kompletten Artikel lesen (pdf-Datei)

Werbung
Forschung
8
9
Abb. 8
Kompressionsschlauchverbände (Jobst-Verbände)
Abb. 9/10
Ausgedehnte zervikale und
prästernale Keloide
10
im Sinne der RETE-Leisten entsteht jedoch nur bei der
Verbindung zwischen Epidermis und Dermis.
Nachbehandlung
Es ist wichtig, dass die vollständig epithelisierten
Transplantate und Entnahmestellen gut gepflegt
(rückfettende Salben) und über die Dauer von cirka ein
bis zwei Jahren vor der Sonne geschützt (Sunblocker)
werden.
Bei ausgedehnten Verbrennungen sollte unmittelbar nach Abklingen des Verbrennungsödems, d. h.
etwa ab dem dritten posttraumatischen, spätestens
jedoch ab dem sechsten postoperativen Tag, mit
einer Physio-/Ergotherapie begonnen werden, um der
Ausbildung von Kontrakturen entgegenzuwirken und
darüber hinaus eine gute Atemgymnastik und Thromboseprophylaxe zu bieten. Außerdem ist es wichtig,
dass im Bereich von Verbrennungen vom Grad IIb und
III Kompressionsschlauchverbände (Jobst-Verbände)
angepasst werden, die die Patienten für die Dauer
von 12-18 Monaten tragen. In dieser Zeit sind die
Narben aktiv, d. h. durch kontinuierlichen Druck wird
die Kollagenbildung verringert und eine Regeneration
in parallel verlaufende Bindegewebsfasern ermöglicht
(Abb. 7). Dennoch wird es in vielen Fällen unumgänglich sein, schwere Kontrakturen chirurgisch aufzulösen.
Dabei steht der Plastischen Chirurgie eine Vielzahl von
Möglichkeiten von einfachen lokalen Lappenplastiken
bis hin zu aufwendigen rekonstruktiven Verfahren mittels freier Lappenplastiken zur Verfügung (Abb. 8/9).
Zusammenfassung wichtiger Therapieprinzipien
1. Kühlung – ein entscheidender Faktor im Rahmen der
Erste-Hilfe-Maßnahmen.
2. Keine Anwendung von Salbenverbänden bei unklarer Verbrennungstiefe.
3. Transfer in ein speziell ausgerüstetes Verbrennungszentrum: Verbrennungen > 10 % BSA, Verbrennungen von Gesicht, Händen, Hals Axilla, Anogenitalregion, Verdacht auf Inhalationstrauma.
䡲
J. Dissemond, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Essen
Bedeutung der Ernährung für die Wundheilung bei Patienten mit Ulcus cruris
Einleitung
Der Begriff Wunde ist definiert als Verlust der Integrität eines Organs durch exogene oder endogene Faktoren. Das am häufigsten von einer Wunde betroffene
Organsystem ist die Haut, die mit ca. 2 m² auch das
größte Organ des Menschen darstellt. In den westlichen Industrienationen leiden 1-2 % der Bevölkerung
unter einer chronischen Wunde. Die Inzidenz steigt
jedoch erheblich mit zunehmendem Lebensalter an. So
wird die Inzidenz jenseits des 80. Lebensjahres bereits
mit 4-5 % angegeben. Die Zahl der in Deutschland an
einer chronischen Wunde leidenden Patienten wird auf
2-4 Millionen geschätzt, von denen 60-80 % ein Ulcus
cruris aufweisen.
Als Ulcus cruris wird ein Gewebedefekt bezeichnet, der über die Epidermis hinausreicht und
am Unterschenkel lokalisiert ist. Somit beschreibt
der Terminus Ulcus cruris lediglich ein Symptom,
16
HARTMANN WundForum 2/2005
jedoch keine Diagnose. Erst durch einen weiteren
Zusatz wie beispielsweise Ulcus cruris venosum kann
das eigentliche Krankheitsbild beschrieben werden.
Die Ursachen für die Entstehung eines Ulcus cruris
können sehr vielfältig sein. Jedoch findet sich bei etwa
70-80 % der Patienten mit einem Ulcus cruris eine
chronische venöse Insuffizienz.
