Der österreichische Komponist Karl Rankl

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Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Juni 2013
Der österreichische Komponist
Karl Rankl
Einblicke in sein Leben und Liedschaffen
Schriftlicher Teil der künstlerischen Masterarbeit
Vorgelegt bei:
Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Renate Bozic
Eingereicht von:
Florian Widmann
Matrikelnummer 0172168
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
1.
Karl Rankl
4
1.1
Leben
4
1.2
Werk
8
2.
Beispiele aus Karl Rankls Liedschaffen
10
2.1
„Einheitsfrontlied“ und „Asyl für Obdachlose“
10
2.2
„Mater Dolorosa“ und „To a lady“
12
2.3
„A Cradle Song“
15
2.4
„Mutter“
16
3.
Interpretation
17
Literaturverzeichnis
19
Appendix
20
2
Vorwort
„Karl wer?“ - das war in etwa meine erste Reaktion, als mir mein Liedprofessor Joseph
Breinl mitgeteilt hat, dass das Liedschaffen des österreichischen Komponisten Karl Rankl
das Thema unseres nächsten großen Projektes werden wird.
Bei ersten Nachforschungen über Rankl im MGG und New Grove Musiklexikon habe ich
bemerkt, dass es nur kurze Einträge über sein Leben und sein kompositorisches Werk
gibt. Es existieren ansonsten keine Fachbücher, die sich näher mit dem vielseitigen
Dirigenten und Komponisten beschäftigen. Nur einige wenige Artikel aus Fachzeitschriften
wie dem Journal des Arnold Schönberg Center beleuchten einzelne Stationen seines
interessanten Lebens, das ihn zuerst als Schüler zu Schönberg, dann als Korrepetitor und
Chordirektor an die Wiener Volksoper und Berliner Krolloper und später als Dirigent und
musikalischer Leiter an Opernhäuser nach Reichenberg, Königsberg, Wiesbaden, Graz,
Prag bis nach London an die Royal Opera Covent Garden und als musikalischer Direktor
der Elizabethan Opera Company nach Australien führte. Neben seiner Haupttätigkeit als
Dirigent komponierte Rankl. Die Tatsache, dass nahezu kein Werk von ihm bis jetzt im
Druck erschienen ist und viele seiner Kompositionen unaufgeführt blieben, haben mich
dazu animiert Karl Rankls Leben und Liedschaffen als Thema meiner künstlerischen
Masterarbeit zu wählen. Rankls Werk ist eng mit seinem Leben verknüpft, ich habe daher
einzelne Lieder aus verschiedenen Lebensstationen als Beispiele gewählt.
Da es, wie schon erwähnt, sehr wenig Material über Karl Rankl gibt, möchte ich hiermit
meinen Dank an Frau Nicole Ristow und Frau Ilona Gälzer aussprechen, die mich mit
Nachweisen, Briefen und Hintergrundinformationen sehr bei meiner Arbeit unterstützt
haben.
3
1.
Karl Rankl
1.1
Leben
Karl Rankl wurde am 1. Oktober 1898 in Gaaden bei Wien als vierzehntes von achtzehn
Kindern geboren. Seine Eltern Rosina und Franz Karl führten das Gasthaus „Krone“.
Schon früh musizierte er gemeinsam mit seiner Familie und erhielt auch Klavierunterricht.
Bereits im Alter von 8 Jahren bekam er die Möglichkeit seine musikalische Ausbildung bei
den Wiener Philharmonikern weiterzuführen, sein Vater war jedoch dagegen1.
Nach der Volksschule in Gaaden und Hinterbrühl ging er im Alter von 11 Jahren nach Wien
an das Gymnasium und erhielt als Chorknabe Unterricht in Hamonielehre und Violine.
Nach dem Tod seines Vaters 1911 musste er wieder nach Gaaden zurückkehren. Er
besuchte zunächst das Gymnasium in Mödling und später die Handelsakademie in Wien,
die er 1916 abschloss. Er wurde anschließend in den Kriegsdienst eingezogen und verließ
diesen 1918.
Im selben Jahr ging er zu Arnold Schönberg (1874-1951), wo er Gründungsmitglied beim
„Verein für Musikalische Privataufführungen“ im Dezember 1918 wurde. Zunächst war er
Assistent der Vortragsmeister und später Schüler Schönbergs in Harmonielehre,
Kontrapunkt und Komposition. Als Schönberg 1920 nach Holland ging, erhielt Rankl, wie
seine engen Freunde Hanns Eisler (1898-1962) und Joseph Trauneck (1898-1975),
Unterricht bei Anton Webern (1883-1945). Schönberg galt als strenger und dominanter
Lehrer und legte großen Wert darauf, dass seine Schüler das kompositorische Handwerk
beherrschten. Bach'schen Kontrapunkt zu erlernen war ihm genauso wichtig, wie das
Verinnerlichen der Kompositionsstile von Beethoven und Brahms. Der Weg zur Atonalität
und Zwölftontechnik war eine zwangsläufige Folge des bisherigen musikgeschichtlichen
Geschehens. Rankl kam es zugute alle Stile zu beherrschen. Schönberg bezeichnete
Rankl in einem Empfehlungsbrief von 1928 an den Theaterausschuss in Oldenburg als
ehemaligen Lieblingsschüler, „größtes Talent, ernster, gebildeter Künstler, eiserner Fleiß
und Charakter; übernehme jede Garantie bester Bewährung“2. Rankl sah sein ganzes
Leben zu Schönberg auf, das zeigte sich auch 1951 als er sein Stück „Jakobsleiter“
fertigstellen sollte. Rankl wagte es nicht in die Noten seines Meisters einzugreifen, dafür
war er zu bescheiden und respektierte er sein Werk zu viel. Die Demut zeigte sich auch in
einem Brief von Rankl an Schönberg vom 8.2.1951:
1
Rankls zweite Frau in einem Interview mit Paul Conway dazu: „(...) one of the string players in the Vienna
Philharmonic asked Karl's father if he would give his son to the orchestra so he could train to be a musician with them
in the Philharmonic. Karl's father refused (...)”, http://www.musicweb-international.com/rankl/, Stand 26. Mai 2013
2
Brief Schönbergs an Theodor Goerlitz, Schönberg Center Briefe-Katalog ID 22500
4
Daß ich keine Musik von mir je geschickt habe hat einen sehr einfachen Grund.
