5 Multiple Sklerose

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67
5
Multiple Sklerose
MS-Diagnosekriterien nach McDonald 2001 mit Revision 2005
Schübe
Objektivierbare
Zusätzliche Bedingungen
klinische Läsionen zur Diagnosestellung
2 oder mehr
2 oder mehr
Keine (Zusatzdiagnostik sollte vereinbart sein)
2 oder mehr
1
• Räumliche Dissemination (MRT)
• oder positiver Liquor und 2 oder mehr
MS-typische Läsionen im MRT
• oder weiterer klinischer Schub
1
2 oder mehr
• Zeitliche Dissemination im MRT
• oder zweiter klinischer Schub
1
1
• Räumliche Dissemination (MRT) oder 2 oder
(monomehr MS-typische Läsionen im MRT mit
symptomatisch)
positivem Liquor und
• zeitliche Dissemination im MRT oder zweiter
klinischer Schub
0
• Progression über ein Jahr (retrospektiv oder prospektiv)
• und mindestens 2 der 3 folgenden Bedingungen
(primär
) pos. MRT (9 T2-Läsionen oder m 4 T2-Läsionen mit pos. VEP)
progredienter
) pos. spinale MRT (2 fok. T2-Läsionen)
Verlauf)
) pos. Liquor
Räumliche
3 von 4 Kriterien müssen erfüllt sein:
Dissemination • 1 KM-aufnehmende Läsion oder 9 T2-hyperintense Läsionen
• 1 oder mehr infratentorielle Läsionen
im MRT
• 1 oder mehr juxtakortikale Läsionen
(Barkhof• 3 oder mehr periventrikuläre Läsionen
Kriterien)
Wichtig: 1 KM-affine Läsion kann 1 zerebrale, KM-affine Läsion
ersetzen
Zeitliche
Eine KM-aufnehmende Läsion > 3 Monate nach klinischem Schub
Dissemination an anderer Lokalisation als vorangegangener Schub oder Nachweis
im MRT
einer neuen T2-Läsion im Vergleich zu einer Referenzaufnahme, die
mind. 1 Monat nach dem initialen klinischen Ereignis erstellt wurde
Positiver Liquor Nachweis oligoklonaler Banden bzw. eines erhöhten IgG-Index
Positive VEP
Latenzverzögerung bei gut erhaltener Konfiguration
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68
5 Multiple Sklerose
Ashworth-Skala zur Quantifizierung spastischer Symptome
0 Kein Tonusanstieg
1 Leichter Tonusanstieg
2 Deutlicher Tonusanstieg, passive Bewegung gut möglich
3 Ausgeprägter Tonusanstieg, passive Bewegung schwierig
4 Extremer Tonusanstieg, keine passive Bewegung mehr möglich
Fatigue Severity Scale (MS-FSS) mod. nach Krupp et. al.
Aussagen, die der Patient bewerten soll
Score
1. Ich habe weniger Motivation, wenn ich erschöpft bin
2. Körperliche Betätigung führt zu vermehrter Erschöpfung
3. Ich bin schnell erschöpft
4. Die Erschöpfung beeinflusst meine körperliche Belastbarkeit
5. Die Erschöpfung verursacht häufig Probleme für mich
6. Meine Erschöpfung verhindert körperliche Betätigung
7. Die Erschöpfung hindert mich an der Ausführung bestimmter Aufgaben
und Pflichten
8. Die Erschöpfung gehört zu den drei mich am meisten behindernden
Beschwerden
9. Die Erschöpfung hat Einfluss auf meine Arbeit, meine Familie bzw. mein
soziales Leben
Ergebnis
Bewertung der Aussagen (1–7): 1 (stimmt nicht) –7 (stimmt absolut)
Medikamentöse Therapie des
Glukokortikosteroide
1.
(antiinflammatorisch,
immunsuppressiv)
Begleitend
Magenschutz
Kalium-/
Kalziumsubstitution
3. ggf. Low-dose-Heparin
1.
2.
akuten Schubes und einer Retrobulbärneuritis
Methylprednisolon
Initial: 500–1000mg/d
als Kurzinfusion (3–5d)
(Medrate, Metypred,
Urbason)
Anschließend: 80mg/d
p.o. (innerhalb von 14d
ausschleichen)
z.B. Ranitidin, Famotidin
Brausetabletten
z.B. Fraxiparin
3ml s.c.
