2 – Gauss­Gesetz Das Gauss'sche Gesetz formuliert einen Zusammenhang zwischen der elektrischen Ladung und dem elektrischen Feld. Es ist allgemeiner und eleganter als das Coulomb­Gesetz. Die Anwendung des Coulomb­Gesetzes für eine komplexe Ladungsverteilung führt schnell zu nicht mehr analytisch lösbaren Integral­ oder Summenausdrücken. Hier liefert das Gauss'sche Gesetz oftmals einen einfacheren Weg. Es liefert darüberhinaus noch weitere Einsichten, wie wir sehen werden. 2.1 – Elektrischer Fluss Wir betrachten eine Oberfläche A durch die ein homogenes elektrisches Feld E tritt. Wir können bspw. eine Rechteckfläche wählen. A Der elektrische Fluss durch diese Fläche ist definiert als: E E =EA Wir wollen auch den allgemeineren Fall zulassen, dass E nicht senkrecht auf der Fläche steht. Deshalb definieren wir den Flächenvektor A, dessen Betrag A die Fläche ist und der in Richtung der Flächennormalen zeigt. Es gilt dann allgemeiner: A=E E =E⋅ A cos Der Fluss besitzt eine einfache, intuitive Interpretation im Feldlinienbild. Er ist ein Maß für die Zahl der Feldlinien, die senkrecht durch eine gedachte Einheitsfläche treten: N ∝EA senkrecht =E Wir lassen nun die Einschränkung eines homogenen Feldes fallen. Dazu müssen wir zunächst die Fläche A in kleine Flächenelemente Ai aufteilen. Das Feld E variiert innerhalb eines solchen Elements nicht mehr, wenn wir den Grenzübergang Ai 0 durchführen. Wir gehen über zum Oberflächenintegral: A A E =∫A E⋅d E Bei der Anwendung des Gauss'schen Satzes ist die Integration über eine geschlossene Oberfläche nötig. Wir führen dafür die folgende Symbolik ein: A E =∮ E⋅d Wir müssen noch die Richtung des Flächenvektors festlegen. Dazu unterscheiden wir ● für eine geschlossene Fläche zeigt der Flächenvektor aus dem Volumen. Damit wird ein Fluss, der in das Volumen eintritt, negativ. Er wird positiv, wenn er aus dem Volumen austritt. ● für eine offene Fläche bleibt die Richtungswahl frei. Für eine geschlossene Fläche können wir nun einige Dinge festhalten: Der Fluss ist nur dann ≠ 0, wenn sich eine Netto­Ladung im umschlossenen Volumen befindet. ● Befindet sich eine positive Ladung im Inneren, so tritt Fluss aus ( > 0 ). E ● Befindet sich eine negative Ladung im Inneren, so tritt Fluss ein ( E < 0 ). ● Das ist der Ursprung des Gauss'schen Gesetzes mit dem wir uns nun befassen. Übrigens gilt diese Flussdefinition im übertragenen Sinn auch für strömende Fluide (Flüssigkeiten, Gase, Plasmen). In diesem Fall ist E(r) durch das Geschwindigkeitsvektorfeld v(r) zu ersetzen. 2.2 – Gauss'sches Gesetz Das Gauss'sche Gesetz formuliert den Zusammenhang zwischen dem elektrischen Fluss durch eine geschlossene Fläche und der Ladung Qi innerhalb des von der Fläche umschlossenen Volumens: Qi ∮ E⋅d A= 0 Die Form der geschlossenen Fläche kann beliebig gewählt werden. Natürlich wird man sich durch die geometrische Symmetrie der Ladungsverteilung “inspirieren” lassen und eine “geschickte” Fläche wählen. Qi meint die Netto­Ladung innerhalb des umschlossenen Volumens. Wie die Ladung im Volumen verteilt ist, ist dabei gleichgültig. Welche Beziehung besteht zwischen dem Coulomb­Gesetz und dem Gesetz von Gauss? Wir leiten zunächst das Coulomb­Gesetz aus dem Gauss'schen Gesetz ab: Wir betrachten eine Punktladung Q und wählen als Fläche eine konzentrische Kugelschale mit Radius r. Die Symmetrie sagt uns, dass auf der Oberfläche der Kugelfläche der Betrag von E überall gleich sein muss. Auch muss E radial verlaufen. Die Integration ist deshalb einfach ( Oberfläche der Kugel: 4r2 ): A= ∮ E dA=E ∮ dA=4 r 2 E ∮ E⋅d Damit lautet das Gauss'sche Gesetz mit Qi = Q: Q =4 r 2 E 0 Auflösen nach E liefert das Coulomb­Gesetz: E= Q 4 0 r 2 Natürlich lässt sich das Gauss'sche Gesetz auch aus dem Coulomb­Gesetz herleiten. Dazu betrachtet man eine imaginäre Kugelschale konzentrisch um eine Punktladung, deren Feld wir nach Coulomb kennen. Wir sehen, dass auf der Kugeloberfläche überall das gleiche Feld herrschen muss. Das Flächenintegral ist dann schnell ausgeführt und damit das Gauss'sche Gesetz für diesen Spezialfall gezeigt. Die Flächenform ist nicht zwingend die einer Kugel. Relevant für den Fluss ist die Zahl der insgesamt durch die Fläche austretenden (eintretenden) Feldlinien. Diese hängt aber nicht von der Flächenform ab, solange alle imaginären Flächen die gleiche Netto­Ladung umschließen. Das Gauss'sche Gesetz gilt übrigens, im Gegensatz zum Coulomb­Gesetz, auch für bewegte Ladungen. Es ist der allgemeinere Zusammenhang zwischen Ladung und Feld! 2.3 – Anwendung des Gauss'sches Gesetzes Für einfache und symmetrische Ladungsanordnungen lässt sich mittels des Gauss'schen Gesetzes das elektrische Feld elegant bestimmen. Dazu muss die Integrationsfläche geschickt gewählt werden. In der Regel so, dass sie die Symmetrie der Ladungsverteilung widerspiegelt. Hörsaal­Übung: Eine elektrische Ladung Q ist homogen in Innern einer Kugel vom Radius R verteilt. Wie groß ist das Feld außerhalb und innerhalb der Kugel? Hörsaal­Übung: Ein sehr langer Draht ist homogen mit der Ladungsdichte belegt. Welches Feld herrscht außerhalb des Draht weit weg von den Drahtenden? Hörsaal­Übung: Eine sehr dünne, nichtleitende, flache Platte ist mit der homogenen Ladungsdichte belegt. Welches Feld herrscht nahe der Platte? Problemlösung – Gauss'sches Gesetz für symmetrische Ladungsverteilungen 1. Identifiziere die Symmetrie der Ladungsverteilung (sphärisch, zylindrisch, eben, etc.). 2. Zeichne eine symmetrieangepasste Gauss'sche Integrationsfläche. Die Fläche muss insbesondere auch durch den Punkt gehen, an dem die Feldstärke bestimmt werden soll. 3. Ermittle aus der Symmetrie der Ladungsverteilung die Richtung des Feldes E auf der Fläche. 4. Bestimme das Flächenintegral E∙dA. Bei geschickt gewählter Fläche sollte der Integrand E∙dA gleich 0 oder gleich ±EdA sein. 5. Berechne die von der Fläche eingeschlossene Ladung und setze den Fluss dieser Ladung gleich. Löse nach E auf.