Mein Verhältnis zu Ihnen ist dasselbe geblieben, das es vor 34 Jahren war, als ich
zum 1. Mal zu Ihnen kam! Alles was ich selber mache kommt mir so tief unter Ihrem
Niveau vor, dass ich größte Scheu habe Ihnen etwas zu zeigen 3.
Im Jahr 1922 arbeitete er an der Wiener Volksoper zunächst als Korrepetitor und später
als Chordirektor. Die Bewerber für die Stelle des Opernkorrepetitors mussten Stellen aus
der „Rosenkavalier“-Partitur spielen, ein Werk, das zu der Zeit relativ neu war. Rankl war
der einzige, der den Anforderungen gewachsen war und bekam deshalb die Anstellung4.
Auf einer Gastspielreise der Volksoper nach Villach und Klagenfurt dirigierte Rankl auch
einige Aufführungen und fiel als begabter und temperamentvoller Wagner-Interpret auf.
Eine Rezension aus der „Klagenfurter Zeitung“ dazu: „(...Das Orchester...) errang (...)
unter der Leitung seines überaus eifrigen Führers, des Kapellmeisters Rankl, einen
schönen Sieg in der Wiedergabe eines Satzes der großen szenischen Nibelungensinfonie
(...)“5
Im Jahr 1923 heiratete er die Halb-Jüdin Adele Jahoda (1903-1963).
Nach zweijähriger Tätigkeit an der Volksoper wechselte er an das Stadttheater
Reichenberg (tschech. Liberec in Nordböhmen) und arbeitete sehr erfolgreich von 1925
bis 1927 als musikalischer Leiter. Danach war er für eine Saison als Kapellmeister in
Königsberg tätig, wo er sich eigentlich als Generalmusikdirektor beworben hatte. Da er mit
seiner Anstellung nicht glücklich war und etliche Bewerbungen an anderen Theatern
erfolglos blieben, ging er 1928 an die Krolloper in Berlin, die sich in der Nähe des
Brandenburger Tores befand und heute nicht mehr existiert. Er arbeitete als Chordirektor
und Assistent von Otto Klemperer (1885-1973) bis zur Schließung des Opernhauses.
Daneben leitete er den Berliner Schubert-Chor und brachte einige Werke von Hanns Eisler
und Kurt Weill (1900-1950) zur Uraufführung. Darunter auch das Stück „Die Maßnahme“
mit Musik von Eisler und Text von Bertolt Brecht (1898-1956).
Von 1931-1932 wurde er als Generalmusikdirektor am Preußischen Staatstheater
Wiesbaden beschäftigt. Hier stieß er aber auf Grund seiner künstlerischen Vorstellungen
auf Widerstand bei konservativen Kreisen, die eine Pressekampagne gegen ihn führten
und Druck auf den Intendanten Paul Bekker ausübten6. Als die Trägerschaft nach Ende
3
Wurz, Matthias: Karl Rankl (1898 - 1968) Komponieren als schlechte Gewohnheit. mr-Mitteilungen Nr. 62 - Juli
2007, S. 3
4
vgl. http://www.musicweb-international.com/rankl/, Stand 26. Mai 2013
5
Dr. Cardona, „Siegfried“, in: Klagenfurter Zeitung, [20].05.1925, S. 533/34
6
vgl. Ristow, Nicole: Karl Rankl – ein „treuer Schüler“ Arnold Schönbergs, in: Journal of the Arnold Schoenberg
Center, 3, 2000, S. 141
5
der Saison 1932 von Preußen auf die Stadt Wiesbaden überging, wurde das Haus in
„Nassauisches Landestheater“ umbenannt. Die Intendanz wechselte und die Verträge des
gesamten Ensembles wurden weitergeführt, lediglich Rankls Vertrag wurde beendet. Er
ging zurück nach Berlin und war als Gastdirigent in verschiedenen Städten in Russland
und der Tschechoslowakei tätig.
Aus Protest gegen das Naziregime und aus Furcht verließ er Deutschland und nahm 1933
die Stelle des ersten Kapellmeisters an der Grazer Oper an, wo er sehr erfolgreich bis
1937 arbeitete und einige Werke zur österreichischen Erstaufführung brachte, wie z.B.
Zemlinskys „Der Kreidekreis“7. In einem Brief vom 5.10.1933 an Alban Berg (1885-1935)
berichtete Rankl, dass er „Lulu“ oder „Wozzeck“ und Werke von Webern zu dessen 50sten
Geburtstag zur Aufführung bringen wolle. In Graz sei ihm aber davon abgeraten worden.
Rankl dazu: Um „von vornherein den Leuten das Maul zu stopfen, gehe ich in den ersten
drei Konzerten über Mahler und Reger nicht hinaus“8. Gespielt wurden Bruchstücke von
„Wozzeck“ und die österreichische Erstaufführung von Strauss' „Die schweigsame Frau“.
