Weichgewebstumoren - Deutsches Ärzteblatt

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ÜBERSICHTSARBEIT
Weichgewebstumoren
Neue Gesichtspunkte zur Klassifikation und Diagnostik
Kathrin Katenkamp, Detlef Katenkamp
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: In den letzten Jahren sind neue Tumorentitäten beschrieben und bereits herausgearbeitete Tumortypen
einer Neubewertung unterzogen worden. Es ist daher das
Ziel dieser Übersicht, neue Entwicklungen der letzten Jahre bezüglich der Einteilung und Interpretation von Weichgewebstumoren zusammenzustellen.
Methoden: Auf der Basis einer selektiven Literaturauswahl
(Zeitraum 1990 bis 2008) unter Verwendung der LiteraturDatenbank des Konsultations- und Referenzzentrums für
Weichgewebstumoren wurden wesentliche Daten zum gegenwärtigen Stand der Klassifikation und morphologischen
Diagnostik ermittelt.
Ergebnisse: Es wird zum biologischen Verhalten der Weichgewebstumoren beispielhaft Stellung genommen, die
durch die Einführung zweier intermediärer biologischer
Kategorien (intermediär, lokal aggressiv; intermediär, selten metastasierend) ergänzt worden ist. Die Terminologie
hat sich teilweise geändert. Vormals etablierte Begriffe,
wie „MFH“ oder „Hämangioperizytom“, werden zukünftig
weitgehend verschwinden, weil die entsprechenden Tumoren einer Neuinterpretation unterzogen wurden. Das hochdifferenzierte Liposarkom sollte nach den Empfehlungen
der WHO als atypischer lipomatöser Tumor umbenannt
werden. Die molekulare Diagnostik hat sich als diagnostische Zusatzmethode fest etabliert. Schließlich wird auf die
bereits erkennbare Bedeutung der molekularen Charakterisierung dieser Tumoren für eine maßgeschneiderte Therapie hingewiesen.
Schlussfolgerung: Nur wenn der Wissensstand zur Weichgewebstumorpathologie ständig aktualisiert wird, ist eine
optimale Diagnostik als Grundlage einer geeigneten Behandlung möglich.
Schlüsselwörter: Weichteilsarkom, Biopsie, Krebsdiagnostik, Molekularbiologie, molekulare Medizin
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(39): 632–6
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0632
Institut für Pathologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena:
Prof. Dr. med. Katenkamp, Dr. med. Katenkamp
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W
eichgewebstumoren gehören zu einer Gruppe
von Neoplasien, die spezielle Probleme in der
Diagnostik und/oder Behandlung bereiten können.
Durch die relative Seltenheit dieser Tumoren ist die
Erfahrung des einzelnen Arztes mit diesen Geschwülsten in aller Regel begrenzt. Als erschwerend kommt
hinzu, dass eine erstaunliche Vielfalt an morphologischen Typen und Subtypen existiert. Außerdem muss
eine mögliche Heterogenität dieser Tumoren berücksichtigt werden. Je kleiner das durch die Biopsie gewonnene Untersuchungsmaterial ist, desto eher wird
nur eine vorläufige Arbeitsdiagnose möglich sein.
Dies gilt natürlich im besonderen Maße für eine lediglich zytologische Untersuchung, da hier nur Einzelzellen beurteilt werden können. Dennoch liefert der
zytologische Befund in den Händen eines erfahrenen
Untersuchers in der Mehrzahl der Fälle ein klinisch
brauchbares Ergebnis. Nicht nur Aussagen zur Dignität sondern auch zur Klassifikation des Tumors sind
vielfach möglich.
Die Biopsie als unverzichtbare Methode zur präoperativen Diagnose sollte bei Malignomverdacht
in jedem Falle durchgeführt werden. Außerdem ist
nur durch dieses Verfahren die Malignität eines
Weichgewebstumors zu sichern, deren Feststellung
die Voraussetzung für eine mögliche neoadjuvante
Therapie ist.
