. Juli 2005 Inhaltsverzeichnis 1 Methodische Grundbegrie 5 1.1 Was sind die natürlichen Zahlen? Die Peano-Axiome . . . . . . . 1.2 Der Umgang mit mathematischen Zeichen . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Das griechische Alphabet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4 Mengen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.5 Vollständige Induktion und Rekursion . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.6 Der Weg von den Peano-Axiomen zu den rellen Zahlen . . . . . . 14 1.6.1 Herleitung des Rekursionsprinzips 14 1.6.2 Kurze Skizze der Denition und Ausdehnung der Rechen- . . . . . . . . . . . . . operationen und Zahlbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Die reellen Zahlen 5 17 21 2.1 Die Körperaxiome 2.2 Axiome der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2.1 Das Archimedische Axiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2.2 Das Supremumsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.3 Beispiele reeller Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.4 Die . . . . . . . . . . . . . . 32 2.5 Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b-adische Darstellung reeller Zahlen 3 Konvergenz von reellen Folgen und Reihen 41 3.1 Konvergenz von Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Konvergente Teilfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3 Unendliche Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.4 Nachtrag über Bijektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.5 Die reelle Exponentialfunktion 52 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Der Raum Rd d 59 4.1 R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.2 Das Standard-Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d als Vektorraum 41 4.3 R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.4 Stetige Funktionen in metrischen Räumen . . . . . . . . . . . . . als metrischer Raum 68 4.5 Die komplexen Zahlen 73 4.6 Die komplexe Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 5 Vektorräume und Lineare Abbildungen 81 5.1 Lineare Teilräume und Linearkombinationen . . . . . . . . . . . . 81 5.2 Lineare Unabhängigkeit und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.3 5.4 5.5 5.2.1 Lineare Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2.2 Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.2.3 Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.2.4 Direkte Summen von Unterräumen . . . . . . . . . . . . . 87 Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Koordinaten-Darstellung und Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . 92 5.4.1 Konstruktion linearer Abbildungen . . . . . . . . . . . . . 92 5.4.2 Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen . . . . . 93 5.4.3 Die Transposition von Matrizen und der Dualraum . . . . 97 5.4.4 Matrix-Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.5.2 Der Gauÿ-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Peano Nachfolger Kapitel 1 Methodische Grundbegrie 1.1 Was sind die natürlichen Zahlen? Die PeanoAxiome Wir beginnen mit den natürlichen Zahlen, also den Zahlen 1, 2, 3 u.s.w.. Was sind eigentlich die Zahlen? Es lohnt, sich darüber Gedanken zu machen. 1 Wenn man dann feststellt, dass eine wirklich klare Antwort überraschend schwer fällt, kann man um so besser würdigen, wenn wir Mathematiker die Grundlage unseres Umgangs mit den natürlichen Zahlen in einer kurzen Liste einfacher Regeln festhalten können, z.B. in den sogenannten Peano-Axiomen : P1. 1 ist eine natürliche Zahl. 2 P2. Zu jeder natürlichen Zahl n gibt es eine und nur eine natürliche Zahl n + 1. Nachfolger von n. Sie heiÿt der P3. 1 ist nicht Nachfolger irgendeiner natürlichen Zahl. P4. Verschiedene natürliche Zahlen haben auch verschiedene Nachfolger. P5. Sei E eine denkbare Eigenschaft natürlicher Zahlen, so dass folgendes gilt: a) die Zahl 1 hat die Eigenschaft E, und b) aus der Tatsache, dass eine natürliche Zahl stets, dass auch die Nachfolgerzahl n+1 Dann hat jede natürliche Zahl die Eigenschaft 1 Durch n die Eigenschaft die Eigenschaft E E hat, folgt hat. E. Erfahrung und Gewöhnung haben wir eine ziemlich gute Vorstellung, was Zahlen sind, andererseits ist eine umfassende inhaltliche Denition des Begris der Zahl nicht einfach, und die Bedeutung und die Rolle der Zahlen im übrigen Leben ist ein unerschöpiches Thema. Sie sind ein unerlässliches Hilfsmittel für praktische Probleme, für viele Menschen sind sie auch ein Symbol einer übergeordneten Ordnung oder Harmonie der Welt. Der alt-griechische Ausdruck λóγoσ (logos), der normalerweise mit Wort übersetzt wird, und von dem die Worte logisch und Logik stammen, bedeutete auch Zahl. Wenige Aspekte des geistigen Lebens sind so zeitlos und zwischen den Kulturen übertragbar wie die Zahlen, und gleichzeitig haben sie entscheidenden Anteil am rasanten Wandel unserer Gegenwart. 2 In vielen Büchern wird in und hier) gewählt. Dass die 0 P1 und P3 die 0 statt der weniger natürlich als die 1 1 (wie in Peanos Originalversion ist, sieht man schon daran, dass sie historisch viel später entdeckt bzw. eingeführt wurde als die Zahlen 5 1, 2, 3, · · · . 6 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Bestimmt wissen Sie schon ziemlich viel über die natürlichen Zahlen, vielleicht dass 7 · 11 · 13 = 1001 gilt oder dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Lauter Dinge die in diesen fünf Regeln gar nicht direkt angesprochen werden. Worauf es bei diesem Axiomensystem ankommt, ist zunächst die Tatsache, dass diese Regeln eine vollständige Beschreibung der natürlichen Zahlen darstellen in dem Sinn, dass das und nur das, was man aus ihnen herleiten kann, eine gesicherte Erkenntnis über die natürlichen Zahlen darstellt. Also ist insbesondere alles, was irgendein Experte sicher über die natürlichen Zahlen weiÿ, eine Folgerung aus diesen fünf Regeln! Sonst wäre sein Wissen nicht sicher in dem hier verwendeten Sinn des Worts. Als zweites versucht man im allgemeinen, ein Axiomensystem sparsam zu gestalten. Keine der fünf Regeln ist überüssig in dem Sinn, dass sie aus den anderen Regeln gefolgert werden könnte. Illustrieren wir das an Regel P3: Um zu zeigen, dass sie nicht überüssig ist, betrachten wir ein künstliches Zahlensystem, indem wir einfach die Zahl oft man dann Regel 1 zu ihrem eigenen Nachfolger erklären. Wie P2 auch anwendet, man bekäme keine neuen natürlichen Zahlen. Das dürftige Zahlensystem, das nur aus der 1 besteht, würde alle vier P1, P2, P4, P5 erfüllen (Überzeugen Sie sich bitte davon! Zum 0 Beispiel gilt P4. Anders formuliert lautet dies Axiom ja: Wenn n, n zwei verübrigen Regeln schiedene natürliche Zahlen sind, dann sind die Nachfolger auch verschieden. Weil es in diesem System aber gar keine verschiedenen Zahlen gibt, tritt die in dem Wenn-Halbsatz beschriebene Situation nie auf, also ist die Annahme dieses Halbsatzes in diesem System immer falsch. Die Regel P4 betrit aber nur Situationen, in denen diese Annahme richtig ist. Für die anderen Fällen ist sie 3 sozusagen nicht zuständig. ) Die Regel P3 wäre aber in diesem System verletzt, also kann sie nicht aus den anderen vier Regeln gefolgert werden, denn sonst müsste sie auch in diesem Primitivsystem gelten. 1.2 Der Umgang mit mathematischen Zeichen Wir benutzen die Peano-Axiome zunächst, um ein paar Bemerkungen und Tipps zur Verwendung mathematischer Zeichen und Symbole zu illustrieren. Ausserdem lernen wir etwas über die Arbeit mit Axiomensystemen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Abschnitte 1.2 und 1.4 keinen Ersatz bilden für eine Einführung in die Logik und axiomatische Mengentheorie. Das sind umfangreiche Gebiete, die die Mathematik einbetten in formale Systeme von Schlussweisen mit dem Ziel, alle mathematischen Argumente vollständig und hieb- und stichfest auf formale Grundregeln zurückzuführen so dass z.B. auch ein Computer die Korrektheit der Argumentation nachvollziehen könnte. Da eine Einführung in diese Gebiete zu zeitraubend wäre und für das Kennenlernen der meisten wichtigen mathematischen Strukturen nicht viel beiträgt, verzichtet man im Mathematik-Studium (leider) oft darauf, und stellt sich auf den Standpunkt eines - logisch etwas verfeinerten - gesunden Menschenverstands. Wir wollen hier aber wenigstens ein paar allgemeine Vorgehensweisen 3 Das allgemeine logische Prinzip Ex falso quodlibet sagt: Aus etwas Falschem könnte man alles folgern. 7 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 bei der mathematischen Argumentation explizit ansprechen, die in vielen Lehrbüchern kommentarlos verwendet bzw. vorgeführt werden. Es ist nützlich, zu unterscheiden zwischen den mathematischen Objekten, hier etwa natürlichen Zahlen, und den Symbolen, mit denen wir die Objekte bezeich- 1, 2, 3, nen, z.B. Sonderzeichen wie setzte Ausdrücke wie oder Buchstaben z.B. n, oder zusammenge- n + 1. Jedes Objekt kann auf verschiedene Weise bezeichnet werden. Um auszudrücken, dass zwei Symbole dasselbe Objekt bezeichnen, benutzt man das Gleichheitszei- P1 und P2 wissen wir zum Beispiel: Es gibt eine chen. Durch Kombination von 1 + 1. Wir 1 + 1 = 2. Überall, wo 1 + 1 und nur eine natürliche Zahl bezeichnen sie auch mit dem Zeichen Es ist also steht, darf man daher auch 2 2. schreiben und umgekehrt. Abstrakter: Wenn einmal feststeht, dass zwei Beschreibungen das gleiche Objekt bezeichnen, darf überall dort, wo die eine Beschreibung dieses Objekts verwendet wurde, auch die andere Beschreibung verwendet werden. Beispielsweise folgt aus der Regel 1 tischer: die mit den Zeichen ungleich sind: Es ist P3, dass die beiden Zahlen 1 und 2 (pedan- und 2 bezeichneten Zahlen) verschieden, d.h. 4 1 6= 2. Denn wäre 1 = 2, so dürfte man in P3 statt 1 auch 2 schreiben, dh. die 2 wäre keine Nachfolgerzahl. Andererseits ist aber nach Konstruktion ist 2 doch eine Nachfolgerzahl. Dieser Widerspruch zeigt, dass 5 sein kann, was zu zeigen war. Analog ergibt sich: 1 1 + 1 = 2, also 1 nicht gleich 2 ist verschieden von jeder Nachfolgerzahl. Nun weiter zu mathematischen Bezeichnungen: Die Zeichen 1, 2, 3 u.s.w. bezeich- nen immer, wenn sie als eigenständige Zeichen auftauchen, die gleiche Zahl. Hier Konstanten-Zeichen. Der Buchstabe n in P2 (und analog P5) dagegen bezeichnet dort eine Variable. Das bedeutet: Dieser Buchstabe handelt es sich um in kann für eine beliebige natürliche Zahl stehen, dh. wir dürfen für ihn irgendeine feste natürliche Zahl einsetzen, so wie wir z.B. oben für das eingesetzt haben, um Buchstaben n 1+1 n in P2 die Zahl 1 zu bilden. Wenn eine Zahl gewählt ist, die für den eingesetzt wird soll, dann muss im folgenden Text überall dort, wo der Buchstabe n auftaucht, diese gleiche Zahl beibehalten werden, und zwar so lange, bis aus dem Zusammenhang klar wird, dass der zugehörige Gedankengang abgeschlossen ist. Zu merken, wann dies der Fall ist, ist etwas Übungsoder Erfahrungssache. Danach kann dann wieder eine andere Zahl eingesetzt werden. Die Variable ist wieder freigegeben. Als Beispiel können wir, nachdem wir die natürliche Zahl 2 aus P1 und P2 erP2 wieder halten haben, und daher dieser Vorgang abgeschlossen ist, die Regel neu anwenden und diesmal für die Zahl 4 Sie 2 + 1. n jetzt die neue Zahl Diese bezeichnen wir auch mit 3, 2 einsetzen und erhalten u.s.w.. Durch Iteration, dh. werden vielleicht sagen: Na toll, das habe ich auch vorher schon gewusst! Hier kommt es darauf an, ob diese selbstverständliche Tatsache auch wirklich aus den obigen Regeln folgt. 5 Dies war ein sogenannter indirekter oder Widerspruchs-Beweis. Er ging von der Annahme aus, das Gegenteil der Behauptung gelte, und führte diese Annahme zu einem Widerspruch. Also war die Annahme falsch, und die Behauptung muss richtig sein. Gleichheit Konstanten Variable 8 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Wiederholung dieses Vorgangs, kann man die Regel Analog bezeichnet der Buchstabe E in P2 beliebig oft anwenden. P5 eine variable Eigenschaft (der pro- fessionellere Ausdruck ist Prädikat). Man kann für E irgendwelche denkbaren Eigenschaften von Zahlen einsetzen, muss aber im jeweiligen Zusammenhang dann bei der festgelegten Wahl bleiben. Dass hier die speziellen Buchstaben sondere Rolle. Wenn man statt n oder E gewählt wurden, spielt keine be- P2 geschrieben hätte: Zu jeder natürlichen Zahl Fritz gibt es eine und nur eine natürliche Zahl Fritz + 1. Sie heiÿt der Nachfolger von Fritz., dann hätte sich der mathematische Gehalt der Regel P2 nicht geändert. 1.3 Das griechische Alphabet Häug will man in einem Gesamtzusammenhang viele verschiedene Objekte oder auch Objekte verschiedener Art gleichzeitig studieren. Dabei braucht man dann mehr Variablen-Zeichen und Arten von Zeichen als das normale lateinische Alphabet zur Verfügung stellt. Eine Möglichkeit ist zu verschiedenen Schriftarten überzugehen: E1 , E2 , E 2 , E23 E, E, E bets: Klein Groÿ Name α β γ δ ε ζ η ϑ ι κ λ µ ν ξ A Alpha B Beta Γ ∆ Gamma Delta E Epsilon Z Zeta H Eta Θ I usw.. Eine andere ist die Verwendung von Indizes: o.ä.. Beliebt ist auch die Verwendung des griechischen Alpha- Theta Iota K Kappa Λ Lambda M Mü N Nü Ξ Xi o O Omikron π ρ σ τ υ ϕ χ ψ ω Π Pi P Rho Σ Sigma T Tau Υ Φ Ypsilon Phi X Chi Ψ Ω Psi Omega. 9 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Statt ε, ϑ ϕ und gibt es auch die Schreibweisen , θ und φ. Zur besseren Verständigung sollten Sie sich die Namen der griechischen Buchstaben merken. Unter den Groÿbuchstaben des griechischen Alphabets sind einige, die genauso aussehen wie lateinische Groÿbuchstaben. Diese werden in der Mathematik nicht verwendet. Dementsprechend wird das kleine Omikron nicht verwendet, weil es von unserem 1.4 o nicht zu unterscheiden ist. Mengen und Funktionen Dieser Abschnitt gibt erste Hinweise zur Gebrauch von Mengen und Funktionen, weitere kommen später dort, wo sie zum ersten Mal benötigt werden. Georg Eine Cantor, der Begründer der Mengenlehre, denierte eine Menge so: Menge ist die Zusammenfassung bestimmter, wohlbestimmter Dinge unElemente der Menge genannt serer Anschauung oder unseres Denkens, welche werden, zu einem Ganzen. Man kennt eine Menge, wenn man ihre Elemente kennt. Man kann zur Beschreibung einer Menge eine Liste ihrer Elemente angeben oder auch eine charakteristische Eigenschaft formulieren, so dass die Menge genau aus den Dingen oder Objekten besteht, die diese Eigenschaft haben. Hier sind vier Beschreibungen der gleichen Menge: {2, 4, 6, 8}, {2, 6, 4, 8}, {2, 6, 4, 4, 8}, {x : x ist eine gerade natürliche Zahl kleiner als 10}. Bei der Beschreibung von Mengen in einer Formel verwendet man geschweifte Klammern {}, die sogenannte Mengenklammern. Reihenfolge und Wiederho- lungen bei der Auistung der Elemente spielen keine Rolle. Der Doppelpunkt : in der Beschreibung durch eine Eigenschaft wird gelegentlich auch durch einen senkrechten Strich Wir schreiben N ersetzt. x∈M um auszudrücken, dass zwei Mengen, so bedeutet oder M ist in N | N N ⊂M x ein Element von M in Worten: M ist enthalten, dass jedes Element von ist. Zwei Mengen auch M ⊂ N, M und N M ist. Sind M, Teilmenge von N , auch ein Element von sind gleich genau dann, wenn sowohl M ⊂N als gilt. Der Nachweis der Gleichheit zweier Mengen besteht also oft in zwei Arbeitsgängen. Im obigen Beispiel muss man zum Beweis, dass die erste und die vierte Menge gleich sind, erstens zeigen, dass jede der Zahlen eine natürliche Zahl und kleiner als 10 10 in der 2, 4, 6, 8 auch vorkommt (damit ist die vierte Menge Teilmenge der ersten). menge der vierten), und zweitens, dass jede natürliche Zahl kleiner als Liste 2, 4, 6, 8 ist (damit ist die erste Menge eine Teil- Element Teilmenge Mengengleichheit 10 echte Teilmenge Potenzmenge leere Menge Durchschnitt Vereinigung oder Argument einer Funktion Wert einer Funktion Denitionsbereich surjektiv injektiv bijektiv TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 M ⊂ N Wenn gilt, dann sind die beiden Mengen natürlich genau dann ver- x von N schieden, wenn es ein Element nennt die Menge M aller Teilmengen einer Menge manchmal mit Pot(M ) M Für zwei Mengen ist. Man leere Menge. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass ∅ sie keine Elemente hat. Sie wird mit N M echte Teilmenge von N . Die Menge wird die Potenzmenge von M genannt und bezeichnet. Eine spezielle Menge ist die Zahlen wird mit gibt, das nicht Element von in diesem Fall eine bezeichnet. Die Menge aller natürlichen bezeichnet. M und N ist ihr jekte, die sowohl Element von M Durchschnitt M ∩ N die Menge aller ObN sind. Die Vereinigung M ∪ N als auch von ist die Menge aller Objekte, die Element von M oder von N sind. Das Wort oder wird dabei, wie fast immer in der Mathematik, im nicht ausschliessenden M ∪ N gehören also auch alle Elemente von M ∩ N . Die N ∪ {0} der nicht-negativen ganzen Zahlen, die entsteht, wenn man die 0 zu N hinzufügt, wird oft mit N0 bezeichnet. Sinn verwendet. Zu Menge Zahl Wenn M und N zwei (nicht notwendig verschiedene) Mengen sind, dann ist eine Funktion (oder auch Abbildung) f x von M von M nach N eine Vorschrift, die jedem f (x) von N zuordnet. x dann ein Argument der Funktion f und f (x) der Wert von f an der Stelle x. Man schreibt in dieser Situation auch f : M → N . Ein Beispiel ist die Nachfolgerfunktion f : N → N, die jeder natürlichen Zahl n die Zahl n+1 zuordnet. Die Menge M heiÿt der Denitionsbereich von f und die Menge N der Zielbereich von f . Sei A ⊂ M . Die Menge Element ein eindeutig bestimmtes Element Dabei heisst {y : es heiÿt Bild Die Menge Werte N. oder f (M ) gibt ein Bildmenge heiÿt einfach von x∈A A mit unter f y = f (x)} und wird mit f (A) bezeichnet Bild(menge) von f . Ihre Elemente heiÿen die der Funktion. Die Bildmenge ist eine (eventuell echte) Teilmenge von Im obigen Beispiel ist f (N) = {2, 3, 4, · · · }. Sei nun B ⊂ N. Dann heiÿt die Menge {x : x ∈ M das Urbild der Menge B unter f und f (x) ∈ B} und wird mit f −1 (B) bezeichnet. f : M → N jedes Element von N auch als Wert vorf (M ) = N ist, dann heiÿt die Funktion f surjektiv. Wenn f die Eigenschaft hat, dass verschiedene Elemente von M auch auf verschiedene Elemente von N abgebildet werden, dann heiÿt f injektiv. Äquivalent dazu ist 0 0 natürlich die Eigenschaft von f , dass aus f (x) = f (x ) auch x = x folgt. Die Nachfolgerfunktion f : N → N ist nach P4 injektiv, aber sie ist nicht surjektiv. Die konstante Funktion g : N → N, die jeder natürlichen Zahl n die Zahl 1 zuordnet, ist weder surjektiv noch injektiv. Die Funktion h : N → {1}, die ebenfalls jeder natürlichen n die Zahl 1 zuordnet, ist surjektiv aber nicht injektiv. Wenn f gleichzeitig surjektiv und injektiv ist, dann heiÿt f bijektiv, man sagt dann auch: f ist eine Bijektion zwischen M und N . Wenn für eine Funktion kommt, wenn also 11 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Ein weiterer nützlicher Begri ist ein Ausdruck der Form geordnetes Paar. Anschaulich ist das ein Folge (a, b), wobei a das erste Glied und b das zweite Glied ist. Für die mathematische Praxis ist das eigentlich eine ausreichende Denition. Wie Sie schon bei den Peano-Axiomen gemerkt haben, versuchen wir Mathematiker aber mit möglichst wenigen Grundbegrien auszukommen und neue Begrie oder Regeln auf die schon bekannten zurückzuführen. Da wir den FunktionsBegri schon haben, können wir den Begri des geordneten Paars auf diesen f mit Denitionsa = f (1) ist und b = f (2), dann bezeichnen wir diese Funktion auch mit (a, b). Sind A, B zwei Mengen, so heiÿt die Menge aller geordneten Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B das cartesische Produkt von A und B und wird mit A × B bezeichnet. Es ist also zurückführen: Ein geordnetes Paar ist einfach eine Funktion {1, 2}. bereich Wenn A × B = {(a, b) : a ∈ A, b ∈ B}6 . Analog denieren wir Tripel als auf der Menge {1, 2, 3} denierte Funktionen, und so weiter. Die konsequente Ausdehnung dieser Idee führt zu Denition 1.1 Eine Folge ist eine Funktion mit Denitionsbereich 7 N und beliebigem Zielbereich. Für Folgen schreibt man die Argumente meistens als In- an (an )n∈N a(n). dex. Also statt oder bezeichnet. Der Wert n-tes Die ganze Folge wird mit Glied der Folge genannt. an an der Stelle a1 , a2 , . . . oder (a1 , a2 , . . .) n wird in diesem Fall auch Der wesentliche Fortschritt von Cantors Mengenbegri war, dass man auch unendliche Gesamtheiten als eigenständige mathematische Objekte behandeln konnte. Bertrand Russell zeigte aber, dass die Cantorsche Denition bei uneingeschränktem Gebrauch zu Widersprüchen führt: Er betrachtete etwa die Menge MR aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten, und stellte die Frage: Enthält dann hat MR Elemente von MR sich selbst als Element? Wenn die Antwort NEIN lautet, nach der Denition von MR , also gehört MR MR die charakteristische Eigenschaft der doch als Element zu MR , die Antwort auf die Frage lautet also doch JA. Wenn umgekehrt die Antwort JA lautet, dann muss MR als Element von von MR MR eben diese charakteristische Eigenschaft der Elemente haben, sich selbst nicht als Element zu enthalten, dh. die Antwort ist doch NEIN. Um dies Russellsche Paradox zu überwinden, wurde die axiomatische Mengenlehre entwickelt, mit dem Ziel, Axiome zu nden, die festlegen, welche Art von Mengenbildungen erlaubt sind. Auf diese Weise hat man de facto alle ähnliche Widersprüche vermeiden können, auch wenn der tatsächliche Beweis der Widerspruchsfreiheit der wichtigsten Varianten dieser (inzwischen sehr umfangreichen) Theorie noch aussteht. 6 Häug werden aber auch die geordneten Paare direkt auf den Mengen-Begri zurückge- (a, b) führt, indem das geordnete Paar mit der Menge {a, {a, b}} identiziert wird. Dann kann man umgekehrt den Funktionsbegri auf den Begri der geordneten Paare und damit letzten Endes auf den Mengenbegri zurückführen: Eine Funktion solche Teilmenge f von A × B, für die zu jedem a∈A f :A→B wird aufgefasst als eine ein und nur ein b ∈B existiert mit (a, b) ∈ f . 7 Später werden wir auch Folgen mit Denitionsbereichen der Form zulassen, wobei k irgendeine von 1 verschiedene ganze Zahl ist {k, k + 1, k + 2, . . .} Cantor Russell Paradox 12 vollständige Induktion geometrische Summe TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Die pragmatische Schlussfolgerung in dieser zugegebenerweise nach wie vor etwas unbefriedigenden Situation ist, dass wir uns beim Bilden neuer Mengen auf solche Konstruktionen beschränken, die wir für unsere mathematischen Zwecke auch tatsächlich brauchen, und dass wir uns dann aller bisherigen Erfahrung nach nicht in Widersprüche verwickeln. 1.5 Vollständige Induktion und Rekursion Das Axiom P5 heiÿt auch Induktions-Axiom. Wenn man eine Eigenschaft E für alle natürlichen Zahlen beweisen will, dann genügt es nach diesem Axiom für die Eigenschaft E die Bedingungen a) und b) nachzuprüfen. Der Nachweis der 1 die Eigenschaft E hat, heiÿt Induktionsanfang. Der Nachweis der Bedingung b), dass nämlich aus der Induktionsvoraussetzung, dass E für eine natürliche Zahl n gilt, auch die Gültigkeit von E für die Zahl n + 1 folgt, heiÿt Induktionschritt. Jeden Beweis, der nach diesem Muster abläuft, nennt man einen Beweis durch vollständige Induktion oder kurz Induktionsbeweis. Hier sind zwei einfache Beispiele, die die Bedingung a), dass nämlich die Zahl üblichen Rechenoperationen als bekannt voraussetzen. Satz 1.1 Für jede natürliche Zahl n gilt 1 + 2 + ... + n = n(n + 1) 2 (1.1) Beweis. Induktionsanfang: Es ist 1 = 1·2 2 , also gilt die Behauptung für n = 1. Induktionsvoraussetzung: Die Beziehung (1.1) gelte für die Zahl Induktionsschritt n → n + 1: 1+2+. . .+n+n+1 = n(n + 1) + 2(n + 1) (n + 2)(n + 1) n(n + 1) +n+1 = = , 2 2 2 also gilt dann die Behauptung auch für richtig, wenn man an der Stelle von Satz 1.2 n. Unter der Induktionsvoraussetzung ist n (geometrische Summe) Sei n + 1, dh. die Beziehung n + 1 einsetzt. (1.1) bleibt die Zahl x eine reelle Zahl mit x 6= 1. Sei k ∈ N0 . Dann gilt 1 + x + x2 + . . . + xk = 1 − xk+1 . 1−x (1.2) Beweis. Induktionsanfang: Wir fangen jetzt mit k = 0 an. Das ist auch zulässig E der natürlichen n ≥ 1 im Axiom P5 denieren als: die Behauptung (1.2) gilt für k = n−1. Für k = 0 ist die linke Seite von (1.2) zu lesen als 1: Der zweite Summand x taucht erst im Fall k = 1 auf. Auf der rechten Seite von (1.2) steht im Fall k = 0 1−x der Bruch 1−x , also auch 1. Induktionsvoraussetzung: Die Gleichung (1.2) gelte für k . Induktionsschritt k → k + 1: Unter der Induktionsvoraussetzung ist bei vollständiger Induktion, denn man kann ja die Eigenschaft Zahl 1+x+x2 +. . .+xk+1 = 1 − xk+1 1 − xk+1 + (1 − x)xk+1 1 − xk+2 +xk+1 = = . 1−x 1−x 1−x Damit gilt die Beziehung (1.2) sinngemäss für k+1 an Stelle von k. 13 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Es stellt sich die Frage, wie man zu den Rechenoperationen und den zugehörigen Regeln kommt, wenn man nur die Peano-Axiome zur Verfügung hat. Das geht, ist aber zeitaufwendig, so dass wir auf die Einzelheiten verzichten. Eine entscheidende Idee dabei ist die Denition durch Rekursion, die auch sonst häug vorkommt. Das zugehörige Prinzip ist in abstrakter Form in dem nächsten Satz festgehalten. Der Beweis dieses Prinzips auf der Basis der Peano-Axiome und eine kurze Skizze der Anwendung auf der Erweiterung der Rechenoperationen und Zahlenbereiche ndet sich im nächsten Abschnitt. Als Beispiel für eine rekursive Denition betrachten wir die Fakultät n!, die für alle natürlichen Zahlen wie folgt erklärt werden kann: 1! = 1 (n + 1)! = n! · (n + 1). (1.3) Es ist also 2! = 1 · 2 = 2, 3! = 2! · 3 = 2 · 3 = 6, 4! = 3! · 4 = 6 · 4 = 24, 5! = 24 · 5 = 120 usw.. Alternativ hingeschrieben n! = 1 · . . . · n. Das allgemeine Schema lautet wie folgt. Satz 1.3 gen, a Mn+1 . (Mn )n∈N eine Folge von Men(fn )n∈N eine Folge von Funktionen fn : Mn → Folge (a1 , a2 , . . .) mit (Prinzip der rekursiven Denition) Sei ein Element von M1 und Dann gibt es genau eine a1 an+1 = a = fn (an ) (1.4) für alle n ∈ N. (1.5) Rekursionsanfang, die Gleichung (1.5) der Rekursionschritt. Wenn man sich diesen Satz genau ansieht, ist er sehr einleuchtend: Die Gleichung (1.4) ist der (an ) ergibt sich schrittweise, und zwar in eindeutiger Weise: Zunächst a1 = a sein. Wir haben also gar keine Wahl bei der Festlegung von a1 , denn a ist in der Voraussetzung fest vorgegeben. Weil a ein Element der ersten Menge M1 ist, ist also a1 ein Element des Denitionsbereichs der ersten Funktion f1 : M1 → M2 . Wenn wir in der zweiten Gleichung für n die Zahl 1 einsetzen, ergibt sich a2 = f1 (a1 ). Also ist a2 eindeutig festgelegt. Weil der Zielbereich von f1 gleich M2 ist, ist a2 ∈ M2 , also im Denitionsbereich von f2 . Mit n = 2 ergibt sich als nächstes aus der Rekursionsgleichung a3 = f2 (a2 ), Die Folge soll also wiederum in eindeutiger Weise. So hangelt man sich immer weiter. Um zu sehen, dass das Beispiel der Fakultät tatsächlich in dieses Schema passt, wählt man im Satz Mn = N für alle n, a = 1 und fn (x) = x · (n + 1). Dann wird die Rekursion im Satz zu a1 an+1 = 1 = an · (n + 1), also bis auf die Bezeichnung für die gesuchte Folge gerade (1.3). (an )n≥1 irgendak rekursiv durch Ein anderes Beispiel ist die Denition des Summenzeichens: Ist eine Folge von Zahlen, dann deniert man den Ausdruck 1 X k=1 ak = a1 , n+1 X k=1 ak = n X k=1 Pn k=1 ak + an+1 . Rekursion Fakult\"at 14 Potenzmenge Fibonacci-Zahlen Rekursion TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Analog ist die Denition des Produkts natürlichen Zahlen von 1 bis n, Qn k=1 die im Fall ak . Auch die Menge {1, . . . , n} aller n = 1 einfach gleich {1} ist, kann man, sofern man Satz 1.3 glaubt, rekursiv denieren durch {1, . . . , n + 1} = {1, . . . , n} ∪ {n + 1}. Dabei ist die Menge Teilmengen von N Mn Rz.B. die Potenzmenge fn (x) = x ∪ {n + 1}. von N, (1.6) dh. die Menge aller und Als letztes Beispiel betrachten wir die rekursive Denition der Zahlen: c1 c2 cn+2 Diese Folge beginnt also mit Fibonacci- = 1 = 1 = cn + cn+1 . (1.7) 1, 1, 2, 3, 5, 8. Wie kann man diese Rekursion auf das Schema von Satz 1.3 zurückführen? Indem man zwei sukzessive Folgenglieder (cn , cn+1 ) zu einem an zusammenfasst: fn (x, z) = (z, x + z). Damit wird Man wählt Mn = N × N, a = (1, 1) und (cn+1 , cn+2 ) = fn (cn , cn+1 ) = (cn+1 , cn + cn+1 ). Die zweite Komponente dieser Gleichung ist gerade die Rekursionsgleichung in (1.7). 1.6 Der Weg von den Peano-Axiomen zu den rellen Zahlen Dieser Abschnitt kann übersprungen werden. Er wird im restlichen Text nicht mehr gebraucht. 1.6.1 Herleitung des Rekursionsprinzips Zunächst wollen wir das Prinzip der rekursiven Denition (Satz 1.3) aus den Peano-Axiomen herleiten, da es entscheidend verwendet wird bei der Einführung der arithmetischen Operationen im Bereich der natürlichen Zahlen. Die Idee dieser Herleitung ist, zunächst die Anfänge (a1 , . . . , an ) der zu konstruie- renden Folge zu denieren und diese dann zu einer ganzen Folge zusammenzusetzen. Für diese Anfänge braucht man als Indexmengen (Denitonsbereiche) die Anfangsabschnitte {1, . . . , n} von N, diese waren aber in (1.6) unter Ver- wendung des Rekursions-Satzes deniert. Man sollte aber in einem Beweis die zu beweisende Behauptung nicht schon verwenden. Auch wenn die anschauliche Bedeutung von {1, . . . , n} völlig klar ist, brauchen wir eine nicht rekursive De- P1P5 zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören Begrie wie kleiner, gröÿer, mehrmaliges Anwenden von P2 leider noch nicht. Eine geeignete Denition nition und Konstruktion dieser Menge allein mit den Begrien, die durch wird in Lemma 1.6 gegeben. Wir beginnen mit Lemma 1.4 Jede natürliche Zahl ist verschieden von ihrem Nachfolger. 15 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. (durch Induktion) Induktionsanfang. Der Fall n = 1 wurde schon in Vorg\"anger Abschnitt 1.2 behandelt. Der Induktionsschritt ergibt sich leicht aus Lemma 1.5 Jede von 1 P4. verschiedene natürliche Zahl n ist Nachfolger einer und nur einer natürlichen Zahl, ihrem Vorgänger. Beweis. Wir wollen die folgende Eigenschaft E weisen: Eine natürliche Zahl n für alle natürlichen Zahlen be- hat die Eigenschaft E, wenn einer der beiden folgenden Fälle eintritt: • n = 1, • n oder ist Nachfolger einer natürlichen Zahl, m.a.W. n hat einen Vorgänger. 