Während seiner Grazer Zeit äußerte sich Rankl nicht mehr zu politschen Themen und
lebte isoliert. Der „Kampfbund für deutsche Kultur“ stellte indes Nachforschungen über ihn
an und erhielt die Information der Wiesbadener Intendanz, dass Rankl als Kommunist tätig
gewesen war. Die entsprechenden Briefe dazu befinden sich in Rankls Personalakte im
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden9.
Bemerkenswert ist die Dichte der Aufführungen die Rankl dirigierte. In seiner ersten
Saison 1933/1934 leitete er in Graz insgesamt 56 Vorstellungen und einige Konzerte im
Stefaniensaal. In seiner zweiten Saison leitete er 50, in seiner dritten 46 und in seiner
vierten 42 Aufführungen und einige Vorstellungen auf der Schlossbergbühne. Auf dem
Spielplan waren vor allem Stücke von Wagner, aber auch Pfitzners Palestrina und Opern
von Mozart.
Nach seiner Anstellung in Graz wechselte er an das Neue Deutsche Theater in Prag, wo
er Ernst Kreneks „Karl V.“ zur Uraufführung brachte.
Nach dem Münchner Abkommen im September 1938 und der damit verbundenen
Ausweitung des Machtgebietes Hitlers flohen Rankl und seine Frau in die Schweiz und
konnten erst 1939 über Prag nach England ausreisen, wo sie in Bristol bei Adeles
Verwandten wohnten. Da es ihm nicht erlaubt war zu arbeiten, komponierte er.
7
vgl. http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001491, Stand 26. Mai 2013
Brief von Karl Rankl an Alban Berg am 5.10.1933
9
vgl. Ristow, a.a.O., S. 142
8
6
Aufgrund des „Enemy Alien Tribunal“10 von 1939 wurden viele Emigranten interniert.
Rankl, der den Status eines „Refugee from Nazi opression“11 hatte, kam 1940 auf die Isle
of
Man
in
ein
Internierungslager,
das
er
1941
aufgrund
seines
schlechten
Gesundheitszustandes verlassen durfte12.
Das Ehepaar Rankl zog danach nach Oxford. Karl Rankl widmete sich verstärkt seinen
Kompositionen und konnte ab 1944 wieder als Dirigent arbeiten. Er leitete viele Konzerte
mit dem London Philharmonic Orchestra, mit dem B.B.C. Symphony Orchestra und mit
anderen englischen Orchestern. Er nahm einige Platten auf und brachte u.a. Weberns
„Kantate“ op. 29 zur Uraufführung13.
Von 1946-1951 war er „Musical Director“ des Royal Opera House Covent Garden. Das
Opernhaus wurde während des zweiten Weltkrieges für Tanzveranstaltungen genutzt. Der
laufende Opernbetrieb konnte zum Teil nur unter schwierigsten Umständen stattfinden und
wurde z.B. durch die Rationierung von Strom empfindlich gestört. Rankl musste aus dem
Nichts ein neues Ensemble aufbauen. In einem Schreiben an den Manager des
Opernhauses David Webster beschrieb er, wie 70 Menschen für den Opernchor engagiert
wurden, die weder im Chorgesang noch in Schauspiel Erfahrung hatten 14. Die mühevolle
Aufbauarbeit glückte, Rankl brachte u.a. Wagners „Ring des Nibelungen“ auf den
Spielplan und A. Bliss' „The Olympians“ zur Uraufführung. Als Gastsängerinnen konnten
u.a. Elisabeth Schwarzkopf und Ljuba Welitsch engagiert werden. Rankls Verdienst wurde
aber zu Lebzeiten nicht anerkannt. Er wurde das Ziel von Anfeindungen, vor allem weil er
als Ausländer mit deutschem Namen ein so renommiertes Haus leiten durfte15. Er galt als
schwierig
im
Umgang
mit
dem
Opernensemble
und
den
Produzenten 16.
Ein
entscheidender Faktor für seinen Rücktritt 1951 war, dass über seinen Kopf hinweg
Gastdirigenten eingeladen wurden und so andere die Früchte seiner Arbeit ernteten 17.
1947 nahm Rankl die britische Staatsbürgerschaft an und von 1948 an hielt sich das
Ehepaar Rankl in den Sommermonaten in St. Gilgen am Wolfgangsee auf, wo sie später
das sog. Hochreithaus kauften.
Im Jahr 1949 dirigierte Rankl die Wiener Symphoniker, weitere Konzerte folgten bis 1954
10
Im „Enemy Alien Tribunal“ („feindlicher Ausländer“) wurden emigrierte Ausländer in verschiedene Kategorien
eingeteilt. Man galt entweder als risikoreich, vertrauenswürdig oder als Opfer des Naziregimes. Durch die Internierung
wollte man eine Invasion der Nazis vom Landesinneren verhindern.
11
Wurz, a.a.O., S. 8
12
vgl. http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001491, Stand 26. Mai 2013
13
Ristow, Nicole: Rankl, Karl Franz, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der
Musik. Personenteil 13. Ludwig Finscher (Hg.). 2. überarbeitete Auflage. Kassel, Bärenreiter 2005, S. 1270
14
vgl. Wurz, a.a.O., S. 15
15
vgl. Wurz, a.a.O., S. 15
16
Howes, Frank: Rankl, Karl, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Volume 20. Stanley Sadie, John
Tyrrell, George Grove (Hg.). 2. erw. und verb. Auflage. London, New York, Macmillan, Grove 2001, S. 825
17
vgl. Wurz, a.a.O., S. 15
7
mit Werken wie Mahlers 4. Symphonie mit Sena Jurinac als Solistin und Wolfs „The
Corregidor“ in einer konzertanten Fassung. In einer Kritik der „Presse“ von 1953 stand
„(…) Aus seiner Wiedergabe sprechen gleichfalls Herz und feiner Musiksinn. Und
obendrein Temperament und lebhafte Kapellmeister-Impetuosität (…)“18.