Ein Ulcus cruris bedingt durch die Entstehung von
Schmerz, Juckreiz, Geruch und Bewegungseinschränkung oft zahlreiche soziale und psychische Probleme
der Betroffenen. Der prinzipielle und sukzessive Ablauf
der Wundheilung chronischer Wunden ist im Vergleich
zu akuten Wunden gestört und stagniert meist in der
Phase der Inflammation, seltener auch in der Phase
der Granulation. Physiologisch kommt es im Rahmen
einer Wundheilung zu einem kontrollierten Auf- und
Abbau der verschiedenen Bestandteile einer Wunde.
Das Verhältnis dieser anabolen und katabolen Prozes-
Forschung
se ist in chronischen Wunden zugunsten der katabolen
Prozesse verschoben.
Malnutrition
Die meisten der Patienten mit einem Ulcus cruris
sind älter als 60 Jahre. Der Begriff Malnutrition beschreibt einen Zustand der Fehl- oder Mangelernährung, der sowohl durch einen quantitativen als auch
durch einen qualitativen Mangel adäquater Nahrungsbestandteile zustande kommt und insbesondere bei
älteren Patienten gefunden werden kann. Eine Malnutrition kann aber auch durch einen erhöhten Verbrauch
von Nährstoffen bedingt sein. Bei vielen Patienten mit
dem Nachweis einer Malnutrition werden ein Appetitmangel, fehlerhafte Essgewohnheiten, Neoplasien,
Kau- und Schluckstörungen oder Probleme bei Erwerb
und Zubereitung von Nahrung beschrieben. Bedingt
durch eine Malnutrition kann insbesondere bei älteren,
oft multimorbiden Patienten mit einem Ulcus cruris
gehäuft eine katabole Stoffwechsellage objektiviert
werden.
Katabolismus
Der Katabolismus ist ein wesentlicher Kofaktor in
der Entstehung einer Malnutrition, die ihrerseits die
Wundheilung verzögert und so wiederum die katabole
Stoffwechsellage verschlechtert (Tab. 1). Die Patienten
befinden sich somit in einem Circulus vitiosus. Eine
typische serologische katabole Zytokinkaskade wird
durch eine vermehrte Expression von Interleukin-1 gekennzeichnet. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer
vermehrten Generierung von Interleukin-6, TNF-α und
Cortisol.
In zahlreichen klinischen Studien mit älteren Patienten, die teilweise auch unter einem Ulcus cruris litten,
konnte bei dem sehr heterogenen multimorbiden untersuchten Patientenklientel ein Mangel in bis zu 85 %
an Zink, in bis zu 75 % an Albumin, in bis zu 60 % an
Eisen, in bis zu 56 % an Vitamin C, in bis zu 26 % an
Vitamin E, in bis zu 17 % an Folsäure sowie gehäuft
ein Mangel an Kalzium oder Vitamin B6 gefunden
werden.
Exemplarisch wurde für das Vorliegen eines Proteinmangels gezeigt, dass eine Korrelation mit den zunehmenden Lebensjahren, insbesondere jedoch nach dem
70. Lebensjahr besteht. In einer Untersuchung von
Patienten mit einem Ulcus cruris venosum fiel zudem
auf, dass, obwohl ca. 50 % der Patienten übergewichtig waren, bei 85 % der Patienten eine mangelhafte Kalorienzufuhr und bei 84 % eine Malnutrition
bestimmt werden konnte. Es ist daher sinnvoll, bei
älteren Patienten mit einem therapierefraktären Ulcus
cruris serologische Parameter zur Objektivierung einer
Malnutrition zu bestimmen (Tab. 2). Zusätzlich kann
der Body-Mass-Index (BMI) über das Gewicht in kg ge-
Bedarf an Nahrungsbestandteilen
Tab. 1
Bei allen Angaben, die nicht als Absolutwert benannt werden,
bezieht sich die Menge auf pro Kilogramm Körpergewicht und
pro Tag.
Fette
0,8 - 1,5 g
Flüssigkeit
25 - 40 ml
Kalorien
30 - 40 kcal
Kalzium
5 mg
Kohlenhydrate
4-5g
Proteine
1,5 g
Vitamin C
10 mg
Zink
0,5 mg
teilt durch die Körpergröße in m² ermittelt werden. Bei
Vorliegen einer Kachexie liegt der BMI unter 14. Genauere Angaben bezüglich des Körperkompartiments
können mit der so genannten Bioimpedanz-Methode
über die Ermittlung des elektrischen Widerstandes
objektiviert werden.
