Originalarbeit Bakterielle Erreger und Resistenzen bei 232 Patienten mit akutem produktivem Husten C. Bormann, W. Däubener*, H.-H. Abholz, A. Altiner Zusammenfassung Hintergrund: Bei der Symptomatik »akuter produktiver Husten« werden häufig Antibiotika eingesetzt, obwohl bekannt ist, dass nur in den wenigsten Fällen ein Nutzen zu erwarten ist. Es wird unterstellt, dass darüber hinaus noch zu breit wirkende Antibiotika, die eigentlich eher als Reserveantibiotika angesehen werden sollten, in den Einsatz gebracht werden. International gibt es aufffällig wenige Studien zu Erregern und Resistenzen. Methoden: Von Dezember 2001 bis März 2002 wurden im Raum Düsseldorf in 36 Arztpraxen insgesamt 232 Sputumproben von Patienten mit akutem produktivem Husten gesammelt und mikrobiologisch ausgewertet. Von 56 zufällig ausgewählten Patienten wurden Serumproben auf Mycoplasmen-Antikörper getestet. Ergebnisse: Insgesamt wurden in 87 der 232 Sputumproben 100 potentiell pathogene Bakterien isoliert (Haemophili (n=37), b-hämolysierende Streptokokken (n=18), Pneumokokken (n=12), Moraxella catarrhalis (n=4)). Eine bakterielle Infektion wurde bei 12 % (n=28) der Patienten als gesichert angesehen. Bei der SerumUntersuchung fand sich eine Probe mit einem erhöhten IgM-Titer gegen Mykoplasmen. Bei 83 der 100 nachgewiesenen Erreger wurde eine Resistenzbestimmung vorgenommen. Dabei konnten bei 37 Bakterien Resistenzen nachgewiesen werden. Schlussfolgerungen: Bei der Mehrzahl der Patienten ist eine Virusinfektion anzunehmen. Mykoplasmen hatten keine Bedeutung. Es konnten nur wenige klinisch relevante Resistenzen nachgewiesen werden. Erscheint eine Antibiose unverzichtbar, sind Amoxicillin und Doxycyclin nach wie vor die am ehesten geeigneten Antibiotika. Summary Bacterial pathogens and resistance in 232 patients with acute productive cough Background: Although antibiotics only have a marginal effect on acute cough, they are frequently prescribed. Furthermore, it can be assumed that broad-spectrum antibiotics that should serve as reserve-antibiotics are often used. Only few studies from a primary care setting on bacteria and resistances in patients with acute cough have been carried out. Methods: From December 2001 until March 2002 sputum samples from 232 patients suffering from acute productive cough were collected in 36 GP practices in Duesseldorf and tested micro* Institut für Mikrobiologie Uniklinikum Düsseldorf biologically. Blood-samples from 56 randomly selected patients were tested for mycoplasm-antibodies. Results: 100 potentially pathogenic bacteria were isolated in 87 of the 232 sputum samples: haemophili (n=37), b-haemolytic streptococci (n=18), pneumococci (n=12), moraxellae catarrhalis (n=4). A bacterial infection was proved in 12 % (n=28) of the patients. Re sistances were found in 37 cases. The serum investigation found one sample with a raised IgM titre against mycoplasms. Conclusions: For the majority of the patients a viral infection can be assumed. Mycoplasms did not play an important role. Only few clinically relevant resistances were found. If antibiotic treatment seems to be unavoidable, Amoxicillin and Doxycyclin still seem to be the most appropriate antibiotics. Key words Acute cough, antibiotics, bacterial pathogens, bacterial resistance Einleitung Der akute produktive Husten – in großen Teilen dekkungsgleich gebraucht mit der Diagnose »akute Bronchitis« – ist einer der häufigsten Behandlungsanlässe im ambulanten Bereich (1). Er nimmt eine Spitzenstellung unter den AU-Fällen und auch bei der Gesamtdauer bezogen auf alle Krankschreibungen ein (2). In diesem Bereich wird ein wesentlicher Teil der ambulant verordneten Antibiotika eingesetzt (3, 4). Dies geschieht, obwohl bekannt ist, dass Antibiotika