69
Immunmodulatorische Stufentherapie der schubförmigen MS
Myasthene und cholinerge Krisensituationen erfordern intensivmedizinische
Überwachung/ Behandlung, ggf. Plasmapherese, Immunglobuline nur unter stat.
Bedingungen
Zyklophosphamid
Eskalation
Mitoxantron
Beta-Interferone GLAT
Basistherapie
Azathioprin IVIg
Kortikosteroid-Puls
Substanzen zur Intervall- bzw.
Beta-Interferon
1.
(antivirale, wachstumshemmende und immunregulat. Eigenschaften)
2.
Glatirameracetat
3.
Purinantangonist
(immunsuppressiv)
Immunglobuline
4.
5.
6.
7.
DihydrofolatReduktase-Hemmer
(Immunsuppressiv)
Zytostatikum
Schubtherapie
immunmodulatorischen
Interferon Beta-1a
(Avonex, Rebif)
Interferon Beta-1b
(Betaferon)
Glatirameracetat
(Copaxone)
Azathioprin
(Imurek, Zytrim)
Immunglobuline
(Sandimmun)
Methotrexat
Mitoxantron
(Novantron)
Cyclophosphamid
(Endoxan)
Dauertherapie
6 x 106 IE i.m.
1 x (wöchentlich alle 2d)
8 x 106 IE s.c.
1 x (wöchentlich alle 2d)
20mg/d s.c.
100–150mg p.o./d
nach BB-Kontrolle
0,15–0,2g/kg,
1x/Monat i.v.
7,5mg/W. p.o.
10–12mg/m2 KOF,
1x in 3 M. i.v.;
Cave: kumulative
Gesamtdosis von 140mg
nicht überschreiten
600–1000mg/m2 KOF,
1 x/ M., monatl. Steig.
der Dosis um 100mg/m2
KOF, bis Leukozytennadir
von 2000/ml erreicht ist
Eskalierende Stufentherapie der MS; Multiple Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG),
Nervenarzt 2001, 72: 150–157
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70
5 Multiple Sklerose
Medikamentöse symptomatische Therapie der Multiplen Sklerose
5–120 mg/d
Spastik
Baclofen (z.B. Lioresal)
Fatigue
Schmerz
Blasenstörungen
Sexuelle
Funktionsstörungen
Tizanidin (z.B. Sirdalud)
2–24 mg/d
Gabapentin (z.B. Neurontin)
300–2400 (–3600) mg/d
Botulinumtoxin (Botox,
Dysport)
i.m. bei fokaler Spastik
(“off label”)
Amantadin (z.B. PkMerz)
100–200 mg/d
Aminopyridine
10–30 mg/d
Pemolin
75 mg/d
Modafinil
200–400 mg/d
Amitriptylin
(z.B. Saroten ret.)
25–150 mg/d
Carbamazepin ret.
(z.B. Tegretal ret.)
1200–2400 mg/d
Gabapentin (z.B. Neurontin)
800–2400(3600) mg/d
Lamotrigin (z.B. Lamictal)
25–200 (–400) mg/d
Pregabalin (Lyrica)
150–300 (–600) mg/d
Oxybutynin (z.B. Dyridase)
5–15 mg/d
Flavoxat (Spasuret)
600 mg/d
Tolterodin (Detrusitol)
2–4 mg/d
Trospiumchlorid
(z.B. Spasmex)
30–45 mg/d
Propiverin (z.B. Mictonorm)
30–45 mg/d
Phenoxybenzamin
(Dibenzyran)
max. 60 mg/d4
Desmopressin
(z.B. Minirin Nasenspray)
10–20 µg als Einmalgabe
Sildenafil (Viagra)
25–100 mg/d
Apomorphin (z.B. Uprima)
2–3 mg/d
Tibolon (Liviella)
2,5 mg/d
71
6
Demenzen, neurodegen. Erkrankungen
Mini Mental State Test (mod. n. Folstein)
1. Orientierung
Zeit: Jahr, Jahreszeit, Monat, Tag, heutiges
Datum?
Ort: Land, Bundesland, Stadt, Praxis/Klinik,
Stockwerk?
