Fortbildung-2008-04-Arzneistoffe-aus-dem-Meer

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PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT
Arzneistoffe
aus dem
dem
aus
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Zertifizierte Fortbildung
Bioaktive Naturstoffe spielen für die Behandlung von
Krankheiten und Verletzungen seit Anbeginn der
Menschheit eine zentrale Rolle. Schriftliche Aufzeichnungen über die Verwendung von Heilpflanzen lassen sich
anhand von Tontafeln aus Mesopotamien fast 5.000
Jahre zurück datieren. Archäologische Funde belegen,
dass Heilpflanzen sogar seit mindestens 60.000 Jahren
in Verwendung sind. Neuere Untersuchungen beweisen
sogar, dass der Gebrauch von Pflanzen z. B. zur
Behandlung von Parasitenbefall nicht auf Menschen
beschränkt ist, sondern bereits bei Menschenaffen wie
Schimpansen beobachtet wird (Huffman, 1997).
Auch heute noch ist die Natur als Quelle bioaktiver Substanzen
unverzichtbar, wie die Verkaufszahlen der weltweit am häufigsten
verkauften 20 Arzneimittel (so genannte „block buster“, die jährliche
Umsätze von mehr als einer Milliarde US Dollar erzielen) belegen:
Etwa ein Drittel dieser „block buster“ stellen Naturstoffe bzw. von
Naturstoffen abgeleitete Verbindungen dar, unter denen sich z. B.
Antibiotika, Zytostatika, ACE-Inhibitoren, Hormonpräparate oder
Cholesterinsenker befinden (Müller et al., 2000). Allein auf dem
Gebiet der Zytostatika stellen aktuell nahezu die Hälfte der im
Gebrauch befindlichen Medikamente Naturstoffe bzw. von Naturstoffen abgeleitete Substanzen dar (Newman and Cragg, 2007), wie
z. B. das Taxol, das Etoposid, die Vinca-Alkaloide oder die vom
Camptothecin abgeleiteten Substanzen Irinotecan und Topotecan.
Die zuletzt genannten Substanzen sind pflanzliche Naturstoffe oder
gehen wie das Etoposid oder die Camptothecin-Abkömmlinge
zumindest auf Leitstrukturen aus Pflanzen zurück. Jedoch ist das
Vorkommen bioaktiver Naturstoffe keineswegs auf Pflanzen oder auf
Mikroorganismen, die auf dem Land leben, beschränkt, sondern
erstreckt sich auch auf Meeresorganismen, die jedoch im Gegensatz
zu terrestrischen Organismen erst in Anfängen untersucht sind. Über
70% der Erdoberfläche ist von Ozeanen bedeckt, die jedoch vom
Menschen bislang nahezu ausschließlich als Nahrungsquelle genutzt
werden, sieht man von Ausnahmen wie der Gewinnung von AgarAgar oder Alginaten einmal ab, die zum großen Teil ebenfalls in die
Lebensmittelindustrie einfließen. Die Meere haben dem Menschen
jedoch gerade auf dem Gebiet der Arzneistoffsuche wesentlich mehr
zu bieten als gemeinhin bekannt ist.
Foto: MEV
Meer
Bis heute wurden aus Meeresorganismen wie z. B. Schwämmen,
Moostierchen, Seescheiden oder Korallen (sämtlich wirbellose Tiere),
aber auch aus Algen über 12.000 verschiedene Naturstoffe isoliert.
Viele dieser Verbindungen sind pharmakologisch aktiv und weichen
strukturell (z. B. durch das häufige Vorkommen von Halogensubstituenten) deutlich von Naturstoffen terrestrischer Organismen ab.
