Menschen mit Traumafolgen in der Beratung Traumatische Stressverarbeitung Traumafolgestörungen Bindungsaspekt Grundhaltung Traumadynamiken Psychohygiene Traumatische Stressverarbeitung Was ist ein Trauma? = Verletzung / Wunde (griech.) Diese kann seelischer oder körperlicher Natur sein. Kriterien eines traumatischen Ereignisses: Die Person ist selbst erlebt oder beobachtet eine Situation außergewöhnlicher Belastung und Bedrohung, bei dem das eigene Leben in Gefahr war oder das eine ernste Verletzung zur Folge hatte. Die Reaktion (Notfallreaktion) der Betroffenen beinhaltet Gefühle von intensiver Angst, Hilflosigkeit, oder Entsetzten und übersteigt die Bewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 2 Traumatische Stressverarbeitung Mögliche Auslöser: Krieg, Folter Naturkatastrophen Unfälle Traumatisches Geburtserleben Traumata durch medizinische Eingriffe Verlust einer nahen Bezugsperson besonders im Kindesalter Vernachlässigung in der Kindheit (körperlich, psychisch, emotional) Gewalt, Sexualisierte Gewalt Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 3 Traumatische Stressverarbeitung Stressverarbeitung bei Erschrecken vor visuellem Reiz „Schlange“. Schneller Weg= Rote Linie = über Thalamus zur Amygdala reflexhafte Schutzreaktion (Herzschlag+Blutdruck steigen, Muskelanspannung etc.). Blauer Weg über Thalamus und Hirnrinde prüft ob Reaktion nötig ist und gibt dann das Ergebnis an die Amygdala weiter. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 4 Neurobiolog. Traumageschehen Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 5 Traumatische Stressverarbeitung Unter oder nach traumatischem Stress dauert es unterschiedlich lang bis Amygdala und Hippocampus-System wieder gemeinsam arbeiten. Das Amygdala-System steht dem Menschen gleich von Geburt an zur Verfügung. Das Hippocampus-System wird erst zwischen dem 2 und 3. Lebensjahr langsam funktionstüchtig und arbeitet ab dem 10. und 12. Lebensjahr vollständig. Kleine Kinder, die von früh an unter Dauerstress leben, gewöhnen sich an die „Feuerwehr-Reaktion“ des Amygdala-Systems und das Hippocampus-System bleibt lange unterentwickelt. Das gleiche lässt sich auch bei Erwachsenen beobachten, die lange unter extremem Stress leben (Frontsoldaten, Dauerstress in gewalttätigen Familien, besonderer Arbeitsstress). Dabei sinkt zunächst die Erregungsschwelle und die Stressverarbeitungssysteme im limbischen System werden übermäßig empfindlich (Kindling-Phänomen) – dieser Prozeß kann sich verselbständigen und auch ohne weiter Traumatisierung eine PTBS verstärken. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 6 Traumatische Stressverarbeitung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 7 Traumatische Stressverarbeitung In einem Versuch spielte man traumatisierten Personen Berichte ein, die die schlimmsten Augenblicke schilderten die sie bei ihrer Traumatisierung durchlebten. In diesem Bild sieht man die Aktivierung des Angstzentrums im emotionalen Gehirn, dem Bereich der Amygdala. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 8 Traumatische Stressverarbeitung In diesem Bild aus der gleichen Versuchsreihe, kann die Aktivierung des visuellen Kortex gesehen werden. Für die Versuchsperson ist es im Moment so, als würde sie die traumatische Situation erneut sehen, so als würde die Situation jetzt neu erlebt. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 9 Traumatische Stressverarbeitung In diesem Bild dieser VersuchsReihe ist die Deaktivierung der Brocaregion zu sehen. Es ist so, als wenn die Angst die Sprache abgeschaltet hat. Es handelt sich dabei um eine Art der Selbstanästhesierung. Bilder von Prof. Rauch (Harwvard) Aus: Rauch u.a. :“A symptom provocation study of posttraumatic stress disorder using positron emission tomography and script-driven imagery“ Archives of General Psychiatry1996 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 10 Traumatische Stressverarbeitung 1. sympathische Stressreaktion: Kampf / Flucht Traumatisches Ereignis löst eine Stressreaktion im Organismus aus Alarmbereitschaft dient dem Überleben Freisetzung von Cortisol, Adrenalin, Glukose zur Energiefreisetzung zur Erhöhung von Blutdruck, Puls, Durchblutung Hemmung von Verdauung, Wachstum, Fortpflanzung, Immunsystem Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 11 Traumatische Stressverarbeitung 2. parasympathische Reaktion: Rückzug und Betäubung „Wir bekommen Schiss und möchten uns verpissen“ Schmerzunempfindlichkeit (Analgesie durch endogene Opiate) unscharfes Bewusstsein körperliche und emotionale Betäubung Rückzug / Unterwerfung als Antwort auf Hilflosigkeit Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 12 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 13 Psychobiologische Aktionssysteme Aktionssysteme Verteidigung Attraktive Reize Bindung Spielen Sozialverhalten Kampf Dipl.-Psych. Anke Nottelmann Flucht Unterwerfung 14 Traumatische Zustände / Trauma - states Kampf Erstarrung Traumatisches Ereignis löst Notfallreaktion aus. Biologische Aktionssysteme werden aktiviert. Flucht Einfrieren Unterwerfung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 15 Primäre Strukturelle Dissoziation Aktionssystem für das Alltagsleben ANP EP EP Aktionssystem für die Verteidigung massiver Bedrohung Nijenhuis, van der Hart, Steele, 2001 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 16 Anscheinend normaler Persönlichkeitsanteil Aktionssystem Alltagsleben Sichert das Überleben der Art, Reproduktion, Bindung adaptive Alltagshandlungen Vermeidet traumatische Erinnerungen Vermeidet EP Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 17 Emotionaler Persönlichkeitsanteil Sichert das Überleben des Individuums in lebensbedrohlichen Situationen Ist fixiert auf traumatische Ereignisse Reagiert vornehmlich auf konditionierte Reize Desorientiert in Raum, Zeit und Identität Oft niedriger Grad an Bewusstsein Reflexive Aktionstendenzen Vermeidet Alltagspersönlichkeit Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 18 Wann entwickeln Menschen eine Traumafolgestörung? Selbstheilung nach traumatischem Erleben insgesamt bei ca. 30% ! abhängig von Ressourcen, Bindungsmuster in der frühen Kindheit, traumatischen Erfahrungen in der Kindheit Nach schwerer Vernachlässigung, Gewalterfahrungen und Bindungsstörung in der Kindheit ist Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung hoch. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 19 Selbstheilungsrate 100 90 Selbstheilungsrate 80 70 60 Organerk. 50 Unfälle 40 Gewaltv. 30 sex. Gew. 20 10 0 Organerk. Unfälle Gewaltv. sex. Gew. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 20 Häufigkeit von Traumata Art der Traumatisierung Vernachlässigung Vernachlässigung (Basics) Körperliche Misshandlung Emotionale Misshandlung Sexueller Missbrauch Zeuge von körperlicher oder sexuelle Gewalt Schwere Unfälle Häufigkeit (%) 72% 31% 35% 31% 15% 50% 5% (Jaritz, Wiesinger, Schmid, 2008) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 21 Traumafolgestörungen Bindung Traumatyp II –Komplexe Traumafolge-störungen DDNOS „ego-stateDisorder“ Traumatyp I Monotrauma Einfache PTBS Akute PTBS DISDissoziative Identitätsstörung Komplexe PTBS Dissoziation Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 22 