1 hat Eigenschaft E , da sie den ersten Punkt erfüllt. n habe Eigenschaft E . Induktionsschritt: Für jede natürliche Zahl n, insbesondere wenn n selber schon Eigenschaft E hat, erfüllt die Zahl n + 1 den zweiten Punkt. Nach P5 haben also alle Zahlen n ∈ N die Eigenschaft E . Es bleibt noch die Induktionsanfang: Die Zahl Induktionsvoraussetzung: Die Zahl Eindeutigkeit des Vorgängers zu zeigen. Diese folgt aber direkt aus der Injektivität der Nachfolgerfunktion. Natürlich handelt es sich in üblicher Schreibweise beim Vorgänger um die Zahl n − 1. Lemma 1.6 von a) b) c) d) N i) Für jede natürliche Zahl n gibt es genau eine Teilmenge {1, . . . , n} mit folgenden Eigenschaften: 1 und n sind Elemente von {1, . . . , n}. n + 1 ist kein Element von {1, . . . , n}. Für k ∈ {1, . . . , n} mit k 6= n ist auch k + 1 ∈ {1, . . . , n}. Für k ∈ {1, . . . , n} mit k 6= 1 ist auch k − 1 ∈ {1, . . . , n}. ii) Für diese Mengen gilt dann die rekursive Beziehung (1.6). Beweis. Menge Teil i) (durch Induktion). Induktionsbeginn. Im Fall {1} Fall. Für die Eindeutigkeit sei Dann ist n = 1 hat die die Eigenschaften a)-d). Das beweist die Existenzaussage in diesem {1} ⊂ M M eine andere Menge, die a)-d) für 1 ∈ M. denn wegen a) gilt folgende Hilfsbehauptung zeigen: k∈ /M Für M ⊂ {1} n = 1 erfüllt. müssen wir die für jede natürliche Zahl k 6= 1. Diese beweisen wir selber mit vollständiger Induktion (mit Induktionsanfang k = 2): Zunächst ist 2 ∈ / M , weil M b) erfüllt. Induktionsvoraussetzung: Sei k∈ / M . Induktionsschritt: Wäre k + 1 ∈ M , dann müsste, weil M d) erfüllt und, wie wir schon in Abschnitt 1.2 gesehen haben, 1 verschieden von der Nachfolgerzahl k + 1 ist, auch k = (k + 1) − 1 ∈ M sein im Gegensatz zur Induktionsvoraussetzung. Damit ist die Hilfsbehauptung und der Induktionsbeginn der Behauptung des Lemmas bewiesen. Induktionsvoraussetzung: Für die Zahl n existiere genau eine Menge {1, . . . , n} mit den Eigenschaften a)-d). n → n+1. Wir denieren8 {1, . . . , n+1} als {1, . . . , n}∪{n+1}. a)-d) mit n + 1 an Stelle von n: Induktionsschritt Wir verizieren 8 Weil hier n fest ist, ist diese Denition jetzt im Gegensatz zur Situation in (1.6) legitim. 16 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 1 ∈ {1, . . . , n+1}, weil {1, . . . , n} diese Eigenschaft hat. Zweitens n + 1 ∈ {1, . . . , n + 1}. Also gilt a). b) Zunächst bemerken wir, dass nach Lemma 1.4 n + 2 6= n + 1 ist. Wäre n + 2 ∈ {1, . . . , n + 1}, so wäre also nach Denition von {1, . . . , n + 1} sogar n + 2 ∈ {1, . . . , n}. Dann wäre aber wegen 1 6= n + 2 und Eigenschaft d) von {1, . . . , n} sogar n + 1 = (n + 2) − 1 ∈ {1, . . . , n} im Gegensatz zu Eigenschaft b) von {1, . . . , n}. Also ist n + 2 ∈ / {1, . . . , n + 1}, dh. b) gilt. c) Sei k ∈ {1, . . . , n + 1}, k 6= n + 1. Dann ist entweder k = n und daher auch k + 1 = n + 1 ∈ {1, . . . , n + 1} oder es ist k 6= n und damit nach der Eigenschaft c) von {1, . . . , n} auch k + 1 ∈ {1, . . . , n} und erst recht k + 1 ∈ {1, . . . , n + 1}. d) Sei k ∈ {1, . . . , n + 1}, k 6= 1. Dann ist entweder k = n + 1 und damit sogar k − 1 = n ∈ {1, . . . , n} wegen Eigenschaft a) von {1, . . . , n}, oder es ist k ∈ {1, . . . , n} und damit k−1 ∈ {1, . . . , n} wegen Eigenschaft d) von {1, . . . , n}. a) Erstens gilt gilt Also gilt d) und wir haben die Existenzteil des Induktionsschritts bewiesen. Eindeutigkeit: Sei für n+1 M irgendeine Menge, die die Eigenschaften a)-d) sinngemäÿ erfüllt. Wir wollen zeigen, dass die Menge n 1∈M die Eigenschaften a)-d) für erfüllt. 1 6= n + 1 gilt. Ferner ist n ∈ M 0 weil M d) erfüllt und diese Eigenschaft auf k = n + 1 angewendet werden kann. b) Es ist n + 1 ∈ / M 0 nach Denition von M 0 . 0 c) Sei k ∈ M , k 6= n. Dann ist auch k 6= n + 1, aber k ∈ M . Also ist k + 1 ∈ M , 0 und wegen k 6= n sogar k + 1 ∈ M . 0 d) Sei k 6= 1 und k ∈ M . Dann ist erst recht k ∈ M also k − 1 ∈ M und 0 ausserdem k − 1 6= n + 1, denn sonst wäre n + 2 = k ∈ M ⊂ M im Widerspruch 0 zu Eigenschaft b) von M . Also ist k − 1 ∈ M . 0 Wegen des Eindeutigkeitsteils der Induktionsvoraussetzung ist M = {1, . . . , n} 0 und damit M = M ∪ {n + 1} = {1, . . . , n + 1}. Teil ii). Dies folgt aus der Denition von {1, . . . , n + 1} im obigen Induktionsa) Es ist 1 ∈ M0 M 0 = {x ∈ M : x 6= n + 1} weil und schritt. Denition 1.2 Seien k, n ∈ N. Dann sagen wir, k sei kleiner als n, wenn k ∈ {1, . . . , n − 1}. In diesem Fall schreiben wir k < n. Wir schreiben k ≤ n (in Worten: k ist kleiner oder gleich n), wenn k ∈ {1, . . . , n}. Jetzt können wir die Anfangsstücke der allgemeinen Rekursion konstruieren. Lemma 1.7 Unter den Voraussetzungen von Satz 1.3 gilt: a) Es gibt für jede natürliche Zahl reich {1, . . . , n} n genau eine Funktion gn (1) = a gn (k + 1) = fk (gn (k)) b) Sei k ≤ n. gn mit Denitionsbe- derart, dass (1.8) falls k < n. Dann ist gn (k) = gn+1 (k). (1.9) Beweis. a) Induktionsanfang. Sei n = 1. Dann deniere die Funktion g1 durch g1 (1) = a. Damit ist (1.8) für n=1 erfüllt, denn die zweite Bedingung dort ist ja in diesem Fall gegenstandslos. Ausserdem ist diese Wahl von mit (1.8) vereinbare. g1 die einzige 17 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Induktionsvoraussetzung: Es gebe genau eine auf der Menge te Funktion gn {1, . . . , n} denier- mit (1.8). gn+1 (k) als gn (k) für k ≤ n und gn+1 (n+1) als fn (gn (n)) bzw. äquivalent als fn (gn+1 (n)). Dann ist oenbar (1.8) auch für gn+1 sinngemäÿ erfüllt. Zum Beweis der Eindeutigkeit sei g̃n+1 irgendeine Funktion auf {1, . . . , n +1} die (1.8) sinngemäÿ erfüllt. Dann ergibt sich aus der Tatsache, dass sowohl gn+1 als auch g̃n+1 (1.8) erfüllen, durch vollständige Induktion nach k , dass g̃n+1 (k) = gn+1 (k) für alle k ∈ {1, . . . , n + 1}. b) Die Gleichung (1.9) folgt aus der obigen Konstruktion von gn+1 im Indukti- Induktionsschritt: Wir denieren onsschritt. Schliesslich können wir in der Situation von Satz 1.3 die gesuchte gesamte Folge (an ) denieren durch an = gn (n). Dann ist wegen der ersten Gleichung in (1.8) der zweiten Gleichung in (1.8) (mit k) und (1.9) (ebenfalls mit n n+1 an Stelle von a1 = g1 (1) = a. Ferner gilt wegen n und n an Stelle von an Stelle von k) an+1 = gn+1 (n + 1) = fn (gn+1 (n)) = fn (gn (n)) = fn (an ) für alle n. Damit ist die Folge (an ) eine Lösung der Rekursion in Satz 1.3. Die Eindeutigkeit der Lösung ergibt sich leicht durch vollständige Induktion. 1.6.2 Kurze Skizze der Denition und Ausdehnung der Rechenoperationen und Zahlbereiche m+n m durch 1. Mit dem Rekursions-Prinzip kann man dann zum Beispiel die Summe von zwei natürlichen Zahlen auf der Basis der Peano-Axiome bei festem Rekursion über Nachfolger von n erklären: Im Fall n = 1 ist die Zahl m + 1 schon bekannt als m. Der Rekursionsschritt (Übergang von n zu n + 1) ist gegeben durch m + (n + 1) := (m + n) + 1. Analog ergibt sich das Produkt m·n bei fester Zahl m·1 = m m · (n + 1) = m · n + m m für allen rekursiv durch ∈ N. Dann kann man im wesentlichen jeweils mit vollständiger Induktion die Kommutativgesetze und Assoziativgesetze der Addition und Multiplikation und das Distributivgesetz (für die Erläuterung dieser Ausdrücke vgl. Kapitel 2) beweisen. 2. Als nächstes kann man zu N die 0 und die negative ganze Zahlen −n, n ∈ N hinzufügen, und auf den neuen Bereich Z := −N ∪ {0} ∪ N = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .} der ganzen Zahlen die Addition und Multiplikation zum Beispiel durch die Forderung fortsetzen, dass erstens Kommutativgesetze, Assoziativgesetze und Kommutativgesetz Assoziativgesetz Distributivgesetz ganze Zahlen 18 rationale Zahlen Bruchrechnung Supremumsaxiom TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Distributiv-Gesetz gültig bleiben und ausserdem für alle 0+n (−1) · n (−n) + n n∈N die Gleichungen = n = −n = 0 gelten sollen. (Wie man aus solchen Regeln dann weitere Folgerungen zieht, werden wir ebenfalls in Kapitel 2 sehen.) 3. Als drittes kommt der Übergang von der Menge der Menge Q der rationalen Z der ganzen Zahlen zu Zahlen. Bevor wir formal die rationalen Zahlen denieren, erinnern wir an unser geheimes Vorwissen, dass jede rationale Zahl eine Darstellung als Bruch p q mit p ∈ Z, q ∈ N hat, wobei es allerdings unendlich viele solche Darstellungen gibt, und zwar stellen zwei solche Brüche p p0 q und q 0 die gleiche rationale Zahl dar genau dann, wenn p · q 0 = p0 · q (1.10) gilt. Also teilt man, wenn man auf dies Vorwissen verzichtet, die Menge Paare (p0 , q 0 ) (p, q) mit p ∈ Z, q ∈ N Z × N aller (p, q) und auf in Klassen, wobei zwei solche Paare genau dann der gleichen Klasse zugeordnet werden, wenn (1.10) gilt. Man kann dann die Menge Q der rationalen Zahlen denieren als die Menge dieser Klassen (denn es entspricht ja gemäÿ unserem Vorwissen jeder rationalen Zahl genau eine soche Klasse.) Mit (rationale Zahl), die das Paar (p, q) p q bezeichnet man dann diejenige Klasse enthält. Die Addition und Multiplikation zwischen rationalen Zahlen wird durch die Regeln der Bruchrechnung p + q p · q p̃ q̃ p̃ q̃ = = pq̃ + p̃q q q̃ pp̃ q q̃ erklärt. Dabei muss man dann zeigen, dass jeweils die durch die rechte Seite bezeichnete Klasse nur von den beiden Klassen auf der linken Seite, aber nicht von den speziellen, diese beiden Klassen repräsentierenden Zahlen-Paaren abhängt. Weil verschiedene rationale Zahlen immer auf Hauptnenner gebracht werden können, kann man die Anordnungs-Begrie gröÿer bzw. kleiner von den ganzen Zahlen im Zähler auf die betreenden rationalen Zahlen übertragen. 4. Als letzter Schritt kommt der Übergang zu den reellen Zahlen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir werden folgende Idee ausnutzen. Man stelle sich die rationalen Zahlen gemäÿ ihrer natürlichen eben besprochenen Anordnung auf einer geraden Linie vor. Sei M eine rechts (dh. nach oben) beschränkte Menge rationaler Zahlen. Das entscheidende Postulat lautet: Dann soll die obere Grenze dieser Menge, dh. der Punkt, an dem diese Menge rechts aufhört, selber eine Zahl sein. Das wird in dem in Kapitel 2 zu besprechenden SupremumsAxiom gefordert. Dies ist für die Naturbeschreibung eine sehr natürliche Forderung: Denken Sie an einen Faden, auf den verschieden groÿe Kräfte wirken können. Wir betrachten die Menge M derjenigen Kräfte (Kraftstärken), bei denen der Faden noch nicht TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 19 reisst. Dann ist diese obere Grenze gerade die Grenzkraft, jenseits derer der Faden reiÿt. Die Anwendung der Mathematik wäre sehr umständlich, wenn man mit dieser Grenzkraft nicht wie mit anderen Gröÿen rechnen könnte. Analoges gilt für viele inner-mathematische Überlegungen. Durch geeignete Grenzübergänge lassen sich dann die Rechengesetze für rationale Zahlen auf den auf diese Weise erweitererten Bereich R der reellen Zahlen übertragen. Das Ergebnis dieser vier hier nur angedeuteten Schritte ist das im nächsten Kapitel vorgestellte System von Axiomen der reellen Zahlen, das die Basis all unserer weiteren Arbeit sein wird. Faden 20 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 K\"orper Kapitel 2 Die reellen Zahlen In diesem Kapitel führen wir die reellen Zahlen axiomatisch ein. Da die detaillierte Durchführung des Programms zur Konstruktion der reellen Zahlen aus den natürlichen Zahlen, das wir im letzten Abschnitt des vorigen Kapitels skizziert haben, zuviel Zeit und Platz in Anspruch nehmen würde, fangen wir noch einmal völlig von vorne an, vergessen die bisherige Denition der natürlichen Zahlen und führen die reellen Zahlen als eine Menge von Zahlen ein, die folgende längere Liste von Axiomen erfüllt. Die natürlichen Zahlen werden dann neu deniert (vgl. Denition 2.6) als der kleinste Teilbereich der reellen Zahlen, der die Zahl 1 enthält, und gegen Addition von 1 abgeschlossen ist. Es ist leicht zu sehen, dass dann wieder die Peano-Axiome für die so denierten natürlichen Zahlen gelten, so dass die Aussagen des letzten Kapitels nach wie vor gültig sind. Die Axiome (Grundannahmen) der reellen Zahlen gliedern sich in die KörperAxiome, die die reinen Rechenoperationen betreen, und die auch in anderen Zahlbereichen gelten, und die Anordnungsaxiome, die die Ordnungsstruktur des Körpers der reellen Zahlen charakterisieren. 2.1 Die Körperaxiome Die in diesem Abschnitt zusammengefassten Axiome kann man auch so zusammenfassen: Die Menge der Operationen man einen + R · und Körper. der reellen Zahlen ist ein Körper: Jede Menge K, auf erklärt sind, die die folgenden Axiome erfüllen, nennt A1 Zu je zwei Elementen a, b von R existiert ein eindeutig bestimmtes Element a + b von R, die Summe von a und b. A2 Für alle reellen Zahlen a, b gilt a+b = b+a (Kommutativgesetz der Addition) A3 Für je drei reelle Zahlen a, b, c gilt (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz der Addition) Die erste konkrete Zahl liefert uns A4 Es gibt eine Zahl 0, so dass a + 0 = a gilt für jede relle Zahl a. (Existenz der Null, Null als neutrales Element der Addition) 21 22 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 2.1 (Eindeutigkeit der Null) Es gibt nur eine Null. Ausführlich: Ist 0' a + 00 = a für alle a gilt, so ist 0 = 00 . irgendeine Zahl, so dass auch Beweis. (1) 0 = 0 + 00 weil 00 eine Null (2) (3) ist. 00 + 0 = 00 weil 0 A4 erfüllt. 00 + 0 = 0 + 00 nach A2. Die Gleichung (2), in (3) eingesetzt, liefert (4) 00 = 0 + 00 . Hierin (1) eingesetzt, gibt (5) 00 = 0, wie behauptet. Dieser Beweis kann kurz auch so geschrieben werden: 00 00 + 0 = ↑ 0 ist Null 0 + 00 = ↑ A2 = 0. ↑ 0' ist Null A5 (Existenz und Eindeutigkeit des Negativen einer Zahl) Zu jeder reellen Zahl −a a mit der Eigenschaft Bemerkung 2.2 gibt es eine und nur eine (dh. eine einzige) reelle Zahl a + (−a) = 0. 1) Wir haben die Eindeutigkeit von −a gefordert. Das wäre nicht nötig, denn man kann diese Eindeutigkeit ähnlich wie bei der Null aus den anderen Axiomen beweisen. Wenn wir A5 durch das scheinbar schwächere Axiom f ) Zu jeder reellen Zahl (A5 a gibt es ein ersetzen würden, hätten wir ein A5 folgt, folgt auch aus A12) Wie man tatsächlich f A5 a+b gehen davon aus, dass die Zahl −a mit a + (−a) = 0 äquivalentes Regelsystem: Alles was aus A1und natürlich umgekehrt. ausrechnet (konstruiert) wird nicht gesagt. Wir a+b existiert, auch wenn wir sie nicht ausrechnen. Wir können nun folgendes einfache Problem lösen: Gegeben zwei reelle Zahlen a, b. Gesucht Satz 2.3 x mit a + x = b. Es gibt genau eine Lösung von a + x = b, nämlich x = b + (−a). Beweis. 1. Das angegebene x ist eine Lösung wegen a + (b + (−a)) = a + ((−a) + b) = (a + (−a)) + b = 0 + b = b. 2. Es gibt nur diese Lösung. Sei nämlich x irgendeine Lösung, dann folgen mit A2, A3 nacheinander die Gleichungen (−a) + a + x = b + (−a) 0 + x = b + (−a) x = b + (−a). Auch hier kann man stattdessen einfach eine Gleichungskette hinschreiben: x = 0 + x = (−a) + a + x = (−a) + b = b + (−a). 23 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Allerdings entspricht der erste Weg eher dem Gedankengang, wie man auf diese Lösung der Eindeutigkeitsfrage kommt. Der zweite ist zwar in gewisser Weise eleganter, lässt sich aber erst dann in dieser Reihenfolge hinschreiben, wenn man schon bis zu Ende gedacht hat. Denition 2.1 Satz 2.4 b−a ist deniert als b + (−a). (Minus mal Minus gibt Plus) Für alle rellen Zahlen a gilt a = −(−a). Beweis. Es ist (−a) + a = 0. Damit erfüllt a die charakteristische Eigenschaft des Negativen von −a. Wegen dessen Eindeutigkeit folgt die Behauptung. A6 Zu je zwei reellen Zahlen a, b existiert eine eindeutig bestimmte reelle Zahl a · b oder auch einfach ab, das Produkt von a und b. A7 Für je zwei reelle Zahlen a, b gilt ab = ba. (Kommutativgesetz der Multiplikation) A8 Für je drei reelle Zahlen a, b, c gilt a(bc) = (ab)c. (Assoziativgesetz der Multiplikation) A9 Es gibt (genau) eine Zahl 1 so dass a1 = a ist für alle a. (Existenz der Eins, Eins als neutrales Element der Multiplikation) Bemerkung 2.5 Die 1 ist eindeutig. A10 Zu jedem a mit a 6= 0 existiert genau ein a−1 mit aa−1 = 1. (Existenz des Inversen der Multiplikation) Die bisherigen Axiome Die Menge die Menge A1-A5 resp. A6-A10 kann man auch so formulieren: R mit der Addition + und der Null als neutralem Element, resp. R∗ = {x ∈ R : x 6= 0} mit der Multiplikation · und der Eins als neutralem Element bilden jeweils eine kommutative (dh. abelsche) Gruppe. Die Beziehung zwischen beiden Operationen wird hergestellt durch das A11(Distributivgesetz) Für alle reellen Zahlen a, b, c gilt a(b + c) = ab + ac. Satz 2.6 ax = b, Für a, b und zwar Denition 2.2 mit a 6= 0 x = ba−1 . b a existiert eine und nur eine Lösung x der Gleichung := ba−1 . Aus dem Distributivgesetz folgt 0a = (0 + 0)a = 0a + 0a also 0a = 0 für alle a. Daraus ergibt sich die Bemerkung 2.7 Die Gleichung Die Gleichung 0x = b 0x = b wird im Fall b = 0 durch b 6= 0 durch kein x gelöst. wird im Fall jedes x gelöst. Division in $\R$ 24 Anordnung TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 2.2 Axiome der Anordnung A12 Es gibt im Bereich der reellen Zahlen eine Relation <: Für ein beliebiges Paar (a, b) reeller Zahlen ist erklärt, ob a < b (in Worten: a ist kleiner als b) oder nicht. Statt a < b schreibt man auch b > a ( b ist gröÿer als a.) A13 (Transitivität) Wenn a < b und b < c, dann ist auch a < c. A14 Wenn a 6= b, dann ist a < b oder b < a. A15 a < b und b < a gelten nie gleichzeitig. A12, A14, A15 lassen sich zusammenfassen: Für je zwei reelle Zahlen a, b liegt a = b, a < b, b < a genau einer der drei Fälle vor. A16 Aus a < b folgt a + c < b + c für alle c. A17 Ist 0 < a und b < d, so ist ab < ad. Satz 2.8 Wenn a<b Beweis. Es ist a+c und c < d, < b+c A16 dann ist < A2,A16 a + c < b + d. b+d. Daraus folgt mit A13 die Behauptung. Man darf also zwei Ungleichungen addieren, ohne sie zu zerstören. Satz 2.9 −a < −b Aus a>0 −a < 0 folgt und umgekehrt. Allgemeiner: Aus a>b folgt und umgekehrt. Beweis. Sei a > b. Addiere auf beiden Seiten −a − b. Mit A16 ergibt sich −b = a + (−a − b) > b + (−a − b) = −a. Umgekehrt folgt aus −a < −b durch Addition von a + b auf beiden Seiten die Ungleichung b < a. Satz 2.10 Ist a < 0 und b < c dann ist ab > ac. (Multiplikation mit einer negativen Zahl dreht Ungleichungen um.) Beweis. Aus a < 0 folgt nach dem vorigen (−a)b < (−a)c = −ac und daher ab > ac. | {z } Satz −a > 0. Also ist −(ab) = A17 Sehr häug wird auch die Relation Denition 2.3 ≤ benutzt: a ≤ b, in Worten: a ist kleiner gleich (alternab ≥ a, in Worten: b ist gröÿer gleich (alternativ: einer der beiden Fälle a < b oder a = b eintrit. Wir schreiben tiv: kleiner oder gleich) b, bzw. gröÿer oder gleich) Satz 2.11 i) a, wenn Für die Relation ≤ gelten: a ≤ a. ii) Wenn iii) Wenn a≤b a≤b iv) Es gilt stets und und b≤c dann ist b ≤ a, a≤b oder a ≤ c. dann ist b ≤ a. (Transitivität) a = b. 25 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Bemerkung 2.12 rellen Zahlen a, b Wir nennen diese Denition 2.4 Aus den letzten beiden Aussagen folgt: Bei beliebigen zwei ist stets genau eine der beiden gröÿer oder gleich der anderen. max(a, b), das Maximum von a und b. Für jede reelle Zahl a bezeichnen wir mit max{a, −a} = Wir nennen sie den Satz 2.13 |a| die Zahl a a≥0 . −a a < 0 Betrag von a. (Dreiecksungleichung) Für je zwei relle Zahlen a, b gilt |a + b| ≤ |a| + |b| und für je drei reelle Zahlen a, b, c gilt |a − c| ≤ |a − b| + |b − c|. Beweis. Für die erste Ungleichung unterscheiden wir zwei Fälle: 1. Fall. 0 ≤ a, 0 ≤ b bzw. a ≤ 0, b ≤ 0 (beide haben das gleiche Vorzeichen). |a + b| = a + b = |a| + |b| bzw. |a + b| = −(a + b) = |a| + |b|. In diesem Dann ist Fall gilt Gleichheit in der Dreiecksungleichung. 2. Fall. Die beiden Zahlen a, b haben verschiedenes Vorzeichen. Weil a und b in der Behauptung gelichberechtigt sind, können wir ohne Einschränkung der a < 0 < b, da die Situation, in der b < 0 < a a und b ergibt. Sei also jetzt a < 0 < b. Dann gelten sowohl a + b < b < b − a als auch −(a + b) = −a − b < −a < b − a und damit |a + b| < b − a = |a| + |b|. In diesem Fall ist die Dreiecksungleichung Allgemeinheit annehmen, es sei ist, sich hieraus durch Vertauschen von also eine echte Ungleichung. Die Dreiervariante der Dreiecksungleichung ergibt sich aus der Zweiervariante durch Einsetzen von Denition 2.5 a − b an Stelle von a und von b − c an Stelle von b. Die Zahl |a − b| heiÿt der Abstand der beiden Zahlen a, b. Wir können die Menge der natürlichen Zahlen auassen. Dabei werden mit 1, 1 + 1 + 1 + 1, . . . Satz 2.14 Es gilt 2, 3, 4 . . . 1, 2, 3, 4, . . . als Teilmenge von wie in Kapitel 1 die Zahlen R 1 + 1, 1 + 1 + bezeichnet. 0 < 1 < 2 < 3 . . .. Beweis. Nach Satz 2.9 ist von den beiden Zahlen −1, 1 die eine positiv (dh. > 0) und die andere negativ (dh. < 0). Daher ist −1 = (−1)1 nach A17 negativ und damit 1 positiv. Der Rest der Behauptung ergibt sich aus A16 mit sukzessiver Addition von 1. Jetzt kommen wir zu der in der Einleitung zu diesem Kapitel angekündigten neuen Denition der natürlichen Zahlen. Denition 2.6 Eigenschaften Die kleinste Menge N reeller Zahlen mit den folgenden beiden Maximum von zwei Zahlen Dreiecksungleichung reell Abstand reell 26 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 ganze Zahlen rationale Zahlen • 1∈N Potenzen • Ist n ∈ N, so ist auch n+1∈N nennen wir die Menge der natürlichen Zahlen und bezeichnen sie mit N.1 M.a.W. ist eine reelle Zahl genau dann eine natürliche Zahl, wenn sie Element von allen Mengen N ist, welche die beiden obigen Eigenschaften haben. Damit können wir auch die Menge der ganzen Zahlen durch Z := N ∪ {0} ∪ {m ∈ R : −m ∈ N} und die Menge der rationalen Zahlen durch Q := {x ∈ R : x = p q für geeignete p ∈ Z, q ∈ N} neu denieren und zwar so, dass sie automatisch per Denition in die Menge der reellen Zahlen eingebettet sind. Da die Regeln der Bruchrechnung leicht aus den Körperaxiomen hergeleitet werden können, ist diese Denition der rationalen Zahlen dann im Einklang mit der in Kapitel 1 skizzierten. Wie schon im ersten Kapitel tauchen die natürlichen Zahlen in einer Doppelrolle auf: Erstens als Objekte unserer Untersuchung und zweitens als Beschreibungsmittel für die Häugkeit, mit der gewisse Operationen durchgeführt werden. Das Hilfsmittel, um diesen Unterschied zu überwinden ist die rekursive Denition. Hier ist ein weiteres Beispiel: Denition 2.7 durch und auf den Fall n Sei a ∈ R und n ∈ N. Wir denieren a rekursiv an = an−1 a. Die lässt sich für a 6= 0 in natürlicher Weise n ∈ Z erweitern: Wir setzen an a−n = (a−1 )n und a0 = 1. a1 = a Die anschauliche Bedeutung der arithmetischen Operationen ist wie folgt: Sei a > 0. Addition von a bedeutet Translation nach rechts. Subtraktion von a bedeutet Translation nach links. Multiplikation. Sei zunächst Ist umgekehrt 0 < a < 1, 1 < a. Multiplikation mit a bedeutet dann bedeutet Multiplikation mit a eine Streckung. Stauchung. 0 fest. a < 0. Die Multiplikation mit a bedeutet Hintereinander-Ausführung von 1) Multiplikation mit |a| = −a und dann 2) Spiegelung an der Null (= Multiplikation mit −1). In beiden Fällen bleibt die Sei Satz 2.15 1 Aus Ist 0<b<d 0< 1 d < 1 b. dieser Denition ergibt sich die Gültigkeit der Peano-Axiome: Das Induktionsaxiom N (E) so ist P5 folgt so: Ist E eine Eigenschaft wie in P5, P1 und P2 sind klar. dann erfüllt die Menge E die beiden Bedingungen aus Denition 2.6. N die kleinste Menge von Zahlen mit diesen beiden Bedingungen ist, gilt N ⊂ N (E), dh. alle n ∈ N haben die Eigenschaft E . Die Injektivität der Nachfolger-Funktion P4 kann man auch so formulieren: Aus a + 1 = b + 1 folgt a = b. Diese Aussage folgt hier durch Abziehen der 1 auf beiden Seiten. Durch vollständige Induktion folgt mit Satz 2.14, dass die 0 verschieden von allen natürlichen Zahlen ist, also gilt P3. aller reellen Zahlen mit der Eigenschaft Also, weil 27 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. Zunächst zeigen wir 0 < 1 1 d . Es ist d · d = 1 > 0, also hat wegen d > 0 1 1 auch d das gleiche Vorzeichen wie 1. Daraus folgt mit Satz 2.14 dass d positiv b 1 ist. Damit ergibt sich aus b < d mit auch d < 1 und da schliesslich b aus 1 1 1 auch dem gleichen Grund positiv ist wie , folgt dann wieder mit d d < b. A17 A17 Damit bedeutet anschaulich die Bildung des Inversen von positiven Zahlen eine verzerrte Spiegelung an der 1 und die Bildung des Inversen von negativen Zahlen −1. die entsprechende verzerrte Spiegelung an der Denition 2.8 Für je zwei reelle Zahlen a, b mit a ≤ b denieren wir das abgeschlossene Intervall [a, b] durch [a, b] = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b}, das oene Intervall 2 (a, b) durch (a, b) = {x ∈ R : a < x < b}, das links oene, rechts abgeschlossene Intervall (a, b] durch (a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b}, das links abgeschlossene, rechts oene Intervall [a, b) durch [a, b) = {x ∈ R : a ≤ x < b}, die abgeschlossene rechte Halbgerade [a, ∞) durch [a, ∞) = {x ∈ R : a ≤ x < ∞}, usw. Eine Teilmenge a, b ∈ I mit a<b I auch von R heiÿt einfach [a, b] ⊂ I ist. 3 Intervall, wenn für alle Punkte 2.2.1 Das Archimedische Axiom Wichtig ist ein weiteres Axiom, welches sicherstellt, dass es keine unendlich groÿen reellen Zahlen gibt. A 18 (Archimedisches Axiom) Zu jeder reellen Zahl a gibt es eine natürliche Zahl n mit a < n. Wir ziehen einige nützliche Folgerungen aus diesem Axiom. Satz 2.16 m mit Zu jeder reellen Zahl x 2 Hier gibt es leider eine Zweideutigkeit der mathematischen Bezeichnung: Ein oenes In- tervall zwischen a und b wird a und b. mit dem gleichen Symbol bezeichnet wie das geordente Paar mit den Gliedern 3 Die gibt es eine eindeutig bestimmte ganze Zahl m ≤ x < m + 1. Menge I hat also keine Lücken. Intervall Archimedisches Axiom 28 Gauss-Klammer Schranke, obere beschr\"ankt Schranke, untere TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. 1. Fall x > 0. Nach dem Archimedischen Axiom gibt es eine natürliche n mit x < n. Unter den endlich vielen Zahlen 0, 1, . . . , n sei m die letzte m ≤ x. Dann ist erstens m ≤ x und zweitens m 6= n. Also kommt m + 1 auch unter den Zahlen 0, 1, . . . , n vor, es muss also x < m + 1 sein. Zahl mit 2. Fall x = 0. Dann wähle einfach m = 0. x < 0. Dann existiert ein n ∈ N mit −x < n. Sei k die erste der Zahlen 0, 1, . . . , n, die ≥ −x ist. Dann ist k − 1 < −x ≤ k und damit −k ≤ x < −k + 1. Wähle m = −k . 3. Fall Denition 2.9 Mit [x] (Gauÿ-Klammer von x) wird die ganze Zahl aus dem Satz bezeichnet. Mit der Gauÿ-Klammer kann man auch die Division mit Rest im Bereich der natürlichen Zahlen beschreiben. Folgerung 2.17 und p, q ∈ N gibt es genau zwei Zahlen s ∈ N0 p = sq + r, und zwar ist s = [ pq ] und r = p − [ pq ]q . Für je zwei Zahlen r ∈ {0, . . . , q − 1} mit Wichtig ist auch die folgende Anwendung Satz 2.18 r∈Q mit Für je zwei reelle Zahlen Beweis. Wähle n ∈ N mit m = [nx] x, y mit x<y gibt es eine rationale Zahl x < r < y. gilt m ≤ nx < m 1 1 y−x < n. Dann ist nach Satz 2.15 n + 1. Also ist < y − x. Für m m+1 m 1 m ≤x< = + < + (y − x) ≤ x + y − x = y. n n n n n Die Zahl r= m+1 hat damit die gewünschten Eigenschaften. n 2.2.2 Das Supremumsaxiom Alle bisherigen Axiome werden auch von der Menge Q der rationalen Zahlen er- füllt. Die Menge der reellen Zahlen enthält aber viele irrationale Zahlen. Wir werden bald eine kennenlernen, aber später werden wir sehen, dass in einem präzisen die Sinn die (überwältigende) Mehrheit aller reellen Zahlen irrational ist. Ferner gibt es noch viele weitere Körper, die zwischen dem der rationalen Zahlen und dem der reellen Zahlen liegen. Dieser Abstand der reellen von den rationalen Zahlen wird durch ein einziges Axiom sichergestellt, das Supremumsaxiom. Zu seiner Formulierung benötigen wir ein paar Hilfsbegrie. Denition 2.10 Gegeben seien eine Menge M reeller Zahlen und eine reelle c. Die Zahl c heiÿt obere Schranke von M , wenn M ⊂ (−∞, c], m.a.W. wenn x ≤ c gilt für alle x ∈ M . Die Menge M heiÿt nach oben beschränkt, Zahl wenn sie eine obere Schranke besitzt. Entsprechend sind die Ausdrücke re Schranke und nach unten beschränkt deniert. Eine Menge schränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist. untebe- heiÿt 29 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beispiele 1. Die Menge N ist nach unten beschränkt. Sowohl 0 als auch 1 sind Grenze untere Schranken von N. Nach dem Archimedischen Axiom ist N nicht nach oben beschränkt. M = {a1 , . . . , an } 2. Jede endliche Menge kleinste Element von M ist beschränkt. Das gröÿte bzw. das ist eine obere bzw. eine untere Schranke von M. M = {x : x2 < 2} ist nach oben (sogar auch nach unten) be2 schränkt. Denn wenn etwa x > 2 ist, dann ist x > 4 und damit sicher nicht x ∈ M . Also x ≤ 2 für jedes Element der Menge M , dh. 2 ist eine obere Schran3 ke von M . Aus einem ähnlichen Grund sind 2 auch eine obere Schranke von M und −2 eine untere Schranke von M . 3. Die Menge Denition 2.11 Sei s eine obere Schranke der Menge kleinste obere Schranke von M ist, dh. wenn s ≤ d M. Wenn s sogar die gilt für jede andere obere d von M , dann heiÿt s obere Grenze von M oder Supremum von M und wird mit sup M bezeichnet. Analog heiÿt die gröÿte untere Schranke von M , sofern sie existiert, die untere Grenze oder das Inmum von M und wird mit inf M bezeichnet. Schranke Das angekündigte Axiom lautet nun A 19 (Supremumsaxiom) Jede nicht leere nach oben beschränkte Menge reeller Zahlen besitzt im Bereich der reellen Zahlen ein Supremum (dh. eine obere Grenze). Bemerkungen zum Supremum 1. Das Supremum stimmt für endliche Mengen mit dem Maximum überein: max{a1 , . . . , an } = sup{a1 , . . . , an }. Insbesondere gilt: Wenn M endlich ist, dann ist sup M = max M ∈ M. 2. Manche beschränkten Mengen enthalten ihr Supremum als Element, andere nicht. Für ein Intervall I = (a, b] abgeschlossenes Intervall ist also oder I = (a, b) ist b = sup I . Für ein (rechts) sup I ∈ I , für ein (rechts) oenes Intervall ist sup I ∈ / I. M = {x : x2 < 2}. 3. Sei Dann ist M x2 > 4. durch einen Grenzübergang leicht zeigen (vgl. (oder s= √ 2).4 Daraus folgt, dass s M ⊂ [−2, 2], denn s = sup M . Man kann 2 nächstes Kapitel), dass s = 2 beschränkt, z.B. ist auÿerhalb dieses Intervalls gilt ja (s.o.) Sei nicht rational ist. 5 Auf diese Weise sehen wir zum ersten Mal, wie das Supremumsaxiom die Existenz irrationaler Zahlen erzwingt. 4 Der Wert s2 der Funktion zwischen den Zahlen 5 Denn so wäre wäre 2 p q2 s= = s2 = teilbar und damit Zahlen p und q <2 x 7→ x2 an der Grenz-Stelle und den Zahlen s liegt eben auch auf der Grenze ≥ 2. p eine Darstellung als Bruch, in dem Zähler und Nenner teilerfremd sind, q 2, also p2 = 2q 2 eine gerade Quadratzahl. Dann müsste p2 auch durch 4 q2 durch 2 teilbar sein. Dann wäre auch q2 durch 4 teilbar, und die beiden wären beide gerade im Widerspruch zur angenommenen Teilerfremdheit. Supremum Inmum Supremumsaxiom 30 nach oben unbeschr\"ankt nach unten unbeschr\"ankt erweiterte reelle Achse TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 4. Das Supremum ist nicht immer quantitativ berechenbar. Es gibt eine Reihe oener Probleme in Mathematik und Naturwissenschaften, die auf die Bestimmung des Supremums einer geeigneten Menge hinauslaufen. 5. Durch Spiegelung ergibt sich aus dem Supremumsaxiom auch: Jede nicht leere nach unten beschränkte Menge M hat eine untere Grenze oder Inmum: s = inf M. an ∈ M ∩ (s − n1 , s]. 