Bedenkt man, dass marine Organismen erst seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts systematisch auf bioaktive Naturstoffe
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Abbildung 1
Schwamm Cryptothetia crypta (Bergmann und Feeney, 1950), die als
Leitstrukturen für die Entwicklung der synthetischen Pharmaka Ara-A
und Ara-C Pate standen, die in der Virologie bzw. Onkologie eingesetzt werden. Interessanterweise stellt auch das zunächst nur als
Syntheseprodukt bekannte Ara-A einen Naturstoff dar. Es wurde
nach Markteinführung des Arzneistoffs als Inhaltsstoff der mediterranen Weichkoralle Eunicella cavolini entdeckt (De Rosa et al.,
1995). Wenn auch die aus Schwämmen isolierten Nucleosidanaloga
die ersten Verbindungen waren, die letztlich zu zugelassenen Arzneistoffen führten, so ist der Beginn einer zielgerichteten Erforschung des Potentials mariner Naturstoffe im Sinn einer Wirkstoffsuche erst auf das Jahr 1969 zu legen, als es gelang, größere Mengen an Prostaglandinderivaten aus der in der Karibik vorkommenden Weichkoralle Plexaura homomalla zu isolieren (Weinheimer und
Spraggins, 1969). Da diese Entdeckung nahezu zeitgleich zur Aufklärung der physiologischen Funktionen von Prostaglandinen im
menschlichen Körper erfolgte, setzte erstmals ein breiteres Interesse an der Erforschung mariner Naturstoffe ein.
Abbildung 2
untersucht werden und dass sich die meisten dieser Untersuchungen bislang auf diejenigen Wassertiefen beschränken, die durch den
Einsatz von Tauchern noch gut zu erreichen sind (bis etwa 50 Meter
unter der Meeresoberfläche), so wird schnell klar, dass unser heutiges Wissen über das Vorkommen bioaktiver Naturstoffe aus dem
Meer noch sehr rudimentär ist und die genannte Zahl von ca. 12.000
bekannten marinen Substanzen nur die Spitze des Eisbergs repräsentiert.
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Erste Erfolge und Schwierigkeiten mariner Wirkstoff-Forschung
Am Anfang der Erforschung pharmakologisch aktiver Naturstoffe aus
marinen Organismen stand die Entdeckung der ungewöhnlichen
Nucleosidanaloga Spongothymidin und Spongouridin aus dem
Prialt
Es ist daher sicher kein Zufall, dass es sich bei dem ersten (nach
Entwicklung von Ara-A und Ara-C) auf den Markt gekommenen marinen Arzneistoff um die synthetisch gut zugängliche Verbindung Ziconotid (Handelsname Prialt) handelt. Ziconotid (auch als omega-Toxin
MVIIA bekannt) ist ein aus 25 Aminosäuren bestehendes Peptidderivat, das im Gift von räuberischen Conus-Schnecken vorkommt, von
den Schnecken mittels eines harpunenartigen Mechanismus in Beutetiere wie z. B. kleinere Fische injiziert wird und diese nahezu sofort
lähmt. Das Gift der Conus-Schnecken, das auch Menschen, die beim
Sammeln der bei Sammlern begehrten Gehäuse gestochen werden,
gefährlich werden kann, besteht aus einem komplex zusammengesetzten „Cocktail“ verschiedener kleinerer Peptide, die Ionenkanäle
blockieren und so ihre Beutetiere lähmen. Prialt kam im Jahr 2005
als neues Schmerzmittel zur Behandlung schwerer Schmerzzustände z. B. bei Krebspatienten oder bei Patienten, die unter schweren
chronischen Schmerzen leiden und bislang mit Morphium behandelt
wurden, auf den Markt. Es besitzt einen anderen Wirkmechanismus
als Morphium und hemmt durch Blockierung von N-Typ Calciumka-
Foto: MEV; Abbildungen: Proksch
Trotz aller Anstrengungen, die seitdem auf diesem Gebiet unternommen wurden, dauerte es noch über dreißig Jahre, bis der