Die Einteilung der Neoplasien des Weichgewebes
ist, wie dies auch für andere Tumoren gilt, nichts Statisches. Neue Gesichtspunkte oder Interpretationen
müssen nach ihrer Validierung in der Praxis berücksichtigt und eingearbeitet werden. Von Zeit zu Zeit ist
es demnach erforderlich, die Tumorklassifikation zu
aktualisieren, zu modifizieren oder gegebenenfalls sogar in wesentlichen Anteilen zu verändern. Dies ist
durch die WHO für die Gruppe der Weichgewebstumoren letztmalig im Jahre 2002 erfolgt (1). Im Folgenden soll auf wichtige neue Gesichtspunkte kurz
eingegangen werden, wobei dies sowohl die Bewertung der Dignität als auch das Streichen etablierter
Diagnosebegriffe und die Einführung neuer Termini
betrifft. Es ist allerdings nicht das Ziel der Arbeit, auf
alle neu herausgearbeiteten morphologischen Entitäten, wie zum Beispiel die Tumoren der perivaskulären
epitheloiden Zellen („PECome“) (2), im einzelnen
einzugehen. Dies würde den Rahmen eines Übersichtsartikels sprengen. Des Weiteren soll eine kurze
Übersicht zu neuen methodischen Schwerpunkten der
morphologischen Diagnostik erfolgen.
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Methoden
Grundlage für die Ausführungen zum gegenwärtigen
Stand der Einteilung und der Interpretation von Weichgewebstumoren ist die aktuelle WHO-Klassifikation. Eigene Erfahrungen der Autoren aus der Arbeit des Konsultations- und Referenzzentrums für Weichgewebstumoren
sind in die Übersicht eingegangen; die relevante Literatur
des Zeitraums zwischen 1990 und 2008 wurde aus der Literatur-Datenbank dieses Zentrums entnommen.
Ergebnisse
Die Klassifikation der Weichgewebstumoren erfolgt
nach der jeweiligen Ähnlichkeit zu einem Normalgewebe, die Bezeichnung des Tumors spiegelt also wider,
welches Gewebe er tumorös imitiert. Dabei stehen
Merkmale der zellulären Differenzierung im Vordergrund. Charakteristika der Gewebsarchitektur werden
gegebenenfalls zusätzlich herangezogen. In diesem Sinne gibt es in der aktuellen WHO-Klassifikation adipozytische, fibroblastisch/myofibroblastische, fibrohistiozytische, glatt- und skelettmuskuläre, perizytische, vaskuläre und chondroossäre Tumoren. Die Neubildungen,
für die ein vergleichbares Normalgewebe nicht vorhanden oder bekannt ist, werden in der letzten Gruppe der
Tumoren mit einer ungewissen Differenzierung zusammengefasst. Diese Gruppe ist aktuell sehr viel größer
geworden; darin findet man jetzt zum Beispiel auch das
Synovialsarkom, welches weder in einer Tunica synovialis entsteht (eine direkte Assoziation mit der Gelenkinnenhaut gilt sogar als bemerkenswerte Ausnahme)
noch deren Differenzierungsmerkmale aufweist.
Erweiterung der Aussagen zum biologischen Verhalten
Geschwülste werden grundsätzlich in gut- und bösartige
Neubildungen untergliedert. In der Praxis hat sich aber
gezeigt, dass eine derartige strikte Zweiteilung der Dignität problematisch sein kann, weil das tatsächliche Verhalten der Neubildung dadurch unter Umständen zu ungenau beschrieben wird. So wird es heute allgemein akzeptiert, dass bezüglich der biologischen Wertigkeit ein
Spektrum existiert, dass also zwischen den Extremen
„gutartig“ und „bösartig“ Zwischenformen vorhanden
sind. Dies trifft auch für die Weichgewebstumoren zu.
Von anderen Tumorfamilien kennt man die Begriffe der
„intermediären Malignität“ oder der „grenzwertigen
(borderline) Malignität“. In diesem Zusammenhang
verweisen die Autoren auch auf die in der klassischen
deutschen Pathologie formulierte Bezeichnung der „Semimalignität“, die für Tumoren mit einem lokal bösartigen Verhalten aber fehlender Metastasierungspotenz
verwendet worden ist.
Für die Weichgewebstumoren wurde als Präzisierung
der Aussage zum biologischen Verhalten in der aktuellen
WHO-Klassifikation eine intermediäre, zwischen eindeutig gut- und bösartig gelegene, biologische Kategorie eingeführt. Diese wurde noch einmal unterteilt in „intermediär, lokal aggressiv“ und „intermediär, selten metastasierend“. Als Richtgröße für die Einordnung in die letztere
Kategorie gilt, dass eine Metastasierung nur in weniger als
zwei Prozent der Fälle stattfinden sollte. In der lokal ag⏐ Jg. 106⏐
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gressiven Gruppe findet man zum Beispiel die superfizialen und tiefen Fibromatosen. Zu den intermediären Tumoren, die im Regelfall einen gutartigen Verlauf nehmen, gelegentlich aber doch zu Metastasen führen können, zählen
unter anderem der solitäre fibröse Tumor, der inflammatorische myofibroblastische Tumor und das angiomatoide
fibröse Histiozytom. Streng genommen müssten auch die
gemeinhin als gutartig geltenden kutanen fibrösen Histiozytome, die tiefen fibrösen Histiozytome und die diffusen
tenosynovialen Riesenzelltumoren hier eingefügt werden,
denn auch bei diesen Neubildungen sind in extrem seltenen Fällen Metastasen möglich (3, 4).
Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bösartiger Tumor
metastasieren wird, kann man durch seine Malignitätsgraduierung bestimmen. In Deutschland hat sich
das französische Grading-System (FNCLCC-System,
„Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le
Cancer“) durchgesetzt. Es werden zwecks Bestimmung
der Malignität die Mitoseaktivität, die etwaig vorhandenen Nekrosen und die Tumordifferenzierung herangezogen und mit Punkten bewertet. Aus der Summe ergibt
sich dann der Malignitätsgrad. Allerdings können nicht
alle Sarkome gleichermaßen gut nach diesem GradingSchema erfasst werden. Manche Sarkome haben außerdem einen feststehenden Malignitätsgrad, bei anderen
(wie dem epitheloiden Sarkom, dem Klarzellensarkom
oder dem alveolären Weichteilsarkom) ist ein Grading
nicht möglich beziehungsweise bedeutungslos, weil dadurch der wahre Krankheitsverlauf nicht erfasst wird.
Trotzdem sollte man generell eine Einstufung der Malignität nach diesem Schema vornehmen. Die Malignitätsgraduierung identifiziert nicht nur die Patienten mit dem
höchsten Metastasierungsrisiko, sondern ermittelt auch
diejenigen, die den höchsten Nutzen von einer adjuvanten Therapie haben werden. Außerdem ist die Malignitätsgraduierung unverzichtbar im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Ergebnissen klinischer Studien.
Beispiele einer Neuinterpretation bislang etablierter Entitäten
und einer geänderten Terminologie
Der bislang in der Klinik als hochdifferenziertes Liposarkom bezeichnete Tumor, der 40 bis 45 % aller Liposarkome ausmacht, die wiederum etwa 20 % der Sarkome bei Erwachsenen stellen, wird in der WHO-Klassifikation von 2002 nicht mehr als Sarkom geführt. Diese
Geschwülste führen niemals zu Metastasen. Daher ist
die Umgruppierung in eine andere Kategorie (intermediär, lokal aggressiv) erfolgt. Als diagnostischer Begriff
wird jetzt die Bezeichnung „atypisches Lipom“ (wenn
im superfizialen Weichgewebe gelegen) oder „atypischer lipomatöser Tumor“ (bei Lokalisation im tiefen
Weichgewebe) empfohlen. Damit wird das wesentliche
Kriterium der Abgrenzung gegenüber dem gutartigen
Lipom erfasst, welches in dem Vorhandensein von Atypien der adipozytären Tumorzellkerne und auch von
Zellkernen im Stromagewebe besteht, und der Begriff
„Sarkom“ vermieden (5). Die Bezeichnung als hochdifferenziertes Liposarkom kann natürlich nach wie vor
synonym erfolgen. Damit keine terminologischen Verwirrungen im diagnostischen Alltag auftreten, ist es aber
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unbedingt erforderlich, dass sich Kliniker und Pathologe über die zu verwendende Nomenklatur und die damit
verbundene Aussage verständigen.
Der Umbenennungsvorschlag in „atypischer lipomatöser Tumor“ gilt für alle hochdifferenzierten Liposarkome des tiefen peripheren Weichgewebes (wie im
Extremitäten- oder Stammbereich), weil in solcher Lokalisation die Tumoren kurativ mit einem Saum gesunden
Gewebes entfernt werden können. Die Patienten sind
dann geheilt. Anders ist die Situation, wenn sich entsprechende Neubildungen im Mediastinum oder dem Retroperitonealraum entwickeln, wo vielfach eine Exstirpation
ausreichend im Gesunden nicht zu realisieren ist und sich
daher wiederholte und letztlich unbeherrschbare Lokalrezidive entwickeln können. Derartige Tumoren nehmen
trotz fehlender Fähigkeit zur Metastasenbildung unter
Umständen einen tödlichen Verlauf, sodass nach wie vor
der Begriff des Liposarkoms bevorzugt wird. Die synonym als „hochdifferenzierte Liposarkome“ oder „atypische lipomatöse Tumoren“ zu bezeichnenden Geschwülste können übrigens ein Metastasierungspotenzial erwerben, wenn sie dedifferenzieren, wenn sich demnach im
gut differenzierten Fettgewebstumor ein non-lipogener
(meistens hochmaligner) Sarkomanteil entwickelt. Solche Neoplasmen werden einheitlich als dedifferenzierte
Liposarkome bezeichnet und sind uneingeschränkt maligne (6) (Abbildung 1 und 2).
