Entwicklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen

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Jahrbuch 2006/2007 | Rossner, Moritz | Entw icklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen Genexpression
fluoreszenzmarkierter Zelltypen im Gehirn erw achsener Mäuse
Entwicklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen
Genexpression fluoreszenzmarkierter Zelltypen im Gehirn
erwachsener Mäuse
An experimental strategy for the global gene expression profiling of
fluorescently labeled cell types in the adult mouse brain
Rossner, Moritz
Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Mit ,Genchips’ kann man die Expression aller Gene gleichzeitig untersuchen. Im Gehirn von Säugern jedoch
verhindert die extrem hohe zelluläre Komplexität die optimale Anw endung dieser Technik, beispielsw eise für
die
Analyse
von
neurologischen
Krankheitsmodellen.
Dieses
Problem
lösten
Forscher
am
MPI
für
experimentelle Medizin mithilfe transgener Mäuse, indem sie definierte Neurone mit einem fluoreszierenden
Protein
markierten.
Mit
Laser-vermittelter
Mikrodissektion
w ird
es
möglich,
ein
vollständiges
Genexpressionsprofil aus nicht mehr als 100 Neuronen zu erstellen.
Summary
'Genechips' are pow erful tools to study simultaneously the expression of essentially all genes. The enormous
cellular complexity of the mammalian brain, how ever, is a major obstacle for sensitive gene expression
profiling, for example w hen analyzing mouse models of neurological diseases. Scientist at the MPI for
Experimental Medicine have solved this problem by labeling individual cells in transgenic mice that express a
nuclear fluorescent protein. Using laser-directed microdissection, expression profiles can be obtained from as
few as 100 isolated neurons.
Genexpressionsstudien des Gehirns stellen eine besondere Herausforderung dar
Der Zugriff auf pathologisch veränderte Genexpression kann entscheidend zum besseren Verständnis von
Krankheitsprozessen beitragen. Das Gehirn von Säugern ist das komplexeste Organ des Tieres, es besteht
aus hunderten verschiedener neuronaler Zelltypen, die auf engstem Raum mit einer Vielzahl glialer Zelltypen
verflochten sind. All diese Zelltypen unterscheiden sich in ihrer Genexpression und der Empfänglichkeit
gegenüber äußeren Signalen. Standardisierte Genexpressionsstudien, die mit Proben aus Gesamthirn oder
ganzen Hirnregionen durchgeführt w erden, sind leider für funktionelle Fragen nur von eingeschränktem
Nutzen, da die räumliche und Zelltyp-spezifische Auflösung fehlt. Zusätzlich ist die Zusammensetzung der
Gesamtheit der molekularen Abschriften der DNA, der so genannten mRNAs im Gehirn, w eit höher als in allen
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anderen Gew eben; dies setzt die Empfindlichkeit der ,Genchip’-Analysen aus technischen Gründen w eiter
herab. Zudem sind Stoffw echselprozesse von Neuronen und Gliazellen im Zellverband des lebenden Tieres
w echselseitig voneinander abhängig. Auch der Versuch, diese Prozesse durch Vereinzelung von Zellen und Invitro-Kultivierung zu untersuchen, führt zw angsläufig zu artifiziellen Ergebnissen. Aus allen diesen Gründen
besteht die Notw endigkeit, ein besseres Zellmarkierungs- und Isolierungsverfahren für Genchip-Analysen im
Gehirn zu entw ickeln.
Einschränkungen bisheriger Verfahren
Von kultivierten neuronalen und glialen Zellen gibt es bereits eine Vielzahl von Genexpressionsprofilen. Diese
unter künstlichen Bedingungen (in vitro) gemachten Analysen sind allerdings nur bedingt auf die Situation im
lebenden Tier (in vivo) übertragbar. Ein w eiterer Ansatz ist das manuelle oder automatische Sortieren
fluoreszenzmarkierter Zellen nach enzymatischer und mechanischer Vereinzelung aus dem Gew ebeverband.