nächste Arzneistoff aus dem Meer (nach den erwähnten Nucleosidanaloga) auf den Markt kommen sollte. Die Ursachen für diese lange
lag-Phase liegen nicht darin begründet, dass seitdem keine geeigneten Wirkstoffkandidaten aus dem Meer entdeckt wurden. Das
Gegenteil ist der Fall. Verbindungen wie z. B. die aus Moostierchen
isolierten Bryostatine, zyklische Peptide wie das Aplidin aus Seescheiden oder Makrolide aus Schwämmen wie das Halichondrin B
sind durchaus vielversprechende Kandidaten für neue Zytostatika
und befinden sich bereits seit längerer Zeit in verschiedenen Phasen der klinischen Prüfung. Der langsame Fortschritt, den diese und
viele andere potentielle Wirkstoffe aus Meeresorganismen seit ihrer
Entdeckung im Rahmen der präklinischen bzw. klinischen Prüfung
bislang aufwiesen, hängt zum größten Teil mit ihren komplexen
Strukturen und damit verbundenen Schwierigkeiten im Substanznachschub zusammen. Eine Totalsynthese ist zwar bei allen oben
genannten Beispielen an marinen Naturstoffen möglich, doch ökonomisch auf Grund der geringen Ausbeuten nicht vertretbar. Ein
unbegrenzter Nachschub aus der Natur verbietet sich ebenfalls,
möchte man nicht die Ausrottung von Arten riskieren. Ähnliche
Probleme treten durchaus auch bei der Arzneistoffentwicklung
basierend auf Inhaltsstoffen von Landpflanzen auf. So konnte z. B.
das Taxol, das ausschließlich in der Rinde weniger Eibenarten von
der Westküste der Vereinigten Staaten vorkommt, erst zur Marktreife entwickelt werden, als es gelang, es durch Partialsynthese aus
praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehenden Baccatin-Vorstufen
aus den Nadeln der gewöhnlichen Bechereibe (Taxus baccata) zu
gewinnen.
Zertifizierte Fortbildung
Rote Fächerkoralle
nälen die Übertragung von Schmerzsignalen im Rückenmark, wo es
mittels eines intrathekalen Kateters und einer Dosierpumpe appliziert wird. Im Gegensatz zum Morphium kommt es zu keiner Gewöhnung des Schmerzpatienten an das Analgetikum. Eine Steigerung
der Dosis im Rahmen der Therapie ist daher nicht nötig, auch eine
Abhängigkeit tritt im Gegensatz zum Morphium nicht auf. Auf Grund
der recht einfachen Struktur ist Ziconotid synthetisch gut zugänglich. Die Erforschung weiterer neuroaktiver Peptide aus dem Gift von
Conus-Schnecken und ihres möglichen Einsatzes als Arzneistoffe
geht derweil weiter.
Trabectedin
Im vergangenen Jahr wurde ein weiterer mariner Naturstoff als Arzneistoff zugelassen. Es handelt sich bei dieser Verbindung um das
strukturell komplexe Alkaloidderivat Ecteinascidin-743 (auch ET-743
genannt; Handelsname Trabectedin) aus der Seescheide Ecteinascidia turbinata, die in der Karibik und im Mittelmeer vorkommt. ET743 fiel bereits früh im Rahmen von Screeninguntersuchungen
wegen seiner starken zytostatischen Aktivität auf. Die Bereitstellung
genügender Substanzmengen für die klinische Prüfung und im
Erfolgsfall für die spätere Einführung als Medikament war über längere Zeit hinweg jedoch außerordentlich schwierig. Eine Totalsynthese der Substanz schied angesichts der Vielzahl an Stereozentren
als gangbare Möglichkeit aus. Die Substanzausbeute bei Extraktion
aus der Seescheide erwies sich als gering. Um 1 g der Substanz zu
erhalten, musste eine Tonne an Biomasse der Seescheide extrahiert
und aufgearbeitet werden (Mendola et al., 2006). Die für die Markteinführung als Arzneistoff notwendigen Substanzmengen konnten
selbst durch Marikultur der Seescheide, die im Rahmen von Pilotversuchen im Mittelmeer erprobt wurde, nicht bereitgestellt werden.