Von 1952-1957 wurde er Chefdirigent des Royal Scottish National Orchestra in Glasgow
und Edinburgh. Danach wurde die Leitung der Elizabethan Opera Company Trust von
1958-1960 seine letzte feste Anstellung als Dirigent. Mit Solisten und Chor tourte er durch
verschiedene australische Städte und führte mit den jeweiligen Rundfunkorchestern
Repertoire-Opern auf19.
Nach seiner Rückkehr aus Australien widmete er sich vor allem seinen Kompositionen und
war als Gastdirigent tätig.
Nach dem Tod seiner Frau Adele im Jahr 1963 heiratete Karl Rankl die zwanzig Jahre
jüngere Christine von Grasern (1918-2008) und verbrachte seine letzten Lebensjahre in
London und St. Gilgen.
Am 6. September 1968 starb Karl Rankl im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in
Salzburg und liegt in St. Gilgen begraben.
1.2
Werk
Karl Rankls Werk umfasst über 70 Lieder, ein Oratorium, eine Oper, 8 Symphonien, zwei
Sinfonietten und kammermusikalische Werke. „Bis auf wenig tonale Ausnahmen sind
seine Werke in einer Art erweiterter Tonalität gehalten, in der noch vorhandene tonale
Elemente durch Überlagerung mehr oder weniger stark verfremdet werden“20.
Seine zweite Frau Christine beschrieb in einem Interview, Rankl wollte nicht wie sein
„Meister“21 Schönberg im 12-Ton-Stil komponieren: „Karl didn't like writing music which had
to be worked out mathematically on paper - he had to be able to hear it“22. Auch riet er
Schönberg davon ab, seine 12-Ton Methode zu veröffentlichen, Bach habe schließlich
auch nie Einblick gegeben, wie er Fugen schrieb23.
18
Wurz, a.a.O., S. 19
vgl. http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001491, Stand 26. Mai 2013
20
Ristow, in: MGG, a.a.O., S. 1270
21
„Meister“ bzw. „Master“ nennt Rankl Schönberg in seiner Widmung der Oper „Deirdre of the Sorrows“
22
http://www.musicweb-international.com/rankl/, Stand 26. Mai 2013
23
Christine Rankl dazu: „Karl said that Schöenberg should not publish his 12-tone method. He said to Schöenberg ‘You
write it. It is modern. But why publish your system? You are the only composer who can go in and out of the 12-tone
system as you feel like it. Bach never published how he wrote a fugue.’ http://www.musicweb-international.com/rankl/,
Stand 26. Mai 2013
19
8
Während seiner Ausbildung komponierte er den Zyklus „Vier Lieder für eine
Frauenstimme“ (Gaaden, 1920-1921) und bearbeitete außerdem Bruckners 4. Satz seiner
7. Symphonie für Kammerorchester. Die Lieder „Frühlingsende“ und „An einen Freund“
aus dem Zyklus erinnern stark an „Saget mir, auf welchem Pfade“ op. 15/5 von
Schönbergs „Buch der hängenden Gärten“. Nach dem Ende der Studienzeit war Rankl vor
allem Dirigent, das Komponieren fand in den Saisonpausen statt.
Während seiner Berliner Zeit komponierte er einige politisch motivierte Lieder und Chöre,
wie die Stücke von 1930 für 4 stimmigen Männerchor „Ballade von der Arbeit“ mit der
Textpassage „Wie schön ist es auf Erden, wenn Grossvater Arbeit hat!“ und „Das Lied vom
Abbau“, wo es heißt „Bist ja bloß mehr tote Last, wenn du keine Arbeit hast! Arbeitslose?
Faule Hunde, die man hungern lassen muß! Und sie stehen da und warten auf den Tag!
Der kommen wird, Genossen, wo den großen Herren bange wird! (…) Denn sie wollen
nicht mehr hungern und sie wollen nicht mehr frieren, länger für die großen Herren
krepieren (…)“. Von 1932 stammen u.a. das „Lied der Arbeiter“ für Chor und
Instrumentalensemble und weitere Tendenzlieder.
Seine ersten bedeutenden Werke wurden das Streichquartett (Graz, 1935) und seine 1.
Symphonie (Tschechoslowakei/Schweiz 1938)24.
Den größten Teil seiner Kompositionen schrieb Rankl ab seiner Zeit in England. Das
Komponieren half ihm seine Flucht in die Emigration und die schwierige Lebenssituation
zu verarbeiten, wie er selbst in einem Vortrag von 1958 berichtete: „Über die Jahre der
Verdienstlosigkeit und der Internierung will ich hinweggehen und nur sagen, dass ich in
dieser schweren Zeit viel komponiert habe: Symphonien und Lieder“25.
Die Zeit von 1939 bis 1942 wurde die Blütezeit in seinem Liedschaffen. Rankl komponierte
6 Liederzyklen, die er mit opera 5 bis 10 versah und die auch die einzigen Werke mit
opus-Zahlen sind. Opus 1 bis opus 4 existieren nicht. Die Zyklen sind überwiegend in
englischer Sprache geschrieben. Die textliche Grundlage bilden verschiedene englische
und deutsche Gedichte, darunter Texte der britischen Poeten William Barnes und Robert
Herrick oder der amerikanischen Dichterin Sara Teasdale. In seinem Zyklus „War“ op. 10
für Bariton verarbeitete Rankl ein tschechisches Volkslied: in „Böhmisches Rekrutenlied“
heißt es: „Als ich noch ein kleiner Junge, Habt ihr nicht nach mir gefragt (…) Kaum habt ihr
mich groß gesehen, zwangt ihr mich ins Feld zu gehen (…) Dass der Blitz in eure Seele,
eure schwarze Seele schlag, Hurrah! Hurrah! (…)“
Seine 2. und 3. Symphonie schrieb Rankl in den Jahren 1941 bis 1943.
