Bakterielle Erreger und Resistenzen bei 232 Patienten mit akutem

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Originalarbeit
Bakterielle Erreger und Resistenzen bei 232 Patienten mit
akutem produktivem Husten
C. Bormann, W. Däubener*, H.-H. Abholz, A. Altiner
Zusammenfassung
Hintergrund: Bei der Symptomatik »akuter produktiver Husten«
werden häufig Antibiotika eingesetzt, obwohl bekannt ist, dass
nur in den wenigsten Fällen ein Nutzen zu erwarten ist. Es wird
unterstellt, dass darüber hinaus noch zu breit wirkende Antibiotika, die eigentlich eher als Reserveantibiotika angesehen werden
sollten, in den Einsatz gebracht werden. International gibt es aufffällig wenige Studien zu Erregern und Resistenzen.
Methoden: Von Dezember 2001 bis März 2002 wurden im Raum
Düsseldorf in 36 Arztpraxen insgesamt 232 Sputumproben von
Patienten mit akutem produktivem Husten gesammelt und
mikrobiologisch ausgewertet. Von 56 zufällig ausgewählten
Patienten wurden Serumproben auf Mycoplasmen-Antikörper getestet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden in 87 der 232 Sputumproben 100
potentiell pathogene Bakterien isoliert (Haemophili (n=37), b-hämolysierende Streptokokken (n=18), Pneumokokken (n=12),
Moraxella catarrhalis (n=4)). Eine bakterielle Infektion wurde bei
12 % (n=28) der Patienten als gesichert angesehen. Bei der SerumUntersuchung fand sich eine Probe mit einem erhöhten IgM-Titer
gegen Mykoplasmen. Bei 83 der 100 nachgewiesenen Erreger
wurde eine Resistenzbestimmung vorgenommen. Dabei konnten
bei 37 Bakterien Resistenzen nachgewiesen werden.
Schlussfolgerungen: Bei der Mehrzahl der Patienten ist eine Virusinfektion anzunehmen. Mykoplasmen hatten keine Bedeutung. Es konnten nur wenige klinisch relevante Resistenzen nachgewiesen werden. Erscheint eine Antibiose unverzichtbar, sind
Amoxicillin und Doxycyclin nach wie vor die am ehesten geeigneten Antibiotika.
Summary
Bacterial pathogens and resistance in 232 patients with acute
productive cough
Background: Although antibiotics only have a marginal effect on
acute cough, they are frequently prescribed. Furthermore, it can
be assumed that broad-spectrum antibiotics that should serve as
reserve-antibiotics are often used.
Only few studies from a primary care setting on bacteria and
resistances in patients with acute cough have been carried out.
Methods: From December 2001 until March 2002 sputum samples from 232 patients suffering from acute productive cough
were collected in 36 GP practices in Duesseldorf and tested micro* Institut für Mikrobiologie Uniklinikum Düsseldorf
biologically. Blood-samples from 56 randomly selected patients
were tested for mycoplasm-antibodies.
Results: 100 potentially pathogenic bacteria were isolated in 87 of
the 232 sputum samples: haemophili (n=37), b-haemolytic streptococci (n=18), pneumococci (n=12), moraxellae catarrhalis (n=4).
A bacterial infection was proved in 12 % (n=28) of the patients. Re sistances were found in 37 cases. The serum investigation found
one sample with a raised IgM titre against mycoplasms.
Conclusions: For the majority of the patients a viral infection can
be assumed. Mycoplasms did not play an important role. Only few
clinically relevant resistances were found. If antibiotic treatment
seems to be unavoidable, Amoxicillin and Doxycyclin still seem to
be the most appropriate antibiotics.
