Entwicklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen

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Rossner, Moritz | Entwicklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen Genexpression ...
Tätigkeitsbericht 2006
Neurobiologie
Entwicklung eines Verfahrens zur Analyse der globalen
Genexpression fluoreszenzmarkierter Zelltypen im Gehirn
erwachsener Mäuse
Rossner, Moritz, E-Mail: [email protected]
Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen
Abteilung - Neurogenetik
Zusammenfassung
Mit ,Genchips’ kann man die Expression aller Gene gleichzeitig untersuchen. Im Gehirn von Säugern
jedoch verhindert die extrem hohe zelluläre Komplexität die optimale Anwendung dieser Technik,
beispielsweise für die Analyse von neurologischen Krankheitsmodellen. Dieses Problem lösten Forscher am MPI für experimentelle Medizin mithilfe transgener Mäuse, indem sie definierte Neurone mit
einem fluoreszierenden Protein markierten. Mit Laser-vermittelter Mikrodissektion wird es möglich,
ein vollständiges Genexpressionsprofil aus nicht mehr als 100 Neuronen zu erstellen.
Abstract
‚Genechips‘ are powerful tools to study simultaneously the expression of essentially all genes. The
enormous cellular complexity of the mammalian brain, however, is a major obstacle for sensitive gene
expression profiling, for example when analyzing mouse models of neurological diseases. Scientist at
the MPI for Experimental Medicine have solved this problem by labeling individual cells in transgenic mice that express a nuclear fluorescent protein. Using laser-directed microdissection, expression
profiles can be obtained from as few as 100 isolated neurons.
Genexpressionsstudien des Gehirns stellen eine besondere Herausforderung dar
Der Zugriff auf pathologisch veränderte Genexpression kann entscheidend zum besseren Verständnis
von Krankheitsprozessen beitragen. Das Gehirn von Säugern ist das komplexeste Organ des Tieres, es
besteht aus hunderten verschiedener neuronaler Zelltypen, die auf engstem Raum mit einer Vielzahl
glialer Zelltypen verflochten sind. All diese Zelltypen unterscheiden sich in ihrer Genexpression und
der Empfänglichkeit gegenüber äußeren Signalen. Standardisierte Genexpressionsstudien, die mit
Proben aus Gesamthirn oder ganzen Hirnregionen durchgeführt werden, sind leider für funktionelle
Fragen nur von eingeschränktem Nutzen, da die räumliche und Zelltyp-spezifische Auflösung fehlt.
Zusätzlich ist die Zusammensetzung der Gesamtheit der molekularen Abschriften der DNA, der so
genannten mRNAs im Gehirn, weit höher als in allen anderen Geweben; dies setzt die Empfindlichkeit
der ,Genchip’-Analysen aus technischen Gründen weiter herab. Zudem sind Stoffwechselprozesse von
Neuronen und Gliazellen im Zellverband des lebenden Tieres wechselseitig voneinander abhängig.
Auch der Versuch, diese Prozesse durch Vereinzelung von Zellen und In-vitro-Kultivierung zu untersuchen, führt zwangsläufig zu artifiziellen Ergebnissen. Aus allen diesen Gründen besteht die Notwendigkeit, ein besseres Zellmarkierungs- und Isolierungsverfahren für Genchip-Analysen im Gehirn zu
entwickeln.
