Keine Antibiose

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Rationale Antibiotikatherapie
Fallkonferenz
Dr. Thorsten Bruns
Dr. Bernward-Maria Heidland
Prof. Dr. Matthias Maaß
Dr. Katja Peters
Dr. Jan Wieland
Fall 1 - Pädiatrie
Pyelonephritis oder doch nicht ?
Dr. med. Jan Wieland, Hamburg
Vorgeschichte:
10 jähriges Mädchen, Familien- und Eigenanamnese
unaufällig.
Tag 1:
akutes Fieber 40 °C, Rückenschmerzen, Pollakisurie, keine
Schmerzen bei Miktion, leichter Husten.
2
Untersuchungsbefund:
Rachenring leicht gerötet,Trommelfell bds. reizlos
Meningen, Cor, Pulmo, Abdomen unauffällig.
Nierenlager bds. leicht klopfschmerzhaft
Combur 9: Leukozyturie, Keton positiv.
1. Verdachtsdiagnose: Pyelonephritis
2. Verordnung Podomexef (Cefpodoxim) 2 x 80 mg
3. Urikult angelegt
3
Verlauf
Tag 2:
Weiterhin Fieber um 40 Grad Celsius, Mutter
berichtet telefonisch von stärkerem Husten,
Antibiose beibehalten. Für den Fall von anhaltendem Fieber Wiedervorstellung am nächsten
Tag vereinbart.
4
Verlauf
Tag 3:
Fieber 40 °C, starker Husten, Kopfschmerzen und Übelkeit, anhaltende
Rückenschmerzen
Sonographie: Abdomen unauffällig
Labor: Leuko 4,2 nl, Neutrophile 66 %, Lymphozyten 28 %,
Monozyten 5.5 %, Thrombos 160/nl, Nierenretentionswerte
unauffällig, CRP 40 mg/l, BSG 20 mm, Urikult: 104 Keime
EBV und Mykoplasma-Serologie abgenommen.
Diagnose richtig ? Antibiotikum richtig ?
5
Verlauf
Tag 4:
Anhaltendes Fieber, stärkerer Husten.
Auskultation mittelblasige RG rechts basal und dorsal,
keine Dyspnoe, kein Klopfschmerz mehr über beiden
Nierenlagern.
Labor: EBV negativ,
Mykoplasmen: IgM 29.0 U/ml (positiv > 1.1 U/ml)
IgG 522 U/ml (positiv > 11 U/ml)
Umstellung der antibiotischen Therapie auf:
Infectomycin (Erythromycin-estolat) 2 x 900 mg tgl.
6
Verlauf
Tag 7:
Patientin entfiebert, noch trockener Husten ohne
Dyspnoe, auskultatorisch keine Rasselgeräusche
mehr.
Fortsetzung der antibiotischen Therapie für insgesamt 12 Tage, anschließend Patientin beschwerdefrei.
7
Klinische Botschaften
1. Diagnose und gewähltes Antibiotikum im Verlauf immer
wieder in Frage stellen.
2. Bei Infektionen im Kindesalter ändert sich mit dem Alter
bei vielen Infektionen auch das Erregerspektrum.
3. Im Schulalter sind Pneumonien durch Mykoplasmen
häufig. Dies ist bei der Antibiotikaauswahl für die
Behandlung von Pneumonien immer zu berücksichtigen.
8
Diskussion
Antibiose bei ambulant erworbener Pneumonie beim Kind
Prof. Dr. med. Matthias Maaß, Labor Dr. Heidrich & Koll., Hamburg
(Ein tel. konsultierter Mikrobiologe wäre erst auch beim HWI gelandet.)
Infektiologische Sicht
Makrolid optimal bei V. a. Mykoplasmen-Pneumonie. Wenn Erythromycin:
Präferenz für 3-4 Dosen Erythromycin (3-4 x 500 mg)/d für 10 Tage
oder Azithromycin für 3 Tage (10 mg/kg KG)
Leichte bronchitische Verläufe heilen ohne AB aus, jedoch mit mehrwöchigem
Husten. Wenn Antibiose, dann schnell, sonst wenig Effekt.
Diagnostik: Mykoplasmenserologie ist gut (Kind:IgG/M, Erw.: IgG/A)
alternativ PCR aus Naspopharynxsekret (EBM)
9
Leichte ambulant erworbene Pneumonien beim Kind
•
Entscheidend: nur leichte Verläufe – ambulantes Management
- sonst Klinik (sO2 < 90%, S. aureus, bakteriell und < 6 Monate)
•
Vakzine haben die Pneumonie-Inzidenz deutlich gesenkt!