Key words
Acute cough, antibiotics, bacterial pathogens, bacterial resistance
Einleitung
Der akute produktive Husten – in großen Teilen dekkungsgleich gebraucht mit der Diagnose »akute Bronchitis« – ist einer der häufigsten Behandlungsanlässe im ambulanten Bereich (1). Er nimmt eine Spitzenstellung unter
den AU-Fällen und auch bei der Gesamtdauer bezogen auf
alle Krankschreibungen ein (2). In diesem Bereich wird
ein wesentlicher Teil der ambulant verordneten Antibiotika eingesetzt (3, 4). Dies geschieht, obwohl bekannt ist,
dass Antibiotika in der Regel den Krankheitsverlauf nicht
oder nicht nennenswert beeinflussen (5).
Oftmals werden – in inadäquaten Analogien zur Resistenzlage der Kliniken – weitaus zu breit wirkende Antibiotika, die eigentlich eher als »Reserveantibiotika« angesehen werden sollten, in den Einsatz gebracht (6, 7, 8,
9).
cand. med. Christiane Bormann
Abteilung für Allgemeinmedizin
Uniklinikum Düsseldorf
D-40225 Düsseldorf
E-Mail: [email protected]
Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003
193
Originalarbeit
International gibt es auffällig wenige Studien zu Erregern und deren Resistenzen (siehe auch Tabelle 3), die
aus einem allgemeinärztlichen Setting stammen. Dies
mag teilweise damit erklärt werden, dass das Krankheitsbild im klinisch-stationären Bereich praktisch keine
Relevanz hat und nur im Grenzbereich zur »community
aquired pneumonia« wahrgenommen wird (10, 11).
Vermutlich sind sowohl das Erregerspektrum als auch
die Behandlungsstile aufgrund verschiedener Bedingungen und Medizinkulturen in den einzelnen Ländern
unterschiedlich (7, 9, 12, 13). Daher können Ergebnisse
aus der internationalen Literatur in diesem Fall nicht
ohne weiteres eins zu eins auf deutsche Verhältnisse
übertragen werden. Darüber hinaus ist für Therapieempfehlungen und mögliche Interventionen von Bedeutung, dass die Ärzte epidemiologische und Therapie-Daten aus ihrem eigenem Wirkungsbereich erhalten. Pointiert formuliert: Einem Hausarzt aus Nordrhein ist nur
schwer zu vermitteln, dass er sein Verschreibungsverhalten zu ändern habe, weil sein Kollege in Schottland zu
viele und für das dortige Erregerspektrum nicht indizierte Antibiotika verschreibt.
Methoden
Im Oktober 2001 wurden alle 536 in Düsseldorf, Ratingen und Neuss niedergelassenen Hausärzte (Verzeichnis
KV Nordrhein 1998: hausärztlich tätige Internisten,
Fachärzte für Allgemeinmedizin und praktische Ärzte)
angeschrieben und eingeladen, an der hier vorgestellten
Studie teilzunehmen. Die Ärzte erhielten das Angebot,
alle Sputen von Patienten mit akutem produktivem Husten für einen Zeitraum von zweimal zwei Wochen unentgeltlich mikrobiologisch durch uns untersuchen zu
lassen und die Ergebnisse kurzfristig zurückgemeldet zu
bekommen.
Daraufhin meldeten sich 42 Ärzte, die an der Studie teilnehmen wollten. Letztlich kam mit 36 Praxen eine Zusammenarbeit zustande.
Kurz vor Beginn des ersten Sammelzeitraums wurden
die teilnehmenden Ärzte wie auch das Praxispersonal in
ihrer Praxis aufgesucht, dort ausführlich über den Studienablauf informiert und für die Sputumsammlung instruiert.
Welche Patienten wurden berücksichtigt?
Einschlusskriterien für die Patienten waren: Alter über
16 Jahren, Husten seit maximal drei Wochen, keine chronischen Lungenerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale,
194
COPD etc.), kein Immundefizit bzw. keine immunsupprimierende Therapie.