Dieser Vereinzelungsprozess bedarf jedoch der Inkubation bei erhöhter Temperatur, und die Zellen w erden
zw angsläufig einem mechanischen Stress ausgesetzt. Dieses Verfahren ist bei adulten Tieren allerdings nicht
einsetzbar und hilft somit nicht bei der Analyse neurodegenerativer Krankheiten. Zudem besteht eine hohe
Gefahr von Präparations-induzierten Änderungen der Genexpression, die nicht mit den eigentlich zu
untersuchenden Einflüssen im Zusammenhang stehen. Weiterhin ist die räumliche Auflösung dieser Ex-vivoProzessierung reduziert. Ein geeigneteres Verfahren, w elches auf Gew ebedünnschnitten angew andt w erden
kann, ist die Laser-vermittelte Mikrodissektion (Laser-directed Microdissection, LDM). Hierbei w ird ein präziser
hochenergetischer
Laserstrahl
eingesetzt,
um
zelluläre
Strukturen
aus
einem
Gew ebeverband
herauszuschneiden und zu isolieren. Die Anw endung von LDM zur Gew innung von Material für ,Genchips’ w ar
bisher jedoch nur nach Fixierung und klassischen histologischen Färbeverfahren möglich. Damit lassen sich
allerdings
nur
sehr
w enige
Zelltypen
im
Gehirn
spezifisch
identifizieren.
Eine
w eitere
technische
Herausforderung liegt in der Tatsache, dass ,Genchip’-Analysen nur dann erfolgreich durchgeführt w erden
können, w enn der Zugriff auf intakte mRNA möglich ist. Der Einsatz klassischer Fixierungsverfahren mit
Gew ebe-vernetzenden Substanzen ist daher nicht möglich, da diese die Struktur der empfindlichen mRNAMoleküle zerstören.
Strategie zur Isolation intakter RNA definierter Zelltypen des Gehirns
Um die Einschränkungen der bisherigen Verfahren zu überw inden, w ählten Moritz Rossner und sein Team
folgende experimentelle Strategie (siehe Abb. 1): 1) Ein fluoreszentes Protein w ird mithilfe transgener
Techniken in bestimmten Neuronen des Gehirns lebender Mäuse exprimiert. Um ohne jegliche Fixierung des
Gew ebes die zelluläre Auflösung in Gefrierschnitten zu ermöglichen (und intakte RNA durch LDM zu gew innen),
w urde eine Zellkern-lokalisierte Variante des Yellow -Fluorescent-Protein (EYFPnuc) in transgenen Tieren
exprimiert. 2+3) Die Markierung des Zellkerns ermöglicht eine nahezu kontaminationsfreie Isolierung von
großen Teilen des Zellkörpers aus gefriergetrockneten Gew ebeschnitten von Gehirnen transgener Mäuse
mittels Mikrodissektion (LDM). 4) Die Isolierung von intakter RNA ermöglicht die notw endige Vervielfältigung
und Markierung der mRNAs aus den einzeln isolierten Zellen, um 5) globale ,Genchip’-Analysen mit Microarrays
durchzuführen.
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Sche m a tische Da rste llung de s e x pe rim e nte lle n Abla ufs von
,Ge nchip’-Ana lyse n de finie rte r Ze lltype n im Ge hirn.
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Genexpressionsprofile fluoreszenzmarkierter Neurone der Gehirnrinde
In einer ersten technischen Machbarkeitsstudie w urden die Genexpressionsprofile von fluoreszenzmarkierten
Projektions-Neuronen in Schicht 5 der motorischen Großhirnrinde (Kortex) mit denen der somato-sensorischen
Großhirnrinde in transgenen Mäusen verglichen (s. Abb. 2). Funktionell aber auch morphologisch sind diese
Zelltypen nahezu identisch. Die Frage w ar, ob diese morphologisch nicht w eiter unterscheidbaren Zelltypen
allein aufgrund ihrer Einbindung in verschiedene Aufgaben molekulare Identitäten besitzen, die mit
herkömmlichen Methoden bisher nicht analysiert w erden konnten. Dazu w urden Affymetrix-,Genchips’ des Typs
‚MOE430A’ verw endet, w elche die Analyse von etw a 13.000 verschiedenen mRNA-Molekülen erlauben. Zum
Vergleich
w urden
Mikroareale
der
entsprechenden
kortikalen
Abschnitte
isoliert
(Abb. 2),
um
die
Notw endigkeit der Zelltyp-spezifisch aufgelösten Analyse anhand klarer Daten zu belegen.