Das maligne fibröse Histiozytom (MFH) ist als Tumorentität schon länger umstritten (7), nachdem es
zunächst in den 1970er und 1980er Jahren nach der Etablierung des Begriffs als häufigster maligner Weichgewebstumor des höheren Erwachsenenalters angesehen
wurde (8). Die ursprüngliche Annahme, dass dies ein
Tumor der Histiozyten sei, welche die Fähigkeit zur
Modulation in fakultative Fibroblasten besäßen, ließ
sich nicht bestätigen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass der
Phänotyp des häufigsten Subtyps, des „pleomorphen
MFH“, durch verschiedene Weichgewebstumoren im
Rahmen einer Entdifferenzierung angenommen werden
kann (9), dass also eine eigenständige Entität vielfach
nicht vorliegt und die Zellen dieser Tumoren letztlich
ent- oder undifferenziert sind. Durch moderne morphologische Untersuchungsmethoden gelingt es zunehmend, aufgrund des Nachweises einer Restdifferenzierung die definierten Weichgewebstumoren aus der
Gruppe der sogenannten MFH herauszulösen. Die verbleibenden Geschwülste, die pleomorphen, malignen fibrösen Histiozytome im engeren Sinne, sollten nach den
Empfehlungen der WHO besser als „undifferenzierte
pleomorphe Sarkome“ bezeichnet werden, die sich
nicht weiter subtypisieren lassen. Sie machen heute
nicht mehr als 5 % der Sarkome des Erwachsenen aus.
Als zweithäufigster Subtyp der malignen fibrösen
Histiozytome wurde die myxoide Variante herausgearbeitet (10). Da die Tumorzellen zwischenzeitlich als fibroblastäre Zellen aufgefasst werden, bevorzugt man
heute den bereits im Jahre 1977 von Angervall und Mitarbeitern verwendeten Begriff des Myxofibrosarkoms
(11). Es handelt sich bei diesem Tumor um das häufigste
Weichgewebssarkom älterer Menschen.
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Abbildung 1:
Atypischer
lipomatöser
Tumor;
größenunterschiedliche
adipozytäre
Zellen mit
deutlichen
Kernatypien
Abbildung 2:
Dedifferenziertes
Liposarkom;
neben Strukturen
eines atypischen
lipomatösen Tumors
Formationen eines
undifferenzierten
Spindelzellsarkoms
Das Konzept des Hämangioperizytoms beruht auf
dem Postulat, dass sich die Tumorzellen von Perizyten
herleiten sollten und perizytisch differenziert seien.
Dies stimmt nicht: Zum einen können verschiedene
„nicht perizytische“ Tumoren das Bild eines Hämangioperizytoms gut imitieren und zum anderen sind auch die
Zellen der sogenannten Hämangioperizytome im engeren Sinne nicht perizytisch differenziert, sondern offenkundig fibroblastischer Natur (12). Das Hämangioperizytom wurde aus der Gruppe der perizytischen (perivaskulären) Tumoren folgerichtig entfernt und in die Familie der fibroblastischen/myofibroblastischen Tumoren
eingegliedert. Es ist zudem eine Entwicklung abzusehen, die zur Eliminierung der Diagnosebezeichnung
führen wird (und größtenteils schon geführt hat); das
Hämangioperizytom des Weichgewebes gehört nun in
die Familie der solitären fibrösen Tumoren (SFT) (13,
14). Wie ursprünglich das Hämangioperizytom haben
auch die SFT im Weichgewebe eine intermediäre Malignität. Meistens nehmen sie einen gutartigen Verlauf, in
seltenen und durch das histologische Bild im Allgemeinen nicht voraussagbaren Fällen können sie allerdings
metastasieren.