– Kinder immunisieren (HiB, S. pneu, Bord. pert., Influenza)!
•
Kinder bis 2 Jahre in 80 % viral infiziert (RSV!), bakterielle Erreger dann
mit Alter ansteigend.
•
Antibiose bei Kindern im Vorschulalter nur sehr selten indiziert!
•
Antivirale Therapie bei Influenza ist indiziert!
10
Vorgehen bei leichter ambulant erworbener Pneumonie
beim Kind
11
Antibiose bei leichter ambulant erworbener und
BAKTERIELLER Pneumonie beim Kind
Empirische Therapie für bakterielle Pneumonie (Pneumokokken, H. infl.)
•Eher hohes Fieber, Sputum, pleuritischer Schmerz, Auskultation auffällig,
Pleuraerguß (Pnk):
•Amoxicillin +/- Clavulansäure po 2 x 45 mg/kg KG pro Tag
•Dauer: 5-10 Tage
•(Kinder > 5 mit möglicher atypischer Pneumonie können ein Makrolid zusätzlich
bekommen)
Empirische Therapie für atypische Pneumonie (Mykoplasmen/Chlamyd.)
•Oft mehrtägiges, niedrigeres Fieber vor Arztbesuch, kaum Sputum, keine
Pleuritis, kein Pleuraerguß, eher extrapulmon. Manifestationen Auskultation
wenig auffällig, BB unauffällig, CRP , BSG :
•Azithromycin po 1 x 10 mg/kg KG pro Tag
•Dauer: 3 Tage
12
13
Fall 2- Urologie
Harnwegsinfektion bei Heimpatient und Dauerkatheter
Dr. med. Thorsten Bruns, Hamburg
Vorgeschichte
Männlich, 89 Jahre, Pflegeheim (Pflegestufe 2)
9/12 KH-Notfallaufnahme wegen Unterbauchbeschwerden. AufnahmeSono: Überlaufblase mit Harnaufstau bds.
DK-Einlage. Urinkultur: steril
Diagnose: ossär metastasiertes Prostatakarzinom
DK-Auslaßversuch frustran, Entlassung mit DK nach Organisation
eines Pflegeplatzes).
14
Vorgeschichte
Nebendiagnosen:
1. beginnende Demenz
2. Diabetes mellitus Typ II
3. chron. Ulcus cruris (Staph.aureus, Therapie mit Cefuroxim)
4. arterielle Hypertonie
Begleitmedikation:
·
ASS 100 1x1
·
Enabeta 10 1/2/die
·
Glibenclamid 3,5 1/2/die
·
Vesikur 5 1x1
·
Nifedipin 5 bei Bedarf
Urologische Medikation: LHRH-Analogum (Buserelin) 3-Monatsdepot ab
12.10.12
15
Untersuchungsanlass
23.11.12 Übermittlung eines bakteriologischen
Befundes von der betreuenden Hausärztin (an
Urologen) mit der Frage „Was tun?“:
16
Mikrobiologischer Befund
17
Antibiogramm
18
Untersuchungsbefund
Patient überwiegend bettlägerig,
Pflege beklagt „Uringeruch“.
Seit 2 Wo. regelrecht liegender Silikon-DK 16Ch.
Urin im Beutel, leicht trübes flockiges Sediment
kein Fieber
Bewertung des Mikrobiologischen Befundes
 Lege artis gewonnen???
 Signifikante Keimzahl, aber apathogener Keim mit
„Multiresistenz“
19
Diagnose
Asymptomatische Bakteriurie (Kolonisation)
bei Harnableitung
Maßnahmen
•DK-Wechsel,
•Diurese
•ggf. Ansäuerung (Methionin)
•keine Antibiose!
•Info an HA
20
Wissenswerte Fakten
• Ca. 70% der Heimbewohner/innen sind inkontinent *
• Ca.10% der Bewohner/innen sind mit einer Harnableitung
(DK, SPK) versorgt (HALT-Studie 2011)
• Harnableitungen (Katheter) erhöhen neben anderen Faktoren
das Risiko einer (nosokomialen/katheterassoziierten)
Harnwegsinfektion
• Neben symptomatischen HWI kommt häufig eine
asymptomatische Bakteriurie vor: Bei Heimbewohner/innen
ohne Katheter in 25-50%, mit Katheter in >50%.
