Analysis Prof. Dr. Peter Becker Fachbereich Informatik Sommersemester 2015 17. Juni 2015 Lösungen zu Aufgabenblatt 11P Aufgabe 1 (Regelfunktionen) (a) Zeigen Sie: f (x) = x2 ist eine Regelfunktion auf dem Intervall [0, 1]. (b) Zeigen Sie, dass die Funktion f : [0, 1] → R mit 1 für x ∈ Q f (x) = 0 für x ∈ /Q keine Regelfunktion ist. Bemerkung: Mit dem Integralbegriff für Regelfunktionen ist die Funktion f (die sogenannte Dirichlet-Funktion) somit nicht integrierbar. Ebenso ist f nicht Riemann-integrierbar. Dagegen ist f aber sehr wohl Lebesgue-integrierbar. Die Menge der rationalen Zahlen ist abzählbar und bildet in der überabzählbaren Menge [0, 1] ⊆ R eine Teilmenge vom Maß null, auch Nullmenge genannt. Daher hat auch das Lebesgue-Integral über diese Funktion den Wert null. Lösung: (a) Um zu zeigen, dass f (x) = x2 auf [0, 1] eine Regelfunktion ist, müssen wir eine Folge (Tn ) von Treppenfunktionen angeben, die gleichmäßig gegen f konvergiert (vgl. Definition 6.8). Zur Konstruktion der Treppenfunktionen Tn nutzen wir die gleiche Unterteilung wie in Beispiel 6.9. Demnach teilen wir für Tn das Intervall [0, 1] in n Intervall der Breite n1 auf. Die Intervalle sind jeweils rechtsoffen, also ist das i-te Intervall [ i−1 , i ). Weil auch das n-te n n Intervall rechtsoffen ist, muss der Funktionswert für x = 1gesondert definiert werden. Im 2 i-ten Intervall hat dann Tn (x) den Funktionswert ai := ni . Also ( i−1 i i 2 für x ∈ , , i = 1, . . . , n n n n Tn (x) = . 1 für x = 1 Im jedem Intervall i gilt ai − x2 ≥ 0 und die größte Abweichung zwischen ai und x2 tritt an der linken Intervallgrenze auf. Also gilt für alle x ∈ [0, 1]: |Tn (x) − f (x)| ≤ max i=1,...,n sup ai − x 2 x∈[ i−1 ,i) n n 2 2 i i−1 ≤ max − i=1,...,n n n 2i − 1 i=1,...,n n2 2n − 1 ≤ n2 2n 2 ≤ = −→ 0. 2 n n = max (b) Ann.: Es existiert eine Folge (Tn ) von Treppenfunktionen, die auf dem Intervall [0, 1] gleichmäßig gegen 1 für x ∈ Q f (x) = 0 für x ∈ /Q konvergiert. Nach Definition der gleichmäßigen Konvergenz bedeutet dies ∀ > 0 ∃n0 ∈ N ∀n ≥ n0 ∀x ∈ [0, 1] : |Tn (x) − f (x)| < . Wir wählen = 21 . Es sei n0 die natürliche Zahl, die nach der Eigenschaft der gleichmäßigen Konvergenz existiert. Wir wählen jetzt ein beliebiges n ≥ n0 . Jede Treppenfunktion hat nur endlich viele Zwischenpunkte (die möglichen Sprungstellen). Im Intervall [0, 1] gibt es aber unendlich viele rationale Zahlen. Also muss es eine rationale Zahl y ∈ [0, 1] geben, die kein Zwischenpunkt ist, also im Intervall (xi−1 , xi ) zweier benachbarter Zwischenpunkte liegt. In diesem Intervall hat die Treppenfunktion Tn (x) den konstanten Funktionswert ai . Wegen |Tn (y) − f (y)| < , Tn (y) = ai und f (y) = 1 folgt |ai − 1| < und damit ai > 12 . Für eine irrationale Zahl y 0 aus dem Intervall (xi−1 , xi ) muss aber auch |Tn (y 0 ) − f (y 0 )| < gelten. Wegen f (y 0 ) = 0 und Tn (y 0 ) = ai folgt damit ai < 12 . Widerspruch. Aufgabe 2 (Bedeutung der gleichmäßigen Konvergenz) Auf dem Intervall [0, 1] sei f (x) = 0 für alle x ∈ [0, 1] und n für n1 ≤ x ≤ fn (x) = 0 sonst 2 n . (a) Zeigen Sie: Die Funktionenfolge (fn ) konvergiert punktweise aber nicht gleichmäßig gegen f. Z 1 Z 1 (b) Berechnen Sie f (x) dx und lim fn (x) dx. 0 n→∞ 0 Lösung: (a) Punktweise konvergent: Zu zeigen: ∀x ∈ [0, 1]∀ > 0∃n0 ∈ N∀n ≥ n0 : |fn (x) − f (x)| < . 