Zytogenetik - biomed

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biomed_Heft_0506
16.11.2006
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wissenschaft & praxis
Zytogenetik
Die Zytogenetik umfasst die mikroskopische Untersuchung von
Zahl und Struktur der Chromosomen und deren Abweichungen
sowie den Prozess der Zellteilung an sich. Sie ist die häufigste
Laboruntersuchung in der Humangenetik und ein Grundpfeiler in
der pädiatrischen und onkologischen Diagnostik.
Karyogramm
der
Größe nach angeordnet, sodass der Karyotyp bestimmt werden
kann.
Der Karyotyp beschreibt den Chromosomensatz eines Individuums, also die Gesamtzahl aller Chromosomen in der Zelle.
Die Anzahl und die
Form der Chromosomen in jeder Zelle eines
Menschliche Chromosomen wurden das erste
Mal 1874 von Arnold und 1881 von Fleming
beobachtet. Es dauerte dann jedoch noch etwa
wissenschaft
70 Jahre, bis durch einen Präparationsfehler
& praxis
zufällig ein Zugang zu einer mikroskopisch
klaren Darstellung des menschlichen Chromosomensatzes
gefunden wurde.
Historische Meilensteine
1952 beschrieb Hsu den menschlichen Chromosomensatz
mit 48 Chromosomen. Trotz der falschen Chromosomenzahl war diese Publikation von großer Bedeutung. Hsu hatte sozusagen durch einen „Unfall“ entdeckt, dass hypotone
Lösungen die behandelten Zellen anschwellen und platzen
ließen. 1956 korrigierten Tjio und Levan die Chromosomenzahl auf den richtigen Wert von 46. Es dauerte nur drei
Jahre, bis verschiedene Gruppen die Überzahl oder das Fehlen eines Chromosoms als Ursache für einige genetische Syndrome beschrieben.
Was sind Chromosomen?
Chromosomen verdanken ihren Namen der Eigenschaft,
dass sie sich durch Farbstoffe gut anfärben lassen (griechisch:
chroma = Farbe, soma = Körperchen).
Ein Chromosom ist die Organisationsstruktur der DNA
mancher eukaryontischer Organismen. Es ist ein langer, kontinuierlicher DNA-Doppelstrang, der um eine Vielzahl von Histonen (Kernproteinen) herumgewickelt und mehrfach zu einer kompakten Form spiralisiert werden kann.
Chromosomen unterliegen einem typischen
Formenwandel:
n Während der Zellteilung existieren sie als
mikroskopisch sichtbare „Transportform“.
Sie bestehen morphologisch aus jeweils zwei
Längsstrukturen, den Chromatiden, die am
Zentromer zusammengehalten werden.
n Während der Ruhephase des Zellkerns (Interphase) lösen sie ihre Struktur auf, die DNA
liegt als nicht sichtbare „Funktionsform“ vor.
Karyogramm
Um die Anzahl der diploiden Chromosomen eines Lebewesens festzustellen, werden sie während der Metaphase im
Reagenzglas mit Colchizin, einem Spindelgift, arretiert, sodass
sie nicht mehr zu den Zellpolen gezogen werden können. Danach werden die Zellen angefärbt, fotografiert und in einem
Organismus sind artspezifisch. Der Mensch besitzt im diploiden Zustand 46 Chromosomen (23 Paare). 22 Paare sind
bei Mann und Frau gleich (Autosomen). Das 23. Paar besteht beim Mann aus einem X- und einem Y-Chromosom
und bei der Frau aus zwei X-Chromosomen (Gonosomen =
Geschlechtschromosomen).
Darstellung der Chromosomen
Zur Chromosomenanalyse beim Menschen ist grundsätzlich jedes Untersuchungsmaterial geeignet, das Mitosen enthält oder bei dem man die Mitose anregen kann. Von Bedeutung ist auch die Zugänglichkeit. Peripheres Blut ist das
am meisten verwendete Untersuchungsmaterial, um den konstitutionellen (angeborenen) Karyotyp zu ermitteln. Lymphozyten eignen sich am besten zur Chromosomendarstellung, weil die Entnahme von venösem Blut einfach und die
Mitoseausbeute bei der Kultivierung sehr gut ist.
In der Praxis erfolgen die meisten Chromosomenpräparationen aus folgenden Materialien:
n Pränataldiagnostik:
n Nabelschnurblut (Lymphozyten)
n Fruchtwasser (Amnionzellen)
n Chorionzotten
n Postnataldiagnostik:
n peripheres Blut (Lymphozyten)
n Hautstanze (Fibroblasten)
n Tumorzytogenetik:
n Knochenmark (Lymphozyten und Vorstufen)
Periphere Lymphozyten teilen sich im gesunden Menschen
normalerweise nicht, da sie sich in der G0-Phase befinden.