2. Aufnahmefähigkeit/Nachsprechen
Nachsprechen von drei Wörtern:
Apfel, Cello, Auto
3. Aufmerksamkeit/Rechnen
Von 100 je 7 subtrahieren: 93-86-79-7265
4. Merkfähigkeit
Frage nach den oben nachgesprochenen
Wörtern (siehe 2.)
5
5
3
5
6. Ausführen eines dreiteiligen Befehls
Nehmen Sie bitte dieses Blatt Papier, falten es 3
und geben es mir!
7. Lesen und Ausführen
Auf separatem Blatt schreiben:
1
Bitte schließen Sie die Augen!”
“
e Pat. soll den Satz lesen und ausführen
8. Schreiben
Einen eigenständigen Satz schreiben lassen
1
9. Konstruktive Praxis
Zeichnen sich überschneidender Fünfecke
1
3
5. Sprache, Benennen
Objekte benennen: Was ist das (Stift, Uhr)? 2
Nachsprechen eines einfachen Satzes
1
Summe
(0-30)
[ 23 Punkte gelten als demenzverdächtig
Dem Tect, d 17
7
Bewegungsstörungen
Parkinson-Syndrome, Hoehn & Yahr-Skala (Klinische Stadieneinteilung)
Stad. Definition
1
1,5
2
2,5
3
4
5
Rein unilaterale Symptome
Unilaterale + axiale Symptome (z.B. Hypomimie)
Unilateral mit oder ohne axialen, aber leichten kontralateralen Symptomen
Leichte bis mäßige bilaterale Symptome ohne posturale Störung
Mäßig ausgeprägte bilaterale Symptome mit beginnender posturaler Störung
Vollbild, deutliche Behinderung, noch ohne Hilfe steh-/ gehfähig, teilweise
hilfsbedürftig
Ohne Hilfe rollstuhlpflichtig oder bettlägerig, schwer pflegebedürftig
Modifiziert nach Fahn S.,1988 (Ergänzung der Stadien 1,5 und 2,5)
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72
7 Bewegungsstörungen
Tremor, Fahn & Marsden Tremor Skala
A. Tremorbewertung nach Körperregion:
0
nicht vorhanden
1
gering ausgeprägt, kaum wahrnehmbar, kann intermitt. auftreten
2
mäßig ausgeprägt, Amplitude < 1 cm, kann intermitt. auftreten
3
deutlich ausgeprägt, Amplitude 1–2 cm
4
stark ausgeprägt, Amplitude > 2 cm
Ruhe
Haltung
Aktion/Intention Summe
1. Gesicht
(4)
2. Zunge
(8)
3. Stimme
(4)
4. Kopf
(8)
5. rechter Arm
(12)
6. linker Arm
(12)
7. Rumpf
(8)
8. rechtes Bein
(12)
9. linkes Bein
(12)
Punktsumme (max. 80):
Die Prüfung des Ruhetremors erfolgt am liegenden Patienten, der mit allen
Extremitäten sowie dem Kopf auf einer festen Unterlage gelagert werden soll.
B. Schriftprobe
“Bitte schreiben Sie in Schreibschrift auf die Zeilen hintereinander folgenden Satz:
Dies ist eine Probe meiner besten Handschrift.“
“Bitte verbinden Sie die Punkte miteinander, ohne die schwarzen Linien zu
berühren.“
Hinweis für Teil B: Beim Schreiben soll die normale Schreibhaltung eingenommen werden.
Falls die Schreibhand von der dominanten Hand abweicht, bitte entsprechend vermerken.
Beim Zeichnen erfolgt eine Prüfung beider Hände, zuerst die weniger betroffene Hand.
Es müssen jeweils die markierten Punkte der einzelnen Zeichnungen verbunden werden, ohne die
Linien zu kreuzen. Die ausführende Hand oder der Arm dürfen dabei NICHT aufgestützt werden.
