Anästhesie. Fragen und Antworten 1500 Fakten für die Facharztprüfung und das Europäische Diplom für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DEAA/DESA) von Franz Kehl, Hans-Joachim Wilke 4., aktual. u. überarb. Aufl. Springer 2011 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 642 16906 9 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG 139 senkenden Wirkung wird der gefäßrelaxierenden Eigenschaft von Bradykinin zugeschrieben. Diuretika ??160 Mannit: a) b) c) d) e) wird im Pentosephosphatweg verstoffwechselt wird glomerulär filtriert und tubulär reabsorbiert erhöht die Plasmaosmolarität erhöht den Hämatokrit führt zu einer intrazellulären Dehydratation >>Antworten a) Falsch. Mannit ist eine Hexose, die metabolisch inert ist und nicht verstoffwechselt wird. b) Falsch. Mannit wird nur glomerulär filtriert und nicht reabsorbiert. Hierdurch wird die Osmolarität im Primärharn erhöht und vermehrt Wasser osmotisch gebunden und ausgeschieden. Daneben werden praktisch alle Elektrolyte vermehrt ausgeschieden. c) Richtig. Mannit 20–40% ist hyperosmolar und wird in einer Dosis von 0,25–1,0 g/kgKG als Kurzinfusion verabreicht. Durch die fehlende Verstoffwechselung bleibt die Hyperosmolarität bei normaler Nierenfunktion ca. 2 h erhalten. Die HWZ beträgt rund 45 min. d) Falsch. Durch die Erhöhung der Plasmaosmolarität strömt interstitielles Wasser nach intravasal. Hierdurch wird der Hämatokrit erniedrigt, die Viskosität gesenkt und das extrazelluläre Volumen und der renale Blutfluss erhöht. Patienten mit einer kardialen Insuffizienz können bei der Anwendung von Mannitlösungen dekompensieren und ein Lungenödem entwickeln. e) Richtig. Dadurch, dass interstitielles Wasser nach intravasal verschoben wird, wird wiederum intrazelluläres Wasser nach interstitiell verschoben und somit letzlich intrazellulär dehydriert. Dies ist die Grundlage der Therapie des Hirnödems mit Mannit. Voraussetzung ist eine intakte Blut-Hirn-Schranke, da sonst mit einem ReboundPhänomen gerechnet werden muss. Es kommt zu einem erneuten Pharmakologie 140 Anstieg des Hirndrucks durch Einlagerung von Mannit in das Hirnparenchym. ??161 Hydrochlorothiazid: a) b) c) d) e) ist ein Thiaziddiuretikum ist kontraindiziert bei Patienten mit einer Sulfonamidallergie erhöht die Kalziumausscheidung kann zu einer Hyponatriämie und Hypokaliämie führen kann zu einer Hyperglykämie führen >>Antworten a) Richtig. Thiaziddiuretika sind Medikamente, die den NaCl-Kotransport im distalen Tubulus blockieren. Sie sind noch bis zu einer GFR der Nieren von rund 50 ml/min diuretisch wirksam. b) Richtig. Da Thiaziddiuretika ebenso wie Furosemid eine Sulfonamidstruktur enthalten, können sie bei Patienten mit einer Allergie gegen Sulfonamide ein Schocksyndrom auslösen. c) Falsch. Die Kalziumausscheidung wird vermindert, d. h. es kann zu einem Kalziumanstieg unter der Therapie mit Thiaziddiuretika kommen. d) Richtig. Die diuretische Wirkung wird durch eine Blockierung der Reabsorption von Natrium im distalen Tubulus herbeigeführt. Es kann daher eine Hyponatriämie entstehen. Daneben werden auch Kalium, Magnesium und Bikarbonat vermehrt ausgeschieden. Eine hypochlorämische metabolische Alkalose kann sich entwickeln. e) Richtig. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht bekannt. Eine diabetische Stoffwechsellage kann durch die Thiazidtherapie verschlimmert werden. ??162 Furosemid: a) b) c) d) e) hat bei einer Azidose eine verminderte diuretische Wirkung kann einen erhöhten intrakraniellen Druck (ICP) senken fördert die Ausscheidung von Lithium potenziert die Ototoxizität von Aminoglykosidantibiotika erhöht die Kalziumausscheidung 141 >>Antworten a) Falsch. Eine Azidose hat keinen Einfluss auf die diuretische Wirkung von Furosemid. Auch die Wirkung von Thiaziddiuretika wird dadurch nicht beeinflusst. b) Richtig. Furosemid inhibiert einen Na-2Cl-K-Symporter, der in vielen Geweben vorkommt. Furosemid vermindert die Liquorproduktion und senkt dadurch den ICP. Außerdem kommt es durch eine Abnahme des Extrazellulärvolumens zu einer Abnahme des ICP (vgl. Frage 7e). c) Falsch. Die Lithiumausscheidung hängt von der Natriumreabsorption umgekehrt proportional ab. Da die Natriumreabsorption durch Furosemid blockiert wird, vermindert sich die Lithiumausscheidung. Dies kann bei einer Dauertherapie mit Lithium zu Intoxikationserscheinungen führen. d) Richtig. Die Aminoglykosidantibiotika haben sowohl ototoxische als auch nephrotoxische Nebenwirkungen, die beide unter der Therapie mit Furosemid potenziert werden können. e) Richtig. Im Gegensatz zu Thiaziddiuretika fördern Schleifendiuretika die Kalziumelimination. Antidepressiva ??163 Patienten, die regelmäßig Phenelzin einnehmen: a) b) c) d) e) reagieren auf Phenylephrin verstärkt reagieren auf Noradrenalin vermindert dürfen als Opioid auf keinen Fall Fentanyl erhalten vertragen Pethidin problemlos weisen eine Verminderung der zerebralen Monoamine auf >>Antworten a) Falsch. Phenelzin ist einer der ersten MAO-Inhibitoren (Monoaminooxidasehemmer). MAO-Inhibitoren haben aufgrund ihrer unerwünschten Eigenschaften erst durch neuere Derivate wieder Anwendung in der klinischen Praxis gefunden. MAOI hemmen den Abbau katecholaminartiger Neurotransmitter und erhöhen damit deren Konzentration (Dopamin). Bei der Gabe von indirekt wirkenden Sym- Pharmakologie 142 b) c) d) e) pathomimetika wie Ephedrin wird die Wirkung von Noradrenalin und Adrenalin in der Peripherie verstärkt (hypertone Blutdruckentgleisung). Dies trifft jedoch nicht auf die Gabe von direkt angreifenden Vasokonstriktoren wie Phenylephrin oder Noradrenalin zu. Diese können aber durch einen anderen Mechanismus, nämlich einer Upregulation der postsynaptischen α-Rezeptoren, ebenfalls in ihrer Wirkung verstärkt sein. Daher ist vorsichtig titrierend zu dosieren. Falsch. Das Umgekehrte trifft zu. Falsch. Mit Ausnahme von Pethidin können alle Opioide problemlos eingesetzt werden. Falsch. Wird Pethidin Patienten verabreicht, die MAOI einnehmen, kann es zu lebensgefährlichen Interaktionen kommen. Die Verstoffwechslung von Pethidin, selbst ein Monoamin, wird beeinträchtigt, und dies führt zu einem gemischten Bild aus Hyperthermie, Schwitzen, Muskelrigidität, arteriellem Hypotonus und Ventilations- und Bewusstseinsstörungen. Richtig. Anfänglich wird durch die Enzyminhibition die Konzentration der zerebralen Monoamine erhöht, langfristig wird aber deren Konzentration durch einen negativen Feedbackmechanismus vermindert (Wirkung bei Schizophrenie). ??164 Eine Vergiftung bzw. Überdosierung mit trizyklischen Antidepressiva vom Amitryptilin-Typ äußert sich in: a) b) c) d) e) Agitation zerebralen Krampfanfällen und Myokloni Koma Miosis trockener geröteter Haut >>Antworten a) Richtig. Die Vergiftung mit trizyklischen Antidepressiva kann einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Agitation tritt dabei häufig als erstes Symptom auf. b) Richtig. Die Symptome der ZNS-Toxizität können rasch voranschreiten und Myokloni, zerebrale Krampfanfälle und schließlich Koma mit Atemdepression einschließen. c) Richtig. Siehe