Oxidativer Stress
Als reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bezeichnet
man alle Sauerstoffverbindungen, die eine größere
Reaktivität als der molekulare Sauerstoff besitzen.
Der menschliche Organismus verbraucht täglich etwa
250 g Sauerstoff, von dem 2-5 % in ROS umgewandelt
werden. Durch die Entstehung von größeren Mengen
ROS kann das körpereigene antioxidative System überfordert werden. Es resultiert oxidativer Stress, der sich
als ein Missverhältnis zwischen dem Auftreten von ROS
und antioxidativen Schutzmaßnahmen definiert.
In sämtlichen Phasen der Wundheilung spielen ROS
eine entscheidende Rolle. In der initialen inflammatorischen Phase sind ROS wesentlich an der Abwehr von
die Wunde invadierenden Bakterien beteiligt. Im Rahmen der Bildung eines kapillarreichen Granulationsgewebes sind ROS ein wichtiger Faktor der Induktion der
Angiogenese, und in der abschließenden Phase der
Epithelisation induzieren ROS die kontrollierte Proteolyse bei der Adaptation des neuen Ersatzgewebes an
die Wundränder.
Aerob lebende Zellen sind mit einer Vielzahl von
primären und sekundären Schutzmechanismen gegenüber oxidativen Schäden ausgestattet. Antioxidative Mechanismen der Haut stehen im Dienste der
Metabolisierung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). Sie
sollen das für physiologische Funktionen essenzielle
Gleichgewicht zwischen prooxidativen und antioxidativen Einflüssen gewährleisten. Antioxidantien können
in enzymatische und nichtenzymatische Antioxidantien
unterteilt werden. Die meisten der enzymatischen Antioxidantien sind obligat von der exogenen Zufuhr von
Spurenelementen abhängig. Als Spurenelemente werden chemische Elemente bezeichnet, deren Anteil an
Der Autor:
PD Dr. med. Joachim
Dissemond,
Universitätsklinikum Essen,
Klinik und Poliklinik für
Dermatologie, Venerologie und Allergologie,
Hufelandstraße 55,
45147 Essen
joachimdissemond@
hotmail.com
HARTMANN WundForum 2/2005 17
Forschung
Ernährungsparameter
Tab. 2
für die Objektivierung einer Malnutrition (modifiziert nach Seiler)
Serologie
Albumin g/l
Cholinesterase E/ml
Eisen µmol/l
Lymphozyten/mm³ (x 10³)
Retinol-Bindungsprotein mg/l
Transferrin g/l
Zink
Norm
Mangel
45 - 35
> 7,0
33 - 9,5
5 - 1,8
60 - 50
4,0 - 2,5
22,9 - 10,7
< 28
< 4,9
< 4,9
< 1,4
< 38
< 1,7
< 8,9
ausgeprägter
Mangel
< 22
< 2,9
< 2,5
< 0,9
< 30
< 1,0
< 6,0
der Gesamtkörpermasse weniger als 0,01 % beträgt.
Etwa 35 % aller Enzyme enthalten ein Metallion als
wesentlichen funktionellen Bestandteil. Beispielsweise
sind die Superoxiddismutasen (SOD) Metallo-ProteinKomplexe. So gibt es eine SOD mit Mangan oder mit
Kupfer und Zink. Der Aufbau des aktiven Zentrums der
Glutathionperoxidasen (GPx) ist hingegen obligat von
Selen abhängig.
Nichtenzymatische Antioxidantien umfassen eine
stetig wachsende Anzahl unterschiedlichster Moleküle
und Verbindungen wie beispielsweise die Vitamine A,
E, C oder Carotinoide, bioorganische Moleküle des
menschlichen Organismus wie Harnsäure, GlutathionDerivate oder Transferrin. Im Gegensatz zu den enzymatischen Antioxidantien werden nichtenzymatische
Antioxidantien durch das Abfangen von Radikalen immer auch selbst radikalisch. So konnte beispielsweise
für den physiologischen Hauptgegenspieler der Lipidperoxidation, das fettlösliche α-Tocopherol (Vitamin
E), gezeigt werden, dass radikalisches α-Tocopherol
erst durch Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Glutathion
wieder in seinen ursprünglichen stabilen Zustand
überführt werden kann und anschließend wieder als
Antioxidans zur Verfügung steht.