in der Regel den Krankheitsverlauf nicht oder nicht nennenswert beeinflussen (5). Oftmals werden – in inadäquaten Analogien zur Resistenzlage der Kliniken – weitaus zu breit wirkende Antibiotika, die eigentlich eher als »Reserveantibiotika« angesehen werden sollten, in den Einsatz gebracht (6, 7, 8, 9). cand. med. Christiane Bormann Abteilung für Allgemeinmedizin Uniklinikum Düsseldorf D-40225 Düsseldorf E-Mail: [email protected] Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 193 Originalarbeit International gibt es auffällig wenige Studien zu Erregern und deren Resistenzen (siehe auch Tabelle 3), die aus einem allgemeinärztlichen Setting stammen. Dies mag teilweise damit erklärt werden, dass das Krankheitsbild im klinisch-stationären Bereich praktisch keine Relevanz hat und nur im Grenzbereich zur »community aquired pneumonia« wahrgenommen wird (10, 11). Vermutlich sind sowohl das Erregerspektrum als auch die Behandlungsstile aufgrund verschiedener Bedingungen und Medizinkulturen in den einzelnen Ländern unterschiedlich (7, 9, 12, 13). Daher können Ergebnisse aus der internationalen Literatur in diesem Fall nicht ohne weiteres eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen werden. Darüber hinaus ist für Therapieempfehlungen und mögliche Interventionen von Bedeutung, dass die Ärzte epidemiologische und Therapie-Daten aus ihrem eigenem Wirkungsbereich erhalten. Pointiert formuliert: Einem Hausarzt aus Nordrhein ist nur schwer zu vermitteln, dass er sein Verschreibungsverhalten zu ändern habe, weil sein Kollege in Schottland zu viele und für das dortige Erregerspektrum nicht indizierte Antibiotika verschreibt. Methoden Im Oktober 2001 wurden alle 536 in Düsseldorf, Ratingen und Neuss niedergelassenen Hausärzte (Verzeichnis KV Nordrhein 1998: hausärztlich tätige Internisten, Fachärzte für Allgemeinmedizin und praktische Ärzte) angeschrieben und eingeladen, an der hier vorgestellten Studie teilzunehmen. Die Ärzte erhielten das Angebot, alle Sputen von Patienten mit akutem produktivem Husten für einen Zeitraum von zweimal zwei Wochen unentgeltlich mikrobiologisch durch uns untersuchen zu lassen und die Ergebnisse kurzfristig zurückgemeldet zu bekommen. Daraufhin meldeten sich 42 Ärzte, die an der Studie teilnehmen wollten. Letztlich kam mit 36 Praxen eine Zusammenarbeit zustande. Kurz vor Beginn des ersten Sammelzeitraums wurden die teilnehmenden Ärzte wie auch das Praxispersonal in ihrer Praxis aufgesucht, dort ausführlich über den Studienablauf informiert und für die Sputumsammlung instruiert. Welche Patienten wurden berücksichtigt? Einschlusskriterien für die Patienten waren: Alter über 16 Jahren, Husten seit maximal drei Wochen, keine chronischen Lungenerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, 194 COPD etc.), kein Immundefizit bzw. keine immunsupprimierende Therapie. Die teilnehmenden Praxen wurden während der jeweiligen Sammelperioden täglich telefonisch kontaktiert, um nachzufragen, ob Sputumproben gesammelt wurden. Wenn dies der Fall war, wurden die Proben noch am selben Tag von einem Kurierdienst in das Institut der Mikrobiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf zur weiteren Verarbeitung transportiert. Dort untersuchte man alle Proben unter der Supervision eines Mikrobiologen. Untersuchung der Sputumproben Dabei wurden die Sputen nach Anfertigung einer GramFärbung sowohl mikroskopisch begutachtet als auch auf verschiedenen Kulturmedien angezüchtet. Diese wurden aerob, anaerob und im CO 2-Schrank inkubiert. Bei einem Nachweis eines bakteriellen Erregers auf einem Nährmedium wurde in einem zweiten Schritt eine Kolonie isoliert angezüchtet und eine Erregerbestimmung durchgeführt. Falls erforderlich wurde zusätzlich zu den üblichen Schnelltests