1 Denn dieser Durchschnitt kann nicht leer sein, weil sonst die Zahl d = s− n auch eine obere Schranke von M und s demnach nicht die kleinste obere Schranke von M wäre. Man kann also das Supremum einer Menge stets von links durch eine Folge von Elementen von M annähern, (wobei wie in der vorigen Bemerkung 6. Sei s = sup M . Dann gibt es zu jedem n∈N eine Zahl nicht immer klar ist, wie die Glieder einer solchen Folge explizit zu berechnen sind). s ein isolierter Punkt von M ist, dh. wenn 1 , s] keine m ∈ N in dem kleinen Intervall (s − m weiteren Punkte aus M liegen (dies ist z.B. für endliche Mengen M der Fall), wird für alle n ∈ N mit n ≥ m notwendigerweise an = s sein, dh. die Folge (an ) Wenn allerdings das Supremum s∈M ist und für ein geeignetes ist schliesslich konstant. Daher war es im vorigen Absatz wichtig, dass wir die Intervalle (s − n1 , s] rechts abgeschlossen gewählt haben. Ausserdem liegt für das Supremum daher kann s s = sup M kein Punkt von M s, M rechts von von rechts nur durch Punkte angenähert werden, die nicht in liegen. 7. Die Forderung im Supremumsaxiom, dass die Menge M nicht leer sein soll, ist sicher sinnvoll, weil jede reelle Zahl eine obere Schranke der leeren Menge ∅ ist. Für manche Zwecke ist es allerdings praktisch, der leeren Menge doch ein Supremum zuzordnen, um lästige Fallunterscheidungen zu vermeiden. Die einzig sinnvolle Festlegung führt dann aber aus dem Bereich der endlichen Zahlen hinaus: Man setzt an den Werte +∞ und sup ∅ = −∞, und entsprechend inf ∅ = +∞. Die bei−∞ kann man auch für die Denition des Supremums und Inmums in den anderen noch nicht in den Denitionen 2.10 und 2.11 berücksichtigten Fällen verwenden, indem man für nicht nach oben beschränkte nach oben unbeschränkte Mengen M setzt sup M = +∞ und inf M = −∞ für nach unten unbeschränkte Mengen M . Die Menge R ∪ {−∞, +∞} wird auch als erweiterte reelle Achse (Zahlengerade) bezeichnet. Mengen, dh. entsprechend M ⊂ N ist, dann ist jede obere Schranke von N auch eine obere M . Insbesondere ist auch sup N eine obere Schranke von M . Weil sup M die kleinste obere Schranke von M ist, ist sup M ≤ sup N . Also: Je mehr 8. Wenn Schranke von Elemente eine Menge hat, d.h. je gröÿer eine Menge ist, desto gröÿer ist auch ihr Supremum. Achtung: Beim Inmum ist es umgekehrt, je gröÿer die Menge, desto kleiner ihr Inmum. 9. Unter der Voraussetzung der übrigen Axiome gibt es einige andere, zum Supremumsaxiom äquivalente Möglichkeiten, die durch das Supremumsaxiom eingeführte Reichhaltigkeitsforderung an die reellen Zahlen zu formulieren. Eine ist das Intervallschachtelungsprinzip, das wir in den Übungen besprechen, eine andere ist die Vollständigkeit (vgl 3.15), die allerdings die Begrie des nächsten Kapitels voraussetzt. 31 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 2.3 Beispiele reeller Folgen Wir beginnen mit einigen Beispielen reeller Folgen und beschreiben einige ihrer qualitativen Eigenschaften. 1. Sei an = a für alle 2. Seien die Zahlen liefert die an = der 0. 3. 4. n ∈ N. Das liefert die a1 , . . . , am konstante Folge (a, a, . . .). beliebig gewählt und an = a schlieÿlich konstante (a1 , . . . , am , a, a, . . .). 1 n für n > m. Das n ≥ 1: Das liefert die Folge (1, 12 , 13 , . . .). Sie nähert sich von rechts an = (−1)n n 5. an = n+1 der Zahl 1. für alle n ≥ 1: für = 1− Diese Folge oszilliert 1 n+1 für n ≥ 1: Diese Folge (−1, 1, −1, 1, . . .). ( 21 , 23 , 34 , . . .) nähert sich von links a0 = 1, a1 = 1 und an = an−1 + an−2 für n ≥ 2 liefert (1, 1, 2, 3, 5, 8, . . .). Sie wachsen rasch über alle Grenzen. 6. Die rekursive Vorschrift die Fibonacci-Zahlen an = n5 . Diese Folge (1, 32, 243, 1024, 3125, . . .) wächst oensichtlich auch 7. Sei sehr schnell. Ein interessantes Thema ist der Geschwindigkeitsvergleich beim Wachstum verschiedener Folgen. Glauben Sie, dass bei dem Wettlauf diese Folge oder die der Fibonacci-Zahlen schlieÿlich gewinnt? 8. Sei an = bn Wahl der Zahl n ≥ 1. für b Das Verhalten dieser Folge hängt wesentlich von der ab (vgl. auch Beispiel 4.) Wir werden dies im Detail studieren. Eine erste Abschätzung liefert der folgende Satz. Satz 2.19 n∈N gilt (Bernoullische Ungleichung) Für jede reelle Zahl a > 0 und jedes (1 + a)n ≥ 1 + na. Beweis. 1. Induktionsanfang. Für n = 1 gilt (1 + a)1 ≥ 1 + 1a, denn beide Seiten sind gleich 2. 1 + a. Induktionsschritt gelte für n + 1. n, dh. sei n → n + 1. Induktionsvoraussetzung: Die (1 + a)n ≥ 1 + na. Induktionsbehauptung: Sie Behauptung gilt auch für Aus der IV ergibt sich (1 + a)n (1 + a) ≥ (1 + na)(1 + a), (1 + a)n+1 ≥ 1 + (n + 1)a + na2 ≥ 1 + (n + 1)a. also a = 0.02 = n 1 + 50 Euro Zum Beispiel ergibt sich für nach n Jahren mindestens 1 50 , dass ein mit 2% p.a. verzinster Euro wert ist. Für kleine n ist das eine recht genaue Abschätzung, sie wird aber für wachsende n bald sehr grob. Trotzdem reicht sie, um zu sehen, dass die Folgenglieder beliebig groÿ werden: Satz 2.20 bn > K Sei für alle b > 1. Dann gilt es n ∈ N mit n ≥ N . zu jeder reellen Zahl K ein N ∈ N mit Beweis. Sei a := b − 1. Nach Voraussetzung ist a > 0. Nach dem ArchimediN ∈ N mit N > K−1 a . Dann gilt die gleiche auch für alle n ∈ N mit n ≥ N . Also ist für diese n nach dem bn = (1 + a)n ≥ 1 + na > 1 + K − 1 = K. schem Axiom gibt es ein Unglei- chung vorigen Satz schlie\sslich konstante Folge Fibonacci-Zahlen Bernoullische Ungleichung 32 Dezimaldarstellung Darstellung Babylonier Basis der $b$-adischen Entwicklung $b$-adische Darstellung TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Folgerung 2.21 0 < dn < ε 0 < d < 1. Dann n ∈ N mit n ≥ N . Sei für alle gibt es zu jedem ε>0 ein N ∈N mit Beweis. Wende den vorigen Satz auf 1 n 1 ein N mit ( ) > d ε für alle n mit Satz 2.15 d < ε. 2.4 Die Die b-adische n∈N b-adische 1 1 d statt b und ε statt K an. Es existiert 1 n 1 1 1 mit n ≥ N . Wegen ( ) = d d . . . d = dn folgt Darstellung reeller Zahlen Darstellung reeller Zahlen ist der natürliche Oberbegri der Dar- stellung reeller Zahlen im Dezimalsystem (b lung) (b = 2) oder auch im Byte-System (b = 10), Binärsystem (Dualdarstel= 256). Für unsere Zeiteinteilung in Stunden, Minuten und Sekunden ist historisch auch das auf die Babylonier zurückgehende Hexagesimalsystem mit Sei b ∈ N, b ≥ 2 fest gewählt, die von Elementen der Menge Zahl x hat die b-adische b = 60 wichtig. Basis. Sei k ∈ N0 {0, . . . , b − 1}. 6 Darstellung und (an )n≥−k eine Folge Wir sagen, eine nicht-negative reelle x = a−k . . . a0 , a1 a2 a3 . . . wenn x = sup N X (2.1) an b−n : N ≥ −k , (2.2) n=−k also in etwas weniger formaler Schreibweise x = a−k bk + . . . a−1 b + a0 + a1 1 1 + . . . + aN N + . . . . b b (2.3) Dies ist ein Spezialfall der im nächsten Kapitel systematisch betrachteten un- N ∈ N jeweils die endliche −n a b . Je gröÿer der Index N , desto gröÿer wird diese Summe. n=−k n Für jedes N und jede Wahl der Zahlen an ∈ {0, . . . , b − 1} erhält man eine obere Abschätzung für die Restsumme ab einem Index m, indem man alle an durch b − 1 ersetzt und Satz 1.2 anwendet: endlichen Reihen. Man bildet also zunächst für alle Summe PN N X an b−n ≤ n=m+1 N X (b − 1)b−n (2.4) n=m+1 = (b − 1) N X b−n n=m+1 N −(m+1) = (b − 1)b−(m+1) X b−n n=0 1 − b−(N −m) = (b − 1)b−(m+1) 1 − b−1 −m −(N −m) = b (1 − b ) < b−m . 6 Manchmal wird zusätzlich verlangt, dass im Fall k>0 auÿerdem a−k > 0 sei. 33 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Insbesondere ist die durch die geschweifte Klammer in (2.2) dargestellte Menge aller durch diese endlichen Summen dargestellten Zahlen nach oben beschränkt. Also existiert das entsprechende Supremum und für jeden b-adischen Ausdruck x ≥ 0, die durch wie auf der rechten Seite in (2.1) existiert genau eine reelle Zahl ihn dargestellt wird. n-te Zier der b-adischen Darn0 ≥ 0 gibt mit an = 0 für alle n > n0 , dann sprechen wir von einer abbrechenden b-adischen Darstellung und schreiben auch x = a−k . . . a0 , a1 . . . an0 . Zwei b-adische Darstellungen Weitere Bezeichnungen: Die Zahl stellung oder heissen Entwicklung von an heiÿt x. Wenn die es ein wesentlich verschieden, bzw. wesentlich gleich, wenn sie sich nicht nur, bzw. nur durch der ersten nicht verschwindenden Zier vorgestellte Nullen bzw. im Fall von abbrechenden Darstellungen durch nachgestellte Nullen unterscheiden. Wir sagen, die einen Index n0 b-adische Darstellung (2.1) ist schlieÿlich periodisch, wenn es l ∈ N und Ziern α1 , . . . , αl in {0, . . . , b − 1} r ∈ N, s ∈ {1, . . . , l} gilt an0 +rl+s = αs . In diesem und Zahlen derart, dass für alle gibt Fall schreiben wir x = a−k . . . an0 α1 . . . αl . Wenn x > 0 die Darstellung (2.1) hat, dann hat die negative Zahl adische Darstellung Satz 2.22 die b- x ≥ 0 die b-adische Darstellung (2.1) hat, dann Wenn die reelle Zahl gilt für alle Indizes −x −a−k . . . a0 , a1 a2 a3 . . .. m ≥ −k , x∈[ dass m X an b −n m X , n=−k an b−n + b−m ], (2.5) n=−k dh. jede reelle Zahl, die eine mit a−k . . . am beginnende b-adische Darstellung hat, liegt in diesem Intervall. Umgekehrt hat jede reelle Zahl x in diesem Intervall eine b-adische Darstellung, die mit a−k . . . am beginnt. Ist speziell x der rechte Endpunkt, so ist x = a−k . . . am (b − 1). Beweis. 1. Sei sm der linke Endpunkt des Intervalls in (2.5). Dann ist Element der Menge, deren Supremum sN mit N ≥m (2.6) x nach (2.2) ist, also ist x ≥ sm . sm ein Sei jetzt ein anderes Element dieser Menge. Dann ist nach (2.4) N X sN = sm + an b−n < sm + b−m . n=m+1 Da x x die kleinste obere Schranke der sN ist, ist also x ≤ sm + b−m . Daher liegt in dem angegebenen Intervall. 2. Sei jetzt N ≥m x ein Punkt im obigen Intervall. Wir konstruieren rekursiv Zahlen ηN ∈ [0, 1] und x= aN +1 ∈ {0, . . . , b − 1}, N X an b−n + ηN b−N . 7 für alle so dass (2.7) n=−k 7 Diese Konstruktion ist bei näherer Betrachtung eine Variante des üblichen schriftlichen Dividierens, das Sie aus der Schule noch kennen. Wir werden darauf später noch eingehen. Zier $b$-adische Darstellung: abbrechende $b$-adisch Darstellung: schliesslich periodische 34 $b$-adische Darstellung: Eindeutigkeit TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 xr der rechte Endpunkt in (2.5). Wir unterscheiden zwei x < xr und x = xr . Zunächst sei ηm durch (2.7) deniert. Dann ist ηm < 1, falls x < xr , und ηm = 1, falls x = xr . Seien nun aN und ηN mit (2.7) schon gegeben, so dass ηN < 1 falls x < xr und ηN = 1 sonst. Dann wähle bηN − [bηN ] falls x < xr ηN +1 = (2.8) 1 falls x = xr Sei zur Abkürzung Fälle, und [bηN ] b−1 aN +1 = Dies ist mit (2.7) verträglich: Im Fall aN +1 b−(N +1) + ηN +1 b−(N +1) und analog im zweiten Fall falls falls x < xr . x = xr x < xr ist auch (2.9) ηN +1 < 1 und es gilt = ([bηN ] + (bηN − [bηN ])b−(N +1) = bηN b−(N +1) = ηN b−N . x = xr aN +1 b−(N +1) + ηN +1 b−(N +1) = (b − 1 + 1)b−(N +1) = b−N = ηN b−N . Daher überträgt sich die Gleichung (2.7) von Aus den Gleichungen (2.7) folgt, dass x N auf N + 1. eine obere Schranke der Menge in (2.2) ist, deren Supremum dort gebildet wird. Ausserdem ergibt sich aus (2.7) zu- ε > 0 es ein N ∈ N gibt mit −n , dh. dass x − ε keine obere Schranke der betrachten=−k an b ten Menge ist. Damit ist x ihre kleinste obere Schranke, also gilt (2.2) und x sammen mit Folgerung 2.21, dass zu jedem x−ε < PN hat die gewünschte Darstellung. Satz 2.23 x gibt es genau dann zwei wesentlich verschiex 6= 0 und x eine abbrechende Darstellung besitzt: Für jede reelle Zahl dene Darstellungen, wenn x = ±a−k . . . an0 −1 an0 . (2.10) Die andere hat dann die Form x = ±a−k . . . am−1 (am − 1)(b − 1), wobei m der letzte Index in (2.10) ist mit (2.11) am > 0. Beweis. Wir können uns auf den Fall x ≥ 0 beschränken. Seien x = a−k . . . an . . . und x = a0−k0 . . . a0n . . . (2.12) zwei Darstellungen, die an einer möglichst frühen Stelle verschiedene Ziern haben. Weil man einer Darstellung beliebig viele Nullen voranstellen kann, können wir annehmen, dass k0 = k ist. Sei m der erste Index, an dem 0 Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass am einerseits wegen der ersten Darstellung x≥ m−1 X n=−k an b−n + am b−m < am am 6= a0m ist. ist. Nach (2.5) ist 35 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Division mit Rest und andererseits wegen der zweiten Darstellung x≤ m−1 X an b−n + (a0m + 1)b−m . n=−k Dies ist nur möglich wenn in beiden Ungleichungen Gleichheit herrscht und ausserdem a0m = am − 1 ist. Damit ist x= m X an b−n . n=−k Wenn m ≥ 0, n0 = m wählen, wenn dagegen m < 0 ist, müssen n0 ≥ 0 in der Denition der abbrechenden Darstellungen 0-ten Stelle aufgefüllt werden und es ist n0 = 0. In beiden dann kann man gemäss der Bedingung die Nullen bis zur Fällen erhält man die abbrechende Darstellung (2.10). Sei nun x mit der Darstellung (2.10) gegeben. Dann hat (2.11) nach dem zweiten Teil von Satz 2.22, weil x x auch die Darstellung der rechte Endpunkt des Intervalls I=[ m−1 X an b−n + (am − 1)b−m , n=−k m−1 X an b−n + am b−m ] n=−k ist. Eine weitere wesentlich verschiedene Darstellung gibt es nicht: Wir zeigen, dass die Darstellungen (2.12) und (2.11) gleich sind. Sie stimmen bis einschliesslich m-ten Stelle nach dem bisher bewiesenen. An allen späteren Stellen ist a0n ≤ b − 1. Käme hierbei mindestens an einer Stelle n1 die echte Ungleichung a0n1 < b−1 vor, so wäre der dort entstehende positive Abstand (b−1−a0n1 )b−n1 zwischen der den durch (2.12) und (2.11) dargestellten Zahlen durch spätere Unterschiede nicht mehr zu kompensieren. Also gibt es keine dritte Darstellung. Aus den beiden vorstehenden Sätzen folgt Folgerung 2.24 Jede reelle Zahl x 6= 0 besitzt eine und bis b-adische Darstellung. auf wesentliche Gleichheit nur eine nichtabbrechende Beweis. Wir können x ≥ 0 voraussetzen. Es gibt nach Satz 2.20 eine Zahl k ∈ N0 mit x < bk+1 . Dazu gibt es dann eine Zahl a−k ∈ {0, . . . , b − 1} mit x ∈ [a−k bk , (a−k bk + bk ]. Für m = −k ist dies gerade die Beziehung (2.5). Also folgt die Existenz der b-adischen Darstellung aus Satz 2.22. Wenn es eine abbrechende gibt, gibt es nach Satz 2.23 auch eine nichtabbrechende, aber nicht zwei wesentlich verschiedene nicht abbrechende. Wir betrachten jetzt den Spezialfall, dass die Zahl Lemma 2.25 x rational ist. p q mit p, q ∈ N. Dann lassen sich die Ziern einer b-adischen Entwicklung auch durch folgende Rekursion mit sukzessiver ganz- Sei x = zahliger Division mit Rest bestimmen: Bestimme zunächst k ∈ N0 so dass p k+1 k und deniere a−k ∈ {0, . . . , b − 1} und r−k < qb durch q <b bk ≤ p = a−k qbk + r−k . (2.13) 36 Division, schriftliche TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 N ≥ −k Für seien dann aN +1 ∈ N und rN +1 < q bestimmt durch brN = aN +1 q + rN +1 . Beweis. Die Wahl von a−k (2.14) stimmt mit der Wahl im Beweis von Folgerung [ bxk ] = a−k . Damit sind wir in der p k k k Startposition q = x ∈ [a−k b , a−k b + b ), um das Verfahren aus dem Beweis von Satz 2.22 zu verwenden. Wir müssen nur zeigen, dass die dortige Rekursion 2.24 überein, denn (2.13) ist äquivalent zu mit der jetzigen übereinstimmt. Seien wie dort die am , m ≥ −k und ηm , m ≥ −k konstruiert, dh. es gelte (2.8) und (2.9). Wir zeigen induktiv (2.14) und ηN = Es gelte (2.14) und (2.15) für des b-fachen N. rN . q Dann ist (2.15) aN +1 nach (2.9) die Gauss-Klammer des Ausdrucks in (2.15). Nach (2.14) ist wegen rN +1 brN gerade gleich q q − [ brqN ]. ηN +1 = bηN − [bηN ] = Also ist (2.15) für N +1 die Zahl brN brN rN +1 −[ ]= . q q q veriziert. Wieder wegen (2.9) gilt damit auch aN +2 = [bηN +1 ] = [ woraus auch (2.14) für rN +1 < q Mit (2.8) und (2.15) ergibt sich N +1 an Stelle von brN +1 ], q N folgt. Im folgenden Beispiel wird die triadische (3-adische) Darstellung der rationalen 39 7 nach dem in der Schule üblichen Schema des schriftlichen Dividierens berechnet. Dies ist einfach eine Möglichkeit, die sukzessive Anwendung der Zahl x= Rekursionsformel des Lemmas schriftlich zu notieren. In den ersten drei Spalten werden die entsprechenden Ausdrücke der Beziehung (2.14) notiert. In der vierten Spalte wird die Dezimaldarstellung der jeweils rechts davon stehenden nicht negativen ganzen Zahl angegeben. Da in der vorletzten Zeile der gleiche Rest wie in der dritten Zeile auftaucht, wiederholt sich ab dort die Rechnung immer wieder und die Darstellung ist schliesslich periodisch. Die Erkärung liefert der anschliessende Satz. 37 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 n an -1 1 0 2 rn 39 4 1 1 2 2 1 0 4 1 5 0 6 2 1 1 0 2 1 0 18 2 0 0 14 1 1 2 1 1 0 7 2 1 15 1 2 14 1 1 12 5 3 1 21 3 : 2 1 6 0 0 2 1 2 Satz 2.26 12 2 0 1 0 0 0 18 4 1 0 0 14 2, 0 9 6 1 2 1 7 2 = 0 0 3 1 2 0 0 ... ... x ist rational genau dann wenn sie eine Darstellung durch b-adischen Bruch hat. Ist x = pq , so ist die Länge 8 höchstens gleich q − 1. Eine Zahl einen schlieÿlich periodischen der Periode Beweis. p q rational. In der Gleichung (2.14) in Lemma 2.25 sind die Reste rN stets Elemente der endlichen Menge {0, . . . , q − 1}. Daher gibt es mindestens zwei Indizes n0 und n0 + l mit rn0 = rn0 +l . Wenn rn = 0 für 1. Sei x = m ≥ n und die Darstellung bricht ab, was 0 ansehen kann. Also können wir annehmen, dass nur die l − 1 Reste {1, . . . , q − 1} vorkommen und daher ist l ≤ q − 1. Da wegen (2.14) für jedes N die beiden Zahlen aN +1 und rN +1 eindeutig durch b und rN bestimmt sind, entwickeln sich die Abschnitte (an0 +1 , an0 +2 , . . .) und (an0 +l+1 , an0 +l+2 , . . .) in genau gleicher Weise, dh. ist αi = an0 +i für i = 1, . . . , l so gilt auch αi = an0 +l+i und analog αi = aN +2l+i usw. Daher hat x die irgendein n, dann ist rm = 0 für alle man als den Fall der Periodenlänge schliesslich periodische Darstellung x = a−k . . . an0 α1 . . . αl . 2. Sei nun umgekehrt (2.16). Sei f x ≥ 0 (2.16) eine reelle Zahl mit einer Darstellung der Form die natürliche Zahl mit der Darstellung f = α1 . . . αl . 8 Das kann. obige Beispiel mit q = 7 zeigt, dass die Periodenlänge q −1 tatsächlich erreicht werden 38 abz\"ahlbar Dierenzmenge TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Dann kann man (2.16) auch wegen Satz 1.2 schreiben als n0 X x = = = = an b−n + f b−(n0 +l) + f b−(n0 +2l) + . . . n=−k n0 X n=−k n0 X n=−k n0 X an b−n + f b−n0 (b−l + b−2l + . . .) an b−n + f b−n0 sup{ an b−n + f b−n0 n=−k 1 − (b−l )m+1 : m ∈ N} 1 − b−l 1 . 1 − b−l Dies ist oensichtlich eine rationale Zahl. 2.5 Abzählbarkeit In diesem Abschnitt zeigen wir als Anwendung der Dezimaldarstellung Cantors erstes Diagonalargument für die Überabzählbarkeit der Menge der reellen Zahlen. Denition 2.12 Eine Menge von Elementen von M M heiÿt abzählbar, wenn es eine Folge (an )n∈N gibt, unter deren Gliedern jedes Element von M min- destens einmal auftaucht, (m.a.W. wenn es eine durch die natürlichen Zahlen druchnumerierte Liste der Elemente von N nach von M gibt). Jede Folge (an )n∈N M, oder eine surjektive Abbildung von mit dieser Eigenschaft heiÿt Jede endliche Menge ist abzählbar. Jede Teilmenge M M Abzählung M. N einer abzählbaren Menge (an )n∈N von = {x ∈ M : x ∈ / N } streichen ist abzählbar, denn man kann aus einer gegebenen Abzählung die Glieder aus der Dierenzmenge M \ N und die verbliebenen Glieder entsprechend in der Numerierung vorrücken lassen und erhält eine Abzählung von Satz 2.27 Die Mengen Z N. der ganzen Zahlen und die Menge Q aller rationalen Zahlen sind abzählbar. Beweis. Die gesuchte Abzählung von Q ergibt sich durch das folgende Schema, in welchem alle Brüche mit Nenner barkeit von Z q in der q -ten Zeile auftauchen. Die Abzähl- ergibt sich damit aus der obigen Bemerkung, was aber in diesem Fall auch auf das gleiche herausläuft, wie die Abzählung von die sich aus der ersten Zeile dieses Schemas ergibt. Z zu betrachten, 39 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 0 → . % 1 2 ↓ −1 → 1 . − 12 % − 22 . 1 3 . 3 2 % − 13 . % 2 2 \"uberabz\"ahlbar Cantor −2 → 2 2 3 % 1 4 − 14 ↓ % 1 5 ... . . . Satz 2.28 Die Vereinigung von abzählbar vielen abzählbaren Mengen ist abzähl- bar. Beweis. Da es sich um abzählbar viele Mengen handelt, kann man sie durchnumerieren: Seien M1 , M2 , . . . diese Mn sich als in Elemente der Menge Mengen. Dann kann man für jedes die n-te schrieben denken. Dann liefern die gleichen Pfeile wie in dem Schema für Folge, die jedes Element jeder dieser Mengen eine Abzählung der Vereinigung aller Mn Die Menge R die Q eine als Glied hat. Diese Folge ist Mn . Eine unendliche Menge, die nicht abzählbar ist, heiÿt auch Satz 2.29 n Zeile eines Schemas wie oben ge- überabzählbar. aller reellen Zahlen ist überabzählbar. Beweis. (Cantor) Wäre R abzählbar, dann wäre auch das Einheitsintervall [0, 1] abzählbar. Unsere Strategie muss sein, zu jeder eventuellen Abzählung von [0, 1] eine Zahl zu konstruieren, die bei der Abzählung nicht vorkommt. Wir nehmen also an, eine Abzählung dem Punkt xn (xn )n∈N aller Punkte von [0, 1] sei gegeben. Wir ordnen die nach Folgerung 2.23 eindeutig bestimmte nicht abbrechende Dezimaldarstellung 0, an1 an2 an3 . . . 0, 0, 0, a11 a21 a31 a12 a22 a32 zu. Wir erhalten das Schema a13 a23 a33 . . . 0, ... ... ... a1m a2m a3m ... ... ... anm ... . . . an1 an2 an3 ... ∗ Für jedes n wählen wir ausserdem eine Zier an ∈ {1, . . . , 9}, die von der Zier ann an der n-ten Stelle der Hauptdiagonale dieses Schemas verschieden ist. Sei x∗ der Punkt mit der Dezimaldarstellung 0, a∗1 a∗2 a∗3 . . .. Dieser Punkt kommt in ∗ dieser Liste nicht vor: Denn sonst müsste er eine Nummer haben, etwa x = ∗ ∗ ∗ xn0 . Dann müssten die Ziernfolgen 0, a1 a2 a3 . . . und 0, an0 1 an0 2 an0 3 . . . an0 m . . . ∗ übereinstimmen. Nach Konstruktion ist aber an 6= an0 n0 . 0 40 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Grenzwert Limes konvergente Folge Nullfolge Umgebung schlie\sslich alle alle bis auf endlich viele Kapitel 3 Konvergenz von reellen Folgen und Reihen 3.1 Konvergenz von Folgen Denition 3.1 Sei (an )n≥1 eine Folge reeller Zahlen. Wir sagen, (an )n≥1 konvergiert gegen die Zahl a ∈ R, wenn für jedes ε > 0 die Folge eine Zahl N ∈ N existiert, so daÿ für jedes n ≥ N gilt |an − a| < ε. In diesem Fall heiÿt a der Grenzwert oder Limes der Folge (an ) und wir schreiben an −→ a n→∞ oder limn→∞ an = a. Eine Folge, die gegen eine reelle Zahl konvergiert, heiÿt konvergente Folge. Ist speziell der Grenzwert a = 0, so heiÿt die Folge (an ) eine Nullfolge. Mit anderen Worten bedeutet welches den Punkt a an −→ a, dass in jedem kleinen oenen Intervall, n→∞ enthält (dh. in jeder Umgebung von oder alle bis auf endlich viele Glieder der Folge (an ) a) schlieÿlich alle liegen. Die Folgenglieder rücken also immer näher an den Grenzwert der Folge heran. Zwischendrin kann |an − a| auch für einige Indizes wieder vergröÿern, aber asymn wird dieser Abstand beliebig klein. Wichtig ist, dass der Index N in der Denition von der Wahl der Zahl ε abhängt. Je kleiner ε ist, desto gröÿer muss man im Zweifelsfall die Zahl N wählen. sich der Abstand ptotisch, dh. für sehr groÿe Beispiele 1. Die Folge (an ) mit an = 1 n ist eine Nullfolge. Dies folgt aus dem Archimedischen Axiom und Satz 2.15. 2. Jede konstante (allgemeiner jede schlieÿlich konstante) Folge (an ) konvergiert gegen den (schlieÿlichen) Wert der Folgenglieder. 3. Die Folge (an ) mit an = n n+1 konvergiert gegen 1. Beweis: Es ist an = n+1−1 1 n n+1 = n+1 = 1 − n+1 . Sei ε > 0. Wähle N (ε) so dass 1 für alle n ≥ N (ε) gilt n+1 < ε. Dann gilt für alle n ≥ N (ε) auch |an − 1| = 1 1 n n |(1 − n+1 ) − 1| = n+1 < ε. Damit ist n+1 −→ 1 oder limn→∞ n+1 = 1. n→∞ 0 < |b| < 1 und an = bn . Dann ist (an ) eine Nullfolge. |b | = |b|n gerade Folgerung 2.21, angewandt auf |b|. 4. Sei n 41 Das besagt wegen 42 beschr\"ankt TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 5. Die Folge an = (−1)n konvergiert nicht. Beweis: Sonst gäbe es ein a mit an −→ a. Dann gäbe es zu ε = 1 ein N |an − a| < ε = 1 n ≥ N. mit |an+1 − an | = 2 für alle n. Dies widerspricht der Dreiecksungleichung wegen |an+1 −an | ≤ |an+1 −a|+|an −a| < 1 + 1 = 2. für alle Es gilt aber Denition 3.2 beschränkt, wenn die Menge {an } Eine Folge (an )n≥1 heiÿt ihrer Glieder beschränkt ist (dh. es gibt ein Satz 3.1 c<∞ mit Jede konvergente Folge ist beschränkt. Beweis. Sei (an ) eine Folge und a so dass lim an N mit {an }n∈N ⊂ [−c, c].) |an − a| ≤ ε = 1 für alle n ≥ N. = a. Zu ε = 1 existiert ein {an }n∈N in der Dann ist die Menge (a − 1, a + 1) und der endlichen und {a1 , . . . , aN −1 }. Da die Vereinigung zweier Vereinigung des (beschränkten) Intervalls daher auch beschränkten Menge Sei beschränkter Mengen wieder beschränkt ist folgt die Behauptung. Wir zeigen, dass die Satz 3.2 n ≤-Relation lim an = a a ≤ b. Wenn gilt, dann ist und beim Grenzübergang erhalten bleibt. lim bn = b ist und an ≤ bn für schlieÿlich alle Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Wähle zu diesem ε erstens ein N1 so dass für n ≥ N1 gilt |an − a| < ε/2, zweitens ein N2 so dass für alle n ≥ N2 gilt |bn − b| < ε/2 und drittens N3 , so dass für alle n ≥ N3 gilt an ≤ bn . Sei N = max{N1 , N2 , N3 }. Für n ≥ N gilt dann alle a−b Damit ist a−b ≤ ε = (a − an ) + (an − bn ) + (bn − b) ≤ ε/2 + 0 + ε/2 = ε. für jedes positive ε, also muss a−b ≤ 0 und damit a≤b sein. <-Relation im allgemeinen beim Grenzübergang in ein ≤ über. (an ) = ( n1 ), denn es ist 0 < n1 für alle n, aber 0 = lim n1 . Satz 3.2 auf den Fall an = bn in beiden Richtungen anwendet, Dagegen geht die Das zeigt schon die Folge Indem man erhält man die Eindeutigkeit des Grenzwerts: Eine Folge hat höchstens einen Grenzwert. Satz 3.3 Seien (an ), (bn ) zwei konvergente Folgen. Sei a = lim an , b Dann konvergieren auch die (an +bn )n≥1 und die (an bn )n≥1 Summenfolge = lim bn . Produktfolge und es gilt lim an + bn = lim an + lim bn = a + b, lim an bn = (lim an )(lim bn ) = a · b n→∞ n→∞ Beweis. 1. Summenfolge: Sei ε > 0. Wähle zu n ≥ N1 und ein dann: Für jedes N2 mit |bn − b| < n ≥ N ist ε 2 für n≥ ε ε 2 ein N1 mit |an − a| < 2 für N2 . Für N = max(N1 , N2 ) gilt |(an + bn ) − (a + b)| = |an − a + bn − b| ≤ |an − a| + |bn − b| < ε ε + = ε. 2 2 43 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 (an ) ist beschränkt nach Satz 3.1. Wähle C so dass n. Ferner können wir, nach eventueller Vergröÿerung von C |b| < C. Wähle zu der vorgegebenen Zahl ε zwei natürliche 2. Produktfolge: Die Folge |an | ≤ C für alle annehmen, dass Zahlen N1 , N 2 so dass gilt ε für n ≥ N1 2C ε für n ≥ N2 . |bn − b| < 2C |an − a| < Wenn n ≥ max(N1 , N2 ) := N ist, so gilt |an bn − ab| = |an bn − an b + an b − ab| = |an (bn − b) + (an − a)b| ≤ |an | |bn − b| + |an − a| |b| ε 2 ≤ C· + · C = ε. 2C 2C Folgerung 3.4 (an ) Konvergieren und (bn ),so folgt für alle λ, µ ∈ R lim (λan + µbn ) = λ lim an + µ lim bn . n→∞ n→∞ n→∞ Beweis. limn→∞ λan = λ lim an folgt aus der Multiplikationsregel, auf die konstante Folge (λ, λ, . . .) und (an ) angewendet. Analog für (µbn ). Rest ist Sum- menregel. Ist eine von zwei Folgen eine Nullfolge, so braucht für die Konvergenz der Produktfolge die andere der beiden Folgen nicht zu konvergieren, sondern nur beschränkt zu sein. Satz 3.5 Ist (an )n∈N beschränkt und (bn ) eine Nullfolge, so ist auch (an bn ) eine Nullfolge. Beweis. Sei |an | ≤ C ε0 = ε C ein N n und (bn ) eine Nullfolge. Sei ε > 0. Wähle n ≥ N gilt |bn | < ε0 . Dann gilt für diese n auch für alle so dass für zu |an bn | = |an ||bn | ≤ C|bn | < ε0 C = ε. Beispiel: Die Folge (−1)n n ist eine Nullfolge, denn ((−1)n )n≥1 ist be- n≥1 schränkt und Satz 3.6 mit Sei bn 6= 0 ( n1 )n≥1 ist eine Nullfolge. a = lim an und b = lim bn wobei b 6= 0. Dann existert ein n0 ∈ N n ≥ n0 und es gilt: Die Folge ( abnn )n≥n0 konvergiert gegen ab . für alle Beweis. Es genügt es den Fall an = 1 für alle n zu betrachten, denn wegen an 1 = a · n bn bn und der Produktformel für Grenzwerte in Satz 3.3 lässt sich der Fall einer beliebigen konvergenten Folge (an ) auf diesen Spezialfall zurückführen. |b| Zu ε1 = 2 gibt es ein n0 mit |bn − b| < ε1 für alle n ≥ n0 . Für diese n |b| gilt dann |bn | ≥ |b| − ε1 = 2 > 0. Damit ist die erste Behauptung bewiesen 1 2 und wir wissen, dass die Folge ( |b b| )n≥n0 beschränkt ist (durch |b|2 ). Wegen n schlie\sslich alle monotone Folge 44 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 1 − 1 = bn −b = |bn − b| · 1 |bn b| bn b bn b ist also nach Satz 3.5 ( b1n − 1b )n eine Nullfolge, 1 dh. es gilt −→ 1b . bn n→∞ Sprechweise: Wir sagen auch: für schlieÿlich alle n gilt An statt: es gibt ein N so dass für alle Satz 3.7 Sei n≥N gilt |≤b<1 | aan+1 n Beweis. Wähle N mit für schlieÿlich alle | aan+1 |≤b n an = für alle n>N für alle n. n ≥ N. Dann ist (an ) eine Nullfolge. Dann gilt an an−1 aN +1 ... · aN , an−1 an−2 aN und damit |an | ≤ | Weil An . an aN +1 |aN | |···| ||aN | ≤ bn−N · |aN | = bn · N . an−1 aN b (3.1) (bn ) eine Nullfolge ist, sind (bn |abNN | )n und mit Satz 3.2 auch (an ) Nullfolgen. Folgerung 3.8 Die Folge k n ( (1+c) n) ist eine Nullfolge für alle k ∈ N, c > 0. Beweis. Es ist an+1 n→∞ an lim Wähle b mit 1 1+c 1 (n + 1)k (1 + c)n 1 · = lim (1 + )k · n+1 k n→∞ (1 + c) n→∞ n n 1+c 1 1 k 1 = ( lim 1 + ) = < 1. 1 + c n→∞ n 1+c = lim <b<1 und wende den vorigen Satz an. Man formuliert das auch so: Polynomiales Wachstum ist asymptotisch langsamer als Exponentielles Wachstum. Die Folge (an ) = (n5 ) aus Beispiel 7 am Anfang des Kapitels verliert also schliesslich gegen die Folge (bn ) = ((1.02)n ) die wir in Anschluss an die Bernoulli-Ungleichung betrachtet haben, obwohl z.B. für n = 100 schon a100 = 10M rd und noch b100 ≈ 7.6 ist. Denition 3.3 Wir sagen, eine Folge (an ) ist (monoton) wachsend (isoton), falls an ≤ an+1 für alle n (monoton) fallend (antiton), falls an ≥ an+1 für alle n monoton, falls sie wachsend ist oder fallend ist. streng wachsend, falls an < an+1 für alle n streng fallend, falls an > an+1 für alle n. Satz 3.9 Jede beschränkte, monoton wachsende Folge konvergiert gegen ihr Su- premum. (Genauer: gegen das Supremum der Menge der Folgenglieder.) Für jede nicht leere nach oben beschränkte Menge Folge in M, die gegen sup M konvergiert. M gibt es eine monoton wachsende 45 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. 1. Sei a1 ≤ a2 ≤ . . . und a = sup{an : n ∈ N}. Sei ε > 0. Dann ist a − ε keine obere Schranke der Mengen {an : n ∈ N}, dh. es gibt ein N ∈ N mit a − ε < aN . Für alle n ≥ N gilt dann a − ε < aN ≤ an ≤ a Also also |an − a| < ε. a = lim an . M 2. Ist nicht leer, nach oben beschränkt, so gibt es nach der Bemerkung 6 auf Seite 30 eine Folge (an ) in M die gegen sup M konvergiert. Diese kann durch sukzessive Maximumsbildung wachsend gemacht werden. Folgerung 3.10 (Existenz der Wurzeln für natürliche Exponenten) Für jede nichtnegative reelle Zahl y und jedes √ m mit x = y . Man schreibt x = m y . m∈N Beweis. Sei M = {a ≥ 0 : am < y}. max{1, y}. Sei x = sup M . gibt es genau eine reelle Zahl Die Menge M x≥0 ist beschränkt, z.B. durch (an ) in M , die gegen m y ≥ limn→∞ am n = x . 