Geschichte Marcel Weitschat Lucius Licinius Lucullus Ein Feldherr und Gentleman Essay Lucius Licinius Lucullus – Ein Feldherr und Gentleman 1 Lucius Licinius Lucullus – Ein Feldherr und Gentleman Als im Jahre 66 v. Chr. die Truppen des Lucius Licinius Lucullus während des aus römischer Sicht erfolgreich verlaufenden Dritten Mithridatischen Krieges gegen ihren Feldherren aufbegehrten, was noch im gleichen Jahr zu dessen Abberufung und Ersatz durch Gnaeus Pompeius Magnus führte, richteten sie sich tatsächlich gegen einen Normbruch: Lucullus weigerte sich, seinen Truppen die übliche Zeit für Plünderungen zuzugestehen, um auf diese Weise die Zivilbevölkerung zu schonen. Diese Plünderungen waren für den häufig mittellosen römischen Legionär in der Regel aber die einzige Möglichkeit, nach der Militärdienstzeit nicht als Bettler dazustehen, sondern sich mit einem gewissen Vermögen eine Existenz aufzubauen. Lucullus musste in Folge seiner Verwaltungsreform in der Provinz Asia, die aus der gleichen Motivation heraus erfolgte, also die Zivilbevölkerung vor den skrupellosen römischen Steuerpächtern zu schützen, gleichzeitig mit einem enormen Einbruch seines politischen Einflusses in Rom fertig werden. Dass er seine politischen Ideale und damit verbunden auch seine Treue zur römischen Republik dennoch bis zum Beginn des ersten Triumvirats im Jahr 56 v. Chr. aufrecht erhielt, erscheint aus zwei Gründen erstaunlich. Zum einen war es zur damaligen Zeit schlicht unüblich, Unterlegene zu schonen, und eine Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Gefangenen wurde schon gar nicht vorgenommen. Noch im Jahr 142 v. Chr. zerstörten die Römer Korinth, töteten die erwachsene männliche Bevölkerung und versklavten die Frauen und Kinder. Doch nicht nur die Römer verfuhren auf diese Weise. Sicherlich bedingt durch die besondere wirtschaftliche Situation der Soldaten ist es ein ursprünglich althistorisches Phänomen, eroberte Städte und Landstriche nicht nur zu plündern, sondern zugleich auch der Zivilbevölkerung großes Leid zuzufügen, sei es durch Versklavung oder durch wirtschaftliche Ausbeutung. 1 Zum anderen entstammte Lucullus zwar der Familie eines Konsuls und damit dem römischen Adel, konnte aber gerade in seiner Elterngeneration nicht auf ehrenwerte Vorfahren verweisen: Sein Vater wurde der Untreue überführt und verurteilt. Seine Mutter war zwar eine Tante von Sullas vorletzter Ehefrau, aber vor allem durch ihren unsteten Lebenswandel zu Bekanntheit gelangt. Trotz dieser ungünstigen Voraussetzung gelang es Lucullus, sowohl seine militärische als auch seine politische Karriere zügig voranzutreiben. Während des ersten Bundesgenossenkrieges diente er als Militärtribun unter Sulla und unterstützte dessen Marsch auf Rom 88 v. Chr. als Quästor. Er hielt ihm auch dann noch die Treue, als Gaius Marius und Lucius Cornelius Cinna ihr populares Schreckensregime gegen Sulla in Rom aufbauten, während dieser im Osten mit dem ersten Krieg gegen Mithridates beschäftigt war. Diese Treue sollte sich für Lucullus besonders auszahlen: Sulla, der sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Einflusses befand, setzte ihn grundsätzlich in führenden Positionen ein und beförderte dadurch systematisch seinen politischen und militärischen Aufstieg. In der Endphase des Ersten Mithridatischen Krieges erhielt er das Kommando über Sullas zunächst sehr kleine Flotte und vergrößerte diese durch sein großes Ansehen bei den hellenistischen Kleinstaaten und den Ptolemäern beträchtlich. Dieses Ansehen gründete sich auf sein hartes Durchgreifen gegen diktatorische Herrschaften in ebendiesen hellenistischen Kleinstaaten1, seinen Bildungsstand sowie auf den hohen politischen Rang, den er unter Sulla einnahm. Als Mithridates zunächst erfolgreich vertrieben wurde, legte Sulla der Provinz Asia eine Strafzahlung von 20.000 Talenten für die Unterstützung der Invasion auf und beauftragte Lucullus mit der organisatorischen Durchführung der Eintreibung. Lucullus’ Umgang mit dieser Aufgabe erscheint symptomatisch für sein Verhalten gegenüber 1 Plutarchus: The Life Of Lucullus. In: Ders.: Lives, Bd. 2 (Loeb Classical Edition); 2.2 ff. 2