• Bei Menschen, die in Pflegeheimen leben werden häufiger
resistente Bakterien isoliert als bei alten Menschen, die
zuhause leben.
* Dt.Pflegestatistik
21
Kernbotschaften
1. Bei Patienten mit Harnableitung (DK, SPK) finden sich auch unter
fachgerechter Urinabnahme häufig positive Urinkulturen im Sinne
einer ‚Asymptomatischen Bakteriurie‘ (= Kolonisation).
2. Der alleinige Nachweis einer signifikanten Keimzahl in der Urinkultur
bei Patienten mit Harnableitung erfüllt nicht das Kriterium einer
nosokomialen Infektion und stellt keine (zwangsläufige) Indikation zur
Antibiotikatherapie dar.
3. Eine Urinkultur kann sinnvoll sein, um bei vitaler Gefährdung
(Urosepsis!) zeitnah eine adäquate Antibiose einleiten zu können.
4. Indikation zur Antibiose bei (geriatrischen) Patienten mit
Harnableitung besteht bei Fieber und/oder Symptomatik.
22
Diskussion
Antibiose bei Harnwegsinfektion in der Geriatrie
-Katheterassoziierte Bakteriurie –
Prof. Dr. med. Matthias Maaß, Labor Dr. Heidrich & Koll., Hamburg
Infektiologische Sicht
Keine Antibiose in diesem Fall! Katheter-assoz. aymptomatische Bakteriurie
Mikrobiologische Befunde sollten eine Interpretation beinhalten.
Generell KEINE Antibiose bei asymptomatischer Bakteriurie im Alter m/f
Bei DK kontraindiziert! Auch nicht bei Leukozyturie.
Staph. epi. ist KEIN typisches Harnwegspathogen, sondern ein resistenter
Hautkeim mit Tendenz Plastikoberflächen im Biofilm zu kolonisieren.
Korrekte Entnahme des Urins obligat (nicht aus dem Beutel)!
Katheter entfernen, wenn möglich! Auslassversuche! Katheterhygiene!
Keine Bequemlichkeitskatheter. Suprapubisch? Intermittierend?
Keine routinemäßigen Katheterwechsel
Nach Infekt sollte der Katheter nach 2 Wochen ersetzt werden.
23
Antibiose bei Harnwegsinfektion in der Geriatrie
Empirische Therapie unkomplizierter HWI
Verhinderung von Resistenzen, und breite Wirksamkeit
Fosfomycin 1 x 3 g
Cotrimoxazol 2 x 160 mg (nur bei < 20 % Res. bei E. coli!) 3 Tage
Trimethoprim 2 x 200 mg, 5 Tage
Gezielt nach Antibiogramm
Kultur aus Mittelstrahl/Katheterurin:
bei kompliziertem Infekt, Therapieversagen, Rezidiv
i. d. R. > 104 Keime/ml; Kontrolle bei Mischinfektionen, untypischen Pathogenen,
fehlender Leukozyturie.
Fosfomycin 1 x 3 g
Cotrimoxazol 2 x 160 mg /d für 3 Tage
Amoxicillin 3 x 500 für 5 – 7 Tage
Amoxicillin/Clavulansäure 2 x 875/125 für 5 – 7 Tage
Ciprofloxacin 2 x 250/d 3 Tage (möglichst vermeiden!)
________________
Katherassoziierte HWI: 7 (schnell besser) - 14 Tage therapieren
(Levofloxacin: 5 Tage; Frauen < 65 nach Kath.-Entfernung: 3 d)
24
Update: Antibiotic Resistance Trends
Percent of uropathogens resistant to ciprofloxacin is correlated with utilization of FQ
E. coli
P. mirabilis
Fluoroquinolone utilization
25%
0.25
20%
0.20
15%
0.15
10%
0.10
5%
0.05
0%
0.00
1998
1999
2002
2005
Year
2007
2008
Fluoroquinolone prescription rate
(prescriptions/1000 population/day)
Percent of isolates resistant to
ciprofloxacin
K. pneumoniae
2009
Source: BC Biomedical Laboratories & PharmaNet
Fall 3 - Allgemeinmedizin
Bronchitis/COPD
Dr. med. Katja Peters, Hamburg
Vorgeschichte
84jährige Patientin, bekannte COPD
Nikotinabusus (30 Zig/d, 120 packyears)
klagt über zunehmenden Husten und
Schwindel seit mehreren Wochen.