Die Lösung des Nachschubproblems ergab sich erst durch eine Partialsynthese ausgehend vom mikrobiellen Naturstoff Cyanosafracin B,
der von Bakterien der Art Pseudomonas fluorescens mittels Fermentation in praktisch unbegrenzter Menge gewonnen und in einer
überschaubaren Anzahl von Reaktionen in das Alkaloid ET-743 überführt werden kann. Erstaunlicherweise stimmen die Stereozentren
der bakteriellen Vorstufe in ihrer absoluten Konfiguration vollstän-
dig mit dem marinen Naturstoff überein, was Fragen zur eigentlichen
Herkunft der Verbindung aufwirft. Seescheiden leben wie viele andere marine Wirbellose in einer Lebensgemeinschaft mit verschiedenen Mikroorganismen. Es ist daher möglich, dass das ET-743 obwohl
aus einer Seescheide gewonnen dennoch auf Mikroorganismen als
Produzenten zurückzuführen ist bzw. dass Mikroorganismen zumindest an der Biosynthese der Verbindung beteiligt sind.
Das Trabectedin ist zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Weichteilsarkom, die auf die Behandlung mit Anthracyclinen bzw. Ifosfamid nicht mehr ansprechen oder
für diese Therapien nicht in Frage kommen, zugelassen. Der antiproliferative Effekt von Trabectedin erklärt sich durch Bindung der
Subtanz in die kleine Furche der DNA und Alkylierung von GuaninResten. Der Zellzyklus wird gestört und die Krebszellen sterben
mittels Apoptose ab.
Weitere marine Naturstoffe derzeit in klinischer Prüfung
Gegenwärtig befinden sich ca. 20 verschiedene marine Naturstoffe
bzw. von Naturstoffen abgeleitete Verbindungen in klinischer Prüfung (Proksch und Müller, 2006) (Tabelle 1). Bis auf wenige Ausnahmen wurden nahezu alle dieser Verbindungen aus Wirbellosen
wie Schwämmen, Seescheiden, Moostierchen oder Schnecken isoliert. Substanzen aus Algen oder aus höheren Meerestieren spielen
eine vergleichsweise geringe Rolle (eine dieser Ausnahmen stellt das
aus Haien gewonnene und ungewöhnlich substituierte Steroid
Squalaminlactat dar). Ferner fällt auf, dass die Mehrzahl der in Tabelle 1 aufgeführten Substanzen potentielle Wirkstoffe zur Behandlung
von Krebserkrankungen darstellen. Andere Indikationen wie z. B.
Einsatz bei entzündlichen Erkrankungen bzw. Asthma oder bei
Demenzerkrankungen erscheinen zwar ebenfalls in der genannten
Übersicht, sie sind dennoch im Vergleich zur Indikationsrichtung
„Krebserkrankungen“ deutlich unterrepräsentiert. Die Suche nach
neuen Zytostatika ist demnach eines der Hauptgebiete der gegenwärtigen marinen Wirkstoff-Forschung, das sich durch eine hohe
„Trefferzahl“ in bisherigen Untersuchungen als eine Domäne mariner Naturstoffe herauskristallisiert hat.
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PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT
Aplidin
Abbildung 3
Einer der am weitesten in der klinischen Prüfung vorangeschrittenen
Arzneistoffkandidaten ist dabei das Aplidin. Bei dieser Verbindung
handelt es sich um ein zyklisches Peptid, das aus der Seescheide
Aplidium albicans gewonnen wird. Aplidin hemmt die DNA- und die
Proteinbiosynthese und greift durch Inhibierung von Cyclin abhängigen Proteinkinasen in den Zellzyklus ein, wodurch Apoptose ausgelöst wird. Aplidin befindet sich derzeit in klinischer Prüfung zur
Behandlung von Melanomen, Non-Hodgkin-Lymphomen sowie Enddarm-, Nieren-, Lungen- und Pankreaskarzinomen.