eine biochemische Differenzierung (API) durchgeführt. Pneumokokken konnten mithilfe des Optochin-Tests identifiziert werden. Dieser Test wurde bereits auf allen Primärplatten angewendet. Bei Verdacht auf Pneumokokken kam es zu einer Wiederholung des Tests. Resistenzprüfung Für jeden isolierten Keim, der für eine Infektion des Respirationstraktes verantwortlich hätte sein können, wurde eine Resistenzprüfung durchgeführt. Einige Keime wurden bei sehr geringem Koloniewachstum nicht weiter untersucht, weil dies z.B. auf eine geringradige Kontamination und/oder natürliche Besiedelung hindeuten kann. Getestet wurden entsprechend der Routineuntersuchung des Mikrobiologischen Instituts des Uniklinikums Düsseldorf u.a. Penicillin, Oxacillin, Ampicillin, Ampicillin mit Sulbactam, Piperacillin, Mezlocillin, Cefazolin, Cefuroxim, Cefotaxim, Ceftazidim, Imipenem, Meronem, Gentamicin, Tobramicin, Levofloxacin, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Erythromycin, Clindamycin, Vancomycin und teilweise Tetracyclin. Im letzten Teil der Studie wurden zusätzlich stichprobenartig Serumproben von 56 Patienten gewonnen, die mittels Partikel-Immunoassay und ELISA auf Mycoplasmen-Antikörper (IgM) getestet wurden. Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 Originalarbeit Ergebnisse Von Dezember 2001 bis März 2002 nahmen 36 Praxen an der Untersuchung teil. Dabei wurden insgesamt Sputumproben von 232 Patienten (93 Männer und 139 Frauen im Alter von 16 bis 82 Jahren) mit akutem produktivem Husten untersucht. Die Patienten gaben an, dass der Husten im Durchschnitt acht Tage vor Konsultation ihres Hausarztes begonnen hatte (Spannbreite 1–21 Tage). Isolierte Keime Insgesamt wurden in 87 der 232 Sputumproben potentiell pathogene Bakterien und vereinzelt Candida albicans (n=9) isoliert. In 17 Proben konnte mehr als ein Erreger bestimmt werden. Insgesamt wurden 100 verschiedene Bakterien gefunden. Am häufigsten konnten Haemophili parainfluenzae (n=24), b-hämolysierende Streptokokken (n=18) (darunter einer der Gruppe A), Haemophili influenzae (n=13), Pneumokokken (n=12) und Moraxella catarrrhalis (n=4) isoliert werden. Es wurden drei Neisseriae meningitides isoliert, die jedoch bei bis zu 10 % der Bevölkerung durchaus zur physiologischen Flora gehören. Eine genaue Aufstellung zeigt Tabelle 1. Tabelle 1: Isolierte potentiell pathogene Erreger bei 232 Patienten mit akutem Husten Erreger Haemophilus parainfluenzae b-hämolysierende Streptokokken Haemophilus influenzae Streptococcus pneumoniae Candida albicans Escherichia coli Pseudomonas aeruginosa restliche gramnegative Stäbchen Staphylococcus aureus Moraxella catarrhalis Neisseria meningitidis Klebsiella pneumoniae Isoliert in n Sputen 24 18 13 12 9 7 6 6 4 4 3 3 Mykoplasmen Bei 56 zufällig ausgewählten Patienten wurde im Rahmen der Untersuchung eine Blutprobe zur Mykoplasmen-Serologie gewonnen. Nach Durchführung einer Partikel-Agglutination zeigten sich 38 Proben mit niedrigem Antikörper-Titer bis 1/160, was sich im Sinne einer möglicherweise zurückliegenden Infektion mit Mycoplasma pneumoniae deuten lässt. Nach durchgeführtem ELISA erwies sich jedoch lediglich noch eine Serumprobe als positiv, d.h. mit einem erhöhtem IgM-Titer, was auf eine akute Mykoplasmeninfektion hinweist. Nach einer Mykoplasmeninfektion ist mit einer PersisWann liegt eine bakterielle Infektion vor? tenz der IgM-Antikörper von bis zu zwölf Wochen nach Ende der Infektion zu rechnen. Die durchgeführte einDie reine Isolierung eines Keimes sagt noch nichts dar- malige serologische Untersuchung ist daher – aufgrund über aus, ob auch eine bakterielle Infektion vorliegt. Per des fehlenden Titerverlaufs (und der daraus resultierenDefinition wurde – wie in der Mikrobiologie üblich – den hohen Wahrscheinlichkeit für falsch-positive Befunfestgelegt, dass eine Sputumprobe dann als Beweis für eine bakterielle Infektion gewertet wird, wenn neben einem arttypischen Koloniewachstum der Keime in der ebenfalls durchgeführten Gramfärbung der Probe mindestens ein mäßiges Vorkommen von Leukozyten beobachtet wird. Dies erscheint plausibel, weil das Vorhandensein von Leukozyten die körperliche Auseinandersetzung mit einem Keim anzeigt, also damit auf das klinische Krankheitsbild und nicht nur auf eine Besiedlung hinweist. Entsprechend der o.a. Kriterien war eine bakterielle Infektion bei 28 Patienten gesichert. Dies entspricht einem Anteil von 12 % bei den 232 Patienten. Am häufigsten wurden Pneumokokken (n=9), Haemophili influenzae (n=5), Haemophili parainfluenzae (n=5) und Moraxella catarrhalis (n=4) als ätiologisch bedeutsame Erreger des akuten Hustens festgestellt. Abbildung 1 zeigt eine genaue Aufstellung der Erreger, die aus Sputen mit erhöh Abbildung 1: Nachgewiesene Erreger bei angenommener bakteter Granulozytenzahl isoliert wurden. rieller Infektion (n=28) β Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 195 Originalarbeit de) – nicht ausreichend geeignet, um bei einem einzelnen Patienten eine akute Mykoplasmeninfektion sicher zu diagnostizieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass bei nur einem geringen Teil der untersuchten Patienten, was formal höchstens knapp 2 % entspricht (95 % CI 0.05–9.55) eine akute Mykoplasmeninfektion vorlag. Das Problem war also bei den hier untersuchten Patienten randständig. Resistenzen Bei 83 der 114 nachgewiesenen Erreger wurde nach den oben angegebenen Kriterien eine Resistenzbestimmung vorgenommen. Insgesamt konnten bei 37 Bakterien Resistenzen nachgewiesen werden. Eine vollständige Übersicht der Resistenzprüfung kann unter http://www.med.uni-duesseldorf.de/AllgemeinMedizin/Medien/Resistenzen.htm abgerufen werden. Im Falle von Tetracyclin wären theoretisch in sechs Fälllen (davon zwei Hämophili, zwei Streptokokken, zwei E. coli) Resistenzen gegen das verordnete Antibiotikum relevant gewesen. Die Angaben für Tetracyclin wurden interpoliert, da hier nur etwa die Hälfte der in Frage kommenden Keime getestet wurde. Antibiotikaverordnungen Bei 74 der 232 Patienten wurde ein Antibiotikum verordnet. Tabelle 2 zeigt eine Aufstellung der verordneten Substanzen. Allerdings war die »Treffsicherheit« äußerst gering. Unter den 74 Patienten, denen ein Antibiotikum verordnet wurde, wurde nur in 11 Fällen eine bakterielle Infektion auch mikrobiologisch diagnostiziert. Tabelle 2: Verordnete Antibiotika Die wichtigsten nachgewiesenen Resistenzen Antibiotika (Gruppe) Es fanden sich bei den Haemophili (influenzae und parainfluenzae) bei 13 von 40 Erregern eine maximal als mäßig ablesbare Resistenz gegen Erythromycin. Bei drei Erregern zeigten sich Resistenzen jeweils gegen Ampicillin, Piperacillin und Mezlocillin, was der normalen Variation dieser Erreger in der natürlichen Resistenzausprägung entspricht. Alle 23 getesteten Streptokokken reagierten sensibel auf Penicilline. In sechs Fällen fanden sich Resistenzen gegenüber Erythromycin. Bei den gramnegativen Stäbchen zeigten sich sieben von 14 als resistent gegen Cephalosporine der ersten Generation, von diesen vier ebenfalls resistent gegen Cephalosporine der zweiten Generation und von diesen wiederum zwei sogar resistent gegen Cephalosporine der dritten Generation, davon ein Pseudomonas, dessen Resistenz gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation natürlich ist. Von diesen sieben Keimen waren alle auch gegen Penicilline resistent. Penicilline Cephalosporine Tetracycline Makrolide Gyrasehemmer Lincosamine Sulfonamide Keine Angaben Gesamt Resistenzen bei oraler Standardtherapie Würde man eine orale Standardtherapie durchführen, so verhielten sich die Bakterien theoretisch folgendermaßen: Wären alle auf Resistenzen getesteten 83 Keime mit Amoxicillin »behandelt« worden, so wären in zwölf Fälllen (davon sechs gramnegative Stäbchen, drei Hämophili) Resistenzen gegen das verordnete Antibiotikum bedeutend gewesen. Bei Erythromycin wären in 21 Fällen (davon 13 Hämophili, 6 Streptokokken) relevante Resistenzen aufgetreten. 