Wenig, gelblich tingierter Auswurf, passagere Dyspnoe
bei körperlicher Belastung. Kein Fieber, schlapp,
Kopfschmerzen und trockener Mund
26
Diagnosen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
COPD mit Emphysem
Nikotinabusus
Komp. Niereninsuffizienz
Legionellen-Pneumonie 2009
Influenza-Infektion 2011
arterieller Hypertonus
Stuhlinkontinenz
Latente Hyperthyreose
Osteoporose
Chronisches Schmerzsyndrom
27
Medikamente
• CALCILAC KT KTA
• DICLOFENAC 50 HEUMANN SUP (BVO)NITRAZEPAM
AL 10 TAB
• NOVAMINSULFON 500MG LICHT TRO 100 ml
BVO: Bei Schmerzen
• PANTOPRAZOL BASICS 20MG TM
• SPIRIVA 18UG KAPSELN NACHF KAP 90 St
• THEOPHYLLIN AL 200 RETARD REK 100 St
• ATMADISC 50UG/250UG DISKUS PUL 60 St
• VITAMIN B KOMPLEX KAPSELN KAP 60 St
28
Bronchitis/COPD
Erste Einschätzung:
Grunderkrankung?
Weiterführende Diagnostik ?
Abwendbar gefährlicher Verlauf?
Viral oder bakteriell?
29
Körperlicher Untersuchungsbefund
Tag 1:
reduzierter AZ und Kachexie, HF 98/min, reg.,
RR 130/82, Belastungsdyspnoe. Keine Zyanose,
keine Ödeme. Cor leise, Pulmo: Giemen und Brummen,
Knistern bds. basal. Abdomen weich, kein DS.
LK nicht vergr. tastbar.
LUFU: bekannte ventilatorische Insuffizienz, FEV1 35%
30
Diagnostik Tag 1
Blutentnahme: Infektlabor, Chlamydien, Mykoplasmen
Rachenabstrich auf pathogene Keime und
Influenza-PCR
BSG 60/1 h
abends: CRP 171 mg/l, Leukos 8,2/nl ,
Procalcitonin < 0,1 ng/ml
31
Bronchitis/COPD
Indikationsstellung:
Antibiose ?
Welche Wirkgruppe?
Dosierung und Therapiezeitraum?
Kontraindikation und Wechselwirkung?
32
kalkulierte Antibiose und Therapie
Akut bakteriell exacerbierte chronische Bronchitis bei
COPD < 70 kg, kachektisch
Amoxiclav 875/125 2x1 oral für 7 Tage, Ambroxol 3x1 Ml,
Sauerstoffkonzentrator 2 l/h, Viani, Spiriva
Labor:
Mykoplasma pneumoniae und Chlamydia pneumoniae
niedrige AK nachgewiesen, kein Hinweis auf akute
Infektion
33
Tag 2: Verlauf
kein Fieber, Giemen bereits im Wartezimmer zu hören, AZVerschlechterung. Hustenattacken.
Ruhedyspnoe. Tachypnoe. Auswurf wenig, etwas
grünlich. Patientin möchte auf keinen Fall ins KH
Laborbefunde:
CRP bei 100.1 mg/l, Leukos 7,9/nl
Weiterführende Diagnostik
Röntgen-Thorax in 2 Ebenen:
Emphysemkonstellation, Aortensklerose, keine sicheren
Infiltrate oder Rundherde.
34
Tag 3: Verlauf
kein Fieber, Dyspnoe beim Sprechen, sehr schlapp,
bellender Husten mit endexpiratorischem Giemen und
Würgereiz, keine Besserung.
Labor
Blutentnahme Infektlabor-Verlauf und Pertussis-Antikörper
CRP 34 mg/l, Leukos 8,4/nl
Pertussis-AK: Pertussis-Toxin IgG und IgA ++ !(AdenylatZyklase-Toxin ++, FHA (Filamentöses HämagglutininAntigen) ++)
35
Tag 4 Verlauf
Therapieanpassung Bordetella pertussis:
Makrolide, z.B. Azithromycin, Roxithromycin
Azithromycin 500 mg 1-0-0 für 3 d
Klinische Besserung nach 5 Tagen. Kann wieder rauchen
(!)