Die teilnehmenden Praxen wurden während der jeweiligen Sammelperioden täglich telefonisch kontaktiert,
um nachzufragen, ob Sputumproben gesammelt wurden. Wenn dies der Fall war, wurden die Proben noch am
selben Tag von einem Kurierdienst in das Institut der
Mikrobiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf zur
weiteren Verarbeitung transportiert. Dort untersuchte
man alle Proben unter der Supervision eines Mikrobiologen.
Untersuchung der Sputumproben
Dabei wurden die Sputen nach Anfertigung einer GramFärbung sowohl mikroskopisch begutachtet als auch auf
verschiedenen Kulturmedien angezüchtet. Diese wurden aerob, anaerob und im CO 2-Schrank inkubiert. Bei
einem Nachweis eines bakteriellen Erregers auf einem
Nährmedium wurde in einem zweiten Schritt eine Kolonie isoliert angezüchtet und eine Erregerbestimmung
durchgeführt.
Falls erforderlich wurde zusätzlich zu den üblichen
Schnelltests eine biochemische Differenzierung (API)
durchgeführt. Pneumokokken konnten mithilfe des Optochin-Tests identifiziert werden. Dieser Test wurde bereits auf allen Primärplatten angewendet. Bei Verdacht
auf Pneumokokken kam es zu einer Wiederholung des
Tests.
Resistenzprüfung
Für jeden isolierten Keim, der für eine Infektion des Respirationstraktes verantwortlich hätte sein können, wurde eine Resistenzprüfung durchgeführt. Einige Keime
wurden bei sehr geringem Koloniewachstum nicht weiter untersucht, weil dies z.B. auf eine geringradige Kontamination und/oder natürliche Besiedelung hindeuten
kann.
Getestet wurden entsprechend der Routineuntersuchung des Mikrobiologischen Instituts des Uniklinikums
Düsseldorf u.a. Penicillin, Oxacillin, Ampicillin, Ampicillin mit Sulbactam, Piperacillin, Mezlocillin, Cefazolin,
Cefuroxim, Cefotaxim, Ceftazidim, Imipenem, Meronem,
Gentamicin, Tobramicin, Levofloxacin, Ciprofloxacin,
Cotrimoxazol, Erythromycin, Clindamycin, Vancomycin
und teilweise Tetracyclin.
Im letzten Teil der Studie wurden zusätzlich stichprobenartig Serumproben von 56 Patienten gewonnen, die
mittels Partikel-Immunoassay und ELISA auf Mycoplasmen-Antikörper (IgM) getestet wurden.
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Originalarbeit
Ergebnisse
Von Dezember 2001 bis März 2002 nahmen 36 Praxen
an der Untersuchung teil. Dabei wurden insgesamt Sputumproben von 232 Patienten (93 Männer und 139 Frauen im Alter von 16 bis 82 Jahren) mit akutem produktivem Husten untersucht.
Die Patienten gaben an, dass der Husten im Durchschnitt
acht Tage vor Konsultation ihres Hausarztes begonnen
hatte (Spannbreite 1–21 Tage).
Isolierte Keime
Insgesamt wurden in 87 der 232 Sputumproben potentiell pathogene Bakterien und vereinzelt Candida albicans
(n=9) isoliert. In 17 Proben konnte mehr als ein Erreger
bestimmt werden. Insgesamt wurden 100 verschiedene
Bakterien gefunden. Am häufigsten konnten Haemophili
parainfluenzae (n=24), b-hämolysierende Streptokokken
(n=18) (darunter einer der Gruppe A), Haemophili influenzae (n=13), Pneumokokken (n=12) und Moraxella catarrrhalis (n=4) isoliert werden. Es wurden drei Neisseriae meningitides isoliert, die jedoch bei bis zu 10 % der Bevölkerung durchaus zur physiologischen Flora gehören. Eine
genaue Aufstellung zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Isolierte potentiell pathogene Erreger bei 232 Patienten
mit akutem Husten
Erreger
Haemophilus parainfluenzae
b-hämolysierende Streptokokken
Haemophilus influenzae
Streptococcus pneumoniae
Candida albicans
Escherichia coli
Pseudomonas aeruginosa
restliche gramnegative Stäbchen
Staphylococcus aureus
Moraxella catarrhalis
Neisseria meningitidis
Klebsiella pneumoniae
Isoliert in n Sputen
24
18
13
12
9
7
6
6
4
4
3
3
Mykoplasmen
Bei 56 zufällig ausgewählten Patienten wurde im Rahmen der Untersuchung eine Blutprobe zur Mykoplasmen-Serologie gewonnen.