Das Kahalalid F ist ebenso wie das Aplidin ein zyklisches Peptid,
das sich derzeit in Phase II der klinischen Prüfung zur Behandlung
von Prostatakarzinom befindet. Die natürliche Quelle der Verbindung ist die Schnecke Elysia rufescens, die sich von Grünalgen der
Gattung Bryopsis ernährt. Die Substanz induziert Zelltod durch einen
noch nicht in allen Einzelheiten verstandenen Mechanismus, der als
„Onkosis“ bezeichnet wird. Diese Art der Nekrose von Krebszellen
wird vermutlich durch Depolarisation der lysosomalen Membranen
von Prostatakrebszellen ausgelöst. Interessanterweise wurde das
Kahalalid F zwar erstmals aus Elysia-Schnecken isoliert, doch stellen diese nicht die eigentliche Quelle der Verbindung dar. Die tatsächlichen Produzenten des Kahalalid F sind vielmehr Bakterien der
Gattung Vibrio, die assoziiert mit den Bryopsis-Algen vorkommen.
Die Schnecken nehmen demnach die Peptidderivate über ihre Nahrung auf und speichern diese in ihren Weichkörpern.
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Abbildung 4
Abbildung 5
Auch im Fall der Bryostatine aus dem Moostierchen Bugula neritina
konnte der Nachweis für eine Beteiligung von Mikroorganismen an
der Biosynthese der Verbindung erbracht werden. Bei den Bryostatinen handelt es sich um makrozyklische Polyketidderivate, die eine
Lactongruppe aufweisen. Das Bryostatin-1 befindet sich bereits seit
längerer Zeit in klinischer Prüfung als potentielles neues Krebsmedikament zur Behandlung verschiedener solider Tumore sowie von
Non-Hodgkin-Lymphomen. Im letzteren Fall erbrachte die klinische
Prüfung bislang die überzeugendsten Resultate. Bryostatin-1 induziert Apoptose in Krebszellen, es ist ferner in der Lage, noch in picomolaren Konzentrationen die Bindung von Phorbolestern an Proteinkinasen vom Typ C zu inhibieren. Mittlerweile werden zunehmend auch synthetisch besser zugängliche und strukturell vereinfachte Bryostatinanaloga auf ihre Eignung zur Therapie von Krebserkrankungen getestet. Die für die Biosynthese der Bryostatinderivate verantwortliche Polyketidsynthase konnte mittels RNA/DNAHybridisierungsexperimenten ausschließlich in bakteriellen Symbionten der Moostierchen nachgewiesen werden. Ähnlich wie im
Fall vom Kahalalid F handelt es sich daher auch bei den Bryostatinen zwar um Naturstoffe, die aus marinen Wirbellosen isoliert wurden, die eigentlichen Produzenten der Verbindungen sind jedoch
Mikroorganismen.
Zukunft der marinen Wirkstoff-Forschung
Wie dargelegt, verfügen die Ozeane über einen immensen Reichtum an strukturell ungewöhnlichen und biologisch aktiven Naturstoffen, der bisher erst in Anfängen untersucht ist. Erste Erfolge
auf der Suche nach Arzneistoffen aus dem Meer, die in den letzten
Jahren durch die Zulassung des Prialts und Trabectedins eindrucksvoll untermauert wurden, zeigen nach einer langen Durststrecke, die seit der Markteinführung von Ara-A und Ara-C durchschritten wurde, dass die Wirkstoffsuche im Meer ein tragfähiges
Konzept für die Entdeckung neuer Arzneistoffe darstellt. Der
zukünftige Erfolg mariner Arzneistoffe wird ganz entscheidend von
der Möglichkeit abhängen, interessante neue Leitstrukturen rasch
und zu vertretbaren Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Gewinnung aus natürlichen Quellen kommt hierfür aus Artenschutzerwägungen nicht in Frage. Die Entwicklung geeigneter Marikulturbedingungen, die eine Massenanzucht der gewünschten Organismen
im Meer oder in landgestützten Anlagen erlauben, ist eine Möglichkeit, die sich für die Zukunft abzeichnet. Die Bereitstellung
durch Synthese führt im Fall einfacherer Strukturen ebenfalls zum
Erfolg, wie am Beispiel des Prialts gezeigt. Da immer deutlicher
wird, dass eine Vielzahl von bioaktiven Naturstoffen aus marinen
Wirbellosen tatsächlich auf Mikroorganismen zurückzuführen sind,
dürften sich in Zukunft durch die Klonierung und heterologe
Expression entsprechender mikrobieller Biosynthesegencluster
neue Wege zu einer nachhaltigen Produktion von Arzneistoffen aus
dem Meer ergeben.