Antwort b. 143 d) Falsch. Aufgrund der anticholinergen Wirkung kommt es zusätzlich zu einer Mydriasis, trockener geröteter Haut, Harnverhalt und Tachykardie. e) Richtig. Siehe Antwort d. Hinzu kommen myokardiale Depression mit Verlängerung des QRS-Komplexes und ventrikuläre Arrhythmien. Die Behandlung der Vergiftung besteht in der frühen Phase (innerhalb der ersten 10 h) in einer Magenspülung und Kohleinstillation. Eine Hämoperfusion oder Hämodialyse ist aufgrund der hohen Proteinbindung nutzlos. Krampfanfälle werden mit Diazepam und Phenytoin, das auch antiarrhythmisch wirkt, durchbrochen. Eine Alkalisierung mit Natriumbikarbonat und die kontrollierte Hyperventilation kann die myokardiale Toxizität vorübergehend mildern. Bei AV-Blockierungen ist die Gabe von Isoproterenol, bzw. Orciprenalin indiziert, bei Auftreten einer Hypotension steht die Volumen- und Katecholamintherapie im Vordergrund. ??165 Überprüfen Sie die folgenden Aussagen zu den Mono­amino­ oxidasehemmern (MAO-Hemmer, z. B. Tranylcypromin): a) MAO-Hemmer sind Medikamente der 1. Wahl bei der Behandlung der endogenen Depression b) Patienten unter MAO-Hemmerbehandlung klagen häufig über orthostatische Hypotension c) Tranylcypromin hemmt reversibel die Isoenzyme MAO-A und MAO- B d) Tranylcypromin hat anticholinerge (atropinartige) Nebenwirkungen e) Einige MAO-Hemmer sind hepatotoxisch >>Antworten a) Falsch. MAO-Hemmer sind nicht Medikamente der 1. Wahl bei der Behandlung der endogenen Depression. Aufgrund erheblicher Nebenwirkungen werden sie nur bei Verlaufsformen eingesetzt, die auf die Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva nicht ansprechen. b) Richtig. Die orthostatische Hypotension ist unter MAO-Hemmerbehandlung häufig; sie wird möglicherweise durch die Anhäufung des Neurotransmitters Octopamin verursacht, der zu einer Reduktion des Sympathikotonus führt. Pharmakologie 144 c) Falsch. Tranylcypromin ist ein irreversibler Hemmstoff der genannten Isoenzyme. d) Richtig. Aufgrund der atropinartigen Nebenwirkungen kann es besonders bei prädisponierten Patienten (z. B. mit Glaukom oder Prostatahypertrophie) zu Augeninnendruckerhöhung oder zum Harnverhalt kommen. e) Richtig. Besonders hydrazinenthaltende MAO-Hemmer sind hepatotoxisch. ??166 Überprüfen Sie die folgenden Aussagen zur Narkoseführung bei Einnahme von MAO-Hemmern: a) b) c) d) Pethidin kann zur postoperativen Schmerztherapie eingesetzt werden Benzodiazepine sind zur Prämedikation geeignet Regionale Anästhesietechniken können primär indiziert sein Als Vasopressoren sollten bevorzugt indirekt wirkende Substanzen zur Anwendung kommen e) Die Gabe von Opioiden ist in aller Regel problemfrei möglich >>Antworten a) Falsch. Pethidin ist bei Einnahme von MAO-Hemmern absolut kontraindiziert, da es zu einem exzitatorischen Koma mit Hyperthermie und Hypertonie führen kann, welches letal enden kann. b) Richtig. Benzodiazepine gelten als unbedenklich, solange beachtet wird, dass sie in ihrer Wirkung verstärkt sein können. Angst und Schmerz sollten adäquat bekämpft werden, um eine Stimulation des sympathoadrenergen Systems zu vermeiden. c) Richtig. Da Barbiturate, Benzodiazepine sowie Opioide verstärkt wirksam sein können – Gefahr der Atemdepression bei üblicher Dosierung – bieten sich regionale Anästhesietechniken besonders an. d) Falsch. Indirekt wirksame Sympathomimetika sollten grundsätzlich vermieden werden, da hierbei mit exzessiver Wirkungsverstärkung gerechnet werden muss. Direkt wirkende Sympathomimetika (z. B. Noradrenalin) sollten bevorzugt werden. e) Falsch. Alle Opiode können in ihrer Wirkung massiv verstärkt sein (bis hin zur Entwicklung eines Komas). Daher sind die titrierte Verabreichung sowie die sorgfältige Überwachung der Wirkung dieser Substanzen unabdinglich. 