Nach Durchführung einer Partikel-Agglutination zeigten
sich 38 Proben mit niedrigem Antikörper-Titer bis 1/160,
was sich im Sinne einer möglicherweise zurückliegenden Infektion mit Mycoplasma pneumoniae deuten lässt.
Nach durchgeführtem ELISA erwies sich jedoch lediglich
noch eine Serumprobe als positiv, d.h. mit einem erhöhtem IgM-Titer, was auf eine akute Mykoplasmeninfektion hinweist.
Nach einer Mykoplasmeninfektion ist mit einer PersisWann liegt eine bakterielle Infektion vor?
tenz der IgM-Antikörper von bis zu zwölf Wochen nach
Ende der Infektion zu rechnen. Die durchgeführte einDie reine Isolierung eines Keimes sagt noch nichts dar- malige serologische Untersuchung ist daher – aufgrund
über aus, ob auch eine bakterielle Infektion vorliegt. Per des fehlenden Titerverlaufs (und der daraus resultierenDefinition wurde – wie in der Mikrobiologie üblich – den hohen Wahrscheinlichkeit für falsch-positive Befunfestgelegt, dass eine Sputumprobe dann als Beweis für
eine bakterielle Infektion gewertet wird, wenn neben einem arttypischen Koloniewachstum der Keime in der
ebenfalls durchgeführten Gramfärbung der Probe mindestens ein mäßiges Vorkommen von Leukozyten beobachtet wird. Dies erscheint plausibel, weil das Vorhandensein von Leukozyten die körperliche Auseinandersetzung mit einem Keim anzeigt, also damit auf das klinische Krankheitsbild und nicht nur auf eine Besiedlung
hinweist.
Entsprechend der o.a. Kriterien war eine bakterielle Infektion bei 28 Patienten gesichert. Dies entspricht einem
Anteil von 12 % bei den 232 Patienten. Am häufigsten
wurden Pneumokokken (n=9), Haemophili influenzae
(n=5), Haemophili parainfluenzae (n=5) und Moraxella
catarrhalis (n=4) als ätiologisch bedeutsame Erreger des
akuten Hustens festgestellt. Abbildung 1 zeigt eine genaue Aufstellung der Erreger, die aus Sputen mit erhöh Abbildung 1: Nachgewiesene Erreger bei angenommener bakteter Granulozytenzahl isoliert wurden.
rieller Infektion (n=28)
β
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Originalarbeit
de) – nicht ausreichend geeignet, um bei einem einzelnen Patienten eine akute Mykoplasmeninfektion sicher
zu diagnostizieren.
Man kann jedoch davon ausgehen, dass bei nur einem
geringen Teil der untersuchten Patienten, was formal
höchstens knapp 2 % entspricht (95 % CI 0.05–9.55) eine
akute Mykoplasmeninfektion vorlag. Das Problem war
also bei den hier untersuchten Patienten randständig.
Resistenzen
Bei 83 der 114 nachgewiesenen Erreger wurde nach den
oben angegebenen Kriterien eine Resistenzbestimmung
vorgenommen. Insgesamt konnten bei 37 Bakterien Resistenzen nachgewiesen werden.
Eine vollständige Übersicht der Resistenzprüfung kann
unter
http://www.med.uni-duesseldorf.de/AllgemeinMedizin/Medien/Resistenzen.htm abgerufen werden.