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Fluore sze nz-ge ste ue rte La se r-Mik rodisse k tion e rla ubt die
Isolie rung de finie rte r ne urona le r Ze lltype n und die Ge winnung
inta k te r m R NA. (A) Fluore sze nzbild e ine s Dünnschnitte s de s
Ge hirns e ine r tra nsge ne n Ma us, in de r P roje k tionsne urone im
‚La ye r V’ (V) de s Korte x m a rk ie rt sind. Einze lne Ne urone ode r
Mik roa re a le wurde n a us de m m otorische n (MC x ) bzw. de m
som a to-se nsorische n (SSC x ) Korte x isolie rt. (B) Da rge ste llt
sind die e inze lne n Schritte (1-4) de r Mik rodisse k tion im
Fluore sze nz- und Durchlichtm odus. (C ) P C R -Ana lyse n ze ige n
die P rä zision de r Isola tione n. Da s glia le Ma rk e rge n GFAP k a nn
in de n m a rk ie rte n Ne urone n (Y) nicht de te k tie rt we rde n,
sonde rn le diglich in e ine r nicht Ze ll-se le k tive n Kontrollprobe
(N). (D) Am plifizie rte und m a rk ie rte R NA-Sonde n de finie rte r
Ne urone sind qua lita tiv hochwe rtig, wa s durch die
Größe nve rte ilung zwische n 300 und >1000 bp a nge ze igt wird.
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Spezifische Genexpressionssignaturen
Der Vergleich der Genexpressionsprofile von Motor- bzw . somato-sensorischen kortikalen Projektionsneuronen
ergab klare Unterschiede, die mit den entsprechenden Mikroarealen nicht gefunden w erden konnten. Diese
Daten verdeutlichten die Notw endigkeit des experimentellen Ansatzes. In kortikalen Motorneuronen sind z. B.
Gene, die eine Funktion im Energiestoffw echsel und der Proteinsynthese haben, stärker exprimiert als in
somato-sensorischen Neuronen (s. Abb. 3). Diese molekularen Signaturen reflektieren anscheindend einen
höheren Energiebedarf und metabolische Aktivität von Motorneuronen, vermutlich bedingt durch längere
Projektionen und eine höhere elektrische Aktivität. Motorneurone zeigen zudem eine höhere Expression von
Genen, die für den Abbau von Laktat notw endig sind, bei unveränderter Expression von Genen der Glykolyse
und des Zitronensäurezyklus (s. Abb. 3). Diese in vivo gemachten Beobachtungen untermauern die Hypothese
eines gekoppelten Stoffw echsels zw ischen Neuronen und Gliazellen (,Lactate shuttle’), zu dem bislang
lediglich In-vitro-Daten vorlagen.
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Schematische Darstellung neuronaler Stoffwechselwege zur
Herstellung des essentiellen Energieträgers ATP. Da s
Flussdia gra m m fa sst die in Ne urone n de s Motork orte x
hochre gulie rte n (gra u) bzw. nicht-re gulie rte n (we iß)
Ge ngruppe n zusa m m e n. Die Ex pre ssion de r Ge ne de r
Atm ungsk e tte (re spira tory cha in = R C I,III,IV) und de r F0F1ATP a se ist e rhöht, nicht a be r die de r Glyk olyse und de s
Zitrone nsä ure zyk lus (Trica rbox ylic Acid C ycle = TC A-C ycle ).
De r e rhöhte Be da rf de s vorlä ufige n Ene rgie trä ge rs NADH wird
ve rm utlich durch da s Ve rstoffwe chse ln von La k ta t duch die
Enzym e de s ,La cta te -Shuttle ’ ge de ck t.
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R ossne r
Die Analyse genetisch markierter Neurone des Kortex mithilfe der ,Genchips’ stellt nicht nur die technische
Machbarkeit
fest, sondern
w eist
auf die
Notw endigkeit
dieser
(auf einzelne
Zellen
beschränkten)
Vorgehensw eise hin. Das beschriebene Verfahren ist grundsätzlich für w eitere Zelltypen des Gehirns
anw endbar und w ird insbesondere bei Mausmodellen neurologischer Erkrankungen zum Einsatz kommen.
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[1] Rossner, M. J.; Hirrlinger, J.; Wichert, S. P.; Boehm, C.; Newrzella, D.; Hiemisch, H.; Eisenhardt, G.;
Stuenkel, C.; von Ahsen, O.; Nave, K.-A.
Global transcriptome analysis of genetically identified neurons in the adult cortex
Journal of Neuroscience 26, 9956-9966 (2006).
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