1 Umgekehrt sei bn = x + . Dann gilt nach Denition des Supremums bn ∈ / M, n m m m also bn > y und damit x = limn→∞ bm = y . Die n ≥ y . Zusammen gilt x die Zahl x Wähle eine Folge konvergiert. Dann ist nach Satz 3.3 und Satz 3.2 Eindeutigkeit folgt aus dem Anordnungsaxiom A 17. Denition 3.4 Eine nicht konvergente Folge heiÿt divergent. Eine Folge (an ) divergiert gegen +∞, wenn für jedes K < ∞ schlieÿlich alle Folgenglieder an gegen K. an −→ +∞ oder limn→∞ an = +∞. n→∞ Man sagt auch, die Folge wächst über alle Grenzen. Analog wird Divergenz gröÿer sind als Wir schreiben −∞ deniert. Man spricht in diesen beiden Fällen auch von bestimmter Divergenz. Beispiele: Die beiden Folgen mit 1. an 2. a2n = n, = n, a2n+1 = n , 1000 +∞. Jede wachsende unbeschränkte Folge konvergiert un+∞. Die Folge mit a2n = n, a2n+1 = 0 ist unbeschränkt, divergegen +∞. sind divergent gegen eigentlich gegen giert aber nicht In mehreren Beispielen haben wir schon die folgende Tatsache benutzt, die leicht aus Satz 2.15 folgt. Satz 3.11 ( a1n ) 3.2 gegen (an ) positiver Zahlen divergiert. Eine Folge +∞ (an ) ist Nullfolge genau dann, wenn Konvergente Teilfolgen Der wesentliche Inhalt dieses Abschnitts ist die Tatsache, dass viele Folgen, die selbst nicht konvergieren, doch wenigstens konvergente Teilfolgen haben. Divergenz von Folgen 46 Bolzano-Weierstra\ss TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Denition 3.5 Eine Teilfolge einer 1 Folge (an ) ist eine Folge der Form (ank )k≥1 = (an1 , an2 , . . .), wobei die Indizes Beispiele 1) an nk streng wachsen = (−1)n . Sei n1 < n2 < . . . . nk = 2k für alle gerade die konstante Folge mit dem Wert folge 1. k. Dann ist die Teilfolge Analog ist für nk = 2k + 1 (ank ) die Teil- (ank ) die konstante Folge mit dem Wert −1. Beide Teilfolgen konvergieren, während die ursprüngliche Folge nicht konvergiert. an = (−1)n (2 + n1 ). Wieder haben wir zwei konvergente Teilfolgen: Es gilt −→ 2 und a2n+1 −→ −2. 2) Sei a2n n→∞ n→∞ (an ) eine Abzählung aller rationaler Zahlen (vgl. Satz 2.27). Dann gibt es x eine Teilfolge (ank ) von (an ), die gegen x konvergiert. Wir benutzen, dass es nach Satz 2.18 zu x beliebig nahe von x verschiedene rationale Zahlen gibt: Wähle irgendein n1 mit x 6= an1 . Sei jetzt ank−1 schon gewählt, so dass ank−1 6= x. Wähle eine rationale Zahl rk 6= x, die erstens höchstens den 1 Abstand k zu x hat und zweitens näher an x liegt als alle von x verschiedenen Folgenglieder an mit n ≤ nk−1 . Sei nk so dass rk = ank . Dann ist nk gröÿer als nk−1 und wegen |x − ank | ≤ k1 gilt limk→∞ ank = x. 3) Sei zu jeder reellen Zahl Satz 3.12 (Satz von Bolzano-Weierstraÿ) Jede beschränkte reelle Folge hat eine konvergente Teilfolge. Beweis. Sei (an ) eine beschränkte Folge. Für jeden Index m sei am = supn>m an , sup{an : n > m} ist. Nach De(nk ) von Indizes nden ≤ ank−1 nden. Die Folge (am )m∈N ist wobei letzteres eine abkürzende Schreibweise für nition dieses Supremums können wir rekursiv eine Folge 1 k ≤ ank monoton fallend (vgl. Bemerkung 8 am Ende des Abschnitts über das Supremit nk > nk−1 , so dass ank−1 − mumsaxiom) und nach unten beschränkt, also konvergiert sie gegen ihr Inmum a. Damit gilt |a − ank | ≤ |a − ank−1 | + |ank−1 − ank | −→ 0. k→∞ Die Teilfolge (ank ) konvergiert also gegen a. Der spezielle Grenzwert der in diesem Beweis konstruierten Teilfolge hat eine unabhängige Bedeutung, die aber erst in der Lebesgueschen Integrationstheorie (vgl. zweites Semester) wesentlich wird. Denition 3.6 Sei (an ) eine beschränkte reelle Folge. Dann denieren wir den Limes superior lim supn→∞ an der Folge als die Zahl inf m≥1 supn>m an . Analog ist der Limes inferior lim inf n→∞ an der Folge die Zahl supm≥1 inf n>m an . Bemerkung 3.13 1. Unter allen Grenzwerten von Teilfolgen von (an ) ist der Limes superior der gröÿte und der Limes inferior der kleinste. ±∞ als Werte von lim sup an den Wert +∞, 2. Wenn wir im Sinn der Bemerkung 7 zum Supremum auch Supremum und Inmum zulassen, erhalten wir für 1 beliebigen, nicht notwendig reellwertigen 47 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 falls (an )n −∞ divergiert. Analoges gilt für nach oben unbeschränkt ist, und den Wert 3. Für jede Zahl als b. wenn (an )n gegen b > lim supn an sind höchstens endlich viele Folgenglieder gröÿer < statt > gilt für den Limes inferior. Analoges mit Denition 3.7 ε>0 −∞, lim inf an . ein N Cauchy-Folge, wenn es zu jedem Eine reelle Folge (an ) heiÿt gibt, so daÿ für je zwei Indizes n, m ≥N gilt |an − am | < ε. Die Glieder einer Cauchy-Folge liegen also schlieÿlich beliebig nahe beieinander. Bemerkung 3.14 Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge. Beweis. Sei a = lim an . Sei ε > 0. Wähle N so dass für alle |an − a| < 2ε . |an − am | ≤ |an − a| + |am − a| < für alle n ≥ N gilt Dann ist n, m ≥ N Also ist (an ) ε ε + =ε 2 2 eine Cauchy-Folge. Umgekehrt gilt Satz 3.15 Jede Cauchy-Folge konvergiert gegen eine reelle Zahl. Beweis. Ähnlich wie im Satz 3.1 sieht man, dass eine Cauchy-Folge beschränkt a konvergente Teil(ank ). Wegen der Cauchy-Eigenschaft kommen alle späten Folgenglieder von (an ) den späten Folgengliedern der Teilfolge und damit auch dem Grenzwert a beliebig nahe. Das bedeutet aber, dass auch die Gesamtfolge (an ) gegen a konvergiert. ist. Nach Satz 3.12 existiert also eine gegen eine reelle Zahl folge Die in diesem Satz ausgesprochene Eigenschaft der reellen Zahlen heiÿt die Vollständigkeit von R. Wir haben sie letzten Endes (vgl. den Beweis von Satz 3.12) auf das Supremumsaxiom zurückgeführt. Umgekehrt folgt die Aussage des Supremumsaxioms aus der Vollständigkeit. 3.3 Sei Unendliche Reihen (an )n≥n0 eine Folge reeller Zahlen. Wir bilden daraus eine neue Folge mit sk = an0 + . . . ak = k X (sk )k≥n0 an . n=n0 Wenn limk→∞ sk Er heiÿt auch existiert, dann wird dieser Grenzwert mit P∞ n=1 an bezeichnet. WertPder Reihe. Wenn der Grenzwert existiert und endlich ist, ∞ n=1 an konvergiert, andernfalls divergiert sie. Das Symbol Pk a bezeichnet aber auch die Folge der sk . Die Zahl sk = n=1 n n=1 an heiÿt P∞ die k -te Partialsumme der Reihe a . n=1 n sagen wir: Die Reihe P∞ Beispiel: Es sei an = cn für n ≥ 0 und c mit 0 < |c| < 1. Aus Satz 1.2 zusammen mit der Tatsache, dass (cn )n≥0 eine Nullfolge ist, erhalten wir durch Grenzüber- gang die folgende wichtige Aussage, die eigentlich schon den b-adischen Darstel0 lungen zugrunde lag. Beachte, dass hier die Summation schon beim Index beginnt und dass (auch im Fall c = 0) c0 = 1 ist. Vollst\"andigkeit Partialsumme 48 Geometrische Reihe Ziehharmonika-Summe harmonische Reihe TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz P 3.16 ∞ n n=0 c = Speziell ist (Geometrische Reihe) Für jede reelle Zahl c mit 0 ≤ |c| < 1 ist 1 1−c . P∞ 1 n n=0 ( 2 ) = 2. Weitere Beispiele konvergenter Reihen erhalten wir u.a. mit dem folgenden Trick: Sei (ck )k≥1 eine beliebige Folge. Dann wird ck = c1 + (c2 − c1 ) + . . . + (ck − ck−1 ) = k X an , n=1 wobei a1 = c1 und an = P cn − cn−1 für n > 1 ( Ziehharmonika-Summe) ∞ c = limk→∞ ck = n=1 an , falls (ck ) konvergiert. . Also ist Sei z.B. speziell ck = cn − cn−1 = k+1 k . Dann ist für n≥2 n+1 n (n + 1)(n − 1) − nn 1 − = =− , n n−1 n(n − 1) n(n − 1) Also 1 = lim ck = ∞ X an = c1 + n=1 ∞ X an = 2 − n=2 ∞ X 1 . n(n − 1) n=2 Es ergibt sich die nicht mit bloÿem Auge ersichtliche Formel ∞ X 1 1 1 1 1 + + + + ... = = 1. 2 6 12 20 n(n + 1) n=1 Wegen 1 (n+1)2 < (3.2) 1 n(n+1) folgt ∞ ∞ X X 1 1 = 1 + < 2 < ∞. 2 n (n + 1)2 n=1 n=1 Den genauen Wert der linken Seite werden wir später bestimmen. Eine notwendige Bedingung für die Konvergenz einer Reihe ist gegeben durch Satz 3.17 P∞ an der n=n0 an konvergiert, bilden die Glieder P∞ Reihe eine Nullfolge. Ebenso ist die Folge der ( n=k+1 an )k eine Nullfolge. Beweis. Wenn die Reihe Restsummen sk − sk−1 = ak . (sk ) kon- vergiert, bilden die sukzessiven Dierenzen dieser Folge, also die Folge (an ) Es ist Da nach Voraussetzung die Folge eine Nullfolge. Ebenso kann man die Restsumme P∞ n=n0 −sk . Dies konvergiert gegen 0, weil sk P∞ n=k+1 P∞ an gegen auch schreiben als n=n0 konvergiert. Die Bedingung, dass die Glieder der Reihe eine Nullfolge bilden, ist aber nicht hinreichend für die Konvergenz der Reihe. Beispiel. Die harmonische Reihe mit an = n1 1+ divergiert: 1 1 + + . . . = +∞, 2 3 (3.3) 49 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Leibniz-Kriterium absolut konvergente Reihe denn die linke Seite enthält unendlich viele Teil-Summen der Form 1 1 1 1 , + k + k + . . . + (k+1) k 2 2 +1 2 +2 2 −1 1 ≥ 2k+1 sind und zusammen daher jedesmal 1 mindestens den Beitrag zur Gesamtsumme beitragen. Also übersteigt diese 2 Gesamtsumme jeden beliebigen vorgegebenen endlichen Wert. die 2k Terme haben, welche jeweils Dagegen konvergiert die alternierende Reihe mit den Gliedern Wir werden später beweisen P∞ n+1 1 n=1 (−1) n = log 2. an = (−1)n+1 n1 . Die Konvergenz dieser Reihe folgt aus Satz 3.18 (bn ) eine monotone Nullfolge. Dann konvern n=1 (−1) bn . Der Wert dieser Reihe hat das gleiche Vorzeichen wie ihr erstes Glied. (Leibniz-Kriterium) Sei giert die Reihe P∞ Beweis. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit können wir uns auf den Fall bn ≥ 0 bechränken. Dann fällt die Folge (bn ) gegen Null. Die Folge (s2k ) ist ebenfalls fallend, denn es ist s2k+2 − s2k = (−1)2k+2 b2k+2 + (−1)2k+1 b2k+1 = b2k+2 − b2k+1 ≤ 0. (s2k+1 ) wachsend. Schlieÿlich gilt für die Dierenz der s2k − s2k−1 = b2k ≥ 0, diese beiden Folgen bewegen sich also aufeinander zu und ihre Dierenz konvergiert gegen 0. Daher haben sie den gleichen Analog ist die Folge beiden Folgen Grenzwert. Dieser ist dann notwendigerweise der Grenzwert der gesamten Folge. Wenn (s2k ) bn ≥ 0 s1 = −b1 ≤ 0 und s2 = −b1 + b2 ≤ 0. Weil die Folge s2k ≤ 0 für alle k . Also ist auch der Wert der Reihe Folge ≤ 0. Damit haben der Wert der Reihe und das erste ist, ist fällt, ist damit auch als Grenzwert dieser Glied das gleiche Vorzeichen. Denition 3.8 P ∞ n=n0 |an | Satz 3.19 Die Reihe P∞ n=n0 an heiÿt absolut konvergent, wenn die Reihe an absolut konvergiert, dann konvergiert sie konvergiert. Wenn die Reihe P∞ n=1 (im normalen Sinn). Beweis. Sei ε > 0 vorgegeben. Dann existiert wegen der absoluten Konvergenz P P P ∞ N −1 n=1 |an | − n=1 |an | = zwei verschiedene Indizes mit k, m ≥ N . Sei etwa ein Index N mit ε > ∞ n=N |an |. Seien jetzt k, m m > k . Dann gilt nach der Dreiecksungleichung |sm − sk | = | m X n=k+1 Daraus folgt, dass die Folge m X an | ≤ (sk ) n=k+1 |an | ≤ ∞ X |an | < ε. n=N eine Cauchy-Folge ist, also nach Satz 3.15 konvergiert. Es gibt verschiedene hinreichende Kriterien für absolute Konvergenz. Das folgende ist ein besonders einfaches. Es beruht auf einem Vergleich mit der geometrischen Reihe. Die Reihe in (3.2) zeigt, dass dies Kriterium nicht von jeder absolut konvergenten Reihe erfüllt wird. 50 Quotientenkriterium Umkehrfunktion Verkn\"upfung von Funktionen Permutation Kardinalit\"at TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 3.20 (Quotienten-Kriterium) Wenn es eine Zahl schlieÿlich alle n gilt | aan+1 | ≤ b, n b<P 1 gibt, ∞ dann konvergiert die Reihe so dass für n=1 an absolut. Beweis. Die Voraussetzung ist die gleiche wie in Satz 3.7. Aus der Abschätzung (3.1) dort folgt für geeignetes ∞ X N ∞ X |an | ≤ n=N +1 bn n=N +1 |aN | < ∞, bN da die geometrische Reihe konvergiert. 3.4 Nachtrag über Bijektionen Als eine wichtigte Anwendung der unendlichen Reihen wollen wir im nächsten Abschnitt die (reelle) Exponentialfunktion und ihre Umkehrfunktion, den Logarithmus studieren. Zur Vorbereitung folgt zunächst ein Einschub über bijektive Abbildungen. Wir führen zunächst den Begri der Umkehrfunktion ein, der schon im Abschnitt 1.4 hätte erklärt werden können, den wir aber hier zum ersten Mal brauchen. Denition 3.9 a) Seien M, N zwei Mengen und existiert oenbar genau eine Funktion g : N −→ M Sie ist auch bijektiv. Wir nennen sie die f und bezeichnen sie mit f −1 . b) Sind M, N, Q Umkehrfunktion oder Inverse von f : M −→ N , k : N −→ Q zwei Funktionen, und (k ◦ f )(x) = k(f (x)) denierte Funktion Funktionen k und f . drei Mengen und so heiÿt die durch die f : M −→ N bijektiv. Dann mit g(y) = x wenn f (x) = y . k ◦ f : M −→ Q Verknüpfung der beiden Bemerkung 3.21 f : M −→ N bijektiv und f −1 : N −→ M ihre Umkehrfunktion ist, so gilt oenbar (f ◦ f −1 )(y) = y für alle y ∈ N −1 und (f ◦ f )(x) = x für alle x ∈ M . In diesem Sinn ist also f −1 tatsächlich das Inverse der Funktion f bezüglich der (nicht kommutativen !) Operation der Wenn die Funktion Verknüpfung zwischen Funktionen, denn beide denkbaren Verknüpfungen von f mit f −1 liefern die Identität, allerdings in zwei verschiedenen Mengen. Oenbar ist die Verknüpfung zweier Bijektionen wieder eine Bijektion. Eine Permutation einer Menge M ist eine bijektive Abbildung von M nach M. Formal kann man eine endliche Menge denieren als eine Menge eine natürliche Zahl n n und eine Bijektion ist dann eindeutig durch von M oder die M f : M −→ {1, . . . , n} M, zu der es gibt. Die Zahl bestimmt und heiÿt die Anzahl der Elemente Kardinalität von M und wird auch mit #M bezeichnet. Sie überträgt sich bei einer Bijektion zwischen zwei endlichen Mengen von einer der beiden beteiligten Mengen auf die andere. 2 2 Für unendliche Mengen gibt es auch einen Kardinalitätsbegri mit der Eigenschaft, dass auch jede unendliche Menge eine Kardinalität hat und dass zwei Mengen, zwischen denen eine 51 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 3.22 M mit n Elementen M gleich n!. Für eine endliche Menge Permutationen (Anordnungen) von ist die Anzahl aller Beweis. Wir können mit Hilfe der nach obiger Denition existierenden Bijektion zwischen M {1, . . . , n} das Problem an Stelle von M für {1, . . . , n} lösen. n! Per{1, . . . , n}. Induktionsschritt: Aus jeder Permutation σ von {1, . . . , n} erhalten wir n + 1 verschiedene Permutationen σk , k = 1, . . . n + 1 von {1, . . . , n + 1}, indem wir den Wert σk (k) = n + 1 in die Werte von σ wie Für n=1 und stimmt die Behauptung. Induktionsvoraussetzung: Es gebe mutationen von folgt einfügen σ(j) n+1 σk (j) = σ(j − 1) für für für 1≤j<k j=k . k <j ≤n+1 {1, . . . , n + 1} in eindeutiger Weise σ von {1, . . . , n}. Daher gibt es n + 1 {1, . . . , n + 1} als von {1, . . . , n}. Damit ist der Umgekehrt entsteht jede Permutation von in dieser Form aus einer Permutation mal so viele Permutationen von Induktionsschritt abgeschlossen. Denition 3.10 Seien n, k ∈ N0 mit k≤n gegeben. Die Zahl n! k!(n − k)! Binomialkoezient und wird mit n k (in Worten n über k ) bezeichnet. Dabei ergänzen wir die Denition von der Fakultät n! aus (1.3) durch die heiÿt Festlegung 0! = 1. Die folgenden beiden Sätze geben zwei wichtige Interpretationen der Binomialkoezienten. Im Beweis des erstens Satzes verwenden wir das prinzip: Wenn eine Menge M jede m in k Schubfach- disjunkte Klassen eingeteilt ist, von denen M genau k · m Elemente. Ein Spezialfall ist die #(A × B) der Elemente des cartesischen Produkts Mengen gleich dem Produkt #A · #B ist. Elemente hat, dann hat Tatsache, dass die Anzahl A×B zweier endlicher Satz 3.23 Es gibt genau n k verschiedene k -elementige Teilmengen einer n- elementigen Menge. Beweis. Wir können ohne Einschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, dass n-elementigen Grundmenge um {1, . . . , n} handelt. Sei B eine k -elementige Teilmenge von {1, . . . , n}. Wir bestimmen zunächst die Anzahl l(n, k) aller Anordnungen (Permutationen) σ der Zahlen {1, . . . , n} mit B = {σ(1), . . . , σ(k)}. Wenn wir ein solches σ gefunden haben, erhalten wir es sich bei der feste Bijektion existiert, gleiche Kardinalität haben. Für unsere Zwecke ist aber die in Abschnitt 2.5 eingeführte Unterscheidung abzählbar vs. überabzählbar ausreichend. Was wir nicht mehr ausführen ist die Tatsache, dass es unter den überabzählbaren Mengen noch viele Mengen unterschiedlicher Kardinalitäten gibt. Der Leser möge dies etwa dadurch zu beweisen, dass er sich an dem Cantorschen Beweis orientiert, dass es keine Abzählung der reellen Zahlen gibt und zeigt, dass für keine Menge gibt. M eine Bijektion zwischen M und der Potenzmenge von M Anordnung Binomialkoezienten Fakult\"at Schubfachprinzip Teilmengen, $k$-elementige 52 Binomische Formel Exponentialfunktion Eulersche Zahl TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 B = {σ 0 (1), . . . , σ 0 (k)} in eindeutiger Weiσ erstens die Elemente von B einer weiteren Permutation πk unterziehen, und zweitens die (n-k )-elementige Menge B c = {1, . . . , n} \ B auch durch eine Permutation πn−k umordnen. Also ist die Anzahl l(n, k) gleich der Zahl der Paare (πk , πn−k ) dieser Permutationen von B c bzw. B . Für πk gibt es nach dem vorigen Satz k! Wahlmöglichkeiten und für πn−k entsprechend (n − k)! Wahlmöglichkeiten. Daher ist l(n, k) = k!(n − k)!. Die n!-elementige Menge Sn aller Permutationen σ von {1, . . . , n} ist damit in disjunkte Klassen KB aufgeteilt, von denen jede genau k!(n − k)! Elemente enthält. Die Anzahl der Klassen ist gerade unsere gesuchte Anzahl N (n, k) der k -elementigen Teilmengen von {1, . . . , n}. Nach dem Schubfachprinzip ist n! = N (n, k)k!(n − k)!, woraus die Behauptung folgt. alle σ0 mit der gleichen Eigenschaft se dadurch, dass wir ausgehend von Satz 3.24 (Binomische Formel) Für je zwei reelle Zahlen gilt m (a + b) = m X m l=0 Beweis. l a, b und jedes m∈N al bm−l . Zur Vereinfachung der Notation schreiben wir b = a0 , a = a1 . Voll- ständiges Ausmultiplizieren liefert (a1 + a0 )m X = ai1 · ai2 . . . aim (i1 ,...,im )∈{0,1}m = m X al1 am−l N (m, l), 0 l=0 N (m, l) gleich der Zahl der Index-Tupel (i1 , . . . , im ) ∈ {0, 1}m ist mit l Komponenten 1 und m−l Komponenten 0. Wir identieren jedes solche (i1 , . . . , im ) mit der Menge derjenigen Stellen, an denen die 1 steht. Damit ist m die Zahl N (m, l) dieser Index-Tupel mit genau l Einsen gleich der Zahl l der l-elementigen Teilmengen von {1, . . . , m}. wobei die Anzahl Folgerung 3.25 Jede endliche Menge mit #M = n hat genau 2n verschiedene Teilmengen. Beweis. Jede Teilmenge von M Pkn. stimmte Kardinalität von M 3.5 gerade gleich ist ebenfalls endlich, sie hat also eine wohlbe- Daher ist nach Satz 3.23 die Anzahl aller Teilmengen k=0 n k . Dies ist aber nach Satz 3.24 gleich (1+1)n = 2n . Die reelle Exponentialfunktion Denition 3.11 Für x∈R bezeichnet exp(x) den Wert der Exponentialreihe ∞ X xn x2 x3 =1+x+ + + .... n! 2 6 n=0 Die Funktion e = exp(1) heiÿt (reelle) Exponentialfunktion. Speziell heiÿt Eulersche Zahl. x 7→ exp(x) auch 53 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 |xn+1 |/(n+1)! |xn |/n! |x| −→ 0 konvergiert die Exponentialreihe nach dem n+1 n→∞ Quotientenkriterium Satz 3.20 für jedes x ∈ R. Wegen Bemerkung 3.26 = e irrational ist. Die zugehörige Dezi2, 718281828459. Für allgemeine x ist eine Approxiexp(x) im folgenden Satz gegeben. Man kann zeigen, dass maldarstellung beginnt mit mationsmöglichkeit von Satz 3.27 (δn )n≥1 (Euler-Approximation der Exponentialfunktion) Für jede Nullfolge und jedes x∈R gilt lim (1 + n→∞ x x + δn n ) = lim (1 + )n = exp(x). n→∞ n n Beweis. Nach der Binomischen Formel ist ∞ n X x + δn n X n (x + δn )k = ) = an,k (1 + n nk k k=0 k=0 wobei ( an,k = Für festes k n (x+δn )k k nk für 0 für k≤n . k>n gilt n − (k + 1) (x + δn )k xk xk n−1 · ... · = 1...1 · = . n→∞ n→∞ n n k! k! k! P∞ Daher konvergieren die Reihen k=0 an,k gliedweise gegen die Exponentialreihe. lim an,k = lim Aus der gliedweisen Konvergenz folgt aber i.a. nicht 3 Konvergenz der Werte gegen den Wert der Grenzreihe. In diesem Fall können wir diesen Grenzübergang aber durch majorisierte Konvergenz doch rechtfertigen. Wir verschieben die allgemeine Formulierung dieses Prinzips auf die Integrationstheorie im zweiten Semester. Wir können |δn | ≤ 1 |an,k | für alle ≤ = Sei jetzt ε>0 n annehmen. Sei gegeben. Wähle K∈N n K x + δn n X ) − an,k | = n k=0 | K X k=0 3 Die Dann ist n! 1 yk · k · (n − k)! n k! yk n(n − 1) . . . (n − (k + 1)) y k · ≤ k n k! k! nach Satz 3.17. Es gilt für alle |(1 + y = |x| + 1. k x − exp(x)| k! ≤ so dass yk k=K+1 k! P∞ ∞ X |an,k | ≤ k=K+1 ∞ X k=K+1 Formulierung Die Aussage (oder Schlussweise) < ε. Das ist möglich ∞ X yk < ε, k! k=K+1 k |x| < ε, k! A ist im allgemeinen falsch bedeu- tet: Es gibt Fälle, in denen sie falsch ist, daher braucht man Zusatzüberlegungen, um sie im konkreten Fall anzuwenden. Euler-Approximation 54 Funktionalgleichung TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 und wegen der gliedweisen Konvergenz für hinreichend groÿe | K X an,k − k=0 K X xk k=0 k! n | < ε. Durch Addition der ersten, dritten und zweiten Ungleichung ergibt sich zusammen mit der Dreiecksungleichung für hinreichend groÿe |(1 + Da ε>0 n x + δn n ) − exp(x)| < 3ε. n beliebig war, folgt die Behauptung. Satz 3.28 (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion) Für alle x, y ∈ R gilt exp(x + y) = exp(x) exp(y). Beweis. Es ist y x n ) lim (1 + )n n n→∞ n h (x + y) + x y i = lim (1 + )(1 + ) = lim 1 + n→∞ n→∞ n n n = exp(x + y), exp(x) exp(y) denn (δn ) = ( xy n )n≥1 Satz 3.29 ist = lim (1 + n→∞ a) Für alle n x<y folgt n ist eine Nullfolge. exp(nx) = exp(x) . b) Aus xy n x∈R exp(−x) = exp(n) = en . gilt Speziell 0 < exp(x) < exp(y). 1 exp(x) und allgemeiner für n∈Z Insbesondere ist die (reelle) Exponen- tialfunktion injektiv. Beweis. a) Es ist exp(x) exp(−x) = exp(x + (−x)) = exp(0) = ∞ X 00 0n = = 1. n! 1 n=0 n ∈ N ergibt sich exp(nx) = exp(x)n mit vollständiger Induktion. Für n = 0 n 0 ist exp(0x) = 1 und exp(x) = exp(x) = 1. Für −n ∈ N folgt mit der ersten 1 1 n Gleichung exp(nx) = exp((−n)x) = exp(x)−n = exp(x) . Für b) Für x > 0 ist sogar exp(x) > 1 weil die Reihe mit 1 beginnt und nur Glieder > 1 0 hat. Damit ist auch exp(−x) = exp(x) > 0. Dies beweist die erste Ungleichung. Für die zweite beachte exp(y) = exp(x + (y − x)) = exp(x) exp(y − x) > exp(x). In der Nähe der Null weicht der Wert der Exponentialfunktion stark von 1+x exp(x) nicht ab. Abschätzungen wie im folgenden Lemma werden wir im Zusammenhang mit der Taylor-Formel später systematisch studieren. 55 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Lemma 3.30 und für alle x Stetigkeit Es ist mit 2, 5 < e < 3 (3.4) | exp(x) − (1 + x)| ≤ (e − 2)x2 ≤ x2 . (3.5) |x| ≤ 1 gilt Beweis. Wegen n! = 1 · 2 · 3 · · · n ≥ 1P· 2 · 2 · · · 2 = 2n−1 mit > für n > 2 können wir die Restsumme ∞ 1 n=3 n! exp(1) − 2, 5 = >0 durch ∞ ∞ ∞ X X 1X 1 1 1 1 1 = = < n n n! n=2 2 4 n=0 2 41− n=3 1 2 = 1 2 abschätzen. Daraus folgen (3.4) und die zweite Ungleichung in (3.5). Es ist |x|2 = x2 |x| ≤ 1 und wegen erhalten wir ∞ ∞ ∞ X X X xn |x|n−2 |x|n 2 | exp(x) − (1 + x)| = | |≤ = |x| n! n! n! n=2 n=2 n=2 ≤ x2 ∞ X 1 = x2 (exp(1) − (1 + 1)) = x2 (e − 2). n! n=2 Damit ist die erste Ungleichung in (3.5) bewiesen. Bemerkung 3.31 Die erste Ungleichung in (3.5) ist scharf , sie kann nicht x = 1 gilt sogar Gleichheit. Die Approximation der e in (3.4) kann man natürlich auf beiden Seiten viel genauer machen, indem verbessert werden, denn für Zahl man die Abschätzung durch die geometrische Reihe erst bei einem späteren Index beginnen lässt. Es folgt die Stetigkeit der Exponentialfunktion. Wir werden auf diesen Begri noch in einem allgemeineren Rahmen eingehen. Hier begnügen wir uns mit folgender Denition. Denition 3.12 Eine reellwertige Funktion f auf einer Menge D ⊂ R heiÿt stetig, wenn für alle Folgen (xn ) von Elementen von D, die gegen ein Element x von D konvergieren, gilt limn→∞ f (xn ) = f (x). f ist genau dann stetig, falls stets f (lim xn ) = lim f (xn ) gilt. Für die sogenannte ε-δ -Denition der Stetigkeit siehe Dies kann man zu der Merkregel abkürzen: später den Abschnitt über metrische Räume. Satz 3.32 Die Exponentialfunktion exp ist stetig. Beweis. 1. Sei zunächst limn→∞ xn = 0. Dann ist |xn | ≤ 1 für schliesslich alle n. Für diese n gilt nach dem Lemma | exp(xn ) − exp(0)| = | exp(xn ) − 1| = | exp(xn ) − (1 + xn ) + xn | ≤ x2n + |xn |. Damit gilt exp(xn ) −→ exp(0). n→∞ 56 Zwischenwertsatz Logarithmus TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 x beliebig und limn→∞ xn = x. Dann ist exp(xn ) = exp(x) exp(xn − x) −→ exp(x) exp(0) = exp(x). 2. Sei jetzt Eine sehr nützliche Eigenschaft stetiger Funktionen im Bereich der reellen Zahlen ist die Tatsache, dass sie Intervalle auf Intervalle abbilden. Der Beweis ist eine einfache Adaption des Arguments für die Existenz der m-ten Wurzeln (Fol- gerung 3.10). Satz 3.33 (Zwischenwertsatz) Sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion. y ∈ R eine Zahl mit f (a) ≤ y ≤ f (b) oder f (a) ≥ y ≥ f (b). Dann gibt es x ∈ [a, b] mit f (x) = y . Sei ein Beweis. Sei zunächst f (a) ≤ y ≤ f (b). Wir können f (b) > y annehmen, denn f (b) = y und b ist der gesuchte M = {c ∈ [a, b] : f (c) ≤ y}. Die Menge enthält sonst ist nach Voraussetzung Punkt. Betrachte die Menge den Punkt a, sie ist also nicht leer. Sie ist nach oben beschränkt als Teilmenge des Intervalls [a, b]. Sei x = sup M . Dann gibt es eine Folge (xn ) in M mit xn −→ x. n→∞ Also f (x) = limn→∞ f (xn ) ≤ y . Wegen f (b) > y ist also x < b und kein Glied der Folge (bn ) mit bn = x + n1 liegt in M . Daher gilt f (x) = limn→∞ f (bn ) ≥ y . Zusammen folgt f (x) = y . Der Fall f (a) ≥ y ≥ f (b) ergibt sich analog, oder man kann ihn auch durch Betrachtung der Funktion −f auf den Fall f (a) ≤ y ≤ f (b) zurückführen. ist wegen der Stetigkeit Da die Exponentialfunktion wegen der für x x > 0 trivialen Ungleichung exp(x) > beliebig groÿe und wegen Teil a) von Satz 3.29 damit auch beliebig kleine positive Werte annimmt, kommt also jede positive Zahl als einer ihrer Werte vor. Zusammen mit der Injektivität (vgl. Teil b) von Satz 3.29) ergibt sich Satz 3.34 Die Funktion Denition 3.13 exp, die und mit exp : R −→ (0, ∞) ist bijektiv. Die nach dem letzten Satz existierende Umkehrfunktion von (0, ∞) bijektiv auf R abbildet, wird Logarithmus-Funktion genannt ln (natürlicher Logarithmus, logarithmus naturalis) bezeichnet. Satz 3.35 ln ist streng monoton steigend und es gilt (1) ln(1) = 0, ln(e) = 1 (2) ln(x · y) = ln(x) + ln(y) 1 (3) ln( ) = − ln(x). x f ür x, y > 0 (Funktionalgleichung von ln), Beweis. (1) folgt aus exp(0) = 1 und exp(1) = e1 = e. (2) Sei x = exp(ξ), y = exp(υ). Dann ist nach der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion ln(x · y) = ln(exp(ξ) · exp(υ)) = ln(exp(ξ + υ)) = ξ + υ = ln x + ln y. (3) folgt aus (1) und (2). 57 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Lemma 3.36 Für exp( pq · ln a). p ∈ Z, q ∈ N und a>0 gilt ap = exp(p · ln a) und √ q ap = Beweis. 1. Durch vollständige Induktion sieht man exp(nx · ln a) = (exp(x · ln a))n f ür n ∈ N0 , x ∈ R. exp(0 · x · ln a) = exp(0) = 1 = (. . .)0 . Induktionsschritt: exp((n + 1)x · ln a) = exp(nx · ln a + x · ln a) = exp(nx · ln a) · exp(x · ln a) = exp(x · ln a)n+1 . n n Für x = 1 folgt exp(n·ln a) = (exp(ln a)] = a , für x = −1 folgt exp(−n·ln a) = 1 n −n n (exp(− ln a)) = ( exp(ln a) ) = a . Induktionsanfang: Damit ist die erste Aussage bewiesen. Weiter gilt p p (exp( · ln a))q = exp(q · · ln a) = ap q q und somit √ q ap = exp( pq · ln a). Also wird folgende Denition sinnvoll: Denition 3.14 Sei a>0 und x ∈ R. Dann setze ax := exp(x · ln a). Bemerkung: Es folgt ex = exp(x · ln e) = exp(x). Satz 3.37 Sei a>0 (1) ln ax = x · ln a (2) ax+y = ax · ay (3) (ax )y = ax·y (4) a−x = und x, y ∈ R. Dann gilt 1 ax Beweis. (1) ln ax = ln(exp(x · ln a)) = x · ln a. (2) ax+y x y exp(x · ln a) · exp(y · ln a) = a · a . exp(y · x · ln a) = ax·y . (3) Nach Teil (1) ist (4) Aus (3) folgt 1 ax y? a > 0 ist eine vorgegebene y = ax genau 1 = ln a ln y . Die Funktion und wird meist mit loga Die Antwort ist gegeben durch die Beziehung (1): Es ist dann, wenn y = exp(x ln a) spricht man auch vom oder ln y = x ln a oder Logarithmus zur Basis 1 ln a ln y heiÿt auch bezeichnet. Im Spezialfall y 7→ log2 . (ax )y = exp(y · ln ax ) = = (ax )−1 = a−x . Häug stellt man die Frage: Welche Potenz von Zahl = exp((x + y) ln a) = a = 2, x a der insbesondere in der Informatik wichtig ist, Zweierlogarithmus und schreibt auch einfach log statt 58 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 lineare Struktur Nullpunkt Ursprung Kapitel 4 Der Raum Rd Rd 4.1 als Vektorraum Denition 4.1 Sei d ∈ N. Mit Rd wird der Raum aller d-Tupel (a1 , . . . , ad ) reeller Zahlen bezeichnet. Im Fall d=2 sprechen wir von der reellen (Zahlen-)Ebene, der Raum R3 ist in der Physik das (nicht-relativistische) Standard-Modell für den uns umgebenden Raum. Denition 4.2 und Rd ) Für je zwei Elemente a = (a1 , . . . , ad ) R denieren wir die Summe a + b ∈ Rd durch (Lineare Struktur des b = (b1 , . . . , bd ) von d a + b := (a1 + b1 , . . . , ad + bd ). Für α ∈ R, Rd durch a = (a1 , . . . , ad ) ∈ Rd denieren wir das skalare Vielfache α · a ∈ α · a := (αa1 , . . . , αad ). Das Element genannt und (0, . . . , 0) ∈ Rd wird Nullpunkt des Rd oder mit 0Rd oder einfach nur mit 0 bezeichnet. Wir fassen die Elemente von Rd einfach als Punkte im auch Nullvektor d-dimensionalen Zahlen- Raum auf. Dieser Raum ist mit einem ausgezeichneten Element, dem Nullpunkt oder Ursprung versehen. Die Addition dieser Punkte ist zunächst ein rein rechnerischer Vorgang. Aus geometrischer Sicht kann man aber dem Punkt a umkehrbar eindeutig den Vektor, dh. die (eventuell parallel verschiebbare) Verbindungs-Strecke zuordnen, die man am Nullpunkt abtragen muss, um zum Punkt a zu kommen. Wenn man dann für einen zweiten Punkt Verbindungsstrecke vom Nullpunkt nach am neuen Startpunkt a b b die zugehörige nimmt und parallel verschiebt und abträgt, erhält man den Endpunkt a + b, der wieder einen neuen Vektor deniert. Die Addition von Vektoren hat also die geometrische Bedeutung der Hintereinanderausführung von zwei Abtragungen. Die Kommutativität der Vektoraddition, die in der obigen Denition trivial aus derjenigen für reelle Zahlen folgt, ist dann ein geometrisches Postulat. Sind bei uns a und b zwei Punkte im d-dimensionalen nach b zu kommen. 59 b − a (= b + (−a)) a abtragen muss, um Raum, so kann auch als der Vektor aufgefasst werden, den man im Punkt 60 Vektorraum Gruppe abelsch TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 a 6= 0 gibt es genau eine Gerade, auf der beide Zum Ursprung und jedem Punkt 0 und a liegen. α · a mit α ∈ R. Punkte Form Die Punkte dieser Gerade sind genau die Punkte der Mit den beiden in Denition 4.2 erklärten Operationen wird der Raum Vektorraum über dem Körper R Rd ein im Sinn der folgenden Denition. In seiner Allgemeinheit werden wir den Begri des Vektorraums erst im nächsten Kapitel verwenden. Denition 4.3 Sei K ein Körper. Ein Vektorraum über K ist eine Menge V , zusammen mit zwei Abbildungen + : V × V −→ V (Vektoraddition) und · : K × V −→ V (Multiplikation mit Skalaren), derart dass die folgenden Aussagen gelten: + ist assoziativ und kommutativ, a + b = b + a für alle a, b, c ∈ V . a1) Die Operation a + (b + c) und a2) Es gibt genau ein Element a3) Für jedes a∈V 0V von V, a + 0V = a so dass gibt es genau ein Element dh. es gelten −a von V (a + b) + c = für alle so dass a∈V ist. a + (−a) = 0V ist. b1) Es gilt 1·a=a b2) Es gilt α · (β · a) = (αβ) · a für alle a∈V. Hierbei ist für alle 1 α, β ∈ K das Einselement von und alle K. a∈V. b3) Es gelten die Distributivgesetze (α + β) · a = α · a + β · a α · (a + b) = α · a + α · b für alle Wenn α, β ∈ K V und a, b ∈ V . ein Vektorraum über die Elemente von Bemerkung 4.1 V K Vektoren. ist, heissen die Elemente von 1. Die Eigenschaften a1) - a3) bedeuten: K Skalare und (V, +) ist eine abel- sche Gruppe. 