Im Falle von Tetracyclin wären theoretisch in sechs Fälllen (davon zwei Hämophili, zwei Streptokokken, zwei E.
coli) Resistenzen gegen das verordnete Antibiotikum relevant gewesen. Die Angaben für Tetracyclin wurden
interpoliert, da hier nur etwa die Hälfte der in Frage
kommenden Keime getestet wurde.
Antibiotikaverordnungen
Bei 74 der 232 Patienten wurde ein Antibiotikum verordnet. Tabelle 2 zeigt eine Aufstellung der verordneten
Substanzen.
Allerdings war die »Treffsicherheit« äußerst gering. Unter den 74 Patienten, denen ein Antibiotikum verordnet
wurde, wurde nur in 11 Fällen eine bakterielle Infektion
auch mikrobiologisch diagnostiziert.
Tabelle 2: Verordnete Antibiotika
Die wichtigsten nachgewiesenen Resistenzen
Antibiotika (Gruppe)
Es fanden sich bei den Haemophili (influenzae und parainfluenzae) bei 13 von 40 Erregern eine maximal als mäßig ablesbare Resistenz gegen Erythromycin. Bei drei
Erregern zeigten sich Resistenzen jeweils gegen Ampicillin, Piperacillin und Mezlocillin, was der normalen
Variation dieser Erreger in der natürlichen Resistenzausprägung entspricht.
Alle 23 getesteten Streptokokken reagierten sensibel auf
Penicilline. In sechs Fällen fanden sich Resistenzen
gegenüber Erythromycin.
Bei den gramnegativen Stäbchen zeigten sich sieben von
14 als resistent gegen Cephalosporine der ersten Generation, von diesen vier ebenfalls resistent gegen Cephalosporine der zweiten Generation und von diesen
wiederum zwei sogar resistent gegen Cephalosporine
der dritten Generation, davon ein Pseudomonas, dessen
Resistenz gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation natürlich ist. Von diesen sieben Keimen waren alle
auch gegen Penicilline resistent.
Penicilline
Cephalosporine
Tetracycline
Makrolide
Gyrasehemmer
Lincosamine
Sulfonamide
Keine Angaben
Gesamt
Resistenzen bei oraler Standardtherapie
Würde man eine orale Standardtherapie durchführen, so
verhielten sich die Bakterien theoretisch folgendermaßen:
Wären alle auf Resistenzen getesteten 83 Keime mit
Amoxicillin »behandelt« worden, so wären in zwölf Fälllen (davon sechs gramnegative Stäbchen, drei Hämophili) Resistenzen gegen das verordnete Antibiotikum bedeutend gewesen.
Bei Erythromycin wären in 21 Fällen (davon 13 Hämophili, 6 Streptokokken) relevante Resistenzen aufgetreten.
196
Verordnungen (n)
10
6
14
24
6
3
2
9
74
Diskussion
Ein grundsätzlich bedenkenswerter Aspekt in der Interpretation der hier vorgestellten Ergebnisse liegt in der
quasi »naturgegebenen« diagnostischen Unschärfe der
verwendeten Methoden. Dies beginnt schon bei der Sputumgewinnung und setzt sich bis zur Beurteilung der
Kriterien für die Diagnosestellung eines bakteriellen Infektes fort. Die mikrobiologischen Techniken, die hier
angewendet wurden, stellen für diese Untersuchung zur
Zeit den Referenzstandard dar. Wollte man die Unschärfen verringern – oder zunächst überhaupt quantifizieren
– müsste man einen technisch diagnostischen Aufwand
betreiben (z.B. Bronchoskopie + Histologie + PCR), der
für die vorliegende Fragestellung schlichtweg abwegig
erscheint.