Zertifizierte Fortbildung
Quellorganismus
Naturstof fname
Krankheitsbild
Bugula neritina
Elysia rufescens
Discodermia dissoluta
Bryostasin 1
Kahalalid F
Discodermolide
(XAA296A)
HTI-286
Krebs
Krebs
Krebs
II
II
I
Krebs
II
Squalaminlactat
AE-941 (Neovastat)
Aplidin
KRN7000
IPL-576,092
(HMR-4011A)
IPL-512,602
IPL-550,260
Krebs
II
Krebs
Krebs
Entzündungen/
Asthma
Asthma
Asthma
II
I
II
Methopterosin
OAS-100
Entzündungen/
Wunden
I/II
Amphiporus lactifloreus
GTS-21
Alzheimer/
Schizophrenie
I
Jorunna funebris
Reniera sp.
Mactromeris
polynyma
Spisula polynyma
Zalypsis®6
(PM00104/50)
ES-2857
(Spisoline-285)
Krebs
I
Krebs
I
Cymbastella sp
Squalus acanthias
Aplidium albicans
Agelas mauritianus
Petrosia contignata
Petrosia contignata
Petrosia contignata
(sponge)
Pseudopterogorgia
elisabethae
Derzeitige Phase der
klinischen Studien
II
I
Tabelle 1: Ausgewählte marine Naturstoffe, die sich derzeit in klinischer Testung befinden
(aktualisiert nach Proksch und Müller, 2006 und nach Newman und Cragg, 2004)
Literatur
1. Bergmann, W. and Feeney, R.J. (1951). Contributions to the study
of marine products. XXXII. The nucleosides of sponges. J. Org. Chem.
16, 981-987.
2. De Rosa, S., Cimino, G., De Giulio, A., Milone, A., Crispino, A., and
Iodice, C. (1995). A new bioactive eunicellin-type diterpene from the
gorgonian Eunicella cavolini. Nat. Prod. Lett. 7, 259-265.
3. Huffman, M,A. (1997): Current evidence for self-medication in Primates: A multidisciplinary perspective. Yearbook of Physical Anthropology 40, 171 - 200.
4. Mendola D, Santiago A, Naranjo L, Duckworth AR, Osinga R
(2006). The promise of aquaculture for delivering sustainable supplies of new drugs from the sea: Examples from in-sea and tankBased invertebrate culture projects from around the world. In: Frontiers in Marine Biotechnologie. Proksch P, Müller WEG (Eds.) 1-19.
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5. Müller, W.E.G., Koziol, C., Wiens, M., and Schröder, H.C. (2000)
Stress response in marine sponges: genes and molecules involved
and their use as biomarkers. Cell and Molecular Responses to
Stress (Environmental Stressors and Gene Responses). 1, 193-208.
Newman DJ, Cragg GM (2007) Natural products as sources of new
drugs over the last 25 years. J. Nat. Prod., 70:461-77.
6. Proksch P, Edrada RA, Ebel R (2006) Implications of marine biotechnology on drug discovery. In: Frontiers in Marine Biotechnologie. Proksch P, Müller WEG (Eds.) 1-19. Horizon Bioscience, Norfolk
7. Weinheimer, A.J. and Spraggins, R.L. (1969). The occurrence of two
new prostaglandin derivatives (15-epi-PGA2 and its acetate, methyl
ester) in the gorgonian Plexaura homomalla. Chemistry of coelenterates. XV. Tetrahedron Lett. 15, 5185-5188.