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Einschränkungen bisheriger Verfahren
Von kultivierten neuronalen und glialen Zellen gibt es bereits eine Vielzahl von Genexpressionsprofilen. Diese unter künstlichen Bedingungen (in vitro) gemachten Analysen sind allerdings nur bedingt
auf die Situation im lebenden Tier (in vivo) übertragbar. Ein weiterer Ansatz ist das manuelle oder
automatische Sortieren fluoreszenzmarkierter Zellen nach enzymatischer und mechanischer Vereinzelung aus dem Gewebeverband. Dieser Vereinzelungsprozess bedarf jedoch der Inkubation bei erhöhter
Temperatur, und die Zellen werden zwangsläufig einem mechanischen Stress ausgesetzt. Dieses Verfahren ist bei adulten Tieren allerdings nicht einsetzbar und hilft somit nicht bei der Analyse neurodegenerativer Krankheiten. Zudem besteht eine hohe Gefahr von Präparations-induzierten Änderungen
der Genexpression, die nicht mit den eigentlich zu untersuchenden Einflüssen im Zusammenhang
stehen. Weiterhin ist die räumliche Auflösung dieser Ex-vivo-Prozessierung reduziert. Ein geeigneteres Verfahren, welches auf Gewebedünnschnitten angewandt werden kann, ist die Laser-vermittelte
Mikrodissektion (Laser-directed Microdissection, LDM). Hierbei wird ein präziser hochenergetischer
Laserstrahl eingesetzt, um zelluläre Strukturen aus einem Gewebeverband herauszuschneiden und zu
isolieren. Die Anwendung von LDM zur Gewinnung von Material für ,Genchips’ war bisher jedoch
nur nach Fixierung und klassischen histologischen Färbeverfahren möglich. Damit lassen sich allerdings nur sehr wenige Zelltypen im Gehirn spezifisch identifizieren. Eine weitere technische Herausforderung liegt in der Tatsache, dass ,Genchip’-Analysen nur dann erfolgreich durchgeführt werden
können, wenn der Zugriff auf intakte mRNA möglich ist. Der Einsatz klassischer Fixierungsverfahren
mit Gewebe-vernetzenden Substanzen ist daher nicht möglich, da diese die Struktur der empfindlichen
mRNA-Moleküle zerstören.
Strategie zur Isolation intakter RNA definierter Zelltypen des Gehirns
Um die Einschränkungen der bisherigen Verfahren zu überwinden, wählten Moritz Rossner und sein
Team folgende experimentelle Strategie (siehe Abb. 1): 1) Ein fluoreszentes Protein wird mithilfe
transgener Techniken in bestimmten Neuronen des Gehirns lebender Mäuse exprimiert. Um ohne jegliche Fixierung des Gewebes die zelluläre Auflösung in Gefrierschnitten zu ermöglichen (und intakte
RNA durch LDM zu gewinnen), wurde eine Zellkern-lokalisierte Variante des Yellow-FluorescentProtein (EYFPnuc) in transgenen Tieren exprimiert. 2+3) Die Markierung des Zellkerns ermöglicht
eine nahezu kontaminationsfreie Isolierung von großen Teilen des Zellkörpers aus gefriergetrockneten
Gewebeschnitten von Gehirnen transgener Mäuse mittels Mikrodissektion (LDM). 4) Die Isolierung
von intakter RNA ermöglicht die notwendige Vervielfältigung und Markierung der mRNAs aus den
einzeln isolierten Zellen, um 5) globale ,Genchip’-Analysen mit Microarrays durchzuführen.
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Abb. 1: Schematische Darstellung des experimentellen Ablaufs von ,Genchip’-Analysen definierter Zelltypen im
Gehirn.
Urheber: Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin/Rossner
Genexpressionsprofile fluoreszenzmarkierter Neurone der Gehirnrinde
In einer ersten technischen Machbarkeitsstudie wurden die Genexpressionsprofile von fluoreszenzmarkierten Projektions-Neuronen in Schicht 5 der motorischen Großhirnrinde (Kortex) mit denen der
somato-sensorischen Großhirnrinde in transgenen Mäusen verglichen (s. Abb. 2). Funktionell aber
auch morphologisch sind diese Zelltypen nahezu identisch. Die Frage war, ob diese morphologisch
nicht weiter unterscheidbaren Zelltypen allein aufgrund ihrer Einbindung in verschiedene Aufgaben
molekulare Identitäten besitzen, die mit herkömmlichen Methoden bisher nicht analysiert werden
konnten. Dazu wurden Affymetrix-,Genchips’ des Typs ‚MOE430A’ verwendet, welche die Analyse
von etwa 13.000 verschiedenen mRNA-Molekülen erlauben. Zum Vergleich wurden Mikroareale der
entsprechenden kortikalen Abschnitte isoliert (Abb. 2), um die Notwendigkeit der Zelltyp-spezifisch
aufgelösten Analyse anhand klarer Daten zu belegen.