Bakterielle Infektion eher selten
Bei 12 % der untersuchten Sputen fand sich eher eine
bakterielle Infektion als Ursache des akuten Hustens. Bei
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Originalarbeit
der Mehrzahl der Patienten ist damit eine Virusinfektion
anzunehmen. Dies zeigt eine relative Übereinstimmung
mit den bereits angeführten Studien aus Großbritannien
und Frankreich, die mittels anderer – in der Regel indirekter – Diagnostik (z.B. CRP-Bestimmung, Rö-Thorax,
Serologie) auf einen Anteil von bakteriellen Infektionen
bei bis zu 1/3 der untersuchten Patienten kamen (14, 15,
16).
Mykoplasmen
Mykoplasmen hatten zum untersuchten Zeitpunkt am
untersuchten Ort keine nennenswerte Bedeutung. Die
etwa 10 % akuten Mykoplasmeninfektionen bei Patienten mit akutem Husten, die in anderen Untersuchungen
beschrieben wurden (16, 17), erscheinen durch die Vorstellung von gelegentlich auftretenden »MykoplasmenEpidemien« plausibel.
Die Gefahr wachsender Resistenzen
In nationalen und internationalen Veröffentlichungen
wird häufig auf die Gefahren wachsender Resistenzen
hingewiesen. Dabei weisen Methoden und Setting der
einzelnen Studien jedoch starke Unterschiede auf, was
die Interpretation erschwert. So erscheint einleuchtend,
dass sich bei gleichem Krankheitsbild – z.B. Community
acquired pneumonia – das Resistenzspektrum wesentlich unterscheidet, wenn die Proben aus einer Allgemeinarztpraxis oder von einer Intensivstation stammen.
Trotz dieser Schwierigkeiten in einer vergleichenden Beurteilung lassen sich jedoch Trends bei den Erregern von
akuten Atemwegsinfektionen beschreiben.
Vor allem die zunehmende Penicillinresistenz von Streptococcus pneumoniae stellt sich weltweit als ernstzunehmendes Problem dar.
Für Australien und Südafrika wurden dabei Resistenzraten in bis zu 40 %, für Nordamerika in bis zu 25 % der Fällle beschrieben (18, 19). Dabei mehren sich auch die Resistenzen gegen Cephalosporine der dritten Generation
(18).
In Großbritannien fanden sich bei Kindern mit nachgewiesener Pneumokokken-Infektion in der Hälfte der
Fälle Resistenzen gegenüber Penicillin und auch gegenüber Cotrimoxazol (20). Weit weniger sind die Niederlande, Tschechien, Österreich und Italien von der Penicillinresistenz der Pneumokokken betroffen (21).
Ebenso wie gegen b-Lactamantibiotika treten bei diesem
Keim auch gegen Makrolidantibiotika Resistenzen auf.
Die beschriebenen Raten reichen hier von ca. 1,5 % der
Fälle in den Niederlanden bis zu über 40 % in Frankreich,
Australien und Südafrika (19, 21). In der hier vorgestellten Untersuchung konnten keine Resistenzen der Pneumokokken gegenüber Penicillinen nachgewiesen werden.
Bei den Haemophili verhält sich die Resistenzlage sehr
unterschiedlich. b-Lactamase-positive und somit Penicillin-resistente Haemophili konnten je nach Region in
Europa in 0–38 % der Fälle nachgewiesen werden (21).
Resistenzen gegenüber Tetracyclinen scheinen im Allgemeinen seltener aufzutreten (19). In Italien, Spanien und
Frankreich wurden jedoch auch hier vereinzelt Resistenzen in bis zu 20 % der Fälle gefunden (21). In der hier vorgestellten Studie konnten kaum entsprechende Resistenzen nachgewiesen werden.
Insgesamt zeigt sich, dass der Anteil von bakteriellen Resistenzen stark von Menge und Art der verschriebenen
Antibiotika abhängt (22). So erklärt sich z. B., dass in den
Tabelle 3: Vergleich der hier vorgestellten Studie (DHHS) mit anderen Untersuchungen
(Prozentzahlen bezogen auf die Sputumgesamtzahl)
Untersuchte Sputen ( n)
Isolierte Bakterien ( n)
davon:
Pneumokokken
Streptokokken
Haemophilus inf.