196 Verordnungen (n) 10 6 14 24 6 3 2 9 74 Diskussion Ein grundsätzlich bedenkenswerter Aspekt in der Interpretation der hier vorgestellten Ergebnisse liegt in der quasi »naturgegebenen« diagnostischen Unschärfe der verwendeten Methoden. Dies beginnt schon bei der Sputumgewinnung und setzt sich bis zur Beurteilung der Kriterien für die Diagnosestellung eines bakteriellen Infektes fort. Die mikrobiologischen Techniken, die hier angewendet wurden, stellen für diese Untersuchung zur Zeit den Referenzstandard dar. Wollte man die Unschärfen verringern – oder zunächst überhaupt quantifizieren – müsste man einen technisch diagnostischen Aufwand betreiben (z.B. Bronchoskopie + Histologie + PCR), der für die vorliegende Fragestellung schlichtweg abwegig erscheint. Bakterielle Infektion eher selten Bei 12 % der untersuchten Sputen fand sich eher eine bakterielle Infektion als Ursache des akuten Hustens. Bei Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 Originalarbeit der Mehrzahl der Patienten ist damit eine Virusinfektion anzunehmen. Dies zeigt eine relative Übereinstimmung mit den bereits angeführten Studien aus Großbritannien und Frankreich, die mittels anderer – in der Regel indirekter – Diagnostik (z.B. CRP-Bestimmung, Rö-Thorax, Serologie) auf einen Anteil von bakteriellen Infektionen bei bis zu 1/3 der untersuchten Patienten kamen (14, 15, 16). Mykoplasmen Mykoplasmen hatten zum untersuchten Zeitpunkt am untersuchten Ort keine nennenswerte Bedeutung. Die etwa 10 % akuten Mykoplasmeninfektionen bei Patienten mit akutem Husten, die in anderen Untersuchungen beschrieben wurden (16, 17), erscheinen durch die Vorstellung von gelegentlich auftretenden »MykoplasmenEpidemien« plausibel. Die Gefahr wachsender Resistenzen In nationalen und internationalen Veröffentlichungen wird häufig auf die Gefahren wachsender Resistenzen hingewiesen. Dabei weisen Methoden und Setting der einzelnen Studien jedoch starke Unterschiede auf, was die Interpretation erschwert. So erscheint einleuchtend, dass sich bei gleichem Krankheitsbild – z.B. Community acquired pneumonia – das Resistenzspektrum wesentlich unterscheidet, wenn die Proben aus einer Allgemeinarztpraxis oder von einer Intensivstation stammen. Trotz dieser Schwierigkeiten in einer vergleichenden Beurteilung lassen sich jedoch Trends bei den Erregern von akuten Atemwegsinfektionen beschreiben. Vor allem die zunehmende Penicillinresistenz von Streptococcus pneumoniae stellt sich weltweit als ernstzunehmendes Problem dar. Für Australien und Südafrika wurden dabei Resistenzraten in bis zu 40 %, für Nordamerika in bis zu 25 % der Fällle beschrieben (18, 19). Dabei mehren sich auch die Resistenzen gegen Cephalosporine der dritten Generation (18). In Großbritannien fanden sich bei Kindern mit nachgewiesener Pneumokokken-Infektion in der Hälfte der Fälle Resistenzen gegenüber Penicillin und auch gegenüber Cotrimoxazol (20). Weit weniger sind die Niederlande, Tschechien, Österreich und Italien von der Penicillinresistenz der Pneumokokken betroffen (21). Ebenso wie gegen b-Lactamantibiotika treten bei diesem Keim auch gegen Makrolidantibiotika Resistenzen auf. Die beschriebenen Raten reichen hier von ca. 1,5 % der Fälle in den Niederlanden bis zu über 40 % in Frankreich, Australien und Südafrika (19, 21). In