Durch die Zugabe von Phytohämagglutinin ins Kulturmedi-
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um können sie jedoch artifiziell zur Teilung angeregt werden
und vermehren sich dann in der Regel in 72-Stunden-Kulturen
zu einer für die Präparation genügenden Zelldichte.
Die wesentlichen Schritte im Einzelnen
Ansatz einer Chromosomenkultur:
Das Kulturmedium für eine Chromosomenkultur enthält
neben dem RPMI 1640 Medium fötales Kälberserum und LGlutamin, die in vivo für eine physiologische Umgebung sorgen, sowie Penicillin/Streptomycin zur Vermeidung von Kontaminationen und Natriumbicarbonat als pH-Stabilisator.
Phytohämagglutinin (PHA), ein so genanntes Mitogen, das
aus der roten Nierenbohne gewonnen wird, ermöglicht die
Zellteilung unter Kulturbedingungen. Wenn T-Lymphozyten
dem PHA ausgesetzt werden, reagieren sie darauf wie sie es
auch innerhalb des Körpers auf eine artfremde Substanz tun
würden. Die reifen T-Zellen entdifferenzieren zu einer T-lymphoblastischen Zelle. In dieser Form ist die T-Zelle in der
Lage, Mitosen zu bilden, um DNA aufzubauen.
derungsmethode ist die Bänderung mit Trypsin und
Giemsa. Nach Inkubation der Chromosomen in einer
Trypsinlösung (Trypsinierung) erfolgt die Inkubation mit
Giemsa-Lösung. Der Farbstoff wird nach der
Denaturierung des Chromatins in die DNA eingebaut.
Die Bandenstruktur basiert auf Unterschieden in der
Längsstruktur des Chromatins. Jedes Band ist vom
nächsten durch seine Basenzusammensetzung, die
Chromatininformation, die Dichte der Gene, seine
repetitiven Sequenzen und den Zeitpunkt der Replikation
unterschieden.
GTG-Bänder – 46,XX
Standardfärbung – 46,XX
Chromosomen Harvesting („Ernten der Chromosomen“):
n Nach etwa 72 Stunden bei 37°C in einem CO2-Brutschrank erfolgt die Zugabe von Colcemid , ein synthetisches Analog zu Colchizin (Alkaloid der Herbstzeitlose). Colcemid verursacht das Absterben der
Spindelfasern, wodurch das Auseinanderweichen der
Schwester-Chromatiden verhindert wird und arretiert die
Chromosomen in der Metaphase. Dieser Schritt wird
„Stoppen des Wachstums“ bzw. „Unterbrechen“ genannt
n Die hypotone Behandlung der Zellen erfolgt üblicherweise mit 37°C warmer, 0,075 molaren KCl. Die hypotone Lösung erhöht das Zellvolumen durch den Effekt
der Osmose. Wasser fließt durch die Zellmembran in das
Innere der Zelle, um den unterschiedlichen Salzgehalt von
Zelle und Umgebung auszugleichen. Ein größeres
Volumen bedeutet für die Chromosomen, dass sie mehr
Platz haben und sich besser ausbreiten können. Zudem
quillt das Chromatin und wird dadurch besser sichtbar
gemacht.
n Die Fixierung des Materials erfolgt mit einem Gemisch aus
Eisessig und Methanol im Verhältnis 1:3 („Fixativ“), das
eisgekühlt verwendet wird. Die Fixierung ist ein Konservierungsprozess. Dabei senkt das Fixativ den pH-Wert
der Zelle und denaturiert sie. Anschließend wird die Zelle
dehydriert, das Wasser im Zellinneren entfernt und durch
Methanol ersetzt, Proteine und DNA verändert. Die Zellmembran und das Chromatin werden gehärtet und die
Chromosomen für die nachfolgende Bänderungsprozedur
präpariert. Zusätzlich hat das Gemisch einen lysierenden
Effekt auf die Erythrozyten und die Debris.
n CBG-Bänder (C-Bänder mit Barium und Giemsa):
Mit Hilfe der C-Bänder wird das zentromernahe Heterochromatin aller Chromosomen angefärbt. Besonders
deutlich tritt dies am perizentrischen Heterochromatinblock der Chromosomen 1, 9 und 16 sowie am distalen
Heterochromatinblock des Y-Chromosoms zu Tage. Die
C-Bänder resultieren daraus, dass aus den C-Bandennegativen Regionen durch eine HCl-Behandlung mehr
DNA und Proteine herausgelöst werden. Das Heterochromatin (C-Banden-positiv) ist mit Proteinen dichter
gepackt und enthält darüber hinaus noch spezielle NichtHistonproteine. Durch die stärkere Proteinbindung wird
die DNA in den C-Banden-positiven Regionen langsamer
depuriniert. Ein Verlust von DNA und Protein ist dann erschwert, deshalb färben sich diese Bereiche mit Giemsa
dunkel an.