Traumafolgestörungen –Typ I 1. Akute Belastungsreaktion: Vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad, die sich als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder psychische Belastung entwickelt und i. d. R. nach Tagen oder einigen (6-12) Wochen abklingt. Symptome können sein: Betäubung, Lähmung, Bewusstseinseinengung (Konstriktion) Erinnerungsverlust, Innere Unruhe, Überaktivität, Angst, Verzweiflung Schlafstörungen, Albträume, Wiedererleben der traumatischen Situation (flash-backs) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 23 Traumafolgereaktionen – Typ I 2. Posttraumatische Belastungsreaktion (PTBS) Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (Intrusionen) Akkustisches, optisches, haptisches, olfakorisches Erleben „als ob“ Vermeidungsverhalten Gedanken, Gefühle Orte, Aktivitäten Sozialer Rückzug Interessensverlust Entfremdungserleben Emotionale Betäubung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 24 Traumafolgereaktionen Erinnerungsverlust (partielle oder vollständige Amnesie) Chronische Übererregung (hyperarousal) Schlafstörugen Reizbarkeit, Wutausbrüche Schreckhaftigkeit Konzentrationsschwierigkeiten Zeitkriterium: manifestiert sich etwa innerhalb von sechs Monaten (nicht zwingend) nach belastendem Ereignis Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 25 Wie entwickeln sich komplexe Traumafolgestörungen ? Kummulative Dauer /Art traumatische traumatischer Ereignisse Einwirkung Komplexe Resilienzfaktoren PTBS ??? Alter Desorganisierte Bindung Soziales Umfeld Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 26 Checkliste Stabilisierung Psychoedukation traumatische Verarbeitung Ich- Stärke und Stabilität Selbstfürsorge hinsichtlich basaler Funktionen (Essen, Schlafen, soziales Netz) Affekttolerenz und Regulierung (s. windows of tolerance) Distanzierungstechniken (STOP-Technik, Tresorübung, Containments) Selbsttröstung - Kognitiv („es geht vorüber“) - imaginativ (innere Helfer, innerer Trost, innere Weisheit) Fähigkeit zu positivem Körpergefühl (Klientin hat gelernt, gute Momente und Erfahrungen zu genießen und kann in schwierigen Situationen auf sie zurückgreifen) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 27 Risikofaktoren für die Entwicklung einer komplexen PTBS Verteilung Diagnose nach Zeitpunkt des Beginns der Traumatisierung 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0-4 N75 Häufigkeit der Diagnose in % 5-8 N92 Lebensalter 9-13 N62 14-19 N62 20-25 N16 >26 N27 DDNOS PTSD Dipl.-Psych. Anke Nottelmann Nijenhuis et al 2004 28 Risikofaktoren für die Entwicklung einer komlexen PTBS Verteilung Diagnose nach Dauer der Traumatisierung in Jahren Häufigkeit der Diagnose Lebensalter In % Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 29 Nijenhuis et al 2004 Komplexe Traumafolgestörungen Chronische Stressreaktion Bluthochdruck chronische Müdigkeit Schädigung des Immunsystems Abnahme der Stresstoleranz Anhaltender traumatischer Stress (frühkindliche Traumatisierung Abnahme des Hippocampusvolumens Defizite in der Steuerung von Gefühlen Dissoziation Emotionales (heißes) Gedächtnis überwiegt zu Lasten des autobiographischen Gedächtnisses (kaltes Gedächtnis) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 30 „cooler“ Hypocampus Integrative Funktion Episodische Erinnerung Räumliches und kontextabhängiges Lernen Bewertung von emotionalen Stimuli Unterdrückung von emotionalen Antworten Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 31 Komplexe PTBS Hippocampusvolumen (cm3) bei dissoziativen 3.5 Störungen und Kontrollgruppe 3 links 2.5 rechts 2 1.5 DIS DDNOS Kontrolle Dipl.