der hier vorgestellten Untersuchung konnten keine Resistenzen der Pneumokokken gegenüber Penicillinen nachgewiesen werden. Bei den Haemophili verhält sich die Resistenzlage sehr unterschiedlich. b-Lactamase-positive und somit Penicillin-resistente Haemophili konnten je nach Region in Europa in 0–38 % der Fälle nachgewiesen werden (21). Resistenzen gegenüber Tetracyclinen scheinen im Allgemeinen seltener aufzutreten (19). In Italien, Spanien und Frankreich wurden jedoch auch hier vereinzelt Resistenzen in bis zu 20 % der Fälle gefunden (21). In der hier vorgestellten Studie konnten kaum entsprechende Resistenzen nachgewiesen werden. Insgesamt zeigt sich, dass der Anteil von bakteriellen Resistenzen stark von Menge und Art der verschriebenen Antibiotika abhängt (22). So erklärt sich z. B., dass in den Tabelle 3: Vergleich der hier vorgestellten Studie (DHHS) mit anderen Untersuchungen (Prozentzahlen bezogen auf die Sputumgesamtzahl) Untersuchte Sputen ( n) Isolierte Bakterien ( n) davon: Pneumokokken Streptokokken Haemophilus inf. Haemophilus parainf. Staphylococcus aureus Moraxella catarrhalis Pseudomonas aeruginosa E. coli Klebsiella pneumoniae Neisseria meningitidis restliche Enterobakterien Macfarlane 2001 (GB) [14] 316 92 Macfarlane 1993 (GB) [16] 198 92 Vernejoux 1991 (F) [15] 82 32 DHHS 2002 (D) 54 (17 %) 62 (31 %) 4 (2 %) 16 (8 %) 2 (1 %) 2 (1 %) 4 (2 %) 1 (0,5 %) 5 (6 %) 4 (5 %) 13 (16 %) 12 (5 %) 18 (8 %) 13 (6 %) 24 (10 %) 4 (2 %) 4 (2 %) 6 (3 %) 7 (3 %) 3 (1 %) 3 (1 %) 6 (3 %) 31 (10 %) 7 (2 %) 5 (6 %) 3 (4 %) 2 (2 %) 232 100 Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 197 Originalarbeit skandinavischen Ländern mit strikterer Reglementierung die Zunahme von Resistenzen deutlich abgeflacht ist (23). Verglichen mit den beschriebenen internationalen Trends stellt sich das Resistenz-Phänomen in der hier vorliegenden Studie – abgesehen von den Cephalosporin-Resistenzen bei den gramnegativen Stäben – also als wenig drastisch dar. Dabei kann die hier getestete Anzahl an Keimen selbstredend nur insgesamt eine Aussage über das Phänomen bakterieller Resistenzen im untersuchten Patientenkolllektiv machen und keine Resistenzspektren für einzelne Keime ausreichend genau beschreiben. Verordnete Antibiotika Mit 31 % ist der Anteil an verordneten Antibiotika bei akutem Husten im Vergleich zu anderen Studien, die in 50 % bis zu 80 % der Fälle Antibiotika-Verordnungen fanden, verhältnismäßig gering (4, 24, 25, 26). Dies ist sicher zum Teil damit zu erklären, dass durch die Auswahl der teilnehmenden, besonders an dem Thema interessierten Ärzte ein Bias in Richtung AntibiotikaWenigverschreiber vorlag. Es erscheint aber auch plausibel, dass das kontinuierliche Feedback über den Erregernachweis oder eben auch »Erreger-Nicht-Nachweis« entschiedene interventionelle Aspekte beinhaltete, ohne dass dies eigentliches Ziel der Studie war. Wenn jedoch ein Antibiotikum verordnet wurde, dann betraf dies meist Situationen, bei denen das klinische Bild nicht zwischen bakteriellen und nicht-bakteriellen Infektionen selektieren konnte. Die Aufstellung der verordneten Antibiotika (Tabelle 2) zeigt allerdings auch hier die bereits eingangs angesprochene große Bandbreite der verschriebenen Substanzen. Dabei fällt besonders auf, dass in neun Fällen Antibiotika verordnet wurden (Gyrasehemmer, Lincosamine), die normalerweise nicht primär für die ambulante Behandlung von unkomplizierten Atemwegsinfektionen indiziert sind. Schlussfolgerungen Die Durchführung weiterer allgemeinmedizinischer Studien zur Resistenzsituation bakterieller Erreger ist wünschenswert. Nur die kombinierte Analyse mehrerer Studien wird in der Lage sein, verallgemeinerbare Ergebnisse zu liefern. Die Durchführung interessenunabhängiger Studien