73
Medikamentöse Therapie des Parkinson-Syndroms
Stadien
<70 J. ( Biol. Alter")
"
Früh: Hoehn& Yahr I–II
Mittel: Hoehn& Yahr II–III
Spät: Hoehn& Yahr IV–V
> 70 J., Multikomorbidität ( Biol. Alter")
"
Dopamin-Agonist;
L-Dopa;
Alternativ bei milder
Alternativ bei milder
Symptomatik:
Symptomatik:
Amantadin, Selegilin
Amantadin, Selegilin
Dopaminagonist +
L-Dopa + COMT-Hemmer
L-Dopa +ggf.Amantadin, + ggf. Amantadin
COMT-Hemmer
(Dopaminagonist)
L-Dopa + COMT-Hemmer L-Dopa + COMT-Hemmer
+ ggf. Amantadin
+ ggf. Amantadin
(Dopaminagonist)
(Dopaminagonist)
Nach Lachenmayer, Reichmann 2002, Oertel et al. 2003
Parkinson-Syndrom bei Patienten unter 70 Jahren ("biol. Alter")
Dopamin-Agonist
Pramipexol (Sifrol)
ini. 3 x 0,088mg/d;
1.
(Dopamin-RezeptorErhaltunsdosis
3 x 0,35–0,7mg/d
Stimulation)
Ropinirol (Requip)
ini. 1mg morgens;
Erh.Dos. 3 x 3–8mg
Cabergolin (Cabaseril) ini. 0,5–1mg morgens,
Erh.Dos. 1 x 3–6mg
L-Dopa + Benserazid
Beginn 50mg morgens,
plus L-Dopa
(Transmittersubstitution) (Madopar, Nacom)
alle 3 d um 50mg
steigern; Gesamtdosis:
3–4 x 100–200mg
Max. Dosis: 600mg
Alternativtherapie bei milder Symptomatik
Virustatika
Amantadin
Steigerung:
1.
(verhindern Uncoating (Aman, Pk-Merz,
100mg alle 3 d
Gesamtdosis: bis 400mg
und
Grippin-Merz)
(Amantadin-HCl) o. bis
Reifung von Influenza600mg (AmantadinViren)
sulfat); letzte Dosis nicht
nach 16 Uhr
Selegilin
5mg morgens als
oder Dopaminagonist
(Dopamin-RezeptorED bis 10mg
(Antiparkin, Deprenyl)
(langsam eindosieren)
Stimulation)
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74
7 Bewegungsstörungen
Parkinson-Syndrom bei Patienten über 70 Jahren ("biol. Alter")
L-Dopa
L-Dopa + Benserazid
Beginn 50mg morgens,
1.
(Transmittersubstitution) (Madopar, Nacom)
alle 3 d um 50mg
steigern; Ges.-Dosis:
3–4 x 100–200mg. max.
600mg (dauerhaft, als
1.Med., danach zusätzl.
Dopamin-Agonisten)
Dopamin-Agonist
Selegilin
Bis 10mg/d (langsam
2.
(Dopamin-Rezeptoreindosieren, ggf. L-Dopa
(Antiparkin, Deprenyl)
reduzieren)
Stimulation)
Alternativtherapie bei milder Symptomatik (s.o.)
Spezielle Behandlungssituationen
Akinetische Krise
Allgemein: Flüssigkeits-, Elektrolytausgleich, Kalorienzufuhr, Thrombose-, Pneumonie-,
Dekubitusprophylaxe, Behandlung internistischer Grunderkrankungen, Fiebersenkung
Virustatika
Amantadin
1–2 x 200mg/d i.v. über
1.
2.
(Aman, Pk-Merz,
Grippin-Merz)
L-Dopa
L-Dopa + Benserazid
(Transmittersubstitution) (Madopar, Nacom)
je 3h (einige d, bis
Stabilisierung)
Vorherige Dosierung
über Magensonde mit
ausreichend Flüssigkeit
(ggf. intensivmed.
Überwachung/Beh.)
Tremorbehandlung
Anticholinergika
1.
oder
oder
oder
Biperiden (Akineton),
3 x 2–4mg
Metixen (Tremarit),
3 x 2,5–5(–10)mg
Trihexyphenidyl (Artane, 3 x 2–5mg
Parkopan)
Cave: Anticholinerge NW, bes. kognitive Störungen bei älteren Patienten
NMDA-Antagonist
Budipin (Parkinsan)
3 x 10 bis 3 x 30mg,
Cave: QT-ZeitVerlängerung,
EKG-Kontrollen!