-Psych. Anke Nottelmann Nijenhuis, 2005 32 Komplexe PTBS 3 Veränderung Hippocampusvolumen nach erfolgreicher Psychotherapie 18% 2.5 DIS 9% EX-DIS 2 Nijenhuis, Ehling 1.5 HCV links HCV rechts Dipl.-Psych. Anke Nottelmann & Krikke, 2002 33 Komplexe PTBS ANP ANP EP 1 EP 2 EP 3 Kampf Flucht Freeze Sekundäre strukturelle Dissoziation Nijenhuis, van der Hart, Steele, 2001 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 34 Komplexe PTBS 3. Komplexe posttraumatische Belastungsstörung Störung der Affektregulation - Stimmungsschwankungen - Verminderte Steuerungsfähigkeit - Selbstverletzung - Suizidalität - Störungen der Sexualität - Risikoverhalten Störung von Wahrnehmung und Bewusstsein - Amnesie, Dissoziation Somatisierungsstörungen Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 35 Komplexe PTBS Störung der Selbstwahrnehmung Mangelnde Selbstfürsorge Schuldgefühle Schamgefühle Bagatellisieren von Gefahr Gefühl isoliert zu sein Gefühl dauerhaft zerstört zu sein Störung in der Beziehung zu anderen Menschen Unfähigkeit zu vertrauen Reviktimisierung Viktimisierung anderer Veränderung von Lebenseinstellungen Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 36 Komorbidität Dissoziative Störungen 80% der Menschen mit einer Komplexen PTBS haben mindestens eine weitere psychiatrische Diagnose Persönlichkeitsstörungen Suchterkrankungen Komlexe PTBS Angststörungen Somatoforme Störungen Depression Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 37 Bindung und Traumafolgestörungen Bindung DDNOS „ego-stateDisorder“ DISDissoziative Identitätsstörung Komplexe PTBS Akute PTBS Einfache PTBS Dissoziation Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 38 Bindungstheorie Das Konzept der „Attachmenttheorie“ Basiert auf Annahmen aus der psychoanaLytischen Objektbeziehungstheorie, Beobachtungen Aus der Tierverhaltensforschung (Ethologie) , der Kognitiven Entwicklungspsychologie und früher Systemtheorie. Bowlby erklärt Wesen und Ursprung der Bindung aus ethologischer Sicht in einem systemtheoretischen Kontext. Er geht von Der Existenz eines auf stammesgeschichtlichen Wurzeln beruhendem Bindungsverhaltenssystems aus, das Überleben und Psychische Gesundheit des Individuums garantiert. John Bowlby (1907-1990), brit. Kinderpsychiater und Psychoananlytiker, der Bindungstheorie Dipl.-Psych. Anke Nottelmann Begründer 39 Bindungstheorie Säuglinge binden sich an diejenige Bezugsperson, die ihre Bedürfnisse und Wünsche richtig interpretiert und bei der keine Verzerrung durch eigene Bedürfnisse die Beziehung stören. John Bowlby et al, 1977 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 40 Bindungstheorie Bowlby betont die Schutzfunktion der Bindungsperson als lebenserhaltende Bedeutung. Der Säugling sucht eine Hauptbezugsperson sowie sekundäre Bezugspersonen. Im 1. Lebensjahr bildet sich eine Hierarchie von Bindungspersonen, an deren Spitze die Hauptbezugsperson steht. „Sichere emotionale Basis“ führt zu Bindungsberuhigung, Explorationsverhalten und Autonomieentwicklung. Sichere Bindung fördert selbstreflektive und mentale Funktionen über sich und die Welt auf empathische Weise nach zu spüren (Steele et al, 1991); Fonagny, 1991) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 41 Bindungstheorie Brisch definiert Bindung als das emotionale Band, das sich während der Kindheit entwickelt. Sein Einfluss bleibt nicht auf die frühe Entwicklungsphase beschränkt. Karl Heinz Brisch, Facharzt für KinderUnd Jugenpsychiatrie, Universitätsklinikum München Sichere emotionale Bindung ist der Hauptprädiktor für neuronales Wachstum und wesensgemäße psychische, körperliche, motorische und soziale Entwicklung. Ohne sichere Bindung keine Autonomieentwicklung. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 42 Bindungstheorie Bindungstypen Sichere Bindung (B-Typ) 2.Unsicher vermeidende/distanzierte Bindung (A-Typ) 3.Unsicher ambivalente/verstrickte Bindung (C-Typ) 1. (Ainsworth et al, 1977) 4. Unsicher desorganisierte Bindung (D-Typ) (Main &Solomon, 1986) Typ D findet sich häufig bei trauamtisierten Eltern oder in Familiensystemen mit trangenerationaler Traumatisierung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 43 Bindungstheorie Bindungstypen Sichere Bindung Bindungsbedürfnisse des Kindes werden auf feinfühlige Weise von Bezugsperson beantwortet, so daß die Wahrscheinlichkeit hoch ist, daß das Kind im 1. Lebensjahr sichere Bindung entwickelt. Sicher gebundene Kinder reagieren mit größerer psychischer Widerstandskraft (Resilienz) auf emotionale Belastung und sind bei Stress Durch die Bindungsperson schneller zu beruhigen. Unsicher/vermeidende Bindung Bei Zurückweisung des Bindungsbedürfnisses des Kindes zeigt das Kind wenig oder kein Bindungsbedürfnis nach Nähe, Schutz, Geborgenheit. Es passt sich der Verhaltensbereitschaft der Bezugsperson an. Hoher Stress, da keine Bindungsberuhigung. Manchmal zeigt das in Krisen sein Bindungsbedürfnis. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 44 Bindungstheorie Unsicher ambivalente Bindung Die Bindungsperson beantwortet mal feinfühlig die Bindungsbedürfnisse des Kindes, mal weist sie diese zurück. Intensives Weinen bei Angst vor Bindungsverlsut, das Kind ist kaum zu beruhigen, auch wenn die Bezugsperson wieder da ist. Es kann nicht entspannt explorieren, bleibt emotional aufgewühlt, klammert und ist gleichzeitig aggressiv. Desorganisierte Bindung Bezugsperson ist kein sicherer emotionaler Hafen. Widersprüchliches Verhalten, Angst und Bedrohung gehen von ihr aus. Sequenzen von stereotypen Verhaltensweisen und plötzlich erstarrenden Bewegungsabläufen (Einfrieren, Tranceartige dissozioátive Zustände) zeigen sich beim Kind. Die Quelle des Verhaltensweise der Bezugsperson. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 45 Bindung und Trauma Kampf Viele Studien zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen desorganisiertem Bindungsmuster bei Kindern und ungelösten Traumata bzw. Traumafolgestörungen der Eltern. Kindliches Weinen, Körperkontakt, Baden der Kinder etc. wirken als Trigger und lösen dissoziative oder traumaspezifische Verhaltensweisen bei Bindungspersonen aus. (Lyons-Ruth & Jacobitz, 1999, Liott, 1992, Brisch & Hellbrügge, 2003) Erstarrung Flucht Einfrieren Unterwerfung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 46 Bindung und Trauma Der Teufelskreis traumatischer Erfahrungen und Bindungsstörungen ist oft über viele Generationen hinweg wirksam. Brisch, 2003; Brisch & Hellbrügge, 2003; Fraiberg et al,1975) Transgenerationale Traumatisierung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 47 Bindung und Trauma Langzeitstudie Ogawa, et al (1997): Erfahrung von disorganisierter Bindung in der frühen Kindheit ist Hauptprädikator für die Vorhersage für dissoziative Störungen im jungen Erwachsenenalter Starke Effekte über die Unerreichbarkeit der Hauptbezugsperson und deren Fürsorgequalitäten Sexuelle Gewalt war in dieser Studie nicht vorhersagekräftig ! Main & Solomon (1990): Kosten der desorganisierten Bindung (simultane oder sequentielle Aktivierung von Bindung und Verteidigung) durch Stress erhöhte Cortisolbildung durch Interaktion keine Stressreduktion „fright without solution“ Brisch (2004): Vernachlässigung und Deprivation ist Hauptprädiktor für