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TABELLE
Chromosomale Translokationen in malignen Weichgewebstumoren
Weichgewebssarkom
Translokation
Genfusionsprodukt
alveoläres Rhabdomyosarkom
t (2;13) (q35;q14)
PAX3-FKHR
alveoläres Weichteilsarkom
t (X;17) (p11;q25)
ASPL-TFE3
Klarzellsarkom
t (12;22) (q13;q12)
EWS-ATF1
Dermatofibrosarcoma protuberans/
Riesenzellfibroblastom
t (17;22) (q21;q13)
COL1A1-PDGFB
Ewing Sarkom/PNET
t (11;22) (q24;q12)
t (21;22) (q22;q12)
EWS-FLI1
EWS-ERG
infantiles Fibrosarkom
t (12;15) (p13;q26)
ETV6-NTRK3
myxoides/rundzelliges Liposarkom
t (12;16) (q13;p11)
FUS-CHOP
Synovialsarkom
t (X;18) (p11.2;q11.2) SYT-SSX1
SYT-SSX2
Molekulare Diagnostik in der
Weichgewebstumorpathologie
Die Diagnose der Weichgewebstumoren (histologische
Klassifikation und im Falle der Bösartigkeit die Malignitätsgraduierung) erfolgt prinzipiell unter Verwendung
des Hämatoxylin-Eosin-(HE-)Schnitts. Dieses Verfahren ist auch heute noch trotz der gewaltigen Ausweitung
der verfügbaren Zusatzmethoden der Gold-Standard
der morphologischen Diagnostik. Im Hinblick auf die
Klassifikation werden im Bedarfsfall (heute routinemäßig) immunhistochemische Untersuchungen eingesetzt, die man zum Erkennen einer Zellliniendifferenzierung oder einer diagnosetypischen Antigen-Konstellation nutzt (15).
In den letzten 20 Jahren wurden zunehmend auch
Methoden der Gen-Analyse zum Erkennen von chromosomalen Translokationen, Deletionen und Amplifikationen für die Diagnostik erschlossen. Molekularpathologische Methoden setzt man aus diagnostischer Indikation insbesondere dann ein, wenn weder im HE-Präparat
noch durch die immunhistochemische Zusatzanalyse eine eindeutige Tumorklassifikation möglich ist (16). Im
diagnostischen Alltag bedient man sich zum Nachweis
chromosomaler Translokationen im Wesentlichen zweier Verfahren, die beide auch am routinemäßig in Paraffin eingebetteten Tumorgewebe möglich sind. Zum einen können die Chromosomen beziehungsweise Teilstücke von ihnen im Interphasekern markiert und somit
direkt betrachtet werden (möglich durch eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung; FISH), zum anderen kann
das durch die Genfusion kodierte Genfusionsprodukt
(hybride RNA) durch eine RT-PCR (reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) mit nachfolgender
Gel-Chromatographie nachgewiesen werden. Letzteres
hat den Vorteil, dass nicht nur die Translokation belegt
wird, sondern auch die Bruchpunkte in den Genen zu
bestimmen sind. Man kennt derzeit zahlreiche Translokationen mit diagnostischer Relevanz, ein kleiner Teil
von ihnen ist zusammen mit den resultierenden Fusions⏐ Jg. 106⏐
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genen in der Tabelle zusammengestellt. Während man
zunächst davon überzeugt war, dass die Translokationen
jeweils für einen bestimmten Tumortyp spezifisch seien, lernte man, dass dies nicht so sein muss. Nicht immer sind chromosomale Translokationen diagnostisch
eindeutig (17).
Als ein Beispiel für die diagnostische Relevanz von
chromosomalen Amplifikationen sei auf bestimmte
Fettgewebstumoren hingewiesen. Der atypische lipomatöse Tumor (syn. hochdifferenziertes Liposarkom)
ist karyotypisch durch Ringchromosomen und Riesenmarkerchromosomen gekennzeichnet. Dies führt folgerichtig zum Auftreten multipler Kopien dort gelegener
Gene, wie des MDM-2- und CDK4-Gens. Dies kann
man nachweisen und vielfach auch durch den Einsatz
von Antikörpern gegen Syntheseprodukte dieser Gene
belegen, die quantitativ vermehrt und damit immunhistochemisch erfassbar sind (18).
Nicht alle Weichgewebstumoren weisen allerdings
konstante und für die Klassifikation verwendbare
Translokationen auf. Ein weiterer interessanter Ansatz
der molekularen Diagnostik besteht bei diesen Tumoren in der Genexpressionsanalyse. Über die Definition
von Expressions-Clustern bei etablierten Weichgewebstumoren lassen sich phänotypisch und immunhistochemisch unklare Tumoren zumindest zu einem Teil bestimmten Tumorfamilien zuordnen. Erfolgreich wurde
diese Methode zum Beispiel bei den sogenannten pleomorphen malignen fibrösen Histiozytomen (undifferenzierten pleomorphen Sarkomen) getestet, wodurch
letztlich weitere Indizien dafür erlangt werden konnten,
dass diese Tumoren zum Gutteil ein Sammelsurium
entdifferenzierter Weichgewebstumor-Entitäten darstellen (19).