24
25
Ristow, in: MGG, a.a.O., S. 1270
Wurz, a.a.O., S. 4
9
In der Nachkriegszeit entstand seine einzige Oper „Deirdre of the Sorrows“ (nach dem
Libretto von J.M. Synge). Das Werk, das er Schönberg widmete, erhielt 1951 einen Preis
des Arts Council of Britain und kam aber bis heute noch zu keiner Aufführung.
Rankls Schaffen in den 1950er Jahren widmete sich vor allem großen Orchesterstücken.
Seine 4. und 5. Symphonie entstanden in den Jahren 1952 -1955. Die 5. Symphonie
wurde 1957 mit dem Royal Scottish National Orchestra in Edinburgh unter der Leitung von
Hans Swarowsky uraufgeführt26. Weiters schrieb er u.a. eine „Suite for Strings“ (19511953), „Christmas Ouverture“ (1957) und 2 Sinfonietten (1957-1961).
Die Symphonien Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8 komponierte Rankl Ende 1950 bis 1963. Für die
Uraufführung der 7. Symphonie leitete Karl Österreicher das Symphonieorchester des
Österreichischen Rundfunks in Wien27.
Das letzte große Werk vor seinem Tod wurde das Oratorium „Der Mensch“ (1964), in dem
Rankl frühere Werke aus verschiedenen Schaffensphasen mit neuen Werken kombinierte.
Sein kompositorisches Schaffen ist fast gänzlich ungedruckt und teilweise auch
unaufgeführt28. Der englische Verlag Boosey&Hawkes druckte Auszüge aus zwei Werken:
das Intermezzo aus seiner Oper und die „Suite for Strings“.
Der gesamte kompositorische Nachlass von Karl Rankl wurde von seiner Witwe an die
Kunstuniversität Graz übergeben und befindet sich in der Bibliothek der Universität29.
2.
Beispiele aus Karl Rankls Liedschaffen
2.1
„Einheitsfrontlied“ und „Asyl für Obdachlose“
Die beiden Tendenzstücke „Einheitsfrontlied“ und „Asyl für Obdachlose“ entstanden in
einer politisch sehr brisanten Zeit Anfang der dreißiger Jahre in Berlin. Beide Lieder sind
einfach gestrickt in Harmonik, Melodieführung und Tonalität. Der Text steht absolut im
Vordergrund, die Melodie des Refrains geht ins Ohr und kann sofort mitgesungen werden.
Das Stück „Einheitsfrontlied“ ist datiert mit 13. Oktober 1932, der Textdichter ist unbekannt.
26
vgl. Wurz, a.a.O., S. 4
vgl. Wurz, a.a.O., S. 4
28
vgl. Ristow, in: MGG, a.a.O., S. 1270
29
Präliminarisches Verzeichnis der der Musikhochschule in Graz übergebenen Werke von Karl Rankl, Robert Erich
Schiller (Bearb.), maschschr., Graz 1992
27
10
Das berühmte „Einheitsfrontlied“ von Eisler und Brecht entstand 1934 und lehnt sich nicht
an den Text von Rankls Lied an. Es beinhaltet drei kurze Strophen, denen jeweils ein
Refrain folgt:
Wir sind gegen Krieg und Faschismus und Not,
Wir stehen im Kampfe für Freiheit und Brot,
Wir schliessen die Reihen marschieren vereint,
Wir schlagen vereint den gemeinsamen Feind!
Die Einheitsfront ist marschbereit.
Und was uns trennt das fliegt beiseit!
Wer mitmarschiert in Stadt und Land,
dem reichen wir die Bruderhand.
Die Einheitsfront, das ist die Kraft
die allen Brot und Arbeit schafft.
Drum vorwärts Prolet, steht nicht beiseit,
Die Einheitsfront ist marschbereit!
Wir fragen Euch nicht nach Verband und Partei,
Wir fragen nur, seid ihr im Kampfe dabei?
Ob Parteilos, Kommunist, Demokrat,
Wir rufen Euch auf zur gemeinsamen Tat!
Die Einheitsfront…
Wir sind durch die Not durch den Hunger vereint,
Uns binden die Opfer im Kampf vor dem Feind,
Wir alle sind Sklaven, es trennt uns nicht viel,
die Freiheit ist unser gemeinsames Ziel!
Die Einheitsfront…
Rankl schreibt als Tempobezeichnung „Etwas drängendes Martschtempo“ im 4/4-Takt. Das
Lied ist tonal, in a-Moll komponiert und hat eine sehr eingängige Melodie. Das
Marschieren der Front spiegelt sich in der gleichmäßig in Viertel gehaltenen Begleitung
des Klaviers wider, die Melodie der Gesangsstimme ist von c’ bis e’’ notiert und bewegt
sich streng im Marschrhythmus des Klaviers. Im Refrain schreibt Rankl über fast jede
einzelne Note der Gesangsmelodie einen Akzent, die Begleitung unterstreicht im
fortissimo den starken Charakter des Textes.
11
Das Lied „Asyl für Obdachlose“ wurde am 25. Jänner 1933, fünf Tage vor der
Machtübernahme Hitlers, komponiert. Der Text stammt vom Schriftsteller und Journalist
Kurt Tucholsky (1890-1935), der das Gedicht unter seinem Pseudonym Theobald Tiger
verfasst hat. Es ist wie das „Einheitsfrontlied“ ähnlich aufgebaut, mit 3 Strophen, denen ein
kurzer Refrain folgt. Die letzten zwei Sätze „Wohltaten, Mensch, sind nichts als Dampf. Hol
dir dein Recht im Klassenkampf!“ bindet Rankl nicht in die Melodie ein, er möchte diese
„scharf gesprochen“ haben.