36
Kernfragen
• Infekt bei älteren Patienten auch ohne Fieber?
• Kein Infiltrat im Röntgenbild nachweisbar: Aussage zu
DD wie z.B. Lungenembolie?
• Leukos und CRP und Procalcitonin erhöhtIndikation für Antibiose?
• Wann sind Rachenabstrich und Antibiogramm sinnvoll?
• Leitlinie Husten: Vorerkrankungen machen das
Vorgehen komplizierter als im Algorithmus dargestellt?
37
Diskussion
Antibiose bei Bronchitis/Keuchhusten beim Erwachsenen
Prof. Dr. med. Matthias Maaß, Labor Dr. Heidrich & Koll., Hamburg
Infektiologische Sicht
Protrahierter, trockener Husten ohne Fieber beim Erwachsenen ist oft
B. pertussis (-20 % bei Erw. mit neuem Husten > 14 Tage) – und wird
oft nicht erkannt!
Schwindende Immunität ursächlich. Infektionen mit verwandten
Erregern „Parapertussis“. Undramatischer als beim ungeimpften Kind.
Emesis-Neigung nach Hustenanfall! Inspirator. Keuchen
Diagnostik: Serologie (IgG/A gegen Toxin), ggf. PCR aus
Nasopharynxabstr. (EBM). Lymphozytose fehlt oft bei Erw.
Antibiose:
Azithromycin 1 x 500 mg/d für drei Tage.
38
Akute Bronchitis
Tracheobronchitis (Akute Bronchitis)
• Bis 14 Tage Dauer zu erwarten
• Deutliches Fieber –- Rö-Thorax
Kinder > 5 und Erwachsene: Keine Antibiose, da zu 90 % viral
Auch purulentes Sputum ist keine Indikation für Antibiose.
Dauer > 14 Tage, trockener Husten und afebril, Pertussis??
• Pertussisdiagnostik
• Azithromycin
• DD: Reflux, Asthma, NPL
39
Akut bakteriell exacerbierte chronische Bronchitis
(ABECB) bei COPD
Herausforderung!
Ca. 50 % viral! Rest PnK, H. influenzae, Morax. catarrh. ...
Nutzen der Antibiose auch bei schwerer Erkrankung ungesichert.
Mikrobiologie (Sputum) v.a. wenn > 3 Exazerbationen/a oder
Therapieversagen, bes. Schwere, V. a. Multiresistenzen
(Procalcitonin > 0,1 ng/ml: Antibiose)
milde Erkrankung:
Keine Antibiose
„mittelschwere“ Erkrankung:
Amoxicillin 2-3 x 1 g po für 5-7 Tage
40
Akut bakteriell exacerbierte chronische Bronchitis
(ABECB) bei COPD
Schwere Erkrankung
•Dyspnoe, Sputumvolumen , oder Sputum neu purulent)
•wenn febril, pO2 < 50 mm
Rö-Thorax
Antibiose
Amoxicillin/Clavulansre. 2 x 875/125 mg po,
Oralcephalosporin (Cefixim 1 x 400, Cefuroxim-ax. 2 x 500 mg)
für 7 Tage
Pseudomonas-wirksame Antibiose NUR bei Ps.-Nachweis/Vorbefund,
Bronchiektasien, syst. Steroiden
Ciprofloxacin 2 x 750 mg po
Levofloxacin 2 x 500 mg po für 8 Tage
KH-Einweisung:schwere Atemnot/Zyanose, Eintrübung,
rasche Progression, schwere Komorbidität
41
Einschub: Konsequenzen von zuviel AzithromycinGebrauch
Resistenz bei Pneumokokken, A-Streptokokken, Staph. aureus und Haemophilus
Problem:
•
Azithromycin bei akuter Bronchitis (Keine Antibiose)
•
Azithromycin bei akuter Exacerbation der chronischen Bronchitis (Aminopenicillin
einsetzen!)
•
Azithromycin bei A oder B-Streptokokken ohne Penicillin-Allergie
•
Azithromycin bei Haut-und Bindegewebsinfektionen, wenn andere Optionen vorhanden.
•
Azithromycin bei Sinusitis als erste oder zweite Wahl (Aminopenicillin!)
•
Azithromycin bei akuter Otitis media als erste Wahl (Aminopenicillin!)
Fall 4 - HNO
Sinusitis katarrhalis? Sinusitis purulenta?