unsichere Bindung Psychisch kranke, suchtkranke und chronisch körperlich kranke Eltern bedeuten für das kindliche Bindungssystem kontinuierliche Stressbelastung und Dauererregung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 48 Bindung und Trauma Trennung bei Kindeswohlgefährdung Bei Herausnahme wird eine Beruhigung des kindlichen Bindungsbedürfnisses angestrebt. Es birgt eine Chance für neue Erfahrung von Bindungssicherheit durch Räumliche, körperliche, emotionale und soziale Sicherheit. Diese Neuerfahrung dient als Schutzfaktor für spätere belastende Lebenserfahrungen. Eine fachspezifische Supervision der Pflegeeltern ist unabdingbar! Emotionale Beruhigung und Heilung wird verhindert durch Drohung von RückFührung, erzwungene Besuchskontakte, Umgangsrecht etc. Auch durch fehlende rechtliche Sicherheit der Pflegeeltern und mangelnde Sicherheit durch fehlende Supervision. Besuchskontakt mit Tätereltern erzeugt Angst beim Kind und aktiviert von neuem Pathologische Bindungsmuster und birgt die Gefahr der Retraumatisierung. Wirkliche Sicherheit nur durch Kontaktsperre. Rückführung nur bei messbarer Veränderung der Eltern aus Täterpathologie (Gutachten), um langfristige emotionale Sicherheit zu gewährleisten. ( n. Brisch, 2007) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 49 Bindung und Trauma Neue Bindungsserfahrungen führen zu Veränderung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 50 Bindung und Trauma Bei mehrjähriger athogener Bindungserfahrung können Bindungsstörungen resultieren, die selbst nach Wechsel in bessere emotionale familiäre Bedingungen bestehen bleiben und zu überdauernden psychopathologischen Problemen und späteren schweren Persönlichkeitsstörungen oder dissoziativen Störungen führen Können. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 51 Bindungsdilemma (Stockholmsyndrom) Wunsch des Kindes zum Täter Kontakt zu haben, auch wenn dieser ihm Leid zugefügt hat. Für das Kind ist es besser eine Bindungsperson zu haben (Sicherheitsaspekt), auch wenn diese gewalttätig ist, als keine zu haben. Täter drohen, das Kind, die Mutter umzubringen, falls das Kind etwas berichtet. Die Verlustandrohung beinhaltet evolutionär betrachtet größere Angst als die nächste Gewalterfahrung. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 52 Hilfreiche Haltungen von Unterstützenden Stress und Therapie-Beratungsfähigkeit Selbstrepräsentation Hyperarousal Hypoarousal Optimaler Bereich Aufmerksamkeit Schlaf /Depression Angst, Furcht und Flucht Desorganisation Stressentwicklung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 54 Hanswille, 2008 Klarheit schafft Sicherheit Menschen mit Traumafolgestörungen haben schwere Grenzverletzung erlebt. Klares Setting mit klarer Zielsetzung schaffen Klare und positive Beziehung gestalten Bindungsphobie und -ambivalenz beachten! Sicheren Rahmen geben Transparenz ermöglichen Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 55 Netzwerkarbeit: Auftrag??? – Klarheit - Transparenz Einrichtungen Jugendhilfe Flex Rechtsanwalt Jugendamt SPFH Familiengericht PsychoTherapeutin Elternteil Eltern/ Sichere Herkunftsfamilie? Kind/er Schule KJP Kinderarzt/ Klinik Kita Vereine Ergo/Sprach/ Körpertherapie Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 56 Auftragsklärung Konkrete Zielsetzung schafft positiven Fokus Klein schrittiges Vorgehen Ermöglicht Lernen am Erfolg und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit Ermöglicht Kontrolle Bahnt neue Netzwerke Orientiert sich an Ressourcen der KlientIn Erleichtert die therapeutische, beraterische Arbeit Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 57 Klare Grundhaltung von Helfenden Respekt und Wertschätzung entgegen bringen Würdigung der Not GEDULD!!! Psychoedukation, Erklärung über Symptomatik zur Verfügung stellen Hoffnung und Trost vermitteln Nicht mehr als die KlientIn arbeiten Fragen, nicht deuten Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 58 Traumadynamik im Team Vielfältige Übertraguns- und „Spaltungsphänomene“, denen der traumatisierte Mensch ausgeliefert war, werden im Team wirksam und erschweren die Arbeit. Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 59 Täter – Opfer - Reinszenierung Opferdynamik Unterstützende erfahren sich selbst als Opfer (z.B. durch Überflutung, fehlende Grenzwahrung) Erleben Schuldgefühle Fühlen sich selbst hilflos, ohnmächtig (z.B. fehlende Behandlungserfolge) Haben Angst, etwas falsch zu machen Geben die Kontrolle über die Behandlung ab Hoffnungslose Einstellung, depressive Grundstimmung breiten sich aus (in Anlehnung an Huber, 2004) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 60 Täter –Opfer- Reinszenierung Täterdynamik Unterstützende werden selber als Täter aktiv, in der Regel unbewusst (z. B. Grenzüberschreitung) Übertragen die Verantwortung auf die Klientin („ er ist selbst schuld an seiner Situation….“) Bagatellisieren die Not des Klienten Erleben von Wut gegenüber der Klientin, oft passiv aggressiv (Termine vergessen, keine Zeit haben etc.) (in Anlehnung an Huber, 2004) Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 61 Psychohygiene Psychohygiene Das Helferteam Mitgefühlserschöpfung Betrifft Mitarbeiter von Nothilfsdiensten, Pflegepersonal und anderen Berufsgruppen, die bei der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten sekundäre Traumatisierung erleben. Wird häufig synonym zu sekundärer Traumatisierung Verwandt Joinson, 1992 Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 63 Psychohygiene „Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu anderen Dingen? Ach, gerne möchte ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkel unterbringen An einer fremden Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen….“ Rainer Maria Rilke Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 64 Sekundäre Traumatisierung Therapeut/in, Berater/in nimmt auch ohne eigene Traumaerfahrung die Traumaerfahrung des Klientels auf Symptomausprägung entsprechend einer PTBS (Intrusionen, Vermeidungsverhalten, Hyperarousal etc.) = Sekundäre posttraumatische Belastungsreaktion (SPTBS) wenn Symptome länger als einen Monat anhalten (Saakvitne, 1996) „Sekundärer traumatischer Stress ist eine natürliche Folge fürsorglichen Verhaltens zwischen zwei Menschen, von denen der eine traumatisiert ist… Diese Wirkmechanismen …sind eher eine normale Begleiterscheinung des fürsorglichen Umgangs mit Traumatisierten.“ (Figley, 1999) „Berufsrisiko“ (Rapperport Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 65 Sekundäre Traumatisierung Empathie ist wichtige Ressource !!!! Und gilt als Schlüsselfaktor bei der Übertragung von primären zu sekundären „Opfern“ Eigene Traumagenese von Traumahelfern Retraumatiserung von unaufgelöster Traumatisierungen Häufige Berührung mit Kindheitstraumata Relativ wenig Erfolgserlebnisse in der Therapie, Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 66 Psychohygiene Fachwissen Supervision „Berufs-Ich“ Achtsamer Umgang im Team Arbeitsorganisation: Pausen, Abwechslung von, schweren u. leichten Fällen Klarheit verschaffen, was sind gegebene Bedingungen und was ist veränderbar Akzeptanz von Dingen, die man nicht ändern kann Freiräume für Selbstfürsorge Sich selbst „Gutes“ tun Dipl.-Psych. Anke Nottelmann 67