Das Lied ist in b-Moll geschrieben und ebenfalls tonal. Nach einer kurzen 4-taktigen
Einleitung spielt das Klavier eine einfache Begleitung.
Und stehst du einmal am Ende
und hast keine Bleibe, kein Brot –
dann falte zufrieden die Hände,
man sorgt für deine Not.
Es gibt für solche Zwecke
ein Asyl – da findet der Mob
ein eisernes Bett, eine Decke
und einen alten blechernen Topp.
Hast du dein ganzes Leben
geschuftet wie ein Vieh;
und gehts dir im Alter daneben,
entläßt dich die Industrie –:
dann heißt es noch lang nicht: Verrecke!
Der Staat gibt dir sachlich und grob
ein eisernes Bett, eine Decke
und einen alten, blechernen Topp.
Manche auf diesem Planeten
leben bei Sekt und Kapaun.
Ja, solln sie vielleicht dem Proleten
einen Palast aufbaun –?
Andre verrecken im Drecke.
Du hasts noch gut – na, und ob!
Du hast im Asyl eine Ecke,
ein eisernes Bett, eine Decke
und einen alten blechernen Topp!
Wohltaten, Mensch, sind nichts als Dampf.
Hol dir dein Recht im Klassenkampf!
2.2
„Mater Dolorosa“ und „To a lady“
Beispiele für das Liedschaffen in den 1940er Jahren sind die Stücke „Mater Dolorosa“
(Nummer 2) aus dem Liederzyklus „6 songs for Mezzosoprano op. 9“ (Oxford 1941/42)
und „To a lady“ Nummer 3 aus dem Liederzyklus für Bariton op. 6 (2. September 1942 in
Oxford).
12
In „Mater Dolorosa“ (Text von William Barnes) kommt Rankls Textdeutung und seine
Kenntnis des Liedschaffens anderer Komponisten besonders zum Ausdruck.
Mit der Tempobezeichnung Tranquillo zu Beginn des Liedes fällt die Melodie der
Klavierbegleitung in freier Atonalität von oben nach unten und deutet musikalisch die
Textpassage „as I fell alseep“:
In der darauf folgenden Traumsequenz handelt der Text von einem kleinen Bub, der
gestorben ist. Die Verarbeitung des Verlustes eines Kindes ist auch Thema des bekannten
Liederzyklus „Kindertotenlieder“ (Rückert) von Gustav Mahler. „Mater Dolorosa“ erinnert
aber nicht nur inhaltlich an Mahlers Zyklus. Die Takte „of my little lad, gone to leave me
sad“ lehnen sich auch musikalisch stark an Mahlers Komposition an. Die musikalische
Vorlage dazu bildet die Passage „als sei kein Unglück, kein Unglück die Nacht gescheh’n“
des ersten Liedes „Nun will die Sonn’ so hell aufgeh’n!“. Die Klavierbegleitung bewegt sich
wie in Mahlers Lied in gleichmäßigen Achteln im 4/4-Takt vorwärts und bleibt tonal.
Den Text „As in heaven high“ unterstreicht Rankl mit einer aufsteigenden Melodie der
Begleitung, gefolgt von offen stehenden Akkorden bei „I my child did seek“.
I’d dream tonight
As I fell asleep,
O! the touching sight
Makes me still to weep:
Heute Nacht, als ich einschlief,
hatte ich einen Traum,
Oh! Die berührende Ansicht
lässt mich noch immer weinen:
Of my little lad,
Gone to leave me sad,
Ay, the child I had,
But was not to keep.
Von meinem kleinen Buben,
der mich traurig zurückgelassen hat,
Ach, das Kind, das ich hatte,
Aber nicht behalten sollte.
As in heaven high,
I my child did seek,
There in train came by
Children fair and meek,
Als ich hoch oben im Himmel
mein Kind suchte,
zogen Kinder, schön und fromm,
an mir vorbei.
13
Each in lily white,
With a lamp alight;
Each was clear to sight,
But they did not speak.
Jedes in lilienweiß,
mit einer erleuchtenden Lampe;
Jedes war klar zu sehen,
Aber sie sprachen nicht.
Then, a little sad,
Came my child in turn,
But the lamp he had.
O it did not burn!
Dann, ein bisschen traurig,
kam mein Kind zurück.
Aber die Lampe, die er hatte,
Oh sie brannte nicht!
He, to clear my doubt,
Said, half turn’d about,
‚Your tears put it out;
Mother, never mourn.’
Er, um meine Zweifel zu beseitigen,
sagte, halb umgedreht,
‚Trockne deine Tränen ab;
Mutter, trauere nicht mehr.’
Das Stück „To a lady [asking him, how long he would love her]“ aus dem Zyklus für Bariton ist
Teil von insgesamt 7 Liedern: Nr. 1 „Uphill“, Nr. 2 „If...“, Nr. 3 „To a lady“, Nr. 4 „Cities and
thrones and powers“, Nr. 5 „Death”, Nr. 6 „The wim“, Nr. 7 „Abschied“. Jedes Lied hat
einen anderen Textdichter.
„To a lady“ stammt vom englischen Dichter Sir George Eherege (1636-1692).
It is not, Celia, in our power
To say how long our love will last;
It may be within this hour
May lose those joys we now do taste;
The Blessèd, that immortal be,
From change in love are only free.
Es liegt nicht in unserer Macht, Celia, zu sagen
wie lange unsere Liebe noch andauern wird.