2. Wenn wir in dem ersten Distributiv-Gesetz in b3) wir 0 · a = 0V Satz 4.2 für alle β=0 einsetzen, erhalten a∈V. (Vektorraum-Eigenschaften des Rd ) Der Raum Rd ist mit den in De- nition 4.2 erklärten Operationen ein Vektorraum über dem Körper R. Beweis. Die einzelnen Regeln a1) - b3) kann man leicht auf die entsprechenden Axiome für die reellen Zahlen zurückführen. Zum Beispiel gilt das zweite Distributiv-Gesetz in b3) wegen α · (a + b) = (α(a1 + b1 ), . . . , α(ad + bd )) = (αa1 + αb1 , . . . , αad + αbd ) = (αa1 , . . . , αad ) + (αb1 , . . . , αbd ) = α · a + α · b. 61 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 4.2 Skalarprodukt Das Standard-Skalarprodukt Euklidische Norm Zusätzlich zur linearen Struktur denieren wir jetzt auÿerdem ein Skalarpro- Norm Cauchy-SchwarzBuniakowski dukt zwischen je zwei Vektoren des Rd . Das Ergebnis ist eine reelle Zahl. Denition 4.4 Seien a = (a1 , . . . , ad ), b = (b1 , . . . , bd ) Dann setzen wir ha, bi = d X Rd . zwei Vektoren in ai bi . (4.1) i=1 Man veriziert unmittelbar: Satz 4.3 h·, ·i : Rd × Rd → R Die Funktion a) ha + a0 , bi = ha, bi + ha0 , bi b) ha, bi = hb, ai c) hλa, bi = λha, bi d) ha, ai ≥ 0 für alle e) ha, ai = 0 gilt genau dann, wenn für alle Bemerkung 4.4 gilt für alle hat folgende Eigenschaften: a, a0 , b ∈ Rd , a, b ∈ Rd , a, b ∈ Rd für alle und λ ∈ R. a ∈ Rd , a = 0. Aus der Symmetrie-Eigenschaft b) folgt, dass die beiden Ei- genschaften a) und c) sinngemäÿ auch in der zweiten Variablen gültig sind. Im Lauf der Zeit werden wir noch eine Reihe von anderen Funktionen von zwei Variablen auf geeigneten Vektorräumen kennenlernen, die diese oder ähnliche Eigenschaften haben. Denition 4.5 |a| a. an Stelle von kak2 oder auch einfacher Diese Zahl heiÿt die Wir p schreiben ha, ai. kak oder ganz einfach Euklidische Norm des Vektors kak2 als die Euklidische Länge des Vektors a oder als den a vom Nullpunkt. Oenbar ist im Fall d = 1 die Zahl gleich a2 = |a|, also gleich dem gewöhnlichen Betrag. Der in der Man interpretiert Abstand des Punktes √ kak2 gerade Denition verwendete Begri Norm ist allgemein wie folgt erklärt: Denition 4.6 Sei V ein Vektorraum über steht man eine Abbildung (1) (2) (3) k k : V → [0, ∞) R. Unter einer Norm auf V ver- mit kxk = 0 genau dann, wenn x = 0. kλ · xk = |λ| · kxk für alle (λ, x) ∈ R × V . kx + yk ≤ kxk + kyk für alle x, y ∈ V . Satz 4.5 raum a) Die Funktion k2 : Rd → [0, ∞) k ist eine Norm auf dem Vektor- Rd . b) Für je zwei Vektoren Buniakowski a, b in Rd gilt die Ungleichung von Cauchy-Schwarz- 1 |ha, bi| ≤ kak2 · kbk2 . (4.2) Wenn in dieser Ungleichung Gleichheit vorliegt, dann ist einer der beiden Vektoren a, b 1 häug ein skalares Vielfaches des anderen. auch einfach Cauchy-Schwarz-Ungleichung genannt 62 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis.1. Dass k k2 die Eigenschaft (1) einer Norm erfüllt, folgt aus Teil e) von Satz 4.3. 2. Dass k k2 die Eigenschaft (2) einer Norm erfüllt, folgt aus Teil c) in Satz 4.3 und Bemerkung 4.4: kλ · ak2 = p hλ · a, λ · ai = p λ2 ha, ai = |λ| kak2 . 3. Nun zur Ungleichung von Cauchy-Schwarz-Buniakowski. Wir bemerken zunächst für später: Für jedes skalare λ gilt 0 ≤ ha + λb, a + λbi = ha, ai + 2λha, bi + λ2 hb, bi. (4.3) a, ist der Nullvektor. 0, denn es ist h0, bi = 0h0, bi = 0 für alle b. Zweiter Fall. Es gelte kak2 = kbk2 = 1. In diesem Fall folgt aus (4.3) speziell für λ mit |λ| = 1, dh. λ = ∓1 Erster Fall. Einer der beiden Vektoren in (4.2), sagen wir Dann sind beide Seiten gleich ±ha, bi ≤ 1 = kak2 · kbk2 . (4.4) Dies beweist (4.2). a und b seien 6= 0, aber sonst beliebig. Dann sind die beiden Zahlen kbk2 positiv nach Eigenschaft e) im Satz. Es folgt Dritter Fall. kak2 und k 1 a k2 = | | kak2 = 1, kak2 kak2 und analog k b k2 = 1. kbk2 Daher gilt nach dem vorigen Beweisschritt |h b a , i| ≤ 1, kak2 kbk2 Weil man hier die beiden Normen im Nenner als positive Skalare aus den Betragsstrichen herausziehen kann, folgt (4.2). 4. Wenn man in (4.3) λ=1 wählt, erhält man zusammen mit (4.2) ka + bk22 ≤ kak2 + 2kak2 kbk2 + kbk22 = (kak2 + kbk2 )2 , also gilt auch die Dreiecksungleichung (3) in der Denition einer Norm. 5. Schlieÿlich nehmen wir an, es gelte = in (4.2). Im Fall, dass einer der beiden Vektoren der Nullvektor ist, ist er eben das Nullfache des anderen, die Behauptung im Satz stimmt also. Wenn beide vom Nullvektor verschieden sind, gilt auch |h also für λ = −1 oder λ=1 0=h b a , i| = 1, kak2 kbk2 wegen (4.3) a b a b +λ , +λ i, kak2 kbk2 kak2 kbk2 dh. wegen Satz 4.3 Teil e) muss a= −λ kak2 kbk2 ·b sein. 63 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Folgerung 4.6 Es gilt für jeden Vektor Signum a ∈ Rd d √ d 1 d 1 X √ max |ai | ≤ √ |ai | ≤ kak2 ≤ d max |ai |. i=1 d i=1 d i=1 Beweis. Die erste Ungleichung ist trivial. Für den Beweis der zweiten Ungleichung sei b der Vektor mit den Komponenten bi = sgn(ai ), wobei die SignumFunktion sgn : R → R durch 1 x>0 0 x=0 sgn(x) = −1 x < 0 deniert ist. Dann ist d X kbk2 = |ai | = i=1 d X qP d 2 i=1 bi ≤ √ d (4.5) und damit ai bi = ha, bi ≤ kak2 kbk2 ≤ √ d kak2 . i=1 Die dritte Ungleichung folgt aus v u d r uX √ d d a2i ≤ d max a2i = d max |ai |. kak2 = t i=1 i=1 i=1 Gelegentlich werden auch andere Normen als die Euklidische Norm auf dem Raum Rd betrachtet, z.B. denieren die beiden ersten Ausdrücke in der obigen Ungleichungskette ebenfalls Normen auf kak1 = Rd : Man setzt d X |ai |, (4.6) i=1 kak∞ Der Index in k k2 d = max |ai |. i=1 (4.7) ist in solchen Fällen zur Vermeidung von Verwechslungen nützlich. Vorläug betrachten wir aber nur die Euklidische Norm und lassen daher den Index weg. Geometrische Interpretation. Seien a, b ∈ Rd zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren. Den am Ende von Satz 4.5 angesprochene Fall der Gleichheit in der Ungleichung von Cauchy-Schwarz-Buniakowski, dass nämlich einer der beiden Vektoren ein Vielfaches des anderen ist, kann man auch so formulieren: Die beiden Vektoren liegen auf der gleichen Geraden durch den Nullpunkt. In diesem Fall wird in −1 ≤ ha, bi ≤ 1, kakkbk eine der beiden Ungleichungen zur Gleichheit, der Winkel zwischen den beiden Vektoren ist dementsprechend entweder gleiche Richtung) oder ◦ 180 0◦ (die beiden Vektoren haben die (ihre Richtung ist entgegengesetzt). Der andere Extremfall ist, dass das Skalarprodukt verschwindet. 64 orthogonale Vektoren Cosinus Winkel Metrik Dreiecksungleichung TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Denition 4.7 Seien a und b zwei Vektoren mit ha, bi = 0. Wir sagen in diesem Fall, a und b stehen senkrecht aufeinander oder sie sind orthogonal. Wir schreiben dann auch a ⊥ b. Dies entspricht anschaulich dem Fall, dass der Winkel zwischen den beiden Vek- 90◦ oder 270◦ ist. Zum Beispiel stehen die beide Vektoren (1, 3) und (−6, 2) im R2 senkrecht aufeinander. Für zwei orthogonale Vektoren a, b ist das d Dreieck im R mit den drei Eckpunkten 0, a und a + b bei a rechtwinklig. Die drei Seitenlängen dieses Dreiecks sind kak, kbk = k(a + b) − ak und ka + bk, und toren gleich es gilt der Satz von Pythagoras ka + bk2 = kak2 + kbk2 . (4.8) Dies folgt unmittelbar aus der Denition der Euklidischen Norm mit λ=1 in (4.3). Seien nun ist c⊥b a, b nicht orthogonal, aber kbk = 1. Betrachte c := a − ha, bi · b. Dann wegen hc, bi = ha, bi − hha, bib, bi = ha, bi − ha, bihb, bi = ha, bi − ha, bi = 0. Wir können daher c im Sinn der Auassung von Vektoren als Verbindungs- a auf die Gerade R · b = {α · b : α ∈ R} ha, bi · b als den Fuÿpunkt dieses Lots. Also gibt die Zahl ha, bi an, wo auf der Gerade R · b dieser Fuÿpunkt liegt. Ist jetzt ausserdem auch kak = 1, so ist nach unserem Vorwissen aus der Geometrie damit ha, bi gleich dem Cosinus des Winkels zwischen den Vektoren a und b. Wir werden strecken als das senkrechte Lot von auassen, und den Punkt dies nicht verwenden, sondern später neu begründen, nachdem wir den Winkel und die Cosinus-Funktion eingeführt haben. 4.3 Rd als metrischer Raum a und b zwei Punkte im Rd . Wir betrachten die Zahl ka − bk als (Euklidischen) Abstand der beiden Punkte. Oenbar gilt nach der Dreiecksunglei- Seien chung (Eigenschaft (3) in der Denition 4.6 einer Norm) und Satz 4.5 a) für je drei Punkte a, b, c ∈ Rd ka − ck ≤ ka − bk + kb − ck. Ferner ist der Abstand von a nach b gleich dem Abstand von b nach a, der Ab- stand zwischen zwei Punkten ist stets nichtnegativ und gleich Null genau dann, wenn die beiden Punkte zusammenfallen. Daher ist die so denierte Abstandsfunktion eine Metrik im Sinn der folgenden Denition: Denition 4.8 eine Abbildung (1) (2) (3) Ein Sei X eine Menge. Unter d : X × X → [0, ∞) mit einer Metrik d auf X versteht man d(x, y) = 0 genau dann wenn x = y , d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ X (Symmetrie), d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für alle x, y, z ∈ x (Dreiecksungleichung). metrischer Raum ist ein Paar (X, d), bestehend aus einer Menge X und d. Man nennt d(x, y) den Abstand oder die Distanz der Punkte einer Metrik x und y X . bzgl. der Metrik d. Man spricht oft auch einfach vom metrischen Raum 65 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Wir werden später noch eine Reihe anderer Metriken kennenlernen. Viele der für das Arbeiten im Rd wichtigen Begrisbildungen sind auch für diese anderen Metriken nützlich und daher werden wir sie gleich im allgemeinen Rahmen erklären, auch wenn unser Hauptzeuge für ihre Bedeutung zunächst der Euklidische Abstand bleiben wird. Die am Anfang dieses Abschnitts gebrachten Argumente für den Euklidischen Abstand lassen sich leicht übertragen auf beliebige Normen: Bemerkung 4.7 Dann ist durch Sei V ein Vektorraum über R und k k eine d(x, y) = kx − yk eine Metrik auf V deniert. Norm auf V. Beispiele. 1. Deniere für a, b ∈ R einen neuen Abstand durch d(a, b) = Dann ist d, |a − b| . 1 + |a − b| wie leicht zu verizieren ist, eine Metrik, die aber nicht im Sinn der Bemerkung von einer Norm stammt. 2. Ist X eine beliebige Menge, so ist die d(x, y) = 0 1 diskrete Metrik auf X falls falls durch x=y x 6= y deniert. Das heiÿt zwar, dass man auf jeder Menge eine Metrik einführen kann, aber diese Metrik liefert meist nur Triviales. 3. Im der reellen Ebene k k1 R2 kann man sich den durch die in (4.6) erklärte Norm gemäÿ der Bemerkung denierten Abstand mit d(x, y) = |y1 − x1 | + |y2 − x2 | veranschaulichen als Taxifahrer-Metrik in Mannheim. Nach Folgerung 4.6 un- √ terscheidet er sich höchstens um den Faktor 2 vom Euklidischen Abstand (Luftlinien-Abstand). 4. Etwas allgemeiner kann man auf einer Menge, auf der es zwischen je zwei Punkten eine ganze Klasse von Verbindungswegen gibt mit verschiedenen Längen, eine Metrik d denieren, indem man als aller vorhandenen Wege zwischen stand d(x, y) x und y d(x, y) das Inmum der Längen wählt, vereinfacht gesagt: der Ab- ist die Länge des kürzesten zulässigen Weges zwischen den beiden Punkten. Dies Prinzip ist sowohl in der Physik (Optik) als auch in der Logistik (Standort-Theorie) wichtig. In einem metrischen Raum bedeutet die Konvergenz einer Folge gegen einen Punkt genau wie auf der reellen Achse, dass der Abstand der Folge von diesem Punkt gegen Null konvergiert: Denition 4.9 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (an )n∈N von EleX konvergiert gegen den Punkt a ∈ X (bezüglich d) genau dann, menten von wenn lim d(an , a) = 0. n→∞ diskrete Metrik Taxifahrer-Metrik Luftlinien-Abstand Konvergenz 66 $\eps$-Kugel oen abgeschlossen Rand Im TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Rd bedeutet Konvergenz bezüglich des Euklidischen Abstands einfach die Konvergenz der einzelnen Komponenten der beteiligten d-Tupel. Dies ist eine einfache Konsequenz aus der Abschätzung in Folgerung 4.6. Gleiches gilt übrigens dann auch für die beiden, aus den in (4.6) und (4.7) denierten Normen abgeleiteten Abstandsbegrie. Satz 4.8 d Eine Folge (an )n = ((a1n , . . . , adn ))n von Punkten in R konvergiert a = (a1 , . . . , ad ) ∈ Rd genau dann bezüglich des Euklidischen Abstands, wenn sie komponentenweise konvergiert, dh. wenn für jedes i ∈ {1, . . . , d} gilt limn→∞ ain = ai . gegen Nützlich sind jetzt die folgenden allgemeinen Begrie. Denition 4.10 a ∈ X und eine reelle B(a, ε) := {x ∈ X : d(a, x) < ε} die (oene) Kugel mit Mittelpunkt a und Radius ε. Eine Menge U ⊂ X heiÿt oen, falls für alle a ∈ U ein ε > 0 existiert mit B(a, ε) ⊂ U. Eine Menge A ⊂ X heiÿt abgeschlossen, falls ihr Komplement Ac = X\A oen ist. Ein Punkt x ∈ X heiÿt Randpunkt von Y ⊂ X , falls in jeder Kugel B(x, ε) um x sowohl ein c Element aus Y als auch ein Element aus Y liegen. Die Menge aller Randpunkte von Y , der Rand von Y , wird mit ∂Y bezeichnet. Die Mengen Zahl ε > 0 (X, d) Sei ein metrischer Raum. Für heiÿt die Menge Y Y◦ heiÿen (4.9) (4.10) Abschluss bzw. oener Kern von Y . Bemerkung 4.9 c und = Y ∪ ∂Y = Y \ ∂Y c ◦ Y = (Y ) Die Kugeln . Die Mengen B(a, ε) sind oene Mengen. Es ist ∂Y = ∂(Y c ) Y ◦ sind oen und die Mengen Y abgeschlossen. Beweis. Ist x ∈ B(a, ε), so ist d(a, x) < ε, also gilt η B(x, η) ist nach der Dreiecksungleichung in B(a, ε) oen. = ε − d(a, x) > 0 und B(a, ε) enthalten. Also ist c ∂Y = ∂(Y c ) folgt aus der Denition. Es folgt Y = Y c ∩ (∂Y )c = Y c \ ∂Y c = (Y c )◦ . Zum Beweis, dass Y ◦ oen ist, sei x ∈ Y ◦ . Weil x ∈ / ∂Y ist, gibt es eine c Kugel B(x, ε), die kein Element von Y enthält. Da diese Kugel oen ist, enthält ◦ sie daher auch kein Element von ∂Y . Daher ist diese Kugel ganz in Y enhalten. Damit sind die oenen Kerne oen. Y als das Komplement des oenen Kerns c von Y ist abgeschlossen. a, b zwei reelle Zahlen mit a < b. Der Rand der Intervalle (a, b), (a, b], [a, b] ist jeweils die zwei-elementige Menge {a, b}. Das Intervall [a, b] ist der Abschluss von (a, b). Umgekehrt ist (a, b) der oene Kern von [a, b]. Zum Beispiel seien Das folgende einfache Lemma wird öfters verwendet werden beim Übergang zwischen einer Aussage mit konvergenten Folgen und einer Aussage mit oder ε-s δ -s. Lemma 4.10 Sei E eine Teilmenge des metrischen Raums X und sei x ∈ E. Dann sind folgende beiden Bedingungen äquivalent: a) Es gibt ein δ > 0, so dass die Kugel b) Es gibt keine Folge (xn )n B(x, δ) im Komplement E in c E enthalten ist. , die gegen x konvergiert. 67 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. a) ⇒ b). Sei B(x, δ) ⊂ E . Wenn x = limn→∞ xn ist, dann ist nach xn ∈ B(x, δ), also xn ∈ E für schlieÿlich alle n. Daraus folgt b). Denition 4.9 B(x, n1 ) in E enthalten. 1 c Dann gäbe es zu jedem n ∈ N einen Punkt xn ∈ B(x, ) ∩ E . Die Folge (xn )n n c wäre eine Folge in E , die gegen x konvergiert. Dies widerspräche b). Also muss b) ⇒ a). Wäre a) falsch, dann wäre keine der Kugeln mit b) auch a) gelten. 2 Eine alternative Beschreibung der abgeschlossenen Mengen ist im folgenden Satz gegeben. Abgeschlossene Mengen kann man durch Grenzwertbildung nicht verlassen. Satz 4.11 x∈U U eines metrischen Raums X ist oen genau (xn )n von Elementen von U c gibt, die gegen ein a) Eine Teilmenge dann, wenn es keine Folge konvergiert. b) Eine Teilmenge A eines metrischen Raums X ist abgeschlossen genau dann, (xn )n von Elementen von A, die gegen ein x ∈ X konver- wenn für jede Folge giert, auch x∈A 3 gilt . Beweis. a) Dies folgt direkt aus der Denition der Oenheit und dem Lemma. b) Dies folgt aus a) durch Übergang zum Komplement. Denition 4.11 Wir nennen eine Teilmenge K eines metrischen Raums kompakt, wenn jede Folge von Elementen von K eine Teilfolge hat, die gegen ein Element von Satz 4.12 K konvergiert. 4 Jede kompakte Menge ist abgeschlossen. Der Durchschnitt einer ab- geschlossenen mit einer kompakten Menge ist kompakt. Beweis. Wir verwenden das Kriterium aus Satz 4.11 b). Sei (xn ) eine Folge in x ∈ X konvergiert. Da sie eine Teilfolge K konvergiert, und dieser Grenzwert der Teilfolge gleich x sein muss, ist x ∈ K . Also ist K abgeschlossen. Wenn die Folge ausserdem in der abgeschlossenen Menge A liegt, dann ist auch x ∈ A, also x ∈ A ∩ K . Damit ist auch A ∩ K kompakt. der kompakten Menge (xnk ) K, die gegen ein hat, die gegen ein Element von Denition 4.12 Eine Teilmenge eine Zahl gibt mit R<∞ Satz 4.13 Im Rd B des B ⊂ B(0, R). ist eine Menge K Raums Rd heiÿt beschränkt, wenn es kompakt genau dann, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. 2 Beim Wenn N diesem Beweis wird das folgende abstrakte, aber einleuchtende Prinzip verwendet: N = N) und Mn 6= ∅ ϕ(n) ∈ Mn für alle n ∈ N irgendeine (Index-)Menge ist (bei uns gibt es eine Abbildung ϕ : N → ∪Mn mit für alle (bei uns n ∈ N, dann ϕ(n) = xn ). (Oder: das cartesische Produkt unendlich vieler nicht leerer Mengen ist nicht leer.) In der axiomatischen Mengenlehre heiÿt dies das sogenannte Auswahl-Axiom.. Man kann es nicht aus den übrigen Axiomen ableiten. Das Problem besteht darin, dass Bestimmung der Funktion ϕ i.a. nicht konstruktiv ist, dh. man kann kein Verfahren angeben, wie man genau die einzelnen Objekte ϕ(n) asuwählt. 3 Diese Eigenschaft heiÿt 4 Für metrische Räume auch folgenabgeschlossen ist diese Eigenschaft äquivalent zur Heine-Borelschen Über- deckungseigenschaft, die in der allgemeinen Topologie als eigentliche Denition der Kompaktheit benutzt wird. Die Eigenschaft in der obigen Denition heiÿt dann Folgenkompaktheit. folgenabgeschlossen Kompaktheit beschr"ankt 68 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. 1. Eine unbeschränkte Menge im Rd schränktheit eine Folge (an ) enthält nach Denition der Be- kan k −→ ∞. mit Eine solche Folge hat keine n→∞ konvergente Teilfolge. Also kann eine kompakte Menge nicht unbeschränkt sein. d Mit dem vorigen Satz ergibt sich: Im R ist eine kompakte Teilmenge beschränkt und abgeschlossen. 2. Wir zeigen zunächst durch vollständige Induktion über Rd te Folge im d, dass jede beschränkd=1 eine konvergente Teilfolge hat. Induktionsanfang: Im Fall ist dies gerade die Aussage des Satzes von Bolzano-Weierstraÿ (Satz 3.12). Induktionsvoraussetzung: Jede beschränkte Folge in Teilfolge. Sei jetzt (an )n = ((a1n , . . . , adn ))n Rd−1 habe eine konvergente eine beschränkte Folge in Rd . In- dem wir jeweils die letzte Komponente der Folgenglieder weglassen, erhalten wir (a0n )n = ((a1n , . . . , a(d−1)n ))n 0 eine konvergente Teilfolge (an )k k Rd−1 , die Folge im zung hat. Die eindimensionale Folge die nach Induktionsvorausset- hat nach Bolzano-Weierstraÿ eine konvergente Unterteilfolge (adnk )k (adnkl )l . Dann (ankl ) unserer ursprünglichen Folge in jeder Kompod − 1 Komponenten, weil diese Teilfolgen der entsprechen0 den Komponenten von (an )k sind und in der letzten Komponente nach Wahl k von (adnk )l . Also ist (ank ) nach Satz 4.8 die gesuchte Teilfolge. l l Sei nun K beschränkt und abgeschlossen. Sei (an )n eine Folge in K . Weil K konvergiert die Teilfolge nente: In den ersten beschränkt ist, ist insbesondere diese Folge beschränkt. Es gibt also eine kon- a ∈ Rd konvergiert. K . Daher ist K kompakt. vergente Teilfolge, die gegen einen Punkt nach Satz 4.11 b) ein Element von Dieser Punkt ist [a, b] ist kompakt. Die abgeschlossene Einheitskugel K d = {a ∈ Rd : kak ≤ 1} und auch ihr Rand, die Einheitssphäre S d−1 = {a ∈ Rd : kak = 1}, d sind kompakt. Die Menge {a ∈ R : kak ≥ 1} ist zwar abgeschlossen, aber nicht d kompakt, weil nicht beschränkt. Ihr Komplement B(0, 1) = {a ∈ R : kak < 1}, ist zwar beschränkt, aber nicht kompakt, weil nicht abgeschlossen. Eine kompakte Menge K ⊂ R hat nicht nur als beschränkte Menge ein Supremum Ein Intervall und ein Inmum, sondern sie enthält diese beiden Zahlen als Elemente, weil sie abgeschlossen ist. 4.4 Stetige Funktionen in metrischen Räumen Satz 4.14 (X, d1 ) und (Y, d2 ) zwei metrische Räume. Sei f : X → Y eine a ∈ X . Dann sind die folgenden beiden Bedingungen äquivalent. Seien Funktion und a) Für jede Folge ε > 0 existiert d2 (f (x), f (a)) < ε. b) Für jedes gilt (xn )n≥1 in X ein mit δ>0 lim xn = a gilt lim f (xn ) = f (a). so dass für jeden Punkt x mit d1 (x, a) < δ Beweis. Vorbemerkung zur Struktur solcher Äquivalenz-Beweise. Sei Aussage a) von der Form: Aus C folgt D, und Aussage b) von der Form: Aus E folgt F. Um a) ⇒ b) zu zeigen, gehen wir von der Voraussetzung E in b) aus, nden dann eine Situation, in der C gilt, schliessen dann mit Hilfe von der Aussage a), die ja vorausgesetzt ist, auf D. Damit müssen wir schlieÿlich auf F kommen. Analog geht dann der Beweis von b) ⇒ a) von C über E und F zu D. a) ⇒ b). Sei ε > 0 gegeben. Wir betrachten die Menge E = {x ∈ X : d2 (f (x), f (a)) < ε}. Es ist a ∈ E . Nach Voraussetzung a) kann keine Folge, 69 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 die gegen a konvergiert, in E c = {x ∈ X : d2 (f (x), f (a)) ≥ ε} liegen. Also gibt B(a, δ), die ganz in E enthalten ist. Das ist aber es nach Lemma 4.10 eine Kugel stetig Stetigkeitsstelle die in b) gewünschte Aussage. ⇒ a). Sei limn→∞ xn = a. Zu zeigen f (xn ) → f (a). Sei hierzu ε > 0 gegeben. δ > 0 gemäÿ b). Wähle n0 so dass d1 (xn , a) < δ für alle n ≥ n0 . Dann gilt d2 (f (xn ), f (a)) < ε für n ≥ n0 . b) Wähle Bemerkung 4.15 zu a 1. Eigenschaft b) kann man anschaulich so formulieren: Alle f (a) benachbarte Funktionswerte. < ε auch ≤ ε zu schreiben: dies ε > 0 eingesetzt werden können. benachbarten Stellen haben zu 2. Manchmal ist es praktisch, in b) statt die Aussage nicht, weil beliebige Denition 4.13 f a) Wenn Punkt a f f :X→Y eine Funktion. die Eigenschaften im Satz hat, heiÿt heiÿt dann b) Wenn c) Sei Sei Stetigkeitsstelle von f . an allen Stellen D ⊂ X . Dann heiÿt f ändert a∈X f stetig an der Stelle a . Der stetig ist, dann heiÿt stetig auf f stetig. D, wenn die Einschränkung f|D : D → Y stetig ist. In Teil c) wird also etwa die Folgenbedingung a) im Satz 4.14 nur an Hand von Folgen in D überprüft. Oft ist f: X → Y auf D stetig, ohne dass alle x∈D Stetigkeitspunkte sind. Beispiele 1. Sei f : R → R gegeben durch f = 1[ a, b]. Die Funktion f stetig, denn sie ist unstetig an den beiden Stellen kung f|[a,b] a und b. ist nicht Aber die Einschrän- 1 an, ist also stetig. Daher ist f im Sinn von [a, b]. d d d d + : R × R → R (Vektoraddition), · : R × R → R Skalaren), / : R × (R \ {0}) → R (Division) sind alle nimmt nur den Wert Teil c) der Denition stetig auf 2. Die Abbildungen (Multiplikation mit stetig, wie man an Hand der Bedingung a) in Satz 4.14 und der Ergebnisse von Abschnitt 3.1 überprüfen kann. f und y = f (a) eine von g , so ist a auch Stetig ◦f . Insbesondere ist die Verknüpfung zweier stetiger Funktionen x2 f und g stetig, z.B. ist die durch f (x) = e− 2 auf R denierte Funktion stetig. d 4. Eine Funktion f mit Werten im R ist gegeben durch ihre KomponentenFunktion f1 , . . . , fd die durch f (x) = (f1 (x), . . . , fd (x)) gegeben sind. Wieder mit dem Folgenkriterium und Satz 4.8 ergibt sich: f ist genau dann stetig, wenn die fi stetig sind. 3. Ist a eine Stetigkeitstelle von keitsstelle von Denition 4.14 Sei X eine Menge und f, g zwei X . Dann deniert man die Funktionen f + g, αf g(x) 6= für alle x ∈ D), |f |, |g| punktweise: reellwertige Funktionen auf f (für α ∈ R), f · g, g (falls (f + g)(x) := f (x) + g(x), . . . . Satz 4.16 Ist X ein metrischer Raum und sind die reellwertigen Funktionen f, g stetig an der Stelle a, so auch sind es auch die Funktionen f +g, αf, f g, fg , |f |, |g|. 70 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. Man betrachtet zunächst die nach 4. stetige Funktion (f (x), g(x)) mit Werten in R2 (f, g) : x 7→ und verknüpft diese Funktion dann mit den nach 2. stetigen Funktionen +, ·, /, z.B. ist f +g = + ◦(f, g); analog für die übrigen Funktionen. Diese Verknüpfungen sind dann nach 3. stetig an der Stelle a. (Zur Übung beweise der Leser diese Aussagen auch direkt mit dem Folgenkriterium.) Satz 4.17 Seien X und Y metrische Räume. Für eine Funktion f: X → Y sind äquivalent: a) f ist stetig. b) Das Urbild jeder oenen Menge in Y ist oen in c) das Urbild jeder abgeschlossenen Mengen in Y X. ist abgeschlossen in X. Beweis. 1. a)⇒c). Sei A ⊂ Y abgeschlossen. Sei (xn )n eine gegen ein x ∈ X f −1 (A). Sei yn = f (xn ). Dann konvergiert wegen der Stetigkeit die Folge (yn ) gegen y = f (x). Weil A abgeschlossen ist, ist y ∈ A. −1 Also ist x ∈ f (A). Daher ist f −1 (A) abgeschlossen. 2. b)⇒a). Sei a ∈ X . Um zu zeigen, dass f stetig an der Stelle a ist, sei y = f (a) −1 und ε > 0 gegeben. Weil B(y, ε) oen ist, ist f (B(y, ε)) oen. Weil a in −1 diesem Urbild liegt, gibt es ein δ > 0 mit B(a, δ) ⊂ f (B(y, ε)). Also folgt aus d1 (a, x) < δ , dass d2 (f (x), y) < ε. Damit ist f stetig. 3. c)⇒b). Die beiden Bedingungen b) und c) sind äquivalent, weil abgeschlosse- konvergente Folge in ne Mengen gerade die Komplemente oener Mengen sind und das Komplement in X des Urbilds einer beliebigen Teilmenge von plements dieser Menge in Y Y gleich dem Urbild des Kom- ist. Beispiel Die Menge A = {(x, y) ∈ R2 : x2 ≥ ey } ist abgeschlossen. Ausserordentlich nützlich sind nun die besonderen Eigenschaften stetiger Funktionen auf kompakten Mengen. Satz 4.18 Seien X und Y metrische Räume und die auf der kompakten Menge K f : X → Y eine Funktion, stetig ist. Dann ist die Bildmenge f (K) auch kompakt. Beweis. Sei (yn ) irgendeine Folge in der Menge f (K). Wähle xn ∈ K so dass yn = f (xn ). (Diese Punkte sind nicht notwendig eindeutig bestimmt.) Die Folge (xn ) ist in K enthalten, hat also eine gegen ein x ∈ K konvergente Teilfolge (xnk ). Wegen der Stetigkeit konvergiert die Bild-Teilfolge (ynk )k = (f (xnk ))k gegen den Punkt y = f (x) ∈ f (K). Damit hat die beliebig vorgegebene Folge (yn ) in f (K) eine gegen ein Element von f (K) konvergente Teilfolge, also ist diese Menge kompakt. Folgerung 4.19 f ([a, b]) f : [a, b] → R stetig. Dann ist f beschränkt, d.h. die Bildmenge f seinen gröÿten und seinen kleinsten ist beschränkt. Auÿerdem nimmt Wert an. Wichtig ist die Abgeschlossenheit des Intervalls: Maximum nicht an. f (x) = x nimmt auf [0, 1) sein 71 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 4.20 Seien X und Y metrische Räume und f :X→Y eine Funktion, die auf der kompakten Menge K stetig und injektiv ist. Dann ist die Umkehrfunktion f −1 : f (K) → K auch stetig. Beweis. Sei A Menge f (A) Dann ist f A A nach Satz f −1 , nämlich die Dann ist unter der Abbildung nach dem vorigen Satz kompakt, also abgeschlossen. Damit erfüllt die Funktion Satz 4.21 K. eine abgeschlossene Teilmenge von 4.12 kompakt. Also ist das Urbild von f −1 : f (K) → K Sei I⊂R das Kriterium c) von Satz 4.17, dh. sie ist stetig. ein Intervall und −1 injektiv, und f : f (I) → I f : I −→ R stetig und streng monoton. ist ebenfalls stetig und streng monoton. Beweis. Nur die Stetigkeit von f −1 auf f (I) ist zu zeigen. Falls I kompakt ist, können wir den vorigen Satz direkt anwenden. Den allgemeinen Fall kann man auf den Fall eines kompakten Intervalls durch geeignete Fallunterscheidungen 5 zurückführen. Die Details sind eine Übungsaufgabe. Beispiele. 1. Die Logarithmus-Funktion ln : (0, ∞) → R ist stetig. I ein Intervall ( oder kompakt) f : I → [0, 2] deniert durch x für 0 ≤ x ≤ 1 f (x) = . x − 1 für 2 < x ≤ 3 2. Wichtig in Satz 4.21 ist, dass I = [0, 1] ∪ (2, 3] Dann ist f und ist. Sei etwa stetig und bijektiv, aber die Umkehrfunktion macht einen Sprung an y = 1. Wenn man die Kompaktheit von I erzwingt, indem man den Punkt x = 2 dem Denitionsbereich hinzufügt, dann muss f (2) = 1 wegen der Stetigkeit sein und die Funktion f ist nicht mehr injektiv. der Stelle Denition 4.15 f :X →Y heiÿt Seien (X, d1 ) und (Y, d2 ) metrische Räume. Eine Abbildung gleichmäÿig stetig, falls es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt, so dass d2 (f (x), f (x0 )) < ε für alle x, x0 ∈ X mit d1 (x, x) < δ (4.11) gilt. Oenbar ist eine gleichmäÿig stetige Funktion stetig. Der Unterschied zwischen den beiden Begrien ist, dass bei gegebenem ε die Zahl denition bei einer gleichmäÿig stetigen Funktion f δ in der Stetigkeits- für alle Stellen a gewählt werden kann, während sie bei einer nur stetigen Funktion simultan f von a abhängen darf. Beispiel. Die Funktion f : (0, 1) → R, x 7→ x1 ist stetig, aber nicht gleichmässig 1 1 1 1 1 0 0 stetig: Setze x = n , x = 2n . Dann ist |x−x | = 2n , aber | x − x0 | = |n−2n| = n, dh. z.B. für ε = 1 gibt es kein δ > 0, für das die Beziehung (4.11) gilt. 5 Man f streng wachsend. I . Sei ε > 0. Für hinreichend kleines ε ist Dann ist f ([x − ε, x + ε]) = [f (x − ε), f (x + ε)] ein Intervall, das y als inneren Punkt enthält, dh. es gibt ein δ > 0 so dass (y − δ, y + δ) ⊂ f ([x − ε, x + ε]) und damit f −1 ((y − δ, y + δ)) ⊂ [x − ε, x + ε] ist. Dies ist gerade die gewünschte Stetigkeit von f −1 an der Stelle y . 2. Fall: Wenn x linker (bzw. rechter) Randpunkt von I ist, ist y auch linker (bzw. rechter) Randpunkt von f (I) und man ersetzt in diesem Argument x − ε (bzw. x + ε) durch x. Der Fall einer streng fallenden Funktion ergibt sich analog. Sei kann den Satz auch ohne Satz 4.20 direkt beweisen: Sei zunächst y ∈ f (I) x = f −1 (y). 1. [x − ε, x + ε] ⊂ I . gegeben und Fall x ist innerer Punkt von gleichm\"a\ssig stetig 72 dicht TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 4.22 Sei f : K −→ Y stetig, wobei K kompakt ist. Dann ist f gleichmässig stetig. Beweis. Annahme: f sei stetig, aber nicht gleichmässig stetig. Dann ex. ein ε > 0, so dass für alle δ > 0 zwei Punkte x, x0 ∈ K existieren mit d1 (x, x0 ) < δ 0 aber d2 (f (x), f (x )) ≥ ε. 1 0 0 0 Für n ∈ N gibt es also xn , xn ∈ K mit d1 (xn , xn ) < n aber d2 (f (xn ), f (xn )) ≥ ε. Weil K kompakt ist, gibt es eine eine konvergente Teilfolge (xnk )k∈N . Sei x = lim xnk . Wegen limn→∞ d1 (xnk , x0nk ) = 0 folgt auch limn→∞ x0nk = x und, da f stetig ist, sogar lim f (xnk ) = f (x) = lim f (x0nk ). n→∞ Also ist n→∞ limn→∞ d2 (f (xnk ), f (x0nk )) = 0 im Widerspruch zu d2 (f (xn ), f (x0n )) ≥ ε. Denition 4.16 X, Eine Teilmenge wenn für jedes Element existiert, die gegen x x D eines metrischen Raums X heiÿt dicht in X eine Folge (xn )n von Elementen von D von konvergiert. Beispiele 1. Für alle a, b ∈ R mit a < b ist (a, b) dicht in [a, b]. 