Dr. med. Bernward-Maria Heidland, Hamburg
Vorgeschichte
•
38j Mann; keine Dauermedikation
•
keine Voroperationen im HNO-Bereich
•
vor einigen Jahren eine Allergie gegen Hausstaubmilben festgestellt
•
10/2012 wegen einer eitrigen Sinusitis über 1 Woche Antibiose
(Cefuroxim, 2x 500 mg / die), Beschwerden abgeklungen
Jetzige Beschwerden (Januar 2013)
• Vermehrte Schleimabsonderung in den Nasenrachen
• Eingeschränkte Nasenatmung
• Kopfdruck ums re Auge und im Scheitelbereich, der sich beim
Bücken verstärkt
• Kein Fieber (37,3 °C)
HNO – Untersuchungsbefund (Teil 1)
•
Nasenhaupthöhlen: untere Nasenmuscheln bds. livide succulent
geschwollen, mittlerer Nasengang nicht zu beurteilen
•
Mundhöhle: wenig trüber Rachenschleim
•
Epipharynx und Hypopharynx/Kehlkopf: unauffällig
•
Hals: keine wesentlich vergrößerte Lymphknoten tastbar
•
Sonographie der NNH: verbreitertes Vorderwandecho re
Kieferhöhle, keine typisches Zeichen eines Sekretverhaltes
HNO – Untersuchungsbefund (Teil 2)
Einlage von mit abschwellenden Nasentropfen getränkter Watte in den
mittleren Nasengang bds.
Nasenhaupthöhlen (endoskopisch): mittlere Nasenmuschel re > li polypös
verschwollen, Infundibulum zur Kieferhöhle und zu den
Siebbeinzellen eingeengt.
Diagnostik (in Auszügen)
•
LEUKO=5.6/nl; HB=14.2 g/dl; EOS=12.3 % +
•
CRP=2.02 mg/l
Verdachtsdiagnose
Pansinusitis rechts
Diagnose richtig ?
Antibiotikum erforderlich ?
Sonstige Therapie?
Weitergehende Diagnostik
Röntgen (CCT der NNHs):
•
Im CCT der NNH zeigen sich den NNHs regelrecht und seitengleich
angelegt; Schleimhautschwellung im Bereich des re Siebbeins,
Kieferhöhle und Keilbeinhöhle ohne erkennbare Sekretretention
Mikrobiologie:
•
Staphylococcus epidermidis
Mikrobiologie
Abstrich Nase / Kieferhöhle:
Untersuchung auf pathogene Keime und Anaerobier
Kultur/Keimdifferenzierung:
1. vereinzelt Staphylococcus epidermidis (physiologische Standortflora)
Anaerobierkultur:
kein Wachstum
Therapie
In der Praxis über drei Tage Einlage von mit abschwellenden Nasentropfen
getränkter Watte, Kurzwellenbestrahlung der Kieferhöhlen,
Absaugen von Sekret über den mittleren Nasengang bds.
Medikation: Nasenspray zum Abschwellen (Nasic®) und zur Kupierung der
allergischen Schwellung (Avamys®).
Verlauf
Nach drei Tagen Beschwerdefreiheit. Absetzen der abschwellenden
Nasentropfen nach weiteren drei Tagen.
Fortsetzung der Lokaltherapie mit dem cortisonhaltigen Nasenspray für
weitere 6 Wochen
Bei Kontrolle in 6 Wochen ggf. weitere Therapie (SIT wegen der
Hausstauballergie, operative Verkleinerung der Nasenmuscheln)
Fazit
1.
Die häufigste Ursache einer Rhinosinusitis ist eine virale Infektion.
2.
Therapieziel: freier Sekretabfluss und Ventilation der
Nasennebenhöhlen.
3.
Beim V.a. Sinusitis sphenoidalis (wegen der Scheitelkopfschmerzen) ist eine Antibiose nicht unbedingt erforderlich.
4.
Antibiose ggf. nach Abstrichergebnis gezielt anwenden.
Diskussion
Antibiose bei akuter Sinusitis
Prof. Dr. med. Matthias Maaß, Labor Dr. Heidrich & Koll., Hamburg
Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch die Abgrenzung zwischen akuter viraler
Sinusitis (S. katarrhalis) – nicht antibiotisch zu behandeln und
akuter bakterieller Sinusitis (S. purulenta)
- Antibiotika können eingesetzt werden –
Auch aus infektiologischer Sicht war keine Antibiose indiziert!