Betablocker
Propranolol (Dociton) 3 x 20–80mg
Clozapin
Clozapin (Leponex)
12,5–75mg; Cave:
Agranulozytose
Diener HC. Leitlinien für Diagnosik und Therapie in der Neurologie 2003
75
8
Epilepsie
Klassifikation epileptischer Anfälle
Anhand klinischer Angaben und EEG-Befund (ILAE1)
I Fokale Anfälle: Zu Beginn sind die Symptome auf eine Hemisphäre beschränkt
• Fokal
I: Ohne Bewusstseinsstörung: motorisch, sensibel, sensomotorisch, sensorisch, vegetativ,
autonom, psych.; Sonderform: Jackson-Anfall: Ausbreitung der Symptome, z.B. Hand, Arm, Rumpf
(„Jackson-March“) (früher: einf.-fokaler Anfall)
II: Mit Bewusstseinsstörung: 1. Anfall mit Bewusstseinsstörung zu Beginn oder 2. fokaler
Anfall erst im Verlauf mit Bewusstseinsstörung, häufigste Form: Temporallappenanfall (früher:
komplex-fokaler Anfall); I und II oft nicht sicher abgrenzbarische
• Sekundär generalisiert:
• Fokaler Beginn, anschließend Ausbreitung auf beide Hirnhemisphären
II Primär generalisierte Anfälle: Klin. Beginn weist auf gleichzeitige initiale Beteiligung beider Hirnhemisphären hin; im EEG zeigen sich bilat. synchr. Anfallsmuster.
• Beispiel Absencen, myoklon., atonische, tonische, klonische, tonisch-klonische Anfälle
III Nicht klassifizierbare Anfälle
1
Aktuell gültig sind die Klassifikationen der epileptischen Anfälle (1981) sowie der Epilepsien und
Epilepsie-Syndrome (1989) der International League against Epilepsy (ILAE)
Differenzialdiagnose epileptischer Anfälle d S. 39
Phänomenologie fokaler Anfälle
Bei fokalen Anfällen erlaubt die Anfallssemiologie häufig die Lokalisation des Anfallsursprungs
Supplementär motorisch
Tonische Haltungsschablone,
kurz, häufig, meist nächtlich,
ohne Bewusstseinsstörung
(Vokalisationen, Spracharrest, Fechterstellung)
Frontal
Vokalisationen
Bizarre Automatismen
Perseverationen
Kontralat. Versivbewegung
Spracharrest
Hypermotorik
Zentralregion
Kontralaterale klonische
Konvulsionen oder Sensationen
(Parästhesien, Taubheit,
Bewegungsgefühl) z.T. mit
Jackson March
Parietal
Kontralaterale Parästhesien
Akustische Halluzinationen
Spracharrest, Dysphasie
Dyslexie, psychische Veränd.
Okzipital
Elementare oder
komplexe visuelle
Halluzinationen
Temporal
Aura (75%), z.B. Angst, epigastrisch u.a.m.
Orale Automatismen
Arrest, starrer Blick
Handautomatismen
Komplexe Automatismen
Postiktal Umdämmerung
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76
8 Epilepsie
Antiepileptika (Antikonvulsiva) - Übersicht zur Wirksamkeit
Sonst.
Carbamazepin
Ethosuximid
Mesuximid
Phenytoin
Valproinsäure
Phenobarbital
Primidon
Gabapentin
Lamotrigin
Levetiracetam
Oxcarbazepin
Pregabalin
Tiagabin
Topiramat
Sultiam
Vigabatrin
Standard-Antiepileptika Neue Antiepileptika
Nicht-Barbitur. Barb.
Klasse
Typ
Fokale
Epilepsien
Generalisierte
Epilepsien
Fokale Anfälle
Sek. generalisierte Anfälle
Prim. gen. ton.-klon. Anfälle
Myoklonische Anfälle
Absencen
Legende:
Mittel 1. Wahl
Mittel 2. Wahl
Mittel weiterer Wahl
Quelle: v. Stuckrad,
modif. n. Stodieck, Püst
2002
Therapieschemata wichtiger Antiepileptika
Antiepileptikum
Clobazam5
(Frisium)
Startdosis
(mg/d)
CLB 10
Carbamazepin CBZ 200
(Tegretal ret.
Timonil ret.
u.a.)
Wirks.
Dosis
Dosen/d
10–30
1–2
Nebenwirkungen1
(Auswahl)
Sedierung,
Entzugssyndrom
Wechsel- HWZ (h)
wirkungen Ser.konz.