Haemophilus parainf.
Staphylococcus aureus
Moraxella catarrhalis
Pseudomonas aeruginosa
E. coli
Klebsiella pneumoniae
Neisseria meningitidis
restliche Enterobakterien
Macfarlane 2001
(GB) [14]
316
92
Macfarlane 1993
(GB) [16]
198
92
Vernejoux 1991 (F)
[15]
82
32
DHHS 2002 (D)
54 (17 %)
62 (31 %)
4 (2 %)
16 (8 %)
2 (1 %)
2 (1 %)
4 (2 %)
1 (0,5 %)
5 (6 %)
4 (5 %)
13 (16 %)
12 (5 %)
18 (8 %)
13 (6 %)
24 (10 %)
4 (2 %)
4 (2 %)
6 (3 %)
7 (3 %)
3 (1 %)
3 (1 %)
6 (3 %)
31 (10 %)
7 (2 %)
5 (6 %)
3 (4 %)
2 (2 %)
232
100
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Originalarbeit
skandinavischen Ländern mit strikterer Reglementierung die Zunahme von Resistenzen deutlich abgeflacht
ist (23).
Verglichen mit den beschriebenen internationalen
Trends stellt sich das Resistenz-Phänomen in der hier
vorliegenden Studie – abgesehen von den Cephalosporin-Resistenzen bei den gramnegativen Stäben – also als
wenig drastisch dar.
Dabei kann die hier getestete Anzahl an Keimen selbstredend nur insgesamt eine Aussage über das Phänomen
bakterieller Resistenzen im untersuchten Patientenkolllektiv machen und keine Resistenzspektren für einzelne
Keime ausreichend genau beschreiben.
Verordnete Antibiotika
Mit 31 % ist der Anteil an verordneten Antibiotika bei
akutem Husten im Vergleich zu anderen Studien, die in
50 % bis zu 80 % der Fälle Antibiotika-Verordnungen fanden, verhältnismäßig gering (4, 24, 25, 26).
Dies ist sicher zum Teil damit zu erklären, dass durch die
Auswahl der teilnehmenden, besonders an dem Thema
interessierten Ärzte ein Bias in Richtung AntibiotikaWenigverschreiber vorlag. Es erscheint aber auch plausibel, dass das kontinuierliche Feedback über den Erregernachweis oder eben auch »Erreger-Nicht-Nachweis« entschiedene interventionelle Aspekte beinhaltete, ohne
dass dies eigentliches Ziel der Studie war.
Wenn jedoch ein Antibiotikum verordnet wurde, dann
betraf dies meist Situationen, bei denen das klinische
Bild nicht zwischen bakteriellen und nicht-bakteriellen
Infektionen selektieren konnte.
Die Aufstellung der verordneten Antibiotika (Tabelle 2)
zeigt allerdings auch hier die bereits eingangs angesprochene große Bandbreite der verschriebenen Substanzen.
Dabei fällt besonders auf, dass in neun Fällen Antibiotika verordnet wurden (Gyrasehemmer, Lincosamine), die
normalerweise nicht primär für die ambulante Behandlung von unkomplizierten Atemwegsinfektionen indiziert sind.
Schlussfolgerungen
Die Durchführung weiterer allgemeinmedizinischer Studien zur Resistenzsituation bakterieller Erreger ist wünschenswert. Nur die kombinierte Analyse mehrerer Studien wird in der Lage sein, verallgemeinerbare Ergebnisse zu liefern. Die Durchführung interessenunabhängiger Studien erscheint hierbei um so wichtiger, als dass
die Veröffentlichung von Resistenzlagen von sehr unterschiedlichen Intentionen geprägt sein kann. Der (indi-
198
rekten) Schlussfolgerung, aufgrund zunehmender Resistenzen nicht etwa weniger Antibiotika, sondern möglichst umfassend wirkende neue Substanzen zu verordnen, muss entschieden entgegengetreten werden.