Dem HNO-Arzt fällt die Differenzierung viral/bakt. methodisch (etwas) leichter
als dem Allgemeinmediziner.
Die Notwendigkeit des CCT kann diskutiert werden.
53
Akute Sinusitis - Ätiologie
90 % viral
10 % bakteriell
•
Heilt in 7-14 d ohne Antibiose aus
•
Geht bakterieller Sinusitis voraus
•
•
•
•
•
35 % S. pneumoniae
35 % H. influenzae
10 % M. catarrhalis
10 % S. aureus
... A-Strep, Anaerobier
Problem 1:
schwer klinisch unterscheidbar
Problem 2:
kaum Studien zur evidenzbasierten
Antibiotika-Indikation und Auswahl
Problem 3:
unter den 5 häufigsten Gründen für Antibiose
54
Akute Sinusitis
Herausforderung 1: klinische DD viral/bakteriell
Spricht für bakterielle Sinusitis:
•
Purulentes Sekret (Nase/Rachen)
•
Gesichtsschmerz, unilateral, v.a. maxillär
•
Biphasischer Verlauf (kurzeitige Besserung)
•
Fieber
Herausforderung 2: Diagnostik nicht etabliert:
Mikrobio:
adäquat nur Punktion oder endoskopische
Sekretentnahme – i.d.R. nicht praktikabel!
Nasenabstrich allenfalls Anhalt (nicht in LL!)
Labor: CRP als einziger Marker in der Diskussion (> 20 mg/l)
CCT:
in 90 % erwartungsgemäß verändert (nicht LL!), nur
bei V. a. Komplikationen, oder prä-OP indiziert.
55
Akute bakterielle Sinusitis
Tatsache
Ausheilung ohne Antibiose in ca. 70 %
Tatsache
Antibiose kann die Krankheitsdauer um mehrere Tage verkürzen und
vermindert Komplikationen (Orbitalphlegmone, Osteomyelitis,
Meningitis)
number-needed-to-treat (NNT) jedoch mind. 8 Patienten
So what?
Nicht gerade evidenzbasiert, aber rationaler Konsens (LL):
Symptomdauer > 10 Tage und Klinik für bakt. Sinusitis:
Antibiose
56
Akute bakterielle Sinusitis
Herausforderung 3: Welches Antibiotikum, wie lange?
Metaanalysen: Kein Unterschied zwischen allen üblichen Schemata
So what? Unterscheidung in first line Antibiose:
Amoxicillin 3 x 500-1000 mg/d für 7-10 Tage
(Problem 30 % Haem. infl. Resistenz)
und second line Antibiose:
(Komplikationen, Versagen, Antibiose im Vormonat)
Amoxicillin/Clavulansäure 2 x 875/125 mg/d
Cefuroxim-ax. 2 x 250-500, Cefpodoxim 2 x 200 mg/d
Levofloxacin 1 x 500, Moxifloxacin 1 x 400 mg/d (vermeiden!)
für 7-10 Tage
Makrolide nur bei Allergien
57
58
Antibiotic Stewardship
Optimierung des Antibiotikaeinsatzes und Reduktion
unnötiger Antibiosen
– Korrekte Auswahl des Antibiotikums
– Korrekte Dosierung
– Korrekte Administration und Therapiedauer
Rationaler Antibiotika-Einsatz
bei akuter Infektion liegt Erregernachweis nicht vor  Beginn der
Behandlung kalkuliert
Kalkulierte Antibiose: Auswahl des Antibiotikum wird beeinflusst durch:
• Lokalisation der Infektion
• Erregerspektrum
• Lokale Resistenzsituation der Erreger
• Antibakterielle Aktivität
• Pharmakokinetik
• Unerwünschte Wirkung des Antibiotikum
Number of Antimicrobials
Antimicrobial Pipeline
20
16
14
15
10
10
7
5
5
2
0
1983‐87
88‐92
93‐97
98‐2002
03‐07
08‐12
Adapted from: IDSA. Clin Inf Dis 2011;52(S5):S397-S428.