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Abb. 2: Fluoreszenz-gesteuerte Laser-Mikrodissektion erlaubt die Isolierung definierter neuronaler Zelltypen
und die Gewinnung intakter mRNA.
(A) Fluoreszenzbild eines Dünnschnittes des Gehirns einer transgenen Maus, in der Projektionsneurone im
‚Layer V’ (V) des Kortex markiert sind. Einzelne Neurone oder Mikroareale wurden aus dem motorischen (MCx)
bzw. dem somato-sensorischen (SSCx) Kortex isoliert. (B) Dargestellt sind die einzelnen Schritte (1-4) der Mikrodissektion im Fluoreszenz- und Durchlichtmodus. (C) PCR-Analysen zeigen die Präzision der Isolationen. Das
gliale Markergen GFAP kann in den markierten Neuronen (Y) nicht detektiert werden, sondern lediglich in einer
nicht Zell-selektiven Kontrollprobe (N). (D) Amplifizierte und markierte RNA-Sonden definierter Neurone sind
qualitativ hochwertig, was durch die Größenverteilung zwischen 300 und >1000 bp angezeigt wird.
Urheber: Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin/Rossner
Spezifische Genexpressionssignaturen
Der Vergleich der Genexpressionsprofile von Motor- bzw. somato-sensorischen kortikalen Projektionsneuronen ergab klare Unterschiede, die mit den entsprechenden Mikroarealen nicht gefunden werden
konnten. Diese Daten verdeutlichten die Notwendigkeit des experimentellen Ansatzes. In kortikalen
Motorneuronen sind z. B. Gene, die eine Funktion im Energiestoffwechsel und der Proteinsynthese
haben, stärker exprimiert als in somato-sensorischen Neuronen (s. Abb. 3). Diese molekularen Signaturen reflektieren anscheindend einen höheren Energiebedarf und metabolische Aktivität von Motorneuronen, vermutlich bedingt durch längere Projektionen und eine höhere elektrische Aktivität. Motorneurone zeigen zudem eine höhere Expression von Genen, die für den Abbau von Laktat notwendig
sind, bei unveränderter Expression von Genen der Glykolyse und des Zitronensäurezyklus (s. Abb. 3).
Diese in vivo gemachten Beobachtungen untermauern die Hypothese eines gekoppelten Stoffwechsels
zwischen Neuronen und Gliazellen (,Lactate shuttle’), zu dem bislang lediglich In-vitro-Daten vorlagen.
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Abb. 3: Schematische Darstellung neuronaler Stoffwechselwege zur Herstellung des essentiellen Energieträgers
ATP. Das Flussdiagramm fasst die in Neuronen des Motorkortex hochregulierten (grau) bzw. nicht-regulierten
(weiß) Gengruppen zusammen. Die Expression der Gene der Atmungskette (respiratory chain = RCI,III,IV) und
der F0F1-ATPase ist erhöht, nicht aber die der Glykolyse und des Zitronensäurezyklus (Tricarboxylic Acid Cycle
= TCA-Cycle). Der erhöhte Bedarf des vorläufigen Energieträgers NADH wird vermutlich durch das Verstoffwechseln von Laktat duch die Enzyme des ,Lactate-Shuttle’ gedeckt.
Urheber: Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin / Moritz Rossner
Die Analyse genetisch markierter Neurone des Kortex mithilfe der ,Genchips’ stellt nicht nur die
technische Machbarkeit fest, sondern weist auf die Notwendigkeit dieser (auf einzelne Zellen beschränkten) Vorgehensweise hin. Das beschriebene Verfahren ist grundsätzlich für weitere Zelltypen
des Gehirns anwendbar und wird insbesondere bei Mausmodellen neurologischer Erkrankungen zum
Einsatz kommen.
Literaturhinweise
[1] Rossner, M. J.; Hirrlinger, J.; Wichert, S. P.; Boehm, C.; Newrzella, D.; Hiemisch, H.;
Eisenhardt, G.; Stuenkel, C.; von Ahsen, O.; Nave, K.-A.
Global transcriptome analysis of genetically identified neurons in the adult cortex
Journal of Neuroscience 26, 9956-9966 (2006).
Drittmittelfinanzierung
Dieses Projekt wurde unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die
Europäische Union.
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