2. Die Menge in R Sei d Qd aller Elemente von Rd mit rationalen Komponenten ist dicht . D ⊂ X dicht und f: D → R X zu einer stetigen Funktion auf stetig. Wir betrachten nun die Frage, ob f fortgesetzt werden kann. Wenn eine solche Fortsetzung existiert, dann ist sie natürlich wegen der Stetigkeits-Bedingung f (x) = f (limn→∞ xn ) = limn→∞ f (xn ) eindeutig bestimmt. Beispiele 1. Die oben betrachtete Funktion f sichtlich nicht an der Stelle stetig auf [0, 1] 0 1 x kann oenso ergänzt werden, dass die fortgesetzte Funktion : (0, 1] → R, x 7→ wird. Sie werden sagen, das scheitert an der Unbeschränktheit. Das allein macht aber die Schwierigkeit nicht aus: 2. Im Vorgri auf das Ende dieses Kapitels verwenden wir die Cosinus-Funktion: f : (0, 1] → R, x 7→ cos( x1 ) kan auch nicht stetig ergänzt werden, jedem kleinen Intervall (0, δ) unendlich oft zwischen den Werten ±1 Die Funktion weil sie in hin und her springt. Sie werden sagen, die Funktion darf eben nicht zu steil werden. Das ist aber auch nicht der Punkt. √ f : (0, 1] → R, x 7→ x denierte Funktion durch die f (0) = 0 stetig von (0, 1] auf [0, 1] fortsetzen werden, obwohl diese 3. Man kann die durch Festsetzung Funktion beliebig steil wird. Für die Fortsetzungsfrage ist die Erweiterung der am Ende von Abschnitt 3.2 für R denierten Begrie Cauchy-Folge und Vollständigkeit auf allgemeine metrische Räume nützlich. Denition 4.17 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (xn ) aus X heiÿt Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N existiert so, dass aus m, n ≥ N folgt d(xm , xn ) < ε. Ein metrischer Raum heiÿt vollständig, falls jede Cauchy-Folge konvergiert. TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Bemerkung 4.23 73 Jede konvergente Folge in einem metrischen Raum ist eine Rd ist genau dann eine Cauchy-Folge wenn alle Cauchy-Folge. Eine Folge im Komponenten dieser Folge eindimensionale Cauchy-Folgen bilden. Daraus folgt: d Der Raum R ist vollständig. Satz 4.24 D dicht im metrischen Raum (X, d1 ) und f : D → Y gleichmäÿig (Y, d2 ) ein vollständiger metrischer Raum ist. Dann gibt es genau 6 Fortsetzung von f zu einer stetigen Funktion f : X → Y . Sei stetig, wobei eine Beweis. Sei x ein Punkt in X . Wähle irgendeine Folge (xn ) in D die gegen x x ∈ D ist können wir einfach xn = x wählen.) Wir wollen (f (xn )n ) einen Grenzwert in Y besitzt. Sei hierzu ε > 0 gegeben. Wähle ein δ > 0 gemäÿ der Denition der gleichmäÿigen Stetigkeit. Weil (xn ) als konvergente Folge eine Cauchy-Folge ist, gibt es ein N ∈ N, so dass d1 (xm , xn ) < δ ist für alle m, n ≥ N . Für diese Indizes ist dann auch d2 (f (xm ), f (xn )) < ε. Damit ist (f (xn )n ) eine Cauchy-Folge in Y und wegen der Vollständigkeit von Y existiert y = limn→∞ f (xn ) ∈ Y . 0 Sei jetzt (xn ) eine weitere Folge in D , die gegen den gleichen Punkt x konvergiert. 0 Dann gilt limn→∞ d1 (xn , xn ) = 0, also wieder wegen der gleichmäÿigen Stetig0 0 keit von f auch limn→∞ d2 (f (xn ), f (xn )) = 0, dh. es ist auch y = limn→∞ f (xn ). Damit ist der Punkt y unabhängig von der speziellen Wahl der Folge (xn ) in D die gegen x konvergiert, dh. der Wert y hängt nur von x ab. Wir können also f (x) := y setzen. Wenn x ∈ D ist, so ist f (x) = f (x), also ist f tatsächlich eine konvergiert. (Wenn zeigen, dass die Bildfolge Fortsetzung. f ist sogar gleichmäÿig stetig: Sei ε > 0 gegeben und seien x, x0 0 0 zwei Punkte in X mit d1 (x, x ) < δ . Seien y, y die zugehörigen Bildpunkte unter 0 f . Wähle zwei Folgen (xn ) bzw. (xn ) in D, die gegen x bzw. x0 konvergieren. 0 0 Dann gilt d1 (xn , xn ) < δ und damit d2 (f (xn ), f (xn )) < ε für schlieÿlich alle n. 0 0 Es folgt d2 (y, y ) = limn→∞ d2 (f (xn ), f (xn )) ≤ ε. Dies beweist die Behauptung. Die Funktion 4.5 Die komplexen Zahlen Im Zusammenhang mit der Lösung von Gleichungen dritten Grades im 16. Jahrhundert hantierte man zuerst mit einer Erweiterung des Bereichs der reellen Zahlen, weil man formal die Wurzel aus negativen Zahlen ziehen wollte, obwohl das im Bereich der reellen Zahlen unmöglich ist. Man konnte mit solchen Zahlen rechnen, aber keine geometrische Deutung geben wie den reellen Zahlen auf der Zahlengeraden. René Descartes (1596-1650) nannte sie deshalb verächtlich Gauÿ (1777-1855) zeigte, wie man diese Zahlen imaginär. Erst Carl Friedrich zusammen mit den reellen Zahlen mit der Geometrie der Ebene in Verbindung bringen konnte. Wir benutzen seine Deutung als Denition. Denition 4.18 Auf der Menge R2 denieren wir neben der in Denition 4.2 erklärten Addition auch eine Multiplikation durch (x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ) (4.12) 6 Wir werden diesen Satz in dieser Vorlesung nur für reellwertige Funktionen, dh. mit Y = R verwenden. Die allgemeinere Version wird erst in der Funktionalanalysis benötigt. stetige Fortsetzung 74 komplexe Zahlen Realteil Imagin\"arteil komplex konjugiert TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Die Menge R2 zusammen mit diesen beiden Operationen heiÿt die Menge der komplexen Zahlen und wird mit schreibt man auch kurz Bemerkung 4.25 i C bezeichnet. Für die komplexe Zahl und nennt sie die imaginäre Einheit. (0, 1) Weil (x1 , 0) + (x2 , 0) = (x1 + x2 , 0) und gemäÿ (4.12) (x1 , 0) · (x2 , 0) = (x1 x2 , 0) ist, kann man jede komplexe Zahl der Form len Zahl x (x, 0) mit der zugehörigen reel- identizieren, so dass bei dieser Identikation die Addition und die Multiplikation zwischen diesen speziellen komplexen Zahlen in die Addition und Multiplikation der entsprechenden reellen Zahlen übergeht. Auf diese Weise wird in R C eingebettet. Ausserdem folgt dann aus der obigen Denition für alle reellen Zahlen y i · y = (0, 1) · (y, 0) = (0, y). Wenn man diese Identikation durchführt, hat eine allgemeine komplexe Zahl z = (x, y) daher die alternative Darstellung z = x + iy . Wir werden meistens diese Schreibweise komplexer Zahlen verwenden. Es gilt i2 = −1. Denition 4.19 heiÿen Re z = x z = x + iy mit x, y ∈ R gegeben. Dann Im z = y der Imaginärteil von z . y ∈ R heiÿt auch rein imginär. Sei die komplexe Zahl der Realteil von z Eine komplexe Zahl der Form iy mit und Denition 4.20 Sei z = (x, y) = x + iy. Dann heiÿt z = (x, −y) = x − iy z (komplex) konjugierte komplexe Zahl. die zu Anschaulich entsteht z aus z durch Spiegelung an der reellen Achse. Leicht zu verizieren sind die folgenden Eigenschaften der Konjugation. Satz 4.26 Die Abbildung z→z ist stetig. Für alle komplexen Zahlen z, z1 , z2 gelten z = z genau dann, wenn Im z = 0, 1 Re z = z+z 2 und Im z = 2i (z − z), c) z = z , d) z1 + z2 = z1 + z2 , e) z1 · z2 = z1 · z2 , 2 2 f ) z · z = (x + iy)(x − iy) = x + y . a) b) Denition p 4.21 √ z·z = x2 + Sei z = x + iy. Dann heiÿt die nichtnegative reelle Zahl 2 y der Betrag von z. Bemerkung 4.27 Satz 4.28 z Es ist |z| = |z| Für jede komplexe Zahl und |z| = |z1 · z2 | = |z1 ||z2 |. z 6= 0 1 · z = z und |z|1 2 z das Inverse C der komplexen Zahlen bilden ist bezüglich der Multiplikation. Die Menge der eingangs denierten Addition und Multiplikation einen Körper. von mit 75 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. Dass die Zahl 1(= (1, 0)) das neutrale Element der Multiplikation ist, folgt direkt aus der Denition der Multiplikation. Ferner ist z· 1 1 1 z = z · z 2 = |z|2 2 = 1. 2 |z| |z| |z| Der Nachweis der übrigen Körper-Axiome ist dann einfaches Nachrechnen. |z| z , wenn man z als Punkt z 7→ |z| eine Norm, wenn man C als Vektorraum über R auasst. Wir können damit C auch als metrischen Raum sehen mit dem Abstand d(z1 , z2 ) = |z1 − z2 |. Die Begrie Konvergenz Oenbar ist im R2 gerade die Euklidische Norm von auasst. Insbesondere ist die Funktion von Folgen, Cauchy-Folgen und Reihen komplexer Zahlen kann man dann aber nach Satz 4.8 wie im Rd auch komponentenweise erklären. Aus der Darstellung der komplexen Multiplikation in (4.12) ergibt sich, dass auch wie bei reellen Zahlen gilt lim (cn dn ) = ( lim (cn )( lim dn ) n→∞ und wenn limn→∞ (dn ) 6= 0 n→∞ und dn 6= 0 n→∞ für schlieÿlich alle n∈N ist, dann ist limn→∞ cn cn = . dn limn→∞ dn P∞ Eine absolut konvergente komplexe Reihe n=1 an , dh. eine Reihe komplexer P∞ Zahlen mit |a | < ∞ , konvergiert aus dem gleichen Grund wie im reellen n=1 n lim n→∞ Fall. 4.6 Die komplexe Exponentialfunktion Wir erweitern die Denition der Exponentialfunktion in natürlicher Weise ins komplexe. Denition 4.22 Für z∈C bezeichnet exp(z) den Wert der Exponentialreihe ∞ X zn z2 z3 =1+z+ + + .... n! 2 6 n=0 Die Funktion z 7→ exp(z) heiÿt reellen schreibt man symbolisch |z|n+1 /(n+1)! |z|n /n! (komplexe) Exponentialfunktion. ez statt Wie im exp(z). |z| −→ 0 konvergiert die Exponentialreihe nach dem n+1 n→∞ reellen Quotientenkriterium Satz 3.20 absolut für jedes z ∈ C. Wegen = Wie im reellen hat die komplexe Exponentialfunktion mit praktisch den gleichen Beweisen die folgenden Eigenschaften. Beachte, dass die Injektivität fehlt. Wir werden sehen, dass die komplexe Exponentialfunktion nur lokal injektiv ist. Satz 4.29 a) (Euler-Approximation) Für jede komplexe Nullfolge jedes gilt z∈C lim (1 + n→∞ z + δn n ) = exp(z). n (δn )n≥1 und 76 Sinus Cosinus Additionstheoreme TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 b) (Funktionalgleichung) Für alle z1 , z 2 ∈ C gilt exp(z1 + z2 ) = exp(z1 ) exp(z2 ). c) Die komplexe Exponentialfunktion exp ist stetig. Aus der Funktionalgleichung erhält man insbesondere für jede komplexe Zahl z = x + iy die Beziehung ez = ex+iy = ex eiy . Da wir den Faktor ex schon kennen, ist das einzig wirklich neue das Verhalten der Exponentialfunktion auf der imaginären Achse Satz 4.30 b) Es ist a) Für alle |eiy | = 1 z∈C für alle gilt iR. ez = ez . y ∈ R. Beweis. a) Wegen Satz 4.26 d) und e) ist ∞ ∞ N X X X zn zn zn = lim = lim = exp(z). N →∞ N →∞ n! n! n! n=1 n=1 n=1 b) Es ist nach Teil a) |eiy |2 = eiy eiy = eiy e−iy = e0 = 1. Wir werden sehen, dass es sinnvoll ist, die Zahl ϕ in eiϕ als einen Winkel zu interpretieren. Denition 4.23 Cosinus Für alle reellen Zahlen ϕ denieren wir den eiϕ und den sin ϕ als den Imaginärteil von Sinus als den Realteil von cos ϕ eiϕ . Aus Teil b) der vorigen Satzes ergibt sich Bemerkung 4.31 Es ist cos2 ϕ + sin2 ϕ = 1 für alle ϕ ∈ R und mit der komplexen sin und cos stetig. (4.13) Exponentialfunktion sind auch die reellen Funktionen Satz 4.32 a) Es gilt die Eulersche Formel eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ. (4.14) b) Es gelten die Beziehungen eiϕ + e−iϕ , 2 cos ϕ = cos(−ϕ) cos ϕ = eiϕ − e−iϕ 2i sin ϕ = − sin(−ϕ) sin ϕ = (4.15) (4.16) und die Additionstheoreme für Cosinus und Sinus cos(ϕ + ψ) = cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ (4.17) sin(ϕ + ψ) = sin ϕ cos ψ + cos ϕ sin ψ. (4.18) 77 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 c) Man hat die Reihendarstellungen cos ϕ sin ϕ = = ∞ X n=0 ∞ X (−1)n ϕ2n ϕ2 ϕ4 =1− + − ..., (2n)! 2 24 (4.19) (−1)n ϕ2n+1 ϕ3 ϕ5 =ϕ− + − ... . (2n + 1)! 6 5! (4.20) n=0 Beweis. a) ist eine direkte Folgerung aus den Denitionen. b) Die Gleichungen in (4.15) folgen wegen e−iϕ = eiϕ direkt aus der Deni- tion von Sinus und Cosinus und Teil b) von Satz 4.26. Die Symmetrie bzw Antisymmetrie in (4.16) folgt aus (4.15). Wegen der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion ist cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ) = ei(ϕ+ψ) = eiϕ eiψ = (cos ϕ + i sin ϕ)(cos ψ + i sin ψ), woraus man durch ausmultiplizieren die Behauptung in (4.17) und (4.18) erhält. c) Es ist i2 = −1, i3 = −i, i4 = 1 und demzufolge in+4k = in für alle k. Daher erhält man die Reihendarstellungen von Sinus und Cosinus einfach, indem man in der Reihe eiϕ = ∞ n n X i ϕ n! n=0 = 1 + iϕ − = ϕ3 ϕ4 ϕ5 ϕ2 −i + +i − ... 2 6 24 5! ϕ2 ϕ4 ϕ3 ϕ5 (1 − + − . . .) + i(ϕ − + − . . .). 2 24 6 5! die Glieder nach Real- und Imaginärteil sortiert. Lemma 4.33 sin ϕ < ϕ Beweis. Für [0, 1] ist sin √ sin 0 = 0 < 1/ 2 < sin 1. Auf dem Intervall und es ist 0 ≤ ϕ ≤ 1 streng monoton wachsend mit fallen die Beträge der Glieder der Sinus-Reihe 4.20 monoton gegen Null. Also erfüllt diese Reihe das Leibniz-Kriterium aus Satz 3.18, insbesondere hat jede Restsumme das gleiche Vorzeichen wie das erste Glied der Restsumme. Damit gilt für diese ϕ>ϕ− ϕ ϕ5 ϕ3 ϕ3 + ≥ sin ϕ ≥ ϕ − > 0. 6 120 6 Als Spezialfall erhalten wir für ϕ=1 1 5 1 > sin 1 ≥ 1 − = = 6 6 Im Intervall [0, 1] cos r 25 > 36 dort den Wert 0 + Setze 1 . 2 p 1 − cos2 , ψ = ϕ0 − ϕ. Dann ist auch (4.22) cos 0 = 1 nach cos ϕ > 0. Sei jetzt 0 ≤ ϕ < 0 < ψ < 1 und nach (4.17) nicht annehmen. Daher ist wegen dem Zwischenwertsatz in diesem Intervall auch ϕ0 ≤ 1. r ist wegen (4.21) sin = also kann (4.21) cos ϕ0 = cos(ϕ + ψ) < cos ϕ. 78 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Also sind cos und damit cos2 sin streng fallend und damit streng wachsend auf [0, 1]. Denition 4.24 Wir denieren die reelle Zahl π 4 die eindeutige Stelle im Intervall Bemerkung 4.34 1. Es ist auch [0, 1] ist, an der cos π4 = (4.22). Durch Quadrieren ergibt sich π iπ 2 e q durch die Eigenschaft, dass sin 1 2 , also =i den Wert q 1 2 annimmt. √ exp i π4 = (1 + i)/ 2 wegen und dann mit der Funktionalglei- chung hieraus die Wertetabelle ϕ exp(iϕ) sin ϕ cos ϕ 2. Man kann zeigen, dass 3, 14159265359 π 1 π 2 i 0 1 0 2π -1 3 2π -i 1 0 -1 0 0 -1 0 1 π irrational ist und seine Dezimaldarstellung mit und dementsprechend die von 3. Für die Kenntnis aller Werte von auf dem Intervall [0, π4 ] 1 sin und π 4 mit 0, 78539081633 cos genügt cos dort genau zu kennen. Weil beginnt. es, die Sinus-Funktion positiv ist, kennt man dann dort wegen (4.31) auch die Cosinus-Funktion. Im Intervall [ π4 , π2 ] erhält man die Werte durch Spiegelung: cos( π π + ϕ) = sin( − ϕ) 4 4 für alle ϕ ∈ R. (4.23) . In der Tat ist nach den Additionstheoremen π cos( + ϕ) = 4 r 1 cos ϕ − 2 r 1 sin ϕ = 2 r 1 π (cos(−ϕ) + sin(−ϕ)) = sin( − ϕ). 2 4 Zusammen mit der Funktionalgleichung und der obigen Wertetabelle ergeben sich ausserdem die folgenden Symmetrie-Eigenschaften: a) cos( π2 + ϕ) = − sin ϕ, sin( π2 + ϕ) = cos ϕ, b) cos(π + ϕ) = − cos ϕ = cos(π − ϕ), sin(π + ϕ) = − sin ϕ = − sin(π − ϕ). c) Die Funktionen sin und cos sind 2π -periodisch, cos ϕ, sin(ϕ + 2π) = sin ϕ für alle ϕ ∈ R. 4. Die Funktion die Funktion sin cos ist streng fallend auf ist streng wachsend auf dh. es ist cos(ϕ + 2π) = [0, π] und streng wachsend auf [π, 2π], [− π2 , π2 ] und streng fallend auf [ π2 , 32 π]. cos streng fallend und sin streng wachsend auf [0, π4 ] sind. π π Mit Teil a) folgt, dass diese Aussage sich auf [ , ] fortsetzt. Mit der ersten 4 2 π Gleichung in b) folgt daraus, dass cos sogar auch noch auf [ , π] und damit 2 zusammen auf [0, π] streng fallend ist, während sin auf dem neuen Intervall [ π2 , π] auch streng fällt. Damit wächst cos wegen b) auf dem Intervall [π, 2π], 3 3 während sin auf [π, π] noch fällt und auf [ π, 2π] wieder wächst. 2 2 Wir wissen schon, dass Folgerung 4.35 ϕ 7→ eiϕ bildet das Intervall [0, 2π[ bijektiv auf iϕ den Einheitskreis {z ∈ C : |z| = 1} ab. Insbesondere ist e = 1 genau dann, wenn ϕ = 2πk für ein k ∈ Z. Die Abbildung 79 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Folgerung 4.36 Jede komplexe Zahl z 6= 0 hat eine eindeutige Darstellung in Polarkoordinaten Bogenma\ss Polar-Koordinaten: z = r · eiϕ wobei r > 0, ϕ ∈ [0, 2π[. Die Multiplikation komplexer Zahlen erhält mit den Polarkoordinaten eine ein- z1 = r1 eiϕ1 fache geometrische Interpretation: Sei und z2 = r2 eiϕ2 . z1 · z2 = r1 eiϕ1 r2 eiϕ2 = (r1 r2 ) ei(ϕ1 +ϕ2 ) = (r1 r2 ) ei( ϕ1 +ϕ2 Dann ist mod 2π) . Die Abstände von 0 werden also multipliziert, die Winkel mit der positiven reellen Halbachse werden (modulo 2π ) addiert. Winkel werden je nach Zusammenhang in verschiedenen Einheiten gemessen: Wir haben wie meist in der Mathematik das ϕ Bogen-Maÿ 7 verwendet: Die Zahl werden wir später als die geometrische Länge des Kreisbogens von identizieren. In der Geometrie wählt man meist z.B. rechter Winkel = 90 ◦ Altgrad 8 1 nach eiϕ (Einheit : Grad ). In der Technik (z.B. Straÿenschilder) wird oft ◦ , Neu- grad verwendet (Einheit : gon, rechter Winkel = 100%). Die trigonometrischen Funktionen werden dann entsprechend umgerechnet, z.B. sin agr α cos agr α sin ngr α cos ngr α 2π α) 360 2π = cos( α) 360 2π α) = sin( 400 2π = sin( α). 400 = sin( Andere trigonometrische Funktionen (Tangens etc.) werden später im Kapitel über Dierenzierbarkeit eingeführt. 7 Auf 8 Auf Taschenrechnern mit Taschenrechnern mit RAD angedeutet DEG angedeutet Altgrad Neugrad 80 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Restklassenk\"orper Kapitel 5 Vektorräume und Lineare Abbildungen In diesem Kapitel ist K V ein Körper und ein Vektorraum über Vektorraum (vgl. Denition 4.3). Wir kennen bisher drei Körper: K, kurz KQ, R und C. Die reellen und die komplexen Zahlen werden auch im weiteren Verlauf dieser Einführungs-Vorlesung die wichtigsten Beispiele bleiben. p Es gibt aber noch viele andere Körper: Für jede Primzahl Menge Z/Zp aller Restklassen mod p in Z bildet etwa die mit der natürlichen Addition und mod p einen Körper, den Restklassenkörper mod p. Er wird GF (p) bezeichnet. Er hat p Elemente. Speziell hat GF (2) nur die Elemente 0 und 1; die in jedem Körper gültigen Regeln 0 + a = a, 1 · a = a und 0 · a = 0 werden hier ergänzt durch 1 + 1 = 0 weil eben 1 + 1 ≡ 0 mod 2 ist.1 Multiplikation auch mit Weitere Beispiele lernt man in der Algebra kennen. Analog zu Rd ist natürlich für jeden Körper Elementen von ein Vektorraum über K K. K die Menge Ferner ist C Kd aller d-Tupel von ein Vektorraum über R, die Vektorraum-Operationen stimmen gemäÿ den Denitionen in Abschnitt 4.5 mit denen von über Q R2 überein. Wir können aber auch R und C auch Vektorräume 2 auassen. Für jeden metrischen Raum ist die Menge C(X) der stetigen reellwertigen Funk- tionen unter den punktweise denierten Addition als Vektoraddition und Multiplikation mit reellen Konstanten (Sklararen) ein Vektorraum über 5.1 R. Lineare Teilräume und Linearkombinationen Denition 5.1 Teilraum von a) Eine nichtleere Teilmenge 0 falls u + u ∈ U für alle V, U eines Vektorraumes V heiÿt u, u0 ∈ U und λu ∈ U für alle λ ∈ K, u ∈ U. 1 Falls p keine 2 Allgemeiner: Primzahl ist, ist Z/Zp kein Körper. L ein Körper und ist K ⊂ L mit den von L induzierten Rechenoperationen ebenfalls ein Körper, so ist L ein Vektorraum über K, wobei die Multiplikation mit Skalaren · : K × L → L einfach durch die Einschränkung der Multiplikation ·L : L × L → L gegeben ist: Für α ∈ K, x ∈ L ist α · x = α ·L x. Ist 81 82 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 E ⊂ V beliebig. Dann heiÿt der kleinste Teilraum von V , der E enthält, E erzeugte oder aufgespannte Teilraum oder auch die lineare Hülle von E . Er wird mit hEi bezeichnet. Eine Teilmenge E ⊂ V ist ein Erzeugendensystem von V , wenn hEi = V . Für endliche E schreiben wir auch einfach hx1 , . . . , xn i statt h{x1 , . . . , xn }i. b) Sei der von hEi auch charakterisieren als den eindeutig bestimmE enthält und zweitens in jedem anderen Teil- Nach Denition kann man V, ten Teilraum von raum, welcher E der erstens enthält, enthalten ist. {0} ist der kleinste Teilraum überhaupt, und damit ist {0} = h∅i. Ein U ist gleich hU i. Eine Gerade durch den Nullpunkt, dh. eine Menge der Form Kx = {λx : λ ∈ K} mit x 6= 0 ist ein Teilraum und zwar ist Kx = h{x}i. Für jedes i ∈ {1, . . . , d} ist die Menge {(α1 , . . . , ad ) ∈ Kd : ai = 0} d ein Teilraum von K . Beispiele: linearer Unterraum Bemerkung 5.1 Wenn U ein Teilraum ist, dann ist U selber ein K-Vektorraum. Der Durchschnitt von (beliebig vielen) Teilräumen ist wieder ein Teilraum. Denition 5.2 Seien x1 , . . . , xn ∈ V. y= n X Dann heiÿt ein Vektor der Form λi xi : λi ∈ K i=1 LinearkombinationPder x1 , . . . , xn . Wir vereinbaren ausserdem, dass eine eine 0 i=1 leere Linearkombination λi xi der Nullvektor ist. n = 1. Dann ist die Menge aller Linearkombinationen von x1 gerade die Kx1 , also für x1 6= 0 die Gerade durch x1 und 0 und für x1 = 0 der Nullraum {0}. Sei z.B. Menge Satz 5.2 Sei E eine Teilmenge des Vektorraums gespannte Teilraum menten von hEi V. Dann ist der von E auf- gleich der Menge aller Linearkombinationen von Ele- E. Beweis. Sei L die Menge aller Linearkombinationen von Elementen von E . Wir müssen hEi = L beweisen. 1. Weil die Summe von zwei Linearkombination von Elementen von eine Linearkombination von Elementen von E einer Linearkombination eine Linearkombination ist, ist V , der hEi ⊂ L. von auÿerdem 2. Umgekehrt gilt von V 5.2 E E wieder ist, und jedes skalare Vielfache L ein linearer Teilraum enthält, also ist nach der obigen Charakterisierung x ∈ hEi für alle x∈E und damit enthält auch alle Linearkombinationen von Elementen von E, hEi als Teilraum also ist L ⊂ hEi. Lineare Unabhängigkeit und Basen 5.2.1 Lineare Unabhängigkeit Denition 5.3 ein x∈E a) Eine Teilmenge gibt mit x ∈ hE \ {x}i. E von V Sonst heiÿt linear abhängig, wenn es linear unabhängig. heiÿt E 83 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 n ∈ N und seien x1 , . . . , xn Vektoren in V , so nennen wir sie (genauer n-Tupel (x1 , . . . , xn )) linear unabhängig, wenn die Menge {x1 , . . . , xn } linear unabhängig ist und wenn x1 , . . . , xn paarweise verschieden sind, dh. wenn xi 6= xj für alle Indexpaare i, j mit i 6= j . Sonst nennen wir x1 , . . . , xn linear b) Sei das abhängig. Seien x, y zwei Punkte 6= 0 in Dann ist das geordnete Paar V , die nicht skalare Vielfache voneinander sind. x, y linear unabhängig. Denn die beiden Punkte sind verschieden und keiner der beiden ist eine Linearkombination des anderen. Sei dagegen x = y 6= 0. Dann ist E = {x, y} = {x} und damit ist diese Menge linear unabhängig im Sinn von Teil a), aber das Paar Sinn von Teil b). Der Nullraum {0} x, y ist linear abhängig im ist linear abhängig im Sinn von Teil a) der 0-Vektor, als 1-Tupel Denition, weil ihn die leere Menge erzeugt. Daher ist der betrachtet, ebenfalls linear abhängig im Sinn von Teil b) der Denition. Satz 5.3 Seien x1 , . . . , xn Vektoren in V. a) Sie sind linear abhängig genau dann, wenn es ein einen Index xi eine Linearkombination der übrigen xj i gibt, so dass ist. b) Die folgenden drei Bedingungen sind äquivalent: α) β) Die Vektoren x1 , . . . , xn sind linear unabhängig. Aus einer Gleichung der Form n X λi xi = 0 (5.1) i=1 λi = 0 für alle i. γ) P Für jedes y ∈ hx1 , . . . , xn i sind n y = i=1 λi xi eindeutig bestimmt. folgt, dass Beweis. a) Seien zunächst alle xi die Koezienten λi in der Darstellung verschieden. Dann folgt die Behauptung di- rekt aus den Denitionen und dem vorigen Satz. Falls die Vektoren nicht alle verschieden sind, dann sind beide Bedingungen in a) erfüllt. b) α ⇒ β). Es gelte α). Wäre β) falsch, so gäbe es Koezienten λi mit (5.1) λi 6= 0 für mindestens ein i. Das zugehörige xi ist dann LK der übrigen xj : und xi = n X −λj j=1 λi xj j6=i im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit und Teil a). β) ⇒ γ). Sei γ) ⇒ α). Wenn y= Pn i=1 und daher wegen β) λi α) Pn Pn µi xi und y = i=1 λi xi . Dann ist i=1 (µi − λi )xi = 0 = µi für alle i. Dies beweist die Eindeutigkeit. falsch ist, dann ist nach Teil a) ein xi = n X xi LK der übrigen xj : µj xj . j=1 j6=i Dies sind aber zwei verschiedene Darstellungen des gleichen Vektors im Widerspruch zu γ). 84 Basis TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 5.4 x1 , . . . , xk linear unabhängig, linear unabhängig. Seien x1 , . . . , xk , y y∈ / hx1 , . . . , xk i. Dann sind auch Beweis. Seien die Koezienten λ1 , . . . , λk und λ so gegeben, dass λy = 0. Dann muss λ=0 Pk i=1 λi xi + sein, denn sonst wäre y= k X −λi i=1 λ xi ∈ hx1 , . . . , xk i im Widerspruch zur Voraussetzung über y. Damit ist aber Pk i=1 λi xi = 0 und λi = 0 für nach dem Kriterium für lineare Unabhängigkeit im vorigen Satz auch alle i. Daher erfüllen auch x1 , . . . , xn , y dies Kriterium. 5.2.2 Basen Denition 5.4 Die Vektoren x1 , . . . , xn nennt man eine dann, wenn sie linear unabhängig sind und auÿerdem V = Der Nullraum hat keine Basis, denn das 1-Tupel 0 Basis von V genau hx1 , . . . , xn i ist.3 ist linear abhängig, wie schon im Anschluss an Denition 5.3 bemerkt. Bei der Frage, ob die x1 , . . . , xn eine Basis bilden, spielt oenbar die Reihenfolge dieser Vektoren keine Rolle. Trotzdem gehört zur Angabe einer Basis auch die Angabe ihrer Reihenfolge. Dies wird insbesondere beim Umgang mit Matrizen wichtig. Bemerkung 5.5 eine Basis von V Aus Satz 5.2 und Satz 5.3 folgt: Genau dann, wenn y∈V ist, gibt es für jedes y= n X x1 , . . . , xn genau eine Darstellung λi xi (5.2) i=1 als Linearkombination der V nach Kn x1 , . . . , xn . Die Abbildung Denition 5.5 von y Die λ1 , . . . , λn in (5.2) heiÿen die bezüglich der Basis x1 , . . . , xn . Satz 5.6 von (linearen) Koordinaten Jedes endliche Erzeugendensystem eines Vektorraums hält eine Basis von Beweis. A : y 7→ (λ1 , . . . , yn ) ist dann also eine Bijektion. Sei V 6= {0} ent- V. E = {y1 , . . . , ym } V . Wir E 0 ⊂ E . Dann liegen 0 vorigen Satz die Menge E ein endliches Erzeugendensystem von wählen eine möglichst grosse linear unabhängige Teilmenge alle yj in hE 0 i, denn sonst könnte man nach dem noch vergröÿern, ohne die lineare Unabhängigkeit zu zerstören. Damit ist auch hE 0 i = hEi = V , also bilden die (paarweise verschiedenen) Elemente yi1 , . . . , yik 0 von E eine Basis von V . Zur Vorbereitung des nächsten Satzes beweisen wir zunächst ein Lemma. 3 Man kann diesen Begri auch auf unendliche Indexmengen erweitern: Wir werden das I irgendeine (unendliche) Indexmenge. Für jedes i ∈ I sei xi ein xi paarweise verschieden sind und die Menge {xi : i ∈ I} linear unabhängig und ein Erzeugendensystem von V ist, so heiÿt die Familie (xi : i ∈ I) eine (algebraische oder Hamel-) Basis von V . Dabei ist eine Familie mit Indexmenge I , oft bezeichnet durch (xi : i ∈ I), einfach eine Funktion mit Denitionsbereich I . Zum Beispiel ist eine Folge das gleiche wie eine Familie mit Indexmenge N. aber nicht verwenden. Sei Element von V. Wenn die 85 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Lemma 5.7 Pn x1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei y = j=1 λj xj ∈ V und j λj 6= 0. Dann ist auch x1 , . . . , xj−1 , y, xj+1 , . . . , xn eine Basis von Sei ein Index mit Austauschsatz V. Beweis. Sei U = hx1 , . . . , xj−1 , xj+1 , . . . , xn i. Dann ist y − λj xj = n X λi xi ∈ U. i=1 i6=j Weil λj xj xi nicht in U liegt, gilt das gleiy . Nach Satz 5.4 sind daher auch die Vektoren x1 , . . . , xj−1 , y, xj+1 , . . . , xn wegen der linearen Unabhängigkeit der che auch für linear unabhängig. V erzeugen. Sei W ⊂ V der von ihnen erzeugVP . Wir wollen W = V zeigen. Sei hierzu v ∈ V beliebig n Sei v = i=1 µi xi ∈ V die zugehörige (nach Satz 5.3 eindeutige) durch die Basis x1 , . . . , xn . Da xi ∈ W für i 6= j nach Denition Zu zeigen bleibt, dass sie auch te Unterraum von vorgegeben. Darstellung von W und n X 1 λj xj = (y − λi xi ) ∈ W xj = λj λj i=1 i6=j gilt, ist auch v ∈ W, wie zu beweisen war. Dies Lemma ist der Spezialfall Satz 5.8 V k=1 des folgenden Satzes. x1 , . . . , xn k ≤ n und (Austauschsatz) Seien linear unabhängig. Dann ist V und y1 , . . . , yk ∈ man kann paarweise verschiedene eine Basis von Indizes i1 , . . . , ik mit 1 ≤ i` ≤ n nden, so dass man wieder eine Basis erhält, wenn man in der Basis x1 , . . . , xn jedes xi` durch y` ersetzt. Beweis. Wir führen vollständige Induktion über k. Der Induktionsanfang k = 1 k−1 → k : Wir haben i1 , . . . ik−1 x1 , . . . , xn , indem wir in der Basis x1 , . . . , xn jedes xi` mit ` ≤ k − 1 durch y` ersetzen. Sei Pn yk = i=1 λi xi die Darstellung von yk mit der neuen Basis. Weil yk nicht in hy1 , . . . , yk−1 i liegt, gibt es einen von den bisherigen i1 , . . . ik−1 verschiedenen Index ik mit λik 6= 0. Also war k − 1 < n und damit k ≤ n. Weil xik noch nicht ersetzt wurde, ist xik = xik und das Lemma, angewendet auf die Basis x1 , . . . , xn und den Vektor yk , liefert die Behauptung. ist durch das Lemma gegeben. Induktionsschritt gefunden. Nach Induktionsvoraussetzung erhalten wir eine Basis Wenn man zusätzlich annimmt, dass durch Vertauschen der Rollen der Folgerung 5.9 xi y1 , . . . , yk auch eine Basis yj sogar k = n. ist, erhält man und der Wenn ein Vektorraum eine endliche Basis besitzt, dann haben alle Basen gleich viele Elemente. 5.2.3 Dimension Denition 5.6 er ein Sei endliches dimensional V ein Vektorraum. Er heiÿt Erzeugendensystem und wir schreiben besitzt, dim V = ∞. endlich-dimensional, wenn heiÿt V unendlich- sonst Der Nullraum hat Dimension 86 Dimension Standardbasis Kronecker-Symbol Polynom 0. TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Ist V 6= {0} endlich-dimensional, so heiÿt die Anzahl beliebigen Basis von sagen: V V Dimension die von V. n der Vektoren einer Wir schreiben dim V = n und n-dimensional. ist Nach dem Austauschsatz kann man die Dimension eines Vektorraums V auch beschreiben als die maximale Zahl (eines Systems) linear unabhängiger Vektoren in V. Dies gilt auch im unendlich-dimensionalen Fall, denn man kann n linear unabhängige Vektoren x1 , . . . , xn in V nden.4 Für einen Unterraum U eines Vektorraums V gilt damit dim U ≤ dim V , denn die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren in U ist höchstens so groÿ wie in V . dann nach Satz 5.4 rekursiv zu jedem endlichen Bemerkung 5.10 genau dann, wenn Ein m-Tupel von Vektoren x1 , . . . , xm dimhx1 , . . . , xm i = m. ist linear unabhängig Folgerung 5.11 dim V, dann ist Wenn {x1 , . . . , xn } ein Erzeugendensystem von V x1 , . . . , xn eine Basis von V. ist und n= Hier sind einige Beispiele für endlich- bzw. unendlich-dimensionale Vektorräume. 1. Der Raum Kd ist d-dimensional. Denn er hat z.B. die Standardbasis e1 , . . . , ed , wobei ei = (0, . . . 0, 1, 0, . . . , 0), i dh. die i-te Komponente ei sind gleich Null. Also eii von ei ist eine 1, die übrigen eij = δij , wobei 1 für i = j, δij = . 