Es könnte sein, dass wir innerhalb dieser
Stunde die Freuden verlieren, die wir gerade
genießen. Nur die unsterblich Gesegneten
sind von Veränderungen der Liebe frei.
Then since we mortal lovers are,
Ask not how long our love will last;
But while it does, let us take care
Each minute be with pleasure past:
Were it not madness to deny
To live because we're sure to die?
Denn weil wir sterbliche Liebenden sind,
frag nicht wie lange unsere Liebe dauern wird.
Während sie noch andauert, lass uns darauf
achten dass jede Minute vergnügt ist:
War es nicht Wahnsinn das Leben zu verweigern, weil wir wussten, dass wir sterben würden?
Die Tempoangabe ist „Moderato“, die Musik bewegt sich im piano in Achteln gleichmäßig
vorwärts, dabei durchwandert sie auch verschiedene Tonalitäten.
Die Passage „The Blessed that immortal be“ wird besonders vorgehoben: hier stoppt der
Fluß der Musik und die Klavierbegleitung geht in gehaltenen forte Akkorden durch A-Dur,
Cis-Dur (Septakkord mit Vorhalt), Fis-Dur, C-Dur (Septakkord) und Des-Dur. Die Melodie
der Gesangsstimme erreicht bei „Blessed“ ihren höchsten Ton (e’):
14
Die Musik fließt in Achteln weiter bis zum Schluß, wo der Teil „to live because we’re sure to
die?“ ähnlich der Passage „The Blessed…“ mit liegenden Akkorden hervorgehoben wird.
Das Lied schließt mit einem Des-Dur-Akkord.
2.3
„A Cradle Song“
Das Lied „A Cradle Song“ („Ein Wiegenlied“) entstand in der Nachkriegskeit in London am
5. Februar 1952. Das Gedicht stammt vom irischen Dichter und Literaturnobelpreisträger
William Butler Yeats (1865-1939) aus seinem Werk „The Rose“ (1939) und ist vielfach
vertont worden30. Die Internet-Recherche hat verschiedene Versionen des Gedichtes
ergeben. Diese Version verwendet Rankl in seinem Lied:
The angels are stooping,
above your bed;
They weary of trooping
with the whimpering dead.
Die Engel beugen sich über dein Bett,
sie sind müde,
umgeben zu sein
vom winselnden Tod.
God's laughing in heaven
to see you so good;
The Shining Seven
are gay with His mood.
Gott lacht im Himmel
dich so brav zu sehen.
Die „Leuchtenden Sieben“
freuen sich mit ihm.
I kiss you and kiss you,
my pigeon my own.
Ah how I shall miss you
when you have grown.
Ich küsse dich und küsse dich,
meine Taube.
Ach, wie werde ich dich vermissen,
wenn du erwachsen sein wirst.
Mit „Shining Seven“, auch „Sailing Seven“, könnten die Planeten gemeint sein31.
Die Klavierbegleitung schafft gleich zu Beginn des Liedes einen schwebenden Klang mit
Akkorden in der dritten Oktave in der rechten Hand, wenn von den Engeln erzählt wird. Bei
„stooping“ sinkt die Begleitung nach unten und unterstreicht so tonmalerisch das Bücken
30
Eine Liste der Komponisten, die Yeats’ Gedicht als Vorlage genommen haben, findet man unter:
http://www.recmusic.org/lieder/get_text.html?TextId=17567, Stand 26. Mai 2013
31
vgl. http://www.gradesaver.com/poems-of-wb-yeats-the-rose/study-guide/section9/, Stand 26. Mai 2013
15
der Engel über das Bettchen des Kindes. Die Melodie steigt zu ihrer höchsten Lage, wenn
von den „Shining Seven“ gesungen wird. Die Begleitung bleibt im gesamten Stück im
piano dolce, die beiden Phrasen „God’s laughing in heaven“ und „Ah, how I shall miss you“
werden von Rankl mit piano espressivo cantabile und Molto tranquillo besonders
hervorgehoben.
2.4
„Mutter“
Das Lied „Mutter“ entstand am 3. März 1962 in London. Der Text stammt von Helene
„Nelly“ von Grasern (1888-1983), sie war Rankls Schwiegermutter und ausgebildete
Konzertsängerin.
Du ruhst so sanft.
Die nimmer Müden Hände liegen still gefaltet
auf deinem Herze, das nur Liebe kannte.
Dein starkes, frohes Herzes gab von seinem Reichtum allen, die ihm nahten.
Und jeder ging beschenkt von dannen.
Die reine Güte deines Wesens
Die nie das ihre suchte, immer helfen wollte
War wie ein Sonnenstrahl in einer Welt von Haß.
Und unser Leben durfte wachsen in Deiner Hut.
Dank Dir, o Mutter.
Der intime Text wird mit langsam bewegten Achtelbewegungen der Begleitung untermalt.
„Du ruhst so sanft“ beginnt in der tiefen Lage im piano. Die Melodie beginnt langsam zu
steigen und baut sich bis „dein starkes frohes Herz“ mit einem crescendo ins forte auf. Die
Melodie und Begleitung bleiben expressiv, beruhigt sich wieder und baut sich für „wie ein
Sonnenstrahl“ noch einmal mit Spitzentönen auf. Der Phrase „in einer Welt von Haß“, die
sich bis ins fortissimo steigert, folgt eine Fermate. Die Melodie beginnt wie zu Beginn des
Liedes in der tiefen Lage und bleibt bis zum Schluss leise und ruhig.
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3. Interpretation
Das Liedschaffen von Karl Rankl ist sehr vielseitig.