2
(µg/ml)4
kaum
18
–
200 jeden 800–1600 Exanthem,
3.–5. Tag 2/d
Leukopenie
o LTG, OXC, 12
TGB, TPM,
VPA
4–1\b\t2
300 tägl.
kaum
1800–
3600
3/d
LTG
25
14-tägig
100–400
Lamotrigin
verdoppeln 2/d
(Lamictal)
Bei VPA-Komedikation
Halbierung der Start- und
Zieldosis
500 pro
1000–
Levetiracetam LEV 500
Woche
3000
(Keppra)
2/d
Gabapentin
(Neurontin)
GBP 300
Aufdosierung
(mg)
10 jeden
3. Tag
6
>2
Exanthem, Steven- kaum
John-son-Syndrom
(< 0,5%),
Schlaflosigkeit
30,
+VPA 60,
+CBZ 15
Reizbarkeit
7
–
2–15
kaum
77
300 jeden 900–2400 Hyponatriämie,
3.–5. Tag 2/d
Exanthem
m PHT
PHT 100
100 jeden 100–300
3. Tag3
1–2/d
o CBZ, LTG, 24
OXC, TGB, 5–203
TPM, VPA
150
150 pro W. 150–600
2/d
Oxcarbazepin OXC 300
(Timox,
Trileptal)
Phenytoin
(Phenhydan
u.a.)
Pregabalin
(Lyrica)
Tiagabin
(Gabitril)
TGB 5
Topiramat
(Topamax)
TPM 25
Valproinsäure VPA 300
(Ergenyl chrono
Orfiril long u.a.)
Zonisamid
(Zonegran)
50
5 pro W.
15–50
3/d
Exanthem, Akne,
Gingiva-hyperpl.,
Hirsutismus,
Kleinhirnatrophie
Gewichtm
Depression,
psychotische
Reaktion
25 pro W. 100–500 Parästhesien,
2/d
Gewicht o, kogn.
Strg., Nierensteine
300 jeden 900–2000 Gewicht m, Haar3.–5. Tag 2/d
ausfall, Tremor,
akutes Leberversagen (selten,
v.a. Kleinkinder)
100 pro
100–600 Gewichtsverlust,
Woche
2/d
Nierensteine
11
10–20
(MHD)
kaum
5–7
kaum
8,
+ CBZ 3
0,2–0,3
20–30
2–5
m PHT
m CBZ
12
(Epoxid),
LTG,
50–100
PHT (freies),
TPM
kaum
50–70,
+CBZ
25–35
Empfohlene Anwendung
Mono- und Kombinationstherapie bei fokalen, sek. general. und primär general. Anfällen
Mono- und Kombinationstherapie bei fokalen und sekundär generalisierten Anfällen
Kombinationstherapie bei fokalen und sekundär generalisierten Anfällen
1 Dosisabhängige Nebenwirkungen aller Antiepileptika (in unterschiedlicher Häufigkeit):
Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Ataxie
2 Wechselwirkungen der Antiepileptika untereinander. Insbesondere CBZ und PHT zeigen als
starke Enzyminduktoren Interaktionen mit einer Vielzahl anderer Pharmaka
3 Sättigbarer Lebermetabolismus. Exponentieller Anstieg der Serumkonzentrationen meist
oberhalb 300 mg/d. Daher über 300 mg/d nur noch in 25-mg-Schritten erhöhen und Kontrolle
der Serumkonzentration
4
Mit Ausnahme von PHT und bei gezielten Fragestellungen von CBZ und VPA ist die Bestimmung
von Serumkonzentrationen in der Regel nicht indiziert
5
Aufgrund der häufigen Toleranzentwicklung und des Abhängigkeitspotentials nur ErsatzAntiepileptikum für die Dauertherapie von fokalen, sekundär und primär generalisierten
Anfällen. Geeignet zur intermittierenden Gabe und als temporäres Ausweichpräparat
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78
8 Epilepsie
Antiepileptika zur Monotherapie (in alphabet. Reihenfolge, n. J. Bauer 2006)
Fokaler Epilepsien unter speziellen Behandlungssituationen
Verfügbar
Empfehlenswert
CBZ, GBP, LEV, LTG, OXC, PHT, PB,
PRM, TPM, VPA
CBZ, GBP, LEV, LTG, OXC, TPM, VPA
Frauen im reproduktiven Alter
Schwangerschaftswunsch
Hormonelle Kontrazeption
Prophylaxe hyperandrogener Zyklusstörungen
CBZ, LTG
GBP, LEV, TPM*, VPA
CBZ
Männer im jüngeren und mittleren Alter
Prophylaxe einer erektilen Dysfunktion
GBP, LEV, LTG, OXC, TPM, VPA
Patienten im höheren Lebensalter
Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten
Prophylaxe ataktischer Störungen
GBP, LEV, LTG, TPM > OXC, VPA
GBP, LEV, LTG, OXC, TPM, VPA
Patienten mit retardierter geistiger Entwicklung
Steigerung sozialer Fähigkeiten
LEV, LTG
* Dosierungen über 200 mg mindern die Östrogenwirkung. Dann auf ausreichend
hochdosierte hormonelle Kontrazeptiva achten.