Der Autor
Prof. Dr. Peter Proksch
LEBENSLAUF UND WISSENSCHAFTLICHER WERDEGANG
Geboren: 6. 12. 1953 in Leipzig
Staatsangehörigkeit: deutsch
Studium der Biologie an der Universität zu Köln, 1980 Promotion zum Dr. rer. nat.
Postdoc von August 1980 - August 82 an der University of
California, Irvine
Wissenschaftlicher Angestellter: 1982 - 1985 am Botanischen
Institut der Universität zu Köln
Wechsel in das Fach Pharmazeutische Biologie 1986
Hochschulassistent: Januar 1986 - Juli 1990 am Institut für
Pharmazeutische Biologie der TU Braunschweig
Habilitation 1988 an der TU Braunschweig
1990 Ruf auf eine C3-Professur im Fach Pharmazeutische Biologie an die Universität Würzburg
1999 Ruf auf eine C4-Professur im Fach Pharmazeutische Biologie an die Universität Düsseldorf
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Fortbildungs-Fragebogen 4/2008
Faxnummer: 02 08 / 6 20 57 41
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Postweg. Sie erhalten den Fortbildungspunkt für die Kategorie „Bearbeiten von Lektionen“ (rezertifiziert durch die
Bundesapothekerkammer, Veranstaltungs-Nr.: BAK 2006/36). Es ist pro Aufgabe nur eine Antwort richtig. Die Lösungen werden Ihnen
zusammen mit dem Fortbildungspunkt mitgeteilt. Bitte tragen Sie unbedingt Ihre Postanschrift und Ihre Telefon-Nummer (für
evtl. Rückfragen) in das Faxformblatt ein!
1. Ecteinascidin-743 (Trabectedin®) wird eingesetzt zur
Behandlung von:
A) 앮 Schmerzen
B) 앮 Asthma
C) 앮 Weichteilsarkomen
D) 앮 Entzündungen
E) 앮 Wunden
5. Das aus Elysia-Schnecken isolierte Kahalalid F stammt
eigentlich von …
A) 앮 Schwämmen der Gattung Agelas
B) 앮 Fischen
C) 앮 terrestrischen Organismen
D) 앮 Bakterien der Gattung Vibrio
E) 앮 Würmern der Gattung Amphiporus
2. Bei
A) 앮
B) 앮
C) 앮
D) 앮
E) 앮
Nucleosidanaloga
Proteine
Steroide
Glykoproteine
Bryostatine
6. Ziconotid ist ein Inhaltsstoff ...
A) 앮 der Schnecke Conus magnus
B) 앮 der Muschel Mactromeris polynyma
C) 앮 der Weichkoralle Pseudopterogorgia elisabethae
D) 앮 des Hais Squalus acanthias
E) 앮 des Moostierchens Bugula neritina
3. Bei
A) 앮
B) 앮
C) 앮
D) 앮
E) 앮
Alkaloid
Steroid
Terpen
Peptid
Chinon
Spongothymidin und Spongouridin handelt es sich um:
Ziconotid handelt es sich um ein:
7. In welchen Organismen kommen häufig halogensubstituierte
Naturstoffe vor?
A) 앮 In Moosen
B) 앮 In Farnen
C) 앮 In terrestrischen Organismen
D) 앮 In marinen Organismen
E) 앮 In Spermatophyten
4. Ein zyklisches Peptid aus der Seescheide Aplidium albicans,
welches sich zur Zeit in klinischer Prüfung befindet, hemmt ...
A) 앮 die Cyclooxygenase
B) 앮 cyclinabhängige Proteinkinasen
C) 앮 die Leukotrienbiosynthese
D) 앮 die Freisetzung der Arachidonsäure
E) 앮 die Resorption von cytotoxischen Verbindungen
Berufsbezeichnung:
앮 Apotheker/in
8. Wie können alle marinen Naturstoffe wirtschaftlich gewonnen
werden?
A) 앮 Aus natürlichen Ressourcen
B) 앮 Durch Totalsynthese
C) 앮 Partialsynthetisch aus pflanzlichen Vorstufen
D) 앮 Durch Marikultur
앮 PTA
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