erscheint hierbei um so wichtiger, als dass die Veröffentlichung von Resistenzlagen von sehr unterschiedlichen Intentionen geprägt sein kann. Der (indi- 198 rekten) Schlussfolgerung, aufgrund zunehmender Resistenzen nicht etwa weniger Antibiotika, sondern möglichst umfassend wirkende neue Substanzen zu verordnen, muss entschieden entgegengetreten werden. Warum doch Antibiotika verordnet werden Ein Abweichen von einer zurückhaltenden Verschreibungs-Strategie erfolgt in der Praxis nicht unbedingt aus Unwissen, sondern aus der Sorge heraus, einem Patienten, der möglicherweise doch an einer selten vorkommmenden bakteriellen Infektion leidet, nicht die optimale Therapie zukommen lassen zu können. Es wird dabei in Kauf genommen, einen Großteil der Patienten mit einer Antibiotika-Therapie unnötig zu belasten, um eine kleine Patientengruppe zu treffen, die von der AntibiotikaTherapie eventuell profitieren könnte. Dabei sollten Ärzte eine Antibiose bei akutem Husten zur Ausnahme machen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Untersuchung kann die Empfehlung, im Regelfall bei akutem Husten keine antibiotische Therapie anzuwenden, uneingeschränkt bestätigt werden. Die am ehesten geeigneten Antibiotika Ist eine Antibiose trotz der angeführten Argumente dennoch unverzichtbar, sind Amoxicillin und Doxycyclin nach wie vor die am ehesten geeigneten Antibiotika. Cephalosporine zeigten zwar keine Resistenzen im typischen Erregerbereich des akuten Hustens, aufgrund der nachgewiesen Resistenzen im Bereich der gram-negativen Stäbe sollten sie unserer Meinung nach aber bei unkomplizierten Atemwegsinfektionen im hausärztlichen Bereich nur zurückhaltend verordnet werden, um weiteren Resistenzbildungen vorzubeugen. Literatur 1. Hager C, Abholz HH, Rose C: Der Gehalt der Allgemeinmedizin im Spiegel epidemiologischer Studien. Z Allg Med 2000; 76: 275–279 2. Badura B, Litsch M, Vetter C: Fehlzeiten-Report 2000, Springer, Heidelberg 2000 3. Bouvenot G: Prescription et consommation des antibiotiques en ambulatoire. Bull Acad Natl Med 1999;183: 601–609 4. Gonzales R, Barrett PH, Crane LA et al.: Factors associated with antibiotic use for acute bronchitis. 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Schneider, MartinaGalunder-Verlag, Nürmbrecht, 2002, Pb., 144 St., 19,00 Euro Der Text, geschrieben von einem Allgemeinmediziner, einem Hygieniker, einem Juristen und einer Biochemikerin/Managerin, gibt einen Überblick über all die Fragen, die im Zusammen hang mit Praxishygiene von Bedeutung sind. Häufig werden auch Hinweise zu Personalführung und Stil einer Praxis mitgegeben. Der Text ist sicherlich wichtig für alle, die eine Praxis eröffnen und – in der Regel aus dem Krankenhaus kommend – nicht wissen, was an Hygienemaßnahmen, über z.B. die Sterilisation hinaus, notwendig ist und welche Vorkehrungen rechtlich vorgeschrieben sind. Das Spektrum reicht von der Aufbewahrung von Medikamenten, über die verschiedenen Arten der Desinfektion von Händen, Flächen und Instrumenten bis hin zur Abfallbeseitigung, der Raumgestaltung und den Maßnahmen, die bei Verletzungen mit Infektionsgefahr zu treffen sind. Hier findet man neben den Regelungen, zahlreiche Tipps zur Durchführung. Der Text ist für meine Begriffe zu ausladend und verliert sich oft in Zusatzdingen. Ein langes Kapitel von fast 30 Seiten über Grundzüge der Qualitätssicherung mag gut und wichtig sein, aber es wurde in dem Buch schon oft genug darauf hingewiesen, dass Hygiene und Qualitätssicherung zusammengehören. Das Buch dürfte/sollte um die Hälfte kürzer sein, um seiner Funktion, als eine schnelle, übersichtliche Hilfe zu Fragen der Praxishygiene, nachzukommen. Univ.-Prof. Dr. H.-H. Abholz, Abt. Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 199