0 für i = j Komponenten das sogenannte Kronecker-Symbol ist. In der Tat bilden die y = (y1 , . . . , yd ) von Kd hat Pd der ei , nämlich y = i=1 yi ei . eij von (5.3) ei eine Basis, denn jedes Element genau eine Darstellung als Linear- kombination (vgl. Bemerkung 5.5). K[x] die Menge aller Polynome in der Unbestimmten x mit Koezienten K, dh. die Menge aller formalen Ausdrücke der Form 2. Sei aus a0 + a1 x + . . . + an xn mit n ∈ N0 und ai ∈ K. (5.4) ai = 0 0 + 3x + 0x2 + 1x3 + 0x5 = 3x + x3 . Man In dieser Darstellung lässt man die Terme mit oft auch einfach weg. Es ist also z.B. identiziert also zwei Polynome, wenn sie sich nur durch Terme mit Koezienten 0 untercheiden. n fest. Wir bezeichnen die Menge aller Polynome der Form (5.4) für n abgekürzt mit Pn (wir denken uns x und K dazu). Wir erhalten eine Bin+1 jektion von K nach Pn , indem wir dem n+1-Tupel (a0 , . . . , an ) das Polynom n+1 in (5.4) zuordnen. Dabei geht die Standard-Basis in K in die sogenannten Sei jetzt festes Monome 4 Man 1, x, . . . , xn kann sogar mit mehr Aufwand zeigen, dass es eine unendliche Basis im Sinn der vorigen Fuÿnote gibt 87 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 über. Mit Hilfe dieser Bijektion erhält Addition in Pn Pn die Struktur eines K-Vektorraums. bedeutet also einfach Addition der zugehörigen Koezienten. Pn , Oenbar sind dann die obigen Monome eine Basis von also ist dim Pn = n + 1. Wegen der obigen Identikation kann man für Pn auassen. Der Raum m < n auch Pm als Teilraum von ist dann die Vereinigung der aufsteigenden Kette K[x] {0} ⊂ P0 ⊂ . . . Pn ⊂ . . . Pn . Damit erhalten wir in natürlicher Weise auch eine Vektorraum-Struktur K[x]. Damit ist dim K[x] = ∞. aller auf Man unterscheidet zwischen dem Polynom (5.4) und der zugehörigen Polynomfunktion pn : K → K, die entsteht, indem man für die Unbestimmte x eine Zahl aus K einsetzt. Die Polynomfunktion ordnet dann der Zahl (5.4) gegebene Element von xn n-te als die x ∈ K das durch zu, wobei man wie üblich jetzt den Ausdruck K Potenz der Zahl x liest. Oft nennt man solche Polynomfunktio- nen trotzdem Polynome. Dass aber dieser vielleicht erst einmal überpedantisch wirkende Unterschied wichtig werden kann, erkennt man etwa dann, wenn K ein endlicher Körper ist. Dann gibt es auch nur endlich viele Funktionen von K nach K, insbesondere nur endlich viele verschiedene Polynomfunktionen. Die Dimension des Raums aller Polynomfunktionen in ist daher für endliches K sicher endlich. Zum Beispiel sind die beiden Polynomfunktionen x 7→ x2 für K = GF (2) x 7→ x K und identisch, obwohl die beiden Monome verschieden sind. 3. In den Übungen beweisen wir: Satz 5.12 Der Q-Vektorraum R ist unendlich-dimensional. Aus dem Austauschsatz und der Existenz von Basen folgt Folgerung 5.13 x1 , . . . , xm linear unabhänn := dim V < ∞ gilt, dann ist m < n und man dass x1 , . . . , xn eine Basis ist. Insbesondere kann (Basisergänzungssatz) Wenn die gig, aber keine Basis sind, und xm+1 , . . . , xn nden, so man jeden Vektor x 6= 0 in V zu einer Basis ergänzen. kann 5.2.4 Direkte Summen von Unterräumen Denition 5.7 Seien E und Vektorsumme E + F von E F E + F = {x ∈ V : es Denition 5.8 Wenn Raum die U und F gibt y∈E W V. Dann deniert man die durch die Gleichung und z∈F mit x = y + z}. (5.5) zwei lineare Teilräume eines Vektorraumes U ⊕W U und W . ist, schreiben wir direkte Summe von statt U +W V. und nennen diesen x1 , . . . , xm , xm+1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei U = hx1 , . . . , xm i W = hxm+1 , . . . , xn i. Dann ist V = U ⊕ W . Beispiele: 1. Sei und Seien U ∩ W = {0} Teilmengen von und Polynomfunktion direkte Summe 88 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Pd U = {(a1 , . . . , ad ) ∈ Rd : i=1 ai = 0}. Sei W der eind dimensionale Unterraum R(1, . . . , 1). Dann ist jedes a = (a1 , . . . , ad ) ∈ R darPd stellbar in der Form (a − α(1, . . . , 1)) + α(1, . . . , 1), wobei α = ( i=1 ai )/d. 2. Sei V = Rd und Oenbar ist a − α(1, . . . , 1) = (a1 − α, . . . , ad − α) ∈ U. U ∩ W = {0} und dementsprechend Rd = U ⊕ W , also folgt aus dem nächsten Satz dim U = d − 1. (Wie leicht zu sehen ist, hat U z.B. die Basis, die aus den d − 1 Vektoren Ferner ist (−1, 1, 0, . . . , 0), . . . , (−1, 0, . . . , 0, 1) besteht.) Bemerkung 5.14 Wenn V endlich-dimensional ist, dann gibt es zu jedem TeilU nach dem Basisergänzungssatz immer (mindestens) einen Teilraum W mit V = U ⊕ W . In der Tat: Ist x1 , . . . xm eine Basis von U und x1 , . . . , xn eine Ergänzung zu einer Basis von V , dann kann man W = hxm+1 , . . . , xn i wählen. raum Satz 5.15 Seien U und W zwei lineare Teilräume eines Vektorraumes V. U +W gleich dem von U ∪W erzeugten Unterraum. x = u+w ∈ U +W mit u ∈ U, w ∈ W ist eindeutig U ∩ W = {0}, wenn also die Summe direkt ist. Es gilt a) Dann ist die Vektorsumme Die Darstellung der Vektoren genau dann, wenn dim(U ⊕ W ) = dim U + dim W. b) Es gilt die (allgemeine) Dimensionsformel dim(U + W ) + dim(U ∩ W ) = dim U + dim W. (5.6) Beweis. Nach Denition von U +W ist diese Menge sicher in hU ∪W i enthalten. U + W ein Unterraum ist. Dies folgt aus den Gleichungen λ(u + w) = λu + λw und (u + w) + (u0 + w0 ) = (u + u0 ) + (w + w0 ), denn rechts steht jeweils ein Element von U + W . Damit ist die erste Teilaussage in 0 0 0 0 a) bewiesen. Oenbar gilt u + w = u + w genau dann, wenn u − u = w − w . Also ist die Darstellung der Vektoren in U + W eindeutig genau dann, wenn 0 0 für alle u, u ∈ U und w, w ∈ W , für die die letzte Gleichung gilt, beide Seiten Wir wissen, dass dieser Gleichung verschwinden. Das ist wiederum genau dann der Fall, wenn U ∩ W = {0}. Beim Beweis der beiden Dimensionsformeln können uns auf den Fall von endlichdimensionalen Räumen beschränken, denn sind U oder W unendlich-dimensional, ∞. Es gelte jetzt U ∩ W = {0}. Seien u1 , . . . um und w1 , . . . , wm0 Basen von U und W . Dann ist u1 , . . . , um , w1 , . . . wm0 eine Basis von U + W , denn jeder Vektor x ∈ U + W hat eine Darstellung als Linearkombination dieser Vektoren und diese Darstellung ist eindeutig wegen der Eindeutigkeit der Zerlegung x = u + w . 0 Also gilt n := dim(U + W ) = m + m = dim U + dim W . dann sind erst recht beide Seiten in den beiden Formeln gleich zunächst U ∩W und U einen Unterraum Ũ U mit U = (U ∩W )⊕Ũ gemäÿ Bemerkung 5.14. Wir zeigen: U +W = Ũ ⊕W . x = u + w ∈ U + W gegeben. Dann hat u eine Darstellung u = v + ũ mit b) Im allgemeinen Fall wählen wir zunächst zu von Sei 89 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 v ∈ U ∩W, ũ ∈ Ũ . Dann ist u+w = ũ+v +w ∈ Ũ +W . Also ist U +W = Ũ +W . Andererseits ist wegen Ũ ⊂ U auch Ũ ∩ W = Ũ ∩ (U ∩ W ) = {0}. Damit gelten nach a) die beiden Gleichungen dim(U + W ) = dim(Ũ + W ) = dim Ũ + dim W dim U = dim Ũ + dim(U ∩ W ). Wenn man die zweite Gleichung nach dim Ũ auöst und in die erste einsetzt, ergibt sich die Dimensionsformel (5.6). 5.3 Lineare Abbildungen Denition 5.9 A:V →W Seien heiÿt ein Körper und K linear, wenn V, W K-Vektorräume. A(x + y) = A(x) + A(y) A(λx) = λA(x) für alle Eine Abbildung und x, y ∈ V, λ ∈ K. Man sagt auch K-linear statt linear, falls nicht klar ist, über welchem Grund- körper man arbeitet. Man schreibt of Ax statt A(x). λ ∈ K ist das durch A(x) = λx denierte A eine V . Für λ 6= 0 ist A bijektiv. Für λ = 0 ist A weder denn jeder Vektor x ∈ V wird wird auf den Nullvektor Erste Beispiele 1. Für festes lineare Abbildung von V injektiv noch surjektiv, nach abgebildet. 2. Sei V = Kd . Sei (a1 , . . . , ad ) ∈ Kd . Dann ist die durch A(x1 , . . . xd ) = (a1 x1 , . . . ad xd ) denierte Abbildung 3. Sei V = Pn und D:p= A:V →V W = Pn−1 . n X linear. Dann ist die ai xi 7→ p0 = i=0 n X formale Ableitung iai xi−1 = i=0 n−1 X (k + 1)ak+1 xk k=0 linear. Wir studieren zunächst einige allgemeine Eigenschaften linearer Abbildungen, insbesondere Injektivität und Surjektivität und ihr Zusammenhang mit dem Dimensionsbegri. Satz 5.16 abbildung b) Wenn a) Sei A : V → W linear A−1 : W → V linear. U, V, W K-Vektorräume und bijektiv. Dann ist auch die Umkehr- sind und A : U → V und B : V → W B ◦ A : U → W linear. Abbildungen, dann ist auch die Verknüpfung lineare 90 Kern TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. a) Seien y, y0 ∈ W, λ ∈ K gegeben. Seien x, x0 die zugehörigen Urbilder. Dann ist A−1 (λy + y 0 ) = A−1 (λAx + Ax0 ) = A−1 A(λx + x0 ) = λx + x0 = λA−1 y + A−1 y 0 . b) Es ist B(A(λx + x0 )) = B(λAx + Ax0 ) = λB(A(x)) + B(A(x0 )), also ist B◦A linear. Denition 5.10 Sei A : V → W eine lineare Abbildung. Dann heiÿt KerA := A−1 ({0W }) = {v ∈ V : Av = 0W } der Kern von A und Im(A) := {Av : v ∈ V } das Bild von A. Satz 5.17 a) Ist U Sei A:V →W eine lineare Abbildung. Dann gilt: V, W. ein Teilraum von ImA ein Teilraum von so ist A(U ) ein Teilraum von W, insbesondere ist U 0 ein Teilraum von W , so ist A−1 (U 0 ) ein Teilraum von V, insbesondere Ker(A) ein Teilraum von V . A ist injektiv genau dann, wenn Ker(A) = {0}. b) Ist ist c) Sind Ax1 , . . . , Axk linear unabhängig, so sind auch x1 , . . . , xk linear unab- hängig. d) Sind x1 , . . . , xk linear unabhängig, Ax1 , . . . , Axk linear unabhängig. und ist A ausserdem injektiv, so sind Beweis. a) und b). Wegen der Linearität ist jede Linearkombination von Punk- yi = Axi ∈ A(U ) mit xi ∈ U gleich dem Bild der entsprechenden Linearxi in U . Also gilt a). Analog ergibt sich die erste Teillaussage von b). Sei jetzt KerA = {0}. Zum Beweis, dass A injektiv ist, seien x, y ∈ V gegeben mit Ax = Ay . Dann ist A(x − y) = 0, also x − y ∈ KerA = {0} und somit x = y . Ist umgekehrt A injektiv, dann ist 0V der einzige Urbildpunkt von 0W , also KerA = {0}. Pk c) Seien die Ax1 , . . . , Axk linear unabhängig. Sei i=1 λi xi = 0. Dann ist Pk Pk λ Ax = A( λ x ) = A0 = 0 . Also ist wegen der linearen Unhäni i=1 i i=1 i i gigkeit der Vektoren Axi auch λi = 0 für alle i, dh. die x1 , . . . , xk sind ebenfalls ten kombination der linear unabhängig. A injektiv. Zum NachPk Axi sei i=1 λi Axi = 0. Dann ist auch Pk Pk λi xi ∈ KerA und wegen Teil b) und der InjektiA( i=1 λi xi ) = 0, also ist i=1P vität ist KerA = {0}. Damit ist λi xi = 0 und wegen der linearen Unhängigkeit der Vektoren xi auch λi = 0 für alle i. Daher sind die Ax1 , . . . , Axk ebenfalls d) Seien umgekehrt x1 , . . . , xk linear unabhängig und sei weis der linearen Unabhängigkeit der linear unabhängig. Folgerung 5.18 dim Im(A) ≤ min{dim V, dim W }. A injektiv, wenn dim Im(A) = dim V . dim W < dim V ist, gibt es keine injektive lineare a) b) Genau dann ist c) Wenn W. d) Wenn A bijektiv ist, gilt dim V = dim W . Abbildung A:V → 91 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beweis. a) Aus ImA ⊂ W folgt dim ImA ≤ dim W . Aus Teil c) des Satzes folgt, Bild-Kern-Zerlegung dass die Maximalzahl linear unabhängiger Vektoren im Raum so gross ist wie in b) Im Fall, dass V, A also ist auch ist wie in ImA, also ist dim W . d) Ist A zusätzlich dim ImA = dim V . V höchstens so gross dim V = dim ImA. A notwendig dim V = dim ImA ≤ c) folgt aus a) und b), denn es ist für injektives surjektiv, dann ist ImA (Bild-Kern-Zerlegung) Sei dim V < ∞. höchstens injektiv ist, gilt nach Teil d) des Satzes, dass auch ungekehrt die Maximalzahl linear unabhängiger Vektoren im Raum Satz 5.19 ImA dim V ≥ dim ImA. = W, A:V →W also wegen b) dim W = eine lineare Abbildung und Dann gilt: U von V gilt V = A|U : U → ImA bijektiv ist. a) Für einen Teilraum Einschränkung KerA ⊕U genau dann wenn die b) Allgemein gilt dim V = dim Beweis. a) 1. Sei V + dim KerA. = U ∩ KerA = {0}. Also y ∈ Im(A) vorgegeben. Sei x ∈ V so dass Ax = y . Der Vektor x hat eine Darstellung x = u + v mit u ∈ U, v ∈ Ker(A). Dann ist auch Au = Ax − Av = Ax = y . Der Vektor y liegt also auch im Bild von A|U . 2. Sei umgekehrt A|U : U → ImA bijektiv. Sei x ∈ V . Dann ist Ax ∈ ImA, also gibt es wegen der Surjektivität auch ein u ∈ U mit Au = Ax. Sei v = x − u. Dann ist v ∈ KerA, also x = u + v ∈ U + KerA. Daher ist V = U + KerA. Wegen der Injektivität von A|U ist U ∩ KerA = Ker(A|U ) = {0}, dh. es ist sogar V = U ⊕ KerA. ist A|U = KerA ⊕ U . ImA Dann ist Ker(A|U ) nach Teil b) des vorigen Satzes injektiv. Zur Surjektivität sei V = KerA ⊕ = ImA. Die Injektivität zusammen mit Folgerung 5.18, angewandt auf A|U , liefert dim U = dim Im(AU ) = dim ImA. Hieraus folgt dim V = dim KerA + dim U = dim KerA + dim ImA, wie behauptet. b) Nach Bemerkung 5.14 gibt es zu U. Nach Teil a) ist A|U : U → ImA A einen Teilraum U von V mit bijektiv. Die Surjektivität liefert Im(AU ) Denition 5.11 Die Dimension dim Im(A) des Bilds einer linearen Abbildung Rang von A und wird mit rgA bezeichnet. heiÿt der Satz 5.20 Sei A : V → W eine lineare Abbildung dim W =: m. Dann gilt: a) A ist surjektiv genau dann, wenn rgA = m. b) A ist injektiv genau dann, wenn rgA = n. Folgerung 5.21 Sei n < ∞. Dann sind a) A ist bijektiv b) A ist surjektiv c) A ist injektiv. A:V →W äquivalent: und dim V =: n < ∞ eine lineare Abbildung und und dim V = dim W = Rang einer linearen Abbildung 92 Dualraum TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Beachte für die folgende Denition, dass für lineare Abbildungen nach W und λ∈K A, B von V auch die punktweise durch (λA + B)(x) = λAx + Bx erklärte Abbildung von V nach W λA + B linear ist. Daher bilden die linearen Abbildungen einen Vektorraum. Denition 5.12 Sei K V und W seien K-Vektorraume. Der V nach W wird mit Hom(V, W ) oder mit L(V, W ) bezeichnet. Im Spezialfall W = K wird und heiÿt der Dualraum von V . ein Körper und Vektorraum aller linearer Abbildungen von HomK (V, W ) oder einfach L(V, K) mit V ∗ bezeichnet 5.4 Koordinaten-Darstellung und Matrizen 5.4.1 Konstruktion linearer Abbildungen Satz 5.22 V. Dann ist Sei A A : V → W linear und x1 , . . . , xn ein Erzeugendensystem von eindeutig bestimmt durch die Vektoren A(x1 ), . . . , A(xn ). Beweis. Jeder Vektor v ∈ V als Linearkombination der hat eine (nicht notwendig eindeutige) Darstellung xi : Sei v = Pn j=1 λj xj . Wenn wir die Vektoren A(xj ) kennen, kennen wir wegen der Linearität auch den Vektor n n X X Av = A( λi xi ) = λi A(xi ). Satz 5.23 i=1 i=1 x1 , . . . , xn eine Basis von V und z1 , . . . , zn seien feste beliebige Elemente von W. Dann gibt es genau eine lineare Abbildung A : V → W mit A(xj ) = zj für j = 1, . . . , n. P P Beweis. Wir denieren einfach Av als ni=1 λi zi , wenn v = ni=1 λi xi . Weil die xi eine Basis bilden, sind die λi hier eindeutig bestimmt und damit ist A Sei wohldeniert. Oensichtlich ist diese Abbildung linear. Sie ist wegen des vorigen Satzes eindeutig bestimmt. Denition 5.13 Eine lineare Abbildung A zwischen den Vektorräumen V und W heiÿt auch Vektorraum-Homomorphismus zwischen V und W . Wenn A sogar bijektiv ist, heiÿt A auch ein Vektorrraum-Isomorphismus. Wenn es zwischen den beiden Vektorräumen V und W einen Vektorraum-Isomorphismus gibt, dann heiÿen die beiden Vektorräume auch Folgerung 5.24 isomorph. Zwei endlich-dimensionale Vektorräume sind genau dann iso- morph, wenn sie gleiche Dimension haben. Beweis. Wenn V und W isomorph sind, dann folgt dies aus Satz 5.20, denn A, dass dim V = n = rgA = m = dim W . Ist umgekehrt dim V = dim W so gibt es zu vorgegebenen Basen x1 , . . . xn von V und y1 , . . . yn von W nach Satz 5.23 genau eine lineare Abbildung A : V → W mit Axj = yj für alle j ∈ {1, . . . , n}. Dies A ist oenbar dann gilt für den zugehörigen Isomorphismus injektiv und surjektiv, also ein Vektorraum-Isomorphismus. 93 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 5.4.2 Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen Satz 5.25 x1 , . . . , xn eine Basis von V und y1 , . . . , ym eine Basis von W. A : V → W ist genau dann linear, wenn es Zahlen aij mit i = 1, . . . , m und j = 1, . . . , n aus K gibt mit Sei Eine Abbildung n m X n X X A( λj xj ) = ( λj aij ) yi (∈ W ). j=1 (5.7) i=1 j=1 Diese aij sind durch die Abbildung A und die beiden Basen eindeutig bestimmt. Umgekehrt ist A bei gegebenen Basen durch die aij und (5.7) eindeutig bestimmt. Beweis. 1. Wenn die (aij ) gegeben sind, dann setze zj = m X aij yi . (5.8) i=1 für alle j = 1, . . . , n. j gilt Nach dem vorigen Satz genau ein lineares A : V → W, so dass für alle Axj = zj = m X aij yi . (5.9) i=1 Wegen der Linearität von 2. Umgekehrt sei A A erfüllt A dann auch (5.7). gegeben. Dann denieren wir zj durch (5.9). Jedes eine Darstellung der Form (5.8), wobei die Koezienten Wahl von A aij zj hat eindeutig durch und der beiden Basen bestimmt sind. Wieder gilt dann wegen der Linearität auch (5.7). Bemerkung 5.26 A Wir erhalten also nach (5.9) bei gegebener linearer Abbil- von V und y1 , . . . , ym von W die Zahl aij als den i-ten Koezienten des Vektors Axj in seiner Darstellung als Linearkombination der yi . dung und Basen x1 , . . . , xn Denition 5.14 a) Seien m, n ∈ N. Eine Abbildung A von der Produktindex{1, . . . , m}×{1, . . . , n} in den Körper K, (i, j) 7→ aij heiÿt eine (m×n)Matrix mit Einträgen aus K. Sie wird hingeschrieben in der Form: menge A = (aij ) = a11 . . . am1 Die Zahl aij ... a1n . . . m = n = amn Zahl der Zeilen Zahl der Spalten heiÿt der Eintrag in der i-ten Zeile und b) Die Menge aller ... M at(m, n) m × n-Matrizen5 j -ten (5.10) A. M at(m × n, K) K{1,...,m}×{1,...,n} Spalte der Matrix bzw. in ausführlicherer Schreibweise mit Einträgen aus und kann daher identiziert werden mit K ist Km·n . identisch mit 5 Das (und nicht etwa Matrixe oder Matrixen) ist die Mehrzahl (Plural) von Matrix. Manche Mathematiker benutzen die urprüngliche lateinische Form des Plurals, nämlich Matrices. 94 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Bemerkung 5.27 Insbesondere hat Mat(m, n) in natürlicher Weise eine Vek- torraumstruktur und es ist dim M at(m, n) = m · n. Die Standardbasis von Mat(m, n) wird gebildet von den Matrizen E ij 0 ... .. . .. = . 0 . .. 0 . . . ... 0 . . . . 0 .. ← i-te . . . . . . 0 0 . . . 1 . . . 0 ↑ Zeile. j -te Spalte Bemerkung 5.28 ist für i = 1, . . . , n. Falls V = W, geht man meistens davon aus, dass yi = xi Wenn die Basis gewechselt wird, ändert sich die zugehörige Matrix. Wie, wird in Satz Achtung Schreibweise: Matrizen werden oft ebenso wie lineare Abbildungen mit groÿen lateinischen Buchstaben A, B, ... bezeichnet. Zur Vermeidung von Ver- wechslungen kennzeichnen wir Matrizen durch einen Unterstrich. Beispiele 5.29 für die Darstellung linearer Abbildungen durch Matrizen. 1. Die Identität idV Einheitsmatrix :V →V wird bezüglich einer beliebigen Basis durch die 1 .. En = 0 . 0 = (δij )i,j=1,...,n 1 dargestellt. (α1 , . . . , αn ) ∈ Kn . Die lin. Abbildung A : Kn → Kn , (a1 , . . . , an ) 7→ (α1 a1 , . . . , αn an ) wird bezüglich der Standardbasis durch die Diagonalmatrix α1 0 .. . 0 αn 2. Sei dargestellt. Aej = welche lineare Abb. Denn es ist αj ej für alle j. Die A : V → V durch Frage der Diagonalisierbarkeit, geeignete Wahl der Basis eine Darstellung durch eine Diagonalmatrix haben, wird aufs nächste Semester verschoben. D : P → Pn−1 die formale Ableitung. Bezüglich der Basen 1, x, . . . , xn n−1 von Pn und 1, x, . . . , x von Pn−1 hat D die Darstellung durch die n × (n + 1)-Matrix 0 1 0 ... ... 0 0 0 2 0 . . . 0 . . . 0 3 . . . 0 , . .. . . . 0 0 ... ... 0 n 3. Sei 95 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Dxk = kxk−1 . denn es ist ja C : R2 → R2 die durch C 3 z 7→ cz ∈ C z = x + iy ist cz = ax − by + i(ay + bx) also C(x, y) = (ax − by, ay + bx). Es gelten e1 = (1, 0) = 1C , e2 = (0, 1) = i, Ce1 = (a, b), Ce2 = (−b, a). Daher wird C bezüglich der Standardbasis e1 , e2 dargestellt durch die 2 × 2-Matrix a −b . b a 4. Sei c = a + ib ∈ C. Sei induzierte Abbildung: Für σ : {1, . . . , n} → {1, . . . , n} eine V → V die lineare Abbildung mit Axj = xσ(j) , vgl. Satz 5.23. Dann gehört zu A bezüglich der Basis x1 , . . . xn x1 , . . . , xn eine Basis von V . Sei Permutation der Indizes, und sei A : 5. Sei die Matrix 0 ... 1 Pσ = 0 0 . .. 0 . . . 0 ... 0 . . . 1 0 . . . . . . . . . . . . ← i-te Zeile, wobei i = σ(j). . . . 0 0 ↑ j -te Spalte Die 1 in der ersten Spalte steht also in der ner bendet sich die wenn σ(j) = i 1 in der j -ten σ(1)-ten Zeile, und allgemei- Spalte genau dann in der i-ten ist. Diese Matrix hat also in jeder Spalte genau eine in jeder Zeile genau eine 1. Die übrigen Einträge sind 0. Zeile, 1 und Solche Matrizen Permutationsmatrizen. Besondere Spezialfälle sind die Vertauschungsmatrizen, die den speziellen Permutationen entsprechen, die nur heiÿen zwei Indizes miteinander vertauschen. Bemerkung 5.30 Wenn wir im letzten Beispiel im Gegensatz zu Bemerkung V, als Denitionsbereich verstanden, wie bisher mit der Basis 5.28 den Raum x1 , . . . , xn versehen, aber V , als Zielbereich verstanden, mit der permutierten Basis y1 , . . . , yn mit yi = xσ(i) versehen, dann hat die Abbildung A bezüglich dieser Basen nach Bemerkung 5.26 die Einheitsmatrix En als zugehörige Matrix. Hier sieht man den Grund, warum wir, im Gegensatz zu manchen AlgebraBüchern, bei der Denition des Begris Basis Wert auf die Reihenfolge der Basis-Vektoren gelegt haben. V sowohl als Deniti(xσ(j) )j=1,...,n versehen, Wenn wir, jetzt wieder in Einklang mit Bemerkung 5.28, onsbereich als auch als Zielbereich mit der neuen Basis dann hat die gleiche, durch Axj = xσ(j) denierte Abbildung wieder die Matrix Pσ , denn es ist ja Axσ(j) = xσ(σ(j)) also wird das j -te Glied der neuen Basis wieder auf das σ(j)-te Glied der neuen Basis abgebildet. Man könnte also irrtümlich denken, dass allgemein die Matrix einer linearen Abbildung A : V → V doch nicht von der Wahl der Basis des Raums V abhängt, solange nur die Start- mit der Ziel-Basis übereinstimmt, wie in Bemerkung 5.28 gefordert. Dieser Eekt liegt aber in diesem Beispiel nur an der speziellen Wahl dieser Abbildung und dieser Basis. Permutationsmatrix Vertauschungsmatrix 96 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Wenn wir nämlich schlieÿlich die neue durch B Bxj = jxσ(j) denierte Abbildung x1 , . . . , xn die Matrix betrachten, so hat diese einerseits bezüglich der Basis 0 ... ... 0 . . . . . 0 . ← i-te . . . . . . 0 0 . . . 1 0 0 . .. 0 . . . j . . . 0 ↑ Zeile, wobei i = σ(j), j -te Spalte dagegen hat die gleiche Abbildung (xσ(j) )j=1,...,n B andererseits bezüglich der neuen Basis die folgende Matrix: 0 ... σ(1) 0 0 . .. 0 ... 0 ... 0 . . . . . . i . . . 0 . . . 0 ↑ ← i-te . . . Zeile, wobei i = σ(j). . . . 0 j -te Spalte Aus der Eindeutigkeit der Beziehung zwischen der Abbildung aij A und den Zahlen in Satz 5.25 folgt: Satz 5.31 V, W mit dim V = n und dim W = m L(V, W ) 3 A 7→ A = (aij ) ∈ M at(m, n) ein Vektorraum- Bei fester Wahl der Basen in ist die Zuordnung Isomorphismus. dim L(V, W ) = dim M at(m, n) = m · n. Speziell dim V ∗ = dim M at(1, n) = dim M at(n, 1) = dim V. →K Bemerkung 5.32 Die lin. Abbildungen VK → haben also bei fester BaV sis von V eine Darstellung als Zeilen, genauer einzeilige Matrizen . Insbesondere ist Spalten, genauer einspaltige Matrizen Da ein Vektor v∈V mit der linearen Abbildung K → V, identiziert werden kann, werden speziell die Vektoren in die 1 auf Kn v abbildet, oft als Spalten- vektoren geschrieben. Bemerkung 5.33 A : Rn → Rm mit bezüglich ξ1 x = ... ∈ Rn gilt dann Für eine lineare Abbildung Standardbasen zugehöriger Matrix (aij ) und ξn Pn Ax = j=1 aij ξj . . Pn . j=1 amj ξj ∈ Rm . der 97 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 5.4.3 Die Transposition von Matrizen und der Dualraum Denition 5.15 Für jede transponierte Matrix Matrix A = (aij ) ∈ Mat(m, n) denieren wir die AT = (aTji )j=1,...,n ∈ Mat(n, m) i=1,...,m durch von A aTji = aij . Die Zeilen von A werden zu Spalten von T werden zu Zeilen von A . AT und die Spalten Beispiel: Bemerkung 5.34 1 4 2 5 T 1 3 = 2 6 3 4 5 . 6 Die Transposition entspricht dem Isomorphismus, der die Standardbasis von Mat(m, n) in die Standardbasis von Mat(n, m) überführt. Oensichtlich ist (AT )T = A. (5.11) Im allgemeinen gibt es zwischen zwei Vektorräumen gleicher Dimension keinen kanonischen Isomorphismus, dh. ein Vektorraum-Isomorphismus, der nur durch die Kenntnis der Vektorraumstruktur ohne Angabe einer speziellen Basis deniert wäre. Es gibt i.a. keine natürlichen Basen, dh. Basen die aus irgendeinem Grund natürlicher wären als alle anderen Basen des gleichen linearen Raums. Zum Beispiel wird es Ihnen kaum gelingen, für die zu dem Vektor a = (1, 2, 3) ∈ R3 orthogonale Ebene E = {b ∈ R3 : ha, bi = 0} = {(b1 , b2 , b3 ) : b1 + 2b2 + 3b3 = 0} eine Basis zu nden, von der man alle Mathematiker überzeugen könnte, dass 6 sie natürlicher wäre als jede andere. Auch zwischen denn, V V und V∗ gibt es keinen kanonischen Isomorphismus, es sei habe zufällig doch eine natürliche Basis, wie etwa x1 , . . . , xn von V schon festliegt, dann x∗1 , . . . , x∗n von V ∗ durch die Festlegung allerdings eine Basis hierzu duale Basis x∗i (xj ) = δij wobei δij Pn . Wenn das in (5.3) denierte Kronecker-Symbol ist. Diese Festlegung deniert wir schon wissen, dass x∗i dim V ∗ = dim V x∗1 , . . . , x∗n von V ∗. Da ist, und leicht zu sehen ist, dass die linear unabhängig sind, bilden sie nach Bemerkung 5.10 tatsächlich eine Basis von 6 Dies oder deniert man die , i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n, nach Satz 5.23 in der Tat eindeutig bestimmte Elemente Vektoren Kd V ∗. ist oenbar kein logisch zwingender Beweis, wer weiÿ was für groÿartige Argumente zur Begründung der absoluten Sonderrolle einer bestimmten Basis von E noch in der Zu- kunft auftauchen werden. Dementsprechend setzt man den Begri natürliche Basis besser in Anführungszeichen. transponierte Matrix kanonischer Isomorphismus nat"urliche Basis duale Basis 98 Standard-Isomorphismus Bidualraum TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 5.35 Sei x1 , . . . , xn und Pn x = j=1 λj xj P n ∗ x = j=1 µj x∗j die Darstellung von die Darstellung von x ∈ V durch ∗ ∗ einem x ∈ V die Basis durch die zugehörige duale Basis. Dann ist ∗ x (x) = n X λj µj . (5.12) j=1 Beweis. Es ist x∗ (x) = n X n n X n n X X X µi x∗i ( λj xj ) = µi λj δij = λj µj . i=1 Bemerkung 5.36 j=1 i=1 j=1 j=1 Rd : Wir erhalten also insbesondere eine Rd : d d ∗ Es liefert einen Isomorphismus zwischen R und seinem Dualraum (R ) , indem d ∗ d ∗ der Vektor y ∈ R der Linearform y ∈ (R ) mit Achtung Spezialfall neue Interpretation des in Kapitel 4 denierten Standard-Skalarprodukts im y ∗ (x) = hx, yi (5.13) zugeordnet wird. Insbesondere ist diese Zuordnung surjektiv: Zu jeder linearen Abbildung y ∗ : Rd → R gibt es einen Vektor y ∈ Rd so dass (5.13) gilt. Dies wird im nächsten Kapitel in der Dierenzialrechnung für das Verständnis des Gradienten wichtig werden. Dieser Isomorphismus ist übrigens der gleiche Isomophismus, der die Standardbasis e1 , . . . , ed auf die zugehörige duale Basis StandardIsomorphismus zwischen Rd und seinem Dualraum. Dieser hat in der Funktioe∗1 , . . . , e∗d abbildet. 7 Wir nennen diesen Isomorphismus auch den nalanalysis eine unendlich-dimensionale Entsprechung in sogenannten HilbertRäumen. Bemerkung 5.37 Wenn es auch für allgemeine endlich-dimensionale Vektor- V und V ∗ gibt, ist = (V ∗ )∗ , die durch räume keinen kanonischen Isomorphismus zwischen bildung ∗∗ x 7→ x von V in den Bidualraum V ∗∗ die Ab- x∗∗ (x∗ ) = x∗ (x) (5.14) deniert ist, sicherlich injektiv und linear, und im endlich-dimensionalen Fall nach Folgerung 5.21 ein Vektorraum-Isomorphismus, da wir dann schon dim V ∗∗ = dim(V ∗ )∗ = dim V ∗ = dim V wissen. Da er ohne Bezug auf eine bestimmte Basis deniert ist, ist dieser Isomorphismus sogar kanonisch. Daher wird oft in der linearen Algebra ein endlichdimensionaler Vektorraum mit seinem Bidualraum identiziert. Sei x1 , . . . , xn eine Basis von V kann man hierzu wiederum die x∗1 , . . . , x∗n die duale Basis von V ∗ . Dann ∗ ∗ ∗∗ ∗ ∗ bilden. duale Basis (x1 ) , . . . , (xn ) von V und Denitionsgemäÿ ist ∗ (x∗j )∗ (x∗i ) = δij = x∗i (xj ) = x∗∗ j (xi ) 7 Natürlich Kd für jeden Körper analog durchfühCd noch eine kleine Modikation angebracht: Man erweitert das Standard-Skalarprodukt von Rd × Rd auf Cd × Cd durch den unsymmetrischen Ausdruck hζ, zi = di=1 ζi zi , damit nach wie vor hz, zi ≥ 0 gilt. Darauf gehen wir im nächsten Semester kann man diese Überlegung auch für ren. Allerdings wird im Fall P genauer ein. 99 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 für alle i, j ∈ {1, . . . , n}. geht also jede Basis von kation von V mit V ∗∗ Unter dem obigen Isomorphismus zwischen V V und V ∗∗ in ihre biduale Basis über, maW. ist bei der Identi- jede Basis von V dual zu ihrer dualen Basis. Ferner führt die zweifache Anwendung des nicht-kanonischen Isomorphismus zwischen einem endlich-dimensionalen Vektorraum und seinem Dualraum, der bei vorgegebener Basis durch den Übergang zur dualen Basis deniert ist, für jede Ausgangsbasis zu dem kanonischen Isomorphismus zwischen dem ursprünglichen Vektorraum und seinem Bidualraum. Im unendlich-dimensionalen Fall ist diese Identikation zwischen V und V ∗∗ 8 nicht mehr möglich . Denition 5.16 Sei A : V → W linear. Dann denieren wir die adjungierte Abbildung A∗ : W ∗ → V ∗ durch A∗ y ∗ = y ∗ ◦ A, also A∗ y ∗ (x) = y ∗ (Ax) f ür x ∈ V, y ∗ ∈ W ∗ . Satz 5.38 y1 , . . . , y m Wenn zu von W bezüglich der dualen AT = (aTji ). Beweis. Sei y = A : V → W bezüglich der Basen x1 , . . . , xn von V und A = (aij ) gehört, dann gehört zu A∗ : W ∗ → V ∗ ∗ ∗ ∗ ∗ Basen y1 , . . . , ym und x1 , . . . , xn die transponierte Matrix die Matrix Pm yi∗ (y) = µi k=1 µk yk ∈ W gegeben. Pn Dann ist nach Satz 5.35 ∗ i = 1, . . . m und analog für x = (x) = λr für λ x ∈ V auch x r j=1 j j r = 1, . . . , n. Damit folgt für jedes x ∈ V für A∗ yi∗ (x) = yi∗ (Ax) = yi∗ ( m X n n n X X X ( λj akj )yk ) = λj aij = aij x∗j (x), k=1 j=1 A∗ yi∗ = j=1 j=1 Pn T ∗ j=1 aji xj nach Denition der transponierten Matrix. Ein Vergleich mit Bemerkung 5.26 liefert die Behauptung. also Bemerkung 5.39 Unter der Identikation von endlich-dimensionalen Vektor- räumen mit ihren Bidualräumen durch die Gleichung (5.14) wird für jede lineare Abbildung A∗∗ = A. In der Tat gilt für alle x∈V und y∗ ∈ W ∗ (A∗∗ (x∗∗ ))(y ∗ ) = x∗∗ (A∗ y ∗ ) = A∗ y ∗ (x) = y ∗ (Ax) = (Ax)∗∗ (y ∗ ), V mit ihrem doppeltgesternten Partner in A∗∗ x = Ax für alle x ∈ V . Dies entspricht nach TT = A, da nach Teil 2. der der Beziehung: (5.11) A wenn wir also alle Vektoren in V ∗∗ identizieren, ergibt sich dem voranstehenden Satz Bemerkung 5.37 die bei zweimaliger Anwendung von Satz 5.38 zu betrachtenden bidualen Basen bei der obigen Identikation gerade die ursprünglichen Basen sind. Denition 5.17 von V ∗ Für einen Teilraum U ⊂V U⊥ durch U ⊥ = {x∗ ∈ V ∗ : x∗ (x) = 0 8 da denieren wir den Teilraum für alle x ∈ U }. die Kardinalitäten der Hamel-Basen (vgl. die Fussnote zu Denition 5.4) sich beim Dualraum-Bilden stets echt erhöhen: Insbesondere gibt es dann stets Linearformen auf die nicht in der obigen Weise durch die Auswertung an einer Stelle x∈V entstehen. V ∗, adjungierte Abbildung senkrecht 100 Spaltenrang Spaltenraum Zeilenrang Zeilenraum TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 5.40 Sei dim V = n. Dann ist dim U ⊥ = n − dim U. Beweis. Sei u1 , . . . , uk eine Basis von U. Wir ergänzen sie zur Basis u1 , . . . , un u∗i (uP j ) = 0 für alle j = 1, . . . , k. n ∗ ⊥ Das gilt genau dann wenn i > k. Damit ist u = genau dann i=1 λi uj ∈ U ∗ ∗ ∗ wenn λj = 0 für alle j = 1, . . . , k, d.h. wenn u ∈ huk+1 , . . . , un i. Damit ist dim U ⊥ = n − k. von V. Dann ist u∗i ∈ U ⊥ Bemerkung 5.41 genau dann wenn ∗ 1. Bei der oben (vgl. Bemerkung 5.37) beschriebenen Iden- V mit V ∗∗ geht U in U ⊥⊥ ∗ ⊥ ∗∗ über. Denn es ist x (x ) = x (x) = 0 für alle x ∈ U, x ∈ U , also x ∈ U ⊥⊥ ⊥⊥ für alle x ∈ U , und nach dem vorstehenden Satz ist dim U = dim U . Damit ∗∗ ist die Abbildung x 7→ x nach Folgerung 5.21 ein Isomorphismus zwischen U ⊥⊥ und U . tikation eines endlich dimensionalen Vektorraums ∗∗ ∗ ∗ Rd : 2. Achtung Spezialfall Wenn wir den durch das Standard-Skalarprodukt Rd und d von R , die gegebenen Standard-Isomorphismus (vgl. Bemerkung 5.36) zwischen d ∗ (R ) U verwenden, geht ⊥ über in den Unterraum aller Vektoren U stehen im Sinn von Denition 4.7. Diese U ⊥ üblicherweise im Rd . Da kein Vektor 6= 0 ⊥ ist dann U ∩ U = {0} und wegen des vorigen senkrecht auf allen Vektoren in Bedeutung hat daher das Symbol auf sich selber senkrecht steht, Satzes gilt damit Rd = U ⊕ U ⊥ U von Rd . U ⊥⊥ = U . für jeden linearen Unterraum dann insbesondere wieder Bemerkung 5.42 ∗ KerA Sei A:V →W Unter dieser Sichtweise ist natürlich linear. Dann ist = {y ∗ ∈ W ∗ : y ∗ (Ax) = 0 Folgerung 5.43 (5.15) für alle x ∈ V } = (Im A)⊥ . rg A∗ = rg A. Beweis. Es ist rg A∗ = dim ImA∗ = n − dim KerA∗ = n − dim(ImA)⊥ = n − (n − dim ImA) = dim ImA = rg A. Spaltenrang Denition 5.18 Sei A = (aij ) eine Matrix. Der maximale Anzahl der linear unabhängigen Spalten von von A ist die A, also die Dimension des Spaltenraums, dh. des von den Spalten der Matrix aufgespannten Unterraums m von K . Analog ist der Zeilenrang von A die Dimension des Zeilenraums von A. Folgerung 5.44 A : V → W eine lineare Abbildung und A eine bezüglich und W zu A gehörende Matrix. Der Zeilenrang der ihrem Spaltenrang und damit gleich dem Rang von A und T und dem Zeilenrang von A . Seien geeigneter Basen von Matrix A ist gleich gleich dem Spalten- Beweis. V und V Wenn wir gemäÿ Bemerkung 5.5 und Denition 5.5 die Vektoren in W durch ihre linearen Koordinaten bezüglich der bei der Bildung von 101 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 A verwendeten Basen ersetzen, dann sehen wir mit Bemerkung 5.26, dass die linearen Koordinaten der Bildvektoren der Abbildung ImA gerade den Spaltenraum der Matrix A der Matrix A gerade der Rang der Abbildung A, dh. der Vektoren in bilden. Daher ist der Spaltenrang A. Damit ist nach Folgerung 5.43 und Satz 5.38 Spaltenrang(A) = rgA = rgA∗ = Spaltenrang(AT ) = Zeilenrang(A). Denition 5.19 Nach der vorstehenden Folgerung können und wollen wir den Rang rgA einer Matrix A als ihren Spaltenrang oder als ihren Zeilenrang denieren. Der Rang einer linearen Abbildung ist also gleich dem Rang einer beliebigen durch geeignete Basen zugeordneten Matrix. K = R, V = Rd , W = Rm sei A eine m × d- Matrix und A : Rd → A bezüglich der Standardbasen beschriebene lineare Abbildung. Dann ist der Spaltenraum von A tatsächlich gleich dem Bildraum ImA. Der T Zeilenraum von A ist dagegen gleich dem Spaltenraum von A und damit gleich ∗ dem Bild von A , wenn wir die Standardisomorphismen zwischen den Räumen Rd , Rm und ihren Dualräumen anwenden. Die Bemerkung 5.42, angewendet auf A∗ statt A liefert dann KerA = KerA∗∗ = (ImA∗ )⊥ , und damit ist Im Spezialfall Rm die durch (KerA)⊥ = (ImA∗ )⊥⊥ = ImA∗ = Zeilenraum(A) : (5.16) m × d-Matrix A besteht gerade aus allen Vektoren Rd , die auf allen Vektoren des Kerns der zugehörigen linearen Abbildung A : Rd → Rm senkrecht stehen. Nach Gleichung (5.15) ist damit Rd = KerA ⊕ Zeilenraum(A). Nach dem Satz 5.19 über die Bild-Kern-Zerlegung ist also die Einschränkung von A auf den Zeilenraum von A ein Vektorraum-Isomorphismus zwischen dem Zeilenraum von A und dem Spaltenraum von A. Der Zeilenraum einer reellen im 5.4.4 Matrix-Multiplikation Denition 5.20 A = (aij ), 1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ n B = (bjk ), 1 ≤ j ≤ n; 1 ≤ k ≤ d; eine n × dMatrix. Dann ist das Matrix-Produkt A · B die m × d-Matrix mit den Einträgen Pn (A · B)ik := j=1 aij bjk . eine (Matrix-Produkt) Sei m × n-Matrix und Beim Bilden des Produkts Spaltenzahl n A·B müssen wir also zuerst sicher stellen, dass die der vorderen Matrix A mit der Zeilenzahl der hinteren Matrix übereinstimmt. Sonst ist das Produkt nicht deniert. Wenn aber diese Voraus- i-te Zeile derPMatrix A und die k -te Spalte n B und bildet das Skalarprodukt j=1 aij bjk dieser beiden Elen K , um den Eintrag in der i-ten Zeile und k -ten Spalte von A · B zu setzung erfüllt ist, nimmt man die der Matrix mente von bekommen. Beispiele 5.45 1. Sei A= 1 4 2 5 3 . 