2 Seien x ∈ [0, 1] und > 0 beliebig. Wähle n0 := x2 + 1. Damit folgt x > auch x > n2 für alle n ≥ n0 . Insbesondere gilt damit fn (x) = 0 und 2 n0 und somit |fn (x) − f (x)| = |0 − 0| = 0 < . für alle n ≥ n0 . Nicht gleichmäßig konvergent: Zu zeigen: ∃ > 0∀n0 ∈ N∃n ≥ n0 ∃x0 ∈ [0, 1] : |fn (x) − f (x)| ≥ . Wir wählen = 1. Sei n0 beliebig. Wir wählen n = n0 und x0 = 1 ≤ x0 ≤ n20 . n0 3 . 2n Insbesondere gilt also Mit diesen Definitionen folgt |fn (x0 ) − f (x0 )| = fn (x0 ) = fn0 ( 2n3 0 ) = n0 ≥ 1 = . (b) Die Funktion f (x) = 0 auf [0, 1] ist als konstante Funktion eine Treppenfunktion. Zur Darstellung als Treppenfunktion können wir bspw. m = 1, x0 = 0, x1 = 1 und a1 = 0 wählen (vgl. Definition 6.1). Damit ergibt sich (vgl. Definition 6.2): Z 1 f (x) dx = 0 1 X ai (xi − xi−1 ) = 0 · (1 − 0) = 0. i=1 Zur Darstellung der Funktion fn (x) als Treppenfunktion auf [0, 1] wählen wir m = 3, x0 = 0, x1 = n1 , x2 = n2 , x3 = 1 und a1 = 0, a2 = n, a3 = 0. Damit ergibt sich Z 1 fn (x) dx = 0 3 X ai (xi − xi−1 ) = 0 · i=1 = n· Also Z 1 = 1. n 1 fn (x) dx = lim 1 = 1. lim n→∞ 1 2 1 2 −0 +n· − +0· 1− n−0 n n n n→∞ 0 Fazit: Wenn keine gleichmäßige Konvergenz vorliegt, ist nicht garantiert, dass die Folge der Integrale gegen das Integral der Grenzfunktion konvergiert. Aufgabe 3 (Integral für Regelfunktionen) Berechnen Sie mit der Definition des Integrals für Regelfunktionen (Satz 6.10): Z 1 2 (a) x dx, Hinweis: 0 Z n X 1 k 2 = n(n + 1)(2n + 1). 6 k=1 a+1 (b) x2 dx für a ∈ R. a Lösung: 3 (a) Wir wählen als Folge von Treppenfunktionen die Folge (Tn ) aus Aufgabe 1 (a). Damit erhalten wir Z 1 Z 1 2 x dx = lim Tn (x) dx n→∞ 0 0 n 2 X i i−1 i − = lim n→∞ n n n i=1 n 1 X 2 i = lim 3 n→∞ n i=1 1 1 · n(n + 1)(2n + 1) n→∞ n3 6 2n3 + 3n2 + n 1 lim = 6 n→∞ n3 1 3 1 = lim 2 · 1 + + 6 n→∞ 2n 2n2 {z } | = lim −→1 1 = . 3 (b) Für die Berechnung des Integrals zwischen a und a + 1 wenden wir die Unterteilung aus (a) auf das Intervall [a, a + 1] an. Die Zwischenpunkte liegen dann bei a + ni und die 2 Funktionswerte in diesem Intervall für die Treppenfunktion Tn (x) sind a + ni . Eigentlich müssten wir jetzt noch zeigen, dass die so definierte Folge von Treppenfunktion auf [a, a + 1] gleichmäßig gegen f (x) = x2 konvergiert. Dies sparen wir uns hier aber, der Beweis wäre analog zum Beweis von Aufgabe 1 (a). Z a+1 Z a+1 2 x dx = lim Tn (x) dx n→∞ a a 2 n X i i i−1 = lim a+ a+ − a− n→∞ n n n i=1 n X 2ai i2 i−1 i = lim a2 + + 2 − n→∞ n n n n i=1 ! n n n a2 X 2a X 1 X 2 = lim 1+ 2 i+ 3 i n→∞ n i=1 n i=1 n i=1 = n(n + 1) 1 n(n + 1)(2n + 1) lim a2 + a + 2 3 n→∞ n | n {z } 6 | {z } −→1 1 = a2 + a + . 3 4 −→2