Wieso Antimicrobial Stewardship wichtig ist
Kurze Geschichte der Infektionsmedizin
“I have fever”
2000 B.C. - Here, eat this root.
1000 A.D. - That root is heathen. Here, say this prayer.
1850 A.D. - That prayer is superstition. Here, drink this potion.
1940 A.D. - That potion is snake oil. Here, swallow this Penicillin.
1985 A.D. – That Penicillin is ineffective. Here, take this new antibiotic.
2013 A.D. - Those antibiotics don't work anymore. Here, eat this root
Anonymous
Epidemische Trends
bei multiresistenten Keimen
Neue CA-MRSA
Multiresistente
Enterobakterien (ESBL,
“MRGN”…)
Neue CA-Clostridium difficile
Neisseria gonorrhoeae
Pneumokokken
….
Multiresistente Keime
Bakterien, die gegen mehr als eine Antibiotika-Klasse
resistent geworden sind
Infektionen mit multiresistenten Keimen:
– Sind schwieriger zu behandeln
– Erfordern toxischere Antibiotika
– Haben einen schlechteren Verlauf
– Sind teurer
Multiresistente Keime werden im
Gesundheitswesen sehr schnell übertragen
New Kid On The Block: CA-MRSA
US-Direktimport
Was ist anders am Neuen, dem
community-acquired CA-MRSA?
• Ausbruch in der ambulanten Population
• In den USA landesweite Epidemie
• Anderes Krankheitsspektrum:
Abszeß, nekrotisierende Pneumonie
• Erhöhte Letalität
• Empfindlicher gegenüber diversen Antibiotika
• Häufig Panton-Valentine Leukocidin (PVL) +
Inzidenz in D? Ca. 3 % der MRSA PVL +
Multiresistente gramnegative Stäbchen – MRGN Häufige Sorten
–
–
–
–
Klebsiella pneumoniae
Escherichia coli
Enterobacter cloacae/aerogenes
Pseudomonas/Acinetobacter
Breite Resistenz gegen übliche Antibiotika
Mobile genetische Elemente: leichte Übertragung zwischen Bakterien
Zunehmende Ausbreitung (E.coli und K. pneumoniae ca. 10 %)
Patienten nicht sanierbar
Screening mit Rektalabstrich (Acinetobacter: Leistenabstrich)
Kolonisierung kann über Jahre bestehen
Händehygiene ist der effektivste Weg Übertragung zu unterbinden
RKI-Definition
Multiresistente gram-negative Stäbchen
MRGN
Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen
Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim RKI
2012
Im ambulanten Bereich gilt strikte Einhaltung der Standardhygiene
Gefahrenabwägung
Praxen mit Eingriffen sind stationären Risikobereichen gleich zu setzen.
Prävention durch geänderten
Antibiotikagebrauch
• Nitrofurantoin statt Chinolon für HWI
• Rückbesinnung auf Amoxicillin bei
respiratorischen Infekten
• Imipenem statt Chinolon bei schwerer Sepsis
• Ertapenem bei ESBL-Sepsis
• Gentamicin statt Cephalosporin in der
chirurgischen Prophylaxe (?)
69
Infektionsschutzgesetz
§ 23 Nosokomiale Infektionen, Resistenzen
(1) Leiter von Krankenhäusern und von
Einrichtungen für ambulantes Operieren sind
verpflichtet, die vom Robert Koch-Institut nach §
4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b festgelegten
nosokomialen Infektionen und das Auftreten von
Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen
und Multiresistenzen fortlaufend in einer
gesonderten Niederschrift aufzuzeichnen und zu
bewerten.
Hier muss das Labor die Praxis unterstützen!
Reasons for Over-Prescribing
•
Lack of knowledge – limited coverage in medical schools and lack of
formal training
•
Influence of senior colleagues
•
Inadequate diagnosis or lack of diagnostic facilities
•
Incorrect selection, dose, duration and route of administration of
drugs
•
Compliance with patients’ inappropriate demand or pressure to
prescribe antibiotics
•
Fear of litigation or adverse outcomes
•
Financial gain from pharmaceutical companies in countries where
physicians are underpaid, or response to promotional pressures of
drug representatives
WHO. The Evolving Threat of Antimicrobial Resistance: Options for Action
Frankreich
“Les Antibiotiques C’est
Pas Automatique”
Nationale Kampagne kann
wirken!
23 % Reduktion des
Antibiotikaverbrauchs2002
-2007
Let’s STOP
Antimicrobial Resistance
1. Braucht mein Patient (noch)
Antibiotika?
2. Hat mein Antibiotikum wirklich das
engste mögliche Spektrum?
3. Fragen Sie die Experten, wenn
auffindbar
4. HÄNDEWASCHEN!
New Yorker, 1998
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