6 Rang einer Matrix 102 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Dann ist T AA = 1 4 1 3 2 6 3 2 5 4 14 5 = 32 6 32 . 77 x∈M und y ∈ M at(d, 1; R) die einspaltigen Matrizen at(d, 1; R) y1 x1 . . T tenvektoren) .. und .. . Dann ist x ein Zeilenvektor und 2. Seien (Spal- yd xd xT · y = ( d X xi yi ) = (hx, yi). (5.17) i=1 Daher wird oft zusammen mit der Konvention, Vektoren im hx, yi im Rd ren zu schreiben, das Standard-Skalarprodukt Dabei wird dann eine 1 × 1-Matrix Rd als SpaltenvektoT als x y geschrieben. mit ihrem einzigen Eintrag identiziert. Dagegen ist x1 y1 x1 y2 . . . . . . xd y1 xd y2 x · yT = Wenn man hier x und y ... x1 yd . . . ... ... . (5.18) xd yd vertauscht und das Ergebnis mit (5.17) vergleicht, sieht man deutlich, dass selbst in den Fällen, wo sowohl A·B als auch B·A beide deniert sind, diese beiden Produkte ganz verschieden sind. Viele Eigenschaften der Matrix-Multiplikation lassen sich am besten durch den folgenden Satz verstehen, der zeigt, dass die Multiplikation von zwei Matrizen der Hintereinanderausführung zweier linearer Abbildungen entspricht. Satz 5.46 B : U → V und A : V → W lineare Abbildungen. Sei B die zu u1 , . . . , ud von U und v1 , . . . , vn von V gehörende Matrix, und sei A die zu A bezüglich der Basen v1 , . . . , vn von V und w1 , . . . wm von W gehörende Matrix. Dann ist A · B die zu A ◦ B bezüglich der Basen u1 , . . . , ud und w1 , . . . , wm gehörende Matrix. B Seien bezüglich der Basen Beweis. Nach (5.7) gilt für jedes k = 1, . . . , d A(B(uk )) n n X X = A( bjk vj ) = bjk A(vj ) j=1 = n X j=1 bjk j=1 m X aij wi = i=1 m X (A · B)ik wi . i=1 Damit sind die Zahlen (A · B)ik gerade die linearen Koordinaten des Vektors A ◦ B(uk ) bezüglich der Basis w1 , . . . , wm . Daraus folgt mit Bemerkung 5.26 die Behauptung. Bemerkung 5.47 1. Es gilt das Assoziativgesetz (A · B)C = A(B · C), falls die Spalten - bzw. Zeilenanzahl so zusammenpassen, dass beide Seiten deniert sind. Dies folgt zum Beispiel aus dem letzten Satz und der Assoziativität A ◦ (B ◦ C) der Verknüpfung von Abbildungen. (A◦B)◦C = 103 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 2. Es gilt (A · B)T = B T · AT . symmetrische Matrix Dies kann man entweder direkt nachrechnen: n X (A · B)Tki = (A · B)ik = bjk aij = j=1 n X inverse Matrix bTkj aTji = (B T · AT )ki , j=1 (A ◦ B)∗ = B ∗ ◦ A∗ , Satz 5.38 und Satz 5.46 folgern. Zum Beispiel ist (A · AT )T = AT T · AT = A · AT . Damit ist eine Matrix der Form AAT oder aus stets immer symmetrisch, dh. gleich ihrer eigenen Transponierten. Denition 5.21 Wir denieren M at(n; K) als den Raum M at(n, n; K) aller quadratischen Matrizen der Ordnung n und bezeichnen dessen Teilmenge {A ∈ M at(n; K)) : rg(A) = n} mit GL(n; K). M at(n; K), +) ist ein Vektorraum, also insbesondere bezüglich der Addition ei- ne abelsche Gruppe (vgl. hierzu die Denition eines Vektorraums in Kapitel 4). Ferner ist M at(n; K) abgeschlossen gegenüber der (assoziativen, aber nicht 9 10 kommutativen) Multiplikation von Matrizen GL(n; K) ist aber kein linearer Unterraum von M at(n; K)! Es ist A ∈ GL(n; K) zwar auch −A ∈ GL(n; K), aber A + (−A) = 0 ∈ / Die Teilmenge z.B. für jedes GL(n; K). Satz 5.48 Aber es gilt GL(n; K), ·) ist eine Gruppe mit der Einheits-Matrix En als Eins- element. Insbesondere existiert zu jeder n×n-Matrix A−1 mit A · A−1 = A−1 A = En . inverse Matrix A eine eindeutig bestimmte Anmerkung: Diese Gruppe heiÿt allgemeine lineare Gruppe der Ordnung (general linear group). n 11 Beweis. Neben dem Assoziativitäts-Gesetz ist erstens zu bemerken, dass En A = AEn = A gilt für jede n × n-Matrix A. Dies ergibt sich unmittelbar aus der De- nition der Einheitsmatrix (vgl. Beispiele 5.29). Zur Existenz der inversen Matrix beachte, dass zu jeder Matrix A mit rgA =n eine bijektive lineare Abbildung 9 und es gelten die Distributivgesetze A·(B +C) = A·C +A·B Also ist M at(n; K) 10 Zwar und (C +B)·A = C ·A+B ·A. ein (nichtkommutativer) Ring A und B der Ausdruck A · B (drei Symbole!) schnell n × n-Matrizen n2 Einträge berechnen und die Berechnung ist bei gegebenen Matrizen hingeschrieben, aber man muss bei jedes Eintrags braucht u.a. n Multiplikationen von Zahlen. Daher braucht man zur Berechnung n3 Multiplikationen. Ein schwieriges Ergebnisse der Kom- aller Einträge der Produktmatrix plexitätstheorie ist, dass man theoretisch bei entsprechender Vorgehensweise mit höchstens Cnα C eine alllerdings ziemlich grosse Konstante α echt kleiner als 3 ist (V. Strassen). Sie sehen, dass schon scheinbar ein- Multiplikationen auskommen kann, wobei ist, aber der Exponent fache Fragen, (z.B. gibt es schnellere Arten der Matrixmulitplikation als die oensichtliche?) echte Herausforderungen darstellen können. 11 Diese Gruppe und ihre Untergruppen spielen in vielen Zusammenhängen eine wichtige Rol- le. In der sogenannte Darstellungstheorie geht es etwa um die Frage, welche Homomorphismen einer vorgegebenen Gruppe in eine Gruppe vom Typ GL(n; K) existieren. Auch die theore- tische Physik unterscheidet ihre Theorien oft daran, für welche Untergruppen einer Gruppe vom vom Typ GL(n; K) die Gesetze der jeweiligen Theorie sich nicht verändern, wenn man das Koordinatensystem mit einer linearen Transformation aus der betreenden Untergruppe verändert. 104 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 A : Kn → Kn gibt, die se Umkehrfunktion A−1 A bezüglich der Standard-Basis als Matrix hat. Die- dieser bijektiven Abbildung ist ebenfalls bijektiv und linear. Die zugehörige Matrix bezüglich der Standard-Basis sei mit zeichnet. Wegen A−1 · A = En . A ◦ A−1 = idKn folgt nach Satz 5.46 −1 A·A = En A−1 be- und analog Die Eindeutigkeit der inversen Matrix folgt z.B. aus der Eindeu- tigkeit der Umkehrabbildung. Die inverse Matrix zu A ist im allgemeinen nicht sehr schnell aus A zu berechnen. Es folgen einige Anwendungen dieses Satzes. Satz 5.49 Es gilt stets rg(A · B) ≤ min(rgA, rgB). Beweis. Seien A, B zugehörige lineare Abbildungen. Dann ist ImA ◦ B ⊂ ImA und damit rgA · B = rgA ◦ B = dim ImA ◦ B ≤ dim ImA = rgA = rgA. Daraus = rg(A·B)T = rgB T ·AT ≤ rgB T = rgB. folgt durch Transposition auch rgA·B Damit ergibt sich zum Beispiel, dass die etwas kompliziert aussehende Matrix x · yT in (5.18) höchstens Rang 1 haben kann. In der Tat sind alle Spalten Vielfache voneinander. Der Rang eines Matrixprodukts kann aber auch echt kleiner werden als das Minimum der Ränge der einzelnen Faktoren. Folgerung 5.50 Sei A : V → W linear und A die zugehörige Matrix bezüglich Pn v1 , . . . , vn von V und w1 , . . . , wm von W . Sei v = j=1 λj vj ∈ V Pm Av = i=1 µi wi . Dann gilt der Basen und µ1 λ1 . .. . = A .. . λn µn (5.19) Beweis. Man kann dies leicht direkt nachprüfen. Hier ist ein alternatives Argu- B : K → V bzw. C : K → W die linearen Abbildungen λ 7→ λv bzw. µ 7→ µ(Av). Dann ist C = A ◦ B und die beiden Spalten-Vektoren links und ment: Seien rechts in (5.19) sind die zugehörigen Matrizen (vgl. Bemerkung 5.32). Damit folgt die Behauptung direkt aus dem Satz 5.46. Wir kommen jetzt zu der Frage, wie sich ein Basiswechsel durch Matrizen beschreiben lässt. Folgerung 5.51 V. Sei Spalte wj . a) Sei v1 , . . . , vn die alte und w1 , . . . , wn die neue Basis von Pn B = (bij )i,j=1,...n die Matrix mit wj = j=1 bij vi , dh. in der j -ten von B stehen die alten v -Koordinaten des j -ten neuen Basis-Vektors Dann gelten B idV bezüglich der Basen w1 , . . . , wn (Basis von V als v1 , . . . , vn (Basis von V als Zielraum der Identität). Insbeson- ist die Matrix von Startraum) und dere ist B invertierbar. B −1 ist die Matrix von idV bezüglich der Basen v1 , . . . , vn und w1 , . . . , wn . In −1 der j -ten Spalte von B stehen die neuen w -Koordinaten des alten Basisvektors vj . b) 105 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Pm j=1 λj vj = i=1 µi wi lassen sich die neuen Koordinaten aus den alten berechnen und umgekehrt nach (5.19) durch c) Für x= Pn µ1 λ1 .. −1 . . = B .. µn λn und λ1 µ1 .. . . = B .. . λn µn Beweis. a) Der erste Teil der Aussage folgt aus Bemerkung 5.26. Da idV tierbar ist, ist rgB = n. Also existiert die inverse Matrix inver- B −1 . b) Die inverse Matrix ist die Matrix zur inversen Abbildung. Daraus folgt die erste Teilaussage aus a). Die zweite Aussage ergibt sich wie in Teil a) aus aus Bemerkung 5.26. c) ist eine direkte Folgerung aus Teil a) und b) und der Beziehung (5.19). Satz 5.52 v1 , . . . , vn die alte und w1 , . . . , wn die neue B wie in Folgerung 5.51. Wenn zu A : V → V bezüglich −1 der alten Basis v1 , . . . , vn die Matrix A gehört, dann ist B AB die Matrix zu A bzgl. der neuen Basis w1 , . . . , wn . (Basiswechsel) Sei Basis und die Matrix Beweis. Nach Teil c) der vorigen Folgerung und (5.19) erhalten wir nacheinander aus den w-Koordinaten • der Matrix B • der Matrix AB • der Matrix B −1 AB die eines Vektors v -Koordinaten die von v -Koordinaten die x∈V durch Anwenden von x von w-Koordinaten Ax von Ax. Beispiel. Wir wählen V = R2 und betrachten die Abbildung A, die einen Vektor auf die Gerade durch 0 mit dem Winkel θ zur x-Achse projiziert. c Die Gerade hat die Form: Ry wobei y = s und c = cos(θ), s := sin(θ). Insbesondere ist kyk = 1. Wir hatten im Abschnitt 4.2 ausgerechnet Az = hz, yiy , also folgt für z = xy mit (5.17) und (5.18) 2 x c sc x A = hz, yiy = yhy, zi = yy T z = . y sc s2 y Die zu A gehörige Matrix bzgl. der Standardbasis A = yy T = {e1 , e2 } ist damit c2 sc . sc s2 Az alle Vielfache des Vektors y sind, ist zu erwarten, dass A bezüglich der Basis {g1 , g2 } mit g1 := y = sc und g2 := −s besonders einfach ist. Wir können sie direkt brechnen: Für jedes z hat Az c die g1 , g2 -Koordinaten hz, yi, 0 und damit folgt aus z = ξg1 +ηg2 , dass Az = ξg1 . 1 0 Daher gehört zu A bzgl. der Basis {g1 , g2 } die Matrix 0 0 . Wir berechnen nun die Matrix B der zugehörigen Basistransformation. Nach c −s Folgerung 5.51 ist B := s c . Dies entspricht der Multiplikation mit der komiθ plexen Zahl e = c + is. Damit entspricht die inverse Matrix B −1 der Multiplic s −iθ kation mit der komplexen Zahl e = c − is. Also ist B −1 := −s c . Da die Bildvektoren die die Matrix von 106 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 {g1 , g2 } gehörende Matrix 2 s c sc c −s 1 0 = . c sc s2 s c 0 0 A Hieraus ergibt sich für die zu B 5.5 −1 AB= c −s bzgl. der Basis auch Lineare Gleichungssysteme 5.5.1 Einleitung Beispiele 5.53 1. Der Chinese Xu Yue stellt gegen 190 n.Chr. das Problem: Wie viele Hähne, Hennen und Kücken kann man für 100 Münzen kaufen, wenn man insgesamt 100 Vögel kaufen will und ein Hahn 5 Münzen, eine Henne 4 Münzen und 4 Kücken 1 Münze kosten? Die 100 Münzen sollen hierbei vollständig verbraucht werden. Das führt zu dem linearen Gleichungssystem XHahn 5XHahn + + XHenne 4XHenne + + XKücken (1/4)XKücken = 100 = 100, genauer zur Suche nach Lösungen dieser Gleichungen durch natürliche Zahlen. 2. In der Mechanik gilt die Beziehung ~ = I~ L ω, wobei ~ L der Drehimpuls-Vektor, I die Matrix des Trägheitsmoments, und ω ~ die vektorielle Winkelgeschwindigkeit sind. 3. Das verallgemeinerte Ohmsches Gesetz lässt sich schreiben in der Form ~ ~j = z E, wobei ~j die Stromdichte, z die Matrix der Leitfähigkeit, und ~ E die Elektrische Feldstärke bezeichnen. 4. Hier ist ein Beispiel aus der Betriebswirtschaftslehre (Modell der linearen Produktionsfaktorfunktionen): Zur Herstellung von Drehbänken, Hobelbänken und Fräsmaschinen werden pro Stück 250kg, 450kg bzw. 150kg an Guÿstücken benötigt. Dies führt zu einem Verbrauch von rG = 250 · XD + 450 · XH + 150 · XF Guÿstücken. Ferner werden zur Herstellung der Werkzeugmaschinen pro Stück jeweils 800kW, 600kW bzw. 500kW benötigt. Dies führt zu einem Stromverbrauch von rS = 800 · XD + 600 · XH + 500 · XF . rG und rS vorgeben, oder Schranken für diese 3 beiden Zahlen vorgeben und nach Vektoren (XD , XH , XF ) ∈ N0 suchen, die diese Vorgaben erfüllen. Man kann nun zum Beispiel 5. Eine weitere Anwendung ist die Untersuchung der linearen Unabhängigkeit von Vektoren a11 a1n .. . . , . . . , .. . am1 amn 107 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 6. Lineare Gleichungssysteme treten auch bei der approximativen Lösung von Dierential- bzw. Integralgleichungen auf. 7. Bestimmen Sie die Menge {(x, y) ∈ (GF (3))2 : (x, y) erfüllt (*)}. (∗) [2]3 x + [2]3 y = [1]3 [1]3 x + [1]3 y = [2]3 Denition 5.22 eine (m × n)− Sei K ein Körper, n, m ∈ N Matrix mit Einträgen aus K ij )1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ n (a b1 .. . ∈ Km . Dann heiÿt und und bm a11 x1 +...+ a1n xn . . . am1 x1 ein = . . . . . . + . . . + amn xn lineares Gleichungssystem in den K). Im Falle b1 = . . . = bm = 0 heiÿt x1 .. inhomogen. Ein Vektor x = . , n b1 (∗) = bm Unbekannten x1 , . . . , xn (oder mit Koezienten aus das Gleichungssystem für den (*) gilt, heiÿt über homogen, K sonst Lösung des Glei- xn chungssystems. Achtung: lautet: Hier sind die n X x1 , . . . , xn Skalare. Eine andere Schreibweise für (*) aij xj = bi , 1 ≤ i ≤ m. (**) j=1 Das System (*) kann auch wie folgt umformuliert werden: Sei aj := a1j . . . die j -te Spalte der Matrix (aij ) und b := amj b1 . . . . bm Dann ist (*) ebenfalls äquivalent zu der Vektorgleichung im x1 a1 + . . . + xn an = b. Km (***) Schlieÿlich erhalten wir noch eine weitere Unformulierung durch den folgenden Satz 5.54 (Zusammenhang zwischen linearen Abbildungen und linearen Glei- A : Kn → Km die durch die Matrix A = (aij )1≤i≤m; 1≤j≤n bezüglich der Standard-Basen denierte lineare Abbildung. Schlieÿlich sei b das m Element von K mit den Komponenten bi , 1 ≤ i ≤ m. Dann ist ein Spaltenvekn tor x ∈ K genau dann eine Lösung von (*), wenn Ax = b gilt. chungssystemen) Sei Mit L(A; b) = {x ∈ Kn |Ax = b} werde die Menge aller Lösungen bezeichnet. 108 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Folgerung 5.55 b) −1 a) L(A; b) = A ({b}), L(A; 0) = Ker(A); Insbesondere ist die Lösungsmenge eines homogenen Gleichungssystems ein lin nearer Teilraum von V (bzw. K ). Die Matrix à = (ãij ) 1 ≤ i ≤ m; 1 ≤ j ≤ (n + 1) mit a11 . . . a1n b1 . . . . ãij = ... . . am1 . . . amn bm erweiterte Matrix des Gleichungssystems. Satz 5.56 Die folgenden Bedingungen sind äquivalent: heiÿt die a) Das Gleichungssystem (*) ist lösbar, b) Der Vektor b liegt in der Bildmenge c) Die Spaltenräume von b ist = rg(Ã), d) Der Vektor e) rg(A) A und à ImA. sind gleich. eine Linearkombination der Spalten von A. Beweis. Die Äquivalenz der Bedingungen a) und b) folgt aus dem vorigen Satz. Die Äquivalenz der Bedingungen b) und c) folgt daraus, dass der Spaltenraum von A gerade gleich der Bildmenge ImA ist, wie nach Denition 5.19 erläutert. Die Äquivalenz von c) und d) ist klar, und die Äquivalenz von c) und e) folgt daraus, dass der Spaltenraum von A auf jeden Fall in demjenigen von à enthal- ten ist. Satz 5.57 Ist x0 ∈ L(A; b) eine spezielle Lösung, so gilt In Worten: Man erhält die L(A; b) = x0 + L(A; 0). allgemeine Lösung des inhomogenen Gleichungssystems Ax = b dadurch, dass man zu einer speziellen Lösung dieses Gleichungssystems die allgemeine Lösung des homogenen Gleichungsystems Ax = 0 addiert. Analoge Aussagen gelten auch für lineare Dierenzialgleichungen und eine Reihe anderer Probleme. Je kleiner rgA, desto kleiner ImA und desto weniger rechte Seiten b erlauben b, für die es eine Lösung gibt, gibt es dann (bei von A) umso mehr verschiedene Lösungen. eine Lösung. Für diese spezielle festem n und kleinem Rang Für gröÿtmöglichen Rang (maximalen Rang) von A bzw A gelten nach den Ergebnissen am Ende des Abschnitts 5.3 die folgenden Aussagen. Folgerung 5.58 Sei Ax = b lösbar, dann sind äquivalent: i) Die Lösung ist eindeutig. ii) KerA iii) rg(A) = {0}. = n. Folgerung 5.59 a) b) c) d) e) Sei m = n, dann sind Ax = b ist für jedes b lösbar. Ax = b für ein b eindeutig lösbar. Ax = 0 hat nur die Lösung 0. Ax = b für jedes b eindeutig lösbar. A ist bijektiv. äquivalent: 109 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Abschlieÿend bemerken wir noch: Es sind drei Fälle für ein lineares Gleichungssystem Ax = b möglich, die in den obigen Saätzen genauer beschrieben wurden: n = m). 1. Existenz und Eindeutigkeit der Lösung (nur wenn 2. Unterbestimmtheit (Existenz und Mehrdeutigkeit). 3. Überbestimmtheit (keine Lösung). 5.5.2 Der Gauÿ-Algorithmus Der Gauÿ-Algorithmus (Gauÿsches Eliminationsverfahren) ist ein einfaches und universell anwendbares Verfahren, wie man den Rang einer Matrix bestimmen und ein lineares Gleichungssystem lösen kann. Insbesondere kann man mit seiner Hilfe von einer quadratischen Matrix entscheiden, ob sie invertierbar ist und gegebenfalls die inverse Matrix berechnen. Wir beginnen mit einem einfachen Beispiel von 3 Gleichungen in 3 Unbekannten. 2u 4u −2u + v − 6v + 7v + w + 2w = 5 = −2. = 9 1. Schritt: Man subtrahiert geeignete Vielfache der ersten Gleichung von den folgenden, so dass die erste Variable in den folgenden Gleichungen verschwindet. 2u + v − 8v 8v + w − 2w + 3w = 5 = −12. = 14 2. Schritt: Wir ziehen geeignete Vielfache der 2. Gleichung von der folgenden ab: 2u + v 4v + w + w w = 5 = 6. = 2 Wir erhalten ein Gleichungssystem in Dreiecksgestalt. Rückwärts-Einsetzen führt dann zur Lösung. Es empehlt sich die Eliminationsschritte mit der erweiterten Matrix zu notieren. 2 1 0 −6 −2 7 2 1 5 2 1 1 5 0 −2 −→ 0 −8 −2 −12 −→ 0 0 8 3 14 0 2 9 1 4 0 1 1 1 5 6 . 2 Hierbei sind die führenden Koezienten (Pivots) der Gleichungen, die ungleich Null sind, wichtig. Wir sehen die Grundidee: Man subtrahiert Vielfache der aktuellen Zeile zu den folgenden derart, dass unterhalb der Pivots (führenden Koezienten ungleich Null) lauter Nullen stehen. Damit dies möglich ist, muss man eventuell Zeilen vertauschen. Denition 5.23 Elementare Zeilenoperationen sind folgende Typen von Veränderungen einer Matrix: a) Addition (bzw. Subtraktion) eines (beliebigen) Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile. b) Vertauschung zweier Zeilen. 110 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Satz 5.60 Sei A ∈ M at(m, n; K) eine Matrix und A0 gehe aus A durch Anwen- dung einer elementaren Zeilenoperation hervor. 0 a) Dann haben die beiden Matrizen A und A den gleichen Rang. m b) Sei b ∈ K . Sei à die erweiterte Matrix des linearen Gleichungssystems Ax = b. Die Matrix Ã0 gehe aus à durch die gleiche elementare Zeilenoperation 0 0 0 n hervor wie A aus A und sei b die letzte Spalte von à . Sei x ∈ K . Genau dann 0 0 ist x eine Lösung von Ax = b, wenn x eine Lösung von A x = b ist. Beweis. a) Es ist leicht zu sehen, dass bei elementaren Zeilenoperationen der Zeilenraum, dh. die Menge aller Linearkombinationen der Matrix sich nicht ändert. Insbesondere ändert sich seine Dimension und damit der Rang der Matrix nicht. b) Wir argumentieren mit dem zu im vorigen Abschnitt. Sei λ ∈ K. Ax = b äquivalenten Gleichungssystem (*) ersten Gleichung zur zweiten Gleichung. Wenn jetzt λ 6= 0, λ-fachen Wir betrachten die Addition des λ=0 der ist, geschieht nichts. Sei und wir nehmen an, dass die beiden Gleichungen a11 x1 + . . . + a1n xn a21 x1 + . . . + a2n xn = b1 = b2 , (5.20) gelten. Dann erhält man durch Einsetzen der ersten Gleichung in die zweite auch die beiden Gleichungen a11 x1 + . . . + a1n xn (λa11 + a21 )x1 + . . . + (λa1n + a2n )xn = b1 = λb1 + b2 . (5.21) Dies entspricht der Anwendung der genannten elementaren Zeilenoperation auf die erweiterte Matrix Ã. Umgekehrt schlieÿt man aus der Gültigkeit von (5.21) analog durch Subtraktion auf die Gültigkeit von (5.20). Durch Vertauschen kann man das gleiche Argument auch für jedes andere Paar von Zeilen durchführen. Zusammen ergibt sich die Behauptung b) des Satzes. Weitere Beispiele: 1 2 4 1 2 6 1 1 5 −→ 0 8 0 1 0 2 1 1 3 −→ 0 4 0 1 2 0 1 4 3 Hier ist rg(A) = 3. 1 2 4 1 2 4 1 1 5 −→ 0 8 0 1 0 0 1 1 3 −→ 0 4 0 1 0 0 1 3 0 Hier ist rg(A) = 2. 1 3 6 A= 2 −1 −3 3 2 1 9 5 −→ 0 3 0 0 3 0 0 3 3 6 2 1 1 −→ 0 2 0 3 0 0 3 3 0 2 1 = U . 0 111 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Denition 5.24 Eine Matrix in Stufenform ist eine Matrix der Gestalt ~ ∗ ∗ ∗ ∗ ∗ 0 ~ ∗ ∗ ∗ ∗ U = 0 0 0 ~ ∗ ∗ 0 0 0 0 0 ~ 0 0 0 0 0 0 ~ Pivots 6= 0; d.h. die erste Zeile ist beliebig. Der jeweils erste von ∗ keine 0 Einschränkung, verschwindende Eintrag jeder Zeile heiÿt Pivot. Die Pivots benden sich bei wachsendem Zeilenindex in immer späteren Spalten, bis eventuell die letzten Zeilen der Matrix nur aus Nulleinträgen bestehen. Satz 5.61 m × n-Matrix A läÿt sich durch elementare Zeilenoperationen U in Stufenform überführen. Der Rang der Matrix A ist gleich nicht verschwindenden Zeilen in U . Jede in eine Matrix der Anzahl der Beweis. Wähle eine Zeile von A, bei der der erste nicht verschwindende Eintrag möglichst weit vorne liegt. Durch eventuelles Vertauschen mit der bisherigen ersten Zeile sorge dafür, dass die ausgewählte Zeile die erste Zeile wird. Damit ist der erste nicht verschwindende Eintrag in dieser ersten Zeile der erste Pivot. Durch Addition geeigneter Vielfacher der ersten Zeile zu den anderen Zeilen lasse alle anderen Einträge der Spalte des ersten Pivots verschwinden. Schlieÿich wende die bisherigen Schritte auf die reduzierte Matrix an, die durch Streichen der neuen ersten Zeile entsteht. Damit erhält man den zweiten Pivot in der zweiten Zeile wie gewünscht. Durch weitere Iterationen erhält man die weiteren Pivots und die Matrix U in Stufenform. Dies beweist den ersten Teil der Behauptung. Für den zweiten Teil beachte zunächst, dass nach dem vorangegangenen Satz rgA = rgU ist. Sei k die Anzahl der nichtverschwindenden Zeilen der StufenmaU . Dann sind diese k Zeilen von U linear unabhängig: Wir beweisen dies durch Induktion über k . Der Fall k = 1 ist klar. Für den Induktionsschritt sei vorausgesetzt, dass in jeder Stufenmatrix mit k − 1 nichtverschwindenden Zeilen trix diese linear unabhängig sind. Sei 0= k X λi uij für alle j = 1, . . . , n. (5.22) i=1 j1 der Index der Spalte des ersten Pivots. Dann gilt u1j1 6= 0 aber uij1 = 0 i = 2, . . . , k . Daraus folgt zusammen mit (5.22) λ1 = 0. Mit der Induktionsvoraussetzung angewendet auf die Matrix, die aus U durch Streichen der ersten Zeile entsteht, folgt dann auch λ2 , . . . , λk = 0. Sei für Wie ndet man mit Hilfe dieser Umformung die Lösung von 1. Teile die Variablen x1 , . . . , xn Ax = b? auf Grund der Gestalt von U in zwei Grup- pen: a) Basisvariablen: das sind diejenigen, die zu einer Spalte mit einem Pivot gehören. b) freie Variablen: die übrigen. 112 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 2. Beim homogenen Gleichungssystem Ax = 0 bzw. Ux = 0 wählt man beliebige Werte für die freien Variablen und löst dann rückwärts nach den n − rg A = A, da es k Basisvariablen gibt. 1 3 3 2 U = 0 0 3 1 sind x1 , x3 die Basisvariablen und x2 , x4 0 0 0 0 Basisvariablen auf. Die Anzahl der freien Variablen ist gleich n−k = dim Ker Im Beispiel die freien Variablen. Wir wählen x2 = v und x4 = w, wobei v, w ∈ K beliebig sind. Mit X4 = w erhält man aus der zweiten Zeile 3X3 + w = 0, also X3 = −(1/3)w. Aus der ersten Zeile erhält man dann X1 +3v+3·(−1/3)w+2w = 0; also X1 = −3v − w. Damit erhalten wir die Lösung: −3v − w −3 −1 1 0 v X= −(1/3)w = v 0 + w −1/3 w 0 1 Es gibt keine weiteren Lösungen, da dim KerA mit v, w ∈ K = 2. 3. Beim inhomogenen Gleichungssystem gilt Satz 5.62 Das Gleichungssystem Ax = b hat genau dann eine Lösung, wenn nach den Zeilenumformungen der erweiterten Matrix letzten (m − k) à in der letzten Spalte die Komponenten verschwinden. In diesem Fall erhält man eine spezielle Lösung dadurch, dass man alle freien Variablen auf den Wert 0 setzt. Die allgemeine Lösung ergibt sich dann aus dieser durch Addition der allgemeinen Lösung des homogenen Gleichungssystems. Bemerkung 5.63 Mit diesem Algorithmus hat man für eine quadratische Ma- A ∈ M at(n, K) in der Tat auch ein Verfahren zur Überprüfung der Existenz −1 einer Inversen A und gegebenenfalls zu deren Berechnung: Denn zunächst kann man rgA = n überprüfen. Falls diese Bedingung erfüllt ist, kann man (i) zweitens die n inhomogenen linearen Gleichungssysteme Ax = ei (wobei die e1 , . . . , en die Standard-Basis von Kn ist), lösen und erhält damit die n Zeilen x(1) , . . . , x(n) der inversen Matrix. trix Index ε-Kugel, 66 b-adisch Darstellung: Cauchy-Schwarz-Buniakowski, 61 schliesslich peri- Cosinus, 64, 76 odische, 33 b-adische Darstellung, 32 b-adische Darstellung: Eindeutigkeit, 34 b-adische Darstellung: abbrechende, 33 Darstellung, 32 überabzählbar, 39 dicht, 72 Denitionsbereich, 10 Dezimaldarstellung, 32 Dierenzmenge, 38 abelsch, 60 Dimension, 86 abgeschlossen, 66 direkte Summe, 87 absolut konvergente Reihe, 49 diskrete Metrik, 65 Abstand reell, 25 Distributivgesetz, 17 abzählbar, 38 Divergenz von Folgen, 45 Additionstheoreme, 76 Division in adjungierte Abbildung, 99 Division mit Rest, 35 alle bis auf endlich viele, 41 Division, schriftliche, 36 Altgrad, 79 Dreiecksungleichung, 64 Anordnung, 24, 51 Dreiecksungleichung reell, 25 Archimedisches Axiom, 27 Argument einer Funktion, 10 Assoziativgesetz, 17 Austauschsatz, 85 duale Basis, 97 Dualraum, 92 Durchschnitt, 10 Element, 9 erweiterte reelle Achse, 30 Babylonier, 32 Euklidische Norm, 61 Basis, 84 b-adischen 23 echte Teilmenge, 10 Auswahl-Axiom, 67 Basis der R, Entwicklung, 32 Bernoullische Ungleichung, 31 beschränkt, 28 Euler-Approximation, 53 Eulersche Zahl, 52 Exponentialfunktion, 52 beschrankt, 67 Faden, 19 beschränkt, 42 Fakultät, 13, 51 Bidualraum, 98 Familie, 84 bijektiv, 10 Fibonacci-Zahlen, 14, 31 Bild-Kern-Zerlegung, 91 Folge, 11 Binomialkoezienten, 51 folgenabgeschlossen, 67 Binomische Formel, 52 Funktionalgleichung, 54, 56 Bogenmaÿ, 79 Bolzano-Weierstraÿ, 46 ganze Zahlen, 17, 26 Bruchrechnung, 18 Gauss-Klammer, 28 Geometrische Reihe, 48 Cantor, 11, 39 geometrische Summe, 12 113 114 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Gleichheit, 7 Paradox, 11 gleichmäÿig stetig, 71 Partialsumme, 47 Grenze, 29 Peano, 5 Grenzwert, 41 Permutation, 50 Gruppe, 60 Permutationsmatrix, 95 Polarkoordinaten, 79 harmonische Reihe, 48 Imaginärteil, 74 Inmum, 29 injektiv, 10 Intervall, 27 Polynom, 86 Polynomfunktion, 87 Potenzen, 26 Potenzmenge, 10, 14 Quotientenkriterium, 50 inverse Matrix, 103 Rand, 66 kanonischer Isomorphismus, 97 Rang einer linearen Abbildung, 91 Kardinalität, 50 Rang einer Matrix, 101 Kern, 90 rationale Zahlen, 18, 26 Kommutativgesetz, 17 Realteil, 74 Kompaktheit, 67 Rekursion, 13, 14 komplex konjugiert, 74 Restklassenkörper, 81 komplexe Zahlen, 74 Russell, 11 Konstanten, 7 konvergente Folge, 41 schlieÿlich alle, 41, 44 Konvergenz, 65 schlieÿlich konstante Folge, 31 Kronecker-Symbol, 86 Schranke, obere, 28 Körper, 21 Schranke, untere, 28 Schubfachprinzip, 51 leere Menge, 10 senkrecht, 99 Leibniz-Kriterium, 49 Signum, 63 Limes, 41 Sinus, 76 lineare Struktur, 59 Skalarprodukt, 61 Logarithmus, 56 Spaltenrang, 100 Luftlinien-Abstand, 65 Spaltenraum, 100 Standard-Isomorphismus, 98 Maximum von zwei Zahlen, 25 Standardbasis, 86 Mengengleichheit, 9 stetig, 69 Metrik, 64 stetige Fortsetzung, 73 monotone Folge, 44 Stetigkeit, 55 Stetigkeitsstelle, 69 nach oben unbeschränkt, 30 Supremum, 29 nach unten unbeschränkt, 30 Supremumsaxiom, 18, 29 Nachfolger, 5 surjektiv, 10 naturliche Basis, 97 symmetrische Matrix, 103 Neugrad, 79 Norm, 61 Taxifahrer-Metrik, 65 Nullfolge, 41 Teilmenge, 9 Nullpunkt, 59 Teilmengen, k -elementige, transponierte Matrix, 97 oder, 10 oen, 66 Umgebung, 41 orthogonale Vektoren, 64 Umkehrfunktion, 50 51 TU KL; Mathe I - Skript, Stand 29. Juli 2005 Ursprung, 59 Variable, 7 Vektorraum, 60 Vereinigung, 10 Verknüpfung von Funktionen, 50 Vertauschungsmatrix, 95 vollständige Induktion, 12 Vollständigkeit, 47 Vorgänger, 15 Wert einer Funktion, 10 Widerspruchs-Beweis, 7 Winkel, 64 Zeilenrang, 100 Zeilenraum, 100 Ziehharmonika-Summe, 48 Zier, 33 Zwischenwertsatz, 56 115