n QFQ-Bänder (Quinacrin-Bänderung):
Die Bänderung mit dem Fluoreszenz-Farbstoff Quinacrin
war 1970 die erste Bänderungsfärbung, die eine
individuelle Unterscheidung der Chromosomen ermöglichte. Mit der Q-Bänderung leuchten bestimmte polymorphe Regionen (perizentromerische Regionen an den
Chromosomen 3 und 4, perizentromerische und Satellitenregionen der akrozentrischen Chromosomen, Heterochromatinblock in Yq) hell auf. Die helle Fluoreszenz findet
sich dabei in DNA-Abschnitten mit AT-reichen Basenpaaren. Das kommt daher, weil AT-reiche DNA die
Quinacrin-Fluoreszenz steigert, GC-reiche DNA sie dagegen vermindert („quencht“). Ansonsten spielen bei dieser
Färbemethoden:
n Standardfärbung:
Mit Hilfe des Farbstoffes Giemsa wird die DNA aller
Chromosomen einheitlich angefärbt. Dadurch wird die
Zahl der Chromosomen feststellbar und numerische Veränderungen (Aberrationen) können erkannt werden.
Außerdem kann man die Chromosomen anhand ihrer
Größe und der Lage des Zentromers in sieben Gruppen
einteilen. Eine individuelle Unterscheidung der
Chromosomen ist allerdings nicht möglich.
n GTG-Bänder (G-Bänder mit Trypsin-Giemsa):
Die in der Praxis am häufigsten angewandte Bän-
CBG-Bänder – 46,XY
QFQ-Bänder – 46,XY
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Färbung aber auch die Variation der Basenzusammensetzung entlang der gesamten Länge des Chromosoms und
DNA-Protein-Wechselwirkungen eine Rolle.
n Weitere Färbungen:
n R-Bänder (reverse Bänderung)
n SCE-Bänder (Sister Chromatide Exchange)
n NOR-Bänder (Silberfärbung)
Chromosomenaberrationen
Chromosomenstörungen (Chromosomenaberrationen)
sind beim Menschen keine Seltenheit. Etwa 20 % aller Konzeptionen haben Chromosomenanomalien, jedoch wird der
größte Teil der Embryonen bzw. Feten spontan abortiert.
Veränderungen, die die Anzahl der Chromosomen betreffen, werden als numerische Chromosomenaberrationen
bezeichnet. Sie verursachen bei dem/der TrägerIn von wenigen Ausnahmen abgesehen schwere gesundheitliche Schädigungen. Beispiele sind die Trisomien, die bekannteste davon
ist die Trisomie 21, das Down-Syndrom. Hier liegt das Chromosom Nr. 21 in dreifacher Ausführung vor. Häufige Befunde betreffen fehlende oder überzählige Geschlechtschromosomen. Beim Turner-Syndrom fehlt neben dem vorhandenen X-Chromosom ein zweites X- oder ein Y-Chromosom, beim Klinefelter-Syndrom sind zwei X-Chromosomen
und zusätzlich ein Y-Chromosom vorhanden.
Ist die Struktur der Chromosomen verändert, so spricht
man von strukturellen Chromosomenaberrationen. Schwere Folgen haben Veränderungen, bei denen Chromosomenmaterial verloren gegangen ist (= Deletion) oder verdoppelt
wurde (= Duplikation). Die Umkehr eines Chromosomenabschnittes innerhalb eines Chromosoms (= Inversion) oder
ein Austausch von Chromosomenstücken zwischen zwei
Chromosomen (= Translokation) hat in der Regel nur dann
Folgen, wenn bei diesem Vorgang wichtiges genetisches Material verloren ging oder verdoppelt wurde. Inversionen und
Translokationen können über Generationen vererbt werden.
Werden sie in einer pränatalen Diagnose gefunden, sind sie
dann als harmlos zu betrachten, wenn bereits ein Elternteil
TrägerIn der gleichen Chromosomenaberration ist.
n
Quellen:
Tariverdian G., Buselmaier W: Humangenetik. 3. Auflage,
Springer-Verlag, 2004
http://de.wikipedia.org/wiki/Chromosom
http://www.zum.de/Faecher/Bio/SA/stoff12/chromosomen.htm
http://www.genetica-ag.ch/zytogenetik/
zytogenetik_allgemeines.html
http://www.mta-verband.at/zytogenetikforum/default.htm
Gabriela Kronberger
Biomedizinische Analytikerin
Klinische Genetik
St. Johanns-Spital Salzburg
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