145 ??167 Folgende Aussagen treffen auf die Narkoseführung für Patienten unter Therapie mit trizyklischen Antidepressiva (TAD) zu: a) b) c) d) e) Die Inzidenz perioperativer Herzrhythmusstörungen ist erhöht Der Bedarf an Anästhetika kann erhöht sein Die Wirkung von Atropin kann verstärkt sein Die Wirkung von Alkohol und Sedativa ist verstärkt Die Wirkung indirekter Sympathomimetika kann bedrohlich verstärkt sein >>Antworten a) Richtig. Die meisten trizyklischen Antidepressiva haben eine proarrhythmische Wirkung. Als Ursache wird eine intrinsische membranstabilisierende Wirkung vermutet, was am Herzen Reizleitungsstörungen mit Arrhythmien bedingen soll. b) Richtig. Im zentralen Nervensystem ist die Menge exzitatorischer Neurotransmitter am synaptischen Spalt erhöht, dies kann eine Dosiserhöhung der Anästhetika notwendig machen. c) Richtig. TAD haben eine anticholinerge (atropinartige) Nebenwirkung. Exogen zugeführtes Atropin kann daher potenziert werden. d) Richtig. An die mögliche Wirkungsverstärkung z. B. einer Prämedikation muss gedacht werden. e) Richtig. TAD hemmen neuronal die Wiederaufnahme von Neurotransmittern in die Synapse. TAD hemmen ebenso peripher die Wiederaufnahme endogen freigesetzter Katecholamine, sodass mit einer Wirkungsverstärkung indirekt wirkender Substanzen gerechnet werden muss. Es ist daher besser, direkt wirkende Sympathomimetika wie z. B. Noradrenalin einzusetzen. ??168 Folgende Aussagen treffen auf Lithium zu: a) Der Bedarf an volatilen Anästhetika ist erhöht b) Der angestrebte therapeutische Lithiumplasmapiegel liegt bei ca. 2 mmol/l c) Polyurie und Polydipsie sind häufige Nebenwirkungen der Lithiumtherapie d) Die Wirkung von Muskelrelaxanzien kann verstärkt sein e) Lithium sollte vor Elektiveingriffen abgesetzt werden Pharmakologie 146 >>Antworten a) Falsch. Der Bedarf an volatilen Anästhetika als auch Injektionsanästhetika ist eher verringert, da Lithium selbst sedierend wirkt. b) Falsch. Die therapeutische Breite von Lithium ist gering, sie beträgt nur 2. Sichere therapeutische Plasmawirkspiegel liegen zwischen ca. 0,8 und 1,2 mmol/l. Toxische Nebenwirkungen korrelieren eng mit dem Plasmaspiegel von Lithium und treten schon ab 2 mmol/l auf. Anästhesierelevant sind Verbreiterungen des QRS-Komplexes im EKG und Herzrhythmusstörungen, zerebrale Krämpfe und Koma bei Lithiumüberdosierung. c) Richtig. Die häufigsten Nebenwirkungen der Lithiumtherapie betreffen die Nieren. Mehr als 20% der behandelten Patienten scheiden täglich 3 l hypotonen Urin aus (Gefahr des Exsikkose bei ungenügender Flüssigkeitsaufnahme). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Konzentrationsfähigkeit der Nieren durch Lithium gestört wird. Eine hypothyreote Struma tritt bei 5% der Patienten auf, weswegen häufig eine L-Thyroxintherapie notwendig wird. d) Richtig. Sowohl die Wirkung depolarisierender als auch nicht depolarisierender Muskelrelaxanzien kann verstärkt sein. e) Falsch. Ein Absetzen der Lithiumtherapie ist nicht notwendig; allerdings sollte vor Wahleingriffen eine aktuelle Bestimmung des Lithiumspiegels vorliegen. Katecholamine ??169 Noradrenalin (NA) führt zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur: a) b) c) d) e) der Bronchiolen der Pupille des Dünndarms der Arteriolen des Ziliarkörpers des Auges