Nutraceutical
Die Industrie suggeriert in den letzten Jahren verstärkt, dass die Nahrungsergänzung beispielsweise
durch Vitamin- und Nährstoffpräparate oder angeblich
isotone Getränke („functional drinks“) eine Steigerung
des Wohlbefindens, der Leistungsfähigkeit und letztlich auch der Wundheilung bewirken soll. Diese Nahrungsergänzungen haben zu einer Metamorphose vom
Lebensmittel zum leistungssteigernden Therapeutikum
geführt. Hierfür wurde die Bezeichnung Nutraceuticals
geprägt, die die Begriffe nutrient und pharmaceutical
vereint. Zu den Bestandteilen dieser Nutraceuticals
zählen neben Elektrolyten und Vitaminen auch zahlreiche Antioxidantien und in enzymatischen Antioxidantien enthaltene essenzielle Spurenelemente. Eine Supplementierung von nutritiven Antioxidantien oder von
essenziellen Spurenelementen, die in enzymatischen
18
HARTMANN WundForum 2/2005
Antioxidantien enthalten sind, könnte auch wegen
einer mit zunehmendem Lebensalter beobachteten
Aktivitätsminderung von Antioxidantien und steigendem zellulären Gehalt an ROS insbesondere für ältere
Patienten mit chronischen Wunden sinnvoll sein.
Therapie
Nach Objektivierung eines Nährstoffmangels muss
mit dem Patienten und/oder seinem sozialen Umfeld
gemeinsam besprochen werden, ob eine ausreichende, bewusste Ernährungsumstellung realisiert werden
kann. Andernfalls sollte eine gezielte Substitution
erfolgen, die entweder peroral, via perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG) oder totaler parenteraler Ernährung (TPE) erfolgen kann. Oft ist auch eine
adjuvante Therapie von beispielsweise Infekten oder
Depression erforderlich.
Es ist sicherlich unumstritten, dass bei Patienten
mit einer Malnutrition ein nachgewiesener Mangel an
Nahrungsbestandteilen supplementiert werden sollte.
So konnte in einer systemischen Cochrane-Übersichtsarbeit eine Beschleunigung der Wundheilung bei Patienten mit Ulcus cruris venosum oder Ulcus cruris arteriosum durch Zinksubstitution gezeigt werden, wenn
zuvor bei diesen Patienten ein Zinkmangel vorlag. Ein
weiterer denkbarer therapeutischer Ansatz könnte die
Behandlung mit Antioxidantien wie dem Epigallocatechin-3-gallate (EGCG) sein, das beispielsweise in grünem Tee enthalten ist. So konnte zumindest in vitro bei
humanen dermalen Fibroblasten gezeigt werden, dass
EGCG vor oxidativer Schädigung und Aktivierung der
nachgeschalteten Signalkaskade wie beispielsweise
der Transkriptionsfaktoren NF-κB oder AP-1 schützen
kann. Es muss jedoch auch beachtet werden, dass nur
das fein abgestimmte Zusammenspiel aller Nahrungsbestandteile einen protektiven Effekt garantiert. Ansonsten können auch prooxidative Effekte bis hin zur
Karzinogenese durch Substanzen wie beispielsweise
Vitamin C, β-Caroten oder Vitamin A resultieren.
Fazit
Ein nachgewiesener Nährstoffmangel bedingt eine
Verminderung der Proteinsynthese sowie der Zellproliferation und prolongiert somit eine ohnehin gestörte
Wundheilung. Bei der derzeitigen Datenlage können
jedoch abschließend noch keine Empfehlungen zu der
systemischen oder topischen Applikation von Vitaminen oder Spurenelementen für die Primär- oder Sekundärprävention für Patienten mit einem Ulcus cruris ausgesprochen werden. Es erscheint jedoch angebracht,
insbesondere bei älteren und/oder kachektischen
Patienten mit einem therapierefraktären Ulcus cruris
eine Malnutrition auch serologisch zu objektivieren.
Bei Nachweis einer Malnutrition sollte eine spezifische
gezielte Supplementierung erfolgen.
䡲
Herunterladen