Idiopathischer Epilepsien mit generalisierter Anfällen unter speziellen
Behandlungssituationen
Verfügbar
Empfehlenswert
ESM, LTG, PB, PRM, TPM, VPA
LTG, TPM, VPA
Frauen im reproduktiven Alter
Schwangerschaftswunsch
Hormonelle Kontrazeption
LTG
TPM*, VPA
Männer im jüngeren und mittleren Alter
Prophylaxe einer erektilen Dysfunktion
LTG, TPM, VPA
Patienten im höheren Lebensalter
Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten
LTG, TPM, VPA
Prophylaxe ataktischer Störungen
LTG, TPM, VPA
* Dosierungen über 200 mg mindern die Östrogenwirkung. Dann auf ausreichend
hochdosierte hormonelle Kontrazeptiva achten.
CBZ = Carbamazepin, LEV = Levetiracetam, LTG = Lamotrigin, OXC = Oxcarbazepin,
PHT = Phenytoin, PB = Phenobarbital, PRM = Primidon, TPM = Topiramat, VPA=Valproat
79
Behandlung des Status epilepticus (Stufenschema)
Benzodiazepine i.v.
Lorazepam 2–4 mg. i.v.
Alternativ:
Diazepam 10–20 mg. i.v.
.
Clonazepam 1–2 mg i.v.
Systemische Therapie
(Notfallbehandlung)
i.v.-Zugang
Herzkreislaufkontrolle u. -stabilis.
Laborwerte (BZ, Elektrolyte)
Bolusgabe 50 ml Glucose i.v.
gegebenenfalls Sauerstoffgabe
10min
Phenytoin i.v.
Bolus 750 mg (15–30 min)
Infusion 750 mg über < 12 h
(Max. Tagesdosis 1400–2100 mg)
Cave: Herzrhythmusstörungen, RR-Abfall
Alternativ:
Valproinsäure i.v.
Bolus 900 mg, danach Infusion
1500 mg über < 12 h
Benzodiazepine
Gegebenenfalls wiederholen (s.o.)
Cave: Ateminsuffizienz
Max. Tagesdosis:
Lorazepam 8 mg
Diazepam 60 mg
Clonazepam 8 mg
40min
Phenobarbital i.v.
Bolus 200 mg (auch i.m.)
Max. Tagesdosis 800–1400 mg
Cave: Ateminsuffizienz
Alle Angaben für 70 kg KG
60min
Allgemeinnarkose
Thiopental
Propofol, Midazolam
Ultima
ratio
mod. nach Pohlmann-Eden und Szabo
9
Nichtepileptische Anfälle
Diagnostik vasovagaler Synkopen – Score nach der Anamnese
Frage
Liegt nach der Anamnese wenigstens eine dieser Krankheiten vor:
bifaszikulärer Block, Asystolien, supraventrikuläre Tachykardie, Diabetes
mellitus?
Wurde fremdanamnestisch schon einmal eine Zyanose während der
Synkope bemerkt?
Begannen die Synkopen nach dem 35. Lebensjahr?
Hat der Patient eine Erinnerung an die Zeit der Bewusstlosigkeit?
Kann langes Sitzen oder Stehen zu (Prä-)Synkopen führen?
Kommt es im Vorfeld zu Schwitzen oder einem Wärmegefühl?
Kann Schmerz/ein medizinisches Setting zu (Prä-)Synkopen führen?
Beurteilung: V.a. vasovagale Synkope bei einem Score = 2
Punkte
(falls ja)
-5
-4
-3
-2
+1
+2
+3
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