Er komponierte tonal, wo der Charakter einfach und verständlich sein sollte, wie in seinen
Tendenzliedern der Berliner Zeit oder in den privaten Liedern, die er teilweise für seine
Familie komponiert hat. Und dann schrieb er Lieder, die an keine Tonalität gebunden sind
und komplizierter aufgebaut und zu verstehen sind. Hier zeigt sich Rankls ganzes Können.
Einige Lieder erinnern an seinen verehrten „Meister“ Schönberg, andere lehnen sich an
Werke des englischen Komponisten Roger Quilter und Gustav Mahler an.
Um die Lieder „Einheitsfront“ und „Asyl für Obdachlose“ zu interpretieren, musste ich mich
intensiv mit den 30er Jahren und der Zeit vor der Machtübernahme der Nazis
beschäftigen, um die Intentionen der Arbeiterbewegung und deren Wut besser verstehen
zu können. Die hohe Arbeitslosigkeit und die Frustration der Menschen erinnert an die
jetzige Situation in vielen europäischen Ländern wie Spanien oder Griechenland.
Bei den zahlreichen oft sehr blutigen Demonstrationen und politischen Veranstaltungen
gab es immer Slogans, die gerufen oder eben gesungen wurden. So wie die Lieder von
Eisler oder Weill sind auch die beiden Lieder von Rankl im Chanson-Stil zu singen und
benötigen absolute verständliche Textdarbietungen und nicht „schön gesungene“
Melodien. Das Wechseln zwischen gesungenem und gesprochenem Text, die
Deklarierung des intensiven Textes und der fanatische Charakter, wie er besonders im
„Einheitsfrontlied“ zum Ausdruck kommt, machen die Interpretation der Lieder sehr
anspruchsvoll. Die Stimmgebung sollte durchwegs stark und intensiv sein, eben so wie
man eine große Meute anheizen möchte.
„A Cradle Song“, „To a lady“ und „Mutter“ benötigen eine größere Vorbereitung und
Beschäftigung mit der Musik, als bei den beiden Tendenzliedern.
Die Musik ist komplizierter aufgebaut und die Phrasierungen der Melodien sind schwer
auszuführen durch teils große Intervallsprünge. Manchmal schreibt er unbetonte
Nebensilben nach oben, die Abphrasierung wird deshalb erschwert.
Die Schwierigkeit liegt auch darin, dass man nicht einzelne Töne singen sollte, sondern
große Einheiten gestalten muß und innerhalb der Phrase Schwerpunkte setzen soll.
Bei „A Cradle Song“ finde ich die tonmalerische Ausführung sehr schön, der sphärische
Charakter ist gut zur Geltung gebracht. „To a lady“ benötigt im Gegensatz zu „A Cradle
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Song“ intensivere Beschäftigung mit den Phrasen. Teilweise spielt die Begleitung die
Melodie mit, teilweise führt die Gesangslinie wo anders hin. Die Intervallsprünge müssen
sauber intoniert sein, man darf sich nicht zu sehr auf die Begleitung einlassen. Trotz der
Schwierigkeiten finde ich das Lied sehr interessant und herausfordernd.
Das Lied, das für mich am wenigsten greifbar ist, ist „Mutter“. Ich empfinde die Begleitung
als statisch und träge. Die Melodie der Gesangsstimme wird fast immer von der
Klavierbegleitung mitgespielt, das macht es ein wenig leichter. Das Lied hat keine
Tempobezeichnungen, es scheint, als ob Rankl das Lied in einem gleichmäßigen Tempo
gesungen haben will. Die intensive Gestaltung benötigt aber ein Vorwärts-Gehen in
manchen Phrasen.
Abschließend möchte ich sagen, dass die Nachforschungen über Karl Rankl und das
intensive Beschäftigen mit seinem Leben und Werk eine große Bereicherung für mich
bedeuten, auch wenn es durch die spärliche Literatur und die oft schwer leserlichen Noten
des Autographs nicht leicht war.
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass das Liedschaffen und auch die restlichen Werke von
Rankl im Druck erscheinen. Damit würde die Aufführbarkeit der qualitativ guten Stücke um
einiges erleichtert werden und der Komponist Karl Rankl könnte somit wieder belebt
werden.
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Literaturverzeichnis

Wurz, Matthias: Karl Rankl (1898 - 1968) Komponieren als schlechte Gewohnheit.
mr-Mitteilungen Nr. 62 - Juli 2007

Ristow, Nicole: Karl Rankl – ein „treuer Schüler“ Arnold Schönbergs, in: Journal of
the Arnold Schoenberg Center, 3, 2000

Ristow, Nicole: Rankl, Karl Franz, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart.
Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Personenteil 13. Ludwig Finscher (Hg.). 2.
überarbeitete Auflage. Kassel, Bärenreiter 2005

Howes, Frank: Rankl, Karl, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians.
Volume 20. Stanley Sadie, John Tyrrell, George Grove (Hg.). 2. erw. und verb.
Auflage. London, New York, Macmillan, Grove 2001

Präliminarisches Verzeichnis der der Musikhochschule in Graz übergebenen Werke
von Karl Rankl, Robert Erich Schiller (Bearb.), maschschr., Graz 1992

dtv-Atlas Musik. Band 2: Musikgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart.
München, Deutscher Taschenbuch Verlag 1985

Abbildung Titelseite: Familienalbum Dr. Peter Garai, Mödling
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Appendix 1
„Einheitsfrontlied“
20
21
„Asyl für Obdachlose“
22
23
Appendix 2
„Mater Dolorosa“
24
25
26
27
28
29
30
„To a lady“
31
32
33
34
Appendix 3
„A Cradle Song“
35
36
37
Appendix 4
„Mutter“
38
39
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