Warum doch Antibiotika verordnet werden
Ein Abweichen von einer zurückhaltenden Verschreibungs-Strategie erfolgt in der Praxis nicht unbedingt aus
Unwissen, sondern aus der Sorge heraus, einem Patienten, der möglicherweise doch an einer selten vorkommmenden bakteriellen Infektion leidet, nicht die optimale
Therapie zukommen lassen zu können. Es wird dabei in
Kauf genommen, einen Großteil der Patienten mit einer
Antibiotika-Therapie unnötig zu belasten, um eine kleine Patientengruppe zu treffen, die von der AntibiotikaTherapie eventuell profitieren könnte.
Dabei sollten Ärzte eine Antibiose bei akutem Husten
zur Ausnahme machen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Untersuchung kann die Empfehlung, im Regelfall bei akutem Husten keine antibiotische Therapie
anzuwenden, uneingeschränkt bestätigt werden.
Die am ehesten geeigneten Antibiotika
Ist eine Antibiose trotz der angeführten Argumente
dennoch unverzichtbar, sind Amoxicillin und Doxycyclin
nach wie vor die am ehesten geeigneten Antibiotika. Cephalosporine zeigten zwar keine Resistenzen im typischen Erregerbereich des akuten Hustens, aufgrund der
nachgewiesen Resistenzen im Bereich der gram-negativen Stäbe sollten sie unserer Meinung nach aber bei unkomplizierten Atemwegsinfektionen im hausärztlichen
Bereich nur zurückhaltend verordnet werden, um weiteren Resistenzbildungen vorzubeugen.
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Zur Person
Christiane Bormann, Leutnant im
Sanitätsdienst der Bundeswehr, Medizinstudentin in Düsseldorf, Doktorandin in
der Abteilung für Allgemeinmedizin.
Die veröffentlichte Studie ist Teil der
Promotion.
Buchtipp
Hygienepraxis – Praxishygiene
A.-W. Bödecker, V. Hingst, K. Kemper, A. Schneider, MartinaGalunder-Verlag, Nürmbrecht, 2002, Pb., 144 St., 19,00 Euro
Der Text, geschrieben von einem Allgemeinmediziner, einem
Hygieniker, einem Juristen und einer Biochemikerin/Managerin, gibt einen Überblick über all die Fragen, die im Zusammen hang mit Praxishygiene von Bedeutung sind. Häufig werden
auch Hinweise zu Personalführung und Stil einer Praxis mitgegeben. Der Text ist sicherlich wichtig für alle, die eine Praxis
eröffnen und – in der Regel aus dem Krankenhaus kommend –
nicht wissen, was an Hygienemaßnahmen, über z.B. die Sterilisation hinaus, notwendig ist und welche Vorkehrungen rechtlich vorgeschrieben sind. Das Spektrum reicht von der Aufbewahrung von Medikamenten, über die verschiedenen Arten
der Desinfektion von Händen, Flächen und Instrumenten bis
hin zur Abfallbeseitigung, der Raumgestaltung und den Maßnahmen, die bei Verletzungen mit Infektionsgefahr zu treffen
sind. Hier findet man neben den Regelungen, zahlreiche Tipps
zur Durchführung.
Der Text ist für meine Begriffe zu ausladend und verliert sich
oft in Zusatzdingen. Ein langes Kapitel von fast 30 Seiten über
Grundzüge der Qualitätssicherung mag gut und wichtig sein,
aber es wurde in dem Buch schon oft genug darauf hingewiesen, dass Hygiene und Qualitätssicherung zusammengehören.
Das Buch dürfte/sollte um die Hälfte kürzer sein, um seiner
Funktion, als eine schnelle, übersichtliche Hilfe zu Fragen der
Praxishygiene, nachzukommen.
Univ.-Prof. Dr. H.-H. Abholz, Abt. Allgemeinmedizin,
Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Z. Allg. Med. 2003; 79: 193–199. © Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003
199
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