Molekulare Diagnostik als Ausgangspunkt
für neue therapeutische Wege
Das Ziel einer optimierten Tumortherapie ist die maßgeschneiderte Behandlung der einzelnen Geschwulsterkrankung. Die molekulare Charakterisierung eines malignen Weichgewebstumors kann Hinweise auf eine
mögliche gezielte Beeinflussung seines biologischen
Verhaltens geben. Letztlich soll die Therapie das
Wachstum des Tumors hemmen; nach Möglichkeit sollen auch eine Metastasierung verhindert oder bereits
entstandene Absiedlungen vernichtet werden. Als ein
beispielhaftes Modell sei der häufigste mesenchymale
Tumor des Gastrointestinaltraktes, der gastrointestinale
Stromatumor (GIST), angeführt. Bei diesen Tumoren ist
regelhaft eine aktivierende Mutation des KIT-Gens (in
seltenen Fällen des PDGF-Rezeptor-alpha-Gens) vorhanden, was zu einer Heterodimerisation und auch immunhistochemisch erfassbaren Überexpression der entsprechenden Wachstumsfaktor-Rezeptoren führt (20).
Bei diesen Rezeptoren handelt es sich um Tyrosinkinasen. Bei nicht resektablen und metastasierten GIST, die
im Regelfall resistent gegenüber einer Radio- und Chemotherapie sind, kann man sich diese Kenntnis durch
den Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren zunutze machen. Derartige Medikamente inhibieren die ATP-Bin-
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dung des Rezeptors und damit seine enzymatische Aktivität und verhindern somit rezeptorvermittelte Wachstumsstimuli. Man kann davon ausgehen, dass die GIST
in bis zu 80 Prozent der Fälle auf eine solche Therapie
ansprechen, im Wachstum gehemmt werden und sich
verkleinern. Die molekulare Charakterisierung des
GIST gibt auch Auskunft über das am besten wirkende
Medikament und eine effektive Dosierung. Mittlerweile
gibt es neue Tyrosinkinase-Inhibitoren, die besonders
wirksam bei Exon-9-Mutationen sind.
Es ist zu hoffen, dass vergleichbare Medikamente zunehmend auch für weitere Weichgewebstumoren zur
Verfügung gestellt beziehungsweise entwickelt werden
können. Erfolgversprechend sind zum Beispiel erste
Ansätze beim extraskelettalen myxoiden Chondrosarkom (21).
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des
International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 7. 10. 2008, revidierte Fassung angenommen: 4. 3. 2009
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Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Kathrin Katenkamp
Institut für Pathologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ziegelmühlenweg 1, 07743 Jena
E-Mail: [email protected]
SUMMARY
Soft Tissue Tumors—New Perspectives on Classification and Diagnosis
Background: In recent years, new tumor entities have been described
and previously known tumor types have undergone a reassessment.
This article offers an overview of recent developments in the
classification and interpretation of soft tissue tumors.
Methods: Selective review of publications from 1990 until 2008 from
the literature database of the Consultation and Referral Center for
Soft Tissue Tumors in Jena. The current status of the classification and
morphological diagnosis of these tumors is described.
Results: The description of the biological behavior of soft tissue tumors
has become more detailed with the introduction of two intermediate
categories ("intermediate, locally aggressive" and "intermediate, rarely
metastasizing"). There have also been some changes in terminology.
Previously established terms such as "malignant fibrous histiocytoma"
or "hemangiopericytoma" will be used much less often in future,
because these tumor types have been reinterpreted. The WHO recommends that highly differentiated liposarcoma be renamed "atypical lipomatous tumor." Molecular diagnostic techniques have become firmly
established as an ancillary diagnostic method. The importance of molecular tumor characterization for individually tailored therapy is already
becoming clear.
Conclusions: Optimal diagnosis is the prerequisite for effective therapy
and can be achieved only with state-of-the-art knowledge of the pathology of soft tissue tumors.
Key words: soft-tissue sarcoma, biopsy, cancer diagnosis, molecular
biology, molecular medicine
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(39): 632–6
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0632
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